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Verfassungsschutz nimmt Islamhasser ins Visier

 

Mit Freude habe ich heute die Meldung gelesen, dass der Verfassungsschutz ernsthaft prüfe, ob und wie die rechtspopulistisch-islamhassende Szene zu beobachten sei. „Beobachten“ ist dabei ein rechtlich eingegrenzter Begriff, der nicht mit dem alltagssprachlichen „im Auge behalten“ verwechselt werden sollte. Einer vom Verfassungsschutz beobachteten Organisation anzugehören, kann unter Umständen rechtliche Konsequenzen haben (zum Beispiel die Verweigerung der Einbürgerung bei Anhängern islamistischer Gruppen).

Ich habe hier vor einigen Monaten gefordert, dass der Verfassungsschutz die Szene um PI und Teile der „Freiheit“ sowie die „Pro“-Bewegungen beobachten soll. Gut, dass das nun vorankommt, obwohl man dem VS ja nach den Enthüllungen über die Nazi-Mordserie (zu Unrecht, jedenfalls in generalisierter Form) nicht mehr über den Weg traut. Ein großes Kompliment gebührt den Kollegen von Berliner Zeitung/ Frankfurter Rundschau für ihre ausgezeichnete Enthüllungsarbeit, die wohl letzte Zweifel bei den Behörden beseitigt haben sollte.

Der Leiter des Hamburger VS, Murck, erläutert heute in der Berliner Zeitung:

Wir dürfen nur nachrichtendienstlich beobachten, wenn es klare Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die demokratische Grundordnung gibt. Diese können von einer Gruppe oder Organisation ausgehen, aber auch von Publikationen, in diesem Fall Websites. Bei Angriffen auf die vom Grundgesetz geschützten Menschenrechte ist der Verfassungsschutz eindeutig zuständig, solche Angriffe finden sich auf islamfeindlichen Seiten häufig. Unsere bisherigen Erkenntnisse zeigen, dass Muslimen häufig die Menschenwürde bestritten wird, man betrachtet sie nicht als gleichwertige Rechtssubjekte. Angriffe auf die in Artikel 4 des Grundgesetzes geschützte Glaubensfreiheit stehen im Zentrum dieser Bestrebungen.

… wie jüngst auf dem Anti-Islam-Blog „Politically Incorrect“. Da wurden Muslime im redaktionellen Teil vor die Wahl gestellt: „Abschwören oder ausreisen.“

Formulierungen dieser Art sind Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen. Um eine Website insgesamt als Beobachtungsobjekt einstufen zu können, bedarf es aber einer Verdichtung solcher Belege. Angriffe auf die Grundrechte sind für uns auch eindeutiger zu belegen als verklausulierte Angriffe auf den Rechtsstaat, wie die genannten Drohungen mit dem Tag X. Zumindest bigott sind auch die verbreiteten Szenarien zu einem angeblich bevorstehenden Bürgerkrieg: Man gibt sich besorgt, dass dieser Krieg bevorstehe, fördert ihn aber faktisch.

Wie das?

Durch Gewaltaufrufe auf einschlägigen Seiten. Berüchtigt ist etwa der Aufruf von Michael Mannheimer an die Deutschen: „Erhebt euch von euren Sofas! Geht auf die Straßen! Greift zu den Waffen, wenn es keine anderen Mittel gibt!“

Eine Meldung aus den letzten Tagen zeigt, dass der Zug in der Szene weiter in Richtung Radikalisierung fährt. Michael Stürzenberger, der ehemalige CSU-Mann, der maßgeblich in der Münchener PI-Gruppe und der bayerischen Sektion der „Freiheit“ aktiv ist, wurde auf dem Bundesparteitag der „Freiheit“  in den Vorstand gewählt. Der Vorsitzende Stadtkewitz hat sich hinter ihn gestellt. Und das, obwohl (oder weil?) Stürzenberger kürzlich mit seinem verfassungsfeindlichen Manifest („Thesenpapier gegen die Islamisierung“) selbst moderatere Teile der Szene verprellt hatte, wie etwa den bayerischen „Freiheits“-Politiker Christian Jung, der gegenüber der FR sagte, Stürzenbergers Aufsatz sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Vor allem die Forderung, Muslime, die nicht abschwören, sollten zur Ausreise gezwungen werden, hatte die Freunde Stürzenbergers alarmiert, die zuvor seine jahrelange Hetze unter dem Namen „byzanz“ durchaus goutiert hatten.

Nun also byzanz im Bundesvorstand! Gut so, ein Grund mehr, auch diesen Laden demnächst zu beobachten.

Ich bleibe bei der Einschätzung, die ich hier schon öfter dargelegt habe: Diese Leute haben (derzeit) politisch keine Chance, breitenwirksam zu werden und die grundgesetzlichen Garantien in ihrem Sinn zu verändern.

Aber kann man sich auf Dauer sicher sein, dass das auch so bleibt? Noch glaube ich das. Damit ist die Szene aber nicht ungefährlich, ebenso wie radikale Islamisten, die wir ja auch beobachten, obwohl ihre Chancen, Deutschland zum Scharia-Staat zu machen, gleich null sind.

Denn: Im Debattenmilieu der Islamhetzer werden apokalyptische Ängste geschürt, es wird eine Endkampf-Stimmung verbreitet und es werden die Hemmschwellen gegenüber gruppenbezogenem Hass gesenkt, was auf Einzeltäter oder auch Gruppen wirken kann, die endlich „etwas tun“ wollen gegen die vermeintliche Islamisierung unserer Gesellschaft. Unzweideutig handelt es sich hier um ein Vorfeld der Radikalisierung, wie es auch einschlägige linksextremistische oder islamistische Websites darstellen.

Die Versuche der klassischen Neonazis, sich an diese Szene und ihren Massenappeal anzuhängen sind offensichtlich. Seit etwa anderthalb Jahren bekomme ich regelmäßig Mails des NPD-Strategen Jürgen Werner Gansel, der „Moslem-Feindschaft und Islam-Kritik als politische Türöffner“ benutzen möchte. Er träumt davon, auf einer Welle der Islam-Kritik die Nazi-Ideologie mehrheitsfähig zu machen. Da wird sogar der Antisemitismus zurückgestellt, der hierzulande aus historischen Gründen nicht mehr für diese Funktion infrage kommt. Der Moslem ist als Ersatz-Feindbild zur Hand. Einen Stürzenberger kann Gansel kaum noch überbieten in seiner Radikalität. Die Pro-Israel-Bekenntnisse haben die Funktion, diese Übereinstimmung der Rechtspopulisten mit den Rechtsradikalen zu überspielen.

Gut zu wissen, dass die Behörden da ein Auge drauf haben.