Der Präsident des Irans ist nicht nur groß darin, Blogger zu schikanieren und ins Gefängnis zu werfen. Er mischt jetzt selber in der Blogosphäre mit
Mahmud Ahmadineschad hat neuerdings ein eigenes Blog. Er schreibt nicht nur den Großen dieser Welt – Bush und Merkel – Briefe, in denen er seine Weltsicht ausbreitet. Jedermann bekommt jetzt Post vom Präsidenten. Sofort wurde gemutmaßt, dies sei nichts weiter als ein PR-Stunt des Iran in einer bedrängten Situation. Ende August läuft schließlich die Deadline des UN-Sicherheitsrates im Atomstreit aus. Allerdings setzt diese Sicht der Dinge voraus, daß die iranische Führung sich wegen ihrer nuklearen Ambitionen gegenüber der Weltöffentlichkeit in Legitimationsnöten sieht. Das ist ganz offensichtlich nicht so.
Wer das Blog des Präsidenten liest – weltweit das erste eines amtierenden Staatsoberhaupts -, wird kaum Zweifel haben, daß Mahmud Ahmadineschad höchstselbst der Autor ist. Es gibt bisher nur einen einzigen Post. In diesem erzählt Ahmadineschad vor allem seine Lebensgeschichte bis zur Revolution und zum Iran-Irak-Krieg.
Immer wieder kommt er auf seine arme Herkunft als Sohn eines Schmieds aus der Provinz Gamsar – 90 Kilometer östlich von Teheran – zu sprechen. Der Aufstieg des jungen Mahmud vom armen Ladenschwengel in der Provinz zum jungen Revolutionär vollzieht sich parallel mit der Geburt der Islamischen Republik aus Dekadenz und Niedergang des Schah-Regimes, dem Aufstieg Khomeinis und dem Krieg gegen den Irak.
Das Private ist das Politische. Man bekommt hier einen sehr guten Einblick in die revolutionäre Psyche des Präsidenten, den manche fälschlich für einen „Fundamentalisten“ halten. Er hat Revolution gemacht, und die Revolution hat ihn gemacht. Der Widerstand des revolutionären Irans gegen die Mächte der „globalen Arroganz“ – die USA, Europa, der Westen – hat die durch den „hochverräterischen Schah“ befleckte Ehre des Landes wiederhergestellt. Und damit auch die Ehre der Familie.
Während der Schah 2500 Jahre Monarchie im Iran feierte – und sich dazu „mit Sonderflugzeugen Luxusgüter aus Europa einfliegen ließ“ – , verarmte die Familie Ahmadineschads. Der Vater konnte den Unterhalt der Familie mit seiner Schmiede nicht mehr gewährleisten. Mahmud musste schon während seiner Schulzeit arbeiten, um sein Schärflein beizutragen. Mit einigem Stolz erzählt er, daß er es aus diesen Verhältnissen heraus vermochte, den Eingangstest für das Studium als Nummer 132 von 400.000 Bewerbern zu schaffen – „obwohl ich während des Tests an Nasenbluten litt.“
Sehr aufschlußreich auch der verschwörungstheoretische Eingangspassus, in dem Ahmadineschad den Platz des Iran in der modernen Geschichte so skizziert: „Seit der Schah Mohammed Reza eingesetzt worden war, um Iran in die westliche Zivilisation zu versklaven, wurden viele Verschwörungen umgesetzt, damit Iran ein weitere Markt für westliche Konsumgüter werden sollte, jedoch ohne jeden Fortschritt im wissenschaftlichen Feld. Unsere islamische Kultur stand diesem Parasitenbefall entgegen, und war darum dem Schah und seinen westlichen Herren ein Ärgernis. Also beschlossen sie, diese edle und widerstandsfähige Kultur Stück um Stück zu schwächen, indem Iran witschaftlich, politisch und kulturell an den Westen gebunden wurde.“
Die Tatsache, daß der Präsident ein Blog führt, in dem auch Kommentare möglich sind (wenngleich wohl einstweilen nur positive), zeigt, dass er vielmehr ein revolutionärer Populist ist als ein Fundamentalist im hergebrachten Sinn. Aber dies war bekanntlich auch der Imam Khomeini, der die Revolution aus dem Exil durch hunderttausendfach kopierte Cassetten vorantrieb.
Interessant ist auch der Sprachgebrauch, wenn es um die USA und den Westen geht: Die „globale Arroganz“ hat den „großen Satan“ als Charakterisierung abgelöst. Den Mächten der globalen Arroganz – dazu zählt auch die UNO – hält Ahmadineschad ihre Parteilichkeit im Iran-Irak-Krieg vor. Man habe zuerst einseitig Saddam Hussein unterstützt – und dann dem Iran einen unvorteilhaften Frieden aufgezwungen. Dass Khomeini selbst im Juni 1982 den Krieg verlängerte, will Ahmadineschad nicht wahrhaben. Ayatollah Khomeini entschied sich, den Krieg bis zum Endsieg über Irak weiterzuführen, obwohl die iranischen Kriegsziele – Rückgewinn der von Irak besetzten Gebiete – schon erreicht waren. Ein irakisches Friedensangebot wurde nicht angenommen, der Krieg um sechs qualvolle Jahre verlängert.
Aus diesem Krieg, der die iranische Theokratie geformt hat, ist der heutige Präsident des Iran hervorgegangen. Wer einen Einblick in seine Mentalität gewinnen will, lese sein Blog: „Brüderlichkeit, Glaubenstreue, Ernst und die Liebe zu harter Arbeit, Spiritualität und Gebet, Opfermut und Tapferkeit – alle diese Werte haben uns Mal um Mal bewiesen, daß diese Welt und das Jenseits keine Gegensätze sind, sondern in vollendeter Harmonie miteinander stehen.“
Auf der Website kann man auch über folgende Frage abstimmen: „Do you think that the US and Israeli intention and goal by attacking Lebanon is pulling the trigger for another world war?“ Bislang haben nur 28 Prozent diese Suggestivfrage bejaht. 72 Prozent antworteten mit Nein. Das Blog ist, wenn die Zähler stimmen, dennoch ein großer Erfolg: Fast 600.000 Besucher nahmen in kaum 2 Wochen an der Abstimmung teil.
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