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Fackel zu verkaufen

Die formidable Anne Applebaum hat ganz ähnliche Gedanken zum Olympiaprotest, wie ich sie hier geäußert habe:

„Americans, Brits, Russians, and indeed the citizens of many large nations are forced to think all of the time about how their actions are perceived abroad. Why shouldn’t the Chinese do so, too? They wanted to use the Olympics to trumpet their success, but there is a price to be paid for those few weeks at the center of global attention. Of course, no one believes that „Free Tibet“ signs on the Golden Gate Bridge will truly liberate Tibet, and the absence of the U.S. president from some horrifically overchoreographed ceremony in Beijing won’t bring democracy to the Middle Kingdom. But it will show some of the Chinese people what some of the world thinks of their repressive system—and quite right, too. „

Wo wir gerade dabei sind:

Der olympische Fackellauf, über den die Welt derzeit debattiert, weil er zum Politikum geworden ist, war bekanntlich eine deutsche Erfindung, wie dieses  Bild eindrucksvoll zeigt, das auf der Website des Washingtoner Holocaust-Museum zu sehen ist. (Ach ja, aber der Sport ist unpolitisch, na klar!)

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Ein Exemplar der Original-Fackel von 1936, hergestellt von der Friedrich Krupp AG, ist übrigens zum Freundschaftschaftspreis von 5000 $ hier zu haben.

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Was wollen wir von China?

Mitblogger Rafael gibt zu bedenken:

„Nach Peking fahren und den Chinesen mal zeigen, wie toll der Westen ist, was soll das bringen? Wie viele Chinesen werden direkt mit westlichen Besuchern in Kontakt kommen? China ist ziemlich groß und dort leben eine Menge Leute.

 

Wir brauchen eine Strategie. Dazu ist es nötig, zunächst die Forderungen zu konkretisieren und diese dann klar zu kommunizieren. Das würde es dem Regime schwerer machen, die Proteste mit ihren Propagandalügen vor den Chinesen zu delegitimieren.

 

Also was fordern wir? Free Tibet? Mit dem kichernden Dalai Lama als gütigem Diktator? Alle Chinesen raus aus Tibet, ethnische Säuberung und viel Folklore?

 

Oder fordern wir Menschenrechte für alle Chinesen, einschließlich der Tibeter? Fordern wir von der chinesichen Regierung, dass ihr Volk frei entscheiden und mit uns zusammen die Zukunft der Welt gestalten kann? Fordern wir vielleicht auch mal was vom Dalai Lama, den wir alle so schrecklich lieb haben? Zum Beispiel, dass er gefälligst den unsäglichen, menschenverachtenden, reaktionären und geschichtsvergessenen Begriff „kultureller Genozid“ nicht mehr in den Mund nimmt?

 

Es gibt Millionen von Chinesen, die im Westen, in Demokratie, in Freiheit, aber dennoch in ihrer chinesischen Kultur leben. In den USA, in Europa und in Taiwan. Wenn wir wirklich an Strategien interessiert sind, wie die Propagandahoheit der Spiele aus den gierigen Fingern der KP-Bonzen ein Stück weit zu befreien wäre, dann sollten wir die fragen.“



			
 

Ein Gold-Mädchen, das Chinas Ehre rettet

China hat eine neue Heldin – Jin Jing, die „sterben würde, um die Fackel zu retten“. China Daily bezeichnet die Schanghaier Fechterin, die sich den Fackelprotesten in Paris widersetzte, als „Nationalheldin“.

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Jin Jing, Fackel-Retterin   Foto: Xinhua 

Als ich heute diesen kitschig-nationalistischen Artikel las, kamen mir Zweifel, ob mein eigener Kommentar zum Olympia-Protest durch die Verhärtung auf chinesischer Seite nicht schon überholt ist. Bitte um Kommentare!
Hier meine Einlassung, in der aktuellen Ausgabe der ZEIT auf Seite 1:

„Welch ein Symbol dafür, dass den Chinesen die Deutungsmacht über die Spiele entgleitet: die olympische Flamme erloschen, und dies gleich mehrmals. Tausende Polizisten und eine ganze Kohorte chinesischer Muskelmänner konnten nicht verhindern, dass die Fackelparade zu einer Kundgebung gegen die vorolympische Repression in Tibet umfunktioniert wurde. China lernt auf die harte Tour, was es heißt, in der ersten Liga der Weltmächte mitzuspielen. Propagandaphrasen wie »Reise der Harmonie« – so nennt das Regime den Fackellauf – werden einem um die Ohren gehauen, wenn Harmonie in Wahrheit Unterdrückung bedeutet. Willkommen im Club!
Doch Peking reagiert beleidigt: Das Regime denunziert die Proteste als »Sabotage«, hinter der die »Separatisten« der »Dalai-Clique« stecken. Friedliche Aktivisten landen im Gefängnis – vorige Woche erst der Menschenrechtler Hu Jia. Ist das der Dank für den überstürzten Boykottverzicht der Sportfunktionäre? Wenn die Pekinger Machthaber auf die moderate Haltung des Westens nicht mit Nachgiebigkeit, sondern mit noch mehr Unterdrückung antworten, widerlegt das jene, die zur Zurückhaltung mahnen. Nicht nur Konfrontation, auch vorauseilender Gehorsam führt offenbar zur Verhärtung.
Was tun? Die Proteste dieser Tage zeigen, dass die Fixierung auf einen Boykott in die Irre führt. Sie macht es den Chinesen zu leicht, sich als Opfer »westlicher Arroganz« zu stilisieren. Und sie macht es kritischen Athleten zu schwer. Denn wer die Latte für zivilen Widerstand so hoch legt, dass nur ein Boykott zählt, der nimmt in Kauf, dass am Ende viele einfach resigniert mitmachen.
In Wahrheit liegen zwischen dem ganz großen Eklat und kleinmütiger Mitläuferei viele Möglichkeiten zu kreativer Unangepasstheit: Die »Netzathleten« wollen ein blau-grünes Armband mit dem Schriftzug »Sport für Menschenrechte« tragen. Schwimmer werden sich in safranfarbene Bademäntel hüllen, die an tibetische Mönchskutten erinnern. Auch viele weiße Schals werden flattern – das Erkennungszeichen des Dalai Lama. In den Worten des Großen Vorsitzenden Mao: Lasst hundert Blumen des Protestes blühen!
Die Olympischen Spiele sind ein Test nicht nur für die Chinesen, sondern auch für ihre Gäste. Es kommen ja nicht nur Kanufahrer, Fechter, Judoka und Handballer nach Peking. Mit ihnen kommt die freiheitliche Demokratie. Warum nicht mit unerbittlicher Freundlichkeit zeigen, dass es eine Haltung jenseits von Auftrumpfen und Appeasement, jenseits von Selbstgerechtigkeit und Duckmäuserei gibt?
Dann könnten jene im chinesischen Machtapparat – und leider auch im IOC –, die Sportler nicht auch Bürger sein lassen wollen, noch bereuen, dass es keinen Boykott geben wird.“

 

Ehrenmorde im Iran: Mildernde Umstände für Mörder

Die iranische Feministin Mehrangiz Kar schreibt über die Ehrenmorde im Iran:

„Honor killings are as old as paternalistic cultures. What makes honor killings interesting ‎in majority Muslim societies is that, in these societies, the legislator defends the murderer ‎who commits an honor killing against a woman, citing mandates set by the Sharia and ‎Islamic law. ‎
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In the Islamic Republic of Iran, according to addendum 2 to article 295 and article 226 of ‎the Islamic penal code, if someone murders another on the assumption that the victim ‎was “vajeb al-ghatl” [literally, „necessary to be killed“ ], he will not be tried for first-‎degree murder. Based on these laws, judges convict murderers who have committed ‎honor killings on the assumption that the murdered woman has committed adultery not to ‎death or life imprisonment, but rather to pay the “dia” [blood money ]. As such, legal ‎incentives, protected by judges in the area of implementation, are given to men who are ‎accused of killing women. This must be noted as the most important factor behind the ‎rise in the number of honor killings in Iran. „
Mehr hier.

 

Muslime gegen Genitalverstümmelung

Der deutsche Abenteurer und Menschenrechtsaktivist Rüdiger Nehberg hat mit seiner Organisation „Target“ einen bedeutenden Schritt zur Ächtung der Genitalverstümmelung getan.
Alle maßgeblichen ägyptischen islamischen Autoritäten unterstützen die Ächtung der FGM (female genital mutilation). Durch Nehbergs Initiative wurde jetzt ein Buch gegen FGM produziert, das in 90.000 Moscheen Ägyptens verteilt wird.
Siehe da: Der Islam trennt sich von einem Brauch, der vielerorts und lange Zeit als islamisch geboten dargestellt wurde. Die Kriterien der Menschlichkeit haben sich verändert – letztlich geht es hier um das Recht der Frau auf körperliche Unversehrtheit und eine eigene Sexualität – , und so verändert sich auch die Herleitung scheinbar unverrückbarer Sitten.
Ich sehe darin einen möglichen Anfang für ein anderes Frauenbild.
Der gesamte Text ist hier auf Deutsch zu lesen.

 

Student in Afghanistan zum Tod verurteilt – weil er sich für Frauen einsetzte

Ein Student ist dafür zum Tode verurteilt worden, dass er einen Text aus dem Internet heruntergeladen hat. In diesem Text wird behauptet, dass die islamischen Gelehrten, die die Unterdrückung der Frau aus dem Koran ableiten, die Sichtweise des Propheten verfälschen.
Sayed Pervez Kamabaksh, ein Student des Journalismus, hat diesen Text an seine Komillitonen verteilt und wollte damit eine Debatte anregen.
Das Oberhaus des afghanischen Parlaments hat die Todesstrafe für seine „Blasphemie“ unterstützt.
Der Independent schreibt:
The fate of Sayed Pervez Kambaksh has led to domestic and international protests, and deepening concern about erosion of civil liberties in Afghanistan. He was accused of blasphemy after he downloaded a report from a Farsi website which stated that Muslim fundamentalists who claimed the Koran justified the oppression of women had misrepresented the views of the prophet Mohamed.

Mr Kambaksh, 23, distributed the tract to fellow students and teachers at Balkh University with the aim, he said, of provoking a debate on the matter. But a complaint was made against him and he was arrested, tried by religious judges without – say his friends and family – being allowed legal representation and sentenced to death.

Und dafür sollen unsere Soldaten sterben? Sind wir deshalb in Afghanistan? Ist es das, was wir in diesem Land erreichen wollen?

 

Genitalverstümmelung im Namen des Islam – das Beispiel Indonesien

Wer diesen Text im New York Times Magazine liest – und die Bilder ansieht – braucht Nerven:

When a girl is taken — usually by her mother — to a free circumcision event held each spring in Bandung, Indonesia, she is handed over to a small group of women who, swiftly and yet with apparent affection, cut off a small piece of her genitals. Sponsored by the Assalaam Foundation, an Islamic educational and social-services organization, circumcisions take place in a prayer center or an emptied-out elementary-school classroom where desks are pushed together and covered with sheets and a pillow to serve as makeshift beds. The procedure takes several minutes. There is little blood involved. Afterward, the girl’s genital area is swabbed with the antiseptic Betadine. She is then helped back into her underwear and returned to a waiting area, where she’s given a small, celebratory gift — some fruit or a donated piece of clothing — and offered a cup of milk for refreshment. She has now joined a quiet majority in Indonesia, where, according to a 2003 study by the Population Council, an international research group,

96 percent of families surveyed reported that their daughters had undergone some form of circumcision by the time they reached 14.