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Freiheit für Kareem Amer!

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Der ägyptische Blogger Abdel Karim Nabil Suleiman, bekannt als Kareem Amer, ist in Ägypten zu vier Jahren Haft verurteilt worden.
In seinem Blog hatte er Mubaraks Ägypten als eine „Diktatur“ bezeichnet. Ausserdem hatte er die Al-Azhar-Universität, an der er selbst Student war, beschuldigt, „die Hirne der Studenten zu verstopfen und sie in menschliche Bestien zu verwandeln, indem sie ihnen beibringt, es gebe keinen Platz für Unterschiede im Leben“.
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Kareem Amer

Er hatte die Al-Azhar, höchste Autorität im sunnitischen Islam, auch die „Schule des Terrors“ genannt. Im letzten Jahr war er zwangsweise exmatrikuliert worden.
Das Urteil setzt sich aus drei Jahren für die „Beschimpfung des Islams“ und einem Jahr für die „Beleidigung des Präsidenten“ zusammen.
Daran sieht man, wie weit Ägypten schon auf dem Weg in die Theokratie ist. Wenn das Regime erst einmal gefallen ist, werden die Muslimbrüder gar nicht mehr viel verändern müssen.
Doch nun formiert sich auch eine Protestbewegung unter jungen Leuten und Mitbloggern, die die Tyrannei nicht hinnehmen wollen. Auf der Website Free Kareem! kann man sich über den Stand der Dinge und Möglichkeiten des Protests auf dem laufenden halten.
Wir werden weiter berichten. Einen früheren Post siehe hier.

 

Wir dürfen die iranischen Demokraten nicht vergessen

Ein Alarmruf des amerikanischen Kritikers Danny Postel: In der Debatte um den Iran fällt die demokratische Opposition im Iran zwischen die Ritzen. Die Linke (nicht nur sie) ist in Gefahr, sich im Widerstand gegen Kriegspläne zu verschleissen und die reiche Szene von iranischen Liberalen zu ignorieren, die keinen Krieg wollen, aber auch das Regime im Iran bekämpfen. Ganzer Artikel hier:

What the neocons want in Tehran is a pro-U.S. and pro-Israeli regime; whether it’s a democratic one or not is an entirely secondary matter to them. And Iranian dissidents know this, which is why they want nothing to do with the neocons. Note that the funds the State Department earmarked last year for democracy promotion in Iran met with a resounding thud among dissidents, who see right through the neocons and their agenda.

This is not only a critique of the neocons, though; it’s also a challenge to those on the Left who have bought into the neocons’ Big Lie about being the bosom buddies of Iran’s dissidents. Due to intellectual laziness, a preference for moral simplicity, existential bad faith, or some combination thereof, lots of leftists have opted out of even expressing moral support, let alone standing in active solidarity with, Iranian dissidents, often on the specious grounds that the latter are on the CIA’s payroll or are cozy with the neocons. Utter and complete tripe. Perhaps, as I say, understandable in the past, when it wasn’t as transparent what empty hogwash the neocons’ posturing was. But now that the neocons’ real cards are on the table and their pretense of solidarity with Iranian dissidents has been shattered, the Left can no longer use the neocons as an avoidance mechanism.

Danny Postel hat ein Buch über die demokratische Linke in Iran geschrieben, mit dem schönen Titel: „Reading Legitimitaion Crisis in Teheran„.

 

Türkischstämmige Abgeordnete protestieren gegen Nationalismus

Streicht den Paragraphen 301!

Der Berliner Grüne Özcan Mutlu hat nach dem Mord an Hrant Dink und den Morddrohungen gegen Orhan Pamuk eine Initiative von türkischstämmigen Abgeordneten in ganz Europa gegründet, die sich dem wachsenden Nationalismus in der Türkei entgegenstemmen.

Dink und Pamuk waren unter dem § 301 des türkischen Gesetzbuchs angeklagt worden, der „Verunglimpfung des Türkentums“ unter Strafe stellt.

Natioanlisten dient dieser Paragraph als Vorwand, um die Meinungsfreiheit einzuschränken und missliebige Diskussionen etwa in der Armenien-Frage abzuschneiden. Seine Abschaffung gilt als wesentlicher Schritt auf dem Weg in eine demokratischere Türkei.
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Özcan Mutlu, Grüne

Hier ist der Aufruf der Abgeordneten im Wortlaut:

Heute vor zwei Wochen wurde Hrant Dink ermordet. Mehr als 100.000 Menschen nahmen an seiner Beisetzung teil und machten deutlich, dass sie in einem Land leben wollen, in dem Schriftsteller und Journalisten nicht um ihr Leben fürchten müssen, weil sie kontroverse Meinungen vertreten und sich zu sensiblen Themen äußern.

Nun ist es Zeit zu handeln.
Vor einigen Monaten hatten die türkische Regierung und ihre Strafbehörden dem Verstorbenen die Verletzung des Paragraphen 301 angelastet. Mit ihm sind heute weitere Denker in der Türkei, wie zum Beispiel der Nobelpreisträger Orhan Pamuk mit dieser diskriminierenden und antidemokratischen Rechtshaltung in der Türkei bedrängt und von Extremisten bedroht.

Der Paragraph 301 des türkischen Strafgesetzbuches bestimmt, dass die Verunglimpfung bzw. Herabsetzung des „Türkentums“, der Republik oder der großen Nationalversammlung mit einer Haftstrafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren bestraft wird.

Aufgrund der unbestimmten und weit interpretierbaren Formulierungen des Paragraphen 301 ist es nicht möglich, eine klare Linie zwischen einer Herabsetzung und einer kritischen Meinungsäußerung zu ziehen.

Der Paragraph 301 des türkischen Strafgesetzbuches stellt eine große Gefahr für die Vielfalt des Landes dar….
Weiter„Türkischstämmige Abgeordnete protestieren gegen Nationalismus“

 

Die Linke und ihre Zweckgemeinschaft mit den Mullahs

Ein Teil der iranischen Exil-Linken beginnt, sich gegen die Feministinnen zu wenden, deren Bücher über die Lage der Frau im Iran im Westen viel gelesen werden. Zuerst ging es nur gegen Azar Nafisi, deren „Lolita lesen in Teheran“ auch hierzulande ein Erfolg war.

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Azar Nafisi

Jetzt versuchen vier jüngere Wissenschaftler,die ganze Richtung der Emanzipationsprosa zu diffamieren. Titel ihres Essays: „Ein Genre im Dienst des Empires. Eine iranisch-feministische Kritik der Diaspora-Erinnerungen“.
Das Argument: Diese Berichte von Frauenschicksalen im Iran stünden letztlich im Dienst der amerikanischen Imperialismus, wie überhaupt der ganze Diskurs der Menschen- und Frauenrechte. Die unterdrückte iranische Frau sei bloss ein „Konstrukt“ des westlichen Blicks und ein Vorwand für den nächsten Krieg.
Das alles wird in postmoderner Terminologie durchargumentiert. Am Ende hat man den Eindruck, dass es im Iran keine Gefängnisse voller Frauen gebe. Dass dies vielmehr alles nur Propaganda-Erfindungen böser Imperialisten seien.

Schöner hätte der Revolutionsführer das Geschlechter- Apartheidssystem auch nicht verteidigen können.

Kann man nicht gegen einen Angriff auf Iran sein und zugleich die schändliche Unterdrückung der Frauen im Iran anprangern?

Warum entscheidet sich die so genannte antiimperialistische Linke im Zweifelsfall immer für die Tyrannen? Und was bitte ist daran überhaupt links?

Erst letzte Woche sind drei Feministinnen in Iran verhaftet worden, die eine Unterschriftenkapagne für Frauenrechte gestartet hatten. Dazu kein Ton von seiten der tapferen Anti-Imperialisten.

 

Nobelpreisträger Orhan Pamuk sagt Deutschlandreise aus Angst ab

Als das Nobelpreiskomittee sich im letzten Jahr entschied, dem türkischen Autor Orhan Pamuk die höchste Ehre der Literaturwelt zu verleihen, würdigte es mit dem Preis einen Autor, der wegen seiner grossartigen Romane lange schon als Kandidat gegolten hatte.

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Es mag aber auch eine Rolle gespielt haben, dass man den streitbaren Intellektuellen Pamuk schützen wollte. Wegen seiner klaren Äusserungen zum Völkermord an den Armeniern war er ein Jahr zuvor so sehr unter Druck geraten, dass er es vorzog, zeitweilig das Land verlassen musste.

Jetzt hat Pamuk seine bereits geplante und ausverkaufte Lesetour durch Deutschland abgesagt. Es ist ein ungeheuerlicher Vorgang, daß ein Literaturnobelpreisträger aus Furcht nicht nach Deutschland kommen kann.
Ich habe Orhan Pamuk in der Zeit der Armenien-Kontroverse in New York getroffen, um ihn zu interviewen.

Ich habe einen Schriftsteller kennengelernt, der unter der Politisierung seiner Rolle litt und sie widerwillig annahm – weil sonst niemand unter den türkischen Intellektuellen dafür stehen wollte. Schon damals war er sehr vorsichtig und bat mich, alle Bezüge zu dem Armenien-Thema aus dem Interview herauszunehmen. Man konnte ahnen, wie stark der Druck auf ihm und seiner Familie lastete.

Pamuk hatte zuvor gegenüber einer Schweizer Zeitschrift die Tatsache ausgesprochen, dass die Türken 30.000 Kurden und eine Million Armenier ermordet haben. Dafür traf ihn der Hass der türkischen Nationalisten. Er hat dies auch auf sich genommen, um türkisch-armenische Patrioten wie Hrant Dink nicht alleine zu lassen.

Dink ist tot, nicht zuletzt deshalb, weil es zu wenige gab, die sich wie Pamuk vor ihn stellten. Die türkische Öffentlichkeit hat das endlich verstanden: Die große Demonstration bei Dinks Beerdigung war ein eindrucksvolles Zeugnis demokratischen Erwachens.

Doch auch Orhan Pamuk wird von den Mördern Dinks bedroht. Der mutmassliche Mörder rief, als er dem Gericht zugeführt wurde: „Orhan Pamuk, sei vernünftig!“
Pamuk ist ein Held wider Willen. Das macht ihn so sympathisch und glaubwürdig. Er sucht nicht die Rolle des Gewissens der Nation. Es bleibt ihm aber nichts anderes übrig, als sie zu übernehmen.

Viele Türken sind darum auch stolz auf ihn – auf seine unprätentiöse Gradlinigkeit als politischer Kopf, die in einem produktiven Kontrast zu der Vielstimmigkeit und Komplexität seiner Romane steht.

Doch leider hassen ihn auch nicht wenige, die vom alten türkischen Komplex des Verratenseins und der Dauerparanoia angefressen sind. Selbst seinen Nobelpreis haben sie ihm nicht gegönnt. Er habe ihn nur bekommen, weil er sich beim Westen lieb Kind gemacht habe, wurde von den Nationalisten ventiliert. Selbst die Mainstream-Presse der Türkei hat bei der Hetze eine zeitlang mitgemacht.
Dass Öffentlichkeit schützt – die Hoffnung des Nobelpreiskomitees und aller, die sich für verfolgte Intellektuelle einsetzen – , kann man nach dem Tod Hrant Dinks nicht mehr so selbstverständlich annehmen. Orhan Pamuk hat, wie sein Verleger Michael Krüger sagte, einfach nicht die Kraft, eine Lesetour durchzustehen, bei der er immer wieder darauf angesprochen werden würde, wie er mit der Bedrohung lebt.

Von einer akuten Bedrohung Pamuks in Deutschland weiss sein Verleger zwar nichts. Doch der Schriftsteller kann im Moment dem Druck nicht standhalten, als potentielles nächstes Opfer durch die Lande zu ziehen und auch noch immer wieder dazu befragt zu werden – wodurch seine Attraktivität als Ziel für einen Mord wiederum steigen würde.
Wo ist der Ministerpräsident Erdogan in all dem? Es wäre an der Zeit für eine Geste der türkischen Regierung: Sie muss sich jetzt endlich vor den größten Literaten ihres Landes stellen.

Und sie muss den Schand-Paragraphen 301 abschaffen, der die „Beleidigung des Türkentums“ unter Strafe stellt, um den nationalistischen Irrsinn zu stoppen.

 

Türkisch-armenischer Intellektueller erschossen

Der Journalist Hrant Dink wurde am heutigen Freitag, den 19. Januar, in Istanbul vor dem Gebäude seiner Zeitschrift AGOS erschossen.

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Dink war die grosse Hoffnung aller, die darauf setzten, dass die Türkei sich (langsam) mit ihrem Völkermord-Erbe auseinanderzusetzen versucht. Letztes Jahr erst erhielt er darum den Nannen-Preis in Hamburg.
Jetzt haben die Nationalisten dieser Hoffnung ein Ende gesetzt.

Wir gehen in ein finsteres Jahr. Die Verrückten, die Fanatiker, die religiösen, ethnischen, nationalistischen Extremisten sind überall am Drücker.

Ein bewegender nachruf und mehrere Texte finden sich hier auf Opendemocracy.net.