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Iranischer Dissident: Vergesst „regime change“! Verändert das Regime!

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Der bekannteste iranische Dissident Akbar Ganji hat vor dem renommierten Council on Foreign Relations – dem wichtigsten amerikanischen aussenpolitischen Thinktank – eine Rede zur Krise um den Iran gehalten. Es ist eine grosse Rede, ein umfassendes Plädoyer für eine neue westliche (amerikanische) Politik gegenüber dem Iran.
Sie hat um so mehr Gewicht, als Ganji ein unbestrittener Held der Meinungsfreiheit und der Bürgerrechte ist, der Jahre in iranischen Gefängnissen verbracht hat, bevor im März letzten Jahre endlich nach einem lebensgefährlichen Hungerstreik entlassen wurde.

Hier die wichtigsten Thesen:

– Das Übergewicht des militärischen Sicherheitsdenkens gegenüber Iran und dem Nahen Osten insgesamt wird weder Frieden noch langfristige Stabiltät bringen. Es dient den Regimen der Region als Ausrede, selber aufzurüsten und ihre einheimische Opposition zu unterdrücken

– ein Angriff auf Iran wäre derzeit weder als präventiver noch als präemptiver Krieg zu rechtfertigen

– anders als die offizielle Propaganda des Iran es darstellt, gibt es tief gehende Meinungsverschiedenheiten über das Nukleraprogramm in der iranischen Politik. Der freiwillige Verzicht auf weitere Anreicherung muss von übergreifenden Initiativen begleitete werden, die Frieden, Sicherheit und wirtschaftliche Entwicklung im Nahen Osten ermöglichen. Ein einseitiger Angriff auf Iran hingegen würde bloss als Versuch gewertet werden, Israels Überlegenheit zu sichern und einen ungerechten Frieden zwischen Palästinensern und Israelis vorzubereiten

– Die iranische Führung ist für ihre „radikalen und hohlen Sprüche“ über den Palästinakonflikt zu kritisieren. Doch ihre Propaganda, mit der sie sich vor allem selber schadet, ist nicht der Grund dafür, dass sich die Fundamentalisten an dem Konflikt nähren. Die Abwesenheit eines fairen Plans für eine Zweistaatenlösung ist der wahre Grund dafür, dass der Konflikt von den Radikalen ausgebeutet werden kann

– einige der Alliierten der USA im Nahen Osten sind wichtigere Sponsoren des Terrorismus als Iran

– die Menschenrechtsverletzungen im Iran sind zwar viel zu wenig im Fokus der Weltöffentlichkeit. Sie können aber nicht als Rechtfertigung für einen Krieg gelten

– ein Angriff auf Iran würde dem Fundamentalismus in der Region abermals Auftrieb geben

– er würde dem Regime Gelegenheit geben, die iranische Opposition und die kritische Zivilgesellschaft endgültig zu zerstören

– schon jetzt wird durch die Eskalation das Thema der Demokratisierung der Gesellschaft, das in den Khatami-Jahren vorwiegend war, vom Thema der nationalen Sicherheit verdrängt. Die heutige Unterdrückung von Bürgerrechten wäre ohne die äussere Gefahr kaum möglich

– das Wort „regime change“ hat in iranischen Ohren einen bösen Klang – durch den CIA-gesponserten Coup gegen Mossadegh, aber auch durch die blutigen Erfahrungen der Revolution

– es ist sinnwidrig und inkonsistent, den iranischen Führern einerseits ein Schicksal nach der Art Saddam Husseins anzudrohen und sie andererseits zur Aufgabe ihrer Waffen aufzufordern

– ein Krieg gegen Iran würde dem iranischen Volk schreckliche Opfer beibringen und keines der amerikanischen Ziele in der Region befördern

– „Of course, I must highlight the point that my words and those of Iranian democrats and proponents of peace are solely a defence of Iran as a country and a nation, and a defence of the country’s territorial integrity. A distinction must be drawn between Iran and the government ruling over Iran. My words must in no way be taken as a defence of the repressive, despotic, human-rights-violating State ruling over Iran. Peace-loving and democratic Iranians do not wish to have their opposition to a military attack on Iran interpreted as an implicit defence of either the Iranian government’s foreign policy or its repressive domestic policy. We must, at one and the same time, criticize both the policies of the Islamic Republic of Iran and the US Administration’s foreign policy.“

– die Strategie des „regime change“ aufzugeben heisst nicht, das Ziel der Transformation des despotischen Regimes zu einem demokratischen und verantwortlichen System aufzugeben – im Gegenteil

– der Wandel kann nur von Innen kommen, doch der Westen kann dabei entscheidende Hilfen geben: wirtschaftliche Hilfe darf nur noch im Austausch für demokratische Reformen und Menschenrechte angeboten werden;
ausländische Investitionen müssen an korrekte und transparente Verfahren bei der Auftragsvergabe gekoppelt werden, um Korruption und Bereicherung der Mächtigen zu bekämpfen;
die internationale Gemeinschaft muss Geschäfte mit dem öffentlichen Sektor Irans an die Erlaubnis zur Gründung freier Gewerkschaften koppeln;
sie muss Importe von Sicherheits- und Überwachungstechnologie durch Iran verhindern, mit der etwa das Internet gefiltert werden kann;
sie muss eine überwölbende Sicherheitsarchitektur für den Nahen Osten entwickeln;
die iranischen Meinungsführer und das Volk müssen dem Regime seinen „nuklearen Traum“ austreiben, weil er abgesehen von militärischen Risiken auch keine Lösungen für die iranischen Energie-Probleme bietet und erhebliche Umweltrisiken beinhaltet;
– die Idee des „regime change“ durch Gewalt muss der Strategie Platz machen, langfristig das Verhalten und die Struktur des Regimes durch Druck und Kooperation unter klaren Bedingungen zu verändern

 

Ägyptischer Blogger in Einzelhaft – aus Angst vor einem Mordanschlag

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Abdul Karim Nabil Suleiman, genannt Karim Amer

Die große ägyptische Wochenzeitung Al-Ahram nimmt sich des Falles von Karim Amer an. Der zu vier Jahren Haft verurteilte Blogger sitze derzeit in Einzelhaft, so das Blatt. Er habe dies selbst gewünscht, aus Angst davor, von einem Mitgefangenen ermordet zu werden.

Sein eigener Vater, ein streng gläubiger Salafist, hat seine Verurteilung begrüßt. Er habe „westliche Ansichten übernommen, die ihn von der Religion weggeführt haben“. Darum verdiene er „die schwerste Bestrafung als Atheist, der den Islam zurückgewiesen hat“. In anderen Worten: Dieser Vater möchte seinen Sohn tot sehen.

Nach Angaben von Al-Ahram ist der Fall vor allen Dingen von den lokalen Polizeibehörden in Alexandira, Karims Heimatstadt, vorangetrieben worden. Die staatlichen Sicherheitsorgane  hätten den Fall zuerst nur widerwillig an sich genommen. Es waren lokale Richter und Polizisten, die zu radikalem Vorgehen gegen den Blogger drängten.

Das Gericht handelte – so Karims Anwalt  Ahmed Seif El-Islam Hammad – im Gefühl, durch die Volksmeinung gedeckt zu sein. Eine Annahme, die sich im Gericht bestätigte. Dort waren fast ausschließlich empörte Gegner Karims anwesend, deren einzige Sorge die Höhe der Strafe war, selbst bevor der Angeklagte überhaupt für schuldig befunden worden war.

Al-Ahram zitiert einen Medizinstudenten der Al-Azhar – an der auch Karim studiert hatte -, der das Urteil viel zu gering findet und sich wünscht, das man an dem Blogger ein „Exempel statuiert“.

Fast ausschließlich Mitblogger sind es, die Karim Amer zur Seite springen und sich für ihn einsetzen. Die Intellektuellen und die großen Zeitungen befinden sich in einem Zustand der Angststarre. Das Gesetz, nach dem der Blogger verurteilt wurde, ist das gleiche, das auch immer wieder gegen Journalisten angewendet wurde.

Was die staatsnahe Al-Ahram nicht sagt, ist der wahre Grund für die Bestrafung Karims: Er hatte 2005 beschrieben, wie ein von Islamisten aufgehetzter Mob auf koptische Christen losging. Und er hatte sich nicht gescheut, die Brutalität und Inhumanität des anti-christlichen Mobs auf eine extremistische Islam-Auslegung zurückzuführen, die in Ägypten immer mehr Raum greift.

Indem der ägyptische Staat ihn bestraft, kann er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Er kann kritische Stimmen aus dem liberalen Lager einschüchtern – und er kann sich dabei zugleich als Verteidiger des Islams aufspielen und vergessen machen, dass das Mubarak-Regime zur Zeit auch mit äußerster Härte gegen die Muslimbruderschaft vorgeht.
p.s.: Dies ist die Selbstdarstellung Karims auf seinem Blog, das immer noch online ist:

I am down to earth Law student; I look forward to help humanity against all form of discriminations. I am currently studying Law in Al Azhar University. I am looking forward to open up my own human rights activists Law firm, which will include other lawyers who share the same views. Our main goal is to defend the rights of Muslim and Arabic women against all form of discrimination and to stop violent crimes committed on a daily basis in these countries.

 

Ägyptische Feministin wird von Al-Azhar-Universität verklagt

Langsam wird klar, warum Ägyptens berühmteste Autorin ihr Land verlassen hat:

Nawal El-Saadawi muss nach einer Apostasie-Anschuldigung nun auch noch mit einer Klage der Kairoer Al-Azhar-Universität rechnen, die sie der „Blasphemie“ beschuldigt.

(Ein erster Post hier.)
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Nawal El-Saadawi und ihr Mann, Sherif Hetata


Diese neue Entwicklung erklärt, warum Nawal El-Saadawi sich derzeit im Ausland aufhält – was von manchen Beobachtern in Ägypten bereits als Exil betrachtet wird. El-Saadawi hat diese Deutung zurückgewiesen, allerdings zugegeben, das derzeitige politische Klima in Ägypten sei ihr unerträglich.
Der Scheich der Al-Azhar, Mohammed Sayyed Tantawi (höchste theologische Autorität im sunnitischen Islam), hat sein Placet gegeben, dass die Universität gegen die Autorin Klage erheben soll. Gegenstand der Klage ist El Saadawis neues Stück mit dem Titel „Gott tritt auf dem Gipfeltreffen zurück“.
Saadawi kommentierte aus Brüssel, dies sei die „Rache der Al-Azhar“, die lange schon gegen sie als Frau und Freidenkerin intrigiere: „Seit wann sind religiöse Führer für die Theaterkritik zuständig?“

Das Stück, das nun zum Stein des Anstosses wurde, war erst Ende 2006 veröffentlicht worden,  zeitgleich mit einem neuen Teil der Autobiografie der 75jährigen.

Beide Veröffentlichungen hatte El-Saadawis Verlag (offenbar schon unter Druck der Islamisten)  Ende Januar von der Kairoer Buchmesse entfernen lassen. Alle Exemplare der beiden Bücher wurden vernichtet.
Die Al-Azhar hatte bereits 2004 ein Buch von El-Saadawi zum Verbot empfohlen.

 

Das liberale Manifest des verurteilten ägyptischen Bloggers

Die Unterstützer des zu vier Jahren Haft verurteilten ägyptischen Bloggers Karim Amer haben einen Text von seiner Website aus dem Arabischen ins Englische übersetzt.

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Karim ist nicht einfach ein blosser Provokateur, wie seine Gegner behaupten. Er ist ein echter Liberaler, der seine Haltung wohl zu begründen weiss. Gerade das macht ihn zu einem Problem für die ägyptische Staatsmacht.
Hier ist sein Text, den er am 11. September (!) 2006 auf seiner Website veröffentlichte.
Er zog sich auch dort schon hässliche Kommentare zu (Kuffar! Zionist!):

Monday, September 11, 2006

There Is No Deity but the Human Being

Is it logical for “restrictions” on “freedom” to exist? This inquiry comes to my mind whenever I find some advocates of liberalism in the Middle East contradicting themselves so they can avoid clashing with societal thoughts, and so they can attract people to their ranks without giving the slightest consideration of the absolute meaning of the principles that they call for. These principles, of course, contradict with the principles of the society and its inherited tenets.

Freedom, as I learned it, understood it, and believed in it, is the removal of all restrictions from the human being’s burden. Slavery, which is its antithesis, means the submission of the human being by imposing some restrictions on his life for the purpose of controlling him. Where restrictions are found, freedom disappears, and where freedom is found, the restrictions fall. This is obvious and does not require practical evidence, and it is illogical to object to it on the grounds that societal principles or religious beliefs must be taken into account. Either absolute freedom is our goal, or we be honest with ourselves and declare our hatred and rejection of it, and declare our preference to surrendering to restrictions over having freedom handed to us… Weiter„Das liberale Manifest des verurteilten ägyptischen Bloggers“

 

„Wir haben abgeschworen“ – Ex-Muslime bilden „Zentralrat“

In Berlin hat sich heute der „Zentralrat der Ex-Muslime“ vorgestellt. Das ist natürlich eine Anspielung auf den „Zentralrat der Muslime„.
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Mina Ahadi und Arzu Toker erklärten vor der Bundespressekonferenz die Ziele ihres Vereins. Aber ist es wirklich ein Verein? Es handelt sich doch wohl eher um eine Aktion als um ein Bündnis auf Dauer. Denn wozu brauchen Menschen, die nicht repräsentiert werden wollen, einen Verein? Das ist doch geradezu widersinnig.

Nicht ganz, denn die „Ex-Muslime“ haben eine wunde Stelle im deutschen Integrations- und Islamdiskurs gefunden – und legen den Finger hinein. „Die Muslime“ als homogene Gruppe werden durch unseren Integrationsdiskurs erst konstruiert. Und dabei werden viele Menschen subsumiert, die nicht dazu gehören wollen (oder religiös völlig indifferent sind).
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Mina Ahadi (links) und Arzu Toker

Die beiden Frauen – Ahadi ursprünglich aus dem Iran, Toker aus der Türkei – sind nicht einverstanden damit, dass die bekannten Muslimverbände in Anspruch nehmen, für die ca. 3,5 Millionen Menschen zu sprechen, die selbst (oder deren Eltern) aus islamisch geprägten Ländern nach Deutschland gekommen sind.
Alle diese Menschen nämlich werden mittlerweile zu „deutschen Muslimen“ hochgerechnet – und der Staat nimmt die existierenden Muslim-Verbände als deren Sprecher an.
Die beiden Frauen nehmen nun aber für sich das Recht heraus, keine Muslime zu sein, obwohl „der Islam“ ihnen dies als Apostasie auslege.
„Für mich gelten der Koran und die Hadithen nicht“, sagte Arzu Toker in Berlin. „Ich erkläre hiermit, dass ich aus dem Islam austrete. Diese Verbände können also nicht für mich sprechen.“
Mina Ahadi, die schon im Iran gegen das Mullah-Regime gekämpft hatte, gab ihrer Verwunderung darüber Ausdruck, wie sie heute in der deutschen Öffentlichkeit umstandslos als Muslima etikettiert werde: „Ich habe im Iran Frauendemonstrationen gegen die Kopftuchpflicht organisiert. Ich habe ein Komitee gegen Steinigungen gegründet. Und wenn ich in Deutschland im Fernsehen interviewt werde, steht da plötzlich unter meinem Bild die Zeile ‚Mina Ahadi, muslimische Frau‘. Meine Freunde haben mich ganz besorgt angerufen: ‚Was ist denn mit dir los, bist du fromm geworden?'“

Besonders der Karikaturenstreit habe sie davon überzeugt, dass die Ex-Muslime eine Stimme bräuchten: „Da sprach im Fernsehen ein Mann mit Bart und sagte: ‚Eine Milliarde Muslime sind beleidigt!‘ Ich war nicht beleidigt. Auch meine Freunde im Iran haben über die Karikaturen gelacht. Und in Ägypten waren sie in einer Zeitung zu sehen gewesen, ohne dass sich jemand aufgeregt hätte – bis die Islamisten die Sache hockzukochen begannen.“

Wenn die Islamverbände ein „Wort zum Freitag“ bekämen, so Arzu Toker, dann fordere sie hiermit ein „Wort zum Montag“ für Nichtreligiöse: „Da werde ich dann Nietzsche vorlesen.“

Die beiden Sprecherinnen der Initiative fürchten, dass die Islamverbände, die nur einen Bruchteil der so genannten Muslime vertreten, durch die Islam-Konferenz des Innenminister aufgewertet werden: „Wenn der sie einlädt, dann wird es schon in Ordnung sein, wird es heissen“, sagte Toker. Damit werde Kritik am Islam und an dem Islamverständnis der Verbände unterdrückt.

Die deutsche Öffentlichkeit solle sich nicht von der Kritik am Islam abhalten lassen durch jene Rassismus- und Islamophobievorwürfe, mit denen die organisierten Muslime schnell bei der Hand seien.
Der Islam sei frauen- und männerfeindlich, so Toker, weil er die Geschlechter als rein triebgesteuerte Wesen betrachte, die durch harsche Vorschriften getrennt gehalten werden müssten.
Die beiden Ex-Musliminnen sehen mit Sorge, dass der politische Islam in Form der Islamverbände vom deutschen Staat als Partner angesehen wird, mit dem man stellvertretend für „die Muslime“ spreche.
Religion müsse als reine Privatsache betrachtet werden – ebenso wie die Entscheidung, ohne Religion zu leben.

 

Ägyptischer Grossmufti: Rekonstruktion des Jungfernhäutchens ist islamisch erlaubt

Der ägyptische Grossmufti Ali Gomaa hat in der letzten Woche eine Fatwa zu einer in islamischen Ländern weit verbreiteten Praxis veröffentlicht: Der kosmetisch-chirurgischen Rekonstruktion des Hymens, mit der junge Frauen Jungfräulichkeit simulieren, wenn sie eine Ehe eingehen.

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Scheich Ali Gomaa, Grossmufti von Ägypten

Der Mufti ist die höchste islamische Autorität in Ägypten.

Gemäß dem Mufti sind diese Operationen halal, also religiös erlaubt. Das klingt auf den ersten Blick frauenfeindlich – denn die chirurgische Industrie verdient schließlich an dem verlogenen patriarchalischen Jungfrauenkult.

Das Gutachten des Muftis hat aber auch eine andere Pointe: Er erklärt damit die Jungfräulichkeit der Frauen für ihre Privatsache und gibt ihnen die Erlaubnis, Männern, die unbedingt einen Beweis haben wollen, etwas vorzumachen. Er spricht umgekehrt den Männern eigentlich das Recht ab, von ihren Bräuten in dieser Frage Aufrichtigkeit zu verlangen.

Er gibt den Frauen das Recht, sich mit allen Mitteln gegen die patriarchalischen Zumutungen der ägyptischen Gesellschaft zu schützen. Der Mufti findet Unterstützung bei dem Al-Azhar-Scheich Khaled El-Gindy: Jeder Mann, der sich um die Jungfräulichkeit seiner Frau Sorgen mache, solle erst einmal selbst einen Beweis für seine eigene Reinheit bringen.
Gomaa geht sogar so weit zu sagen, eine verheiratete Frau, die ihren Mann betrogen habe, müsse diesem nicht die Wahrheit sagen. Im religiösen Sinn sei es ausreichend, dass sie ihr Verhalten bereue und Gott um Verzeihung bitte. Sie muss das Recht haben, durch das Verschweigen eines Fremdgehens ihr Leben und ihr Heim zu schützen.

„Ehrenmorde“ sind im ländlichen Ägypten keine Seltenheit – bei Ehebruch, aber auch bei Verlust der Jungfräulichkeit.

Die Fatwa hat in Ägypten eine kontroverse Debatte ausgelöst. Ali Gomaa hat sich kürzlich bereits in Fragen der Genitalbeschneidung sehr fortschrittlich geäußert.

Allerdings muss man den Begriff des Fortschritts hier doch sehr relativieren: Denn am Ende wird hier nicht die aufrichtige Liebe zwischen Gleichberechtigten vertreten, sondern die Doppelmoral sanktioniert – nur diesmal ein wenig mehr zum Nutzen der Frauen. Man ahnt, welches Unglück sich mit solchen Arrangements für beide Geschlechter verbindet.