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Obama: „Geschwätzigkeit mit böser Absicht“?

Der Revolutionsführer Khamenei hat bei eine Ansprache in Mashad auf Obamas Gesprächsangebot reagiert. Hier der Bericht von der deutschsprachigen Version seiner Website:

Das Oberhaupt der Islamischen Revolution wies dann auf den Amtsantritt des neuen Präsidenten und der neuen Regierung in den USA hin und fügte hinzu: „Sie sagen wir haben die Hand nach Iran gestreckt und wir sagen, wenn die USA unter dem Samthandschuh eine Gusseisenhand versteckt haben sollten, würde diese Maßnahme keine Bedeutung und keinen Wert haben.“
Der geehrte Ayatollah Khamenei deutete dann auf das Vorgehen der amerikanischen Verantwortungsträger bei der Entsendung einer Gratulationsbotschaft an das iranische Volk hin und fügte hinzu: „Man hat selbst in dieser Gratulationsbotschaft das iranische Volk als Anhänger des Terrorismus bezeichnet, die nach Atomwaffen streben. Ist das denn eine Gratulation oder die Fortsetzung derselben Vorwürfe?“
Er wies dann auf die Verhandlungsfrage und die neue Devise des neuen US-Präsidenten – das heißt auf „Wandlung“-  hin und fügte hinzu: „Wenn es sich etwas abgesehen von einem kleinen Teil eurer Rhetorik geändert hat, zeigt es uns. Hab ihr eurer Feindschaft gegen das iranische Volk ein Ende gesetzt? Die Guthaben Irans freigesetzt? Die Sanktionen annulliert? Der bedingungslosen Verteidigung des zionistischen Regimes ein Ende gesetzt?“
Das geehrte Oberhaupt der Islamischen Revolution hob ferner hervor: „Wandlung sollte nicht Geschwätzigkeit mit ungesunder Absicht sein. Wenn ihr die Absicht hegt, dieselben vorigen Ziele lediglich mit Politik und Taktik zu ändern, stellt dies eine List und keine Wandlung dar. Und wenn ihr eine wahre Wandlung vorhabt, sollt ihr sie praktisch zeigen.“

Der geehrte Ayatollah Khamenei fügte als Zusammenfassung seiner Ansprache hinzu: „Solange die amerikanische Regierung die Methoden, Politiken, Maßnahmen und feindseligen Orientierungen der vergangenen 30 Jahre verfolgt, wird auch unser Volk dasselbe Volk der vergangenen 30 Jahre sein, das Tag für Tag stärker, stählerner und erfahrener geworden ist.“

Was bedeutet dieser schneidende und unbeugsame Ton? Es handelt sich um den Versuch, bei einem möglichen Dialogprozess eine günstige Ausgangsposition einzunehmen. Es ist die Eröffnung eines Gesprächs durch einen Mann, dessen Spruch überliefert wurde: „Wenn die Amerikaner in Teheran eine Botschaft eröffen, haben wir verloren.“

Khamenei hat bei seiner Rede die üblichen „Tod Amerika“-Sprüche der Masse zu beruhigen versucht. 

Ich denke, Roger Cohen hat eine realistische Deutung des Vorgangs in der IHT

The hard part has just begun. Iran’s supreme leader, Ayatollah Ali Khamenei, responded to Obama with a scathing speech at the country’s holiest shrine in Mashad, recalling every past U.S. misdeed, describing prerevolutionary Iran as „a field for the Americans to graze in,“ and demanding concrete steps — like a lifting of sanctions — rather than words.

View all that as an opening gambit. Khamenei also quieted the crowd when it began its ritual „Death to America“ chant and he said this: „We’re not emotional when it comes to our important matters. We make decisions by calculation.“

That’s right: The mullahs are anything but mad. Calculation will demand that Iran take Obama seriously.

The country’s oil revenue has plunged, its economy is in a mess, its oil and gas installations are aging. It has deepening interests in a stable Iraq and an Afghanistan free of Taliban rule. 

 

Im bin-Laden-Knast für Dschihadisten

Zwei interessante Details aus einem Bericht der New York Times über den neuen Ansatz der Saudis gegen den Terrorismus.

Die Saudis gehen mit einer neuen Mischung aus Härte und Diplomatie gegen die Kaida-Zellen im Lande vor. Sie haben erkannt, dass der Dschihadismus sich auch gegen das eigene Regime wendet und gegen die weltweiten Interessen des Landes. Leider hat man bis 2004 gebraucht, um diesen Geisteswandel zu bewirken (da wurden in S.-A. mehrere schlimme Anschläge verübt).

Erstens gehören einige der gesuchten Terroristen zu jenen, die Jahre in Guantanamo verbrachten, entlassen wurden und ein Reahbilitationsporgramm durchliefen. Spricht das gegen das Programm? Fünf Prozent Rückfallquote ist nicht schlecht. Aber bei zu allem entschlossenen Terroristen ist es vielleicht doch zuviel.

… The list of 85 suspects that was released in January included 11 men who had been freed from the U.S. prison camp at Guantánamo Bay, Cuba, had passed through Saudi Arabia’s widely praised rehabilitation program for jihadists and then had fled the country. Two of them broadcast their aim of overthrowing the Saudi royal family in a video released on the Internet by the Yemeni branch of Al Qaeda, in an embarrassing moment for the authorities here.

Zweitens baut das Land neue Gefängnisse für die Terroristen. Aparter Weise profitiert davon die bin-Laden-Familie, die ja bekanntlich im Baugeschäft groß geworden ist:

At the same time, the kingdom has completely retooled its prison system, which had been criticized as having inhumane conditions. Five new prisons were built last year — as it happens, by the bin Laden family company — that hold 1,200 to 1,500 prisoners each.

 

Obamas Rede an Iran – ein Fehler?

„Weblog Sicherheitspolitik“ meint:
„Die Rede war vermutlich kontraproduktiv. Sie mag für westliche Zielgruppen sehr positiv erscheinen, weil sie das eigene Bedürfnis bedient, zur “guten”, toleranten, nicht-konfrontativen und verhandlungsbereiten Seite zu gehören. Politisch hat die Rede aber wohl eher Schaden angerichtet:

– Die Hardliner im Iran können der Bevölkerung nun erklären, dass sie die USA mit ihrer Strategie in die Knie gezwungen haben. Konzessionsorientierten Kräften wird man vorhalten, dass diese iranischen Interessen geschadet hätten. Obama hat die Hardliner gestärkt. Man schwächt Hardliner nur, indem man ihnen Erfolge verweigert.
– Die iranische Führung muß nun davon ausgehen, dass sie von amerikanischer Seite keine ernsthaften Maßnahmen gegen ihr Atomwaffenprogramm mehr zu befürchten hat. Warum sollte sie darauf verzichten? Weil Obama so lieb ist?
– Der Iran wird also mittelfristig über Atomwaffen verfügen. Danach wird die iranische Führung dafür sorgen, dass diese Investition sich lohnt: Eine aggressivere Politik am Persischen Golf, neue Bündnisse mit den Golfstaaten, Ende der amerikanischen Präsenz, iranische Hegemonie über den Golf, iranische Kontrolle des Ölpreises. Wieder werden die Hardliner erklären können, dass ihre Politik das beste für den Iran bewirkt hat. Und was werden die gestärkten Hardliner, ausgestattet mit Atomwaffen und Kontrolle über den Ölpreis, als nächstes unternehmen?“
Mehr hier.

 

Israelische Kriegsverbrechen in Gaza?

Eine Militäroperation, bei der solche Dinge geschehen, bringt einen moralischen Verfall der israelischen Streitkräfte zum Vorschein. Kein Wunder, jahrzehntelange Besatzung korrumpiert jede Armee. Sie ist nicht durchzuhalten, ohne die andere Seite zu enthumanisieren. Und das schlägt dann natürlich auch zurück.
In Israel wird dergleichen – weil es eine offene Gesellschaft ist – immerhin öffentlich. Der Gaza-Krieg hat nicht nur Trümmer und Tote auf der Seite der Araber hinterlassen. Auch auf der israelischen Seite sind Zerstörungen zu besichtigen.

Aus Ha’aretz:
„The platoon commander let the family go and told them to go to the right. One mother and her two children didn’t understand and went to the left, but they forgot to tell the sharpshooter on the roof they had let them go and it was okay, and he should hold his fire and he … he did what he was supposed to, like he was following his orders.“

According to the squad leader: „The sharpshooter saw a woman and children approaching him, closer than the lines he was told no one should pass. He shot them straight away. In any case, what happened is that in the end he killed them.

„I don’t think he felt too bad about it, because after all, as far as he was concerned, he did his job according to the orders he was given. And the atmosphere in general, from what I understood from most of my men who I talked to … I don’t know how to describe it …. The lives of Palestinians, let’s say, is something very, very less important than the lives of our soldiers. So as far as they are concerned they can justify it that way,“ he said.

Another squad leader from the same brigade told of an incident where the company commander ordered that an elderly Palestinian woman be shot and killed; she was walking on a road about 100 meters from a house the company had commandeered.

The squad leader said he argued with his commander over the permissive rules of engagement that allowed the clearing out of houses by shooting without warning the residents beforehand. After the orders were changed, the squad leader’s soldiers complained that „we should kill everyone there [in the center of Gaza]. Everyone there is a terrorist.“

 

Al-Kaidas lohnendes Investment

Interessantes Faktoid:

„Die 9/11-Komission hat geschätzt, dass die Anschläge vom 11. September Al-Kaida zwischen 400.000 und 500.000 $ gekostet haben, plus die Trainingskosten für die 19 Entführer in den U.S. vor den Angriffen. Dies bedeutet, dass die 9/11-Angriffe die teuerste Terroroperation der Geschichte wären. Aber wenn man berücksichtigt, dass sie den Vereinigten Staaten direkte Kosten von 27.2 Mrd. $ verursacht haben, und dass die folgenden Operationen des „Kriegs gegen den Terrorismus“ mit etwa 700 Mrd. $  zu Buche schlagen (bis Mitte 2008), dann wird deutlich, dass die Kosten für Amerika bei weitem die von Al-Kaida übertreffen…“

aus: „The Accidental Guerilla“ von David Kilcullen, dem Buch zur Stunde. (Übersetzung JL)

 

Der mit dem Talib spricht

 

Der kanadische Journalist Graeme Smith von der Zeitung Globe and Mail hat vor einem Jahr bereits getan, was nun westliche Regierungen erwägen: Mit den Taliban sprechen. Er drückte einem afghanischen Reporter mit Nähe zu den Aufständischen eine Kamera in die Hand und gab ihm eine Liste von Fragen mit – und so entstanden 42 Video-Interviews mit durchschnittlichen Taliban-Kämpfern.

Sie sind alle im Original mit englischen Untertitel auf der Website des Globe abzurufen. Es bietet sich ein ernüchterndes Bild einer Gruppe von entschlossenen Kämpfern, die gegen die „Nichtmuslime“ aufstehen, die ihr Land besetzt haben – ohne die leiseste Idee von diesen Besatzern und ihren Heimatländern. (Nicht einmal „Nato“ sagt den meisten etwas.)  Sie wollen einen islamischen Staat in Afghanistan. Sie sind keine globalen Dschihadisten, die ihren Kampf weiter tragen wollen als über ihren Lebensraum. Viele von ihnen sind in den Drogenanbau verwickelt, ein Drittel ist betroffen (oder behauptet dies) von Militäraktionen der multinationalen Kräfte, die man rächen will. Selbstmordaktionen, die einst noch skeptisch gesehen wurden (weil sie keine ehrenwerte Form des Kampfes seien), werden heute von den meisten bejaht. 

Auszug aus der Website: 

The typical Taliban foot soldier battling Canadian troops and their allies in Kandahar is not a global jihadist who dreams of some day waging war on Canadian soil. In fact, he would have trouble finding Canada on a map.

Screenshot: JL

A survey of 42 insurgents in Kandahar province posed a series of questions about the fighters‘ view of the world, and the results contradicted the oft-repeated perception of the Taliban as sophisticated terrorists who pose a direct threat to Western countries.

 

Faced with a multiple-choice question about Canada’s location, only one of 42 fighters correctly guessed that Canada is located to the north of the United States, meaning the insurgents performed worse than randomly.

 

None of them could identify Stephen Harper as the Prime Minister of Canada, and they often repeated the syllables of his name — „Stepheh Napper,“ „Sehn Hahn,“ „Steng Peng Beng,“ „Gra Pla Pla“ — that reflected their puzzlement over a name they had never heard.

 

Nor did they seem to associate the word „Canada“ with anything except, in some cases, the soldiers now serving in Afghanistan. Most could not distinguish between the French- and English-speaking rotations of troops.

 

The results show the depth of ignorance among front-line insurgents in Kandahar. In a previous visit to the tribal areas of Pakistan, a reporter for The Globe and Mail personally met with more sophisticated Taliban who demonstrated a keen grasp of politics and appeared to know the latest news of the war. But those politically astute Taliban were hundreds of kilometres away from the battlefields, and it remains unclear how much control such organizers exert over the day-to-day operations of the insurgency.

 

The Taliban became synonymous with ignorance during their years in government, banning media such as television that might bring foreign ideas into the country. As insurgents, however, they’ve shown a newfound flair for technology, distributing video propaganda and sending press statements via text message to reporters‘ mobile phones.

 

„Those [insurgents] making decisions are more sophisticated than those you are interviewing, so there is some chance of this being plausible,“ the expert said. „But I think they’re working to their own calendar, not ours.“ Three fighters in the survey didn’t recognize the name of U.S. President George W. Bush, and another mispronounced his name as „Bukh,“ suggesting he wasn’t familiar with the word.

 

Those who had heard of the U.S. President often gave responses that revealed more of their parochialism. He was called a „Jew,“ and „King of America.“ Sometimes, amid the errors, the Taliban showed their simplistic view of world politics.

 

„He is the son of George W, [and] he is the son of Clinton W, and he is American, and is a serious enemy of Islam,“ said one fighter in his description of Mr. Bush.

 

Kann Hamas den Weg der PLO gehen?

Also den Weg von der Terrororganisation, mit der man niemals sprechen darf, bis zum geschätzten Partner für den Frieden und die Zweistaatenlösung?

Jeffrey Goldberg ist mehr als skeptisch:

I would never predict that certain leaders of Hamas couldn’t evolve and leave the organization to form new, more pragmatic organizations. And I would not say that there are no differences among Hamas leaders; much of the Gaza leadership is tactically more pragmatic than the Damascus leaders. But I believe that jihadist organizations are jihadist at their core, and that it is theologically impossible for Hamas to change. The PLO was never bound by these strictures. I think the more relevant question might be: Will Israel wind up negotiating with Hamas, as it once negotiated with the PLO? This, of course, is a possibility. By the nature of Hamas, of course, I don’t see much success for that route, either.

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Europäischer Islam?

Ich kann die Veranstaltung der DGAP vom Dienstag, bei der ich auf dem Podium saß, naturgemäß nicht rezensieren. (Anlass der Debatte war Nina zu Fürstenbergs empfehlenswertes Buch über Tariq Ramadan.)

Aber ein paar Anmerkungen sind wohl erlaubt: 

 

Otto Schily überraschte das Publikum mit dem interessanten Geständnis, er halte die Deutsche Islam Konferenz seines Amtsnachfolgers für eine sehr gute Idee. Er selber habe Ähnliches umzusetzen versucht, sei aber gescheitert (woran, wurde nicht erklärt). Es sei wichtig, einen ernsthaften Dialog zu führen, allerdings ohne Preisgabe unserer Grundsätze, wie sie in Verfassung und Menschenrechtserklärung festgehalten sind. Schily äusserte Zweifel, ob der Islam mit der Tatsache der  Religionsfreiheit klarkommen könne. Jedenfalls hätten die Gelehrten da einiges zu erklären. Er habe einmal bei einer Diskussion in Magedeburg gesagt, es sei in Deutschland vom Grundgesetz gedeckt zu sagen, „Islam is nonsense“. Damit müssten sich die hier lebenden Muslime abfinden, genau wie alle anderen Gläubigen auch für ihre Religion. Er wolle nicht in einem Zustand der Unfreiheit leben wie in vielen Ländern der arabischen Welt, wo die Meinungsfreiheit durch Rücksicht auf die Religion extrem eingeschänkt werde. All dies im Kopf, müssten wir trotzdem das Gespräch mit muslimischen Vordenkern wie etwa Tariq Ramadan suchen – eben weil es da so viel zu klären gebe.

Giuliano Amato, der ehemalige italienische Ministerpräsident und Innenminister, sprach über die Modernisierung des islamischen Denkens in Europa als Langzeitprojekt. Er führte an, dass seine Vorfahren in Sizilien – nur zwei Generationen früher – genauso mit den Frauen umgegangen seien, wie wir es heute bei vielen Muslimen beklagen (Zwangsheirat, Blutrache, Kopftuch…). Wir bräuchten also mehr Geduld. Ramadan schätze er, weil er über das muslimsiche Leben in Europa nachdenkt, allerdings in Grenzen: Es sei nicht genug, die barbarischen Strafen des Schariarechts nur unter ein „Moratorium“ zu stellen – sie müßten klar und eindeutig verurteilt werden. Im übrigen sei Integration keine Einbahnstraße, und die aufnehmende Gesellschaft müsse sich auch verändern. Noch eine absolute Grenze beim Dialog mit Muslimen nannte Amato: Die Anerkennung Israels sei unmißverständlich Teil unserer Werte, und das müsse auch immer wieder betont werden.

Ich für meinen Teil berichtete aus meinen drei Begegnungen mit Ramadan. Zweimal habe ich mit ihm auf einem Podium gesessen und ihn als einen sehr guten Debattierer erlebt. Ich halte ihn nicht für den Feind oder für einen heimlichen Unterstützer finsterer terroristischer Umtriebe. Dennoch respektiere ich ihn nicht völlig als echten Intellektuellen. Privat gibt er schnell zu verstehen, dass ihn die Steinigungen, Amputationen und Blendungen abstoßen, die in manchen islamischen Ländern praktiziert werden. Wenn man ihn fragt, warum er das nicht so deutlich sagt, kommt als Antwort, er sei dann nicht mehr Teil der innerislamischen Debatte und habe keine Wirkung mehr. Darum plädiere er ja eben für ein Moratorium und eine Gelehrtendebatte.

Ich finde das nicht akzeptabel. Er muss als Intellektueller wirklich sagen, was er denkt und nicht herumtaktieren, sonst gibt es nie einen Fortschritt in der Debatte. Trotzdem habe auch ich mich für einen Dialog mit ihm und anderen Kräften ausgesprochen, auch wenn solche Dinge weiter offen sind. 

Ich sehe diesen Dialog in einer post-naiven Phase. Es geht nicht mehr darum grundsätzlich anzuerkennen, dass der Islam ein Teil Europas ist und sein wird. Das ist längst vollzogen, und die Deutsche Islam Konferenz zeugt davon. Jetzt fängt die harte Arbeit an, ohne Illusionen und mit offenem Ende. Europa ist ein guter Ort für Muslime. 20 Millionen leben hier, und kein einziger wurde auf einem Sklavenschiff hergebracht. Und über 2000 Moscheen sind ja nicht nichts. (Wenn es Zwang gibt, dann wird er von anderen Muslimen ausgeübt, etwa von den Eltern, die die Ehen arrangieren.) Das muss sich auch in der Haltung der Muslime zu ihrer neuen Heimat widerspiegeln. Muslime müssen lernen mit Pluralismus zu leben, und dazu sind ihre Heimatgesellschaften und auch ihr Glaube denkbar schlechte Vorbereitung. Noch einmal: Europa ist ein guter Ort für Muslime, die hier Freiheit und Wohlstand finden.

Wir können und müssen erwarten, dass sie auch danach zu leben und zu denken beginnen.

Amato ergänzte, Amerika vermöge es doch bei allen Problemen, seinen Einwanderern das Gefühl einer gemeinsamen Zukunft zu vermitteln – eines gemeinsamen Schicksals, für das jeder mit verantwortlich sei. Das müssten wir hier in Europa auch schaffen.

p.s. Am Rande der Veranstaltung traf ich eine Gruppe junger israelischer Diplomaten in der Ausbildung, die sich unsere Debatte angehört hatten. Ich hatte das Gefühl, dass die Rede vom Dialog mit Radikalen sie ziemlich nervös gemacht hatte. Einer von ihnen wies mich darauf hin, dass sich die neuen ameriklanisch-europäischen Gedankenspiele über „ausgestreckte Hände“ in Jerusalem anders anhören. Man müsse aufpassen, dass man mit Gesprächsangeboten an Radikale nicht den Moderaten den letzten Rest Legitimität raube. Bevor ich noch sagen konnte, dass der Gaza-Krieg sicher auch nicht den Moderaten geholfen hatte, musste mein Gesprächspartner leider schon los.

p.p.s. Unterdessen gibt es eine neue Initiative, den Bann auf Ramadan aufzuheben, den die Bush-Regierung verhängt hatte. Selbst Paul Berman, sein schärfster Kritiker, tritt dafür ein, dass Ramadan in Amerika debattieren darf.

 

Lässt sich das Erfolgsrezept des irakischen „Surge“ auf Afghanistan übertragen?

Eine neue Studie (für das Marine Corps) beschreibt, was zu beachten ist, wenn man die Lektionen aus dem Irak auf Afghanistan übertragen will. Entscheidend sind Politik und Diplomatie, schreiben die Autoren. Die schlechte Regierungsführung in Afghanistan schafft große Unzufriedenheit und  treibt den Aufständischen Unterstützung zu. Beim Reden und Verhandeln mit den Stammesführern sind aber deutliche Unterschiede zwischen Afghanistan und al-Anbar im Irak zu sehen. Eine essentielle Studie. Auszüge aus der Konklusion: 

 

In summary, counterinsurgency in Afghanistan will be different from counterinsurgency in Al Anbar. Any “solution” to the Afghan insurgency must address not sectarianism or a civil war but government misrule tied to a history of warlordism—strategic factors that define the problem. Without reducing the abusive behavior of the government and their warlordclients, it is hard to see how security measures will have a long-lasting effect. Security will not stop mistreatment at the hands of government officials or the continued predatory behavior of warlords.

Another strategic factor that cannot be avoided is the large safe haven in Pakistan’s tribal areas, where insurgents can readily train, recuperate, and organize; a permanent bastion. Given time, US forces may be able to pacify some parts of Afghanistan, perhaps even the bulk of the population. Nevertheless, until the policies of the Pakistani military change, the insurgents should be able to regenerate in the tribal areas. From there, they will be able to try again and again at breaking into pacified areas. Poppy does not help. Funds from its production and trade enhance the ability of the insurgents to keep going. In the end, their attempts may go nowhere but they will have the wherewithal to go round after round, fighting season after fighting season.

Other differences between Al Anbar and Afghanistan may not be strategic but will affect operations, most notably tribal engagement efforts. Tribal engagement, to include the development of tribal forces, will need to be built around the fragmented nature of the tribal system, the feuding of Pashtunwali, and the opportunism of warlords. Patience and forethought in the planning and execution of tribal engagement efforts are advised. Smallscale community successes are more likely than large-scale province-wide successes. Gaining the support of as many tribal elders as possible and using the shura system are likely to be necessary steps in any effort. Locally recruited forces—whether police or some kind of neighborhood watch—will only be as strong as the shura behind them.

Finally, the differences between Al Anbar and Afghanistan will affect tactics. A rural environment, the tactical skill of the insurgency, and Pashtunwali compel a re-thinking of the tactics of counterinsurgency. How Marines and Soldiers outpost, patrol, re-supply, collect bottom-up intelligence, and many other tactics—not to mention logistics—will have to adjust to a rural environment where the population is spread out over wide distances and to an insurgency skilled at small-unit tactics. The usefulness of certain other tactics deserves reconsideration, most notably cordon and searches, air strikes, and population control measures. Because of Pashtunwali, their costs may be greater than their benefits.

In spite of all these differences, Al Anbar and Afghanistan have some similarities. In addition to government misrule, Afghan insurgents also fight because of the presence of US (and allied) forces—infidels—in their country and, in some cases, because they want to see the establishment of an Islamic government.24 The same could be said of insurgents in Al Anbar.

Accordingly, the emphasis that was placed on giving Iraqis a lead role in counterinsurgency operations in Al Anbar will need to be replicated for Afghans in Afghanistan (even if we must at the same time try to empower the right leaders and guide them toward good governance). To give other examples, tribes are important political players in both regions,underlining the wisdom of tribal engagement of some kind; while advising indigenous forces and clear, hold, and build efforts have proven as effective in Afghanistan as Al Anbar, though the tactical details of implementation differ. These similarities make clear that some fundamentals of counterinsurgency remain the same even though strategy as a whole may need to be re-shaped around the unique characteristics of Afghanistan.