Weihnachten geht es nicht nur um Geschenke, schon klar. Aber wenn man doch etwas ganz Besonderes braucht, ist man beim berühmten Kaufhaus Harrods an der richtigen Adresse
Von John F. Jungclaussen
© Anton Want/Getty Images
Es gibt fast nichts, was man bei Harrods nicht kaufen kann – nur Bindfaden sucht man vergeblich
Das Praktische an einem Kaufhaus ist, dass man dort alles kaufen kann, was man gerade braucht. Sucht man zum Beispiel ein neues Paar Winterstiefel, aber gleichzeitig auch eine neue Federtasche, muss man bloß mit der Rolltreppe von der Schuhabteilung in die Schreibwarenabteilung fahren, anstatt die Fußgängerzone rauf- und runterzurennen, um verschiedene Geschäfte zu besuchen. Das spart viel Zeit. Weil Kaufhäuser also sehr praktisch sind, findet man sie überall auf der Welt. Aber in der britischen Hauptstadt London gibt es eines, das ist bekannter und ungewöhnlicher als alle anderen: Harrods.
Wenn man aus der U-Bahn kommt und vor dem Gebäude steht, fällt einem als Erstes auf, wie riesengroß dieser Laden ist. Von der einen Ecke des Hauses kann man das andere Ende fast nicht sehen, so lang ist die Schaufensterfront. Und wenn es dunkel wird, dann werden mit einem Knopfdruck 11500 Glühbirnen angeknipst, die die ganze Fassade vom fünften Stock bis hinunter ins Erdgeschoss hell erleuchten. Dann erstrahlt Harrods wie ein Märchenschloss. Drinnen blitzt und funkelt es auch wie in einem wundersamen Land. Die Decke im Erdgeschoss schimmert golden, und in dem Gang zwischen den hübschen Handtaschen und den Schuhen mit furchtbar hohen Absätzen, auf denen man gar nicht richtig gehen kann, steht die riesige goldene Statue eines ägyptischen Königs, der vor über dreitausend Jahren gelebt hat. Was macht der bloß in einem Kaufhaus?, fragt man sich da natürlich. Aber die Antwort ist einfach. Der Mann, dem Harrods gehört, heißt Mohammed al-Fayed und wurde in Ägypten geboren. Weil er aber nun einmal in Großbritannien lebt und das so weit weg ist von seiner Heimat, hat er einige Kunstwerke wie diese Statue hier aufgestellt, um an sein Zuhause erinnert zu werden. Die Besucher freut das auch.
Am besten lässt man die Schuhe und Handtaschen schnell hinter sich, denn weiter hinten und weiter oben gibt es viel aufregendere Sachen zu kaufen, gerade jetzt, wo Weihnachten vor der Tür steht. Überhaupt ist die Weihnachtsabteilung der absolute Wahnsinn, denn sie macht bereits im August auf, mitten im Sommer, wenn es draußen noch heiß und sonnig ist und die meisten Menschen am Strand Sandburgen bauen. Manche Touristen kaufen dann trotzdem schon Christbaumkugeln. Vor einigen Jahren tauchte in dieser Abteilung sogar ein Mann auf, der dem Weihnachtsmann höchstpersönlich zum Verwechseln ähnlich sah. Er war groß und hatte einen langen weißen Bart und einen sehr dicken Bauch. Allerdings trug er einen rot-weiß gestreiften Badeanzug und eine Sonnenbrille, nicht den roten Anzug, in dem man ihn normalerweise sieht. Aber schließlich war es Sommer, und der Weihnachtsmann hat ja auch ein Recht auf Ferien. (Ob er es nun wirklich war oder nicht, weiß keiner so genau.) Jedenfalls kam dieser fröhliche Mann in die Weihnachtsabteilung und erzählte allen ganz aufgeregt, wie sehr er sich schon auf all die bunten Kugeln und das Lametta am Tannenbaum freue.
Neben der Weihnachts- liegt die Spielwarenabteilung, und hier wird Harrods wirklich zum Paradies. Gleich am Eingang stehen die größten Stofftiere, die man sich vorstellen kann: eine Giraffe, die mit ihrem langen Hals bis an die Decke reicht; ein Flusspferd, das so dick ist, dass es durch keine normale Tür passt; ein Zebra, auf dem man reiten kann. Daneben Puppenhäuser in allen verschiedenen Größen und Farben und echte Superman- und Batman-Kostüme. Sogar ein elektrisches Auto kann man hier kaufen, extra für Kinder. Es ist natürlich viel kleiner als ein normales Auto, aber man kann damit quer durch den Garten sausen – sogar durch jedes Blumenbeet, denn es hat extra große Räder, mit denen man nicht stecken bleibt. Wer nicht so viel Geld ausgeben will, der kann sich unter Tausenden von Glasmurmeln die schönsten aussuchen oder eines der über hundert Gesellschaftsspiele.
Wenn man sich dann schließlich durch das Spielzeug-Labyrinth gearbeitet hat, landet man in der Lebensmittelabteilung. Die ist nicht nur größer als jeder normale Supermarkt, hier gibt es auch die exotischsten Sachen zum Probieren. Zum Beispiel Cherimoya, das ist eine Frucht aus Peru in Südamerika, die aussieht wie ein kleiner Apfel, aber nach Vanille schmeckt. Und dann gibt es den Eisstand, an dem man sich ein Eis in seinem Lieblingsgeschmack bestellen kann, das dann extra hergestellt wird, Ketchup-Eis zum Beispiel oder eins mit Gummibärgeschmack.
Mohammed al-Fayed sagt ganz stolz, »dass es nichts gibt, was man bei Harrods nicht kaufen kann«. Vielleicht hat er recht. Hier scheint es wirklich alles zu geben. Einmal hat jemand einen lebenden Alligator gekauft, und der ehemalige amerikanische Präsident Ronald Reagan bestellte vor vielen Jahren einen echten Elefanten, der auch von Harrods geliefert wurde. Weihnachtspuddings und die berühmten Knallbonbons verschickt die Poststelle an Kunden in aller Welt. Aber alles gibt es nirgendwo, das ist unmöglich. Eine Sache, die man bei Harrods zum Beispiel nicht bekommt, ist Bindfaden – und das ist ganz schön blöd, denn wenn man viele Geschenke kauft, dann will man sie doch auch verpacken, und dafür braucht man schließlich Bindfaden. Also kauft man am besten doch nicht alles. Das ist sowieso besser, denn wenn man noch nicht alles hat, kann man sich über die neuen Sachen, die man vielleicht zu Weihnachten kriegt, viel mehr freuen.