Wer Skulpturen oder Gemälde verschicken will, hat einen harten Job und muss oft Jahre im Voraus planen
Von Ulrike Linzer
© Sean Gallup/Getty Images
Vor der Neuen Nationalgalerie in Berlin stehen riesige Holzkisten. Sie sind größer als Autos, innen mit grünem Filz dick gepolstert. Darin reisten Skulpturen des amerikanischen Künstlers Jeff Koons nach Berlin. In Lastwagen und Flugzeugen kamen sie an. Aus der Schweiz, Frankreich, Italien, England, aus den USA und Südkorea hat sich das Museum die elf Kunstwerke ausgeliehen, um sie drei Monate lang (noch bis zum 8. Februar) zusammen zu zeigen.
»Es sieht alles so schön bunt und leicht aus, aber da steckt fast ein Jahr Arbeit darin«, sagt Anette Hüsch. Sie ist die Kuratorin. So nennt man die Mitarbeiterin des Museums, die eine Ausstellung betreut – von der ersten Idee bis zur Eröffnung. Sie kennt den Riesenaufwand genau. Allein das Auspacken und Aufbauen in Berlin hat fast 60 Arbeiter drei Wochen lang beschäftigt.
Da ist zum Beispiel der große rote Pudel. Er erinnert an einen riesigen Luftballon, ganz leicht und zerbrechlich. Doch der Kunsthund ist aus Stahl und wiegt über sechs Tonnen, fast so viel wie ein Kleinlaster. Weil die Skulpturen von Jeff Koons besonders groß und schwer sind und nicht durch die Tür passten, mussten die Glasfenster des Museums raus. Mit Kränen wurden sie ins Gebäude gehievt, innen ging es auf Gabelstaplern weiter.
Doch nicht nur wegen ihrer Größe ist der Transport der Skulpturen aufwendig, auch wegen des empfindlichen Lacks. Er bekommt leicht Kratzer und Flecken. Schon eine schwitzige Hand kann der Skulptur schaden. Deshalb darf man ihn nur mit Handschuhen berühren.
So riesig und kreischend bunt wie in den Räumen der Jeff-Koons-Ausstellung ist es im Museum nicht immer. Ein Stockwerk tiefer etwa hängen Ölbilder, Aquarelle und Zeichnungen – sie wirken fast unscheinbar, verglichen mit den Skulpturen oben. Auch diese Werke sind nach Berlin gereist – und auch das war viel Arbeit.
Alte Ölbilder reagieren nämlich zum Beispiel ganz empfindlich auf Änderungen der Luftfeuchtigkeit. Trockene Heizungsluft ist nicht gut, und wenn die Luft viel zu feucht ist, kann das Bild schimmeln. Am schlimmsten wäre es, wenn zum Beispiel ein Kunstwerk aus dem heißen Rom, wo hohe Luftfeuchtigkeit herrscht, nach Berlin kommt, wo die Luft kühl und trocken ist. Deshalb reisen die Gemälde in speziellen Kisten. Darin wird das Klima, das ein Bild gewohnt ist, eine Weile gehalten. Wichtig ist auch eine gute Polsterung, damit beim Ein- und Ausladen oder beim Transport nichts kaputtgeht.
Noch vor 50 Jahren sah das Reisen von Kunstwerken übrigens ganz anders aus. Meist hieß es nur: Decke übers Bild und ab in den Lkw. Heute wird sogar darauf geachtet, dass die Bilder zwischen den Reisen lange Pause haben, um sich zu erholen. Das Beste für die »Gesundheit« der Kunstwerke wäre, wenn sie gar nicht bewegt würden. Doch viele Menschen wollen berühmte Bilder oder Skulpturen sehen, ohne dafür in ein Museum nach Italien, Japan oder Amerika zu fliegen.
»Es ist eine schwierige Entscheidung. Denn so ein Transport bedeutet immer Stress für ein Kunstwerk«, sagt Katja Matauschek. Sie ist Restauratorin, das bedeutet, sie pflegt und repariert alte Kunstwerke. Bevor ein Museum ein Bild ausleiht, untersucht die Restauratorin das Werk und schreibt eine Art Krankenakte. Darin steht, wie es dem Bild geht und wo es bereits kleine Macken hat. Oft ist Katja Matauschek auch schon selbst mitgereist, um aufzupassen. Leute, die so etwas machen, nennt man Kunstkuriere. Sie bleiben bei wertvollen Transporten von »Nagel zu Nagel« dabei – vom Heimat-Museum bis zum Ort der Ausstellung. Kunstkuriere achten darauf, dass alles ordentlich und vorsichtig transportiert wird, dass die Kisten nicht im Regen stehen oder in der prallen Sonne. Bei ganz wertvollen Stücken sollen sich Kuriere schon mit Handschellen ans Kunstwerk gekettet haben.
Die Reise sollte ohnehin geheim bleiben. Von außen sehen die Kunstlaster deshalb oft aus wie Umzugswagen oder Kühltransporter. Aber sie werden per Satellit überwacht, und bei sehr teuren Werken fährt schon mal die Polizei hinterher.
Hängen die Werke erst im Besuchsmuseum, denkt kaum jemand daran, wie viele Leute dafür durch die Welt gereist sind, geplant und geschleppt haben. Dabei geht alles fast noch einmal von vorn los – wenn die empfindlichen Gäste die Heimreise antreten.
Mehr über die Jeff Koons-Ausstellung könnt ihr auf der Webseite der Berliner Nationalgalerie erfahren