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Sparsames Fest

 

Sparversion eines Knusperhauses/ Bild: www.smetek.de

Familien, die auf staatliche Hilfe angewiesen sind, müssen gerade zu Weihnachten viel rechnen

Von Katrin Hörnlein

Für Jan-Henrik gibt es in diesem Jahr kein Lebkuchenhaus, nicht einmal ein kleines. Honig, Gewürze, Mehl und Eier für den Teig brauchte man, um eins zu bauen. Und natürlich müsste ein solches Haus mit Zuckerguss verziert und mit vielen Süßigkeiten geschmückt werden, damit es toll aussieht. Dafür aber hat Jan-Henriks Mutter in diesem Winter nicht genug Geld. Kirsten Schmitz und ihr Sohn bekommen Hartz IV. Dabei ist Frau Schmitz nicht einmal arbeitslos. Nur verdient sie mit ihrer Tätigkeit (vier Stunden arbeitet sie jeden Tag) nicht so viel, dass sie und Jan-Henrik davon leben könnten. Der Vater wohnt nicht bei ihnen. Deshalb hilft der Staat: Er gibt der kleinen Familie Geld dazu.

Ende des Jahres sei es immer knapp, erzählt Kirsten Schmitz. Die Schule plant Feiern oder Ausflüge mit dem Chor, die extra kosten. Die Mutter will Geschenke kaufen, ein schönes Essen zum Fest kochen, einen Baum aufstellen: einfach das machen, was sehr viele andere Menschen tun, ohne groß darüber nachdenken zu müssen.

In diesem Jahr ist es bei Jan-Henrik und seiner Mutter besonders schwierig, denn sie haben schon in den vergangenen Monaten viel Geld verbraucht. Erst ging die Waschmaschine kaputt, dann der Kühlschrank. Und jetzt, wo es so kalt ist, brauchen beide neue Winterkleidung: Die Jacke vom vergangenen Jahr passt Jan-Henrik nicht mehr, auch warme Schuhe müssen her. »Alles auf einmal geht nicht«, sagt Kirsten Schmitz. »Im Dezember kaufen wir erst einmal die Schuhe.« Wie viel Geld kann sie dafür ausgeben? »30 Euro.«

Wer Geld vom Staat bekommt, soll es sich selbst einteilen. Er soll zum Beispiel jeden Monat etwas sparen, damit er davon eine Waschmaschine kaufen kann, wenn es
nötig ist. Kirsten Schmitz rechnet viel – und sie spart in gleich sechs Dosen, die in der Küche stehen: In einer sammelt sie Geld für Jan-Henrik, in einer anderen spart sie für Ausflüge und so weiter. Für sie sei es sehr wichtig, dass ihr Sohn nicht das Gefühl habe, arm zu sein: »Er merkt selten den Unterschied zwischen seinem Leben und dem seiner Freunde«, sagt die Mutter. »Er soll dabei sein und sich nicht anders fühlen.«

Wenn Menschen Hilfe vom Staat brauchen und nicht allein für sich sorgen können, trifft es besonders die Kinder. Sie können ja nichts dafür, dass die Eltern keinen Job haben. Doch wenn das Geld nicht ausreicht, um mit Freunden ins Kino zu gehen oder auch mal einen angesagten Markenpullover kaufen zu können, dann müssen sie das aushalten. Besonders schlimm ist es, wenn sie auch noch von Mitschülern als »Hartz-IV-Kind« gehänselt werden. Und Fachleute sorgen sich, weil Kinder aus Hartz-IV-Familien weniger Chancen auf eine gute Ausbildung haben und leicht zu Außenseitern werden können.

Kirsten Schmitz bemüht sich sehr, dass es bei Jan-Henrik nicht so kommt. Der Neunjährige hat viele Hobbys: Es gibt ein Pflegepferd, auf dem er regelmäßig reitet. Er singt im Chor. Im Sommer möchte er segeln lernen. Wenn man das liest, könnte man denken, dass Hartz IV wohl doch reichlich Geld sein muss. Jan-Henrik kann all diese Hobbys aber nur haben, weil seine Mutter an sich selbst spart und sich oft etwas einfallen lässt. Das Pflegepferd hat er zum Beispiel nur, weil seine Mutter dafür auf dem Reiterhof den Stall ausmistet.

Manchmal muss Kirsten Schmitz ihrem Sohn trotz aller Anstrengungen sagen, dass sie sich etwas nicht leisten können. Jan-Henrik weiß sehr genau, dass er und seine Mutter wenig Geld haben. Das merkt man in alltäglichen Situationen: Er fragt zum Beispiel, ob er einen Freund anrufen kann oder ob das Geld auf der Handykarte dann nicht mehr ausreicht, bis seine Mutter sie wieder auflädt. Wer denkt heute schon darüber nach, ob er sich einen Anruf leisten kann?

Wünsche hat Jan-Henrik natürlich trotzdem. In diesem Jahr hofft er zu Weihnachten auf einen Laptop – wie viele andere Jungen und Mädchen auch. Die Mutter weiß, dass ihr Sohn den Computer im nächsten Jahr auch für die Schule brauchen wird, dann soll er nämlich aufs Gymnasium gehen. Doch so ein Laptop ist teuer. Ob sie es schafft, den Computer bis Weihnachten zu kaufen, weiß Kirsten Schmitz nicht. Ende November hat sie sich hingesetzt und eine Liste gemacht. Darauf standen am Ende mehr Dinge, als sie bezahlen konnte. Deshalb musste sie streichen – zum Beispiel das Lebkuchenhaus.

Die Ausflüge zur Eisbahn, auf die sich Mutter und Sohn im Winter immer freuen, sind auch erst mal nicht drin. Mit dem Bus hinfahren, Eintritt, Leihgebühr für die Schlittschuhe und am Schluss noch eine Bratwurst, das kostet für zwei Personen etwa 25 Euro. Zu viel.
Einige Sachen aber, die müssten einfach sein, sagt Kirsten Schmitz. Der Adventskalender für Jan-Henrik zum Beispiel. Schon seit dem Sommer hat seine Mutter kleine Geschenke gekauft. Die hängen nun, in gold-weiße Servietten verpackt, im Wohnzimmer, das gleichzeitig das Schlafzimmer der Mutter ist. In der kommenden Woche soll hier zwischen Esstisch und Schlafsofa der Weihnachtsbaum stehen. »Auch wenn es nur ein kleiner ist«, sagt Kirsten Schmitz. »Weihnachten ohne Baum, das geht nun wirklich nicht!«

Was ist Hartz IV?

In Kinderbüchern und Märchen sind arme Kinder in Lumpen gehüllt und haben nicht genug zu essen. So schlimm ist es in Deutschland zum Glück selten. Wir leben in einem Sozialstaat. »Sozial« kommt aus dem Lateinischen und bedeutet »gemeinsam«. In einem Sozialstaat soll niemand alleingelassen werden, wenn er in Not gerät, zum Beispiel krank wird oder seine Arbeit verliert. Menschen, denen so etwas zustößt, können Geld vom Staat bekommen. Der nimmt es sich von denen, die Arbeit haben und einen Teil ihres Lohns als Steuern abgeben.
Wer längere Zeit arbeitslos ist oder mit seiner Tätigkeit nicht genug verdient, hat einen Anspruch auf die Hilfe, zu der viele abgekürzt »Hartz IV« sagen (benannt nach dem Berater Peter Hartz, der an der Entwicklung der Gesetze beteiligt war). Es ist festgelegt, wie viel Geld Hilfsbedürftige bekommen, um eine Wohnung bezahlen, Essen und Kleidung kaufen zu können; für Kinder gibt es noch etwas extra. Ob das Hartz- IV-Geld genug ist, darüber wird in Deutschland viel gestritten.