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Wumm!

 

Teurer, lauter Müll/ Foto: Getty Images

An Silvester jagen wir Tausende von Feuerwerkskörpern in die Luft. Raketenbauer zaubern dabei gern bunte Glitzersterne an den Himmel. Die Käufer wollen vor allem eins: Krach

Von Katrin Hörnlein

Sterne machen, das kann nicht jeder«, sagt Dirk Röpstdorff. Er allerdings kann es, ziemlich gut sogar. Natürlich künstliche! Dirk Röpstdorff macht Sterne aus Raps und Chemikalien. Er ist Pyrotechniker. Pyr ist griechisch und bedeutet Feuer – und wenn irgendwo ein Pyrotechniker am Werk ist, dann brennt und explodiert bald etwas.

Dirk Röpstdorff arbeitet in der Weco-Feuerwerksfabrik bei Kiel in Schleswig-Holstein. Hier werden bunte Raketen und Vulkane, Wunderkerzen und Knallbonbons zusammengebaut. Es gibt kaum noch Hersteller von Feuerwerksartikeln, die ihre Waren in Deutschland produzieren, weil das recht teuer ist. Die meisten Böller, Sonnen und Raketen kommen aus Asien. Die Firma Weco kauft ebenfalls Bestandteile in China ein, aber sie fertigt auch noch selbst – etwa 15000 Raketen am Tag im Kieler Werk.

Bei Herrn Röpstdorff und seinen Sternen beginnt die Raketenherstellung. Je nachdem, welche Farbe später am Himmel funkeln soll, mischt der Pyrotechniker unterschiedliche Chemikalien zusammen. Ganz genaue Mengenangaben hat er für jede Mischung, aber die sind absolut geheim…

Wenn der Pyrotechniker die sogenannte Satzmischung fertig hat, geht es an die Sternproduktion. Röpstdorff steht an einer großen Drehtrommel, die aussieht wie die Behälter, in denen auf der Kirmes Zuckerwatte gemacht wird. Dort hinein gibt er Rapskörner (Chinesen verwenden Reis), besprüht sie mit Alkohol und bestäubt sie nach und nach mit der Chemikalienmischung und mit Schwarzpulver. »Dafür braucht man Gefühl und Talent«, sagt er. Wo vorher beim Wiegen jedes Gramm zählte, geht es jetzt ums Augenmaß. Die Sterne sollen später etwa sieben bis acht Millimeter groß sein: kleine dunkle Kugeln, die ein wenig glitzern. 200 Kilogramm kann Röpstdorff an einem Tag herstellen. Das reicht für 17000 Raketen.

Und wie weiß man, ob die Kügelchen gelungen sind? Das zeigt ein Test. Wenn die Sterne fehlerhaft sind, kommt nichts raus aus der Rakete.

Für die Tests ist Wilfried Kitschmann zuständig. Jeden Tag zwischen zehn und elf Uhr donnert es laut übers Firmengelände. Dann hat Kitschmann Knalldienst. Für Feuerwerkskörper gelten strenge Regeln, und deshalb schießt er jeden Morgen Raketen in den Himmel. Wie hoch steigen sie? Wie weit fliegt ein Böller, wie lange brennt ein Vulkan? Das misst und notiert der Prüfer. Nur was er durchwinkt, darf in den Handel, und viele der tollsten Knaller haben Altersbeschränkungen: Kinder dürfen sie weder kaufen noch abschießen.

Wie ein großer Abenteuerspielplatz kann einem die Feuerwerksfabrik vorkommen. Aber bei diesem Vergleich werden alle Pyrotechniker böse. »Eine kleine Kiste mit Sternen ist wie eine Bombe«, sagt Wolfgang Schaft, der Kitschmanns Chef ist, und blickt sehr ernst. Weil die Sache so gefährlich ist, gibt es viele Sicherheitsvorschriften im Werk. An der nächsten Station der Raketenfertigung, dem Treiberplatz, darf zum Beispiel nicht mit Blitzlicht fotografiert werden! »Wenn es hier in der Halle blitzt, dann bedeutet das normalerweise, dass etwas explodiert ist«, sagt Wolfgang Schaft, »dann geht die Sprinkleranlage an.«

Am Treiberplatz wird der Raketenmotor hergestellt. Dafür wird eine Pappröhre erst mit einer Füllmasse und dann mit einer doppelten Ladung Schwarzpulver gestopft. Das erledigt eine Maschine. Brennt das Schwarzpulver in der Papphülle ab, schießt der Druck die Rakete in den Himmel.

Einige der fertigen Treiber jagt jetzt erst einmal Herr Kitschmann in die Luft. Bestehen sie den Test, wandern sie weiter zur Mäntelmaschine. Dort fahren bunt bedruckte Raketenpapphüllen kopfüber im Kreis. Von oben werden die befüllten Treiber hineingesteckt, mit einer Art Schwarzpulver-Kleber-Matsche wird die Zündschnur angeleimt. Darüber kommt noch eine gelbe Plastikschutzkappe. Dann ist die Hülle mit Raketenmotor fertig zum Befüllen mit der Sternenladung.

An der Füllmaschine lagern die Sterne aus eigener Produktion – und »Bömbchen« aus China. Die Bömbchen sind so groß wie eine Zwiebel und enthalten ebenfalls Sterne. Den Unterschied sieht man am Himmel: Raketen mit loser Füllung verteilen ihre Funken anders; die Sterne bewegen sich, wie sie wollen. In einem Bömbchen dagegen werden sie genau angeordnet, so kann am Himmel zum Beispiel eine Palme entstehen. Nach dem Befüllen kommt die Plastikspitze vorn drauf – zur Deko, damit die Rakete wie eine Rakete aussieht. Dann wird an der »Anstabmaschine« der Holzstock angeklebt. Über ein Fließband wandern die Raketen in große Pappkisten, die ins Lager gefahren werden. Millionen von Feuerwerkskörpern werden hier aufbewahrt.

Jedes Jahr geben die Deutschen etwa 100 Millionen Euro für Knaller und Raketen aus, die sie in einer einzigen Nacht verfeuern. Was erwarten sie von einer Rakete? »Vor allem Wums«, sagt der Leiter des Kieler Werks, Norbert Gummelt. »Es soll laut knallen.« Die bunten Effekte seien vielen gar nicht so wichtig. Die Pyrotechniker finden das schrecklich – wo sie sich doch so viel Mühe mit den Sternen geben!