Ständig hört man von »Hackern« und ihren Untaten. Nicht alle wollen Schaden anrichten. Einige überlisten die moderne Technik, um sie besser zu machen
Von Stefan Schmitt
Unfassbar neugierig – das ist die passende Beschreibung für George Francis Hotz. Und seine Neugier hat ihn schon weit gebracht. In einem Alter, in dem Kinder von Erwachsenen meistens noch gar nicht ernst genommen werden, fand George aus dem Städtchen Glen Rock in den USA schon Anerkennung als Nachwuchsforscher. Und wenig später trickste er zwei der größten Technikfirmen der Welt aus – zuerst Apple, dann Sony. Unzählige Menschen in vielen Ländern bewundern ihn dafür, was er mit elektronischen Geräten so alles anstellt. George ist ein Hacker.
Über das Treiben von Hackern wird vor allem berichtet, wenn sie Straftaten begehen: wenn sie zum Beispiel die Internetseiten von Regierungen oder Konzernen stören, wenn sie Kreditkartennummern von fremden Computern stehlen oder Firmengeheimnisse kopieren. Hacker können viel besser mit Computern umgehen als andere, und dieses Wissen verleiht ihnen Macht, etwa so wie eine Pistole einem Räuber Macht verleiht. Doch für viele Hacker ist Macht gar nicht das Wichtigste: Sie treibt auch ihr Gerechtigkeitssinn an.
George zum Beispiel hatte sich sehr über die Firma Apple geärgert. Er fand es unfair, dass deren iPhones nur bei einer bestimmten Telefonfirma funktionierten. Apple hatte nämlich eine Sperre eingebaut, um zu verhindern, dass Menschen die Geräte auch in billigeren Handynetzen nutzen konnten. Obwohl das technisch möglich wäre! Deshalb spielte George (sehr) lange mit seinem eigenen iPhone herum, bis er einen Weg um die Sperre herum fand. Dann drehte er in der Küche seiner Eltern einen kleinen Videofilm und stellte ihn ins Internet, um anderen Menschen zu zeigen, wie man Apple eine lange Nase macht.
Die Zeitungen nannten ihn daraufhin »ein jugendliches Computergenie«, und sein Foto ging um die Welt. Alle staunten, George war doch gerade erst 17 Jahre alt! Aber er war eben ein Jugendlicher mit viel Bastelerfahrung. Schon mit 14 Jahren hatte er in seinem Kinderzimmer Roboter gebaut und wurde dafür in mehreren Wettbewerben ausgezeichnet. Beim Roboterbau lernte George, wie man Programme für den Computer schreibt. Und er lernte, elektronische Bauteile wie Motoren, Chips oder Kabel mit dem Lötkolben zusammenzubauen. Es ist typisch für Hacker, dass sie sich etwas selbst beibringen und darin richtig gut werden – einfach nur, weil es ihnen Spaß macht.
Das Wort »hacken« kommt aus dem Englischen und bedeutet auf Deutsch: zerschlagen, auseinanderschrauben. Der Hacker, könnte man heute sagen, zerschlägt oder verändert ein Computerprogramm. Seinen Ursprung hat das Wort wahrscheinlich an der Universität MIT in Boston. Dort gab es in den fünfziger Jahren einen Modelleisenbahn-Club für Studenten. Die bastelten nachts viel herum, sie wollten ihre Eisenbahnen nämlich automatisch steuern. Es gab damals im Geschäft noch nicht so viel Zubehör zu kaufen wie heute, keine Signale oder fernsteuerbare Weichen. Das wurde in diesem Club alles selbst gebastelt. Und wenn einem ein toller Kniff eingefallen war, dann sagten die anderen: »Was für ein Hack!«
Bald spielten die Studenten auch mit dem Telefonnetz ihrer Universität herum. Dann kamen die ersten Computer. Die waren damals so groß wie Kleiderschränke, superteuer und nur für ganz wichtige Berechnungen reserviert. Aber nachts machten sich die Bastler darüber her und probierten herum, ob diese Geräte nicht auch anders eingesetzt werden konnten als eigentlich beabsichtigt.
Mit dem »Hacken« kann man sich in ziemliche Schwierigkeiten bringen, wie George erleben musste. Ein neues Spielzeug hatte es ihm angetan, die Playstation 3. George wusste, dass in dem Gerät eigentlich ein kompletter Computer steckt. Der Hersteller Sony will aber nicht, dass die Menschen irgendetwas anderes damit machen, als teure Spiele zu spielen. Darum enthält die PS3 – ganz ähnlich wie das iPhone – eine Sperre. Die wollte George überwinden, um auf seiner Playstation selbst geschriebene Computerprogramme laufen zu lassen. »Es geht darum, ob einem ein Gerät, das man gekauft hat, auch wirklich gehört«, begründete er seinen Eifer. Das klang ein bisschen nach Robin Hood – und nach Ärger.
Als George eine Anleitung veröffentlichte, wie man die Sperre entfernen kann, schrieben zwar wieder die Zeitungen darüber. Aber Sony, der Hersteller der PS3, verklagte den Hacker: Eine Playstation dürfe man nur so nutzen, wie sie verkauft werde, und auf keinen Fall anders! Und zwar, weil ohne die Sperre auch illegal kopierte Spiele auf den Konsolen laufen. Wenn aber die Leute kopieren, statt zu kaufen, verdient die Firma nichts. Es ging vor Gericht also um viel Geld.
Eine Millionenstrafe zahlen oder gar ins Gefängnis gehen musste George aber nicht. Seine und Sonys Anwälte einigten sich auf einen Kompromiss: Das Verfahren wurde eingestellt, weil der junge Hacker versprach, künftig die Finger von der Playstation zu lassen.
War das nun klug oder feige? War Sony im Recht? Oft ist so etwas gar nicht leicht zu beantworten. Viele Menschen fanden, hier stehe ein Einzelner gegen eine dunkle Macht. Einige andere Hacker griffen Sony danach sogar an. Sie drangen ins Playstation-Netzwerk ein und stahlen Daten. Man weiß bis heute nicht, wer hinter der Attacke steckte. Aber viele vermuteten, dass sie eine Reaktion auf das Gerichtsverfahren war. George selbst fand den Angriff überhaupt nicht gut. Auf anderer Leute Computer Schaden anzurichten sei einfach »nicht cool«, sagte er.
Heute ist George Francis Hotz 21 Jahre alt. In einem Alter, in dem andere studieren, hat ihm sein Ruf als Computergenie schon einen Superjob eingebracht: Er arbeitet bei der Internetfirma Facebook, worum ihn sicher viele ältere Programmierer beneiden. Aber wer weiß, wann ihn seine Neugier wieder übermannt? Es gibt ja noch so viele Geräte, mit denen er herumspielen könnte.