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Der Mann im Kleid

 

Er besucht gerade Deutschland: Papst Benedikt XVI./ © Tiziana Fabi/ Getty Images

Er trägt altmodische Gewänder und sucht sich selbst einen Namen aus: Der Papst. Aber was ist ein Papst eigentlich? Welche Aufgaben hat er? Und kann das jeder werden?

Von Raoul Löbbert

Wer ist dieser alte Mann da in dem Kleid?«, wollte neulich mein Patenkind Lennart wissen, als wir gemeinsam fernsahen. Es lief gerade ein Bericht über den Weltjugendtag in Madrid, ein Treffen für junge Katholiken aus aller Welt. Zu sehen waren Jugendliche, die sangen, beteten und lachten. Und zwischen ihnen eben der alte Mann in einem weißen Gewand.

»Das ist der Papst«, sagte ich. »Aha«, sagt Lennart. Und fragte direkt: »Und was ist ein Papst?« Im Kopf ging ich durch, was man mir als Kind beigebracht hatte: Der Papst ist das Oberhaupt der katholischen Kirche, der Stellvertreter Jesu Christi auf der Erde. Doch das würde Lennart wahrscheinlich genauso viel sagen wie mir damals: nichts. Eine bessere Erklärung fiel mir aber in dem Moment nicht ein. Lennart war enttäuscht. Ich auch.

Aus diesem Grund möchte ich es jetzt noch einmal versuchen. Denn in diesen Tagen besucht der Papst Deutschland, es gibt wieder viele Bilder von dem alten Mann im Kleid, und sicher fragt sich nicht nur Lennart, was ein Papst denn nun eigentlich ist.

Der Papst ist ein mächtiger Mann, aber er ist auf andere Weise mächtig als Präsidenten und Könige. Denn der Papst führt und spricht nicht nur für ein Land. Er vertritt die gesamte katholische Kirche – also alle Katholiken, die es auf der Welt gibt. Für solch eine Aufgabe braucht man Erfahrung, deshalb sind Päpste immer alt. Der Dichter Walther von der Vogelweide schrieb zum Beispiel im 12. Jahrhundert: »Weh, der Papst ist zu jung: Hilf, Herr, deiner Christenheit.« Daran hat sich bis heute nichts geändert.

An dem Einfluss des Papstes dagegen schon. Im Mittelalter war fast jeder Mensch in Europa Katholik (Protestanten gab es damals noch nicht). Da warfen sich selbst Könige vor dem Kirchenmann zu Boden. Denn das Wort des Papstes war Gesetz. Heute redet der Papst vor allem von Moral und richtigem Verhalten und hofft, dass die Menschen auf ihn hören. Und tatsächlich tun das immer noch viele – hier in Europa, mehr aber noch in Ländern Südamerikas und Afrikas.

Befehle gibt der Papst heute nur noch im Vatikan, seinem Reich in Rom, in Italien. Dort ist er eine Art König. Allerdings ist sein Vatikan-Reich sehr klein: Der Vatikan hat keine Armee, keine Wirtschaft, kaum Volk.

Woher kommt dann aber die heutige Macht des Papstes? Sieh ihn dir an! Sieht er in seinem Kleid, der Soutane, und mit dem Käppchen auf dem Kopf nicht aus, als käme er aus dem Mittelalter, als wäre er einer Zeitmaschine oder einem Raumschiff entstiegen? Und weil der Papst so oft vom Paradies und dem Himmel spricht, hat er für viele Menschen auch etwas, das nicht von dieser Welt ist. Ob man das so empfindet, muss jeder selbst ausprobieren. Auf jeden Fall sollte man glauben können. So wie man einer guten Geschichte glaubt, wenn man sie hört.

Die Geschichte des Papstes geht so: Vor gut 2000 Jahren zogen 13 Männer durch die Wüste. Einer von ihnen war Jesus, der Sohn Gottes, die übrigen seine Jünger. Damals regierten die Römer. Sie hassten Jesus, predigte er doch von Liebe, Frieden und dem einen Gott. Die Römer aber glaubten an viele Götter. Jesus wurde gefangen genommen und sollte sterben. Kurz vor seinem Tod rief er einen seiner Jünger zu sich und sagte: »Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen.« (Bibelstelle Mt 16, 18) Damit machte Jesus Petrus zu seinem Stellvertreter auf Erden – von da an war Petrus Papst. So einfach war das damals.

Heute ist es komplizierter. Ein Papst wird nicht mehr von Jesus ernannt, sondern nach dem Tod des vorherigen Papstes – und nur dann! – gewählt. Wählen dürfen einige mächtige Geistliche, sie heißen Kardinäle. Die Wahl selbst nennt man Konklave, und für die lassen sich die Kardinäle so lange einschließen, bis sie sich geeinigt haben. Einer von ihnen wird der nächste Papst. Was die Kardinäle beraten, ist streng geheim. Und es kann dauern: Im Jahr 1271 brauchten sie ganze drei Jahre, um sich zu einigen! Ist der neue Papst gewählt, verbrennen die Kardinäle Stroh im Kamin. Aus dem Schornstein steigt dann weißer Rauch auf, und das bedeutet: Es gibt einen neuen Stellvertreter Christi!

Ist ein Papst gewählt, legt er seinen alten Namen ab und wählt einen neuen. Damit zeigt er, dass sein bisheriges Leben vorbei ist. Mancher nannte sich Silvester, mancher Anastasius oder, wie der derzeitige Papst, Benedikt. Es sind Namen, die nach Geschichte klingen, nach Tradition. Ja, sie kann altmodisch sein, die katholische Kirche. Tausende Regeln und Rituale gibt es. Manche richten sich an alle Getauften, manche nur an die Priester. Diese dürfen zum Beispiel nicht heiraten, weil sie ihr Leben allein Gott widmen sollen. Deshalb darf auch der Papst keine Kinder haben.

Natürlich bleibt der Papst trotzdem ein Mensch, auch wenn er Jesu Stellvertreter ist. Und wie jeder Mensch macht auch ein Papst Fehler, große Fehler bisweilen. Manche Päpste riefen zu Gewalt auf, andere sahen bei Gewalt weg. Es gab und gibt immer Menschen, die nicht mit dem einverstanden sind, was ein Papst rät. Es gibt Menschen, die kommen sich bei den Regeln und Ritualen der katholischen Kirche wie ein Kind vor, dem die Mutter zu oft sagt, wie es sich verhalten soll. Sie wenden sich ab von der Kirche und suchen vielleicht ohne Papst ihren Weg zu Gott.

Anderen aber ist die Tradition des heiligen Mannes sehr wichtig. Auch jungen Menschen. Sonst hätten nicht zwei Millionen beim Weltjugendtag für den alten Mann im Kleid gesungen und gebetet.

Rituale und Regeln können beides sein: Fessel und Halt, Hindernis und Stütze. Was sie für Dich sind – das kannst nur Du selbst herausfinden.