Von Montag an beraten Fachleute aus aller Welt, was wir gegen den Klimawandel tun können. Dessen Folgen spüren die Menschen auf den Philippinen schon heute
Von Magdalena Hamm
Wie stark werden die Stürme diesmal sein? Wen werden sie treffen? Solche Fragen gehen Baltz Tribunalo durch den Kopf, wenn er in diesen Tagen und Wochen auf das Meer blickt. Der Mann lebt auf den Philippinen, einem Land im Südosten Asiens. Es besteht aus mehr als 7000 einzelnen Inseln, die im Pazifischen Ozean liegen. Weiße Strände, türkisfarbenes Wasser – die Philippinen wirken wie ein kleines Paradies. Doch sie sind bedroht: Zwischen September und Dezember fegen Stürme, sogenannte Taifune, über die Inseln hinweg und sorgen für heftigen Regen und unberechenbare Fluten. Immer wieder sterben Menschen.
Baltz Tribunalo ist Katastrophenhelfer und arbeitet auf den Philippinen für die Kinderhilfsorganisation Plan International. Er sagt: »Taifune hat es hier immer gegeben. Aber in den letzten Jahren sind sie viel heftiger geworden.« Klimaforscher glauben, dass die Erderwärmung Stürme verstärkt, weil sich die Ozeane aufheizen und mehr Wasser verdunstet.
Auf den Philippinen ist vor allem der Regen ein Problem: Er weicht die Erde auf, die dann ins Rutschen gerät. Solche Schlammlawinen reißen die leichten Bambushütten, in denen viele Inselbewohner leben, einfach mit sich. Vor fünf Jahren gab es auf der Insel Leyte ein besonders schweres Unglück: Ein ganzes Dorf wurde unter einem Erdrutsch begraben, mehr als 1000 Menschen starben, darunter 245 Schüler einer Grundschule. »Die Folgen des Klimawandels sind hier schon überall spürbar«, sagt Baltz Tribunalo. »Und die Kinder sind am meisten davon betroffen.«
Wie kann man die weltweite Erwärmung aufhalten? Wie kann man sich vor den Gefahren des Klimawandels schützen? Um darauf Antworten zu finden, veranstalten die Vereinten Nationen seit 1992 beinahe jährlich eine Klimakonferenz. Die nächste beginnt am kommenden Montag in Durban in Südafrika. Tausende Vertreter aus über zweihundert Ländern kommen dort zusammen. Es sind vor allem Politiker und Wissenschaftler, die darüber verhandeln, welches Land wie viel tun muss, um den Klimawandel zu bekämpfen. Die Männer und Frauen, die von ihren Ländern geschickt werden, beraten fast zwei Wochen lang, tauschen Ideen aus und versuchen sich auf gemeinsame Ziele zu einigen. Zum Beispiel darauf, weniger Abgase in die Luft zu blasen. In all den Jahren haben sie sich nicht einigen können. Dabei wissen doch alle, dass wir aufhören müssen, immer mehr Kohlenstoffdioxid zu erzeugen. Denn dieses Gas legt sich wie eine Wolldecke um die Erde und heizt sie auf.
Wir in Europa bekommen von den schlimmen Folgen des Klimawandels vielleicht noch nicht viel mit. Helfer Baltz und den Menschen auf den Philippinen geht es anders. Sie versuchen, ihre Inseln und sich selbst, so gut es geht, vor Naturkatastrophen zu schützen. In der Region Cebu, in der Baltz arbeitet, hat er zum Beispiel dafür gesorgt, dass alle Schulgebäude auf ihre Sicherheit überprüft werden. Wenn sie einer Überschwemmung nicht standhalten können oder an einem Ort stehen, der von Erdrutschen bedroht ist, müssen sie umgebaut oder notfalls sogar versetzt werden. An vielen Schulen werden Schwimm- und Erste-Hilfe-Kurse angeboten. Und in den Regenzeiten messen die Schüler täglich, wie viel Niederschlag gefallen ist, um vorgewarnt zu sein, wenn sich ein Hochwasser ankündigt.
Schon Kinder in der Grundschule lernen, welche Gefahren die Erderwärmung auf den Philippinen mit sich bringt. Sie sehen im Unterricht Filme, in denen Handpuppen nachspielen, wie man sich im Fall eines Erdrutsches oder einer Überschwemmung verhält. Diese »Katastrophen-Märchen« sind bei den Kindern sehr beliebt. »Die Puppen sind lustig, deshalb schaut man sich die Filme gerne an«, sagt die 15-jährige Schülerin Tricia. »Obwohl einem die Geschichten auch Angst machen, wenn man klein ist.« Und sie sind leider keine Märchen. Tricia etwa erinnert sich genau, wie der Taifun Ondoy vor zwei Jahren den Norden der Philippinen verwüstete. »Es waren furchtbare Bilder im Fernsehen zu sehen. Häuser und Schulen wurden einfach weggeschwemmt«, sagt Tricia. »Wir hatten Glück, dass wir nicht getroffen wurden. Das könnte beim nächsten Sturm anders sein.«
Tricia sammelte damals in ihrer Schule Geld, um den Opfern zu helfen. Mittlerweile leitet sie eine Schülergruppe, die auch Filmvorführungen der »Katastrophen-Märchen« organisiert. »Kinder müssen wissen, was zu tun ist, wenn eine Naturkatastrophe bevorsteht«, sagt Tricia. In den Filmen wird zum Beispiel geraten, immer eine Notfalltasche gepackt zu haben und sich genau einzuprägen, wie man auf dem schnellsten Wege zum nächsten Schutzgebäude kommt.
Tricia und ihre Schülergruppe treffen sich außerdem regelmäßig zum Bäumepflanzen. Jeder von ihnen hat schon an die hundert Jungbäume in die Erde gesetzt. »Durch ihre Wurzeln helfen die Bäume, die Erde zu befestigen, damit sie nicht so leicht ins Rutschen kommt«, sagt Tricia. Außerdem filtern die Blätter Kohlendioxid aus der Luft. »Und das ist dann wieder gut fürs Klima.«
Auf Tricias Heimatinsel Pacijan gibt es kaum Autos, die Abgase ausstoßen, es stehen keine großen Fabriken herum, aus deren Schornsteinen es raucht, viele Familien haben nicht einmal Strom. Im Vergleich zu reichen Ländern wie Deutschland oder den USA verursachen die Philippinen nur sehr wenig gefährliche Klimagase. Macht es Tricia nicht wütend, dass sie und ihre Landsleute vom Klimawandel bedroht werden, obwohl sie an der Erderwärmung wenig Schuld tragen? »Nein«, sagt Tricia knapp, »die Philippiner fügen der Umwelt auch viel Schaden zu, wenn sie zum Beispiel ihren Müll einfach in die Landschaft schmeißen. Ich glaube, jeder sollte bei sich selbst anfangen.«