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Dreckig, langweilig, ungerecht

 

Zu Karneval verkleiden sich viele als Prinzessin, Cowboy, Ritter oder Pirat. Die Kostüme sind toll, das Leben in der Prärie, bei Hofe oder auf dem Wasser war ganz anders

Von Judith Scholter mit Illustrationen von Frauke Lehn

Prinzessin

Oh, wie schön wäre es, einmal Prinzessin zu sein! Immer könnte man edle Kleider anziehen und wertvolle Juwelen tragen. Ständig würden Diener herumhuschen, aufräumen, was man liegengelassen, und suchen, was man verloren hat. Und: Man dürfte in einem Himmelbett schlafen.

So stellst Du Dir das Leben einer Prinzessin vielleicht vor. Es war aber ganz anders. Still sitzen, ordentlich essen, Französisch lernen – Prinzessin sein war meistens ganz schön langweilig. Schon als kleine Kinder mussten Königstöchter üben, wie man sich richtig benimmt. Schließlich sollten sie irgendwann einmal einen Prinzen von sich beeindrucken, ihn heiraten und Kinder bekommen. Das war nämlich die wichtigste Aufgabe einer Prinzessin: einen Thronfolger zu gebären. Dafür trugen Prinzessinnen tatsächlich prächtige Kleider – aber nur zu festlichen Anlässen, bei Bällen zum Beispiel. Die Kleider waren oft sehr unbequem und vor allem schwer. Manche wogen mehr als die Prinzessin selbst! Mächtige Königin werden, das konnten die Prinzessinnen meistens übrigens auch nicht. Das war Männersache. Ganz schön langweilig!

Pirat

Es war bestimmt ein großes Abenteuer, so ein Piratendasein: Man hätte sein eigenes Schiff, würde Stürmen trotzen und mit dem Fernrohr nach anderen Seglern Ausschau halten. Ab und zu würde man gekonnt ein vorbeifahrendes Schiff entern, mit dem Degen den Gegner einschüchtern und sich die wertvolle Fracht unter den Nagel reißen.

So war es dagegen wirklich: Nicht jeder Pirat hat seinen »Beruf« freiwillig gewählt. Manche Männer wurden aus purer Armut zum Freibeuter, andere wurden überfallen und entführt, weil die Piraten neue Männer brauchten. Das Leben an Bord war vor allem eng. Auf einem Schiff fuhren oft sehr viele Männer mit. Denn wenn die Piraten ein Schiff gekapert hatten, musste ein Teil der Besatzung die Beute steuern. Aber auch Ratten und anderes Getier lebte mit den Piraten an Bord, und wenn den Männern die Vorräte ausgingen, sollen sie schon mal Ratten gegessen haben. Überhaupt, das Essen: Obst und Gemüse gab es fast nie, darum hatten viele Piraten Skorbut – eine Krankheit, bei der einem zum Beispiel die Zähne ausfallen. Der Alltag an Bord bestand übrigens aus vielen langweiligen Tätigkeiten: Auch Piraten mussten putzen, das Schiff reparieren und Wache halten. Ganz schön anstrengend!

Ritter

Ach, denken alle, das Ritterleben, das muss doch ruhmreich gewesen sein! Tagsüber galoppierte man in voller Rüstung über die Felder, ab und zu stieß man mit der Lanze einen Konkurrenten vom Pferd, und abends machte man es sich auf seiner Burg an der Rittertafel gemütlich. Und dort durfte man auch noch mit den Händen essen.

Tatsächlich war es ganz anders: Wenn Ritter nicht gerade für ihre Herren (Fürsten oder Könige zum Beispiel) in den Krieg zogen und dabei ihr Leben riskierten, lebten viele in ganz schön beengten Verhältnissen. Burgen waren vor allem Verteidigungsanlagen, in denen auf wenig Raum viel untergebracht werden musste: Ziegen und Hühner, ein Küchengarten und eine Backstube. Oft war nur ein Zimmer in der Burg beheizt. Weil die Gemäuer meist auch noch keine Fenster aus Glas hatten, zog es gewaltig. Fließendes Wasser, zum Beispiel für eine Klospülung, gab es nicht. Die Ausscheidungen landeten im Graben. Der Gestank muss bestialisch gewesen sein. Mit den Händen essen durften viele Ritter aber wirklich. Nur wohlhabende Männer konnten übrigens Ritter werden, denn sie mussten sich Pferde und teure Kriegsausrüstung leisten können. Ganz schön ungerecht!


Cowboy

Sicher wäre es sehr entspannt, Cowboy zu sein. Den ganzen Tag würde man allein in der Weite Nordamerikas auf dem Pferd sitzen, elegant sein Lasso schwingen und ab und zu ein Rind fangen. Abends würde man der untergehenden Sonne entgegenreiten, bevor man es sich an einem Lagerfeuer gemütlich macht. Und bei alldem sähe man auch noch cool aus mit einem breitkrempigen Hut und prächtigen Cowboystiefeln.

In Wirklichkeit war Cowboysein eine richtig harte Arbeit. Die Männer rackerten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Sie durchkämmten auf dem Pferd riesige Gebiete, weil sie verloren gegangene Tiere suchen und zur Herde zurücktreiben mussten. Manchmal gingen Cowboys auf einen Treck. Dann brachten sie eine Rinderherde über Tausende Kilometer zu einer Bahnlinie, wo die Tiere verladen wurden. Dabei arbeiteten die Cowboys bis zu 18 Stunden am Tag, egal, ob gerade die Sonne schien oder ein Sturm wütete. Wenn möglich, schliefen Cowboys im Freien, weil es in ihren Schlafhäusern stank, zum Beispiel nach Schweiß. Oft trugen sie dieselbe Kleidung, monatelang. Ganz schön dreckig!