»DSDS Kids« soll die Träume von Kindern erfüllen: Endlich stehen sie mal auf der ganz großen Bühne. Schade nur, dass die Show eigentlich für Erwachsene gemacht ist
Von Judith Scholter
Viele Menschen träumen davon, einmal auf einer großen Bühne zu stehen, bejubelt von Fans an ein Mikrofon zu treten und zu singen. Einen Song von Adele zum Beispiel, so wie Besnik es in der ersten Folge von DSDS Kids getan hat. Someone like you, das war das Lied, mit dem der Zwölfjährige aufgetreten ist. Besnik schaffte es ins Finale, weil er toll gesungen hat, weil viele Menschen von seiner Stimme begeistert waren und weil sie schließlich per Telefon für ihn abgestimmt haben.
Someone like you, das heißt auf Deutsch »Jemand wie Du«. Der Titel beschreibt ganz gut, was die Sendung DSDS Kids verspricht: Jemand wie Du, oder jemand wie Du daneben, oder wie Du da in der Ecke, wie Du auch, oder doch noch jemand ganz anderes kann es schaffen – jemand wie Du kann groß herauskommen und berühmt werden. Das ist der Sinn einer Castingshow, so hat der Fernsehsender RTL zuerst Erwachsene als »Superstars« gesucht – und jetzt seit Neustem Kinder.
38000 Kinder haben sich beworben, 30 haben es in die drei Shows geschafft, die bisher gezeigt wurden. Zehn Kinder pro Sendung sind aufgetreten. Drei davon kamen jeweils ins Finale, das an diesem Freitag stattfindet. Die Sieger jeder Sendung wurden vom Publikum per Telefon gewählt, die Sänger mit den meisten Anrufen kamen weiter. Jetzt hoffen die Finalisten auf ihre Chance. Für den Gewinner gibt es ein Ausbildungsstipendium und ein Preisgeld für seine Schule. Aber warum macht der Sender das eigentlich? Will er den Kandidaten wirklich nur beim Berühmtwerden helfen?
RTL ist eine Firma, die Gewinn machen möchte. Sie muss ihre Angestellten bezahlen und Sendungen produzieren, und am Ende sollte trotzdem noch Geld übrig bleiben. Der Sender braucht deshalb möglichst viele Zuschauer. Denn ein Baumarkt oder eine Automarke, die Werbezeit in den Pausen der DSDS- Sendungen kaufen, bezahlen dafür viel Geld. Je mehr Zuschauer sich die Sendung ansehen, desto mehr Unternehmen wollen bei RTL Werbezeit kaufen.
In der letzten Zeit hatte das normale, »erwachsene« DSDS nicht mehr so viele Zuschauer wie früher. Der Jurychef Dieter Bohlen hat deshalb gesagt, dass man die Sendung komplett umbauen werde. Genau zu dieser Zeit wurde DSDS Kids erfunden. RTL hilft also nicht nur Kindern dabei, berühmt zu werden, RTL probiert auch aus, ob es mit der neuen Sendung ordentlich verdienen kann. Denn wenn viele Menschen DSDS Kids einschalten, ist das für den Sender schon wegen der Werbeeinnahmen gut.
Diese Einnahmen sind aber nur eine Möglichkeit für RTL, mit der Sendung Geld zu machen. Außer an der Werbung verdient der Sender auch an der Telefonabstimmung. 50 Cent kostet ein Anruf für einen Kandidaten, einen Teil davon behält RTL. Wie viel genau, sagt der Sender nicht. Oft, wenn Besnik, Vanilla oder Marco auf der Bühne stehen, tun sie so, als ob ihre Hand ein Telefonhörer wäre, oder sie geben Küsschen in die Kamera. Sie machen das, damit die Zuschauer für sie anrufen – weil sie hoffen, zu gewinnen. Gleichzeitig verhelfen sie dem Sender zu mehr Einnahmen. Es ist also kein Wunder, dass die Telefonnummern für die Kandidaten immer schon am Anfang der Sendung gezeigt werden, wenn man noch gar nicht weiß, wie die Kinder gesungen haben. Vielleicht ruft ja trotzdem schon jemand an.
»Viele Sachen haben supergut funktioniert«, hat Dieter Bohlen in der ersten Sendung gesagt, »was soll es Emotionaleres geben als Kinder, die singen.« Was er wohl gemeint hat, ist: Erwachsene gucken gern zu, weil sie Kinder niedlich finden, und Kinder schauen gern zu, weil sie es toll finden, dass Kinder im Fernsehen mal eine große Rolle spielen.
Aber welche Rolle spielen die Kinder hier eigentlich? Samuel hat in der ersten Sendung gerappt, das Lied Easy von Cro. In dem Text geht es darum, dass ein Mann eine Frau verlässt, als sie ein Baby erwartet und ihn heiraten will. Samuel ist zehn Jahre alt, und er singt vor einer Jury aus lauter Erwachsenen einen Song, in dem es um Erwachsene geht und um Probleme, die Erwachsene haben. Da passt irgendetwas nicht zusammen.
»Glauben Sie mir, sie ist so süß«, das hat der Moderator Daniel Aßmann gesagt, als er den Auftritt von Alysha in der ersten Sendung ankündigte. Auch irgendwie komisch. Warum sagt er »Sie« zum Publikum? Und warum sagt er »süß«? Glaubt er, dass gar keine Kinder die Sendung gucken, obwohl lauter Kinder auftreten? Für Dich wäre Alysha wahrscheinlich einfach ein ganz normales Mädchen, eben Alysha – und nicht die »süße« Alysha, sie ist ja kein Hamster oder Kaninchen. Und warum wird eine Sendung, in der Kinder zwischen sechs und 14 Jahren die Hauptrolle spielen, eigentlich erst abends gezeigt, sodass zumindest viele kleinere Kinder die Auflösung gegen 22 Uhr gar nicht mehr mitbekommen?
Das alles hat womöglich einen einfachen Grund: In der Sendung treten zwar Kinder auf, aber die Sendung ist nicht für Kinder gemacht, sondern in Wirklichkeit für Erwachsene und Jugendliche. Für die, die das Geld haben. Ist das fair den Kindern gegenüber, die ihren Mut aufbringen, um in der Sendung mitzumachen?
Vielleicht ist es für Dich ganz spannend, das Finale von DSDS Kids mal anders zu betrachten: Wer hilft hier eigentlich wem? Und ist nicht eigentlich alles umgekehrt? Nicht die Kinder sollten RTL dankbar sein, dass sie eine Chance bekommen, sondern der Sender sollte den Kindern danken, dass sie ihr Talent und ihren Mut einsetzen und auftreten. Denn eigentlich brauchen diese ganzen tollen Kandidaten den Sender gar nicht – aber der Sender, der braucht sie.