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»Ich studiere Tiere«

 

Heute stehen Elefanten auf Jakobs Stundenplan/ © Eileen Rahn für DIE ZEIT/www.eileenrahn.de

Jakob lernt alles über Kragenbären, Wasserbüffel und Schlangen. Denn er geht jeden Samstag zur Zoo-Uni

Von Catalina Schröder

Als Jakob zum Elefantengehege kommt, duschen die Tiere sich gerade mit Sand. Komisch, schließlich macht Sand doch gar nicht sauber, sondern dreckig. Bei uns Menschen stimmt das zwar, doch für die großen grauen Tiere ist die Sanddusche genau das Richtige. Jakob lernt heute, warum: Sie vertreibt das Ungeziefer von ihrem Körper, und die Elefanten brauchen den Sand als Schutz vor der Sonne. So wie wir uns mit Sonnencreme einreiben, bevor wir an den Strand gehen.

Jakob ist elf Jahre alt und heute Student, wie jeden Samstag. Zusammen mit 48 anderen Kindern besucht er seit dem vergangenen Herbst die Berliner Zoo-Uni. Ein Jahr lang treffen sich die Kinder einmal in der Woche mit Harro Strehlow und seiner Kollegin Renate Foerg. Harro Strehlow leitet die Zoo-Uni. Er hat Biologie studiert und weiß viel über Tiere. Die Chefs des Zoos fanden, dass die vielen Kinder doch auch etwas lernen könnten, wenn sie den Zoo besuchen. Deshalb gibt Harro Strehlow sein Wissen an die Kinder weiter. 50 Euro im Semester bezahlen die Eltern für die Zoo-Uni. Viele Firmen unterstützen die Zoo-Uni außerdem mit Spenden.

Jakobs Studium: Er beantwortet Fragen ...

Als Studenten reisen die Kinder einmal um die ganze Welt, denn sie lernen Tiere von allen fünf Kontinenten kennen – jede Woche andere. Heute sind asiatische Nutztiere dran. Am Anfang des Semesters bekommen die Kinder einen Plan. Darauf steht für jeden Samstag, über welche Tiere die Lehrer im Zoo sprechen werden. Manche Kinder bereiten sich sogar auf die unterschiedlichen Tiere vor und sind dann noch ein bisschen schlauer als der Rest. Das müssen sie aber nicht. Die Zoo-Uni soll vor allem Spaß machen.

... begutachtet Affenschädel ...

Mit einem kleinen Aufgabenzettel gehen dann alle gemeinsam durch den Zoo und beantworten Fragen. Zum Beispiel die, warum Elefanten sich mit Sand duschen. Außerdem gibt es Fragen zum Leben der Tiere im Zoo. Wer kann zum Beispiel erklären, warum Elefanten trainiert werden? Jakob meldet sich: Die Tiere sollen lernen, auf ihren Pfleger zu hören. Das ist zum Beispiel dann wichtig, wenn der Tierarzt die Elefanten untersuchen muss. Wenn die Kinder eine Frage nicht beantworten können, überlegt die Gruppe gemeinsam, und ab und zu gibt Harro Strehlow oder Renate Foerg einen Tipp.

... und diskutiert mit anderen Kindern

An der Zoo-Uni lernen die Kinder aber nicht nur viel über Tiere, sie kommen ihnen auch viel näher als normale Zoo-Besucher. Vor ein paar Wochen waren alle Kinder zusammen im Aquarium. »Wir sind hingegangen, als das Gebäude für die anderen Besucher schon geschlossen war, und hatten alles für uns ganz alleine«, sagt Jakob. Zusammen mit einigen anderen Kindern durfte er sogar eine drei Meter lange Schlange auf dem Arm halten. Das fand er nicht eklig, sondern ziemlich cool. Die Kinder haben auch ein Chamäleon aus seinem Terrarium geholt und durften es vorsichtig anfassen.

Wer Student an der Zoo-Uni werden will, muss sich dafür bewerben. In einem Brief erklärt man, warum man sich besonders für Tiere interessiert, und muss versichern, dass man es schafft, auch tatsächlich jeden Samstag an der Zoo-Uni teilzunehmen. Als sein Vater eine Anzeige der Zoo-Uni in der Zeitung sah, war für Jakob sofort klar: Da will ich hin! Jakob mag große Tiere wie die Elefanten, weil sie so stolz aussehen. Aber er liebt auch die kleinen, zum Beispiel seine beiden Kaninchen Flecki und Schlappi. Er hat viele Tierbücher und schaut sich gerne Filme über Tiere an.

Die Kinder sind nach den Elefanten bei den Wasserbüffeln angekommen. Die gucken ganz schön böse und haben zwei lange gebogene Hörner, die ihnen rechts und links vom Kopf abstehen. Heute liegen die Tiere faul in der Sonne. Renate Foerg will wissen, warum die Menschen irgendwann angefangen haben, Wasserbüffel in Ställen zu halten. Ein Mädchen meldet sich. »Die Milch von Wasserbüffeln hat acht Prozent Fett, viel mehr als Kuhmilch, und darum hält sie länger«, erklärt sie. »Das stimmt«, sagt die Lehrerin und nickt zufrieden.

Jakob erzählt seinen Eltern und seiner kleinen Schwester zu Hause gerne, was er im Zoo erfahren hat. »Meine Familie lernt auch ein bisschen mit«, sagt er. Und er hat durch die Zoo-Uni neue Freunde gefunden – zum Beispiel Johannes. Der ist zwölf Jahre alt und mag Elefanten und Tiger besonders gerne. Manchmal treffen sich die beiden auch außerhalb der Uni im Zoo. Sie haben eine Eintrittskarte, mit der sie immer in den Zoo dürfen. »Das Gelände ist super, und wir entdecken hier jedes Mal etwas Neues«, erzählt Johannes.

Renate Foerg und ihre Studenten gucken sich an diesem Vormittag noch Laufenten, Kragenbären und Yaks an. Nach dem Zoo-Rundgang gibt es jeden Samstag einen Vortrag zu ganz verschiedenen Tier- und Pflanzenthemen. Hier dürfen nicht nur die Studenten, sondern alle Zoo-Besucher teilnehmen. Auch ehemalige Studenten der Zoo-Uni kommen noch hierher, selbst wenn sie schon längst nicht mehr studieren.

Jakob und Johannes sind zum Vortrag auch noch da. Heute geht es um die Geheimnisse der Tiefsee. Eine Meeresbiologin, die schon oft mit einem U-Boot im Meer getaucht ist, erzählt, welche Tiere und Pflanzen sie dort unten entdeckt hat. Obwohl ein großer Teil unserer Erde unter dem Meer liegt, wissen wir nur wenig darüber. Ob Jakob später mit Tieren arbeiten will, weiß er noch nicht genau. Fest steht für ihn aber, dass er es jetzt schon schade findet, wenn seine Zoo-Uni-Zeit im Herbst vorbei ist.