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Wer gibt nach?

 

Im August wurde auf der Kuba der 80. Geburtstag von Fidel Castro gefeiert, der 1959 von der Sowjetunion unterstützt an die Macht auf der großen Karibikinsel kam/ © Getty Images

Vor 50 Jahren stritten sich zwei Supermächte, die USA und die Sowjetunion. Beinahe wäre der Dritte Weltkrieg ausgebrochen

Von Jochen Bittner

Manchmal reizen sich zwei Gegner so lange, bis sie sich am liebsten gegenseitig an die Gurgel gehen würden. So etwas passiert nicht nur zwischen Menschen, das gibt es auch zwischen Staaten. Beinahe hätte ein solcher Streit einmal die ganze Welt in eine Katastrophe gestürzt. Das war im Oktober 1962 – vor 50 Jahren.

Damals gab es den sogenannten Kalten Krieg: Es gab zwei Gruppen von Ländern rund um die Supermächte USA und Sowjetunion (das heutige Russland). Diese beide Gruppen konnten sich nicht ausstehen und gerieten dauernd aneinander.

Die meiste Zeit über blieb es bei politischem Streit – deshalb sagte man auch »Kalter« Krieg. Einmal aber, vor genau 50 Jahren, wäre dieser Kalte Krieg beinahe »heiß« geworden. Es wäre fast zum Dritten Weltkrieg gekommen, einem Krieg mit Atomwaffen. Und wenn das geschehen wäre, würde es uns heute wohl gar nicht geben, denn diese Waffen hätten alles Leben auf der Welt zerstört.

Was war damals los? Im Oktober 1962 stritten sich die USA und die Sowjetunion besonders heftig und drohten sich gegenseitig damit, den anderen anzugreifen. Dafür brachten die beiden Supermächte Waffen in Stellung: Unterseeboote mit gefährlichen Atomwaffen an Bord gingen im Atlantik auf Angriffsposition. Dutzende große Bomber kreisten über dem Nordpol ständig in der Luft. Sie konnten jederzeit zum Gegner fliegen und ihre todbringende Fracht abwerfen. Und Raketen waren startbereit, um Ziele in Tausenden Kilometern Entfernung zu treffen. Man kann sich das heute kaum mehr vorstellen, aber die beiden Machtblöcke, die sich damals gegenüberstanden, richteten mehr Waffen aufeinander, als nötig gewesen wären, um alles Leben auf der Erde auszulöschen!

In den USA demonstrierten viele Menschen gegen einen Krieg mit Atomwaffen/ © Getty Images

Die beiden Blöcke bestanden, grob gesagt, aus Nordamerika und Westeuropa auf der einen und der Sowjetunion sowie Osteuropa auf der anderen Seite. Die Länder im Westen waren demokratisch: Dort gab es verschiedene Parteien, und die Menschen konnte ihre Regierungen frei wählen. Politiker im Westen glaubten zum Beispiel, dass eine freie Wirtschaft, in der jeder reich werden könne, das Beste für alle sei.

Die Machthaber im Osten hielten solch eine Wirtschaft für ungerecht. Sie wollten, dass alle Menschen gleich viel haben, niemand sollte reicher werden als ein anderer. In diesen Ländern lag die Macht auch immer nur bei einer Partei. Wer etwas gegen die sagte, konnte dafür ins Gefängnis kommen.

Beide Blöcke, der im Westen und der im Osten, hielten sich gegenseitig für böse. Und jeder wollte verhindern, dass der jeweils andere sich weiter in der Welt ausbreitete. Die Grenze zwischen Ost und West verlief mitten durch Deutschland, das damals in zwei Staaten, in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) und die Deutsche Demokratische Republik (DDR) geteilt war. Eine besondere Grenze zwischen Ost und West gab es in Berlin. Dort verlief mitten durch die Stadt eine streng bewachte Mauer.

Auf der ganzen Welt belauerten sich Ostmächte und Westmächte. Als 1959 auf Kuba, einer Karibik-Insel nahe der amerikanischen Küste, der Machthaber wechselte, sahen die Herrscher der Sowjetunion eine Chance, die Amerikaner besonders zu reizen: Sie verbündeten sich mit dem neuen Staatschef und brachten heimlich Atomraketen nach Kuba.

Im Oktober 1962 entdeckten die Amerikaner aus der Luft die gefährlichen Raketen auf Kuba. Diese Waffen hätten innerhalb von nur fünf Minuten die amerikanischen Großstädte erreichen und sie komplett zerstören können.

Das durfte der amerikanische Präsident, John F. Kennedy, nicht zulassen. Er drohte dem Regierungschef der Sowjetunion, Nikita Chruschtschow: Wenn er nicht die Raketen abziehe, müsse er mit einem »vollen Vergeltungsschlag« rechnen, das heißt mit einem Angriff mit Atomwaffen auf die Sowjetunion. Doch die Drohung wirkte nicht. Chruschtschow lenkte nicht ein – im Gegenteil, er drohte zurück.

Die Geheimdiplomatie ist erfolgreich: Sie reden wieder miteinander! Der sowjetische Außenminister Andrej Gromyko (3. v.l.) im Gespräch mit US-Präsident John F. Kennedy

In den kommenden zwölf Tagen hielt die ganze Welt den Atem an. Fernsehnachrichten, Radiosendungen und Zeitungen berichteten darüber, dass es zu einem Atomkrieg kommen könnte. Viele Menschen hatten große Angst. Ost und West machten ihre Atomraketen scharf. Chruschtschow schickte Schiffe mit weiteren sowjetischen Raketen in Richtung Kuba. Und auch Kennedy ließ seine Kriegsschiffe auslaufen. Keiner wollte nachgeben. Was nun?

In solchen Situationen gibt es nur eins: Man muss miteinander reden. Heimlich, über Diplomaten, ließ Kennedy ein Angebot übermitteln: Er würde amerikanische Raketen abziehen, die in der Nähe der Sowjetunion, in der Türkei standen. Im Gegenzug müssten die Raketen aus Kuba verschwinden. Schließlich lenkte Chruschtschow im letzten Moment ein. Die Schiffe vor Kuba drehten ab, die Atomraketen wurden abgebaut. Die Welt atmete auf.

Diese Tage gingen als »Kubakrise« in die Geschichtsbücher ein. Viele Menschen erinnern sich noch genau an die knapp zwei Wochen im Oktober vor 50 Jahren, als die Welt kurz vor einem Atomkrieg stand. Vielleicht können Euch Eure Großeltern erzählen, wie sie diese Zeit erlebt haben.

Der Kalte Krieg dauerte nach der Kubakrise noch 27 Jahre an. Bis 1989. Dann, endlich, fiel die Berliner Mauer, Deutschland war nicht mehr geteilt, Ost und West wuchsen wieder zusammen.

Was kann man aus dieser Geschichte lernen? Vielleicht dies: Wenn Ihr das nächste Mal so richtig wütend auf jemanden seid, macht es wie Kennedy und Chruschtschow – redet miteinander. Das kann Wunder bewirken.