Die Frauen von Staatschefs nennt man First Ladies. Warum sie wichtig sind, welche Aufgaben sie übernehmen und warum sie eigene Mitarbeiter haben
Von Nicola Meier
In Amerika gibt es momentan eine wichtige Frage: Wer wird am 6. November zum Präsidenten gewählt? Die Menschen müssen sich zwischen Barack Obama und Mitt Romney entscheiden. Und ein bisschen entscheiden sie sich auch zwischen den Ehefrauen der beiden – zwischen Michelle Obama und Ann Romney. Denn die beiden Frauen unterstützen ihre Männer im Wahlkampf: Sie halten Reden und besuchen Talkshows im Fernsehen, in denen sie nette Dinge über ihren Mann sagen.
Es kann wichtig sein, ob die Ehefrau bei den Wählern beliebt ist oder nicht. Wenn Michelle nett ist, muss ihr Mann das auch sein, denkt vielleicht der eine – und gibt seine Stimme Barack Obama. Ein anderer findet dagegen Ann Romney viel freundlicher und erwartet, dass ihr Mann das sicher auch ist – und wählt Mitt Romney.
Die beiden Frauen sind ziemlich unterschiedlich. Michelle Obama ist 48 Jahre alt und kommt aus einfachen Verhältnissen. Ihre Vorfahren waren Sklaven. Sie hat Jura studiert, war Anwältin und hat auch nach der Geburt ihrer beiden Töchter weiterhin gearbeitet. Sie hat damals mehr Geld verdient als ihr Mann, bevor er Präsident wurde.
Ann Romney ist 63 Jahre alt und die Tochter eines Geschäftsmannes. Sie besuchte eine Privatschule und lernte dort ihren Mann Mitt kennen, als sie 16 Jahre alt war. Die Romneys haben fünf Kinder und 18 Enkel. Ann Romney entschied sich für ein Leben als Hausfrau, einen richtigen Beruf hat sie nie gehabt. Sie setzt sich für schwer kranke Kinder ein. Sollte ihr Mann Präsident werden, könnte sie das als First Lady weiterhin tun.
»First Lady«, auf Deutsch erste Dame – so nennt man die Frau eines Präsidenten. Das hört sich ganz schön wichtig an. Aber was macht eine First Lady eigentlich, wenn sie erst einmal ins Weiße Haus eingezogen ist?
Regeln dafür gibt es nicht. First Lady zu sein ist kein Beruf, den man lernen kann. Trotzdem hat eine First Lady so viel zu tun, dass sie ihren Beruf aufgibt, wenn ihr Mann Präsident wird. Eine First Lady soll das Land repräsentieren. Das heißt, sie begleitet ihren Mann zum Beispiel zu Treffen und reist mit ihm umher. Sie hat aber auch eigene Termine, besucht viele Schulen und Universitäten, trifft Vertreter von Vereinen oder Umweltgruppen.
Oft setzen sich First Ladies für bestimmte Projekte ein. Michelle Obama hat die Gesundheit von Kindern zu ihrem Thema gemacht. Sie zeigt Schülern, wie sie gesünder essen können, und fordert sie auf, mehr Sport zu treiben. Im Garten des Weißen Hauses pflanzt sie Biogemüse an.
Geld für all die Arbeit bekommt eine First Lady nicht. Aber sie hat ein eigenes Büro im Weißen Haus und Mitarbeiter, zum Beispiel einen eigenen Redenschreiber und einen Sprecher, der Fragen von Reportern beantwortet.
Denn als Frau des Präsidenten interessiert die First Lady viele Menschen. Deshalb muss sie genau darauf achten, was sie wo zu wem sagt. Gern beobachten die Menschen auch, was für Kleidung die First Lady trägt oder ob sie einen schicken Haarschnitt hat.
Bewundert für ihre Schönheit, ihren Geschmack und ihren Kleidungsstil wurde zum Beispiel Jackie Kennedy. Sie war vor 50 Jahren die Ehefrau von Präsident John F. Kennedy. In die Politik ihres Mannes mischte sie sich nicht ein.
Manch andere First Lady hingegen versuchte, mitzubestimmen und die Meinung der Bürger zu beeinflussen. Die bisher in der Politik aktivste First Lady war Hillary Clinton. Ihr Mann Bill war von 1993 bis 2001 Präsident der USA – und in dieser Zeit hat Hillary Clinton fast mitregiert.
Bei vielen Amerikanern ist das allerdings nicht gut angekommen, Hillary Clinton war keine beliebte First Lady. Von Michelle Obama hatten auch viele erwartet, dass sie sich in die Politik ihres Mannes einmischt. Bisher hat sie das aber nicht öffentlich getan. Vielleicht ist sie auch deswegen so beliebt – wer seine Meinung nicht laut sagt, kann damit ja auch niemanden vor den Kopf stoßen.
First Ladies gibt es übrigens in vielen Ländern. Besonders bekannt war in den vergangenen Jahren die First Lady Frankreichs, Carla Bruni. Die Frau des Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy war nämlich schon vor dem Einzug in den Élysée-Palast, den Wohnort des französischen Präsidenten, als Sängerin und Model berühmt.
Deutschlands First Lady ist seit März dieses Jahres Daniela Schadt, die Lebensgefährtin unseres Bundespräsidenten Joachim Gauck. Der Bundespräsident ist in Deutschland der erste Mann im Staat, aber die meiste Macht liegt beim Kanzler. Weil wir eine Frau als Kanzlerin haben, gibt es bei uns momentan auch einen »First Man«. So wird Joachim Sauer genannt, der Mann von Angela Merkel. Er begleitet die Kanzlerin allerdings nur selten zu Terminen. Wahrscheinlich fehlt ihm dazu einfach die Zeit. Joachim Sauer arbeitet nämlich als Professor für Chemie in Berlin.
Vielleicht mag er aber auch das sogenannte Damenprogramm nicht so gern. So heißen die Termine für die Ehepartner, wenn Staatschefs zu Treffen zusammenkommen. Die beraten dann über wichtige Fragen, etwa wie einem Staat, der Schulden hat, geholfen werden kann. Die Partner, meist die Frauen, unternehmen gemeinsam etwas: Sie gehen in schicke Restaurants, besuchen Museen oder treffen Künstler. Bei solchen Treffen müsste Joachim Sauer dann als einziger Mann zwischen vielen First Ladies sitzen.
Noch gibt es nämlich nur wenige weibliche Regierungschefs in der Welt. In Argentinien hat es aber sogar eine ehemalige First Lady an die Spitze des Staates geschafft: Cristina Fernández de Kirchner war erst vier Jahre lang First Lady – und wurde 2007 selber zur Präsidentin Argentiniens gewählt. Auch in den USA wollte eine ehemalige First Lady Präsidentin werden, nämlich Hillary Clinton. Vor vier Jahren bewarb sie sich dafür bei der Demokratischen Partei. Die schickte aber dann Barack Obama ins Rennen. Obama wurde Präsident – und machte Hillary Clinton zu seiner Außenministerin.
In der kommenden Woche haben die Amerikaner wieder nur die Wahl zwischen zwei Männern. Eine Präsidentin wird es also nicht geben, aber eine First Lady. Und bei all dem, was eine First Lady zu tun hat, müsste sie eigentlich sagen: »Wir sind Präsident.«