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Wir halten zusammen!

 

Schutz für den NATO-Partner Türkei: Das deutsche Raketen-Abwehrsystem wird ausgeladen/ © Getty Images
Schutz für den NATO-Partner Türkei: Das deutsche Raketen-Abwehrsystem wird ausgeladen/ © Getty Images

Viele Länder der Erde arbeiten zusammen. Ihr Ziel: Die Welt besser und sicherer zu machen. Die KinderZEIT stellt die drei wichtigsten Weltclubs vor. Heute: Die Nato. Staaten, die zur Nato gehören, verteidigen sich gegenseitig. Das Bündnis stammt aus einer Zeit, in der die Welt geteilt war

Von Jochen Bittner

Ich weiß noch, als ich ein Kind war, da hat mir der Name »Nato« manchmal ein bisschen Angst eingejagt. Nato, das stand für eine graue, irgendwie übermächtige Organisation, die mich daran erinnerte, dass es womöglich Krieg geben könnte, einen schlimmen Krieg. Damals verlief noch eine Grenze durch Deutschland. Wir wohnten nicht weit von ihr entfernt. Unser Städtchen lag zwar im Westen, also im freien Teil Deutschlands, aber es lag genau an dem Punkt, an dem man erwartete, dass die Armeen aus dem kommunistischen Osten nach Westeuropa einfallen würden, sollten die Machthaber auf diese Idee kommen. Dann, hieß es, würde man Atombomben über der Gegend abwerfen, um die Armeen zu stoppen.

Damals standen sich zwei, wie man sie nannte, »Blöcke« gegenüber: der demokratische Westen, wo die Menschen ihre Regierungen frei wählen konnten, und der kommunistische Osten, wo es keine echten Wahlen gab und die Menschen ihre Meinung nicht frei sagen durften.

Für uns Kinder war es völlig normal, dass immer wieder Jagdflugzeuge im Tiefflug über unsere Schule donnerten und in steilen Bögen in den Himmel stießen, um den Abwurf von Atombomben zu üben. »Jetzt spielen sie wieder Krieg«, sagte unser Deutschlehrer, als mal wieder die Fensterscheiben zitterten.

»Sie«, das waren die Soldaten der Nato, der North Atlantic Treaty Organization oder, auf Deutsch, der Nordatlantischen Allianz: ein Bündnis Nordamerikas und der demokratischen Staaten Europas, das verhindern sollte, dass die Truppen der Sowjetunion und ihrer Verbündeten im Westen einmarschierten. Ihr Gegenbündnis hieß »Warschauer Pakt«. Beide Blöcke hatten so viele Atomraketen, Panzer, Flugzeuge, Kriegsschiffe und Truppen, dass sie sich gegenseitig mehrmals komplett hätten vernichten können. »Abschreckung« lautete die Strategie: Wenn du mich töten willst, töte ich dich vorher. Dieser »Kalte Krieg« dauerte mehr als 40 Jahre.

Dann, 1989, hatten die Proteste der Menschen im Osten gegen die Unterdrückung Erfolg: Die innerdeutsche Mauer fiel, die meisten kommunistischen Staaten im Osten wurden demokratisch. 1991 löste sich der Warschauer Pakt auf. Die Nato hatte den Kalten Krieg gewonnen – und damit, so fanden viele, ihren Zweck verloren. Wozu noch die Soldaten, Panzer und Raketen, wenn einen niemand mehr bedroht?

Na ja, sagten die Regierungen der Nato-Länder, es stimmt schon, im Moment bedroht uns niemand. Aber wer weiß, wie sich die Welt entwickelt? Vielleicht sind wir irgendwann froh, dass es unser Bündnis noch gibt. Und so verkleinerte die Nato zwar ihr Waffenarsenal (besonders die Anzahl der Atomraketen), aber als Bündnis besteht sie fort. Sie wächst sogar noch.

Fast alle Länder des ehemaligen Warschauer Paktes sind der Nato beigetreten, sie zählt mittlerweile 28 Mitgliedsstaaten. Die Nato ist damit das mächtigste Militärbündnis, das die Welt je gesehen hat. Ihr Sinn ist vor allem, Schutz zu bieten. Ihre Mitglieder schwören eine Art Musketier-Schwur: Ein Angriff auf einen, versichern sie sich, ist ein Angriff auf alle.

Nach dem Ende des Kalten Krieges glaubte kaum jemand ernsthaft daran, dass es dazu einmal kommen könnte. Ein Angriff? Von wem denn? Dann, wie aus dem Nichts, passierte etwas Grauenhaftes.

Am 11. September 2001 lenkten Terroristen zwei entführte Passagierflugzeuge in das New Yorker World Trade Center, ein weiteres in das Verteidigungsministerium in Washington. Die Hochhäuser des World Trade Center stürzten ein, fast 3000 Menschen starben. Die USA werteten die Attacken als einen militärischen Angriff – und die Nato tat es auch. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte rief sie den Bündnisfall aus: Alle für einen!

Hinter den Angriffen auf Amerika, das war schnell geklärt, steckte die Terrororganisation Al-Kaida. In Afghanistan, einem bitterarmen Land in Asien, hatte sie ihre Zentrale eingerichtet. Dort schlug die Nato zu – einerseits zur Vergeltung, andererseits, um zu verhindern, dass Al-Kaida weitere Anschläge planen konnte. Zum Teil hatte die Nato Erfolg. Al-Kaida ist aus Afghanistan vertrieben. Aber es gibt noch viele Menschen dort, die die Nato hassen – zum Beispiel, weil Angehörige von ihnen bei den Bombardements und Kämpfen gegen Al-Kaida ums Leben gekommen sind. Seit mittlerweile zehn Jahren sind Nato-Soldaten in Afghanistan stationiert. Sie versuchen, das unruhige Land zu stabilisieren und wieder aufzubauen. Auch Deutschland hat Soldaten dorthin geschickt. In spätestens zwei Jahren soll der Einsatz in Afghanistan beendet sein. Dann kehren die Nato-Soldaten zurück aus einem Krieg, an den niemand auch nur im Entferntesten gedacht hätte, als ich ein Kind war.

Vor einigen Jahren waren die Leute in meinem Heimatort geschockt: Die ersten deutschen Soldaten, die in Afghanistan durch ein Bombenattentat starben, stammten aus der dortigen Kaserne. Viele weitere sind später ums Leben gekommen oder schwer verletzt worden. Die Nato wird sich deshalb fragen müssen, ob sie eine solche Auslandsmission je wieder unternehmen will oder ob sie lieber zurückkehrt zu ihrem Ursprungszweck: den Krieg nur zu üben, damit er nicht zu einem nach Hause kommt.

Warum gibt es die NATO?
Warum gibt es sie?
Die Nato ist ein Militärbündnis. Wird ein Mitgliedsstaat angegriffen, werten die anderen das als Angriff auf sich selbst.
Wer ist dabei?
Zuerst gehörten Nordamerika und die demokratischen Staaten in Westeuropa dazu. Heute sind auch osteuropäische Staaten Mitglied – frühere Gegner der Nato.

Nächste Woche in unserer dreiteiligen Serie über die Weltclubs: Die Weltbank.