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Erdnusspaste als Rettung

 

In Westafrika droht eine große Hungersnot. Ein Arzt organisiert Hilfe – bis ins abgelegenste Dorf

Text und Fotos von Andrea Böhm

Kann man Hunger schmecken? Ich meine nicht das kleine Magenknurren, wenn man mal das Mittagessen ausgelassen hat. Sondern bitterbösen Hunger, der einen schwindelig macht und wehtut. Dieser Hunger schmeckt – nach Gras und Baumrinde. Denn das essen Menschen, wenn sie wochenlang keine richtige Nahrung mehr bekommen haben. Albert kennt solche Menschen.

Albert ist Arzt und arbeitet für Unicef, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen. Er behandelt nicht nur Kranke (und Hungernde sind Kranke). Er koordiniert auch den Einsatz anderer Ärzte und Helfer. Wann immer es irgendwo eine Hungersnot gibt, holt man Leute wie ihn, um zu helfen.

Derzeit ist er in Mali, einem afrikanischen Land. Fast vier Millionen Menschen in Mali droht eine Hungersnot. Fast vier Millionen – das ist, als hätte ganz Berlin nicht mehr genug zu essen.

Im vergangenen Jahr hat es in Mali viel zu wenig geregnet. Auf den Feldern sind Gemüse, Mais und Hirse vertrocknet. Außerdem hat es im Norden von Mali eine Rebellion gegeben. Dabei haben Rebellen alle Vorräte geplündert. Weil es zu gefährlich ist, trauen sich viele Hilfsorganisationen nicht mehr hin.


Noch ein Problem kommt hinzu, in einem ganz anderen Land. Derzeit herrscht eine große Dürre in Amerika. Die Farmer dort werden viel weniger ernten als sonst. Das Problem ist: Amerika produziert normalerweise so viel Mais und Weizen, dass es riesige Mengen davon ins Ausland verkauft. Wegen der Dürre kann es das im Moment aber nicht mehr, das Angebot wird knapp. Wenn es von einer Ware weniger gibt, dann steigt ihr Preis. Reichen Ländern wie Deutschland macht das nicht so viel aus. Armen Ländern wie Mali schon.

Doktor Albert kümmert sich in Mali vor allem um die Kinder. Babys und Kleinkinder leiden am meisten in einer Hungersnot. Ohne Essen sterben sie viel schneller als Erwachsene. Und die Kinder, die eine Hungersnot überleben, erholen sich oft nie mehr. Sie bleiben schwach, werden schneller krank und wachsen und lernen nicht mehr richtig. Also muss man helfen. Und zwar schnell.

Aber wie? Es hat ja keinen Sinn, einfach Ärzte und Helfer loszuschicken, ohne genau zu wissen, wohin sie fahren sollen. »Zuallererst«, sagt Albert, »muss ich herausfinden, wie viele Kinder hungern und wo genau sie leben.« Das ist gar nicht so einfach. Mali ist ein riesiges Land, zu vielen Dörfern führen keine Straßen. Es gibt nur wenige Krankenhäuser, und oft schaffen die Eltern mit den Kindern den Weg dorthin gar nicht.

Doktor Albert

Also tut sich Doktor Albert zusammen mit allen anderen Organisationen, die helfen können. Sie bilden Tausende von kleinen Teams. Die ziehen, so schnell es geht, von Dorf zu Dorf. Im Jeep, in kleinen Flugzeugen, manchmal sogar zu Fuß. In den Dörfern rufen sie dann alle zusammen. Sie lassen sich von den Müttern und Vätern berichten, wie die Lage ist, berechnen, wie viele Hilfspakete sie brauchen, und untersuchen die Kinder, vor allem die kleinen. Dazu messen sie den Oberarm. Das klingt komisch. Aber am Oberarm kann man sehr gut erkennen, wie schlimm und wie lange ein Kind schon an Hunger leidet. Dafür haben Wissenschaftler ein besonderes grün-gelb-rotes Messband entwickelt. Zeigt das Messband Grün, isst das Kind genug. Zeigt es Gelb, dann ist das Kind zu dünn und braucht spezielle Nahrungshilfe. Ist das Ärmchen so dünn, dass das Messband Rot zeigt, dann ist dieses Kind in Lebensgefahr.

Über 500000 Kinder in Mali brauchen derzeit Hilfe. Das wissen Doktor Albert und seine Mitarbeiter inzwischen. Jetzt müssen sie ihnen Nahrung bringen.

Hungernde Kinder brauchen schnell viele Kalorien und Nährstoffe. Also Vitamine und Mineralien, wie sie in Gemüse, Obst und Getreide enthalten sind. Aber Albert und seine Mitarbeiter können nicht einfach Kisten mit Tomaten, Bananen, Brot und Orangen vollpacken. Die Lebensmittel würden in der Hitze sofort verderben. Außerdem sind viele Kinder schon zu schwach, um festes Essen zu sich zu nehmen. Manche sind nur noch Haut und Knochen. Sie werden darum durch einen Schlauch mit flüssiger Nahrung ernährt. Die Kleinen, die genug Kraft zum Schlucken haben, bekommen eine Paste aus Erdnussbutter mit vielen Nährstoffen. Ihre Mütter verdünnen die Paste mit Wasser und stecken sie ihren Kindern Klecks für Klecks in den Mund.

Gleich neben Alberts Büro in Bamako, der Hauptstadt von Mali, stehen in einer riesigen Lagerhalle die Kisten voller Erdnusspaste und besonders nährreichem Milchpulver. Für die Erwachsenen und die größeren Kinder besorgen andere Hilfsorganisationen Extrapakete mit Energiekeksen, Linsen, Dosengemüse und Speiseöl. Und natürlich Säcke mit Hirse, Reis oder Mais. Aber die Hilfsorganisationen brauchen noch mehr Geld von reichen Ländern, um genug für die Menschen in Mali einzukaufen.

Um die Nahrungsmittel zu den Hungernden zu transportieren, benötigen Albert und die anderen Helfer Flugzeuge, Lastwagen, Benzin und genügend Fahrer. Und sauberes Wasser für die Menschen zum Trinken und zum Verdünnen der Erdnusspaste. Und Moskitonetze, damit die Kinder nicht von Mücken gestochen werden und Malaria bekommen. Und Medikamente für alle, die auch noch an Durchfall und Fieber leiden.

Man muss also ganz viel gleichzeitig organisieren. Um zu überprüfen, ob alles auch wirklich klappt, fährt Albert in die Krankenhäuser im Land, in denen die Kinder liegen. Er fährt in die Flüchtlingslager und in die Dörfer. Er ist froh über jedes Kind in Mali, das langsam wieder auf die Beine kommt. Es ist ein Wettlauf. Doktor Albert will schneller sein als der Hunger.