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Neue Heimat gesucht

 

Paula, Victoria und Collins stehen mit ihrer Mutter an einem Hafen in Malta
Paula, Victoria und Collins stehen mit ihrer Mutter an einem Hafen in Malta/ © Hannah Schuh

Aus Afrika kam die Familie Aluko nach Europa. Hier suchten die Eltern jahrelang nach einem Ort, an dem sie mit den Kindern leben dürfen. Ein Besuch bei der Flüchtlingsfamilie

Von Hauke Friederichs

Das Meer ist stürmisch, als Paula, Collins und Victoria an den Strand kommen. Es regnet, und große Wellen bauen sich vor den drei Geschwistern auf. Ihre Mutter Rashida steht neben ihnen und blickt auf das unruhige Wasser. Irgendwo in der Ferne liegt das Land, aus dem die Familie Aluko geflohen ist.

Sieben Jahre ist es her, seit Paula und ihre Eltern an dieser Stelle auf Malta ankamen, einem Inselstaat im Mittelmeer. Paula war ein Baby, ihre Geschwister Collins und Victoria waren noch nicht geboren. Ihre Eltern hatten ihre Heimat Nigeria im Westen Afrikas verlassen, weil dort Gewalt wie in einem Bürgerkrieg herrschte und sie Angst um ihr Leben hatten. Sie waren durch die Wüste Sahara nach Libyen im Norden Afrikas gereist. Von dort aus brachen sie mit anderen Flüchtlingen in einem Boot in Richtung Europa auf. Die Familie hoffte auf ein besseres Leben in Europa. Doch hier suchen sie bis heute einen Ort, an dem sie bleiben können.

So wie die Familie Aluko versuchen jedes Jahr Tausende von Flüchtlingen, von Afrika aus nach Europa zu gelangen. Die Fahrt übers Meer ist gefährlich. Mutter Rashida erinnert sich, dass unterwegs Wasser ins Boot schwappte. Sie schöpften es mit den Händen heraus. Immer wieder kippen solche Flüchtlingsboote aber auch einfach um und gehen unter. In den vergangenen Wochen gab es zwei schlimme Bootsunglücke. Nur wenige Flüchtlinge konnten gerettet werden, mehr als 400 Menschen ertranken.

Lange Reise: Der Weg der Familie Aluko von Afrika durch Europa
Lange Reise: Der Weg der Familie Aluko von Afrika durch Europa

Rashida Aluko kann bis heute nicht schwimmen, und sie erzählt, dass keine Rettungswesten an Bord waren. Doch das Boot hielt, und nach vier Tagen entdeckten sie Land. Vor ihnen lag Malta.

Angekommen war die Familie damit aber längst noch nicht. Denn in Europa sind Flüchtlinge wie Rashida und ihr Mann nicht automatisch willkommen. Ob jemand das Recht hat zu bleiben, wird ausführlich geprüft. Kaum waren die Menschen aus dem Boot an Land, nahm die Polizei sie alle fest und brachte sie in ein Gefängnis. Weil die Alukos die kleine Paula dabeihatten, wurden sie jedoch schon nach wenigen Tagen in ein Flüchtlingslager verlegt.

Paula, die heute sieben Jahre alt ist, ihr fünfjähriger Bruder Collins und die vierjährige Schwester Victoria sind in verschiedenen Flüchtlingslagern aufgewachsen. Seit sie denken können, teilen sie sich einen Raum mit vier Betten. Paula hat gelernt, mit wenig Platz auszukommen. Ihre Hausaufgaben macht sie an einem kleinen Klapptisch oder auf den Knien. Mit ihren Geschwistern spielt sie meistens draußen, wo mehr Platz ist.

In einem Flüchtlingslager haben die Menschen wenig zu tun, die meisten finden keine Arbeit. Sie können nur abwarten, bis entschieden ist, ob sie zurückmüssen oder bleiben dürfen. Die Alukos wollten lieber selbst etwas unternehmen. Der Vater brach nach Italien auf, um Arbeit zu suchen – auch wenn das eigentlich verboten ist.

Auch Mutter Rashida wollte nicht einfach auf Malta bleiben und warten. Sie machte sich zusammen mit ihren Kindern auf den Weg durch Europa, um eine neue Heimat zu suchen. An den verschiedenen Geburtsorten der Kinder kann man die Route der Familie verfolgen: Paula ist in Libyen zur Welt gekommen, Collins auf Malta, Victoria in Norwegen.

Von Malta aus reiste Rashida mit Paula und Collins zunächst nach Schweden. »In Schweden nehmen sie jeden«, erzählten sich die Leute im Flüchtlingslager. Weil die Kinder noch klein waren, bekam die Familie eine Urlaubsgenehmigung. Rashida kaufte Tickets, und sie flogen los. Doch die Schweden waren strenger als erwartet. Die Alukos bekamen keine Aufenthaltserlaubnis.

So reisten sie sofort nach Norwegen weiter. Dort durften sie erst einmal bleiben, bis Victoria auf der Welt war. Dann erklärten die Norweger ihnen, dass Malta, das Land, in dem sie angekommen waren, für sie zuständig sei. Dorthin mussten sie zurück. So schreiben es die Regeln der Europäischen Union vor. Die Länder, in denen besonders viele Flüchtlinge ankommen, also Malta, Italien und Griechenland, wollen zwar, dass die Flüchtlinge fair auf alle Länder verteilt werden. Andere Länder, auch Deutschland, sind aber dagegen.

In Norwegen war Paula in der Vorschule und Collins im Kindergarten. Jetzt, zurück auf Malta, spielen die beiden Schwestern gern, dass sie in einem nördlichen Land leben. Sie hüllen sich in Decken und rufen: »Es ist so kalt, ich friere!« Collins muss dann immer ganz doll lachen. Denn auf Malta ist es nie richtig kalt. Die Mädchen erinnern sich gern an Norwegen, wo sie dicke Pullover und warme Jacken tragen mussten.

Paula spricht noch ein paar Sätze Norwegisch. Meistens unterhalten sich die Geschwister mit ihrer Mutter aber auf Englisch. Rashida Aluko will, dass ihre Kinder sich überall auf der Welt verständigen können. Paula lernt in der Schule und von Freunden auch Maltesisch.

Die Familie will nun auf Malta bleiben. Vor einigen Wochen hat die Mutter eine Arbeit gefunden: Sie hilft einer Familie im Haushalt. So verdient sie ein bisschen Geld und kann den Kindern ab und zu Spielzeug und Süßigkeiten kaufen. Außerdem hoffen sie, dass sie sich bald eine eigene Wohnung leisten können. Am meisten wünschen sich die Kinder aber, dass ihr Vater zu ihnen zurückkehrt. Victoria hat ihn bisher nur auf Fotos gesehen.