Streiten, Hauen und Geschrei: Unter Geschwistern kommt das oft vor. Einige Tipps, was Du bei Problemen mit den nervigen Verwandten machen kannst
Von Anne-Katrin Schade
Jenny hat Bauchweh, als sie von der Schule nach Hause kommt. Denn dort wartet der Vater auf sie und ihr Zeugnis. Drei Mal „Ausreichend“ (in Mathe, Physik und Französisch) und sogar ein Mal „Mangelhaft“ (in Latein) steht darauf. Das alles wäre weniger schlimm, wenn Jennys große Schwester Kathi nicht auch ihr Zeugnis in der Tasche hätte. Und sicher wird Kathi keine Note schlechter als „Befriedigend“ haben, befürchtet Jenny. Klar, dass der Vater die Schwester mit den Worten loben wird: „Etwas anderes hätte mich bei Dir überrascht, meine Beste.“ Jenny dagegen wird er schon mit sorgenvollem Blick die Haustür öffnen. Von ihr erwartet er nicht, dass sie zu den Guten in der Klasse zählt.
So wie Jenny und Kathi geht es vielen Geschwistern. Sie haben ähnliche Aufgaben, doch meistens ist ein Kind schlechter als das andere – sei es in der Schule, im Sport oder bei der Hausarbeit. Kathi zum Beispiel ist super in der Schule und gehört zu einer coolen Clique. Den ganzen Heimweg lang glaubt Jenny, dass jeder Kathi viel lieber hat als sie.
Geht es Dir manchmal so wie Jenny? Vielleicht hilft es Dir, wenn Du darüber nachdenken würdest, was Dich wirklich belastet, schreibt die Psychologin Angela Schuh in ihrem Buch Freunde, Lehrer und andere Probleme. Darin gibt sie Kindern Tipps, wie sie mit anderen Menschen besser auskommen. Den jüngsten Geschwistern rät sie, offen zuzugeben, wenn sie neidisch auf die Älteren sind. Sicherlich ist Neid kein schönes Gefühl. Doch jeder ist mal neidisch, und niemand muss sich dafür schämen. Es stimmt natürlich auch nicht, dass Eltern ihre ältesten Kinder immer lieber haben als die jüngsten. Liebe hat meist nichts mit Leistung zu tun, und Mama und Papa mögen einen so, wie man ist. Falls Du das nicht glaubst, solltest Du Deinen Eltern sagen, wie sehr Du zweifelst, gemocht zu werden.
Genauso hat es jedenfalls Jenny gemacht. Als der Vater sie ausschimpfte, weil ihre Noten so viel schlechter sind als die von Kathi, erzählte Jenny ihm, dass sie sich gegenüber der großen Schwester immer dumm vorkomme. Und dass sie Angst habe, dass sie die Eltern deshalb nicht so sehr lieben. Das hat ihr Papa verstanden. Gemeinsam haben sie einen Plan gemacht, wie Jenny in der Schule besser werden kann. Jeden Abend sollte sie dem Vater 20 Vokabeln in Latein und Französisch aufsagen, die sie tagsüber gelernt hat.
Jonas dagegen kann nicht mehr in Ruhe mit seiner Mutter sprechen, weil sie ihn nur noch anmeckert. Dabei war es doch sein jüngerer Bruder Max, der Mist gebaut hat: Der Kleine hat das Fußballtrikot von Jonas aus dem Schrank gemopst und es heimlich angezogen, um es in der Schule seinen Kumpels zu zeigen. Erst als einer seiner Freunde einen Filzstift zog und auf das T-Shirt die Unterschriften von berühmten Fußballern kritzelte, wurde es Max mulmig. Zu Hause hängte er das bemalte Trikot in Jonas‘ Schrank zurück und hoffte, dass sein großer Bruder es nie wieder herausnehmen würde. Zwei Tage lang war Ruhe. Dann entdeckte Jonas das T-Shirt und stürmte in das Zimmer des Bruders. Die Wangen des Ältesten waren feuerrot vor Wut. Sofort fing der Kleine an zu weinen und rief „Mama, Mama!“, bis die Mutter herbeieilte und den älteren Bruder aus dem Zimmer zog. Ob er den Jüngsten nicht einmal in Frieden lassen könne, keifte sie. Und Jonas fühlte sich doppelt unfair behandelt – vom kleinen Bruder und von der Mutter.
Viele ältere Geschwister stört, wenn die Eltern zu den Kleinen halten. Wie Jonas haben sie das Gefühl, dass sie viel mehr ausbaden müssen als die jüngeren Geschwister. Geht es Dir manchmal wie Jonas? Falls Du auf Deine kleinen Brüder und Schwestern sauer bist, solltest Du Dich erst einmal zurückziehen und nicht sofort schimpfen, schreibt die Psychologin Angela Schuh. Wenn Du dann etwas Schönes machst, zum Beispiel Musik hörst und Dich ablenkst, kommt Dir der Streit nach einer Weile nicht mehr so schlimm vor.
Mischen sich Deine Eltern ein und machen damit alles noch schlimmer, solltest Du mit ihnen darüber sprechen. Du könntest vorschlagen, dass Du Deine Probleme allein mit den Geschwistern lösen willst. Als älterer Bruder oder ältere Schwester solltest Du aber nicht darauf pochen, dass sich die Jüngeren bei Dir entschuldigen. Das fällt den Kleinen schwer, weil sie sich oft unterlegen vorkommen, glaubt Angela Schuh. Wenn die jüngeren Geschwister einen Fehler zugeben müssten, würden sie sich noch mieser fühlen. Dafür solltest Du Dir immer wieder sagen, dass Dich Deine jüngeren Geschwister insgeheim bewundern, weil Du mehr kannst.
Max hätte sich das Fußball-Trikot wohl nicht genommen, wenn es nicht an seinem großen Bruder so gut ausgesehen hätte. Als Jonas das klar wurde, nahm er sich vor, jetzt eine Weile nicht mehr mit Max Fußball zu spielen. Schließlich sollte sein kleiner Bruder einsehen, dass er sich nicht einfach seine Sachen nehmen darf. Aber zum Geburtstag will er Max das bemalte Trikot schenken.
Anke M. Leitzgen/Angela Schuh:
Freunde, Eltern, Lehrer und andere Probleme
dtv 2009; 7,95 €