In diesen Tagen geht in den USA ein besonderes Boot auf große Abenteuerfahrt: Die »Plastiki« besteht aus unzähligen Kunststoffflaschen und will für den Umweltschutz werben
Von Catriona McLaughlin
David war nie gut in der Schule. »Wenn ich heute noch einmal hingehen könnte«, sagt er, »würde ich besser in Bio und Erdkunde aufpassen.« Diese Fächer könnten ihm nämlich heute helfen. David ist ein Abenteurer, und mit einem Schiff aus Plastikflaschen will er über den Pazifik segeln – von Nordamerika nach Australien. Die Plastiki soll nicht nur David und seine Crew, bestehend aus Jo, Dave und Olav, sondern vor allem eine Idee weitertragen: dass wir Menschen zu viel Müll produzieren und unbedingt Wege finden müssen, um Rohstoffe wiederzuverwerten.
Ihre Reise wird sie am »Great Eastern Pacific Garbage Patch« vorbeiführen. Das ist eine riesige schwimmende Müllhalde im Meer, die durch Strömungen an einer Stelle gefangen ist. Dieser Müll ist für den Ozean und seine Bewohner gefährlich: Jedes Jahr sterben über eine Million Seevögel und über hunderttausend Meeressäuger durch die Verschmutzung. Darauf möchte David mit seinem Plastikflaschenschiff besonders aufmerksam machen. Er will die Menschen aufrütteln, damit sie die Umwelt besser schützen. Deshalb hofft er auch, dass viele Medien über seine Fahrt berichten.
Geholfen hat ihm auf dem Weg von der Idee zum echten Boot sein Nachname. Er heißt de Rothschild – und gehört zu einer der reichsten und mächtigsten Bankiersfamilien Großbritanniens. So fand er leicht Geldgeber, und Geld brauchte er auch, denn für die Plastiki wurden neue Materialien entwickelt, und sie wurde mit neuen Techniken gebaut. Was das alles gekostet hat, verrät David nicht. »Mehr, als mir lieb ist, und weniger, als es hätte sein können«, sagt er zwinkernd.
Vor vier Jahren hat David mit seinem Projekt begonnen, seit drei Monaten ist die Plastiki fertig und liegt in der Bucht von San Francisco in den USA. Leute laufen eifrig auf dem Boot herum, das zwischen den anderen Jachten aussieht wie ein zu groß geratenes Badespielzeug. Die Crew bereitet sich auf die Abreise vor: Getrocknetes Obst und Konservendosen werden in das Bootsinnere gebracht, Essen und Wasser für hundert Tage. Es gibt sogar einen kleinen Gemüsegarten. In einer Tonne, die vor Sonne und Salzwasser schützt, hängen 90 essbare Pflanzen – denn Nahrung aus Dosen schmeckt auf die Dauer ziemlich langweilig.
Losgehen soll es, sobald der Wind günstig steht. Zwischen bärtigen Männern läuft eine kleine blonde Frau in grauen Turnschuhen herum. Sie heißt Jo Royle und ist die Skipperin der Plastiki. Ihre Aufgabe ist es, den besten Weg von San Francisco nach Sydney zu finden. Mehr als 20 000 Kilometer will die Crew zurücklegen, etwa drei Monate werden sie brauchen. Denn so schnell wie andere Segeljachten ist die Plastiki nicht. Sie fährt mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von fünf Knoten, etwa so schnell, wie ein langsamer Jogger läuft.
Die Plastiki ist ein Katamaran (ein Schiff, das auf zwei Rümpfen segelt). Rund 12 500 Plastikflaschen wurden verbaut, sie helfen dem Boot zu schwimmen. Die Flaschen wurden mit einem Gasgemisch gefüllt, damit sie widerstandsfähiger sind und mehr Gewicht tragen können. Gehalten werden sie von einer Hülle aus neuartigem Kunststoff, der speziell für die Plastiki entwickelt wurde. Er soll ungiftig und vollständig recycelbar sein. Überhaupt wurden für das Wasserfahrzeug viele neue Materialien verwendet. Es sind lauter Stoffe, die verträglich für die Umwelt sein sollen. Zum Beispiel ist der Bootskleber eine Mischung aus Ca-shew-nüs-sen und Zucker. Gibt man noch etwas Sand dazu, eignet er sich auch als rutschfester Belag.
Etwa in der Mitte des Schiffs wölbt sich ein Dach. Es soll die Kabine schützen. »Besonders die Elektronik ist empfindlich«, sagt Jo. Und davon wird viel an Bord sein. Die Crew braucht nicht nur Geräte, um festzustellen, wo auf dem Pazifik sie selbst gerade ist und wo andere Boote kreuzen, sie will auch über das Internet ihre Abenteuer und Beobachtungen mit anderen Menschen teilen. Den Strom für die Geräte muss die Seemannschaft selbst erstrampeln – auf festgemachten Fahrrädern. Sehr komfortabel wird das Leben auf dem Plastikflaschenkahn sicher nicht! Die Kabine ist klein, schon die zierliche Skipperin Jo füllt den Platz gut aus. Neben den Schlafpritschen gibt es eine Kochnische, eine Kompost-Toilette und einen kleinen Arbeitsplatz. Um sich waschen zu können, hofft die Besatzung auf Regen. Bleibt der aus, werden wohl alle stinken. Trinkwasser jedenfalls ist zu kostbar für die Dusche.
Die Reise ist ein ziemliches Wagnis. Niemand weiß, wie sich die Plastiki auf dem Pazifik schlägt und welchen Gefahren die Crew begegnet. David und Jo jedenfalls haben weiße Kreuze auf die Sohlen ihrer Schuhe gemalt, das soll vor Seeungeheuern und Haien schützen – ein alter Seemannsbrauch. Die größte Gefahr aber ist das Wetter: Stürme können auf dem Meer in kürzester Zeit heraufziehen – und die Plastiki kann ihnen nicht ausweichen. Sie kann nur vorwärts und seitwärts fahren. »Da müssen wir dann einfach durch«, sagt David. Und was passiert, wenn das Boot umkippt? »Dann ist die Fahrt vorbei.« Eine kleine Luke am Boden der Kabine kann ihn und seine Crew dann noch retten. Sie ist ein Notausgang, falls das Boot bei Sturm kentert.
Noch ist David aber zuversichtlich. »Die Fahrt wird ein Spaziergang, wenn man es damit vergleicht, wie schwierig es war, die richtigen Materialien zu finden und die Plastiki zu bauen«, sagt er. Ob das Meer ihm zustimmt, werden wir in den nächsten Monaten sehen – wenn nicht, gibt es im Pazifik bald 12 500 Plastikflaschen mehr.
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