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Clowns im Einsatz

 

Sie tragen bunte Kostüme, rote Nasen – und reisen um die Welt. Die Mitglieder des Vereins Clowns ohne Grenzen wollen Fröhlichkeit zu Menschen bringen, denen es schlecht geht

Ein Gespräch von Katrin Hörnlein mit Bildern von Thomas Victor


© Thomas Victor

Wer Heiko Mielke besuchen will, muss auf den Acker: Der 50-Jährige lebt in einem alten Zirkuswagen auf einem Campingplatz in Norddeutschland. Er ist Clown und Jongleur von Beruf, tritt bei Straßenfesten auf, macht Zirkusprojekte in Schulen – und reist um die Welt. Vor vier Jahren gründete Heiko Mielke gemeinsam mit Kollegen den Verein Clowns ohne Grenzen. Die Mitglieder fahren in Länder, in denen die Menschen arm sind, in denen es Erdbeben gab oder Kriege. Dort geben sie ihre Vorstellungen. Der KinderZEIT hat Heiko Mielke von seiner letzten Reise nach Sri Lanka erzählt.

KinderZEIT: Herr Mielke, haben die Kinder in Sri Lanka über ihre Clownsnummern gelacht, oder haben sie die Scherze gar nicht verstanden?

Heiko Mielke: Doch! Schadenfreude funktioniert auf der ganzen Welt, und Dusseligkeit auch! Passend zum Land haben wir zum Beispiel unsichtbare Moskitos gejagt. Und die Fliegenklatsche hat nicht den Moskito erwischt, sondern den Hintern eines Mitspielers. Da war das Gelächter groß!

KinderZEIT: Warum reisen Sie als Clown in Gegenden, wo es den Menschen schlecht geht?

Mielke: Die Kinder in diesen Ländern haben nicht so viel zu lachen wie wir hier. Jeder hat bestimmt schon mal erlebt, wie befreiend es ist, wenn man lacht. Wir fahren in diese Länder, um ein Lachen zu schenken. Es gibt ein altes Sprichwort das sagt, es ist besser, einen Clown im Dorf zu haben, als drei Esel mit Medikamenten.

KinderZEIT: Wie entscheiden Sie, in welche Länder Sie reisen?

© Thomas Victor

Mielke: Die Clowns, die eine solche Reise machen, entscheiden, wohin es gehen soll. Die ersten Reisen haben wir nach Rumänien unternommen, auch weil wir uns das leisten konnten. Da sind wir mit unserem eigenen Bus hingefahren und haben alles selbst bezahlt, weil der Verein noch kein Geld hatte. Er ist auf Spenden angewiesen. Außerdem sprechen wir uns mit den Clowns-ohne-Grenzen-Vereinen im Ausland ab, wer wohin geht. In Haiti waren schon vor dem Erdbeben im Frühjahr Clowns aus Kanada, Frankreich und Spanien und haben dort in Krankenhäusern gespielt. Da fahren wir nicht auch noch hin.

KinderZEIT: Wer darf bei Ihnen mitmachen?

Mielke: Wir nehmen nur Profis mit, Menschen die von Beruf Clown oder Zauberer oder Artist sind.

KinderZEIT: Was ist anders daran, vor deutschen Kindern zu spielen, als vor Kindern in fremden Ländern?

Mielke: In Sri Lanka sind wir in Gegenden gewesen, wo bis vor Kurzem noch Krieg war. Wir mussten durch viele Grenzposten, immer wieder unsere Pässe zeigen, das Auto wurde kontrolliert. In einigen Gegenden haben die Kinder noch nie einen Menschen mit weißer Hautfarbe gesehen, geschweige denn jemanden mit einer roten Nase. Man muss da ganz, ganz vorsichtig anfangen. Es kann auch passieren, dass die Kinder anfangen zu weinen, wenn sie uns sehen.

KinderZEIT: Weil sie Angst haben?

Mielke: Weil sie so etwas noch nie gesehen haben. Und dazu bin ich auch noch über zwei Meter groß. Wir haben Nummern mit Luftballons gemacht oder mit Seifenblasen. Es gab Kinder, die kannten so etwas nicht. Die waren erst mal schüchtern, und wir mussten uns ganz vorsichtig rantasten. Dafür braucht man Erfahrung.

KinderZEIT: Was für Kinder kommen zu ihren Auftritten?

Mielke: Meistens sind es Waisenkinder oder Kinder aus sehr armen Familien. Sie essen dreimal am Tag nur Reis – oder nicht mal das. In Sri Lanka kamen viele Kinder aus Waisenhäusern. Sie leben zu sechst, zu acht, zu zehnt in einem Zimmer. Oft haben die Räume keine Fenster, sie schlafen auf dem Fußboden oder auf Holzbrettern ohne Matratzen. Sie kennen keinen Fernseher, keine Playstation. Ganz viele haben ihre Familien im Krieg verloren, schlimme Gewalt erfahren oder eine Naturkatastrophe überlebt. In Sri Lanka haben wir an 16 Tagen 23 Shows gemacht, mehr als 3000 Kinder haben uns gesehen und viel gelacht.

KinderZEIT: Ist es nicht zu wenig, wenn Sie einmal in ein Land reisen und einmal Lachen schenken?

Mielke: Es geht weiter. Nächstes Jahr planen wir zwei Reisen nach Sri Lanka. Dorthin, wo wir schon waren, und in den Norden des Landes. Es hängt davon ab, wie viel Geld der Verein hat. Wir Clowns bekommen kein Geld, aber der Verein muss die Reisekosten tragen. Wir Clowns nehmen für die Reisen Urlaub, wir arbeiten ja alle auch noch hier in Deutschland.

KinderZEIT: Ist es nicht wichtiger, den Hunger der Kinder zu lindern, als ihnen Witze zu erzählen?

© Thomas Victor

Mielke: Die Clownerie ist das, was ich beitragen kann. Es gibt andere Hilfsgruppen, die kümmern sich um die Dinge wie Essen oder Medizin. Aber die Gefühle sind auch ganz wichtig. Wir gucken schon, wenn zum Beispiel ein Bürgerkrieg oder eine Naturkatastrophe gerade erst vorbei ist. Da sind erst einmal Ärzte gefordert. Oder Helfer, die für Wasser sorgen.

KinderZEIT: Sie wollen Lachen schenken. Was haben Sie selbst von den Reisen mitgenommen?

Mielke: Dass es gut ist, was ich mache, und wichtig und richtig. Klar gibt es Situationen, wo man viel Elend erlebt und wo man schlucken muss. Auf einer Rumänien-Reise krabbelte ein Mädchen in unseren Bus, setzte sich in die Ecke und wollte nicht wieder aussteigen. Sie wollte nicht weg von dem Bunten und Lustigen. Da hab ich mich gefragt, ob es richtig ist, was wir machen. Aber wenn man in deutschen Kliniken vor krebskranken Kindern spielt, ist es auch nicht einfach.