Morgen heiraten Prinz William und Kate Middleton. Wie wird die künftige Prinzessin wohnen? Auch unsere Autorin ist in einem alten Gemäuer aufgewachsen und erzählt von zugigen Gängen und sehr aktiven Geistern
Von Anna von Münchhausen
Da hob der Prinz sie auf sein Pferd und ritt mit ihr zu seinem Schloss. Dort wurde groß die Hochzeit gefeiert, und wenn sie nicht gestorben sind…« So klingt es im Märchen, wenn aus einem Mädchen eine Prinzessin wird.
Wenn in dieser Woche aus Kate Middleton Prinzessin Catherine wird, kann sie sich auf einige Überraschungen gefasst machen. Dass ihr von jeder Briefmarke die Großmama ihres Ehemannes Prinz William entgegenblickt, wird sie schon gelernt haben. Aber ob sie ahnt, was auf sie zukommt, wenn sie in einem Schloss lebt?
Vermutlich geht es bei der Königin von England nicht ganz so sparsam zu wie in dem westfälischen Schloss aus dem Jahr 1606, in dem ich aufgewachsen bin. Aber einige Dinge sind in jedem Schloss ähnlich. Du denkst erst mal: Schön groß ist es da. Viel Platz haben die. Richtig. Das kann aber auch unpraktisch sein. Du willst zum Beispiel morgens zur Schule und stellst an der Haustür fest: Mütze vergessen. Oh nein! Erst mal wieder den langen Flur hinunter, die Treppe hoch, links über die Galerie und endlich im richtigen Zimmer… Das kostet glatt fünf Minuten.
Dann: die dicken Mauern. Es ist kühl, manchmal sogar feucht in dem alten Gemäuer. Früher wurden in Schlössern nur wenige Räume geheizt, mit großen Kachelöfen. Diener und Zimmermädchen schleppten tagein, tagaus Kaminholz und Brennmaterial herbei, kehrten die Öfen aus, und trotzdem wollte es nie recht kuschlig werden. Bei uns gab es zwar schon eine Zentralheizung – aber irgendjemand stellte sie immer niedriger wegen der astronomisch hohen Heizkosten. Allerdings haben die dicken Mauern auch einen Vorteil: Im Sommer bleiben die Räume angenehm frisch.
Das meiste in diesen Häusern ist alt: Betten, Türklinken, Lichtschalter, sogar die Teller, von denen wir aßen, hatten abgekratzte Stellen, wo immer die Gabeln entlangfuhren. Manches ist sogar uralt, zum Beispiel die Wasserleitungen. Eine schöne heiße Dusche? Vergiss es. Aus den bröckligen Röhren tröpfelt es nur dünn vor sich hin. Bäder kannte kein Mensch, als diese Häuser gebaut wurden. Außerdem nahmen es die Herrschaften mit dem Waschen früher sowieso nicht sehr genau. Sie puderten lieber ihre Perücke, und gegen das Müffeln wurden Duftwässerchen eingesetzt. Nachdem man erkannt hatte, dass Körperhygiene wichtig ist, wurden Waschschüsseln und Krüge in den Schlafzimmern aufgestellt. Wannen kamen erst viel später hinzu.
Immer wieder wird man daran erinnert, dass man im Schloss ein Stück in der Vergangenheit lebt. Wenn ich mich mit aller Kraft gegen die Haustür stemmte und versuchte, die schwere Klinke aufzudrücken, dachte ich manchmal daran: Ob das die Kinder, die früher hier lebten, auch schon so genervt hatte? Durften sie, wie wir, wenn Mama gute Laune hatte, auf Matratzen die Treppe hinunterrutschen? Wer von ihnen hatte unserem Schaukelpferd, ganz zerkratzt und heiß geliebt, ein Ohr abgerissen? Jeden Tag stellst du in einem Schloss fest, dass schon ein Früher da war vor dem Jetzt. Und dass es auch ein Danach, nach dir, geben wird.
Ein Schloss wird meistens von etlichen Menschen bewohnt, eigentlich geht es zu wie in einem großen Mietshaus ohne abgeschlossene Wohnungstüren. Und es gibt nicht nur menschliche Mitbewohner: Holzwürmer nagen Löcher in Bilderrahmen und alte Kommoden. Mäuse! Die treiben sich hier sowieso herum. Nachts hört man sie mitunter trappeln. Spinnen kommen vor, riesige Exemplare. Ja – und ich erinnere mich an den Besuch einer Wasserratte frühmorgens im Esszimmer.
Und was ist mit anderen Mitbewohnern, mit Geistern? Ja, die gibt es auch. Tagsüber schauen sie harmlos als Ahnengemälde aus den Bilderrahmen, strenge Herren im Gehrock, mit Hunden oder ihrem Lieblingspferd. Damen in Rüschenroben, mit Perlen in der aufgetürmten Frisur. Nachts, wenn das Mondlicht auf die Dielen fällt und draußen in der 200 Jahre alten Kastanie die Käuzchen rufen – da kann man sich schon mal einbilden, dass die Porträtierten sich unterhalten. Eine Diele knarrt. Eine Kerze flackert, obwohl kein Windhauch sich rührt. Mein Lieblingsgeist war ein blondes Mädchen mit hellblauem Satinband und weißem Kleid. Im Arm hielt sie eine Puppe, wie ich sie mir wünschte. Ich glaube, nein: Ich weiß, dass sie mit ihrer Puppe sprach. Es gab unsichtbare Besucher, die sich betätigten. Licht ausschalteten. Zuckerdosen leerten…
Häufig heißt es, Menschen, die in so einem Schloss wohnen, seien entweder sehr reich – oder dumm, weil ihr Erbgut längere Zeit nicht aufgefrischt wurde. Mag sein, dass es solche gibt. Die meisten Schlossmenschen heutzutage leben nicht in Saus und Braus. Für sie zählt jeder Euro, denn es braucht unfassbar viel Geld, wenn verhindert werden soll, dass solche alten Häuser vor sich hin rotten. Manchmal wünschen sich diese Menschen, sie würden in einem Neubau wohnen, warm und praktisch. Aber dann erinnern sie sich wieder daran, dass man an Winterabenden nirgendwo anders so großartig Verstecken spielen kann wie hier, mit 15 anderen, durchs ganze Haus, Lichtanmachen verboten. Du sitzt unter irgendeiner staubigen Bodentreppe, hinter dem alten Schrank auf der Galerie und zitterst: Wann sollst du loslaufen und dich freischlagen? Wenn ich nur daran denke, möchte ich sofort wieder weiterspielen.
Aber dafür ist Kate – pardon: Prinzessin Catherine – wahrscheinlich doch schon zu groß.