Die New York Times berichtet über einen bemerkenswerten Anlauf des Web-Politmagazins Politico, sich auf solide finanzielle Beine zu stellen: Politico Pro soll der kostenpflichtige Ableger heißen, für den 40 Journalisten rund um die Uhr über das Gesundheitswesen, Energie und Technologie berichten sollen.
Jedes Ressort wird separat vermarktet. So kostet das Jahresabo für ein Ressort zwischen 1495 und 2500 Dollar sowie weitere 1000 Dollar für zusätzliche Themenbereiche. Möglicherweise soll es auch Ressorts zur Militärindustrie, Finanzdienstleistungen und Verkehr geben.
Politico ist offenbar der Ansicht, dass trotz der hohen Journalistendichte in Washington D.C. noch erhebliche Informationslücken bestehen, die gerade für Lobbyisten wertvoll sind. Diese beziehen zu hohen Abopreisen Publikationen wie Congressional Quarterly oder das National Journal, die das gesetzgeberische Geschehen genau verfolgen.
Auch Bloomberg plant Ähnliches: Für seinen neuen Dienst Bloomberg Government sollen bis Ende des Jahres sogar 60 Journalisten und Analysten eingestellt werden. Für die Berichterstattung sowie eine Datenbank zum Regierungsgeschehen sollen Abonnenten gar 5600 Dollar jährlich zahlen.
Derartige Dienste wären wohl auch für Brüssel interessant. Die Europa-Berichterstattung ist seit Jahren defizitär, eine aktuelle Beobachtung erfordert große Detailkenntnis und auch hier gibt es teure Branchendienste für Lobbyisten, die bislang von Analysten, nicht aber von Journalisten erstellt werden. Umfassende Angebote ähnlich Bloomberg Government sind mir allerdings nicht bekannt.
Einerseits wäre es wünschenswert, dass sich die Abopreise für solche Dienste in einem Rahmen halten, die auch für den interessierten Bürger bezahlbar ist. Andererseits ist die Aufbereitung solcher Informationen nicht nur arbeitsaufwändig, sondern erfordert auch Expertise. Die für Journalisten üblichen Honorare dürften für Experten jedoch uninteressant sein. Eine Mischung von Journalisten und Analysten ist daher auf jeden Fall der richtige Ansatz, um hochwertige Berichterstattung aufzubauen. Bei dem Blick auf die Zielgruppe ist außerdem nicht zu vernachlässigen, dass Berichte solcher Art erfahrungsgemäß wenig allgemeines Interesse erfahren. An eine Refinanzierung über Werbung wäre daher im Bereich des Illusorischen anzusiedeln.
Es ist unwahrscheinlich, dass sich die klassische Berichterstattung verschlechtert, wenn Verlage in „Pro“-Versionen investieren. Spannend wird sein, zu sehen, inwieweit die kostenlosen oder günstigen Angebote wie Politico von der Arbeit ihrer Spezialdienste profitieren werden – vielleicht mit Überblicksartikeln, die nicht zu sehr ins Detail gehen. Oder mit gut aufbereiteten Infografiken dank der sorgfältig gepflegten und aktualisierten Datenbanken. Für deutsche Verlage wäre das jedenfalls ein interessanter Ansatz, um lukrative Beiboote aufzubauen – ohne die bisherige Berichterstattung schmälern zu müssen.
Gleichwohl bleibt ein gewisses Unbehagen: Warum sollten solche Informationen nur für Lobbyisten interessant sein? Warum sollte nicht auch der aufgeklärte Bürger sich informieren dürfen? In Deutschland wären wohl allein die Öffentlich-Rechtlichen in der Lage, ein derartiges Angebot zu stemmen, das allgemein verfügbar wäre. Sie könnten damit die richtigen Impulse setzen.