Lesezeichen
 

Vereint für die Abschottung

Malta ist eine Festungsinsel im Mittelmeer. Ausgerechnet hier beschließt die Europäische Union, den Kontinent noch stärker gegen Migranten abzuriegeln. Das ist das Ergebnis des informellen Gipfels der 28 Staats- und Regierungschefs. So wird das nicht gesagt. Ganz im Gegenteil. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, verkündete an diesem sonnigen, milden Wintermorgen in Malta: „Wir glauben nicht an Mauern.“

Das war ein kleiner, gar nicht so versteckter Seitenhieb Richtung Donald Trump und seinen Mauerbauplänen. „Wir halten an unseren Werten fest. Wir gehen unseren europäischen Weg“, ergänzte Mogherini und verschwand im Malteser Großmeisterpalast, wo sich die europäischen Spitzen zum Arbeitstreffen versammelten.

Nun, worin besteht denn dieser europäische Weg? Im Mauerbau. Er wird nur nicht so sichtbar betrieben, und er wird vor allem nicht mit solchem Getöse angekündigt, wie Trump es tut. Die „Erklärung von Malta“ der 28 aber ist eine recht detaillierte Beschreibung, wie sich die EU in Zukunft gegen den Migrantenandrang aus Libyen abschotten will. Weiter„Vereint für die Abschottung“

 

Der Lehrmeister dankt ab

Kommende Woche reisen die Staats- und Regierungschefs nach Malta, das derzeit den EU-Ratssitz innehat. Das wird kein Routinegipfel werden, sondern einer, in dem die Europäische Union sich verabschieden wird von einem Selbstbild an dem sie hartnäckig festhält. Die Union will zwar „Weltmacht“ sein, aber dennoch anders bleiben als die anderen Mächte. Nicht so rücksichtslos wie die USA, nicht so kriegerisch wie Putins Russland, nicht so autoritär wie China. Die EU hatte immer etwas Lehrmeisterliches an sich. Sie wollte weicher, besser und dadurch erfolgreicher sein als die anderen.

Wie schwierig das ist, entdeckte die Union spätestens seit der großen Wanderung des Jahres 2015. Völlig überwältigt, zerrissen, ja geradezu verwirrt taumelte die EU durch dieses Jahr. Die Europäer entdeckten damals, dass es in der Welt, wie sie ist, sehr schwierig ist, besser zu sein als die anderen.

Ein Wall in Libyen?

In Malta, nur 350 Kilometer von der libyschen Küste entfernt, werden die 27 Staats- und Regierungschefs weitere Beschlüsse fassen, um die Festung Europa auszubauen. Denn auch wenn es so nicht gesagt wird, die Abschottung Europas ist beschlossene Sache. Es geht jetzt nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie.

Dabei konzentriert sich die EU auf Libyen. Über diesen zerfallenen Staat kamen allein im letzten Jahr rund 180.000 Migranten nach Europa. Die EU scheint fest entschlossen, die libysche Route für Migranten zu schließen. Inzwischen ist in Brüssel schon von einem Wall die Rede, den man in Libyen errichten müsse. Wie der aussehen solle, ob er funktionieren kann, das ist noch völlig unklar.

Die Union versucht auch auf anderen Ebenen, die Migration in geordnetere Bahnen zu leiten. Sie bemüht sich um ein einheitliches europäisches Asylsystem, sie will in den Herkunftsländern der Migranten investieren, um dort Perspektiven zu schaffen.

Die EU hat es eilig

Alle Beteiligten wissen aber, dass diese Maßnahmen – wenn überhaupt – nicht schnell wirken werden. Der Faktor Zeit aber ist für die Union von existenzieller Bedeutung.

Wenn sie nämlich den Migrationsdruck nicht schnell verringern kann, wenn sie die Grenzen nicht kontrollieren kann, dann wird ihre innere Legitimität weiter leiden. Dann wird das europäische Superwahljahr 2017 vielleicht wirklich zum Jahr der Populisten. Der Niederländer Geert Wilders spricht jetzt schon vom „patriotischen Frühling“ Europas. Die Französin Marine Le Pen sieht den Einsturz des „Völkergefängnisses EU“ schon kommen.

Die Europäische Union schottet sich aus existenzieller Not ab. Wenn sie es nicht tut, bricht sie in ihrem Inneren zusammen. Sie errichtet Wälle und Zäune, um Zeit zu gewinnen. Zeit, um zu beweisen, dass sie Migration beherrschen kann.

Das ist der durch die Realität erzwungene Abschied der EU von ihrer moralischen Überlegenheit. Das ist das Ende des Lehrmeisters.

 

 

 

Die Angstmache lieber Geert Wilders überlassen

Was ist ein guter Niederländer? Jemand, der die Rechte von Schwulen respektiert, Frauen in kurzen Röcken nicht nachpfeift, die Meinungsfreiheit hochhält, keinen Müll auf der Straße rumliegen lässt, nicht auf den Bürgersteig spuckt, auch Frauen die Hand schüttelt und rechtschaffene niederländische Bürger nicht als Rassisten beschimpft. Weiter„Die Angstmache lieber Geert Wilders überlassen“

 

Der Brexit wird existenziell für die EU

Theresa May will die Brücken zur EU komplett abbrechen. Das hat sie in ihrer lange erwarteten Rede deutlich gemacht. Die EU reagiert darauf zunächst einmal gelassen. „Wir sind bereit, sobald Großbritannien bereit ist!“, twitterte der von der EU-Kommission mit den Austrittsverhandlungen beauftragte Ex-Kommissar Michel Barnier, nachdem May ihre Rede gehalten hatte. Erst wenn Großbritannien den Artikel 50 – den Austrittsartikel des Lissaboner Vertrages – in Gang bringt, werde man sich an den Tisch setzen und im Detail sprechen. Weiter„Der Brexit wird existenziell für die EU“

 

An den Hühnchen liegt es nicht

Europas koloniale Vergangenheit macht es schwer, die Beziehungen zu Afrika in einem nüchternen Licht zu betrachten.

Die Debatte um die Fluchtursachen zeigt das recht gut. Europa als Ziel der Massenmigration taucht dabei gleichzeitig als ihr Verursacher auf, weil es sich angeblich noch immer neokolonial verhalte, wie die Kritiker sagen. Die EU erscheint als ausbeuterische Macht, die sich um die Konsequenzen ihres Tuns nicht schere. Weiter„An den Hühnchen liegt es nicht“

 

Wildes Geschacher, warum auch nicht

Am Montag wäre dem belgischen Liberalen Guy Verhofstadt fast ein Coup gelungen. Er wollte die euroskeptische italienische Bewegung M5S in seine liberale Fraktion (Alde) holen. Die M5S des Komikers Beppe Grillo hatte sich dafür schon bereit erklärt, doch im letzten Moment machte Verhofstadt einen Rückzieher. Allzu groß war der Widerstand innerhalb seiner Fraktion gegen eine Aufnahme der Populisten der Fünf-Sterne-Bewegung.

Man wird nicht fehl gehen, wenn man Verhofstadt opportunistische Motive bei diesem Manöver unterstellt. Er kandidiert nämlich für das Amt des Parlamentspräsidenten, das nach dem Abgang von Martin Schulz freigeworden ist. Am 17. Januar wird gewählt. Die Hilfe der 17 EU-Abgeordneten der M5S hätte Verhofstadt gebrauchen können, denn er hat nur Außenseiterchancen.

Am Dienstag veröffentlichte der Fraktionsvorsitzende der Konservativen (EVP) im Europaparlament, Manfred Weber, eine Vereinbarung, die seine Fraktion im Jahr 2014 mit den sozialdemokratischen Fraktion (S&D) getroffen hat. „Sie stimmen überein, dass die S&D-Gruppe den Präsidenten des Europäischen Parlaments in der ersten Hälfte der Legislaturperiode bestimmt und die EVP in der zweiten Hälfte“, heißt es in dem kurzen Papier. Es trägt die Unterschriften von Martin Schulz und Manfred Weber.

Weber wollte mit der Veröffentlichung den Druck auf die Sozialdemokraten erhöhen. Er sagte: „Jene, die die Vereinbarung brechen, tragen die volle Verantwortung, sollten antieuropäische Kräfte Einfluss gewinnen!“

Die Sozialdemokraten aber verweigern sich. Es könne nicht sein, behaupten sie, dass drei Spitzenjobs der EU mit EVP-Politikern besetzt werden: Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Ratspräsident Donald Tusk – und eben der künftige Parlamentspräsident. Das sei zu dem Zeitpunkt, als die Vereinbarung geschlossen wurde, nicht absehbar gewesen. Darum halten die Sozialdemokraten an einem eigenen Kandidaten fest.

Es ist also im Europarlament dieser Tage ein wildes Geschacher im Gange. Ist das ein Beweis für die intensive Selbstbeschäftigung einer abgehobenen politischen Kaste? Ein Beleg für ihre Distanz zum europäischen Bürger? Alles in allem ein Graus also?

Das kann man so sehen, doch ist eine andere Lesart wohl zutreffender. Der Streit ist so heftig, weil es um etwas geht. Das Amt des Parlamentspräsidenten der EU ist heute wichtiger als je zuvor. Das ist unbestritten ein Verdienst von Martin Schulz, dem scheidenden Präsidenten.

Doch hat dieses Amt paradoxerweise auch mehr Gewicht bekommen, weil die EU in einer existenziellen Krise steckt. Dem Europarlament kommt darin eine entscheidende Rolle zu. Denn es kann helfen, eine der Ursachen für die Krise der EU zu beseitigen: das demokratische Defizit.

Es nicht unbedingt schön anzusehen, was das Europarlament derzeit bietet, aber es ist doch nicht mehr als das Ringen um Macht. Das darf und soll man von Parteien auch erwarten.

Die eigentlich wichtige Frage kommt ohnehin erst danach: Kann der neue Parlamentspräsident mit der Macht etwas anfangen? Kann er sie zum Wohl der europäischen Bürger einsetzen?

 

Keine Angst vor den Debatten

Manchmal scheint es so, als hätten die Deutschen vor sich selbst mehr Angst als vor dem nächsten Anschlag. Diesen Eindruck muss man gewinnen, wenn man liest, wie intensiv nach der Tat in Berlin vor der Polarisierung der Gesellschaft gewarnt wird. Nur jetzt keine Debatte über Asylpolitik, keine Debatte über den Islam, keine Debatte über Migration. Trauern, das darf man. Streiten aber nicht. Denn das könnte schlafenden Hunde wecken.

Nur: Die schlafenden Hunde sind längst wach. Weiter„Keine Angst vor den Debatten“

 

Zerbröselte Solidarität

Die EU soll die Migration und die Flüchtlingsbewegung in den Griff bekommen. Das ist eine der zentralen Erwartungen der europäischen Bürger. Doch das wird nicht über Nacht geschehen, wohl auch nicht über Monate. Dazu ist Massenmigration viel zu komplex.

Es ist daher wenig überraschend, dass sich beim letzten EU-Gipfel des Jahres in dieser Frage nicht allzu viel bewegt hat. Man stritt sich mehr, als dass man sich einig war. Weiter„Zerbröselte Solidarität“

 

Martin Schulz kann alles und sollte verzichten

Er kann Kanzler. Er kann Außenminister. UN-Generalsekretär könnte er bestimmt auch. Nur darüber ist noch nicht gesprochen worden. Aber das kann ja noch werden. Im Moment scheint dieser Mann für alle höchsten Ämter infrage zu kommen. Die Rede ist von Martin Schulz, dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, dessen Amtszeit zu Ende geht.

Macht er weiter, strebt er eine dritte Amtszeit an? Seit Wochen wird diese Frage gestellt. Schulz schweigt dazu.

Alles, was man zu hören bekommt, sind Spekulationen. Ja, er will. Ja, er wird verzichten, aber nur dann, wenn ihm etwas Attraktives geboten wird. SPD-Kanzlerkandidat eben, oder Außenminister.

Es ist ein Trauerspiel. Die vermurkste Debatte um den Mann, der so viel für das Europäische Parlament getan hat wie kaum ein anderer, beschädigt eben dieses Europäische Parlament.

Es gibt freilich Gründe für die Auseinandersetzung um eine Verlängerung von Schulz‘ Amtszeit, parteipolitische Gründe. Die Sozialdemokraten wollen auf diesen EU-Spitzenposten nicht verzichten, weil ja die Konservativen die Präsidenten der Kommission (Jean Claude Juncker) und des Rats (Donald Tusk) stellen.

Außerdem haben Konservative und Sozialdemokraten einen Pakt geschlossen, und man arbeitet bisher ja sehr gut zusammen. Und so weiter. Und so weiter.

Draußen, draußen bei den Leuten, würde Schulz wohl sagen, interessiert das niemanden. Die europäischen Bürger wollen nicht wissen, wie und warum die Parteien sich gerade welche Posten aufteilen, sie wollen Ergebnisse, sie wollen das Gefühl haben, dass sie über die Politik Einfluss auf ihre Leben nehmen können. Sie wollen klare Alternativen, sie wollen keinen Parteienbrei und kein Parteienhickhack.

Das wissen die Europaparlamentarier freilich auch. Deshalb haben die europäischen Parteifamilien bei der letzten Europawahl im Jahr 2014 transnationale Spitzenkandidaten aufgestellt. Martin Schulz für die Sozialdemokraten und Jean-Claude Juncker für die Konservativen. Über nationale Grenzen hinweg führten sie Wahlkampf.

Das war eine gute Sache, weil die europäischen Bürger zum ersten Mal das Gefühl haben konnten, an einer echten europäischen Wahl teilzunehmen. Zweieinhalb Jahre später gewinnt man den Eindruck, dass sich das Parlament in erster Linie mit sich selbst beschäftigt. Die Frage, wer das Amt des Präsidenten bekleiden wird, dominiert alles.

Natürlich, der Posten ist wichtig. Schulz hat ihn mit Bedeutung aufgeladen, das ist sein Verdienst. Aber das wochenlange Gezerre schadet allen: Schulz selbst kommt als Sesselkleber rüber. Die Parlamentarier als engstirnige Parteipolitiker. Das Parlament als Kungelverein. Die Tatsache, dass Jean Claude Juncker in der konservativen Fraktion für den Sozialdemokraten Schulz wirbt, passt da ins Bild.

Je länger die unwürdige Hängepartie um Schulz dauert, desto mehr werden sich Populisten freuen. Ihr Munitionsdepot wird dieser Tage ordentlich aufgestockt. Martin Schulz hat zweifellos viele Talente, hoffentlich hat er auch das Talent zum Verzicht.

 

 

 

 

 

 

Europas Einsamkeit begann schon unter Obama

Barack Obama hat zum letzten Mal als US-Präsident Europa besucht. Und es war ein Abschied voller Wehmut – und voller Sorge. Denn Obamas Nachfolger heißt Donald Trump. So leidenschaftlich die Europäer – und unter ihnen besonders die Deutschen – Obama zumindest anfangs verehrt haben, so vehement lehnen sie Trump ab.

Jetzt, wo Obama aus dem Amt scheidet, haben die Deutschen und die Europäer noch einmal begriffen, was sie an ihm hatten, trotz aller Mängel. Seine letzte große Rede in Athen, in der er die Kraft der Demokratie beschwor, auch gegen Populisten wie Trump, erinnerte sie daran, dass Politik auch visionär sein kann, jenseits des reinen Krisenmanagements. Weiter„Europas Einsamkeit begann schon unter Obama“