Wer Chemiewaffen einsetzt, muss dafür bestraft werden. Die Frage aber ist: Wer straft mit welchen Mitteln? Die Vereinten Nationen können das höchste Maß an Legitimation für eine wie auch immer geartete Intervention bieten. Doch der UN-Sicherheitsrat findet schon seit zweieinhalb Jahren keine einheitliche Linie zu Syrien. Auch nach dem Chemiewaffeneinsatz von Damaskus bleibt der Sicherheitsrat tief gespalten. Russland stützt seinen Verbündeten, den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, die USA wollen ihn loswerden.
Die UN als Legitimationsquelle für eine militärische Intervention fallen also zum jetzigen Zeitpunkt aus. Der amerikanische Präsident Barack Obama ist entschlossen, auch ohne ein Mandat der UN zu handeln. Das ist nicht nur völkerrechtswidrig, sondern politisch äußerst problematisch. Wer Krieg führen will, muss sich um eine möglichst breite Koalition bemühen. Präsident George H. W. Bush senior hat das im Irakkrieg des Jahres 1991 vorgemacht. Der irakische Diktator Saddam Hussein hatte damals Kuwait besetzt. Bush senior scharte fast die ganze Welt hinter sich und vertrieb dann Saddams Truppen aus Kuwait. Dieser amerikanische Feldzug war politisch abgesichert und darum relativ erfolgreich.
George W. Bush junior nahm sich an seinem Vater kein Beispiel. Er brach 2003 den Irakkrieg vom Zaun, gegen erheblichen Widerstand hatte er ihn durchgezogen. Damals glaubten die USA, dass militärische Überlegenheit allein genügt. Die Führungsmacht des Westens leidet bis heute unter den Folgen dieses Irrglaubens.
Obama ist nicht George W. Bush junior. Er ist nicht machttrunken. Auch deswegen zögert er und versucht, Verbündete zu finden. Bisher mit mäßigem Erfolg. Nur Frankreich ist bereit, mit den USA militärisch in Syrien einzugreifen. Die restlichen europäischen Regierungen sagen zwar, dass der Chemiewaffeneinsatz Konsequenzen haben muss, aber einen militärischen Schlag wollen sie nicht unterstützen. Auch im Nahen Osten findet Obama kaum Unterstützer. In der Region hat sich nur die türkische Regierung bereit erklärt, aber die Mehrheit der türkischen Bevölkerung ist dagegen.
Obama will Assad trotzdem bestrafen. Er geht davon aus, dass er für den Chemiewaffenangriff verantwortlich ist, auch wenn das noch nicht einwandfrei bewiesen ist. Syrien hat das Genfer Protokoll aus dem Jahr 1925 unterschrieben, das den Einsatz von Chemiewaffen verbietet. Das rechtfertigt Sanktionen.
Die USA treten also als Strafinstanz auf, die im Zweifel auch allein losschlagen will. Militärisch sind sie dazu in der Lage. Das kann man Führungskraft nennen, doch in diesem Fall ist es ein Ausdruck von Schwäche. Die USA sind immer dann am stärksten gewesen, wenn sei beides hatten: eine schlagkräftige Armee und überzeugende Argumente.
Der Einsatz von Chemiewaffen muss Konsequenzen haben. Die politischen Bedingungen für eine militärische Intervention aber sind nicht gegeben. Der Krieg in Syrien ist ein Stellvertreterkrieg. Russland und Iran unterstützen Assad, Saudi-Arabien, die Türkei und die USA unterstützen die Rebellen. Greift Obama ein ohne Zustimmung der UN oder ohne die Unterstützung durch eine sehr breite Koalition, dann provoziert er eine direkte Antwort der Verbündeten Assads. Dann kann dieser Krieg völlig außer Kontrolle geraten.