Die afghanische Hauptstadt steht im Krieg. Dennoch werden »Othello« und »Der Wolf und die sieben Geißlein« gespielt. Denn die Kunst ist hier die größte Hoffnung mehr
Wiederaufbau klingt nüchtern, langweilig und mühsam. Aber Wiederaufbau fördert mitunter ganz Wunderbares zu Tage Diese Holzfiguren aus der afghanischen Proviz Nuristan zum Beispiel. Sie stehen im afghanischen Nationalmuseum in Kabul
Das ist Herr Sultan Istalifi. Er ist Laborchef bei den Filmstudios von Afghan-Films in Kabul. In den Studios wird seit Jahren nicht mehr gearbeitet, weil die Maschinen beschädigt sind. Im Prinzip aber könnten hier Schwarz-Weiß-Filme produziert werden.
Als ich Herrn Sultan Istalifi bitte, sich an die Filmdruckmaschine zu stellen, damit ich ein Foto machen kann, sagt er trocken: „Ich habe schon einmal genau hier für ein Foto posiert. Das war vor vierzig Jahren. Damals kamen die Maschinen gerade aus Amerika. Die Amerikaner wollten eine Erinnerung haben“
Vierzig Jahre später, dasselbe Erlebnnis. Die Maschine sieht tadellos aus, Herr Istalifi auch, nur ist er etwas grauer und schmächtiger geworden, und die Maschine wird, wenn man sie einschaltet, von einem Husten geschüttelt, aber ansonsten ist sie immer noch kräftig gebaut.
Sechs Jahre lange herrschte in der Region Kundus Ruhe. Dass der Norden Afghanistans nun unsicher wurde, ist auch die Schuld der Nato, die den Süden nicht befrieden konnte … mehr bei ZEIT online
Was ausländischen Truppen drohen kann, davon bekommt man im Bazar von Kabul eine Ahnung.
Der von der Bundeswehr befohlene Luftangriff in Kundus, offenbart einen Schwachpunkt der Kriegführung in Afghanistan: Die Nato ist äußerst abhängig von ihren Informanten. Und diese haben mitunter ganz eigene, ihren Auftraggebern zu wider handelnden Interessen.
In Kundus war es offenbar nicht der Fall, doch grundsätzlich können die Bomber der Nato manipuliert werden. Allein das macht ihren Einsatz schon sehr problematisch.
Die Ereignisse in Afghanistan überschlagen sich. Da ist es gut, einen Augenblick inne zu halten, und sich zu vergegenwärtigen, was allein in den vergangenen Tagen passiert ist. Am Donnerstag, den 3. September, wurden Bilder von einer „Sex-Party“ in der US-Botschaft in Kabul öffentlich und brachten die Regierung in Washington in Verlegenheit. Am selben Tag schickte der Oberfehlshaber der Natotruppen, General Stanley McChrystal, einen Bericht nach Washington. Darin wird offenbar eine neue Afghanistanstrategie entworfen, die noch mehr Truppen benötigt. Im Zentrum dieser Strategie steht der Schutz der afghanischen Bevölkerung, vor den Taliban aber auch vor Nato-Soldaten, insbesondere vor Luftangriffen. In der Nacht zum Freitag, den 5. September, forderte die deutsche Bundeswehr Luftunterstützung an. Zwischen 50 und 125 Menschen sollen gestorben sein, davon viele Zivilisten. Gleichzeitig werden immer noch die Wählerstimmen der Präsidentschaftswahlen vom 20. August ausgezählt – wobei immer massiver Wahlfälschungen zu erkennen sind.
Die Folter ist eine Thema, das uns noch lange begleiten wird. Einer der Journalisten, der sich damit ebenso umfassend wie brillant beschäftigt hat, ist Mark Danner. Ich empfehle seinen Essay , den er auf der Grundlage des IKRK Berichts über die Behandlung von 14 Häftlingen, die in dei Hände der CIA geraten waren, geschrieben hat. Darin steht zu lesen: „Unter der Führung des Präsidenten (George W. Bush Anm. d. A.) und seiner engsten Berater vollzogen die Vereinigten Staaten von Amerika die Wandlung von einem Land, das zumindest offiziell die Folter verurteilte zu einem Land, dass sie praktizierte. Und diese verhängnisvolle Entscheidung wird nicht verschwinden, so sehr wir uns das auch wünschen, genauso wie auch die vierzehn „besonders wertvollen Gefangenen,“ gefoltert und daher nicht gerichtlich verfolgbar, nicht verschwinden werden. Wie die grotesken Schilderungen im IKRK-Bericht liegt diese Entscheidung vor uns, als eine giftige Tatsache, die unser politisches und moralisches Leben verseucht.“
Danner hat recht: Das Problem wird nicht verschwinden, aber nicht nur wegen der Entscheidungen von George W. Bush.
Auch Barack Obama wird sich die Fragen stellen, wie man am besten gegen den Terror kämpft. Ein australischer Offizier David Kilcullen gilt derzeit als einer zentralen Strategen für den Kampf gegen den Terror. Sein Buch „Accidental Guerrilla“ ist die neue Bibel der Anti-Aufstands-Krieger. 2006 schrieb George Packer ein Portrait über Kilcullen. Darin sagt Kilcullen über den harten Kern Al Kaidas: “They’re so committed you’ve got to destroy them. But you’ve got to do it in such a way that you don’t create new terrorists“
Ich würde mich nicht wundern, wenn diese Männer „befragt“ werden, bevor sie – wie Kilcullen sagt – „zerstört“ werden. Und die Befragung dürfte nicht zimperlich sein.
Us-Präsident Barack Obama hat den Afghanistankrieg zu seinem Krieg gemacht. Er nennt ihn einen „war of necessity“, im Gegensatz zu Irakkrieg, der für ihn ein „war of choice“ ist. Eine seiner ersten außenpolitischen Amtshandlungen bestand folgerichtig darin, 17.000 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan zu schicken. Das ist gerade mal drei Monate her. Jetzt fordert Admiral Mullen, der höchste Militär der USA, eine weitere Aufstockung der Truppen. Der Befehlshaber der Nato-Truppen in Afghanistan, Stanley McChristal, wird in wenigen Tagen einen neuen Bericht vorlegen. Es wird erwartet, dass er noch mal 17.000 Truppen für Afghanistan anfordert wird. Obama wird sie ihm nicht verwehren, zu sehr hat diesen Krieg zu seinem eigenen gemacht . Der US–Präsident wird sich also weiter in einen Sumpf hineinbegeben, in dem er zu versinken droht. Auch Zeitschriften, die den Krieg befürworten, sehen inzwischen Parallelen zum Vietnamkrieg.
Das betrifft auch die Deutschen. Die Forderung nach mehr Truppen soll Berlin schon erreicht haben – noch ist Wahlkampf, und wollen die Parteien nicht über Afghanistan reden. Doch nach geschlagener Wahl wird es ernst. Deutschland wird endlich darüber diskutieren müssen, was es in Afghanistan eigentlich erreichen will und kann.
Einen zentralen Baustein in der Afghanistanstrategie des Westens nimmt der Aufbau einer schlagkräftigen Armee (Afghan National Army; ANA) ein. Das gezeigte Bild stammt von einem Truppenübungsplatz der ANA im zentralen Hochland.