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Kurz und klein (6): Krieg, Protest, Reaktor, Rücktritt

 

+++Krieg+++

Ist der Krieg in Libyen der erste WikiLeaks-Krieg der Geschichte? Der Papierform nach unterscheidet sich der Waffengang gegen Gadhafi zwar kaum von den Kriegen gegen die Taliban oder Saddam Hussein. Aber eines scheint völlig anders, die transparente Vorgehensweise der US-Regierung. Das jedenfalls ist die Meinung des amerikanischen Journalisten und Bloggers Tom Watson.

Die Gründe für seine steile Theorie sieht Watson überraschenderweise auch bei WikiLeaks. Eine Position, die maximalen Disktinktionsgewinn verspricht, aber nicht durch maximale Logik glänzt. In einem streitbaren Artikel legt er dar, dass es sich bei dem Militäreinsatz in Libyen aus ganz unterschiedichen Gründen um den ersten WikiLeaks-Krieg handelt. Nicht nur die libysche Bevölkerung, die, wie die aufbegehrenden Gesellschaften in Tunesien und Ägypten, aus den US-Depeschen Motive ihrer Proteste bezieht, sondern auch die libysche Führung mit ihrem irrwitzigen Führer Muammar al Gadhafi an der Spitze, hat die Konsequenzen aus den WikiLeaks-Veröffentlichungen gezogen.

Von Beginn an verzichtete der Gadhafi-Clan auf alle Kompromisse und verstärkte sofort nach dem Aufkommen der ersten Proteste die Repressionen. Nach dem Motto: Die Wahrheit über uns Schweinehunde ist sowieso bekannt, was sollen wir noch zimperlich sein. So habe man sich das Schicksal der Ben-Alis und Mubaraks ersparen wollen. Watson geht aber noch weiter, dieser Logik folgend, macht er WikiLeaks für die Eskalation der Gewalt mehr oder weniger mitverantwortlich.

Aber auch die amerikanische Regierung hat ihre Konsequenzen aus dem Cablegate-Desaster gezogen und eine strategische Kehrtwende vollzogen. Überraschend defensive und erstaunlich transparente versuche die US-Administration den Konflikt international abzusichern. So Watson in seinem Artikel.

Mit seiner kühnen Theorie denkt er, nach eigener Aussage, nur zu Ende, was Assange selbst noch vor wenigen Tagen ansprach. Die Bedeutung von Facebook und Twitter im Kontext der nordafrikanischen Revolutionen werde überschätzt, die von WikiLeaks hingegen weitgehend unterschätzt. Aber im Gegensatz zu Assange kommt Watson zu einem anderen Schluss: Der Libyen-Krieg ist bei ihm fast die zwingende Folge der WikiLeaks-Veröffentlichungen. Wenn die Depeschen diesen beanspruchten Anteil an den Unruhen haben, dann haben sie ihn auch an diesem neuen Krieg.

+++Protest+++

Weltweit kam es am zurückliegenden Wochenende zu Protestaktionen gegen die Haftbedingungen des ehemaligen Obergefreiten der US-Armee und mutmaßlichen Whistleblower, Bradley Manning. Das Protestbündnis Stand with Bradley hatte in etlichen Städten weltweit zu Demonstrationen aufgerufen.  In Washington kam es zu Protesten vor dem Weißen Haus. Unter anderem wurde dabei einer der berühmtesten Whistleblower der jüngeren Geschichte, Daniel Ellsberg, verhaftet. Ellsberg hatte in den 1970er Jahren für die Veröffentlichung der sogenannten Pentagon Papiere gesorgt. Sie dokumentierten die vorsätzliche Irreführung der amerikanischen Öffentlichkeit durch die US-Regierung während des Vietnamkriegs.

Die Proteste des Wochenendes richteten sich gegen die 22 Anklagepunkte und insbesondere die Haftbedingungen Mannings. Wir hatten mehrfach berichtet. Zu Demonstrationen kam es in zahlreichen Städten der USA zudem in Finnland, Groß Britannien und Österreich. In Deutschland dagegen gab es keine Veranstaltung. Bleibt nur die Frage warum?

+++Reaktoren+++

Es ist seit Tagen bekannt und kann doch nicht oft genug wiederholt werden. Wie WikiLeaks-Depeschen aus den Jahren 2006 und 2008 belegen, waren die Risiken, die Erdbeben für japanische Atomkraftwerke darstellen könnten, seit Jahren nachzulesen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Risiken für andere Atomkraftwerke außerhalb Japans mittlerweile nachgelesen wurden. Inklusive der nötigen Konsequenzen.

+++Rücktritt+++

Die Welt richtet ihre Augen nach Japan und Nordafrika. Über die Bedeutung der Wikileaks-Depeschen dort berichteten wir. Aber auch andernorts ist Cablegate noch immer Ausgangspunkt für lokale oder regionale Krisen. Das Verhältnis der USA zu Mexiko ist zuletzt wiederholt erschüttert worden, nachdem durch veröffentlichte Depeschen zuletzt bekannt geworden war, wie sich der US-Botschafter in Mexiko über die vermeintlich nachlässige Haltung der mexikanischen Behörden im Kampf gegen den organisierten Drogenhandel beschwert hatte. Jetzt musste der Botschafter seinen Posten räumen. Es ist nicht der erste Botschafter den WikiLeaks-Veröffentlichungen seinen Posten gekostet haben. Und es wird nicht der letzte sein.