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12. Mai 2022 – Ausgabe 20

 

Leserbriefe zu „Gerne in die Kaserne“ von Martin Machowecz

 

Ihr Plädoyer für eine Rückkehr des Wehr- bzw. Zivildienstes ist zu unterstützen. Als Wehrpflichtiger wurde ich selbst zum 1. Juli 1968, kurz nach dem Abitur, zum damals 18-monatigen Grundwehrdienst eingezogen, erlebte in dieser Zeit die wochenlange Kasernierung nach dem Einfall des Wahrschauer Paktes in Prag. Neben der Ausbildung (zuerst Grund-, dann Spezial-, schließlich Unterführer-) und einem Quartal als Gruppenführer in der Grundausbildung konnte ich einige Monate vor dem offiziellen Dienstende mein Studium beginnen.

Vieles von meinem Schulwissen war mir bis dahin verloren gegangen, aber ich habe Erfahrungen sammeln können, die auf anderem Wege kaum möglich waren: Umgang und Zusammenleben (Tag und Nacht!) mit jungen Männern, die mir vorher höchstens beim Sport begegnet waren. Körperliche und mentale Strapazen erheblichen Ausmaßes bei Manövern.

Dass auch in völlig anderen Lebensbereichen der Umgang mit Menschen verschiedenster Herkunft erlernt werden muss, ist mir später oft klar geworden, wenn mir der Mangel an solcher Kenntnis unangenehm auffiel. Wer sein Leben durchgehend in speziellen „Blasen“ verbringt, entwickelt wohl kaum ein Gefühl dafür, was ihm rundherum entgeht und wie er nach aussen wirkt. Zumal die ständige Pflege der Blase ja auch für ihren Erhalt sorgt und Außenstehende „erfolgreich“ draußen hält…

Teilweise kann der Zivildienst sicher auch für einen Kontakt mit dem wirklichen Leben sorgen, die gemeinsame Unterkunft intensiviert diesen Effekt jedoch wesentlich. Ausgestaltung und Dauer (eines wieder eingeführten Dienstes) sollten unter Heranziehung internationaler Erfahrungen aktualisiert werden. Vielleicht verfolgen Sie das Thema weiter? – J. L. Neumann

 

Allen Argumenten, die Martin Machowecz zugunsten einer Wiedereinführung der Wehrpflicht anführt, kann ich zustimmen – insbesondere auch dem Gedanken, sie zu einer allgemeinen Dienstpflicht für Männer und Frauen zu erweitern. Ergänzen sollte man noch den historischen Hinweis, dass die moderne Wehrpflicht zur Demokratiegeschichte gehört. Sie geht auf die Französische Revolution zurück, in Deutschland ist sie verbunden mit den „Preußischen Reformen“.

Die Militärreformer Scharnhorst und Gneisenau wollten eine Armee von Staatsbürgen, die nicht angstgetrieben aus Untertanengeist – wie die alte preußische Armee – agierte, sondern aus Überzeugung ihr Land verteidigte. Dieser Gedanke des „Staatsbürgers in Uniform“ ist immer noch aktuell. Ich habe im Epochenumbruch 1988/1989 meine damals 15monatige Wehrpflicht geleistet – und diese Grundidee – Staatsbürger in Uniform – war damals durchaus im Dienstalltag zu spüren. Wir wurden nicht sinnlos gedrillt, sondern vor allem fachlich ausgebildet.

Uns (wir waren damals eine Einheit fast ausschließlich aus Abiturienten) wurde nicht einfach befohlen, sondern es wurde erklärt, warum wir etwas so und so machen. Es gab auch staatsbürgerlichen Unterricht (Ich erinnere mich an einen Aufsatz über die Ostpolitik der Regierungen Brand und Schmidt, den ich damals geschrieben habe). Alles in allem war es eine Zeit, die ich als sinnvoll erlebt habe. – Dr. Olaf Hähner

 

Unbedingt für Alle! Vielleicht wird jetzt mehr Menschen in Deutschland klarer, was Martin Machowecz in seinem Beitrag Gerne in die Kaserne geschrieben hat. Es muss ja nicht unbedingt Leidenschaft das Motiv zum Wehrdienst sein, dagegen aber die Überzeugung, dass eine Wehr- oder Dienstpflicht, eine verpflichtende Zeit für die Gemeinschaft ein wichtiger Beitrag Aller für unsere Demokratie wäre. Damit könnte jede/jeder etwas zurückgeben für alles das, was die Gemeinschaft für uns leistet oder getan hat.

Ein Dienst für Männer und Frauen, mit und ohne Waffe, in Sozialprojekten und im Pflegedienst, und jede/jeder auch so weit wie möglich nach den eigenen Neigungen und Möglichkeiten. Gerade in den völlig unterbesetzten Pflegeeinrichtungen könnte das Fachpersonal von Aufgaben freigestellt werden, für die es überqualifiziert ist – Essenverteilen, Vorlesen, Botengänge, Zuwendung vor allem – für manche, denen auf ihrem Ego-Trip die Ellbogen nicht breit genug sein können, würde das den Blick für die Anderen in unserer Gesellschaft öffnen helfen, vielleicht sogar das generieren, was in teuren Seminaren und Schulungen vermittelt werden muss – soziale Kompetenz und Gemeinsinn. In jedem Fall würde ein solcher Dienst das Verständnis für die Notwendigkeiten ausserhalb des eigenen geordneten, sozialversicherten Lebens öffnen. – Dr. Hanns-W. Hey

 

Herr Machowecz hat sehr gute Argumente für die Wiedereinführung der Wehrpflicht, die unter den jetzigen Bedingungen geradezu zwingend erscheinen. Allerdings würde ich – wenn wir schon dabei sind – dann lieber gleich noch etwas weiter ausholen. Es erscheint mir dringend geboten.

Als Einwanderungsland mit langfristig hohem Bedarf an Menschen, die das Land „am Laufen halten“ wie mal so sagt, und mit den Schwierigkeiten, die das so mit sich bringt, wäre eine allgemeine Dienstpflicht für ein demokratisches Land für ALLE eine wirklich gute Sache. Allerdings nur, wenn man dort von Menschen ausgebildet würde, die über exzellente Expertisen zu den Themen Demokratie, interkulturelle Kompetenz aber auch und in erster Linie zu Macht und Machtmissbrauch verfügen.

Dort sollte man, egal in welchem Bereich man den Dienst ableistet, Grundbegriffe darüber lernen, wie ein Miteinander von unterschiedlichsten Menschen möglich ist, in der die Würde des einzelnen gewahrt bleibt. Wie man unterschiedliche Sichtweisen „aushalten“ kann, ohne destruktiv zu werden und wie unverzichtbar zivilgesellschaftliches Engagement für das Funktionieren einer Gesellschaft und einer Demokratie ist.Außerdem sollte man von den gleichzeitig flächendeckend eingerichteten Bürgerräten erfahren, innerhalb derer man sein Engagement nach dem Dienst weiter führen kann und wo sonst das möglich ist. – Dr. med. Sibylle Riffel

 

Der aus meiner Sicht wichtigste Aspekt für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht wurde überhaupt nicht angesprochen. R E S P E K T ist für viele in der jüngeren Generation ein völliges Fremdwort.

In unserer Gesellschaft werden nur noch die persönlichen Freiheiten exzessiv ausgelebt – und das wird schon lange völlig übertrieben. Respektloses und aggressives Auftreten insbesondere gegenüber unseren Ordnungshütern ist doch der Alltag.

Die Verrohung der Gesellschaft geht immer weiter – Armes Deutschland ! Eine Grundausbildung (auch für Frauen) würde dem vielleicht ein wenig entgegenwirken, wenn das im Elternhaus schon nicht geklappt hat. – H. Michelsen

 

So berechtigt die Forderung und Anregung des Autors im Hinblick auf die Wiedereinführung und Neugestaltung einer Wehr- oder allgemeinen Dienstpflicht sein mag, so sehr irritiert der mehrfache Hinweis des Autors darauf, dass auch Frauen dieser Dienstpflicht unterfallen müssen. Frauen haben in der Bundesrepublik auch im Jahre 2022 noch lange nicht die gleichen beruflichen Chancen wie Männer, erzielen in weiten Teilen (deutlich) weniger Einkommen als Männer und „verlieren“ im Laufe ihres Lebens so unendlich mehr Zeit durch Schwangerschaft, Geburt und Elternzeit, dass es fast überflüssig ist zu erwähnen, wie viel mehr Frauen als Männer in zahlreichen Ehrenämtern tätig sind und was Frauen- oft im Gegensatz zu Männern mit Familie- immer noch „on top“ leisten müssen und wollen.

Möglicherweise überwiegen vielleicht dennoch die Argumente für eine allgemeine Dienstpflicht für Frauen und Männer- aber eine Auseinandersetzung damit, wie es sonst um die „Gleichberechtigung“ bestellt ist, dürfte das mindeste sein, was erfolgen muss. Darüber verliert der Autor aber bedauerlicherweise kein Wort. – Maike Grages

 

Hier wird vorgeschlagen die Wehrpflicht wieder einzuführen.Für Männer und für Frauen.Und dieses Mal weniger muffig. Was heisst hier weniger muffig? Was auch immer,der Vorschlag für sich ist eine Tollheit. Wer in die Kaserne will,soll es tun.Aber Pflicht? Das klingt nicht gut;muffig oder nicht. – Hans-Emil Schuster

 

Ihrer Argumentation für die Einführung einer Wehrpflicht stimme ich vollkommen bei. Ich würde sogar noch weiter gehen und die Alternative zwischen einem Wehrdienst mit und einem Wehrdienst ohne Waffen anbieten. Beide Gruppen könnten im Rahmen der Bundeswehr eine Grundausbildung durchlaufen. Beim Wehrdienst ohne Waffen würden Methoden und die Philosophie des gewaltfreien Kampfes, wie sie im indischen Befreiungskampf einst Mohandas Gandhi entwickelt hat und von NGOs wie Greenpeace aufgegriffen wurden, weiterentwickelt und auf aktuelle Szenarien angewendet.

Die gemeinsame Ausbildung beider Gruppen könnte überschneidende „Fächer“ umfassen wie Staatsbürgerkunde, Geschichte der Demokratie und Menschenrechte, gewaltfreie Kommunikation, Achtsamkeitsmeditation etc. Nach der Grundausbildung (3 Monate) könnte dann für den Wehrdienst ohne Waffen der Dienst in sozialen Einrichtungen, usw. erfolgen, wie Sie das beschrieben haben, doch nicht nur für 3 weitere Monate, sondern ich würde mindestens 9 ansetzen, so dass es insgesamt ein Jahr wäre, ebenso für den Wehrdienst mit Waffen.

In beiden Gruppen gäbe es dann auch die Möglichkeit, sich gestaffelt für mehrere Jahre zu verpflichten. Die Einbeziehung der Möglichkeiten des gewaltfreien Kampfes in eine staatliche Verteidigungsstrategie wäre m.E. ein großer Schritt in der Entwicklung der Menschheit. Die gegenwärtige Situation bietet den Kairos, dies in die Wege zu leiten. – Dr. theol. Christian Hackbarth-Johnson

 

Beklemmung, Widerwille, Zorn. Eine bunte Kakophonie von inneren Stimmen. Sie erheben sich bei Lektüre des Plädoyers Gerne in die Kaserne von Martin Machowecz. Sie legen vehementen Einspruch ein. Sie wenden sich gegen den Wunsch des (Achtung: provokant) Widererwachens nationaler Militärkultur.

Durch Kriegsbilder in Europa aus einem friedensverwöhnten Dornröschenschlaf unliebsam geweckt, sollen Marder, Gepard und Haubitze nun auch abseits des Fernsehzimmers (Wieder-)Einzug in den Alltag der Deutschen erhalten. Das Heer, es soll (wieder) gesellschaftlichen Rückhalt finden. Nur anders als damals, weniger braun und stramm, irgendwie hipp und modern, also cool, auch mit Frauen. Die Einzugs-Kaserne, ein Ort des Wohlfühlens, aber bitte keine Ferienheim-Atmosphäre, man spiele ja schließlich ernsthaft den Kriegsfall!

Wie soll ich mir das bitteschön vorstellen? Die Bundeswehr, sie soll wieder in unser aller Leben sein, dies mache künftige Kriege unwahrscheinlicher. Aha, den Schulabschluss gerade so gepackt, dann aus dem Elternhaus ab in die Kaserne; beim Heimatbesuch stolz von den Erlebnissen an der Waffe erzählen, die Eltern ein wenig unschlüssig. Wie reagieren? Jedenfalls gegen Krieg und Waffen und all den Bumms sein! Für diese Erkenntnis soll das eigene Kind zum Militär?! Die Wiedereinführung der Wehrpflicht, sie sei ein Zeichen an die Ukraine; sie sei Ausdruck der Bereitschaft, im Notfall auch selbst zu kämpfen. Famos, aber den Krieg kann die Ukraine dadurch auch nicht gewinnen; da sind ihr bequeme Waffenlieferungen aus edlen Motiven vermutlich lieber …

Die ehemaligen Kriegsdienstverweigerer, jetzt schwingen sie große Reden! Wenn es ernst wird, man selbst aus dem Schneider ist, wird die glorreiche Vaterlandstrommel gerührt. Ich hätte damals, aber… Ich bedauere, dass ich nicht … Unter heutigen Umständen würde ich anders … Na, auf Jung, Kaserne ist doch eigentlich ganz cool … Und dieser hartnäckige Unterton des Artikels; als stünde ein Angriff auf die Bundesrepublik geradezu bevor, als sei die russische Armee auf dem Landweg nach Berlin. Als müsse man (zumindest für den Fall der Fälle) eine größtmögliche menschliche Abwehrmasse in Habachtstellung versetzen … – Nils Wattchow

 

Im Gegensatz zu Martin Machowecz habe ich nicht den „Kriegsdienst“ verweigert, sondern mich als „weißer Jahrgang “ freiwillig mit 60 Jahren zum Wehrdienst gemeldet. Mein Vater starb mit 28 als Militärarzt im Hunderttausend-Mann-Heer, meine Mutter begann als 22-jährige Witwe eine Lehrerausbildung und wurde dabei 95 Jahre. Als ich 1970 mit 69 Westdeutschen in Moskau von den Komponisten Schostakowitsch und Katschaturian bei einer ISME-Konferenz begrüßt wurde, sagte der armenische Katschaturian auf Deutsch: „Gott schütze Euch alle!“ Warum aber sagte Schostakowitsch nichts?

Könnte es sein, dass er die Umzingelung seiner Heimatstadt Leningrad durch die deutsche Wehrpflicht-Armee, bei der die Menschen reihenweise Hungers starben, nicht vergessen konnte? Haben denn auch wir heute noch nicht begriffen, dass Hitler nach dem ungeklärten Abbrennen des Reichstages die Wehrpflicht mit dem Ziel einführte, ein Nachbarland nach dem anderen zu besetzen? Die gewitzten Berliner hatten ihn wohl unter Infragestellung van der Lubbes als Brandstifter durchschaut, als sie den Reichstagswitz kreierten:

Vater und Sohn sitzen im Ku-Damm-Restaurant; fragt der Kleene den Großen „Vater, nu sag mir mal, wer hat denn den Reichstag nun wirklich angesteckt?“ Darauf der Vater: „Still, eSS, eSS, mein Junge!“ PS.Bertold Brecht(insel taschenbuch 3331 Seite 995 unten)deutet an, dass es die SA war unter dem später liquidierten Röhm war! – Dietrich Bauer

 

Meinem Sohn, Jahrgang 1994, kam die Aussetzung der Wehrpflicht gelegen, so konnte er ohne Verzögerung direkt nach der Schule sein Studium starten. Natürlich freute ich mich für ihn; trotzdem hielt ich die Aussetzung der Wehrpflicht 2011 für einen Fehler und denke auch heute noch so.

Theodor zu Guttenberg lag mit seiner Einschätzung, dass aus der Bundeswehr eine „hochprofessionelle Streitmacht“ werden würde, völlig daneben. Zumindest hätte dann die Ausrüstung stimmen müssen, nicht einmal das, dagegen wurde reduziert und eingespart. Ganz abgesehen davon, dass die Bundeswehr durch die Aussetzung der Wehrpflicht immer mehr aus dem Blickfeld der Gesellschaft geriet und ein Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung produziert wurde, das nicht opportun war.

Die Bundeswehr ist nie zu der Berufsarmee geworden, die genug Attraktivität und Anerkennung auch für einen repräsentativen und breiten Bevölkerungsschnitt entwickeln konnte, so leidet sie aktuell nicht nur unter Materialmangel sondern auch immer mehr unter Personalmangel. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht könnte vielleicht daran etwas ändern. Das setzt aber auch voraus, dass die Wehrpflicht moderner gestaltet und die Grundausbildung reformiert werden müsste, nicht nach dem alten Motto „drei Monate Grundausbildung und dann auf der ´Stube` gammeln (so wurde es immer erzählt)“. Alternativ gehört der Zivildienst dann auch wieder mit dazu.

Martin Machowecz mutmaßt, dass die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht für junge Männer nicht allzu schwierig wäre, das stimmt wohl. Richtig ist auch, dass die Dienstpflicht für junge Frauen eine Verfassungsänderung nötig machen würde. Unmöglich ist das nicht, denn die „alten“ Argumente gegen die Wehrpflicht für Frauen, dass sie körperlich nicht so leistungsfähig seien, Kinder bekämen und vorwiegend mit der Erziehung beschäftigt wären usw. sind längst nicht mehr zeitgemäß. Lebensmodelle haben sich geändert. Wir leben im 21. Jahrhundert, Frauen können längst freiwillig Soldatin in der Bundeswehr werden. Man darf gespannt sein, wie es mit der Bundeswehr weitergeht und wie das geplante Sondervermögen eingesetzt werden wird. Hoffentlich nicht im gewohnten Schneckentempo und hoffentlich einmal richtig, da stimme ich Herrn Machowecz zu. – Regina Stock

 

Sie sagen, dass Sie selber keinen Wehrdienst geleistet haben. Das erklärt, warum Ihnen die wirkliche Härte der Wehrpflicht entgangen ist. Es waren nicht die Feldbetten. Es war die unglaubliche Sinnlosigkeit der 15 Monate, die der Rekrut dort zubringen musste. Eine Zeit, geprägt davon nichts tun zu dürfen, wozu man keinen Befehl hat, keine Befehle zu bekommen, aber sich nicht erwischen lassen zu dürfen, nichts zu tun. Eine Zeit, geprägt vom Ausleben persönlicher Nickeligkeiten nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam.

Was habe ich mitgenommen aus dieser Zeit? Konnte ich schießen? Nein, dafür hätte ich mindestens zehnmal so viel Munition gebraucht und fachkundige Anleitung. Konnte ich Erste Hilfe? Nein, denn dazu wäre viel mehr Sanitätsunterricht und Übung nötig gewesen. Aber die Erkenntnis, wie schwer man unnatürliche Bewegungsmuster wieder los wird, ist geblieben. Und die Verblüffung darüber, wie sparsam subfontanelle Möblierung bei manchen Menschen sein kann, ohne dass Vitalfunktionen beeinträchtigt sind.

Hat die Wehrpflicht die Landesverteidigung gestärkt? Ja, indirekt. Ihre Aussetzung war sogar noch nachträglich ein harter Schlag gegen den Warschauer Pakt. Sie möchten, dass die Wehrpflicht wieder auflebt? Meinetwegen, aber bitte mit einer klaren Ausrichtung auf leibhaftige und tatsächliche Wehrhaftigkeit des Landes und nicht bloß, damit die Berufssoldaten jemanden haben, an dem sie ihren Frust über den allgegenwärtigen Verwendungsstau austoben können. – Hans List

 

„Wehrpflicht, allein das Wort ist ja schon von einer feldbettenhaften Härte“. Ich liebe euren Sprachwitz. Und unabhängig davon ist alles richtig und wichtig, was ich hier lesen darf. Junge Menschen bekommen in einem solchen Jahr Chancen geschenkt und nicht Lebenszeit geklaut, wie man von Kritikern oft hört. Und wenn diese „Dienstpflicht“ erweitert wird auf soziales oder ökologisches Engagement innerhalb der Gemeinschaft, hat jede und jeder die Wahl. Sie dürfen sich ausprobieren und erleben, wie sinnstiftende Arbeit sich anfühlt. Eine solche Atempause vor der rush hour des Lebens wird ganz sicher die Karriereplanungen vieler Menschen um positive Impulse bereichern. – Barbara Rogge

 

Ich bin völlig fassungslos! Wie können Sie in einer Zeit, in der endlich das Verhältnis der Care-Arbeit im Zuge der „Gleichberechtigung“ fast öffentlich thematisiert wird, allen Ernstes eine Wehrpflicht – auch für Frauen fordern? Junge Frauen müssen- leider im Gegensatz zu ihren Gleichaltrigen weder Verantwortlichkeit, noch das Dienen an der Gesellschaft lernen.

Das stellt sich wenn nicht bereits vorhanden umgehend und für den Rest ihres Lebens mit der Geburt des ersten Kindes ein! Und ich persönlich zitiere zusätzlich Reinhard Mey: „Meine Söhne (und Töchter) geb ich nicht“! – Bibijana Münch-Sgodda

 

Ausgerechnet ein Wehrdienstverweigerer, Herr Martin Machowecz, stellt jetzt die Frage, den Wehrdienst wieder einzuführen. Generationen von Friedensmärschlern und Wehrdienstverweigerern haben ganze Arbeit geleistet. Von ihrer Sozialisation her sind die in Frage kommenden Geburtsjahrgänge für einen Wehrdienst gar nicht mehr geeignet. Mehrheitlich wohnen die alle noch im Hotel Mama. Zum Kampf eines Soldaten im Krieg gehört das Töten und die Haltung, selbst getötet zu werden. In der Vergangenheit waren die Wehrdienstleistenden die Diskreditierten („Alle Soldaten sind Mörder!“), während die Verweigerer bzw. Ersatzdienstleistenden von den Eliten der BRD als ethisch über diesen stehend behandelt wurden. Dieses Wissen ist heute allgemeiner Konsens. Bei der Wiedereinführung eines Wehrdienstes würde die Mehrheit der jungen Menschen verweigern und eine Minderheit soll dann für alle die Kastanien aus dem Feuer holen. – Jochen Harms

 

Ich habe bei den Fallschirmjägern in Nagold gedient, falls Ihnen das etwas sagt. Und ich habe danach zusätzlich im Zivildienst für behinderte Kinder gearbeitet. Ersteres hat sehr viel Spaß gemacht, besonders das Springen, der zweite Einsatz war sehr nützlich für die Kinder und auch für mich. Zum gründlichen Nachdenken hat mich beides gebracht. Ich habe deshalb im Anschluss an den Wehrdienst den Kriegsdienst aus voller Überzeugung verweigert. Motto: „Wer wirklich gegen Wirtshausschlägerei ist, der sollte sich auch niemals daran beteiligen. Andernfalls wäre er ein Heuchler.

Denn heute – und das macht jeden Krieg zum Verbrechen – heute steht nicht Ritter gegen Ritter auf dem Schlachtfeld, heute sitzen professionelle Soldaten an und in Massenvernichtungswaffen und wissen, dass sie zwangsläufig immer auch Zivilisten töten werden. Da hilft kein blindes Leugnen dieser Tatsache. Es geht um hoffentlich wenigstens unabsichtliche aber stets vorhersehbare, unvermeidbare, schwere Verbrechen gegen Wehrlose. Ihr Beitrag erinnert mich an die herrlich jungen und gesunden Menschen, die fröhlich und mit Blumen in den ersten Weltkrieg zogen, die fröhlich Franzosen mit dem Bajonett aufspießen wollten (jeder Stoß ein Franzos) und die ebenso fröhlich Russen erschießen wollten (jeder Schuss ein Russ). Und die bald siegreich und fröhlich in die Heimat zurückkehren wollten.

Aus dem Krieg kamen diese, durch teuflische Propaganda verführten Kinder dann jedoch gründlich informiert zurück. Die Fröhlichkeit fehlte inzwischen ebenso wie z. T. die Arme und die Beine oder gar das Gesicht und der Charakter der „Helden“. Sie verbreiten nun – 100 Jahre danach – diese dümmliche Stimmung, die den Kriegstreibern in aller Welt so wunderbar in die Karten spielt. Das beginnt beim albernen Titelbild, das eine schöne, milchgesichtige junge Frau sehr fotogen über den Rasen sprinten lässt – eben fröhlich und gar nicht wie im Krieg, und das endet in einem Text, an dem sich eine kriegsbegeisterte Werbeagentur ausgetobt haben könnte, um die jungen Menschen in ein Verderben zu locken, das in den Kriegsübungen mit den Amerikanern bereits gezeigt hat, wie Deutschland mit US-Atombomben „verteidigt“ werden soll, wenn die Russen die Grenze überschritten haben – selbstverständlich ist dann auch fröhliches Bomben angesagt.

Ich zitiere Sie: „Nun sind wir, wo wir sind. In einem Land, das kaum noch eine Kultur besitzt, in der das Militär eine Rolle spielt. Auch deshalb muss die Wehrpflicht zurückkommen. Nicht so, wie sie war, sondern freier, sogar fröhlicher und mit Frauen. “ Die Verrohung begann vor Jahren noch mit sehr eindrucksvoll demonstrierter Ernsthaftigkeit, als man die Frauen noch sehr zurückhaltend in die Tötungsmaschine Armee locken wollte. Heute ruft man schon beide Geschlechter hemmungslos zum fröhlichen Töten auf. Niemand scheint sich dafür noch zu schämen. Niemand scheint zu bedenken, was das für die Kinder einer solchen Generation bedeutet. Früher gab es zwei Vorbildvarianten als Eltern:

Der Vater stand eher für die sachlich notwendigen, eher ernsten Pflichten des Lebens und für die Notwendigkeit sich durchzusetzen – notfalls als Soldat. Die Mutter war, dank ständiger Übung in anderen Verhaltensweisen, eher für mehr Sensibilität, für die Vermittlung von Werten und Kultur während des ganzen Tages zuständig und für das Vorleben von wahrer Nächstenliebe und Frieden. Gute Väter versuchten am Abend oder am Wochenende auch diesen Teil ein wenig mit zu bedienen. Die Kinder merkten durch ständige Beobachtung, dass das Leben unterschiedliche Persönlichkeiten, Möglichkeiten und Anforderungen stellt und dass sie sich irgendwann entscheiden können und entscheiden werden müssen.

Künftig aber werden die Kinder nicht mehr diese gute Mischung zweier unterschiedlicher Schwerpunkte beobachten können, sondern sie werden dann also von zwei mental sehr übereinstimmenden Kriegern zu neuen Menschen erzogen, u.a. getreu Ihrem Motto: auf auf zum fröhlichen Töten – wie einst die Urgroßväter und wie künftig Vater und Mutter gleichermaßen. Der nützliche Zweifel und der wichtige Zwang zum Nachdenken über die beiden unterschiedlichen elterlichen Vorbilder kann nicht mehr entstehen. Die Eltern sind dann wie eineiige Zwillinge ohne anregende Unterschiede.

Beide tragen Uniform und beide sind zum zögerungsfreien Töten ausgebildet. Was mag sich da für eine Kultur entwickeln, die sich keine Zweifel mehr erlauben will? Was die Welt aber wirklich braucht, das sind Politiker, die begreifen, dass es ihre eigene und ihre dringendste tägliche Aufgabe ist, Frieden in Verhandlungen ohne Waffen zu schaffen und täglich(!) durch ihre Politik daran zu arbeiten, statt andauernd den Gegner polemisch zu verteufeln und sich in Kriegstreiberei zu ergehen. Frieden schaffen, das ist nicht die Aufgabe der Demonstranten, an die man sich höhnisch wendet, wenn aufgrund der schlechten eigenen Politik und aufgrund von Provokationen die Waffen sprechen, weil die Politik ihre Aufgabe nicht annähernd erfüllt hat, weil die Politik jämmerlich und schändlich versagt hat.

Es ist beim Krieg wie beim Klima: Die Politik hört die Ermahnungen der Friedensdemonstranten und der FFF-Generation nicht, die beide die Politik immer wieder an ihre Pflicht zu intelligentem und ethischem Handeln erinnern. Und in beiden Fällen verhöhnen die Versager die Mahner, wenn die politischen Versager den Karren in den Dreck gefahren haben, wenn also Massaker und Klimakatastrophen das Leben der wehrlos der Politik ausgelieferten Menschen zerstören. Dümmliches Motto: „So und nun? Was macht ihr nun, ihr Pazifisten?“ Als ob die Pazifisten schuld an der miserablen Politik und am entsetzlichen Ergebnis wären und als ob die Kriegstreiber Recht hätten, weil Krieg nun unvermeidbar erscheint.

Wir brauchen Werber für eine Politik, die täglich(!) den Frieden sichert und die nicht erst aufwacht, wenn es bereits knallt. Und wir brauchen keine unintelligente Begeisterung für den Dienst am Töten. Seit 1990 hat die Politik durch Provokation statt durch eiserne Arbeit am Frieden das vorbereitet, was die Menschen in der Ukraine jetzt ausbaden und bezahlen müssen – mit ihrem Leben und absolut nicht fröhlich. Es ist immer richtig, für den Frieden und für das Leben zu arbeiten, statt für den Krieg und den Tod. Mancher muss sehr lange lernen, bevor er das wirklich begreift. Und deshalb glorifiziert mancher leichtfertig und verantwortungslos den Job des Tötens.

Vor 2000 Jahren hat Petrus seinen Herrn dreimal verleugnet. Heute verleugnen die Fähnchen im Winde die Friedenspolitik der Vergangenheit, die uns Frieden und Versöhnung mit dem Westen und mit dem Osten gebracht hat. Petrus hat bekanntlich bitter bereut. Unsere Freunde des fröhlichen, massenhaften Tötens werden ebenfalls dieses schmerzhafte Erlebnis haben. Wie man aus den Bildern aus der Ukraine sieht, sind die modernen Waffen keine Präzisionsinstrumente, die gezielt nur den Bösewicht töten – nein, es sind stets Massenvernichtungswaffen, die ganze Gebäudeblocks zerstören und die mehr als tausend tödliche Schuss je Minute abfeuern und die auch Zivilisten massakrieren. Die Politik der Ukraine und Deutschlands war in der Vergangenheit sehr unterschiedlich – die Ergebnisse für beide Länder sind es ebenso.

Nun soll sich erstaunlicherweise Deutschland der Politik der Ukraine annähern und seine erfolgreiche Friedenspolitik verleugnen. Na prachtvoll! „Frieden schaffen ohne Waffen!“, das ist die Pflicht der Politiker in ehrlichen Verhandlungen, nicht die Pflicht der Demonstranten! Manche begreifendies in seiner ganzen Tragweite leider erst, wenn der Arm ab ist und wenn Gesicht und Charakter zerstört sind. Selten sind sie dann noch fröhlich. – Klaus Lachetta

 

„Eine Wehrpflicht, führte man sie wieder ein, müsste ja alle jungen Menschen betreffen. Also auch Frauen – warum denn nicht?“ Ich hätte da eine Idee, warum nicht. Vor allem, da später in Ihrem Text von Ungerechtigkeit die Rede ist, weil Männer benachteiligt werden. Es sind wohl mehrheitlich die Frauen, die wegen Schwangerschaft, Mutterschutz und Elternzeit teils mehrere Jahre lang notgedrungen oder freiwillig ihren Job pausieren, ihre Karriere auf Eis legen oder ganz aufgeben, um die nächste Generation großzuziehen. Die Mehrheit der Mütter geht im Anschluss an die Elternzeit erstmal oder dauerhaft in Teilzeit, während die Väter Hauptverdiener bleiben.

Dies macht sich nicht nur karrieretechnisch, sondern auch finanziell sehr deutlich bemerkbar, sodass es kein Zufall ist, dass vor allem alleinerziehende Mütter und Rentnerinnen zu einem großen Teil von Armut bedroht sind. Diese strukturelle, in der Gesellschaft verankerte Ungerechtigkeit wird bisher nicht ausgeglichen. Und nun sollen Frauen Ihrer Ansicht nach auch noch einen weiteren Pflichtdienst leisten. Unter anderem, weil die Bundeswehr dadurch für die Männer zu einem angenehmeren Ort wird – das mutet doch sehr zynisch an. – Milena Grünewald

 

Ein längst überfälliger, hervorragender Artikel! Die Abschaffung der Wehrpflicht war einer der schwersten Fehler der Merkel-Zeit. Verteidigungsministerinnen und Minister der Union haben sich durch besonders großen persönlichen Ehrgeiz aber mangelnde Sachkenntnis ausgezeichnet. So wurde aus einer funktionierenden Landesverteidigungsarmee eine „Profi-Truppe“ mit Auslandseinsätzen, deren Sinnhaftigkeit fraglich war und die Unsummen aus dem Wehretat verschlungen haben.

Ich schliesse mich dem Vorschlag an, die Wehrpflicht- und damit auch den Zivildienst-für Männer und Frauen gleichermassen einzuführen. Er sollte aber 1 Jahr dauern, 6 Monate sind zu kurz, um die erforderlichen Qualifikationen zu erlangen. Die Wehrpflicht verankert die Bundeswehr stärker in der Gesellschaft und führt dazu, die Verteidigungsnotwendigkeit und die Verteidigungsfähigkeit ins öffentliche Bewußtsein zu heben. Und es dient auch der Demokratie, wenn junge Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten zusammenkommen und gemeinsam etwas dem Land zurückgeben, das vom Kindergarten an für die Ausbildung der Einzelnen soviel getan hat. – Hartmut Wegener

 

Der Artikel gibt Denkanstöße, regt zum Reflektieren an – ‚Ist es Zeit, meine Einstellung zum Kriegsdienst zu korrigieren?‘ Überhaupt… Ist Krieg wirklich die perspektivisch größte Bedrohung für Deutschland – für Europa? Oder sind es Katastrophen allgemein? Corona (Pandemien), Ahrtal (Klima), Putins Krieg und die Angst, dieser würde sich auf NATO-Staaten ausbreiten, Hunger, Blackout – Alles Katastrophen, die wir nur im Schulterschluss bewältigen können und wo es um mehr als nur den Einsatz der Bundeswehr ging und geht. Jedenfalls nicht vom Sofa oder von Twitter aus Wir brauchen einen vernetzten Katastrophenschutz mit unterschiedlichsten Kompetenzen und Ausrichtungen.

Jede:r kann helfen. Aber niemand sollte sich direkt zu Beginn etwas ‚verweigern‘ müssen. Ein schlechter Start, ein gemeinsames Tun zu implementieren und positiv besetzen zu wollen. Man wird sehen, wo junge Menschen den größten Handlungsbedarf sehen. Im Kriegsdienst bei der Bundeswehr, im Pflege- und Betreuungsdienst verschiedener Einrichtungen oder im Klima- und Menschenrechtsschutz bei den NGO‘s die damit endlich die längst verdiente Unterstützung bekämen. Also: Weg vom Wehrdienst für Männer, hin zum „hier-dürfen-SIE-kreativ-werden-Jahr“ für alle Menschen… Und ‚ja‘ ich meine erstmal inklusiv ALLE Menschen und bin überzeugt, dies würde mal wieder etwas Respekt vor unserem Wohlstand erzeugen und einige vorschnell eingeforderten Handlungen zügeln – Stephanie König

 

Wehrpflicht für Männer und Frauen macht heute ebenso Sinn wie Dienst in sozialen Bereichen, wenn man keine Waffe in die Hand nehmen will. In jedem Fall ist dieser Dienst eine Wertschätzung unseres Staates. Wie war das bei mir? In einem Hamburger Krankenhaus habe ich als Wehrdienstverweigerer für eineinhalb Jahre 1969/70 meinen Ersatzdienst geleistet, sogar eine Ausbildung als Krankenpflegerhelfer absolviert . Eine wirklich gewinnbringende Zeit mit vielen Eindrücken, die ich bis dahin überhaupt nicht gekannt hatte.. – Dr. Dieter Alfter

 

Ich bin in den 1980er-Jahren – vielleicht auch wegen meines Schwulseins – ausgemustert worden und war sehr froh darüber, denn Homophobie dürfte zumindest damals in der Truppe weitverbreitet gewesen sein. Natürlich tue ich mich jetzt schwer damit, für andere junge Menschen einen Freiheitsentzug zu fordern, der mir selbst erspart geblieben ist. Aber die Bedrohung durch Putin und das von ihm auch propagandistisch nahezu vollständig kontrollierte Russland wird Deutschland möglicherweise gar keine andere Wahl lassen, als die allgemeine Wehrpflicht wieder einzuführen.

Wichtig finde ich es, die Wehrpflichtigen nicht nur an der Waffe auszubilden, sondern auch ihr Wissen über und ihr Verständnis für Demokratie, Menschenrechte, Minderheitenschutz, soziale Gerechtigkeit usw. auszubauen, denn wie die Existenz der AfD und wie die Lügen und die Hetze in den sogenannten sozialen Medien zeigen, wird die Demokratie in Deutschland nicht nur von außen, sondern auch von innen bedroht. – Dr. Ulrich Willmes

 

Ihre Verweigerung bedauern Sie zu Unrecht. Ich ging im besten Glauben an den Abschreckungswert 1983 zum (West-) Wehrdienst und sah, wieviel systematische und mittelalterlich ( berufs-)soldatische Idiotie dort wirkte und welche ebenso technisch inkompatible und veraltete Ausrüstung benutzt und neu angeschafft wurde. Bei Regen hat der Nato-Luftüberwachungsgürtel keine Berbinding mehr zu seinen Flarak-Einheiten, während alles Geld statt in Fernmeldeinfrastruktur in prestigeträchtige Phantom-Flieger investiert wurde. Beruhigend war für mich in Wismar 1987 zu erleben, wie bei einer russischen Wehrübung deren Panzer schon am Kasernentor liegen blieben und der ganze Stadtverkehr vom Schrott erlahmte…

Wir brauchen keine Rückkehr zu der alten Rasurkontrollarmee, die zu junge Menschen durch allzuoft nach Bedürftigkeit, Faulheit oder gar Verblendung auserlesene Berufssoldaten „führt“. Ich bezweifle, dass wir – auch angesichts des anachronistischen Krieges – den nötigen Elan aufbringen, eine zeitgemäße Armee aufzubauen und auszurüsten. Denn die Lobby ist gut gerüstet, lukrativ motiviert und wird das Verfügbare verkaufen und sich kleine Verbesserungen gewohnt hoch entlohnen lassen.

Zur zukunftsfähigen Wehrdienstarmee würde ich Ihnen gerne (ehrenamtlich, ist nicht mein Metier) einen ganzheitlichen Entwurf, z.B. als Mindmap, ausarbeiten, wenn ich wüsste, dass z.B. Sie diesen wenigstens mal lesen und gedanklich nachvollziehen würden. Dazu braucht es nur Ihre Rückmeldung! Im Übrigen verzweifle ich daran, dass niemand an erster Stelle den Protagonisten Putin beseitigt und stattdessen wieder der unwürdige Krieg der originär unschuldigen Mörder-Soldaten stattfindet, der Reiche und Führung unversehrt zurück läßt.

Das pdf anbei spiegelt auch einen denkbaren Ansatz als Teil einer zielorientierten Kriegsführung, die, sofort durch die Bevölkerung ausführbar, den systembildenden Oligarchen ihre Perspektive nähme: bitte haben Sie Verständnis, dass wir, angesichts des militärischen Handelns der russischen Regierung, in erweiterter Notwehr und mangels anderer kurzfristig wirksamer Möglichkeiten ALLE Personen/Unternehmen/Organisationen unter Generalverdacht stellen, die in den letzten 24 Monaten Finanz- oder Vermögenstransaktionen über (bela-)russische Staatsgrenzen zu verzeichnen haben.

Der Austausch mit in- oder ausländischen „Einheiten“ in (bela-) russischem Besitz kann entsprechend interpretiert werden. Der Generalverdacht hat zur Folge, dass Ihnen jede Verfügung über Ihr Vermögen verwehrt ist. Auch jeder Vertragsschluss in dieser Zeit kann auch im Nachhinein staatlicherseits für unwirksam erklärt werden und durch sofort vollziehbare Einziehung oder Rückabwicklung sanktioniert werden, Umgehungshandlungen stehen selbstverständlich unter Strafe.

Für Härtefälle wird je personifizierter Vermögensaufstellung ein monatlicher Verfügungsrahmen von TE 3000,00 zur Deckung des reinen Überlebensbedarfes je Person behelfsweise und unter Vorbehalt gewährt. Bei nachhaltig glaubwürdiger und überzeugender Offenlegung der eigenen Gutartigkeit in Bezug auf das durch die Maßnahmen adressierte (bela-) russische Wirken, kann die volle Verfügung – auch im Nachhinein (z.B. für Zwischenfinanzierungsverträge) wieder freigegeben werden.

Die hieraus erwachsenden zwischenmenschlichen Beeinträchtigungen in unserer Gesellschaft bedauern wir zutiefst und werden sie nach Wegfall von Anlass und Ursache bestmöglich aufarbeiten. Ihnen als Mitmensch guter Gesinnung – d.h. mindestens das unveräußerliche Recht auf unversehrtes Leben eines jeden Menschen anerkennender – wünschen wir alle Kraft zum Durchstehen der schwierigen Zeit pauschaler Maßnahmen und sichern Ihnen unsere Hochachtung zu. Ihren würdigen Umgang mit ungerechter Last werden wir ggf. umso mehr schätzen und nach Möglichkeit auch honorieren. Denn Menschen bleiben Menschen. Unser Ziel ist die Menschlichkeit nach den Grundsätzen der individuellen Grund- und Menschenrechte wiederherzustellen oder endlich zu erreichen. – hans-jörg von lücken

 

Der juristisch entscheidende Grund für das Aussetzen der Wehrpflicht hängt lose mit dem zweitgenannten Motiv zusammen – „die Wehrpflicht sei aus der Zeit gefallen, zu martialisch, ein im Verhältnis zum Nutzen zu starker Eingriff ins Leben“. Tatsächlich durften Wehrpflichtige allerhöchstens freiwillig in Einsätze einbezogen werden, die keine unmittelbare militärische Bedrohung des Staats- oder Bündnisgebiets abwenden sollten.

Als nach 1990 der Warschauer Pakt nur noch tot über dem Zaun hing, hatte sich aber das westliche Bündnis ein ganz neues Fähigkeitsfeld außerhalb einer Verteidigung nach bisherigem Verständnis erschlossen, zunächst ein wenig schamhaft hier „out of area“ genannt. Es zielte nicht mehr auf die Sicherung von Linien ab, sondern auf das Herstellen von Basen und Brückenköpfen, nach nine-eleven dann auf das bereits präventive Behandeln von globalen Krisen unterschiedlichster Art.

Eine zu hohe Konzentration von Wehrpflichtigen stellte ganz praktisch die Bündnisfähigkeit in Frage. Und umgekehrt: Ein Abbau der Wehrpflicht versprach gleichzeitig eine geminderte demokratische Rückkopplung aus der Mitte der Gesellschaft zur Politik. Wenn mal irgendwo irgendwas kritisch werden würde; wie am Kundus. Und weil sich die Bundeswehr stetig von den Bürgern entfernt hatte, konnte dann auch ein Verteidigungsminister der CDU mal ganz ungeniert einen Kanzlerkandidaten der SPD dafür loben, dass dieser die Sicherheitspolitik aus einem Bundestagswahlkampf heraushalten wollte! Ja, was hat das Getümmel hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen auch noch mit uns bzw. mit einer demokratischen Wahl zu tun?

Nun: Gerade wegen der künftig besseren Rückkopplung wäre das Wieder-Einsetzen der Wehrpflicht keine so schlechte Idee, vielleicht auch zur irgendwann nahenden Verteidigung des Vaterlandes. Aber einer Illusion sollten wir nicht aufsitzen: Dass „out of area“ nun weniger würde oder gar auszuschließen wäre: Der vermutlich dynamisch weiter anziehende politische, militärische, wirtschaftliche und kulturelle Konflikt zwischen West und Ost wird die Stellvertreter-Kriege und wird die globale Interessenwahrung nur umso wahrscheinlicher machen.

Und anders als vor 1989 sind wir dann direkt vorne verlangt, dort, wo es wehtun kann. Dafür werden wir weiter die robusteren Naturen benötigen, werden damit voraussichtlich eine Zwei-Klassen-Armee unterhalten. Es wäre sehr anzuraten, dafür schon einmal die seit 1992 eingefahrenen Erfahrungen systematisch zu analysieren, anfangend bei Somalia, endend bei Afghanistan. Oder Mali. Oder Darfur. Das steht prinzipiell bereits im (noch) aktuellen Weißbuch. – Dr. jur. Karl Ulrich Voss

 


 

 

Leserbriefe zu „Wovor hast Du Angst?“ Streit von Thea Dorn und Juli Zeh

 

Schon wieder gibt DIE ZEIT diesen beiden selbstverliebten Damen Raum, ihre wenig sachkundigen, überflüssigen Kommentare einem breiteren Publikum in Form einer Diskussion kundzutun. Was zeichnet sie aus, dass sie sich zu diesem Thema verbreiten dürfen? If it’s name dropping, theirs are the wrong names. – Sven Herfurth

 

Sehr guter Austausch zwischen Thea Dorn und Juli Zeh, und natürlich haben beide ehrenwerte Gründe für ihre jeweilige Argumentation. Ich bin trotzdem eher bei Thea Dorn. Juli Zeh fragt nach dem Ausstiegsszenario der Mehr-Waffen-Strategie, aber die Frage zurück an Juli Zeh bleibt doch, wie ihrer Vorstellung nach denn Putin an den Verhandlungstisch gebracht werden kann ohne den anhaltenden militärischen Druck. Er hätte doch jeden Tag die Möglichkeit, aber er wird erst bereit zu Verhandlungen sein, wenn er einsieht, dass der Preis weiterer Eskalation zu hoch für ihn sein wird.

Die Ukraine jetzt nicht mehr bei ihrer Selbstverteidigung zu unterstützen, würde nicht zu Verhandlungen führen, sondern zu Putins Weiterführen des Krieges bis zur Kapitulation der Ukraine und darüber hinaus. Unbestritten sind die Waffenlieferungen ein Risiko, und auch ich habe enorme Angst vor einem atomaren Krieg, aber ich halte mich da trotz aller Ängste an die Einschätzung des ukrainischen Präsidenten: „Putin ist ein Mörder, aber kein Selbstmörder“.

Und ich teile Thea Dorns Auffassung, dass nur entschlossene Gegenwehr und Verteidigung der Freiheit Eindruck auf Putin und damit Verhandlungen erst möglich machen kann. Denn ich möchte nicht in einer Welt leben, in welcher der größte Verbrecher mit dem dicksten Knüppel atomarer Drohungen die Regeln bestimmt. – H. Wohner

 

Wer hat Angst vorm schwarzen Mann, heute heißt der Mann “ Putin“ der den Frieden in Europa, zum Krieg gegen alle Nato Mitglieder , mit Finnland und Schweden eine weitere Bedrohung für Russland darstellt . Emotional ist auch real für alle Ukrainer ein freies Leben im eigenen Land selbstbestimmt – nicht unter russischer Besatzung. Angriffe mit Waffen sind die unumkehrbare Absage einen Frieden zu schaffen ohne Waffen.

Frieden gibt es nur wenn Putin sich auf seinem Russischen Boden mit seiner Armee zurückzieht. So geht Frieden schaffen ohne Waffen. Alle Briefe müssten deshalb direkt an Moskau gerichtet werden, die einzig und allein der richtige Weg sind für eine Lösung zum Frieden. Aber diese Briefe sind an die falsche Adresse der Bundesregierung von Olaf Scholz gerichtet, der den Amtseid geschworen hat Schaden vom Deutschen Volk abzuwenden. – Thomas Bartsch Hauschild

 

Wovor haben Sie Angst? Ihrem Streitgespräch mit Frau Dorn zufolge vor dem „totalen Zivilisationsbruch“. Welcher Zivilisationsbruch ist denn totaler als ein Angriffskrieg gegen ein Nachbarland, welches keinerlei territoriale Aggression an den Tag gelegt hat und der mit aller Härte gegen die Zivilbevölkerung geführt wird? Ihre größte Angst ist also schon eingetreten. Was ist aus Ihrer Sicht die Lösung für die Situation? Ein Waffenstillstand und ein möglichst schnelles Ende der Kampfhandlungen. Was ist der Weg dorthin? Hier bleiben Sie die alles entscheidende Antwort schuldig.

„Ein Waffenstillstand ist in Russlands Interesse […]. Es ist jetzt ein guter Zeitpunkt dafür.“ Die These stellen Sie mit einer atemberaubenden Selbstgewissheit in den Raum. Sie begründen sie mit nichts. Sie ist gerade das Gegenteil von dem von Ihnen stets in Anspruch genommenen Realismus, nämlich das, was Sie denjenigen unterstellen, die für eine militärische Unterstützung der Ukraine durch Waffenlieferungen plädieren: Wunschdenken. Der Wunsch, dass Putin einsieht das Kampfhandlungen nichts mehr bringen. Der Wunsch, dass es ein „furchtbarer Anachronismus ist“ „der unsere Ideale trotzdem nicht erschüttern darf“.

Der Wunsch, dass „es weitergehen wird auf dem grundsätzlichen Weg in eine Welt der wachsenden Freiheit für möglichst viele.“ Die Ukrainer, die genau diese Werte und Ideale verteidigen, müssen sich leider einem Verhandlungsfrieden beugen. Für das ‚Große Ganze‘. Sie bringen das Opfer für Sie, liebe Juli Zeh, ohne Angst vor einer „globalen Katastrophe“ leben zu können.

Erkennen Sie eigentlich dass Sie es sind, die ein „moralisch noch so wünschenswert Ziel um jeden Preis und mit allen Mitteln zu verfolgen“? Sie selbst zahlen keinen Preis, sie bringen kein Opfer und deshalb verbieten Sie auch den Ukrainern, die aus freien Stücke und selbstbestimmt handeln, dieses zu erbringen. Ich hoffe das ist Ihnen Ihr Wunsch nach einem Leben ohne Angst wert. Es „klingt wirklich schön, ist aber […] „unrealistisch“. – Heide Bost

 

Zur verqueren Logik der geschätzten Schriftstellerin Juli Zeh kann ich nicht schweigen. Das hoffnungsvolle Szenario von Thea Dorn, bei dem die Ukraine selbst über ihr Schicksal entscheidet, nennt sie unrealistisch, um selbst ein vollkommen illusiorisches Vorgehen vorzuschlagen. Dazu stellt sie zunächst eine Behauptung auf, die ich noch von niemandem gehört habe: es müsse für Thea Dorn einen (vollständigen) Sieg geben für ihr Ausstiegsszenario, um selbst eine Waffenruhe mit anschließenden Verhandlungen und einer Rückkehr zum Status Quo vorzuschlagen. Und schließlich muss die Ukraine kapitulieren, im „Interesse der leidenden Zivilbevölkerung“.

Und ihre Vorschläge sind realistisch? Ich kann es nicht fassen! Nach allem, was wir bitter anerkennen müssen: Wer soll die Waffen ruhen lassen und zu welchem Preis? Mit wem will Juli Zeh vertrauensvoll und verlässlich verhandeln? Was ist für sie der Status Quo, den Putin wollen könnte? Und welchem Volk will sie zumuten, „um des lieben Friedens Willen“ unter einer russischen, putinschen Diktatur zu leben? Liebe Juli Zeh. Sie machen mich ratlos. – Karl Giebeler

 

Bitte, teilen Sie es uns auch ausführlich mit, wenn Thea Dorn und Juli Zeh wieder aufwachen! In der Bundesrepublik leben ziemlich viele russischsprachige Menschen, richtig? Jemand von Putins Empathie hat natürlich längst gemerkt, wie sehr sie gequält und drangsaliert werden – bis hin zum Völkermord. Er muss ihnen helfen! Sollten wir versuchen, ihn mit dem sowjetischen Sektor von Berlin abzuspeisen? Oder doch gleich der ganzen DDR, die ja immerhin dem Warschauer Pakt angehörte? Oder braucht er die ganze Bundesrepublik als Balsam für seine verwundete Seele? – Bernhard Hecker

 

Ein interessantes Gespräch. Es fällt mir jedoch schwer, der Aussage Von Frau Dorn zu glauben, dass sie mehr Angst davor hat, dass Menschen Nicht mehr frei sind und auch nicht mehr selbstbestimmend sein können, als vor einem neuen Weltkrieg. Bei aller richtigen Kritik an Despoten und Autokraten, gebe ich zu bedenken, dass die Freiheit von vielen Menschen Inzwischen auch bei uns, den Demokraten, verteidigt werden muss.

Die Kontrolle, der wir unterzogen werden, kommt schleichend daher, und sie wird leider von vielen gar nicht Bemerkt. Hier alle Beispiele anzubringen, geht wohl zu weit. Das Schlimme daran ist auch Noch, dass sie uns als Fortschritt verkauft wird. Siehe Tendenz Abschaffung des Zahlens Mit Bargeld. Ganz abgesehen von dem Diktat von vielen Minderheiten, die noch durch Die Medien unterstützt werden. – Manfred Mengewein

 

Ich lese seit Jahren die Zeit besonders gut gefällt mir, dass Kontroverse Themen in der Rubrik Streit disktiert werden. Zu der Diskussion in der neuesten Ausgabe habe ich folgende Bemerkungen: STREIT: ‚Wovor hast Du Angst‘ Frau Dorn hat es meiner Ansicht nach auf den Punkt gebracht. Lassen wir Putin aus Angst vor einem 3. Weltkrieg gewähren. Was folgt dann? Wovor habe ich Angst? Ich male hier mal das Worst Case Szenario aus:

Trump wird wieder gewählt, er marschiert in Mexiko ein und errichtet Amerika First von Alaska bis Feuerland. Europa ohne amerikanischen Schutz muss sich Putin unterwerfen, das russische Großreich reicht dann von Lissabon bis Wladiwostok. Erdogan paktiert mit dem IS und errichtet das Osmanische Reich von Casablanca bis Kabul. China schließlich überfällt Taiwan und errichtet Groß China langfristig über ganz Ostasien.

Frau Zeh glaubt an den zivilisatorischen Fortschritt, dieser Glaube ist in meinen Augen etwas zu naiv. Die Technischen Möglichkeiten machen die neuen Herren der Welt zu Alleinherrschern wie es sich Georg Orwell in seinen schlimmsten Träumen nicht ausgemalt hat. China ist bereits dabei diesen ‚Fortschritt‘ nicht nur zu entwickeln, sondern auszurollen. Sicher wird es immer wieder auch Freiheitskämpfer geben aber gegen die gibt es Mittel, diese heißen Nowitschok und Informations Technologie. – Andreas Tischler

 

Zunächst, wenn man/frau Angst hat werden Fehler gemacht, man soll Respekt haben! Deutschland versuchte 5 Jahr mein Land deutsche Kultur beizubringen, allerdings ziemlich misslungen. Ich habe öfters Probleme mit das Damokratieverständnis diese beide Frauen, aber diesmal ist Frau Zeh zu weit gegangen. Ich werde jetzt ein wenig träumen.

Stellen sie sich vor, die Alliierten hätte Adolf Nazi Verhandlungen angeboten? Mir schauderst! Stellen sie sich vor, die Russen stände in die östlichen Bundesländer und Frau Zeh und den anderen sog. Intellektuelle würde erleben wie ihr bekannten Dorfbewohner hingerichtet und vergewaltigt worden. Dann hätte sog. französische Intellektuelle den Brief geschrieben.

Ich gehe davon aus, dass einige Deutsche im Gegensatz zu den Unterschriebenen damit nicht eiverstanden wäre. Bei Frau Zeh als Juristin bin ich nicht so ganz sicher, wir wissen ja wie schnell deutsche Juristen 1945 die Seite wechselte (z. B. Filbinger, Globke) und sagte, Gesetz ist Gesetz, egal ob diktatorisch oder demokratisch entstanden! – Stein-Erik Greter

 

Die Antwort auf die zwischen Thea Dorn und Juli Zeh strittige Kant’sche Frage „Was soll ich tun?“ hängt von der Verantwortung dessen ab, der sie stellt. Den Staatsbürger leitet die persönliche Werthaltung – Angst, Hoffnung, Visionen haben ihren Raum. Auch der Politiker in Regierungsverantwortung braucht langfristige Ziele als Kompass. Aber Entscheidungen im aktuellen Geschehen brauchen politische Mehrheiten, technische Machbarkeit, Risikoabwägung und Rückhalt in der Bevölkerung.

Eine sokratische Antwort an Friedensbewegte wäre vielleicht: Wenn du mit der Regierungsform, in der du lebst, einverstanden bist, dann zahle deine Steuern, wenn auch nur zähneknirschend. Du wirst zwar kein Regierungsamt übernehmen, aber du kannst dich tatkräftig für Entwicklung alternativer Lösungen einsetzen, zum Beispiel die Soziale Verteidigung. Die Entwicklung des kollektiven Bewusstseins geschieht, aber sie braucht viel Zeit. – Albrecht Morguet

 

Um die Meinungssituation der vergangenen Wochen natürlich verkürzt zusammenzufassen: grob die eine Hälfte der Bevölkerung ist der Meinung, wir befinden uns in einer Situation wie vor dem Ersten Weltkrieg und sollten den Konflikt nicht weiter anheizen um Schlimmeres zu verhindern. Die andere Hälfte ist der Meinung, die Situation ist vergleichbar mit der vor dem Zweiten Weltkrieg und wir sollten unbedingt mit mehr Waffen Schlimmeres verhindern. Bei diesem Dissens kann es kaum einen Konsens geben, denn beides ist nicht falsch. Wir sollten uns nicht darüber spalten lassen, denn alle vereint die gleiche Sorge. Richtig indes ist, wir sollen aus der Vergangenheit lernen: auch dass es gefährlich sein kann, Konflikte der Gegenwart zu sehr mit denen der Vergangenheit zu vergleichen. – Lorenz Meisel

 

Selbst ständig zwischen den beiden Argumentationslinien in dieser (gesellschaftlichen) Diskussion schwankend, habe ich das ZEIT-Streitgespräch zwischen Thea Dorn und Juli Zeh mit Interesse und Neugierde gelesen und – trotz der ernsten Thematik – ja fast schon genossen. Aus meiner Sicht mit einer (intelektuellen) Tiefe, die ich – zugegebenermaßen – in einigen ZEIT-Streitgesprächen manchmal vermisse, nähern sich die beiden einem sehr spannenden Knackpunkt der Diskussion an. Die Argumentations kulminiert in der Gratwanderung zwischen der Angst vor einem „totalen Zivilisationsbruch“ in Form eines Dritten Weltkriegs einerseits (Zeh) und der „Verteidigung unseres freiheitlich-rechtsstaatlichen Ideals“ andererseits (Dorn).

Man ist geneigt Juli Zeh’s Position als den vermeintlich rationaleren und realpolitischeren Standpunkt und Thea Dorn’s Position als den „Es geht um’s Prinzip“ und idealistischeren Standpunkt zu bezeichnen. Andererseits steckt in Zeh’s Verweiß auf den zivilisatorischen Fortschritt und ihre Aussage, dass es „weiter gehen [wird] auf dem grundsätzlichen Weg in eine Welt der wachsenden Freiheit“ eine Art Grund-Optimismus und weckt Assoziationen an Hegel’s Weltgeist. Dies wiederum kann als idealistische und vielleicht auch naive Denkweise gesehen werden. Zeh sieht Putin als einen „Anachronismus“ als eine der vielen Anomalien der Geschichte auf dem „grundsätzlichen Weg“ des zivilisatorischen Fortschritts. D

abei ist dies eine Haltung die sich eigentlich nur aus der „bequemeren“ Position einer retrospektiven Betrachtung der Geschichte speist. Oder konnte man sich als Zeitgenosse Hitler’s auch so sicher sein, dass der (totale) Zivilisationsbruch ein Ende hat bzw. ausbleibt und Alles gut werden wird? Man kann Zeh’s Argumentation auch auf Dorn’s Position übertragen: Mit dem Glauben an den zivilisatorischen Fortschritt kann die von Zeh befürchtete (globale) militärische Eskalation auch als Anomalie der Geschichte betrachtet werden, was einem im Hinblick auf die geforderten schweren Waffenlieferungen eine gewisse Gelassenheit geben könnte.

Zumal auch Putin vor dem Hintergrund seiner geopolitischen Ziele kein Interesse an einer nuklearen Auseinandersetzung und der totalen Zerstörung unserer physischen Grundlage haben kann. Andererseits können auch die möglichen Anomalien gegeneinander abgewogen werden: die militärische Eskalation ist – kurzfristig gesehen – die wohl ravierendere, weil sich unmittelbar bemerkbar machende und physisch im wahrsten Sinne des Wortes schmerzahftere Anomalie als die schleichende Aushölung unserer westlichen Ideale und Werte. Man gelangt zu der Frage, ob man bereit ist auch physischen und materiellen Schmerz in Kauf zu nehmen, um nicht greif-bare und immaterielle Ideale und Werte zu schützen … – A. Lahni

 

„Der Zweck heiligt niemals die Mittel.“ (H. Arendt) – Dr. med. Th. Lukowski

 

Beiden Standpunkten, obwohl bezüglich der implizierten Handlungsperspektiven einander diametral entgegengesetzt, ist zuzustimmen. Denn natürlich könnten Waffenlieferungen eine Eskalationsspirale auslösen, die im schlimmsten Fall in einer atomaren Auseinandersetzung münden würde und damit noch weit über das Schreckensszenario des ersten Weltkrieges hinausginge. Und natürlich würde eine zurückweichende Appeasementpolitik gegenüber Putin das nicht minder schreckliche Szenario eines ungebremst wütenden und sich ausbreitenden diktatorischen Regimes heraufbeschwören.

Tatsächlich sind diese beiden dilemmatisch miteinander verknüpften Standpunkte nichts weiter als die extremen Antworten auf eine einzige Frage, die sich hinter ihnen verbirgt: wie weit müssen Waffenlieferungen gehen, damit die Ukraine sich wirksam verteidigen kann und zugleich wie weit dürfen Waffenlieferungen gehen, damit keine unkontrollierte Eskalationsspirale in Gang kommt? Auf eine solche Fragestellung sind nun durchaus unterschiedliche Antworten möglich, entlang ihrer bewegt sich vor jeder dilemmatischen Verstrickung ein lösungsorientierter Denkansatz bewegen. Das Bemühen um eine Antwort müsste eigentlich im Focus eines intensiven öffentlichen Diskurses liegen.

Doch ein solcher durchaus klärender Diskurs wäre zugleich äußerst unbequem und der Öffentlichkeit wahrscheinlich nicht zumutbar. Denn er erforderte die Kenntnisnahme einer Wahrheit, der wir lieber ausweichen würden: der eigentliche Kern und Beweggrund all unserer Waffenhilfe an die Ukraine ist zunächst und zuvörderst die Wahrung der eigenen Unversehrtheit! Dieses und nichts anderes ist (das übrigens durchaus legitime) primum movens, das sich hinter beidem, dem Ruf nach mehr Waffen und auch der Warnung vor ihnen verbirgt.

Angesichts des Leids und des Elends, das dieser brutale Angriffskrieg über die Menschen in der Ukraine gebracht hat, erscheinen derartige Reflexionen, die solch ehrliche Überlegung als ihren Ausgangspunkt nehmen, leicht als blanker Zynismus und werden gescheut. Damit aber, dessen müssen wir uns bewusst sein, wird jeder lösungsorientierte Diskurs schon im Ansatz blockiert. – Dr. Roland Schürmann

 

Frau Zeh schreibt, dass sie ein größeres Vertrauen in den zivilisatorischen Fortschritt hat und weniger Angst vor einem sukzessiven Freiheitsverlust. Der allergrößte Teil der russischen Bevölkerung in Deutschland konsumiert ausschließlich russische Propaganda und unterstützt den Krieg Putins gegen die Ukraine. Obwohl diese Menschen freiwillig Russland verlassen haben und sich für unsere Zivilisation entschieden haben, hat bei ihnen scheinbar kein zivilisatorischer Fortschritt stattgefunden. Frau Zeh glaubt an einen zivilisatorischen Fortschritt, den es in Russland nicht gibt. Wir erleben dort sogar einen zivilisatorischen Rückschritt.

Die russische Propaganda erinnert an diejenige im Nazideutschland. Ein einseitiger Waffenstillstand der Ukraine hätte zur Folge, dass Putin und sein diktatorisches Regime bekommt, was er will. Putin führt einen Krieg gegen unsere freiheitlich-demokratisch-rechtsstaatlichen Ideale. Diese müssen notfalls auch mit Waffengewalt verteidigt werden. Es nicht zu tun, hätte fatale Folgen für Europa und den freien Teil der Welt. – Dr. med. Martin Krivacek

 

Thea Dorn und Juli Zeh zeigen einmal mehr, was dabei herauskommt, wenn man Geschichte als Selbstbedienungsladen für die eigene Argumentation nutzt. Man kann auch „Ölembargo 1941“ googeln und landet dann schnell in Hiroshima und Nagasaki. (Die beiden Diskutantinnen scheinen sich der Schwäche ihrer historischen Argumente aber durchaus bewusst.) Vielleicht wäre die Zeit reif für einen neuen, richtigen Historikerinnenstreit. Und wer, wenn nicht das Streit-Ressort der Zeit könnte den vom Zaun brechen? Also, liebes Streit-Ressort, haben Sie schon bei Hedwig Richter, Jürgen Osterhammel und Heinrich August Winkler angerufen? – Peter Häußermann

 

„Es gibt viele Dinge, die aus der Ferne gesehen schrecklich, unerträglich ungeheuerlich scheinen. Nähert man sich ihnen, werden sie menschlich, erträglich, vertraut. Darum sagt man, die Furcht ist größer als das Übel.“ (Niccolo Machiavelli, 1469-1527, italienischer Staatsmann & Schriftsteller) Ich bin mir da nicht so ganz sicher, ob ich das schon als heraufziehenden Angstzustand beschreiben möchte! Es ist eher so eine Art von Mulmigkeit, das unsere gewählten Volksvertreter diesen Krieg in der Ukraine viel zu groß und mächtig in Szene setzen.

Warten wir es einfach ab, denn ich vermute sehr stark, dass ab dem Herbst, wieder das ganz große Pandemie-Programm mit allen Konsequenzen auf den „Spielplan“ gehievt werden könnte!? „Nicht der Krieg ist der Vater aller Dinge, sondern die Angst vor der Bedrohung.“ (Gerhard Uhlenbruck, *1929, deutscher Immunbiologe & Aphoristiker) – Klaus P. Jaworek

 

Zunächst einmal Hut ab, vor dieser Art zu streiten. Thea Dorn und Juli Zeh hören einander zu, halten trotzdem ihre Positionen, können aber auch die Qualität in den Argumenten des jeweils anderen erkennen. Wenn jemand eine Anleitung sucht, wie man zielführend miteinander streiten kann, dann möge er diesen Disput lesen.

Trotzdem schlage ich mich komplett auf die Seite von Thea Dorn. Denn Juli Zeh- und der öffentliche Brief, den sie unterschrieben hat – übersieht in ihrer Angst vor einem Atomkrieg ein wichtiges Element: Putin seit Anfang 2014 permanent gelogen, auch als er jüngst von ausländischen Staatschefs gefragt wurde, was denn bitteschön diese Zusammenziehung von Truppen an der ukrainischen Grenze solle. „Alles nur ein Manöver“ war die wiederholte Antwort. Die Lüge scheint ein wesentlicher Bestandteil seiner geheimdienstlichen Ausbildung zu sein. Warum sollten seine Drohgebärden nicht auch ein Teil seines Lügengespinstes sein?

Und man muss angesichts seines Vorgehens fragen, welche Sprache er jetzt noch hört? Mit Lügnern zu verhandeln ist ja per se ein komplizierter Vorgang. Deshalb bleibt leider im Moment nur die Sprache der militärischen Drohung. Putin wird sich von „zivilisatorischem Fortschritt“ nicht bewegen lassen, denn er hasst alles was mit westlichen Wertevorstellungen verbunden ist wie die Pest. Deshalb sind westliche Geschlossenheit und ein klares Bekenntnis zur militärischen Stärke das, was noch ankommt. Wir müssen dabei nur immer wieder mit aller Wahrhaftigkeit deutlich machen: Wir werden sie nicht nutzen, um anzugreifen, sondern nur dazu, uns zu verteidigen. Wir lügen nicht, sondern stehen zu unseren Prinzipien. Wer aber meint, durch eine Ausweitung des Angriffs – auch auf NATO-Staaten – unsere Werte beseitigen zu können, der sollte mit allem rechnen – whatever it takes. – Thomas Oesterle

 

Thea Dorn überzeugt mich mehr! Dennoch: können wir nicht einmal, ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben, einem demokratischen europäischen Land, das von einem übermächtigen, irrationalen Aggressor überfallen wird, die (militärische) Hilfe leisten, die es wünscht? Lieber verstecken sich die Ukrainer in Bunkern und U-Bahnschächten, als sich den Russen und Putin zu ergeben!

Zu frisch ist noch die Erinnerung an den stalinistischen Terror, der jetzt von einem Putinschen abgelöst werden könnte! Wir sollten nicht ständig versuchen, uns in das wirre Hirn Putins einzufühlen, dessen abgründige Gedanken wir ohnehin nicht ergründen können, sondern einfach der Ukraine so entschieden helfen, damit sie ein eigenständiger demokratischer europäischer Staat bleiben kann! – Dr. med. Ulrich Pietsch

 

Zu diesem Dialog, der m.E. sehr Vieles davon widerspiegelt , was gegenwärtig um diesen unseligen Krieg herum diskutiert wird, vermisse ich von beiden Literatinnen (und nicht nur von Ihnen) eine jetzt vertetbare Perspektive im Blick auf einen Waffenstillstand , der doch von beiden Schriftstellerinnen gewünscht wird. Grundsätzlich fehlen mir die Informationen zu den möglichen Waffenstillstandskonzepten- es sei denn , sie sind nicht gewollt oder nicht zu ermöglichen; erst dann wenn einer der Gegner niedergerungen ist? (S. letzte Weltkriege) Frage: Wer stellt wann und wo die Panzer in die Ecke und lässt sich auf eine mühevolle – vielleicht auch zermürbende (?) Verhandlungsstrategie ein? – Robert Cachandt

 


 

 

Leserbriefe zu „Sag mir, wo noch Blumen sind“ von Bernd Ulrich

 

Was – um Himmels willen – will uns Bernd Ulrich über das sattsam bekannte hinaus mit seinen sarkastischen aber folgenlosen Anmerkungen eigentlich sagen? – Kurt Rohloff

 

Wie Herr Ulrich die Welt und uns mittendrin beleuchtet ist einfach sehr gut und erhellend. Würden wir das doch nicht nur beklatschen, sondern auch danach leben. Dann würden unsere Kinder und Enkel stolz auf uns sein. Aber uns kommt ja immer dieser Alltag dazwischen. – Hubert Müller

 

Ihr Fazit „Die (R)evolution nimmt ihren Gang“ ist auch ohne R möglich. … Die Physik kann den Ursprung aller Dinge mit einer Singularität beschreiben. Die Singularität löst im Quantenraum zum Zeitpunkt Alpha einen Urknall aus. Die Zeit läuft bis zum Endpunkt Omega, wo die Zeit ein neues Alpha hervorbringt: abstrakt wächst das Universum iterativ von jedem Alpha (1/1) nach Omega ((n+1)/(n+1)). Nehmen Sie einen Luftballon und blasen ihn auf: die Hülle ist die Grenze Eins; und das zunehmende Luftvolumen symbolisiert Wachstum. … Sie können das Wachstum als offene oder begrenzte Unendlichkeit darstellen.

Bsp.: Nehmen Sie an ihre Volkswirtschaft ist ein Containerhafen; und Sie messen je Container den Finanzmarkt mit der Gleichung Gewinn = Einnahme – Ausgabe. Gütermarkt mit der Gleichung Füllzustand = 1 – (k/n), wobei k die tatsächliche Befüllung und n die maximal mögliche Befüllung ist. Da unsere Volkswirtschaftslehre nur monetäre Transfers gewährt und lehrt, ignoriert sie weitgehend das evolutionäre Wachstumsrisiko in 2. Das mathematische Fach Analysis nennt das Wachstumsproblem „Ein-Körper-in-Körper-Raumproblem“. … De facto soll im Containerhafen mehr Container umgeschlagen werden als die reale Umschlagskapazität gewährt. …

Logistik erklärt das Wachstumsproblem mit der Parabel F(x) = x * (1 – x), wobei x = (k/n) und die Zahl Eins = (n/n) ist. … Im Grunde soll die Umschlagskapazität vom Hafen nach ((n+1)/(n+1)) wachsen: denkbar wäre ein räumlicher Hafenausbau, eine effizientere Nutzung je Container oder ein schnellerer Containerumschlag. … Der Beweis, dass physisches Wachstum begrenzt ist, lieferte das MIT in Boston. Nehmen Sie an die Erde ist ihr Containerhafen. Die mögliche Umschlagskapazität ist eine bekannte Unbekannte (bekannt ist der Wert Eins mit (n/n), wobei der Wert für n als Maximum unbekannt ist).

Differenzieren Sie Erde und menschlichen Güterkreislauf bildlich: der menschliche Güterkreislauf existiert als weitgehend „separierter Ring um die Erde“. Ökologisch kann dieser Ring die Leistungsfähigkeit vom irdischen Ökosystem senken: d. h. der Wert Eins = ((n+1)/(n+1)) sinkt nach (n/n). … Dadurch setzen wir u. U. eine sich selbstverstärkende Abwärtsspirale in Gang, die den Lebensraum Eins gegen n = Null verknappt, bei Menschen vermehrt Dichtestress auslöst, Gesellschaftsordnungen spaltet und die Eintrittswahrscheinlichkeit von Risikofaktoren, wie Pandemien, Umweltschäden oder Krieg erhöht. … Ökologisch gesehen; ist der Angriffskrieg auf die Ukraine nur eine weitere Station abwärts. … Wo gibt es noch Blumen? Mit jedem Menschen wird die Welt neu geboren: der Lebensweg beginnt in Alpha und mündet in Omega. So gesehen, ähnelt jeder Mensch jener Singularität, die im Alten Testament das Alpha und Omega ist und das Werden veranlasst. …

Die Sätze „Ich bin, was ich bin“ und „ich bin, was ich werde“ beschreiben unsere Identitätspolitik. … Welches ich entwickelt sich von Eins = (ich/ich) nach (wir/wir) und spricht für die Menschheit? … In einer begrenzten Unendlichkeit sind Prophezeiungen möglich: Neues Testament Offenbarungen an Johannes, wo der Mensch die Leistungsfähigkeit vom irdischen Ökosystem verdirbt (Eintritt von neuem Alpha in Omega). … U. U. entwickelte sich eine Persönlichkeit gemäß der Singularität, heiligt seinen Namen und fasst das Reich Gottes in Sprache. …

Politisch gesehen ist das Reich Gottes; eine Demokratie & Marktwirtschaft: die Legislative sind Naturkräfte, die Exekutive sind alle Transfer-Entscheidungen im Gütermarkt und die Judikative wirkt als Unsichtbare Hand vom Gütermarkt. … Wir ernten, was wir säen. Ich biete euch weiterhin ein politisiertes Vaterunser als Wirtschaftsverfassung für die Realwirtschaft an, um die Abwärtsspirale in eine Chance zu transformieren. … – Matthias Losert

 

Solange es Verkehrsminister in Deutschland gibt die davor warnen, dass der Energieverbrauch bedenklich ist der beim Hochladen von Nahrungsfotos entsteht aber gegen ein Tempolimit sind wird es keine Regierung geben die sich den Herausforderungen wirklich stellt. – Rüdiger Weigel

 

Vielen Dank für diese Übersicht über die aktuelle Lage. Der Spruch von Mike Tyson überrascht (zumindest mich) zwar mit dem Plural im Nebensatz, bringt die Gemengelage jedoch auf den Punkt. Wobei die Ampel, wie Sie selbst einräumen, ja keinen wirklichen Plan hatte, zumindest keinen, der die Erderwärmung in erträglichen Grenzen halten würde. Und wenn es den Hauch von einem Plan gab, dass beschränkte sich dieser auf die nationale Ebene, und dort auf möglichst viele Windräder.

Wenn das Ziel eine Reduktion der atmophärischen CO2-Konzentrationen ist, ist die nationale Ebene zwar wichtig, auch um glaubwürdig zu bleiben, viel wesentlicher sind aber globale Lösungsstrategien, die mit den begrenzten Flächen der Erde hauzuhalten wissen.. Solche Pläne finden sich nicht von selbst, hier braucht es Impulse aus Ländern, die auch für andere Länder mitdenken müssen.

Und es braucht eben den Verzicht. Wir müssen ja nicht gleich mit dem aktuellen Bestand anfangen – denn reine Bestandswahrung ist ein sehr starkes Motiv. Es würde vielleicht schon reichen, die vermeintlich unbegrenzten Möglichkeiten der besten aller Zukünfte ausgesprochenermaßen dem Primat des Selbsterhaltes unterzuordnen. Zudem sollten wir eingestehen, dass wir unseren aktuellen Wohlstand mit der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas erworben haben, und daraus ein besseres Verständnis für diejenigen Gesellscchaften aufbringen, die zwar unter den Folgen unseres Tuns leiden, aber selbst nicht abgesahnt haben.

Zu guter Letzt müssen wir das Thema der Demographie aus der Tabuzone holen. Denn für den Lebensstil, den die Reichen praktizieren, und den die nicht-Reichen mit aller Kraft anstreben, gibt es zu viele Menschen auf der Erde. Europa hat gezeigt, dass Bildung und Wohlstand die Geburtenrate auf ein gutes Niveau senken kann. Asien ist diesbezüglich auf dem richtigen Weg, auch wenn v.a. die Zukunft Indiens wackelig erscheint. Afrika dagegen wird in den nächsten 30 Jahren absehbar explodieren.

Das wird uns noch einige „Schläge in die Fresse“ bescheren, um in Tyeons Diktion zu bleiben. Wir sollten daher einen Verzicht leisten, der Afrika zugute kommt. Wir sollten die Gelder verweigern, die korrupte afrikanische Eliten in unser System einschleusen. Wir sollten gebildete und begabte Menschen nicht nach Europa locken, sondern ihre Perspektive in ihrer Heimat fördern. Und wir sollten die afrikanischen Märkte schützen und ihre verarbeitenden Industrien gezielt fördern.

Das ganze braucht, um es mit den Worten Mark Galeottis zu sagen, Robustheit (nicht durch Nationalisierung sondern durch Diversifikation), Wachsamkeit (incl. eines transparenten Systems, aus dem ersichtlich wird, wer wen finanziert, und wer die Nutznießer welcher Gewinne sind), und einen politischen Willen (der über die angestrebte Wiederwahl hinaus reicht). Zudem – für mich am schwierigsten – die bewusste Aufmerksamkeit einer Kontrollinstanz, also der Bevölkerung. – Dr. Christian Voll

 

Ich gehöre zu ihren größten Fans. – Marita Kruckewitt

 

Die Probleme sind seit etwa einem halben Jahrhundert bekannt. Nach der Ölkrise in den Siebzigern hätten man etwas tun müssen und können. Mit der Bahnprivatisierung wurde wichtige Infrastruktur vernichtet. Die CDU hat uns mindestens in den letzten sechzehn Jahren weiß machen wollen, Wohlstand ist immer und für alle reichlich vorhanden. Und erst jetzt wollen wir gemerkt haben, das ziemlich viele Menschen hungern müssen damit der Deutsche sich einen Wohlstandsbauch leisten kann? Der Krieg in der Ukraine zeigt uns nicht, wie fragil unser Wohlstand ist. Er zeigt uns wie verlogen und selbstvergessen die Politik der letzten Jahrzehnte war. Dieser Krieg ist nicht der erste Weckruf, es ist hoffentlich der letzte. – Olaf Goldschmidt

 

Vielen, vielen Dank für den o.g. Artikel, er ist für mich eine Art Sillberstreif am sonst ziemlich düsteren Himmel der Klimakrise, mit Ihren gleich mehrfachen z.T drastischen, ehrlichen, realistischen und konsequenten Feststellungen, Einsichten, Argumenten und Forderungen angesichts der nun schon in 4 Jahren drohenden Erreichung der 1,5 Grad mit der von Ihnen konstatierten Folge: „Die Menschheit bewegt sich in hohem Tempo auf eine ökologische Katastrophe zu“. Gespenstisch zutreffend waren die folgenden Leuchtturm-sätze:

„. . . die Ampelparteien den Weg der ökologischen Zerstörung verlassen wollten, ohne dabei allzu sehr vom Pfad des gewohnten abzuweichen“, „… im Vordergrund, dass niemandem etwas zugemutet würde, es sei denn man wohnte in derr Nähe eines zu bauenden Windrades“, „. . . Geld ist auch keine Lösung, denn … fehlten vor allem Facharbeiter, Rohstoffe und Bauteile . . . „, „Ohne … Verhalten ändern, wären selbst die dürftigen Klimaziele nicht zu erreichen“, „Genehmigungen . . . gern besonders lange . . „, „… viele Jahrelang, wann immer das Wort (Verzicht) ausgesprochen wurde, schon beim „V“ „Totalitarismus“ gerufen“, „Verzichtsverbot geradezu bizarr. Jeder weiß doch aus dem eigenen Leben, dass es nichts von Wert und Belang gibt, was ohne Verzicht, Zumutungen oder wenigstens Veränderungsschmerzen auskommt, nicht die Liebe, nicht das Leben mit Kindern, kein beruflicher Erfolg, . . . gesunder Körper.

Nur die Rettung der Menschheit vor ihrem eigenen ökologischen Untergang … sollte garantiert ohne Verzicht auskommen. In was für merkwürdigen Zeiten hat man da bloß gelebt?“, Irgendjemand werde . . . wieder sagen: „Verzicht muss sein, aber bitte nicht auch noch für die Ökologie“. Nur sei das dann eben ein „Weiter-So für die ökologische Zerstörung“, „angefangen hat, die fossile Sucht als ein Kardinalproblem zu sehen . . .“ Dass mit Ihnen einer der häufigsten, bekanntesten Artikel-Schreiber der ZEIT so etwas äußert, ist immerhin noch ein kleines Hoffnungszeichen, als wäre der Text eine Antwort auf meine fast verzweifelte Klima-Alarm-Mail vom 11.5.22.

Auch positiv, dass bisher — wenigstens — „einzig der grüne Vizekanzler wirklich an den alten Diskursgittern gerüttelt und sich den neuen Realitäten geöffnet“ hat, und vor allem, dass dieser trotzdem odervielleicht gerade auch deswegen in den Umfragewerten an die Spitze gesprungen ist. Und das beste kommt am Schluss: „Reagieren muss zuallererst die Regierung, und zwar schleunigst, weil sich die Dinge so schnell bewegen. Grundlegend ändern wird sich schließlich nur etwas, wenn nicht mehr nur die vermeintlich zuständigen etwas gegen die ökologische Zerstörung tun, sondern alle, die zu ihr beitragen — wir alle“.

Hier möchte ich allerdings doch auch einmal kritsch anmerken, dass ein „etwas“ zu ändern nach den Jahrzehnten der Verschleppung und so nahe am Abgrund auf keinen Fall mehr ausreichen kann, sondern mit Greta Thunberg sagen: „alles“ muss sich ändern. Aber das „schleunigst“ und „wir alle“ – wenn auch mit Unterschieden – kann ich nur dick unterstreichen: Nur dann können wir (als Menschheit) die drohende Katastrophe noch abwenden, wenn niemand sich mehr völlig vor dem nötigen drückt und herausredet, dass andere doch mehr Macht, Einfluss oder Schuld“ an der erreichten Lage haben.

Das stimmt zwar oft, aber eine Rettung ist nur noch möglich, wenn (fast) alle das in ihrer Lage auch mögliche bereit sind zu tun bzw. z.T. eher zu unterlassen, wenn auch teils unter der Bedingung, dass die stärkeren und wohlhabenderen ihnen Hilfen zur Ermöglichung der auch bei ihnen nötigen Veränderungen geben. – Dr. Peter Selmke

 

Haben Sie Dank für Ihren Artikel. Sie zeigen hier so präzise die aktuellen Verflechtungen und das Dilemma, in dem wir stecken, auf. Für Frieden und Sicherheit, für unsere Natur, für Gesundheit, es wird unumgänglich sein, dass wir unseren momentanen aberwitzigen Wohlstand werden aufgeben müssen. Oder besser gesagt, wir müssen ihn neu definieren. Wie die kitschigen Karikaturen „Liebe ist, wenn…“, könnte man beispielsweise sagen: „Wohlstand ist, wenn alle verzichten.“ Dabei würde der Verzicht – wenn auch nicht immer bequem – uns zufrieden machen.

Denn uns allen ist klar, dass er nur deswegen Verzicht heißt, weil das Davor (bzw. das Jetzt) dekadente, ruinöse Völlerei auf allen Ebenen war. Der Verzicht fühlt sich dann an wie das Echte, das Reale, alternativlos. Gestalten müssen ihn die Politiker, sonst moralisieren wir uns noch in den Abgrund. Wir sollten den Entscheidungsträgern dann unsere Unterstützung signalisieren. Diese wiederum sollten anfangen zu handeln, zu regulieren. Ihr Artikel setzt hier ein Zeichen. – Frank Genkinger

 

Herrn Ulrichs Schimpf ist mal wieder wunderbar! Er fasst zusammen, was zusammen gehört. Die weltumspannenden Krisen durch den Ukrainekrieg sind Abbild aller Krisen zusammen, die schon Jahre , teils Jahrzehnte auf den Tisch liegen: Ökonomische Abhängigkeiten wurden mit Unrechtsregimen gehegt und gepflegt- man sagte, des Friedens wegen und für Wohlstand für alle. Die Augen-zu-drück-Politik gegenüber Regime, die im Globalisierungswahn für billige Waren dank Menschenrechtsverletzungen unersetzbar waren (und zu sein scheinen) und die Geiz-ist-geil Mentalität etablierten das Ausbeutesystem des reichen globalen Westens zu Ungunsten des globalen Südens. Verantwortungskrise und Gerechtigkeitskrise könnte ich sie nennen.

Die klima,-arten-und bodenzerstörende Landwirtschaftspolitik zugunsten des Schnitzels für ein paar Cent und der Konsument*nnen, die sonst bei fairen Preisen am Hungertuch nagen würden, führte zur Klima,-Arten,- Tierwohl-und Landwirtschaftskrisen. Und zu guter Letzt die globale Klimakrise und das größte Artensterben der Neuzeit zugunsten einer Wohlfühlpolitik und eines Festhalten an der klassischen Wachstumsdoktrin. Zuungunsten derer, die nie gefragt wurden, aber am meisten an allen Krisen zu leiden haben: Kinder, Menschen des globalen Südens ( aktuell die der Subsahararegionen), Natur und Tiere. Moralische Krise könnte ich das alles auch nennen.

Die gewählten deutschen Poliker*innen konnten, wollten den Durchschnittsbürger*innen nichts zumuten. Wie könnten die gewieften Politiker*innen sonst ihre nach Wirtschaftsinteressen ausgerichteten Entscheidungen sonst rechtfertigen? Und wieder gewählt werden. Nun wird der Krieg funktionalisiert: Jetzt kann dieser Appelle rechtfertigen: Mal etwas einschränken bitte ( beim Energieverheizen) und jetzt-müssen-wir-aber ran -an die-Erneuerbaren und jetzt müssen wir mal unabhängiger werden. Nichtsdestotrotz: Dieser Krieg macht die Krisen schlimmer. Leider. Herr Ulrich hat eines vergessen: Die massiven Co²-Emissionen durch den Krieg. Ich habe wie Herr Ulrich gelitten, als er den Artikel schrieb. Wie machen wir weiter? – Vera Hänel

 

Sag, dass da noch Hoffnung ist ! Wieder ein echter Bernd Ulrich. Er bringt in seinen treffsicheren Worten komplexe Sachverhalte so unter, dass die eigene Aufarbeitung befördert wird. Vielen Dank ! Und: In vielen anderen Artikeln ganz hervorzügliche informative Grafiken vom Feinsten. Wunderbar ! – Harry Trebbin

 

Gewohnheiten, Veränderungsunwillen, Bequemlichkeiten, Hysterie, Ungerechtigkeitsempfinden, Unwissenheit, Überzeugungsresilienz, Lemmingismus, Gier, Dummheit, … Begriffe zur Illustration der Gemütslage der Antwort suchenden aus der gemütlich baumelnden Hängematte. Und so ganz nebenbei werden die zum Überdruss wiederholten Warnungen vor einer immer spürbareren Klimakatastrophe mit all ihren Begleiterscheinungen ganz locker und unter aufbrandendem Applaus als derzeit nicht relevant auf die Seite geschoben! Herr Ulrich, ich wünsche Ihnen die gebührende, nachhaltige, Aufmerksamkeit für ihre pointiert vorgebrachten Warnrufe! – Wolfgang Sauer

 

Selbstverständlich wusste die (halbwegs) informierte Öffentlichkeit wehn wir da finanzieren. Die Alternative wäre gewesen zu verzichten oder militärisch Demokratie zu exportieren also nutzlos bis fürchterlich. So hat man den bequemen und trotzdem ziemlich weisen Schluß gefasst, dass die Länder für die eigene Regierung selbst verantwortlich sind. Das Eingreifen Amerikas im Iran unter ganz anderen Vorzeichen hat ja gezeigt, dass alles nicht so ganz einfach ist.

Und da die Diktatoren die Muslimbruderschaft in Schach gehalten haben waren und sind sie das geringere Übel. Die „rote Linie“ hat dann Saddam Hussein mit seiner Kriegspolitik überschritten und wurde von den USA gestoppt – gut so!. Der zweite Akt nach 9 – 11. die Ausschaltung des verrückten Diktators war und ist umstritten, muß aber heute neu beurteilt werden, da man jetzt weis was verrückte Tyrannen so alles anstellen können.

Die moralische Verurteilung der USA, allen voran von unserem Helden Gerhard Schröder vorgetragen hat dann unter Obama den Rückzug der USA bewirkt und Schröders Kumpel, dem verrückten Tyrannen Putin das Feld überlassen – schlecht so! Die Denke war wohl: Wir lassen ihn im Orient ein bischen Großmacht spielen, dann wird er schon Ruhe geben – falsch gedacht! Jetzt müssen die tapferen Ukrainer ihm unter entsetzlichen Verlusten die Grenzen zeigen, wie einst in Afghanistan die Taliban, und wir opfern sie auf dem Altar des atomaren Fiedens (wenn’s gut geht). Das ist perfide und schmutzig aber ziemlich weise oder mindestens klug. Für die Gefühlslage bleibt nur das leise weinend vor sich hinkotzen. – Dieter Herrmann

 

Vielen Dank für den äußerst lesenswerten Text von Bernd Ulrich auf Seite 3 in der aktulellen Zeit-Ausgabe. Der Text trifft einen Nerv und spricht ein Problem an, das sonst viel zu selten thematisiert wird, auch in Ihrem Blatt (das ich im Übrigen sehr gerne abonniere und lese): Die Klimakrise ist kein Thema für das Öko-Ressort, in dem dann über die Förderungen von Lastenrädern oder ähnliche Banalitäten gestritten wird, sondern ein Thema, das intersektional zu betrachten ist. Alle Ressorts, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, sind betroffen, weil die ökologische Krise eine ist, die alle diese Bereiche betrifft. Insofern halte ich auch Ihr neues Ressort „Green“ für völlig überflüssig.

Nimmt man die Klimakrise ernst, dann hat sie in der Berichterstattung und Analyse aller Ressorts berücksichtigt zu werden, nicht in einer Öko-Beilage, die dann kaum jemand liest. Ferner ist es zumindest teilweise der Medienlogik geschuldet, dass die Klimakrise aktuell viel zu wenig öffentlich debattiert wird, obgleich uns der IPCC ein Zeitfenster von zwei bis drei Jahren(!) zugemessen hat, sie einigermaßen zu bewältigen. Der Medienlogik zufolge nämlich gibt es immer genau eine große Krise, und das war bis vor Kurzem Corona und jetzt ist es der Krieg. Ich erwarte mir von einem Medium wie der Zeit, diese Logik zu durchbrechen.

Die Komplexität dieser Themen erfordert Intersektionalität in der Debatte, denn, wie Ulrich schreibt, alle diese Katastrophen hängen zusammen. Behandeln Sie die Klimakrise – und das sehe ich als Ihre journalistische Verantwortung – als das, was Sie ist: eine akute, globale Bedrohung, die wir nicht, wie wir es so gerne machen, aussitzen können, sondern die jetzt mutige politische Schritte erfordert. Hinterfragen Sie das Paradigma der Regierung, man müsse Klimaschutz gegen Wirtschaftsinteressen und Sozialpolitik abwägen – es gibt keine Wirtschaft auf einem toten Planeten, und gerade von Armut betroffene Menschen werden durch ökologische Katastrophen als erstes und am härtesten getroffen. Geben Sie der Wissenschaft und den Aktivist*innen, die Sand im Getriebe dieses Systems sind, mehr Forum und den Populist*innen, die glauben, man könne jedes Problem mit Geld und Technik lösen, weniger.

Die aktuelle Regierungskoalition nimmt Ihre Verantwortung nicht wahr – lassen Sie sie nicht damit durchkommen. Auch Sie als Medienmachende haben in dieser Krise eine Verantwortung. Vielen Dank noch einmal für den sehr klugen Text von Bernd Ulrich und für die gute Platzierung desselben. Bitte weiter in diese Richtung. – Anna Kontriner

 

Die Botschaft „weniger Waren fürs selbe Geld“ kommt schon durch die enormen Investitionen zustande, wodurch in den nächsten 25 Jahren viel mehr Fachkräfte und Material für Solaranlagen, Windräder, Wasserstoffspeicher und massive Gebäudemodernisierung benötigt werden als bisher. Zudem müssen bisher importierte fossile Energieimporte durch deutlich teurere Wasserstoff-Importe ersetzt werden. Dann bleiben für konsumtive Wohltaten des Staates oder privaten Konsum anteilig zwingend weniger übrig.

Jetzt müssen Sie nur den Bürger*innen erklären, dass sie nicht nur bis zur Rente, sondern auch für die Klimarettung länger arbeiten müssen und dass 38-Stunden-Woche, sechs Wochen Urlaub und die „übliche Reise nach Australien“ nach dem Abitur wohl entfallen müssen etc.

Dumm nur, wenn die übrigen bald 8.250 Millionen (= 100-mal so viel wie Deutschland) Weltbürger das ganz anders sehen und weiter für 50 – 60 Jahre auf fossile Energien setzen. Zur Wahrheit gehört nämlich auch, dass die weltweite „Vorbild-Funktion“ der deutschen Energiewende-Politik auf dem Prüfstand steht. Da sieht es derzeit eher nach Pleiten, Pech und Pannen aus: Statt Ingenieur-Instrumente und harte Fakten bevorzugen wir weiterhin die Verbreitung angenehmer Gefühle! – Prof. Emeritus Dr. Wolfgang Ströbele

 


 

 

Leserbriefe zum Thema „UKRAINE“

 

„Putin wurde doch aber provoziert“. In letzter Zeit liest und hört man immer wieder die Rechtfertigung von Putin-Verstehern, dass er ja gesagt hat, dass eine NATO-Erweiterung eine Provokation darstellt und somit einen Krieg rechtfertigt. Das der Westen wusste, dass es Russland provozierte, macht es aber immer noch nicht richtig, in ein friedliches Land zu marschieren, um dort mit Panzern alles platt zu machen. Ich möchte deshalb mal einen ganz einfachen Vergleich ziehen: Wenn man seiner Ehefrau androht sie umzubringen, sollte sie einen verlassen und der Therapeut sagt, dass er es für sehr wahrscheinlich hält.

Da man ein selbstverliebtes Arschloch ist, was glaubt andere Menschen zu besitzen. Dann kann man zwar sagen, man wurde ja provoziert von der Frau. Aber man ist und bleibt immer noch ein Mörder und hat alle Konsequenzen zutragen. Da gibt es keine alternative Meinung. Auch wenn man sich Einbilden kann, dass die Frau selber schuld ist. Dieser Kampf ist kein Ost-West-Konflikt. Hier geht es um das Recht auf Unterdrückung. Es geht darum, Gleichberechtigung und Selbstbestimmung einer schwächeren Partei zu eliminieren. – Stephanie Weiß

 

Gib uns den Mut von Clay. Es gibt zwei Möglichkeiten, einen Krieg zu gewinnen: Die erste ist auf dem Schlachtfeld, die zweite besteht darin, die Bevölkerung deines Gegners massenhaft fliehen zu lassen, zu exekutieren und auszuhungern. Letzteres droht in der Ukraine, wenn wir weiter nach Kompromissen suchen. Deshalb denke ich heute oft an den Kommandanten meines Vaters, General Lucius Dubignon Clay (1898-1978), der von 1946 bis 1949 amerikanischer Militärgouverneur in Deutschland war. Er wurde „der große Kompromisslose“ genannt. Im Ukrainekrieg brauchen wir seinen Mut.

Während ich Clay für die Befreiung meines Vaters aus einem deutschen Kriegsgefangenenlager lobe, sollte der General vor allem für zwei mutige Heldentaten gelobt werden, die die Welt bis heute zum Besseren verändert haben und für die wir unendlich dankbar sein sollten.

Erstens hat er das zerstörte Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg wieder auf die Beine gestellt. 1947 hungerte Deutschland noch, so die Einschätzung des ehemaligen Präsidenten Herbert Clark Hoover, was den Marshall-Plan initiierte. Eine der Forderungen des Marshallplans war die europäische Zusammenarbeit, die schließlich 1953 zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl führte, dem Vorgänger der heutigen Europäischen Union. Es gab nicht viel von der erfolgreichen deutschen oder sogar europäischen wirtschaftlichen Erholung der Nachkriegszeit, was nicht ursprünglich von Clay vorangetrieben wurde.

Am 20. Juni 1948 wurde die legendäre D-Mark eingeführt, indem Banknoten aus den Vereinigten Staaten nach Deutschland geflogen wurden, während Clay entschied, wie viel von der neuen Währung in die westlichen Sektoren der deutschen Wirtschaft gepumpt wurde. Die Einführung der D-Mark kam einer wirtschaftlichen Rettung gleich, bestätigte aber die Teilung Deutschlands in einen Westteil, die spätere Bundesrepublik Deutschland, und einen Ostteil, die spätere Deutsche Demokratische Republik. Die so etablierte Soziale Marktwirtschaft in Westdeutschland diente 1956 als Vorbild für die Entwicklung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, die 1992 in Europäische Union umbenannt wurde und seither ein Träger von Frieden und Wohlstand ist. Es ist nicht schwer zu verstehen, dass es heute ohne Clays kompromisslosen Geist keine Europäische Union mit 27 friedlichen und wohlhabenden Ländern geben würde.

Zweitens ging Clay keine Kompromisse ein, als Stalin am 24. Juni 1948 versuchte, die westlichen Teile Berlins zu isolieren, was einer Hungersnot für eine Million Menschen gleichkam. Stattdessen startete er eine Luftbrücke, um die notwendigen Vorräte per Flugzeug zu liefern. Clay musste die Luftbrücke 324 Tage lang aufrechterhalten. Insgesamt wurden 2,4 Millionen Tonnen Güter nach Berlin geflogen. Es ist schwer vorstellbar, dass wir ohne Clay jemals eine deutsche Wiedervereinigung 1990 gehabt hätten, wenn Berlin 1948 entleert, ausgehungert und in sowjetische Hände gefallen wäre.

Clay verstand, dass man mit einem Erpresser keine Kompromisse eingehen kann. Millionen von Menschen in der Ukraine sind in den kommenden Monaten nach dem Muster der russischen Blockade von 1948 vom Hungertod bedroht. Clay hat uns beigebracht, nicht eine Million Menschen zu opfern, nur weil wir Angst haben, selbst getroffen zu werden. Nicht einmal 8000 wie in Sbrenica. Zu einer Luftbrücke nach Clay-Modell auf belagerte und ausgehungerte ukrainische Städte in den kommenden Monaten gibt es keine Alternative.

Dies erfordert die gleichzeitige Einrichtung einer von der NATO überwachten Flugverbotszone. Eine Provokation für Putin, aber manchmal muss man für einen guten Zweck so kompromisslos sein wie Clay gegenüber Stalin. Schließlich stehen die Werte der Europäischen Union, deren natürliches und baldiges Mitglied die Ukraine ist laut EU-Kommissionspräsidentin Ursula van der Leyen, auf dem Spiel. Es ist High Noon. – André Kolodziejak

 

Manche offene Briefe und auch manche Leserbriefe, die impliziert der Ukraine ein Nachgeben nahelegen, immerhin einem Staat dessen Grenzen Russland in mehreren Abkommen garantiert hat und diesen dann doch völkerrechtswidrig angegriffen hat, wirken auf mich wie 1939 als in Frankreich geschrieben wurde „Pourquoi mourir pour Dantzig“. Was folgte ist bekannt. – Bernd Schimmler

 

ich frage mich, was in Ihrer Redaktion los ist. Wir leben im 21. Jahrhundert und Sie stossen in das Horn des Militarismus. Ich würde meinen, dass umsichtige, an Aufklärung und Entwicklung interessierte Journalisten in Ihrem Haus arbeiten. Spätestens seit der Ausgabe Nr. 17 mit Martin Machowecz‘ „Bastelbogen“ eines Panzers wurde ich stutzig. Anna Mayr beschäftigte sich dann in „Probefahrt“ (Zeit Nr. 19) eine Seite lang ausführlich mit dem Panzer Gepard – harmlos plaudernd als ginge es um einen Rasenmäher.

Und nun bedauert Martin Machowecz, dass wir in einem Land leben, „das kaum noch eine Kultur besitzt, in der das Militär eine Rolle spielt“ und empfiehlt die Wiedereinführung der Wehrpflicht, nur „freier, sogar fröhlicher“ (Zeit Nr. 20, „Gerne in die Kaserne“). Was kommt in der nächsten „Zeit“? Kriege und Gewalt haben Konflikte noch niemals wirklich friedenstiftend gelöst. Ich bin entsetzt über die Haltung Ihrer Zeitung. – Ines Ohmann

 

Die Ereignisse des Jahres zeigen, dass es kaum Grenzen gibt, was Menschen tun können, um die Welt zu einem besseren und manchmal zu einem schlechteren Ort zu machen. Es gibt viele, die so viel und unter so schwierigen Umständen leisten, aber es gibt einige, die uns im Stich lassen. Ein Saudi wurde angeklagt, nachdem er mit einem Maserati die Spanische Treppe in Rom heruntergefahren und dabei Schaden angerichtet hatte.

Die Tatsache, dass es sich um ein so teures Auto handelte, obwohl es gemietet wurde, impliziert mehr Geld als Sinn, und die Arroganz, eine Reihe historischer Stufen hinunterzufahren, deutet auf einen völligen Mangel an Selbstbeherrschung hin. Vielleicht ist es an der Zeit, die Guten mehr zu belohnen und die Bösen auch mehr zu bestrafen. Es gibt so viel Gutes, dass diese selbstsüchtigen Idioten nach einem besseren Weg suchen sollten, dem sie folgen können, als dem, auf dem sie sich derzeit befinden. – Dennis Fitzgerald

 

Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine könnte in der Dritten Welt eine Hungerkatastrophe auslösen. Die Ukraine ist die Kornkammer der Welt und exportiert hauptsächlich Weizen in Regionen außerhalb Europas. In Länder, die auf diese Getreidelieferungen dringend angewiesen sind. Russland hat jedoch die großen Häfen, in denen das Getreide normalerweise verschifft wird, blockiert. Dieser menschenverachtende Akt gehört zur Kriegstaktik des russischen Präsidenten. Hinzu kommt, dass das russische Militär Felder in der Ukraine bombardiert und in großen Mengen Getreide aus den Silos stiehlt.

In Europa isst jeder Bürger statistisch betrachtet durchschnittlich 80 Kilogramm Fleisch pro Jahr. Menschen, die bewusst auf Fleisch verzichten, sind mit eingerechnet, so dass der Verbrauch der Fleischesser tatsächlich um einiges höher ist. Zum Vergleich, in Indien liegt der jährliche durchschnittliche Verbrauch bei 10 Kilogramm. Dies soll kein Appell zum Fleischverzicht sein. Ich selbst möchte auf Fleisch nicht verzichten. Aber wie so häufig im Leben ist die Menge und die Qualität entscheidend. Fleisch ist hierzulande zur billigen Ramschware verkommen. Dies ist eine grobe Missachtung der Kreatur Tier. Dabei wäre es den Fleischerzeugern lieber, wenn sie für ihr auf nachhaltige Weise produziertes Produkt einen fairen Preis erhalten würden anstatt den erforderlichen Gewinn über die Menge generieren zu müssen.

Rund 60 Prozent des Gesamtverbrauchs an Getreide wird hierzulande an Tiere verfüttert. Das sind nahezu 30 Millionen Tonnen. Getreide, das den Menschen in der Dritten Welt für deren wichtigstes Nahrungsmittel, Brot, fehlt. Wir im wohlhabenden Westen könnten ohne weiteres auf Alternativen zum Fleisch umsteigen. Die Auswahl an Lebensmitteln ist gross, die Verfügbarkeit hoch. Diesen Luxus besitzen die Menschen in den ärmeren Ländern beim Getreide nicht. – Alfred Kastner

 

So begrüßenswert unsere persönliche Hilfsbereitschaft und die des Staates gegenüber den Ukrainern ist, könnte man sie sozialpsychologisch durchaus hinterfragen. Dabei würden wir vielleicht etwas über uns selbst lernen. Das durch einen brutalen Vernichtungskrieg bedrohte Land maximal zu unterstützen ist naheliegend. Die schockierenden Bilder, die uns fast täglich über die Medien erreichen, stimulieren unsere Empörung und damit auch unsere Hilfsbereitschaft. Was wir dabei gerne übersehen: Die leidenden Menschen auf den Bilder sehen aus wie wir!

Es sind weiße Europäer. Ähnlich brutale Szenen aus Afrika oder Asien würden uns wenig berühren, sie würden in den Medien auch nie in ähnlicher Intensität gezeigt werden. Das ist psychologisch verständlich. Aber wer Atombomben hortet, ist kein Neanderthaler mehr und sollte über die Grenzen seiner Sippe hinausblicken. Denn wenn Tausend Flüchtlinge aus Afrika im Mittelmeer ertrinken, rührt uns das kaum. Die erbärmlichen Zustände im Flüchtlingslager Lampedusa waren den meisten egal, den Medien ebenfalls. Mit einem Bruchteil der Gelder, die heute aus dem Nichts zur Verfügung stehen, hätte man diese Missstände beheben können.

Geschehen ist nichts. Empörung und in der Konsequenz Quote und Auflage bringen vor allem das Leid derer, die sind wie wir. (2015 war das noch anders.) Dazu kommen Sachzwänge, die niemand will. Internationale Hilfsorganisationen, die jetzt große Summen in der Ukraine investieren, müssen diese Gelder in anderen Regionen einsparen. Wir helfen ukrainischen Familien, dafür müssen afrikanische hungern. Das klingt zynisch, aber es ist so. Leider. Wir haben ein globales Wirtschaftssystem entwickelt (dessen Nachteile gerade spürbar werden) aber kein globales Bewußtsein. (Sonst wäre die UNO eine mächtige Institution.)

Was wir dringend brauchen ist ein Denken, das alle Menschen dieses Planeten umfasst und bei Entscheidungen berücksichtigt. Schließlich gehören wir alle zur Besatzung des Raumschiffs Erde, das im Weltall kreist und sind deshalb aufeinander angewiesen, existenziell. Keine neue Erkenntnis. Umso bedauerlicher, dass der Sapiens sie immer noch weitgehend ignoriert. – Ray Müller

 

Nachdenkliche Tage uns, Ihnen und vielen Menschen! Selinskij, der einem wahren Revolutionär ähnelnd, die Ukraine pars pro toto für die ganze Welt mit ständigen Waffen Nachforderungen zum Weltfrieden verantwortlich zu bestimmen vorgibt, führt die deutsche, grüne Regierungspartei nach einem programmatischen Salto mortale am Nasenring wie ein Kamel durch die Manege der Weltpolitik. Wie in jedem Revolutionär immer auch eine Portion „Liebe“ zum eigenen Volk steckt,

erklärt diese Triebkraft die Zerstörungsbereitschaft. Sie führt zum bestimmten Sieg in Asche, zu dem Rest der Helden, die noch warten müssen und zu den Idolen – schon kurz nach dem gesamten Desaster vergilbt. Die Vernichtung Putins geht Hand in Hand mit der Zerstörung Russlands und der Verarmung der russischen Bevölkerung. Das tiefe Mitleid ist punktförmig wie ein Vogelauge auf ein Getreidekorn.

Der Krieg weitet sich in Europa aus, nicht in Amerika . Amerika profitiert von seiner vorausreitenden Geld und Waffenlieferung nicht nur aus diesem einen Grund ihres Hybris Bündels. Das ist triviale Erkenntnis aus der westlichen – wahren – Berichterstattung. Nicht zulässig ist es, diese Beobachtung als Antiamerikanismus abzuwerten und abzutöten. – Dr. med. Horst Wietelmann

 

Jetzt geht es für alle Beteiligten darum den Frieden zu gewinnen und nicht den Krieg. Das ist auch IHRE Verantwortung, nutzen Sie IHRE Macht für die Beendigung dieses Elends und der aktuellen Eskalation, die fatal (NUKLEAR!) enden könnte! Seit mehreren Wochen erleben wir eine zunehmende verbale und militärische Zuspitzung zwischen Russland, der Ukraine und den NATO-Staaten. Dabei spielen Sie eine wichtige Rolle in der Berichterstattung, weil Sie das Bewusstsein und das Handeln der Politik beeinflussen. Gerade in „Kriegs und Vorkriegszeiten“ ist es besonders wichtig, verantwortungsvoll mit Informationen umzugehen, da sie zu Krieg oder Frieden beitragen können, wie wir es bei der manipulierten Begründung des Irakkriegs oder und im Krieg in der Ukraine erlebt haben.

Ihr Auftrag muss es sein, für Frieden und Völkerverständigung einzutreten und keine Feindbilder zu schaffen. Es gibt keine guten oder schlechten Völker. Deshalb fordere ich Sie, in dieser zugespitzten Situation auf, faktengesichert, friedens- und lösungsorientiert zu berichten, Brücken über die Schützengräben zu bauen. In der Berichterstattung, in Diskussionsrunden, in Talkshows gibt es keine Stimmen aus der Friedensbewegung. Jetzt wird nur noch das Wort für militärische Aufrüstung und Kriegsverschärfung erhoben. Das ist unerträglich! Ist ein atomarer Winter das, was Sie sich für sich und Ihre Kinder wünschen?

Wo sind Ihre Humanität und Ihr gesunder Menschenverstand geblieben? In der Hoffnung, dass Sie sie bald wieder spüren und dementsprechend handeln und berichten, Z.B. über diese wichtige Email-Aktion gegen die nukleare Aufrüstung, über die der Bundestag am 19. Mai abstimmen soll. https://www.lobbying4peace.de/stimmen-sie-gegen-die-nukleare-aufruestung Vielen Dank im Voraus dafür! – Sophie Müller

 

Nachfolgende Mails möchte ich Ihnen kurzer Hand zukommen lassen. Meine Positionierung „Frieden schaffen ohne Waffen“ ist zwar nicht unmittelbar einem Ihrer Beiträge in den letzten ZEIT-Heften zuzuordnen Dennoch möchte ich Ihnen meine Sorge/mein Unbehagen usw … nicht vorenthalten. Dies um so mehr, als ich durchweg besorgt-kritische, aber im Kern durchweg zustimmende Rückmeldungen aus meinem Bekanntenkreis erhalten habe.

PS zu ZEIT-Beiträgen immer wieder als ehemaliger Chef der Deutschen Rentenversicherung BW den fachlichen Austausch gesucht und gefunden. Nunmehr positioniere ich mehr eher „aus dem Bauch heraus“ zu dem Krieg in der Ukraine….. auch deshalb, weil mit solchen schlimmen Unglaublichkeiten auch s o z i a l e r Sprengstoff weltweit einhergeht! – Hubert Seiter

 

Bruderliebe auf russische Art – das Ringen um eine neue Weltordnung. Vor und während des Überfalls auf die Ukraine klärte der russische Präsident die Welt darüber auf, dass die Ukrainer ein Brudervolk seien, das aber westlicher Gehirnwäsche ausgesetzt und deshalb in das Fahrwasser von Nazis geraten sei. Offenbar geht er davon aus, dass der größte und mächtigste unter den Brüdern, die Russen, legitimiert sei, den kleineren und schwächeren das eigene Gesetz aufzuzwingen, sprich, sie unter die russische Knute zu zwingen.

Begreiflicherweise haben die baltischen Länder, selbst von vielen russischen Brüdern besiedelt, die größte Angst vor dieser mit Kanonen gewappneten Bruderliebe; ebenso die Polen und andere slawische Völker, die ja alle zu den entfernten Brüdern gehören. Die NATO konnte genau deswegen so erstarken, weil diese Völker schmerzhaft in Erinnerung haben, dass ein dreiviertel Jahrhundert früher erst Hitler und anschließend Stalin diese Art von Bruderliebe gepredigt und vollzogen hatten.

Warum kopiert der russische Präsident so eifrig die Methoden der Nazis, die er doch eigentlich zu perhorreszieren behauptet? Warum steht die Welt heute am Rand eines Krieges, der sich aufgrund eines Zwischenfalls zu einem Endkrieg zwischen West und Ost aufschaukeln könnte? Lassen wir einmal die Ideologien hüben und drüben beiseite, um den Blick auf die grundsätzlich veränderten Bedingungen zu werfen, welche seit etwa einem halben Jahrhundert alle Staaten in ihren Bann gezwungen haben.

Seit etwa einem halben Jahrhundert stehen interkontinentale Raketen den großen, in den kommenden Jahrzehnten auch vielen kleineren Staaten zur Verfügung, deren Bomben jedes Gebiet auf dem Globus innerhalb von Minuten oder Stunden in unbewohnbare, nuklear verseuchte Wüsten verwandeln. Diese Bedrohung ist permanent, anders gesagt, sie ist sie unaufhebbar, solange keine Autorität oberhalb der Einzelstaaten dieser Entwicklung ein Ende setzen. Wir befinden uns in exakt derselben Situation wie Europa zur Zeit von Immanuel Kant, der genau aus diesem Grund die Einrichtung einer Weltregierung gefordert hatte, weil sich andernfalls die Staaten Europas in ständigem Kampf zerfleischen würden.

Europa hat die Vision des deutschen Philosophen zweieinhalb Jahrhunderte später – nahezu – verwirklicht. Dagegen ist die heutige Welt aufgrund der über den ganzen Globus verbreiteten technischen Zivilisation zwar äußerlich so uniform wie nie zuvor, aber von dieser notwendigen Einheit ist sie immer noch weit entfernt, obwohl es in unserer Zeit – anders als in Europa zur Zeit von Kant – um nicht weniger als das Überleben der Spezies geht.

Man muss die heutige Situation meiner Ansicht nach so beschreiben: Die technisch bereits geeinte Menschheit lebt in einem Staat ohne Regierung, sie lebt in jenem von Thomas Hobbes beklagten Zustand, wo jeder einzelne (in diesem Fall jede einzelne Nation) für sich ein Maximum an materieller und ideologischer Macht zu erringen strebt, auch wenn das auf Kosten aller anderen geschieht.

Innerhalb von zwei Jahrhunderten haben Europa und sein Ableger, die Vereinigten Staaten, technologisch exponentiell aufgerüstet. Heute kopiert der gesamte Globus diesen Prozess innerhalb von nur wenigen Jahrzehnten. Technik hat alle Staaten einander so nahegebracht, dass keiner sich mehr von den anderen absondern kann. Kommunikation und Datenflüsse überbrücken alle Entfernungen mit Lichtgeschwindigkeit, überschallschnelle Atomraketen können in kürzester Zeit jeden Punkt der Erde erreichen. Hacker aus Korea oder Südafrika sind uns genau so nahe wie die aus der Nachbarstadt. Unsere Spezies Homo sapiens insapientissimus ist durch Technik ein einziges Volk geworden, aber ein Volk im Bürgerkrieg (Hans-Magnus Enzensberger hatte das schon vorausgesehen).

Bis etwa zu Beginn des neuen Jahrhunderts waren die USA die unbestrittene Führungsmacht, die – wie Arnold Toynbee bemerkt, weit weniger brutal als frühere Ordnungsmächte – eine Art Weltregierung verkörperte, indem sie die Spielregeln definierte. Den USA fehlt inzwischen die wirtschaftliche Kraft, um diese Stellung gegen das aufrückende China und das nuklear erstarkte Russland weiterhin zu behaupten. So gesehen, ist der Krieg in der Ukraine – diesem so oft gepeinigten Pufferstaat – nur ein weiteres Kapitel im Ringen der Supermächte um die Stellung als Weltordnungsmacht.

Dieses Ringen wird erst dann zu einem Abschluss kommen, wenn eine der Supermächte oder die UNO sich in dieser Stellung durchsetzen kann. Denn ohne eine von allen anerkannte Autorität kann es keinen dauernden Frieden geben – Kants Aussagen sind heute so gültig wie sie es damals waren. Gleichgültig, ob wir eine solche Weltordnungsmacht wollen oder sie verabscheuen – der sogenannte technische „Fortschritt“ zwingt sie uns auf, denn andernfalls wird er uns, wie nicht wenige Pessimisten seit langem befürchten, den nuklearen und ökologischen Untergang bringen. – Dr. Gero Jenner

 

„Wessen Brot du frisst, dessen Lied du singst“ erklärt die neutrale Haltung vieler Staaten. Aber unerklärlich ist die wochenlange Disskusion über Waffenlieferungen, während täglich hunderte Menschen, Soldaten, Frauen, Kinder sterben. – R o l a n d Besendorfer

 

Die großen Kriege der Neuzeit endeten mit epochemachenden Friedensschlüssen. Westfälischer Frieden – Wiener Kongress – Versailles – Vier plus Zwei. Welcher Frieden wird den Putin-Ukraine-Krieg beenden? Erfüllt sich die Hoffnung, dass Putin bald krankheitsbedingt sterben wird, ist damit zu rechnen, dass ein schwacher Nachfolger den Krieg mit einem „Wiener Kongress“ beenden will. Erfüllt sich die Hoffnung nicht, so wird die Staatengemeinschaft gezwungen sein die Ukraine solange mit „schweren Waffen“ zu unterstützen was zu einem Abnutzungskrieg führt, den keiner der Beteiligten gewinnen kann und somit auch in der „westfälischen Erschöpfung“ endet.

Wird die Staatengemeinschaft gezwungen sein eine neue Friedensordnung mit Kriegsverbrechern auszuhandeln, ist fraglich, wie lange diese Ordnung halten wird. Hat der hauptverantwortliche Kriegsverbrecher sein Land derart ruiniert, dass selbst seine Marionetten den Verfall nicht mehr akzeptieren, kann es sein, dass diese dann einen „Westfälischen Frieden“ ohne ihn anbieten wollen. Es ist zu vermuten, dass der Putinsche Krieg nicht mit einem Diktatfrieden a la Versailles für die Überfallenen endet, sondern anderen Störenfrieden unmissverständlich darauf hinweist, dass der Kampf um die Freiheit eine so starke Opferbereitschaft erzeugt, dass Faustrecht kein Weg für Politik ist. – Detlef Seidler

 


 

 

Leserbriefe zu „Von oben herab“ von Robert Pausch

 

Die soziale Spaltung besteht ohne die Grünen seit 2005 mit Hartz IV. Die Krisen dieser Zeit von der Finanzkrise von 2008 Corona Jahren und Russlands- Krieg von heute Kosten von über 100 Milliarden Euro und Preissteigerungen sind der Spaltpilz.Vielmehr geht die Spaltung weiter und der Zeit Artikel von Robert Pausch, macht es sich zu einfach einen einzigen Partei poltischen Verantwortlichen herauszugreifen. Das ist der Weg vom Qualitaets- Journalismus zum einfachen Schreibstil der Gegensätze in Stellung zu bringen, der in einem schmalen Tunnelblick versickert. – Thomas Bartsch-Hauschild

 

Der Eindruck, dass die Grünen die Partei der wohlhabenden Städter sind, mag durchaus richtig sein (so wie die CSU die der Bauern in Bayern), aber ich empfehle nur einen Moment daran zu denken, dass die Grünen mit ihren Forderungen Recht haben könnten. Beispiel: Wo wäre Deutschland heute, wenn vor 20 Jahren der Benzinpreis auf DM 5/l erhöht worden wäre ? Vielleicht gäbe es keine Autoindustrie mehr in D, aber vielleicht hätten wir es geschafft, unsere Volkswirtschaft komplett auf erneuerbare Energien umzustellen und könnten der Welt nun als Vorbild dienen, wie man eine Volkswirtschaft gewinnbringend auf Nachhaltigkeit umstellt.

Wir werden es nie wissen, denn dieses Experiment ist nie umgesetzt worden; dafür sind wir 20 Jahre später noch mindestens ebenso abhängig von Öl und Gas wie damals, allerdings mit dem großen Unterschied, dass die wir der sich entfaltenden Klimakatastrophe 20 Jahre Zeit gegeben haben, sich weltweit weiter zu entwickeln, weil wir zu bequem und feige waren, aus den alten Denkstrukturen auszubrechen. Ist es nicht eher dieses alte Vorurteil, dass „die Städter etwas gegen das ruhige Leben haben“ und dem Land immer vorschreiben wollen, was gut ist ?

Leider zeigt die Historie, dass Revolutionen (sowohl gute als auch schlechte) zumeist von den Städten ausgegangen sind (manchen Revolutionen verdanken wir, in welcher Art von Land wir leben – siehe Sturm auf die Bastille). Ein Blick in die Zeitung genügt, um festzustellen, dass die Menschheit dabei ist, sich langsam aber sicher abzuschaffen (auch der Titel eines Buches, welches ich vor 5 Jahren gelesen habe und welches nach wie vor hoch aktuell ist). Ich persönlich finde es sehr gut, Gedankenanstöße zu bekommen, auch wenn sie auf den ersten Blick unbequem sind. Ich kann nur dazu aufrufen, dies zuzulassen und sich nicht zu sorgen, dass jemand in ihrer/seiner „Bierruhe“ gestört wird. – E. Würth

 

In diversen Leitartikeln verschiedenster Zeitungen wird seit einigen Jahren von der „Spaltung im Land“ geschrieben. Selten musste ich beim Lesen so schmunzeln wie hier: Ersetzen Sie mal „die Grünen“ durch „die ZEIT“ – es funktioniert überraschend gut! – Jan Wulf

 

Im Artikel „Von oben herab“ von Robert Pausch wird dargestellt, dass die Grünen u.a. für Bildung stehen. Diese öffentliche Wahrnehmung ist für mich nicht überraschend. Aber das stellt für mich wiederum einen Widerspruch dar zu einer anderen Wahrnehmung, nämlich, dass gerade die Spitzenpolitiker der Grünen bzw. deren Politiker mit höherem Bekanntheitsgrad im parteiübergreifenden Vergleich eher unterliegen, wenn es um Bildung und Qualifikation geht. Gibt es hier doch – eine nicht sofort sichtbare – Konsistenz in der Wahrnehmung? Oder darf die öffentliche Wahrnehmung oder das, was als diese kolportiert wird, bisweilen etwas inkonsequent sein? Besten Dank. – Dr. Markus Höchstötter

 

Natürlich darf man versuchen, die Grünen vor und nach den Wahlen runterzuschreiben. Ihr Erfolg hält sich da zum Glück in engen Grenzen. Aber offenes und rationales Reden über politische Themen muss sich dennoch nicht auf platte Merz-Polemik oder verdruckstes Scholz-Nichtsagen beschränken, um für einfacher denkende Köpfe verständlich und wählbar zu sein. Hier gäbe es dringendes journalistisches Aufgabenfeld, denn die Themen und Lösungsvorschläge, für die die Grünen stehen, sind ja richtig, das bezweifeln nicht mal Sie. Also bitte ein bisschen mehr Weltretten und weniger beleidigtes Intellektuellen-Bashing. –Wolfgang Funk

 

Die Verhältnisse in Frankreich taugen kaum als Beleg für die These, dass ausgerechnet „grüne“ Politik die Gesellschaft zwangsläufig in Progressive und Reaktionäre entlang der Stadt-Land-Grenze spalte. Herrn Pauschs Analyse ignoriert geflissentlich, dass sich unter Jean-Luc Melenchon längst ein dritter starker Block neben Le Pen und Macron gebildet hat. Der vereint all die Positionen, die sich angeblich unversöhnlich gegenüber stehen: Ökologie, sozialer Ausgleich, Ablehnung der extremen Rechten und zugleich Kritik an der EU und populistische Anti-Establishment-Rhetorik. Mit dabei: die EELV, Frankreichs Grüne. Wie erfolgreich das ist, wird man sehen, aber Herrn Pauschs Satz vom ausgeschlossenen Dritten gilt hier offensichtlich nicht. – Eckhard Wallis

 

Was die GroKo ihren Staatsbürgern zugemutet hat, das war schon stark grenzwertig, dieses Versagen, das versuchen gerade die „Unprofi´s der Ampel“ noch zu toppen. Deutschlands Bürger müssen sich laut Robert Habeck & Co, dem gefühlt-heimlichen Kanzler der Nation, auf noch mehr drastische Einschränkungen in allen Lebensbereichen einstellen. Die Wunschliste der Ukrainischen Regierung wird täglich länger und länger, aber „Grüne & Co“ tun alles dafür um Herrn Selenskyj nicht zu enttäuschen!

Der Sänger Michael Holm singt in seinem Lied von 1964: „Alles Wünsche kann man nicht erfüllen und nicht alle Träume werden wahr.“ (Text: M.Holm) Das war damals im Jahr 1964, wenn es jetzt um die Ukraine geht, dann werden viele Wünsche bereits schon vor der Wunschäußerung erfüllt! – Riggi Schwarz

 

Endlich hat ein Akteur der Öffentlichkeit Worte gefunden für ein unbehagliches Gefühl, das mich seit einiger Zeit begleitet, vor allem bedingt durch lokalpolitische Be- wie Gegebenheiten. Scheint da das Grauen am Morgen eines Elitarismus auf? – V. Homann

 

Was ist eine Volkspartei? Gibt es sie überhaupt noch? Die CDU/CSU und die SPD tun sich jeweils schwer die Anforderungen zu erfüllen= (Politik für alle Bevölkerungsgruppen: Alt und Jung, Arm und Reich, Handwerker und Akademiker). Die FDP hat gar keine Ambitionen eine Partei für alle zu sein. Ihr reicht es eine Klientelpartei zu sein und mit kleinen Prozentzahlen bei Wahlen gleichwohl oft das Zünglein an der Waage zu sein und trotzdem die versprochenen Ziele umzusetzen. Auf einem ähnlichen Weg befinden sich mittlerweile die Grünen mit ihrem Programm und den Attitüden ihres Spitzenpersonals. Philosophische Betrachtungen über die Wirtschaft und das Klimaziel eloquent vorgetragen von Herrn Habeck.

Den Ukraine-Krieg richtig eingeschätzt und die Völkerrechtlichen Zusammenhänge emotional erklärt und eingeordnet durch Frau Baerbock. Die Erreichung der Klimaziele im Brustton der Überzeugung aufgezeigt und ohne Rücksicht auf die Kosten für den Einzelnen, alternativlos, in den Raum gestellt durch Frau Lang. Wer kommt denn da noch mit? Das ist doch nichts anderes als Herrschaftswissen so darzustellen als würden alle (Bauer und Bürokrat, Städter und Landbewohner, Akademiker und Handwerker, Gebildete und weniger Gebildete) das verstehen und nachvollziehen können was die Grünen propagieren. Eine Partei für Jeden waren die Grünen noch nie und werden es auch nicht werden. Das ist wahrscheinlich auch gut so.

Die Zeit der Turnschuhe, des Strickens, des Fahrradfahrens und der ideologischen Grabenkämpfe zwischen Spontis und Fundis gehören der Vergangenheit an. Es ist leichter Grün zu wählen, wenn man sich ein E-Auto und/oder ein Lastenfahrrad leisten kann. Das Auseinanderdriften derer die das alles kaufen können und derer die jeden Cent umdrehen müssen wird immer größer. So führt auch die derzeitige Politik der Grünen zum Erstarken der AfD im Osten. Die Ränder der Extremen werden so zementiert. Das ist und bleibt ein Zwiespalt. Oder zugespitzt: Vegane Politik verprellt zweidrittel der Wählerschaft. – Felix Bicker

 

Es drängt sich immer häufiger ein Vergleich der politischen Landschaft zwischen Frankreich und Deutschland auf. Nicht nur wegen ihrer Nachbarschaft, sondern mehr noch, weil sich ihre vergleichbaren Parteien ähnlich entwickeln. Die aus dem Nichts entstandene Partei En Marche von Präsident Macron ist am ehesten mit den deutschen Grünen zu vergleichen -ebenso könnte man eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Robert Habeck und Macron erkennen. Die Grünen ticken politisch tendenziell zwar mehr zum Ökologischen, während die französische Partei unter Präsident Macron sich eher als Vernichter der etablierten Linken und der Konservativen entpuppte um eine neue Mitte ins Leben zu rufen.

In Frankreich, vor allem bei den kürzlich stattgefundenen Präsidentenwahlen, stürzten die Republikaner und die gemäßigte Linke -mit den deutschen Parteien CDU/CSU und SPD zu vergleichen- brutal ab. In Deutschland sieht es etwas anders aus und es ist noch zu früh, die Grünen als sichere Gewinner der nächsten Kanzlerschaft 2025 zu sehen. Bei uns zieht es die SPD in einen Abwärtsstrudel wegen ihrer indifferenten bis peinlichen Nähe zu Putins Russland. Der Ukrainekrieg zeigt Verunsicherungen bei Kanzler Scholz und dem Bundespräsidenten -den außerdem seine frühere Rolle als Außenminister belastet.

Das Wahlergebnisse im Schleswig-Holstein zeigt (auch) deshalb starke Verluste bei der SPD und in NRW wird ebenfalls damit gerechnet. Die CDU hat zurzeit starke Zugewinne bei diesen Landtagswahlen und sie leidet scheinbar nicht unter dem Makel der Merkel’schen Kanzlerschaft, die aus heutiger Sicht die gleiche Schuld an der verfehlten Nähe zu Putins Russland trägt wie die SPD. Bleiben noch die Ränder des politischen Spektrums. In Deutschland die AfD, extrem rechts, und die Linke, extrem links positioniert. Beide Parteien wälzen sich mittlerweile im politischen Schlamm aus dem der Gestank von Verwesung hochsteigt.

Ganz anders in Frankreich. Hier schaffte es Melenchon mit seiner extremen Linken das linke Lager bestehend aus Kommunisten, Sozialdemokraten (PS) und Grünen zu einem Wahlbündnis für die kommende Parlamentswahl zu vereinen. Politisch für Deutschland undenkbar, weil Melenchon links von den Kommunisten steht ! Extrem rechts steht unverändert Le Pen. Die immerhin bei den Präsidentenwahlen an zweiter Stelle liegend, Stimmen dazugewann. Macron versucht nun logischerweise die in der Mitte vorhandenen Parteien ebenfalls in einem Wahlbündnis zu vereinen. Wahrscheinlich gelingt ihm das und als Ergebnis bei den Parlamentswahlen würden extrem links und rechts verlieren und die Altparteien Konservative und gemäßigte Sozialisten in der Versenkung verschwinden. I

n Deutschland dagegen würden wohl AfD und Linke in der Bedeutungslosigkeit versinken während CDU/CSU und SPD sich demnächst hinter den Grünen einzuordnen hätten. Bleibt noch der Blick auf die wieder mal überflüssige FDP. Früher mal als Partei der Liberalen geschätzt verkam sie in den folgenden Jahrzehnten zu einer Partei der Beliebigkeit die nicht mehr unterscheiden konnte zwischen liberalisierter Marktfunktion, dem Wohlergehen der Freiberufler und dabei den Gedanken echter Liberalität schleifen ließ.

Guckt man sich die Riege der deutschen Spitzenpolitiker einmal genauer an, fehlt es leider an herausragenden politischen Köpfen auf der außen- wie gesellschaftspolitischen Ebene. Am meisten aber in der FDP. In Frankreich sieht es in der Politik und bei deren Vertretern sehr viel lebendiger aus -aber nicht überzeugender als bei uns. – Klaus Reisdorf

 

Die Paradoxie des Aufstiegs der Grünen liegt meiner Ansicht darin, dass ihnen der Ukraine-Krieg (so traurig das auch ist) in die Hände spielt. Die Sanktionen gegen Rußland (Öl, Gas) lassen die grünen Ziele schneller vorangehen als es ohne diese der Fall wäre. Daher sind die Grünen für viele jüngere Menschen die Partei der Wahl. Außerdem, das ist anzuerkennen, macht Habeck als Wirtschaftsminister eine gute Figur, er versucht alternative Lösungen für Öl- und Gaslieferungen zu finden, auch wenn Katar evtl. nicht ganz der richtige Partner ist.

Auch lassen sich Wind- und Solarenergie jetzt besser „verkaufen“. Und, die Bürger werden gezwungen nachzudenken. Dies sind alles Erfolge, die die Grünen ohne den Krieg sich härter erkämpfen müssten. Ohne Krieg wären sie keinesfalls so erfolgreich. Wie Sie selbst sagen, Herr Pausch, ist die Lage in Deutschland eine ganz andere, sie lässt sich m.E. mit Frankreich nicht vergleichen. – Elisabeth Sintermann

 

Im Artikel „Von oben herab“ finde ich den Satz: Hier lagen die Grünen bei den Hochschulabsolventen bei 31 Prozent, bei Wählerinnen mit Hauptschulabschluss erzielten sie gerade mal neun Prozent. Sind tatsächlich nur Wählerinnen (weiblich) gemeint, oder soll das Wort die Genderquote erfüllen? – Hans-Peter Dropschewski

 


 

 

Leserbriefe zu „Die Macht der Herkunft“ von Ulrich Bahnsen und Martin Spiewak

 

Bei der Bebilderung des Artikels springt der Betrachterin die vorurteilsbehaftete Bildauswahl unübersehbar ins Auge. Unter der Rubrik „Intelligenz“ findet sich ein hellhäutiges, blauäugiges Gesicht, unter „Aggressivität“ – wie könnte es anders sein – ein dunkelhäutiger, dunkelhaariger Mensch. Ich bin sehr geschockt, dass der Redaktion das nicht auffällt. Andererseits: Es ist wohl so gewollt. – Monika Warner

 

… Jetzt muss man mir nur noch erklären, warum es nicht ausreicht, einen offensichtlichen Förderbedarf mit entsprechender Förderung zu beantworten, sondern der Förderbedarf erst durch eine Genanalyse bestätigt werden muss. Damit die „Unschuld“ am Förderbedarf nachgewiesen wird? Und Kinder ohne entsprechend ausreichende genetische Grundlage werden nicht gefördert, weil sie „selbst schuld“ sind?

So interessant die beschriebenen Forschungen grundsätzlich sind – vielen Dank für diese hervorragend vermittelten Informationen! -, die Mittel, die für die Gentests von Kindern mit Förderbedarf und alles drum herum vee(sch)wendet werden, sollten lieber direkt der Förderung all dieser Kinder zugute kommen. – Dr. med. Sibylle Riffel

 

Es wird die Vermutung erklärt,wie Ein Mensch ist,das hat mehr mit seinem Erbe zu tun als gedacht.Aber das Schicksal lässt sich überlisten.Also zu nächst mal,das Schicksal lässt sich nicht überlisten.Wer das glaubt hat vom wahren Leben keine Ahnung und darf weiterträumen.Nun mal zur Sache,was heisst hier Erbe? Vermutlich Vater und Mutter,die Vorfahren und das Ambiente in das Jemand geboren wird.Das prägt für ein ganzes Leben und lässt sich nicht abwaschen.Das ist Stallgeruch,die geerbten Gene riechen. Da helfen alle Bemühungen nichts ,sich davon zu lösen. Das ist Schicksal.

P.S.: Noch mal ein Aufguss von „Die Lotterie des Lebens“ (DIE ZEIT TITEL). Da hilft wieder nichts. Mit seinem Schicksal muss Jeder leben. Bestenfalls sich so durchschleichen ohne aufzufallen. – Hans-Emil Schuster

 

Ulrich Bahnsen und Martin Spiewak haben sicher Recht mit ihren Gedanken hinsichtlich des Themas „Die Macht der Herkunft“. Die Erbgut-Forschung scheint m.E. jedoch Selbstzweck zu sein. Ich schaue auf ein sehr langes Leben zurück. – Meine Mutter war sehr sportlich und sogar schon in den 40er/50er Jahren im Ruderclub aktiv. Ich war ein paar Jahre der beste Sportler in der Schulklasse. Ohne lästiges Training. – Meine Großmutter mütterlicherseits kam aus einer Seefahrer-Familie. In meinem ersten Beruf war ich Seefahrer Handelsmarine, große Fahrt. – Mein Vater war Arzt und Konsum-Minimalist.

Ich wurde im Leben oft als Gesundheits-Apostel belächelt, und Konsum/Mobilitäts-Minimalismus ist für mich ein wesentlicher Teil der Freiheit. – Mein Großvater väterlicherseits war Pastor. Mir rutscht oft die nervende Frage raus : „Warum ohne zwingende Not und wissentlich die Schöpfung (!) mit Überfluss und Luxus zerstören ?“ – Mein Großvater mütterlicherseits war Eisenbahn-Ingenieur. Ich hatte in meinem zweiten Beruf (im Dachverband für öffentliche Verkehrsunternehmen) leidenschaftlich für die Eisenbahn-Systeme in Deutschland gekämpft. – Meine Vorfahren spuken bis heute in mir rum; das fühle ich täglich. – Volker Freiesleben

 

Ich kann die Faszination der sich in der Genforschung andeutenden Möglichkeiten sehr gut nachvollziehen. Aber wie glaubwürdig ist es, dass der perfekte Embryo noch nicht so bald „lieferbar“ ist? Gibt es ein Gen für Empathie oder gar Ethik und Moral? Würde dieses bei ehrgeizigen Forschern Beachtung finden? Ich fürchte, dass die Urteilsfähigkeit unseres Hirns den Möglichkeiten der Wissenschaft nicht mehr gewachsen ist. Bitte bremsen! Oder hoffen, dass sich ein Gen für Zweifel und Skepsis bei der Selektion durchsetzen wird. – Barbara Rogge

 

Der Artikel beschreibt eine Entwicklung in der genetischen Forschung, die in mir große Bedenken auslöst. Forschung und Wissenschaft feiern die neue Fachrichtung Sozialwissenschaftliche Genetik und u.a. Harden hebt hervor welche positiven Möglichkeiten die Ergebnisse dieser Forschung bietet. Individuelle Förderprogramme, die an Schulen oder sogar Schüler genetisch angepaßt werden können, toll. Ein weiterer Schritt in die Gleichberechtigung und die Egalisierung von Klassenunterschieden erscheint in Zukunft möglich. Und ein weiterer Schritt in die totale Kontrolle des Bürgers.

Wir wissen alle, daß Forschungsergebnisse immer auch zu ihrem Gegenteil benutzt werden, die Kernspaltung für die Atombombe, die Kernfusion für die Wasserstoffbombe, um nur zwei der bekanntesten Beispiele zu nennen. Die Erkenntnisse der Sozialwissenschaftlichen Genetik können hervorragend z.B. für die Verbrechensbekämpfung benutzt werden, aber auch für die soziale Kontrolle des Einzelnen. In der Kriminologie ist man seit Jahrhunderten daran interessiert, Verbrecher bzw. kriminelle Veranlagungen an äußeren oder sonstigen Merkmalen festzumachen. Begonnen hat damit Cesare Lombroso schon im 19. Jahrhundert, der die Physiognomie von Verbrechern untersuchte und verallgemeinern wollte.

In Zukunft wird dies dank den Erkenntnissen der Sozialwissenschaftlichen Genetik tatsächlich möglich sein, den Verbrecher bzw. den Bürger mit einer kriminellen Neigung im Vorfeld an den Genen zu erkennen und unter Beobachtung zu stellen. Denn warum sollten wir das Risiko eingehen, einen potentiellen Straftäter, den wir als solchen erkannt haben, unbeobachtet herumlaufen zu lassen. Eine der amerikanischen Firmen, die genetisch perfektionierte Baby anbietet, wirbt mit dem Slogan „Tailor your family´s diet, fitness and health“.

Aber warum sollte sich die Möglichkeit der genetischen Veränderung auf private Firmen beschränken, hat nicht auch der Staat ein legitimes Interesse an loyalen und anständigen, nicht kriminellen Bürgern? Kriminelle oder ähnliche genetische Dispositionen sollten grundsätzlich aus den menschlichen Genen ausgemerzt werden. Eine unkriminelle, ehrliche und anständige, neue Gesellschaft ist jedenfalls ein hehres Ziel. Der Staat kann und muß also Zugriff auf mögliche genetische Veränderungen nehmen.

Der Einzelne darf sich dem schon aus dem Grundsatz der Solidarität nicht verschließen; wir können doch nicht die Geburt eines potentiell kriminellen Bürger akzeptieren, wenn es Möglichkeiten gibt, dies auszuschließen, die nicht mal eingriffsintensiv und allenfalls mit einer Impfung vergeichbar sind. China und Bologna zeichnen den Weg der sozialen Kontrolle ja bereits vor. Willkommen in der brave new world. – Volker v. Moers

 

«Wir sollten das Wissen nutzen, um die Welt besser zu machen» so endet der Artikel über neue Erkenntnisse darüber, «wie stark das Erbgut unser Leben bestimmt». Nun ist es ja so, dass die heutige Welt durch die Evolution geprägt wurde. Wenn man etwas verbessern will, besteht immer auch die Gefahr, dass man letzten Endes verschlechtert. Das gilt auch dann, wenn durch Verbessern für mehr Gerechtigkeit gesorgt werden soll.

Wichtige Aspekte zur Gerechtigkeit werden auch durch die Evolution abgedeckt: Für alle Menschen ist der Besuch auf diesem Planeten zeitlich begrenzt. Aber auch die Aufnahmekapazität für das Geniessen der schönen Dinge dieses Planeten ist begrenzt- Betrifft Essen, Sex, Freundschaften oder ganz allgemein schöne Erlebnisse. Und wenn da bei vielen Menschen Defizite bestehen, dann liegt das oft daran, dass es zu viele Menschen gibt. Natürlich auch daran, dass die Erfolge des Fortschritts (Medizin, Mobilität, Menschenrechte, Medien, etc.) noch nicht allen in ausreichendem Masse zur Verfügung stehen.

Grundsätzlich ist ja zu sagen, dass es allen Menschen – vor allem langfristig – besser geht wenn die Kopfzahl aber auch der Konsum nicht so stark wächst, dass die Zukunft gefährdet ist. Die Natur oder die Evolution ist da Vorbild. Es gibt keine Gerechtigkeit in dem Sinne, dass alle die gleichen Möglichkeiten haben. Das Anpassen an unterschiedliche Nischen ermöglicht bessere Überlebenschancen als die Teilnahme am Konkurrenzkampf, um begrenzte Ressourcen. Übertragen auf die Menschheit heisst das: das Ausgleichen von genetisch (oder auch durch Herkunft) bedingten Nachteilen durch spezielle Förderung ist nur in einem begrenzten Gebiet sinnvoll.

Also angenommen jemand hat nicht die optimalen Gene, um gut Tennis zu spielen, dann ist es nicht sinnvoll, dies durch Förderung auszugleichen. Denn einerseits macht das vielleicht wenig Spass. Es verbessert nicht das Einkommen, denn die Zahl derer, die vom Tennis leben können, ist eng begrenzt. Schliesslich hindert es daran, den Erfolg in Bereichen zu suchen, wo die Erfolgs-Möglichkeiten breiter sind und eine bessere Eignung besteht. Das gilt ganz allgemein in den Gebieten von Kunst, Wissenschaft, Sport, etc. also in vielen Berufsfeldern. Grob gesagt, man kann auch als Bauarbeiter oder Müllmann ein glückliches Leben führen. Die Gesellschaft ist allerdings gefordert, dafür zu sorgen, dass alle Menschen genug zu einem guten Leben haben.

Eine Steuerung ist dort sinnvoll, wo sie nötig ist, um Kopfzahl und Konsum der begrenzten Kapazität der Erde anzupassen. Einerseits soll durch eine solche Steuerung die Notwendigkeit von Wirtschaftswachstum (um über Arbeitsplätze Lebenschancen an alle zu verteilen) zurückgefahren werden. Andererseits sollte verhindert werden, dass durch die Steuerung die Eigenverantwortung zu arg begrenzt wird. Dies betrifft das Thema verantwortungsvolle Familienplanung. – Dr. Gernot Gwehenberger

 

Seit den altehrwürdigen und gut gesicherten Befunden zur Erblichkeit der Intelligenz, zu deren Verbreitung auch ein früherer ZEIT-Redakteur beigetragen hat (Dieter E. Zimmer: Die Erblichkeit der Intelligenz, 2012), ist „Verhaltensgenetik“ Vorlesungsstoff in der Biologischen Psychologie. Seit einigen Jahren wird außerdem auch klarer, dass praktisch alle beim Menschen messbaren körperlichen und psychomentalen Merkmale eine deutliche Erblichkeitskomponente aufweisen.

Über die hier entscheidenden Zwillings- und Adoptions-Studien und die sie vertiefenden molekulargenetischen Grundlagen hat der Psychologe Robert Plomin als Pionier dieser Forschungsrichtung in seinem Buch „Blueprint: How DNA makes us who we are“ zusammenfassend schon 2018 berichtet. Aus diesem Grundwissen heraus wird verständlich, warum die Herkunft den Schulerfolg so sehr beeinflusst aber auch, warum die vielen aufwändigen Programme zur kompensatorischen Frühförderung sozial benachteiligter Kinder, wie sie vor allem in den USA durchgeführt wurden, leider ziemlich enttäuscht haben.

Darauf hatte in einem fulminanten Artikel Arthur R. Jensen bereits 1969 hingewiesen. Die Sozial- und Erziehungswissenschaften, aber auch die veröffentlichte Meinung, haben sich lange gegen dieses Grundwissen gewehrt; jetzt bahnt sich offenbar ein Umdenken an. – Prof. Dr.rer.nat. Gerhard Winneke

 

Ja, die Chancen durch die Gene sind ungleich verteilt. Natürlich sollten Menschen mit schlechteren Chancen gefördert werden um ihr Potenzial zu nutzen. Das Gleiche gilt aber auch für Menschen mit guten Voraussetzungen. Auch sie sollten sich voll entfalten können, denn wir brauchen dringend Menschen, die in der Lage sind, sich den Krisen der Welt entgegenstellen und Lösungen finden. So bleibt die Ungleichheit erhalten, aber alles andere wäre auch ungerecht. – Bettina-Christin Lemke

 


 

 

Leserbriefe zu „Im Walkampf“ von Claas Tatje

 

Entweder-oder? Ein Hinweis auf einen bisher unbegangenen Lösungsweg zum Streit an der Nordseeküste „Schweinswale oder Flüssiggas“: Ich finde es begrüßungswert, dass diese Situation zumindest einen Streit auslöst und nicht reflexartig für das Flüssiggas mit der Begründung des Krieges gegen die Ukraine entschieden wird. Ich frage mich zusätzlich, ob dieser Dualismus nicht der Verabsolutierung einer zweiwertigen Logik geschuldet ist. Drängt sich hier nicht eine dritte Position auf, erst einmal unseren Energiebedarf kritisch zu analysieren und erst dann zu entscheiden? Muss denn ein Auto gleich ein SUV sein, ja, geht es gegebenenfalls nicht auch ohne Auto?

Muss ein Fernsehapparat einen überdimensionierte Bildschirm haben, müssen zu Gartengeräten unbedingt elektrische Kantenscherer und Laubsauger gehören, müssen Urlaubsorte nur noch per Flugzeug erreichbar sein? Müssen wir nicht die unaufhaltbare Motorisierung der Lebenswelt in Frage stellen? Auf diese und viele andere Dinge zu verzichten, ist kein Verlust, sondern Gewinn für die Süchtigen, für das Klima, für die Ukraine und vielleicht auch für die Schweinswale in der Nordsee. – Boje Maaßen

 

Herr Habeck wird in dem Artikel von Claas Tatje mit den Sätzen zitiert: „Während wir uns dafür feiern, dass wir ein LNG-Terminal in Rekordzeit errichten sterben Menschen. In diesen Minuten. Stunden.“ Ja, es sterben Menschen, aber nicht nur in der Ukraine. Überall auf der Welt, jeden Tag, in Kriegen, Bürgerkriegen, bei ethnisch, religiös oder sonstwie unterlegten Gemetzeln. Und es sterben sogar tatsächlich Menschen als direkte oder mittelbare Folge deutscher Außen- oder Außenwirtschaftspolitik. Es interessiert niemanden!

Und zwar deswegen nicht, weil sämtliche Scheinwerfer deutscher Politik (und der Medien) seit dem 24. Februar ausschließlich auf die Ukraine gerichtet sind. Vielleicht könnten die Damen und Herren von den Grünen ihren Moralüberschuss etwas besser über den Erdball verteilen. Die Instrumentalisierung selektiver Betroffenheit für aktuelle politische Vorhaben ist nicht auszuhalten. – Dr. Mathias Siekmeier

 

Mit großem Interesse habe ich Ihren Beitrag über den Interessenkonflikt gelesen, der zwischen kriegsfolgenbedingter Lösung von russischen fossilen Energien, der wegen des Klimawandels ohnehin nötigen Energiewende und den Erfordernissen des Natur- und Artenschutzes besteht. In einem Interview* zum Thema Waffenlieferungen an die Ukraine hat Herr Habeck kürzlich festgestellt, dass er sich da keineswegs in einem Dilemma befinde. Das wäre nämlich die tragische und unauflösbare Wahl zwischen zwei gleich schlechten Alternativen.

Er habe aber die Wahl zwischen einer schlechten Lösung, nämlich Waffenlieferungen, die es der Ukraine erlauben sich mit tödlichen Mitteln zu verteidigen und einer noch schlechteren, nämlich das ukrainische Volk einem Agressor hilflos auszuliefern. In diesem Sinne dürfte sich Herr Habeck auch bei der Auflösung der genannten Interessenkonflikte nicht im einem Dilemma befinden. Im Übrigen möchte ich auf das titelgebende Schweinswalproblem eingehen: Unter anderem erwähnen Sie die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die ihren Widerstand gegen das LNG-Terminal in Wilhemshaven auch damit begründet, dass die lokale Schweinswalpopulation durch die Schallemissionen der Rammarbeiten schwerwiegende Beeinträchtigungen bis hin zu dauerhaften Gehörschäden erfahre. Weder in den Publikationen der DUH, noch anderswo habe ich bisher jedoch Hinweise darauf gefunden, dass bei den Rammarbeiten Verfahren eingesetzt werden, mit denen die Schallemissionen in den umgebenden Wasserkörper signifikant reduziert werden.

Derartige Verfahren sind mir jedoch aus meiner Zeit als Patentprüfer im Bereich Schiffstechnik und Marine Technologie seit Längerem bekannt (Pensionierung 2014). Ein typisches Verfahren besteht dabei darin, dass um die Baustelle herum einen Schirm aus aufsteigenden Luftblasen erzeugt wird. Die Elastizität der Luftblasen hemmt die ungebremste Schallausbreitung, wie sie im nahezu inkompressiblen Medium Wasser sonst auftreten würde. Entsprechend wird der Schalldruck außerhalb der Luftblasenschirms reduziert.

Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) verlinkt in seiner Online-Publikation Underwater sound zu mehreren solcher Verfahren und auch zu einem einschlägigen aktuellen Technical Report (Bellmann Michael A. et al, 2020: Underwater noise during percussive pile driving). Auch schreibt das BSH seit 2008 Grenzwerte für den maximalen Schalldruck vor, der in 750 m Abstand von der Rammstelle nicht überschritten werden darf. Es wäre vielleicht interessant, in Erfahrung zu bringen, ob und in welchem Umfang auf der Baustelle in Wilhemshaven schallemissionsmindernde Maßnahmen wie Luftblasenschirme eingesetzt werden. *) Leider kann ich das Interview nicht mehr finden.

Referenzen: https://www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/baustart-lng-terminal-wilhelmshaven-deutsche-umwelthilfe-legt-widerspruch-gegen-vorzeitigen-beginn/ … Starten sollen die Bauarbeiten in Wilhelmshaven mit der Errichtung eines Anlegers für ein schwimmendes LNG-Terminal. Dazu müssen Stahlrohrpfähle in den Meeresgrund gerammt werden. Dies verursacht hohe Schallemissionen, die eine Gefährdung für den Schweinswal in der Jade-Mündung und im Nationalpark Wattenmeer bedeutet. … https://www.bsh.de/EN/TOPICS/Offshore/Environmental_assessments/Underwater_sound/underwater_sound_node.html Underwater sound … Noise protection requirements of the BSH In 2013, the Federal Ministry for the Environment, Nature Conservation and Nuclear Safety (BMU) developed a concept for the protection of harbour porpoise in the North Sea.

The aim is to protect the habitats of the animals from impact noise by avoiding cumulative effects. The input of sound into the marine environment as well as the effective range can be greatly reduced by the use of technical noise abatement systems. Binding noise protection values apply to impulsive noise emissions from pile driving at a distance of 750 m from the source (binding in BSH approval notices since 2008). …

https://www.bsh.de/EN/TOPICS/Offshore/Environmental_assessments/Underwater_sound/_Anlagen/Downloads/Download_Experience_Report_Underwater.pdf?__blob=publicationFile&v=1 Technical Report Underwater noise during percussive pile driving: Influencing factors on pile-driving noise and technical possibilities to comply with noise mitigation values ERa Report Experience report on piling-driving noise with and without technical noise mitigation measures Dr. Michael A. Bellmann, Dipl.-Phys. et al (2020) (…). Summary Relevance of the study The use of renewable energy sources at sea is growing rapidly in Europe, including Germany, accelerated by the Renewable-Energy-Process after 2011. However, the demand for renewable energies must go along with an awareness of sustainability aspects, especially for the protection of marine ecosystems.

Among other ecological issues, the underwater noise emissions have moved into focus, since the most offshore foundations are anchored in the seabed with the impact pile- driving procedure. This noise-intensive installation method leads to impulsive noise emissions (so- called pile-driving noise), which could harm the marine life (e. g. Lucke et al., 2009). For the environmentally sustainable use of renewable energy sources at sea, it is therefore necessary to reduce this sound input into the water. There are currently 18 offshore wind farms (OWF) in operation in the German Exclusive Economic Zone (EEZ), five more OWFs are under construction, with the noise-intensive installation phase of the foundations for the Offshore Wind Energy Turbines (OWET) already completed, and some OWFs are in the planning stage to achieve the expansion targets.

Furthermore, re 35 substations, converter platforms and measurement platforms, like FINO 1 to FINO 3 have been installed by now. Based on the Marine Strategy Framework Directive (MSFD, 2008), the „Good Environmental Status“ (GES) must be defined and guaranteed for European waters on a national, as well as on a regional basis for the respective indicator species. Other, non-European countries are also striving for a environmentally sustainable expansion of renewable energy sources, so that the handling and the reduction of impulsive noise input has long since become an international issue.

The harbour porpoise (phocoena phocoena) is the only whale species regularly occuring in German waters of the North- and Baltic Sea. For orientation under water, search for food resources and communication, the harbour porpoise uses an echo sounding system and therefore reacts sensitively to the increase of ocean noise. For these reasons, this species is considered a key species in the German North- and Baltic Sea in the context of the evaluation of anthropogenic noise input into the water. The Federal Maritime and Hydrographic Agency (BSH) is the regulatory and monitoring authority for offshore projects in the German EEZ.

Following the precautionary principle BSH established in 2008 for the first time worldwide a dual noise mitigation value criterion of 160 dBSEL (to be met by the Sound Exposure Level) and 190 dBLp,pk (to be met by the zero-to-peak Sound Pressure Level). The noise mitigation values at activity level were based on scientific advice given by the Federal Environment Agency (UBA) and on results from research projects. These noise mitigation values must comply at a distance of 750 m from the point of emission during pile-driving works.

In 2013, the Federal Ministry for the Environment, Nature Conservation and Nuclear Safety (BMU) has issued the noise mitigation concept for the harbour porpoise in the German North Sea, in which compliance with the noise mitigation values and a habitat approach to avoid and minimize cumulative effects are pursued. – Dr.-Ing. Franz Ulrich Häusler

 

Die Bundesregierung setzt also auf Windkraft als Ersatz für russisches Gas. Bislang liefern 1.500 Anlage ca. 8 GW Leistung schreiben Sie in Ihrem Artikel. In Zukunft sollen 70 GW Leistung durch Windkraftanlagen geliefert werden, was – unterstellt Ihre Zahlenangaben sind richtig – bedeutet, daß wir noch über 11.500 Windkraftanlagen aufstellen müßten, denn um die angepeilte Leistung zu erreichen, benötigen wir gut 13.000 Anlagen. Von der Nordsee dürfte dann tatsächlich nicht mehr viel Fläche frei bleiben. Momentan werden Windräder wegen der auslaufenden Förderung nach 20 Jahren abgebaut, weil sie ohne Förderung nicht mehr wirtschaftlich betrieben ewerden können.

Eine maßvolle Verlängerung der Laufzeit wird aber allgemein für möglich gehalten. Windräder dürften also mutmaßlich auch 25 Jahren Betriebszeit haben. Bei einer angenommenen Laufzeit von 25 Jahren und gut 13.000 Windrädern müßten jedes Jahr 525 (!) Anlagen ausgetauscht werden. Das erscheint nicht nur unmöglich sondern absurd. Bis heute gibt es kein funktionierendes Recycling für alte Windräder; für die GfK-Teile besteht nicht einmal eine funktionierende Idee eines Recyclings – abgesehen von der teilweise möglichen thermischen Verwertung.

Parallel zum Aufbau der Windkraftanlagen müßte die Bundesregierung also erstens ausreichende Standorte für weitere 11.500 Windkraftanlagen ausweisen sowie ein durchdachtes und funktionierendes Kreislaufverwertungssystem für abzubauende Windkraftanlagen einrichten oder zumindest fördern. Ansonsten ist der Ausbau der Windkraft mal wieder undurchdachter und nicht funktionierender Mist, den wir mehr oder weniger auch von der Vorgängerregierung in Sachen Energiewende schon gewohnt waren. Allerdings hätte ich von den Grünen mehr erwartet. – Volker v. Moers

 

Die DUH fordert den „konsequenten Ausbau erneuerbarer Energie“. Flüssiggas-Terminals seien Fehlinvestitionen in Gestern. Außerdem macht der Bau der Terminals zu viel Lärm. Und wenn dann Offshore-Windparks entstehen sollen, dann steht er wieder auf der Matte. Zu viel Lärm. Der Nabu ist grundsätzlich für klimaschonende Energie – global-galaktisch. Aber immer, wenn irgendwo wirklich ein Windrad hingestellt werden soll, kreuzt der Nabu auf und verhindert das. Ein seltenes Tier, eine rare Pflanze, irgendwas ist immer im Weg. Und wenn man alle Flächen, auf denen es nicht geht, zusammenzählt, kommt lückenlos die Fläche Deutschlands heraus. Fassen wir zusammen:

Kohle, Öl und Gas: CO2, geht nicht. Windkraft: im Prinzip ja, aber nicht in der Wirklichkeit, Kernkraft: geht gar nicht, zu gefährlich, kein Endlager. Jetzt wird es physikalisch eng. Aber was tun, wenn die Energie nicht für alle reicht? Ich hätte da eine Idee. Die Allesverhinderer könnten freiwillig verzichten. Das hätte auch den Vorteil, dass (Verhinderungs-)Macht und das Tragen der Konsequenzen ideal zusammenkommen. – Hans List

 

Wenn Putins Panzer gen Berlin rollen, will die DUH sicherlich hinsichtlich des Naturschutzes die Aufmarschgebiete der Bundeswehr beeinflussen. Ob Putin dass in seiner Invasionsplanung berücksichtigt? Das Knabenkraut überlebt, Menschen sterben. Die gestellte Frage, ob der Umweltschutz ‚über die Klinge springen darf‘ ist klar mit JA zu beantworten, da wir uns in einer Sondersituation befinden. Auch die Wirtschafts- und Energiemassnahmen sind Teil dieses Krieges und damit müssen die Prioritäten neu gesetzt werden. – Eberhard Goette

 

Die Reduktion der Nachfrage scheint nicht zur Disposition zu stehen. In dem Beitrag wird ausgiebig der ‚unauflösliche Widerspruch zwischen Wohlstand und Umwelt‘ diskutiert. Wir sollten alle besser von dem auflösbaren Dilemma zwischen Verschwendung und Natur sprechen. Selbstverständlich ist der Widerspruch unauflöslich, wenn wir die Natur als Umwelt bezeichnen und Verschwendung als Wohlstand.

Wir Deutschen fahren im Jahr 700 Mio. km allein zum Einkaufen, wir werfen die Hälfte der angebauten Lebensmittel weg und der Energiebedarf im Haus kann mit Modernisierungen um zwei Drittel gesenkt werden (lt. BDEW). Die Reduktion der Nachfrage nutzt zwar den Bürgern, jedoch nicht der Großindustrie. Hier steht unzweifelhaft das Gewinnstreben über dem Gemeinwohl.

Selten wird das Problem jedoch von der Nachfrageseite betrachtet. Selbst in der ZEIT, die ich für fundierte Recherchen und soliden Journalismus schätze, habe ich bisher keine Beiträge gefunden, die zwischen der Reduktion der Nachfrage und einem Ausbau des Angebotes abwägen. Die Produktion von Abfall, Abgas, Abwärme, Abwasser ist Verschwendung. Das ist unbrauchbarer Müll für den Bürger. Stattdessen polemisiert Herr Tatje gegen die Schweinswale und das Knabenkraut. Es ist eine verabscheuungswürdige Ethik, wenn Natur gegen Müll getauscht wird. Schweinswale und Knabenkraut sind Natur, ebenso wie der Mensch. – Prof. Dr. T. Hildebrandt

 

Für mich wieder mal völlig unverständlich wie einem Abmahnverein-D.Umwelthilfe-als relevanter Meinungspräger angeführt.Passiert auch bei allen sonstigen öffentl.rechtlichen Medien.Der Verein verdient sein Geld mit „Abmahngeschäften“,illustren Spenden,usw. Keine seriöse Recherche Sie müssten doch z.B.jedem Turn-Tauben-Schützenverein,etc. gleiches Gehör geben!! – Peter Letschert

 


 

 

Leserbriefe zu „Wie nah ist zu nah, Paul Ronzheimer?“ Gespräch mit Paul Ronzheimer geführt von Charlotte Parnack

 

Wie kann frau nur so außen vor ein Interview führen? Welch empathielose Fragen voller Bedürfnis nach aburteilender Klassifikation! Andererseits sehr gut so obermegablöd zu fragen, da auf diese Weise die „Methode Ronzheimer“ als Gegenentwurf ahnbar wird. Dass man nicht genervt zurückschießt, ist eine Hutlüftung wert: Chapeau Herr Ronzheimer! – Frauke Roloff

 

Das Interview mit Kriegsreporter Paul Ronzheimer hat mir sehr gefallen. Er ließ sich von gewissen Fragen nicht provozieren. Gelungen waren auch die kursiv gedruckten Aussagen seiner Mutter und seines ersten Chefredakteurs. Weniger erfreut war ich über den Erlebnisbericht einer aus dem Westen stammenden Dresdnerin. Hier wurde wieder einmal das Klischee der Ost-West-Unverständlichkeit bedient. – Uwe Jakob

 

Als ehemaliger Physiker und jetziger Ruheständler quäle ich mich zurzeit durch die Romane Fjodor Dostojewskis. Im Moment lese ich „Die Dämonen“. Auf Seite 344 des Anacondaverlages stieß ich auf die unten stehenden Zeilen, die ich wörtlich wiedergebe. Vor etwa 150 Jahren geschrieben, passen die Aussagen genau zur heutigen Politik Putins. Auch fällt mir auf, dass die Gespräche der handelnden Personen meist im Streit oft sogar gewalttätig enden, aber vielleicht bin ich besonders empfindlich.

Ich habe während meines Lebens in der DDR immer von der russischen Seele gehört. Ich bin jetzt 80 Jahre und frage mich: Was und wo ist sie? Aus dem Gespräch Stawrogins mit Schatow: …..Ein großes Volk kann sich niemals mit einer Rolle zweiten Ranges in der Menschheit begnügen, nicht einmal mit einer solchen ersten Ranges, sondern es verlangt unbedingt und ausschließlich, den ersten Platz einzunehmen.

Ein Volk, das diesen Glauben verliert, ist kein Volk mehr. Aber es gibt nur eine Wahrheit, und folglich kann nur ein einziges Volk den wahren Gott haben, wenn auch die übrigen Völker ihre eigenen, großen Götter haben mögen. Der einzige > Träger des wahren Gottesglaubens < ist das russische Volk und … und… Weiter auf der nächsten Seite … Ich glaube an Russland und seine Rechtgläubigkeit …Ich glaube an den Leib Christi … Ich glaube, dass die neue Wiederkunft Christi in Russland stattfinden wird … Die letzten Sätze wurden gebrüllt. Putin lässt grüßen. – Dietmar Seela

 

Gelinde gesagt ein Interview mit einseitiger Ausrichtung. Wissen sie wer von ihnen beiden zuviel Nähe zugelassen hat? Das waren sie. Das war kein Interview , das war Inquisition, nur körperlich gefoltert haben sie nicht. Mein Fazit, Bild-würdiger Journalismus, nur von einer Zeitjournalistin hab ich den nicht erwartet. – Markus Harder

 

«Boulevard braucht halt Personalisierung», verrät uns der stellvertretende BILD-Chefredakteur im ZEIT-Interview. «Wie nah ist zu nah?» wird da scheinbar kritisch «einer der bekanntesten Kriegsreporter der Welt» gefragt, der schon auch mal «mit den Klitschko-Brüdern weinte» (Bruder Wladimir erhebt ihn dafür, so erfahren wir, zum «wahren Journalismus» in Person) und «mit Selenskyj an der Front war» – alles an diesem Krieg wie gehabt, in unmittelbarster Nähe zum Boulevard-Narrativ, allwo uns die Guten (Selenskyj & Klitschko) immer nur als ganz spontan und intuitiv Handelnde begegnen.

Noch im ZEIT-Gespräch mit dem abgebrühten PR-Profi von BILD nichts als Personalisierung – keinerlei Fragen nach Coaching-Teams im Hintergrund, die garantiert Tag für Tag (ist es kritischen Geistern wirklich anders denkbar?) auch diese beiden Polit-Grössen für deren gewünschte Performances abrichten. Erinnern wir uns doch bloss:

2014, als der hochhaushohe PR-Weltmeister USA schon Mia Dollars in die Ukraine gesteckt hatte, begrenzte Washingtons Ukraine-Beauftragte Victoria Nuland Klitschkos Karriere aufs Kiever Bürgermeisteramt, als Ministerpräsidenten wollte sie nicht ihn, dafür aber Selenskyjs Vorgänger, und beide wurden sie das Vorgesehene (und ganz nebenbei: «Fuck the EU!»). Und der soll nun allen Ernstes, glaubt man BILD & ZEIT & allen andern, unseren täglichen Kriegsgefühls-Bedarf ganz ohne Beistand von ausgesuchten, hochbezahlten PR-Profis füttern? – Da lachen ja die Götter! (Oder weinen sie…?) – Benjamin Kradolfer

 


 

 

Leserbriefe zu „Wie kritisch war die Presse?“ von Anna Lea Jakobs und Heinrich Wefing

 

Die ZEIT hat sich die Mühe gemacht, sich kritisch mit Putin vergangener Publikationen auseinanderzusetzen. Eine gute Sache. Nur frage ich mich persönlich ob alles falsch gelaufen ist in der Vergangenheit, was den Umgang mit Putin betrifft. Nord-Stream-2-Pipeline ist eine von Lobbyisten getriebenes Projekt, deren Politiker dazu benutzt wurden, diese voranzutreiben. Mag sein, dass sich Schröder in den Vorstand katapultiert hat. Dies ist allgemeine Praxis ehemaliger aktiver Politiker. Nur wenige haben gegen die Pipeline gestimmt. Das Gas, Öl ist ja billig; also her damit. Gegenstimmen wurden einfach überhört.

Dass die Publikation von Putin im Wortlaut im Juni 2021 veröffentlicht wurde, war nicht unbedingt falsch. Aus folgendem Grund: In diesem Beitrag hätte die Verlogenheit Putins erkannt werden müssen. In den darauffolgenden Publikationen der ZEIT wurde entsprechend darauf ausführlich gekontert geschrieben. Der Leserschaft war es möglich sich ein eigenes Bild zu machen.

Mir stellen sich trotz allem folgende Fragen: 1. Wie konnte es sein, dass die Krim 2014 flugs still und „heimlich“ annektiert wurde?2. Warum gab es den Krieg in Donbas, bzw. wurde dieser von russischer Seite am Köcheln gehalten? 3. Warum wurde die Ukraine nicht rechtzeitig in die NATO aufgenommen? 4. Warum gelang es Russland am 24.Februar 2022 in die Ukraine unverfroren einzumarschieren, um diesen Krieg bis heute brutalst auszuführen. Putin nennt es notwendiger Erstschlag in seiner großen Rede am 9.Mai 2022.

Immer wieder hat es Putin geschafft den Westen zu täuschen und zu belügen. Was ist mit den Geheimdiensten? Wurden deren Warnungen ignoriert? US-Geheimdienste haben zum Beispiel rechtzeitig vermittelt, dass Russland in die Ukraine einmarschiert. Aufarbeiten vergangener politischer Fehler und Entscheidungen sind wichtig und notwendig. Nur kann keiner sagen, ob die heutigen politischen Entscheidungen, in zehn, fünfzig Jahren richtig oder falsch sind. Nur sollten sich vergangene Fehler nicht wiederholen. – D. Friedo

 

La dichotomie est l‘etat de quelque chose qui est divise en deux contraires. Dieser Artikel gibt eine eigenwillige Haltung wider und erzeugt lediglich – Blatt füllend – dichotome Fragen, wie richtig oder falsch. Ich fühle mich schlecht, also muss ich etwas falsch gemacht haben. Interpretiert man nun den Beitrag auf die Zeit nach Beginn der Invasion, bleibt er gültig, weil man sich weiterhin einer analytischen Schärfe des Krieges verweigert.

Dieser Krieg ist und bleibt europäisch – putinisch, weil zwei wachsame Weltmächte den Verlauf wegen eigener Vorteilsnahme beobachten. Beide ahnen, vielleicht sogar wissen, dass es nach dem Krieg weder eine Ukraine noch ein Russland in den bisherigen Grenzen geben wird. – Jürgen Dressler

 

Verzicht auf anmaßende Verballösungen? Es ist ein mutiger Schritt, die eigene Berichterstattung und die anderer Print-Leitmedien nach fast 10 Jahren kritisch unter die Lupe zu nehmen, um zu prüfen, inwieweit man analytisch, prognostisch und mit alternativen Handlungsoptionen „richtig“ lag. Respekt und Lob dafür! Es ist seit jeher das Problem von Medien, dass ihre Autorinnen und Autoren zwar vieles wissen, zu verstehen und beurteilen zu können glauben, immer das Beste wünschen und vermeintlich Gutes vorschlagen.

Publizisten haben jedoch alle ihr eigenes Selbst- und politisches Vorverständnis, oft zu geringen Zugang zu erforderlichen Daten, Fakten und Hintergrundwissen, erstellen nur bedingt zutreffende oder unvollständige Problem- und Lageanalysen und haben (anders als Regierungen) nicht immer fachkompetent beratendes Personal. Um wieviel mehr leiden Nutzer, Leser, Hörer, Zuschauer unter diesen Mängeln, vor allem wenn sie es unterlassen, sich aus vielen Quellen kundig zu machen, bevor sie zu urteilen wagen?

Und haben wir in den letzten Jahren nicht immer wieder nachträglich vernehmen können, dass sogar kompetente Fachleute und mächtige Regierungsmitglieder offen zugegeben haben, getäuscht zu haben oder getäuscht worden zu sein – oder wenigstens: sich geirrt zu haben? Wie sollen es da Bürger besser wissen? Auf dieser oft unzulänglichen Basis werden aber von Seiten von Publizisten, Wissenschaftlern, aber auch von diversen Politikern und Interessenvertretern Urteile und Prognosen gefällt, nur verbale, wenn auch gut klingende Lösungen oder Optionen vorgeschlagen oder gar gefordert – zu oft ohne reelle Berücksichtigung von Mitteln, Personal, politischen Gegenfaktoren, Widerständen, Hürden und anderen Faktoren (Opfern, Kosten, Auswirkungen).

Und was schwer wiegt: mediale Forderungen bleiben ohne praktische Verantwortung der Verkünder für die Folgen des gutgemeint Vorgeschlagenen, das den real Zuständigen, Verantwortlichen und Akteuren der Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Verwaltung als Forderung, Warnung oder Lösung im Ton des Besserwissens oder Vorwurfs vorgehalten wird. Es mag zwar sein, dass manche genaue und kritische Berichterstattung und Lageanalysen zutreffen, Prognosen oder Vermutungen zu- und eintreffen, Befürchtungen und Warnungen begründet waren. Aber allein daraus den Anspruch abzuleiten, man hätte auf diejenigen hören oder denen folgen müssen, die „am Ende recht hatten oder behalten haben“, ist anmaßend und nicht begründet – aus den oben angeführten Gründen.

Wenn man (viele von uns) genauer studiert hätte, wie sich z.B. F.D. Roosevelt seit 1938 mehrmals öffentlich warnend vor einem Weltkrieg gegenüber Hitler verhalten hat – und dann dieser dennoch einen kalkulierten Krieg begann, der nicht zwingend war und nicht die erhofften Ergebnisse bescherte, könnte man einsehen, dass es nicht die „Appeasement-Politik“ war, die den Krieg „ermöglichte“, sondern eine umfassende Fehleinschätzung und kurzsichtige rücksichtslose Politik der verantwortlichen Eliten – sowie das Ausbleiben entschiedener Gegenaktionen der (maßgeblichen) Befehlsempfänger, die aus Unverständnis und Mangel an Mut nicht (eigenverantwortlich, unter Einsatz ihres Lebens) handelten.

Hätten die europäischen Nachbarn, die USA und die UdSSR diesen (Welt-)Krieg präventiv verhindern können, mit demselben Ergebnis wie historisch erfolgt, dann aber wohl nur mit dem kaum zu widerlegenden Vorwurf: diesen Krieg selbst vom Zaun gebrochen zu haben, um das Deutsche Reich zu schwächen oder gar zu zerstören, das diesen Krieg aber nicht „begonnen“ hat und daher Deutsche keine Schuld der Verantwortungslosigkeit u.a.m. treffe. Fatales Nebenprodukt publizistischer, anmaßender Schelte an Entscheidungen ist meist ein gespaltenes Publikum, dessen kontroverse Meinungen als (subjektive) Urteile über die Qualität von politischen Optionen zugleich eine Bestätigung bzw. Ablehnung von politischen und ökonomischen Entscheidungen darstellen.

Diese Meinungs-Macht mündet nicht in Nachfragen und sorgfältiges Studium der Sachverhalte zur Erhöhung des Verständnisses und der Urteilsfähigkeit (auch mit Hilfe von Wissenschaft und Publizistik), sondern in selbstzufriedenes Beharren auf dem erreichten Stand des (Un-)Verständnisses. Ich würde es begrüßen, wenn Publizisten bescheidener mit verbal gut klingenden Forderungen aufträten und sich auf hervorragende Berichte und reflektierte Analysen konzentrierten. – Jürgen Germann

 

In der letzten Ausgabe der Zeit schreiben Sie in dem Artikel „Wie kritisch war die Presse“, dass es ein Fehler war, im Juni 2021 Wladimir Putins Beitrag in der ‚Zeit‘ abzudrucken. Ich möchte Ihnen sagen, das Gegenteil war der Fall. Durch das Lesen von Putins Artikel ist mir, und vielleicht vielen anderen Lesern auch, erst klar geworden, in welcher düsteren Gedankenwelt Herr Putin lebt und welch erschreckendem Nationalismus er anhängt. Da der normale Bürger wahrscheinlich nicht ständig seine veröffentlichten Schriften liest, war es besonders wichtig, sie uns hier zum Lesen zu geben, gerade wegen des Angriffskrieges, der jetzt folgte.

An der liberalen, demokratischen Ausrichtung der ‚Zeit‘ hat deshalb, denke ich, niemand ernsthaft gezweifelt. Gerade in der liberalen Demokratie müssen wir es ertragen, dass andere ihre Meinung äußern, deren Weltbild dem unserem fundamental widerspricht. Nur so können wir dem auch entgegen treten und dieses Weltbild argumentativ entkräften. Und dies ist vor allem wichtig, weil es in Russland selbst aktuell nicht mehr möglich ist. – Julia Noack

 

Klar ist, im – aktuellen – Nachhinein sind wir Menschen immer schlauer, denn fürwahr: „Dir kann passieren, was will. Es gibt immer einen, der es kommen sah“ (Fernandel). Dass DIE ZEIT ungeachtet dessen in medias geht und auch selbstkritisch zurückblickt auf die Entwicklung der deutschen Politik gegenüber Russland seit 2014 sowie auf die Einordnung ebendieser durch die deutsche Presse ist vorbildlich, schlichtweg richtig guter Qualitätsjournalismus. Der, zumal in solch diskursiven Zeiten, ganz besonders gebraucht wird. Mit Dank. – Matthias Bartsch

 


 

 

Leserbriefe zu „Lässt sich hier noch Weizen ernten?“ von Moritz Aisslinger et al.

 

Gerade habe ich die ZEIT auf dem Briefkasten gefischt und mir das Dossier herausgesucht. Und jetzt bin ich total irritiert. Gleich im ersten Absatz steht, dass ein hoher Torfanteil Schwarzerde noch besser macht. Gut, Bodenkunde liegt lange zurück, aber Torf entsteht in Mooren und ich wirklich nicht lange nährstoffreich. Schwarzerde entsteht sicher nicht in moorigen Landschaften. Meinen Sie Humus? Das wäre dann doch ein gewaltiger Unterschied? Aber jetzt wende ich mich wieder Ihrem Artikel zu und bin gespannt. – Marike Carstens

 

Mich erschüttert der internationale Unwille, die halbe Welt vor einer Hungersnot zu schützen. Der von Russland betriebene Umstand, vorhandenen ukrainischen Weizen nicht einschiffen zu können, wird billigend, geradezu feige von der internationalen Gesellschaft respektiert. Es gilt umgehend durch eine internationale Allianz von Kriegsschiffen die Öffnung ukrainischer Häfen zu sichern und die Versorgung der Armen in der Welt zu gewährleisten.

Gegen diesen ausschließlich humanitären Auftrag werden weder Russland noch seine Sympathisanten eine politische Begründung, erst recht keine militärische Intervention leisten können. Das wäre das absolute Ende für eine jegliche Rückkehr in die zivilisierte Weltgemeinschaft. – Jürgen Dressler

 

Im 1. Absatz behaupten Sie: „Wobei schwarz besser ist, denn das bedeutet, dass im Boden viel Torf steckt. UndTorf macht den Boden fruchtbar.“ Schon ein kleiner Blick ins Internet hätte diese These als Irrtum entlarvt, wenn Sie nach Fruchtbarkeit von Torf gegoogelt hätten: 5 Irrtümer über Torf – Kleingärtnerverein Mülheim (Ruhr) – Nord e.V. Irrtum Nr. 2: Torf ist sehr humus- und nährstoffreich.

Trotz seiner dunklen Farbe besteht Torf nicht wie oft angenommen aus Humusschichten, sondern aus humusarmen Sedimentsschichten abgestorbener Pflanzenteile. Durch die Auswaschung ist Torf sehr nährstoffarm und muss daher immer künstlich aufgedüngt werden, damit für Blumen und Pflanzen die benötigten Nährstoffe überhaupt zur Verfügung stehen. Dies geschieht während des Herstellungsprozesses der Torferdenn meist mit künstlichen Mineraldüngern, die jedoch wiederum zu einer Versauerung oder gar Versalzung des Bodens führen. Ein Teufelskreislauf.

Fazit: Der Naturstoff Torf ist ohne Aufkalkung und Düngung für unsere Gartenpflanzen völlig nutzlos und bietet langfristig keinerlei nenneswerte Vorteile. Vor dem Hintergrund all dieser Erkenntnisse muss man sich als kluger Gärtner fragen: Warum dann eigentlich überhaupt noch Torf? Gibt es keine besseren Alternativen zu Torf. Sie haben offenbar Torf mit dem Bodentyp Schwarzerde gleichgeetzt, was aber bodenkundlich völlig falsch ist. Ein wenig Bodenkunde wäre nicht schlecht, wenn man über die Fruchtbarkeit von Boden schreibt. – Dr. Artur Behr

 

An die 7 (!) Autoren des Artikels über den Weizen in der Ukraine, hat keine(r) von Ihnen den kapitalen Unsinn im ersten Abschnitt Ihres Beitrags über den Weizenanbau bzw. die fruchtbaren Schwarzerdeböden in der Ukraine bemerkt? Mit Torf hat die Schwarzerde auf Garantie nichts zu tun! Erdkundliches Schulwissen ( letztes Viertel des 20. Jh.): Löss ist das Ausgangsmaterial. Und einige spezielle Bodenbildungsbedingungen bringen die hocheffiziente Schwarzerde hervor!

Eine schlichte Internetrecherche zum Stichwort bzw. zur Naturwissenschaft Bodenkunde oder zu den Klima- und Vegetationszonen Osteuropas hätte den Fehler vermieden. Mir scheint, dass ein solches Defizit ins Gesamtbild passt: Medien und Öffentlichkeit haben sich in den letzten Jahrzehnten recht wenig differenziert interessiert für die Verhältnisse in den verschiedenen osteuropäischen Regionen! – Marlies Wefers

 


 

 

Leserbriefe zu „Auf dem Balkon des Zweifelns“ von Volker Weidermann

 

„Auf dem Balkon des Zweifelns“ ist für mich der wichtigste Artikel der ZEIT vom 12. Mai 2022. – Hannelore Henningsen

 

Was genau macht Ihrer Meinung nach Frau Lange-Müller zur „Intellektuellen der Stunde“? Eine Frau, die in einer für Deutschland tatsächlich historischen Stunde, einen Brief unterschreibt, den sie, wie sie zitiert wird, „einfach nicht genau gelesen habe“? Das wäre dann wohl zumindest „grob fahrlässig“. Was sagt uns das über ihre Fähigkeit zur intellektuellen Führung? Geistig durchwirkt, aber mit ganz banalen handwerklichen Schwächen?

Ich lobe ausdrücklich, dass Frau Lange-Müller offensichtlich die Fähigkeit besitzt, ihr Denken zu hinterfragen. Von einer oder einem „Intellektuellen der Stunde“ erwarte ich jedoch gerade in dieser hoch-volatilen Zeit Präzision. Und wenn das Denken zu keinem eindeutigen Schluss kommt bleiben natürlich Zweifel. Das ist zunächst nicht verwerflich. Nur, und das ist ein wesentliches Element dieser Zeitenwende, reicht es in wichtigen Punkten nicht zu zweifeln, dann müssen wir springen. – Bernhard Busch

 

«Die Debatte um den Ukraine-Krieg zwingt uns zur Festlegungen im Meinungskampf.» So der Beginn des Artikels. Allerdings, der Verlauf des Kriegs macht es auch manchmal sinnvoll, die Meinung zu ändern. Bekanntlich wird das Risiko ermittelt indem man die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses mit dem möglichen Schaden multipliziert und so war ein Warnen vor einem Atomkrieg durchaus berechtigt (minimale Wahrscheinlichkeit aber maximal möglicher Schaden).

Andererseits hat die Drohung Putins mit der Atomwaffe durch die Entwicklung an Bedeutung verloren und zwar aus mehreren Gründen. Sie sollte den Westen von Waffenlieferungen abhalten, aber die Waffen werden ja bereits geliefert. Zudem, der unerwartet verlustreiche und wenig erfolgreiche Verlauf des Krieges schwächt die Position Putins gegenüber den Generälen, die beim Einsatz der Atomwaffe mitzureden haben. Zudem muss sich Putin vermehrt Gedanken machen übers Beenden des Kriegs was dazu führt, dass seine Kompromissbereitschaft zunehmen dürfte. Dazu kommt, dass der Einsatz von Atomwaffen auch für China eine Katastrophe wäre.

Eigentlich müssten alle Parteien an einem möglichst baldigen Ende des Kriegs interessiert sein. Der Grund für Putin wäre folgender: Auch im Krieg gibt es so was Ähnliches wie Software und Hardware. Software betrifft Logistik, Koordination, Aufklärung, bis hin zu Künstlicher Intelligenz bei der Zielerfassung. Hardware betrifft direkte Kampfmittel wie Panzer, Artillerie, Flugzeuge.

Der geringe Erfolg Putins beruht auf Defiziten in der Software und diese Defizite werden vermutlich nicht kleiner. Putin wird daher vermutlich versuchen, durch Einsatz von Hardware möglichst viel Zerstörung anzurichten, um bei der Gegenseite den Wunsch nach Beendigung des Kriegs zu stärken. Neben der genannten Zerstörung gibt es einen weiteren Druck, ein baldiges Kriegsende zu erreichen: Um die Katastrophe von Hungersnöten zu vermeiden, muss die Lieferung von Nahrungsmittel aus der Ukraine und aus Russland baldmöglichst wieder ermöglicht werden.

Allerdings, wenn Putin weiterhin den Süden der Ukraine erobern will, ist ein baldiges Kriegsende nicht zu erwarten. Beim Lösen des Zielkonflikts zwischen Verhindern von unzumutbaren Gebietsverlusten und Verhindern von grossen Zerstörungen ist das Thema Waffenlieferung weiterhin von Bedeutung. – Dr. Gernot Gwehenberger

 


 

 

Leserbriefe zu „Die Alleshasser“ von Mariam Lau (Text) und Patrick Pollmeier (Fotos)

 

Mit Neugier las ich den Beitrag „Die Alleshasser“. Er ist so informativ wie bestürzend. Was ich mir aber wegen der Überschrift inhaltlich versprach, fand ich nicht. Ja, es gibt sie, die Alleshasser. Und sie werden nicht weniger. Nur ihre Parolen und Wutschreie ändern sich bisweilen. Diese Feststellung und deren Analyse hatte ich entsprechend der Überschrift erwartet. Wir leben in Zeiten ständiger großer Veränderungen. Mehr als jemals zuvor häufen und überschneiden sich Krisen. Sich darauf einzustellen, fällt vielen Menschen immer schwerer.

Sie suchen nach einfachen Erklärungen und Schuldigen, von denen sie glauben, dass sie ihnen die „Normalität“ stehlen. Sie wollen oder können nicht die objektiven Gründe erkennen, die die Veränderungen verursachen. Sie denken kurz, sind unwillig oder unfähig, Fakten, die ihrer Meinung entgegenstehen, anzuerkennen. Ihre Angstgefühle haben sie in Wut transformiert. Zum Glück ist die Zahl dieser im Grunde völlig verunsicherten Krakeler bei uns noch überschaubar. Lassen wir uns von ihrer Lautstärke nicht irritieren. – Horst Winkler

 

Hassen sie wirklich alles? Bestimmt nicht, ihr Auftreten bei den Wahlkampfveranstaltungen wirkt aber verhasst und ist aggressiv. Dass der Ukraine-Krieg auch den Wahlkampf in NRW überschattet, ist klar. Über die Waffenlieferung in die Ukraine kann man selbstverständlich unterschiedlicher Meinung sein. Von Demonstrationen ist man lautstarke Meinungsäußerungen mancher Teilnehmer gewöhnt, dagegen ist nichts einzuwenden (gegen Gewaltausbrüche schon und sie dürfen nicht geduldet werden).

Die „Alleshasser“ demonstrieren bei den Wahlkampfauftritten der Politikerinnen und Politiker in gewisser Weise auch. Aber muss der Unmut über die Waffenlieferungen so zum Ausdruck gebracht werden? Mit Feindseligkeit und verschlossen Ohren im Gepäck verweigern sie den Diskurs und kündigen Andersdenkenden (und Politikern) den Respekt auf, den jeder Mensch einem anderen gegenüber haben sollte. Ausreden lassen gehört auch dazu!

Ich persönlich setze mich mit Menschen vom Typ „Alleshasser“ längst nicht mehr auseinander, denn ich habe keine Lust auf Diskussionen, bei der eine Seite ihre Sichtweise für absolut richtig hält und sie immer nur bestätigt haben will, ausfällig wird, wenn dies nicht geschieht. So etwas hat für mich nichts mit einem kultivierten und konstruktiven Umgang untereinander zu tun, es frustriert nur. Politikerinnen und Politiker können sich den „Alleshassern“ nicht entziehen, sie gehören auch zu ihrem „Geschäft“. Beneidenswert ist das nicht und ich wünsche ihnen ein dickes Fell in solchen Situationen. Wahrscheinlich wissen sie ohnehin, dass diese Krawallmacher nicht repräsentativ für den Rest der Bevölkerung sind. – Regina Stock

 

Die Alleshasser lehen die Verantwortung für eigene Defizite ihres Selbst- und Wirklichkeitsverständnisses ab und versuchen, die so entstandenen Leerstellen mit plakativen Parolen und verabsolutierten Selbstbestätigungen zu füllen. Sie meien, damit den Schlüssel zum Perfektionismus, also zur heilen Welt, gefunden zu haben. Eine solche Grundhaltung ist eine Form von Ignoranz, die bekanntlich Arroganz nach sich zieht, und die mündet nur allzu leicht unkritisch und Hinterfragungen ablehnend in die Bereitschaft zu Gewalt. Besser für sie selbst wäre es, wenn diese Alles- und Fastalleshasser wenigstens zu der Einsicht kämen, dass man durch gelegentliches Zuhören den eigenen Horizont des Weltverständnisses nur erweitern kann. – Christoph Müller-Luckwald

 


 

 

Leserbriefe zu „Im Westen nichts Gutes“ von Michael Thumann

 

Trotz aller Abscheu vor Putin’s Angriffskrieg gegen die Ukraine und seine diesen Krieg rechtfertigen sollenden Propaganda, drei Fragen: Vor ein paar Monaten erschien in der ZEIT ein Artikel – den Namen des Autors habe ich vergessen, wenn ich mich recht erinnere war er ein im Westen lebender Russe – in dem die Lage Russlands angesichts der NATO-Erweiterung verglichen wurde mit der Lage der USA 1962 angesichts russischer Raketen auf Kuba. War das alles so verkehrt, was in diesem Artikel stand ? Hatte Merkel nicht recht mit ihrem Nein zu einer Aufnahme der Ukraine in die NATO ? Und: Haben die massgebenden ZEIT-Redakteure jenen Text überhaupt gelesen ? – Hermann Weigmann

 

So absurd das in westlichen Ohren klingen mag: Dass Putin die NATO als eigentlichen Feind sieht, ist eine gute Nachricht. Es bedeutet: Ein Treffen mit Joe Biden gäbe Putin die Möglichkeit, den desaströsen Feldzug in der Ukraine gesichtswahrend zu beenden. Mit ukrainischen „Nazis“ dagegen würde Putin niemals ernsthaft verhandeln, das ist schon allein durch den historischen Bezug unmöglich. – Julian Kaiser

 

Da ich leider oft kritische Vorbehalte zu den Beiträgen in der Zeit habe (zuletzt zu dem die Tatsachen verdrehenden Interview mit Serebrennikov), möchte ich mich heute zu Wort melden und für den Artikel “Im Westen nichts Gutes” danken. Wenn es mehr solche objektiven und fundierten Beiträge gäbe, statt einseitiger, voreingenommener “Berichte”, käme in diese verfahrene Situation etwas mehr Licht. Vielen Dank an den Autor. – Prof. Michaela Bohmig

 


 

 

Leserbriefe zu „Sind wir wirklich so knausrig?“ von Mark Schieritz

 

Die Öffentlichkeit hat durchaus die Aufgabe, politische Pläne und deren Umsetzung zu kontrollieren. In diesem Sinne ein herzliches Dankeschön für diesen Bericht. Er hebt das Gefühl bestmöglich in die Sphäre der Zahlen. Ob man aber den Platz oder auch nur den engeren Bereich festlegen kann, den Deutschland in unterschiedlichen Arten von Listen jeweils einnehmen sollte, wage ich zu bezweifeln. Mir persönlich erscheint das Thema dafür zu komplex.

Ein Arzt z.B. muss seine Patienten immer aufklären, mit welchen Nutzen und Risiken mit seinem Tun (und auch seinem Nicht-Tun) verknüpft sind. Doch diese Aufklärung dient nicht nur der sachlichen Information, sondern ist in vielen Fällen auch eher eine vertrauensbildende Maßnahme. Denn auch nach Stunden und Tagen der Aufklärung wird mancher Patient auf der rein sachlichen Ebene mehr Fragen als Antworten haben, wenn er es ganz genau wissen will. – Dr. Christian Voll

 

ich schätze es durchaus, dass Sie mal etwas Abwechslung in die Infografik bringen möchten. Aber ich bin noch kein ganz alter Mann mit alten Augen (59), aber in der gedruckten Zeit kostet es Mühe, herauszufinden, welcher Kategorie welcher Kasten zuzurechnen ist. Zu der mondrianschen Aufmachung hätte auch blau/rot/gelb gepasst ;). – Tim Böger

 

Vielen Dank für den informativen Artikel und insbesondere den Hinweis auf die Studie des IfW. Ich freue mich, daß Sie sich um Versachlichung der Debatte bemühen, indem Sie den Blick auf die Datenlage richten. Mein einziger Kritikpunkt betrifft die graphische Darstellung der Daten. Das von Ihnen gewählte Kachelformat repräsentiert Geldbeträge als Flächen. Dadurch ist die Reihenfolge bei den Gesamtbeträgen zwar noch auf einen Blick zu erkennen, die in den Einzelkategorien (humanitär, militärisch, finanziell) aber nur, wenn man mit dem Lineal nachmißt. Außerdem ist die Anordnung der Teilflächen auch noch permutiert.

Dagegen verwendet das IfW-Spreadsheet Balkendiagramme. Ich empfinde sie in dieser Situation als wesentlich informativer, denn bei einem Balkendiagramm sind sowohl die Gesamthöhe der Balken als auch die Höhe des jeweils untersten Feldes (z.B. militärische Zuwendungen) klar vergleichbar, da beide an der Null-Linie anfangen. Außerdem hätten Sie dann genug Platz für ein weiteres Balkendiagramm gehabt, z.B. das im Text diskutierte und m.E. sehr relevante Ranking in Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Gebernation. Ich würde gern verstehen, was Sie zu Ihrer Darstellung bewogen hat. Kann es sein, daß Ihnen ästhetische Gesichtspunkte wichtiger waren? Dann bitte ich um Rückmeldung. Vielen Dank. – Thomas von Schroeter

 


 

 

Leserbriefe zu „»Wirecard hat auch uns betrogen«“. Gespräch mit Henrik Ahlers und Jean-Yves Jégourel geführt von Lisa Nienhaus

 

Eine Bilanz Prüfung ist die Rechnungsgundlage aller Unternehmens Aktivitäten hinterlegt mit Einzelbuchungen und Belegen, die gerade jederzeit überprüfbar sind. Gerade Wirtschaftsprüfer. die eine besondere Sorgfaltspflicht haben, bei Finanzflüssen unter Einbeziehung von Auslandsgesellschaften ist ein Original – Beleg – Prüfung, ein faelschungsicherer Nachweis und die persönliche Befragung unverzichtbar.

Das ausgerechnet die Profis – Wirtschaftsprüfer aus getrickst worden sind liegt ein eigenes mit Verschulden vor. Der finanzielle Schaden, insbesondere die Anleger von Aktien, also Wertverluste müssen aus einem – Haftung- Schutzfonds – den Finanzmitteln der Wirtschaftsprüfer – Gesellschaften gespeist werden. – Thomas Bartsch-Hauschild

 

Im Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestages wurden die Wirtschaftsprüfer von EY befragt. Der Untersuchungsausschuss hat sich über die Usancen einer Abschlussprüfung eloquent belehren lassen. Dabei ist jedoch unter den Tisch gefallen, dass eine Abschlussprüfung eines Konzerns nicht nur formale Prüfungen und das Abarbeiten von to-do-Listen umfassen soll, sondern vom Prüfer konzernspezifische Schwerpunkte eigenverantwortlich zu setzen sind. Werden diese Prüfungsschwerpunkte falsch gesetzt, ist die Prüfung eine Farce.

EY hat die Wirecard-Bilanzen der Jahre 2009 bis 2018 geprüft und testiert. Obwohl die stark steigenden Ergebnisse des Konzerns aus einem parallel ausgeweiteten Auslandsgeschäft mit anwachsenden Auslands-guthaben stammten, ist dieser Bereich über Jahre nicht angemessen durchleuchtet worden. EY ist nicht betrogen worden, sondern hat seine Hausaufgaben nicht gemacht.

Sollte Wirecard nicht ausreichend mitgewirkt haben, hätten die Abschlussprüfer als Nachweis der behaupteten Auslandsguthaben einen relevanten Betrag davon während der Abschlussprüfung kurzzeitig überweisen lassen können. Eine „Prüfung“ durch EY ist nicht erfolgt, erst bei der Abschlussprüfung 2019 hat EY, gedrängt durch Veröffentlichungen und Sondergutachten von dritter Seite, die Auslandsguthaben ernsthaft hinterfragt.

Während der Bestellung als Abschlussprüfer seit 2009 hat EY gleichzeitig lukrative Beratungsaufträge bei Wirecard aquiriert, deren Honorare meines Wissens die der eigentlichen Abschlussprüfung wesentlich überstiegen haben. Nur die Untersagung von Beratungs- und Gutachtertätigkeiten kann den Loyalitätskonflikt der als Abschlussprüfer tätigen Personen innerhalb der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auflösen.

In ihrem Gespräch mit EY wurde dieser Punkt nicht thematisiert, ebenfalls nicht die überlange Zeit, in der der gleiche Abschlussprüfer bestellt worden ist. Die von EY dargestellten Verbesserungen ihrer Abschlussprüfungen bringen hier keine Änderung, der nächste Fall „Wirecard“ wird kommen. – Wolfgang Griepernau

 

Der Fall Wirecard zeigt eindringlich, dass bargeldloser Zahlungsverkehr gegenüber Bargeldgebrauch erheblich höhere Risiken beinhaltet. Der Richter des Landgerichts München lehnte verständlicher Weise die eigentliche Aufklärung des Sachverhaltes im voraussichtlich ansonsten ausufernden Verfahren ab. Ihm genügt als Umstand, dass Geld, welches auf Singapurer Treuhandkonten gebucht worden sein soll, heute dort wenigstens nicht mehr vorhanden ist, wobei er es für unbeachtlich erklärt, ob es die Milliarden gegeben hat oder nicht.

Diese durch Wirecard nicht widerlegte womögliche Unstimmigkeit in Zusammenhang mit der im Handelsrecht festgelegten Verantwortlichkeit für das Handeln einer Firma genügt ihm anscheinend hinsichtlich der Urteilsfindung. Die eigentliche Beurteilung der Sicherheit von bargeldlosem Zahlungsverkehr muss daher an anderer Stelle vorgenommen werden.

Der theoretische Vorteil des bargeldlosen Zahlungsverkehrs ergibt sich durch das grundsätzliche Vorhandensein von Absender- und Empfängerkonten, also daraus, dass sich ein jederzeit nachvollziehbarer Geldfluss abzeichnet, weswegen ja auch Luftbuchungen ausgeschlossen werden können, da jede Zahlung gleichzeitig eine im Regelfall zweiseitig bestätigte Transaktion und ebenfalls ein bereits durch die vorgenommene Zahlungsbuchung selbst entstehender nachweisbarer und überprüfbarer Geschäftsvorgang ist. Anders als bei Bargeld liegt bei jeder Verbuchung somit mindestens ein (bei einer bankinternen Umbuchung), im Regelfall zwei (das der beteiligten Banken) sowie bei einem Kreditkartenabrechnungs­unternehmen vermutlich sogar drei (zusätzlich der Buchungsbeleg des Kreditkartenabrechnungsunternehmens) vorlegbare jeweils voll aussagekräftige sich wechselseitig bestätigende Belege automatisch vor.

Die angebliche erhöhte Transparenz von Zahlungsabfolgen gehen jedoch entweder in einer Flut von Zahlungen unter oder aber sind viel manipulierbarer als bislang vorhergesehen. Luftbuchungen dürften überhaupt nicht möglich sein, da bei bargeldlosem Verkehr jede Buchung gleichzeitig schon ihre Bestätigung und Existenz faktisch beinhaltet. Anders als bei einer Barverbuchung auf Papier, die auch aus der Luft gegriffen sein kann, kommt die Buchung im elektronischen Zahlungsverkehr durch ihre Vornahme bereits vollumfänglich zustande.

Sehr früh hat in dem laufenden Verfahren die Behauptung um sich gegriffen, es handele sich um Luftbuchungen innerhalb der Bilanzierung, wobei bei derartigen Verlautbarungen erkennbar war, dass es sich um reine nicht konkretisierbare Mutmaßungen handelte. Dass aber in einem vom Wesen her prüfbaren Kontext durch Fachleute und Ermittler nur herumgeraten wird, was überhaupt passiert ist, wie zum Beispiel ob die Gelder in dunkle Kanäle abgezweigt wurden oder nie vorhanden waren, zeigt entweder wie unzureichend electronic banking ist oder dürfte eben überhaupt nicht der Fall sein.

Alle Aussagen und Vorwürfe hinsichtlich der Vergehen von Wirecard bewegen sich ausschließlich im Konjunktiv, sodass anscheinend trotz aller offiziellen Nachforschungen und obgleich alle Unterlagen offen zugänglich sein müssten, keinerlei überprüfbare auffindbare Nachweise vorliegen. Ein Wirecard-Verantwortlicher gab an, er sei hereingelegt worden, ein anderer, die 1,9 Milliarden Euro existierten und seien – unklar ob, damals oder inzwischen – nur anders verbucht. Hierin mag ein Bilanzfehler liegen, es kann aber genauso gut eine nachträgliche Finanzverschiebung vorgenommen worden sein. Unklar bleibt jedenfalls, was tatsächlich passiert ist.

Der Fall Wirecard zeigt, dass Kreditkartenabrechnungen nicht weniger anfällig für kriminelle Machenschaften sind als Bargeldzahlungen, wobei die immensen dort zu Buche schlagenden Beträge selbst einen Staat in Zahlungsschwierigkeiten bringen könnten. Tatsächlich ist es kaum möglich, in Bargeld eine Summe von über einer Milliarde Euro zu bewegen, selbst wenn es sich um eine pure Bilanzfälschung auf Papier handelte, da dies auffallen würde. Im Fall Wirecard wird zwar behauptet, es seien Unregelmäßigkeiten aufgetreten, die angeblich hätten auffallen müssen, aber sie werden weder definitiv benannt noch belegt, sondern lediglich nebulös unterstellt.

Wenn electronic banking etwas taugt, müsste sich dieser Vorgang lückenlos aufklären lassen. Andernfalls unterläuft electronic banking einen sicheren Zahlungsverkehr. Anders wäre dies nur, soweit Wirecard alle Überweisungsdaten aus den Jahren 2017 und 2018 vernichtet hätte, was ein eigenständiges Vergehen wäre, wovon aber bislang keinesfalls die Rede ist. Letztlich müssten ja auch die involvierten Banken insoweit Auskunft geben können, also einerseits die in Singapur als Empfänger und andererseits diejenigen, von denen aus Beträge angewiesen wurden.

Schließlich würde ein Lektor, wenn die Geschichte von wirecard eine Kriminalgeschichte wäre, hinsichtlich des Motivs der Geschäftsführung die fehlende Logik anmahnen. Denn für eine erfolgreiche aufstrebende Firma gibt es schlicht keinen Grund, den weiteren Erfolg durch eine dubiose Bilanzfälschung, die aller Voraussicht nach für jede einigermaßen geistig gesunde Geschäftsführung prognostizierbar allein wegen ihres Umfangs irgendwann aufgedeckt werden wird, zu gefährden. Tatsächlich hätte zum Zeitpunkt der Bilanzunstimmigkeiten hauptsächlich die Konkurrenz der Firma ein Interesse, die bereits bestehende Erfolgsgeschichte zu stoppen.

Zusätzlich wäre, falls es sich doch um einen realen Milliardenbetrag handeln sollte, dieser für sich gesehen ebenfalls ein eigenständiges plausibles Motiv. Wenn also von Verantwortlichen von Wirecard gesagt wird, dass sie hereingelegt worden seien, sollte man sich zumindest ihre Geschichte einmal anhören und durch Unterlagen im Einzelnen belegen lassen beziehungsweise erläutern lassen, weshalb das so sein sollte beziehungsweise wie das hat geschehen können. Denn wenn ein solcher Nachweis nicht möglich ist, sollte electronic banking nicht mehr angestrebt werden beziehungsweise engstmöglich auf die notwendigen Bereiche unter strengen Vorgaben eingeschränkt werden.

In dem Fall wäre Barzahlung der rechtssicherere Weg trotz Begünstigung von Kleinkriminalität und Schwarzzahlungen. Denn was nützt eine angebliche Nachweisbarkeit des Geldflusses, wenn dieser im kriminellen milliardenschweren Schadensfall nur hypothetisch angenommen werden kann? Müsste nicht sogar das Verbuchungsprogramm eines Kreditkartenabrechnungsunternehmens eine automatische eigenständige Bilanzierung vornehmen oder ist eine solche noch sicherheitstechnisch fragwürdiger, da auch diese von außen auch ohne Kenntnis des Benutzers in eine andere Verfahrensweise umgewandelt werden kann?

Es mag natürlich sein, dass die Fülle der Buchungen ein spezielles Prüfungsprogramm erfordert, um überhaupt einen Überblick zu gewinnen, da es voraussichtlich ja nicht um die einzelnen Abrechnungen von Kreditkartennutzern geht. Andererseits mag bei der Bearbeitung der Transaktionen bereits ein solches Programm genutzt worden sein. Die Sachlage nährt jedenfalls meine Skepsis gegenüber electronic banking (und indirekt auch Kryptowährungen und künstlicher Intelligenz allgemein), wobei ich mich aber gerne belehren lasse, falls es sich lediglich um Schutzbehauptungen der Beklagten handeln sollte.

Die auf Wikipedia zusammengefasste Firmengeschichte von Wirecard zeigt von Anfang an, dass es einen schweren auch mit illegalen Mitteln geführten Kampf um die Rechte für die Abrechnungs-App gegeben hat. Es wurden von außen des Öfteren Vorwürfe der Geldwäsche und der Bilanzfälschung erhoben, welche bis zum bisherigen Verfahren anscheinend immer widerlegt oder schlicht nicht weiterverfolgt wurden.

Die Konkurrenz scheint dabei auch nicht sauber gespielt zu haben, da Wirecard ihr im Gegenzug immer Scheinvorwürfe zur Manipulation des Firmenwertes beziehungsweise als versuchten Rufmord gegenüber dem Unternehmen nachsagte. Bereits ganz im Anfang scheinen Laptops gestohlen worden zu sein, die dann zu einer Fremdübernahme von Wirecard durch einen anderen Anbieter führten. Vertrauenserweckend ist das hinsichtlich der Sicherheit von electronic banking in überhaupt keinem Fall.

Schließlich weiß jeder hinsichtlich des eigenen Computersystems, welche Verfolgungsjagd sich Programmierer durch Aktualisierungen zur Abwehr von denkbaren Manipulationen einmal bis mehrmals monatlich liefern. Wie eine App überhaupt unter Vorgaben von Datenschutz und vielfacher Nutzung überwacht werden kann, ist darüber hinaus schleierhaft. Die Schuldfrage kann umfassend nur dann beantwortet werden, wenn die Tätigkeit der App im Einzelnen aufgeschlüsselt werden kann, wobei zusätzlich zu überprüfen wäre, ob sie nachträglich von außen geändert oder ergänzt wurde.

Ist das nicht möglich, kann eine Schuld nur blind vermutet werden, was vermutlich bei alleinfahrenden Fahrzeugen und sonstigen maschinell gesteuerten Vorgängen irgendwann zu einem echten Rechtsproblem führen wird, wobei man Schuld nur noch nach gesetzlichen Vorgaben zuordnen, aber nicht mehr ausurteilen kann und dann davon auszugehen ist, dass derjenige wird büßen müssen, der unvorsichtiger Weise das Risiko einer Verantwortlichkeit für elektronische Programme übernimmt. Und es mag sein, dass eine solche von persönlicher Schuld vollständig unabhängige Verantwortlichkeit im vorliegenden Fall bei der Verurteilung der Wirecard Mitarbeiter bereits greift. Aufklären kann das anscheinend niemand. – P. Bottich

 


 

 

Leserbriefe zu „Avantgarde, jetzt hinten“ von Robert Pausch

 

Was soll eigentlich das ganze Gedöns um den Zustand der LINKEN in den Medien? Es bleibt festzuhalten, dass bei den letzten Bundestagswahlen die LINKE unter 5% abgeschlossen hat. Also: kein Einzug ins Parlament. Nur aufgrund einer recht seltsamen Regelung im Wahlgesetz, zog sie wegen dreier gewonnener Direktmandate ( noch dazu in Berlin) mit sag und schreibe 39 (!) Abgeordneten in den Bundestag ein. Im Grunde hat sie dort gar keine Daseinsberechtigung. Sie steht eigentlich nicht mehr einen Schritt vor dem Abgrund, sondern sie ist schon einen Schritt weiter. Also:was sollen diese Krokodilstränen für eine Partei, die (fast) keiner will! – Siegfried Linn

 

Der unmögliche Spagat des Robert Habeck erinnert mich doch sehr an die einander ausschließenden Positionen innerhalb der Linkspartei. Beides ist Ausdruck des generellen Problems der deutschen Seele, es immer Allen recht machen zu wollen. Ich denke, wir sind alle etwas Linkspartei. – Dirk Hoppe

 

Ja, Avantgarde adieu – wer, wie viele maßgebliche Linke, glaubt, sich weiterhin mit Autokraten und Diktatoren vom Schlage eines Wladimir Putin gemein machen zu müssen oder sich solidarisch erklärt mit Putin-Russland und all seinen Verwerfungen, der hat die Welt und was sie bewegt, nicht wirklich verstanden. Und wer, wie viele maßgebliche Linke, immer noch der Lebenslüge aufsitzt, dass alles Böse im Westen zu finden sei und alles Gute in den anderen Himmelsrichtungen, der ist zur Arrieregarde, zum Ewig-Gestrigen verdammt.

Wenn es der Linlken nicht gelingen sollte, ihren Godesberger Parteitag zu finden, wird sie, spätestens bei der nächsten Bundestagswahl, zur Randerscheinung, zur Splittergruppe, was man, auch wenn man die Linke nicht wählt, durchaus bedauern könnte. P.S. Wenn ich das noch hinzufügen dürfte: Grüßen Sie bitte Peter Dausend (de Dausend Pitt) recht herzlich von Sämmel! – Jörg Sämann

 


 

 

Leserbriefe zu „Darf man seine Ruhe haben wollen?“ von Eberhard Rathgeb

 

Es geht um Sören Kierkegaard, den dänischen Philosophen Ein Zitat: „Grundsätzlich hält niemend die ganze furchtbare Realität aus,das Grauen der Welt,das nicht zur Kenntnis zu nehmen man sich aus Selbstschutz bemüht“. Es mag ene Unterstellung sein aber manchen Dänen könnte dieser Landsmann peinlich sein.Aber wo er Recht ,hat er Recht. Gerade die Dänen,die gerne alles zu Kenntnis nehmen und sich einmischen mit Belehrungen.Und da kommt der Landsmann und sagt,nicht zur Kenntnis nehmen. – Hans-Emil Schuster

 

Der letzte Absatz hat mich besonders bewegt, ich möchte ihn zu Beginn zitieren: „Wenn ein Krieg ausbricht und das Leben nichts mehr gilt, fällt uns mit Entsetzen auf, dass hier in radikalisierter Form ebendies, was Kierkegaard in Friedenszeiten schon sah, geschieht, dass das Leben vergeudet und verspielt wird. In dieser Einsicht, die von Nachrichten und Bildern ständig bestätigt wird, liegt die Überforderung durch Politik in den Zeiten des Krieges.

Jetzt, da die normale Welt kopfsteht, zeigt sich, dass das Selbst, auf das Kierkegaard pochte, keine außergewöhnliche Erscheinung war, auch wenn er ihr alleine nachjagte. Es war nur verdrängt und vergessen und durch ein handliches, bequemes Modell ersetzt worden, mit dem sich normalerweise gut leben ließ und das die Vorstellung von Harmonie und Eintracht wachhielt. Das Selbst im provokanten Sinne des Dänen ist der Abgesandte einer abgründigen Unruhe, über die in Friedenszeiten die Planken der Gemeinschaft und der Gewöhnung gelegt werden.

Es bricht als entscheidendes existenzielles Gefühl in Ausnahmesituationen hervor, wie wir sie heute erleben, überall dort, wo der Tod die Herrschaft an sich reißt und dem Leben jeden Wert, jede Stabilität zu nehmen droht. Jetzt stehen die existenzielle Haltlosigkeit und die politische Unberechenbarkeit da wie ein verrücktes Paar, und niemand hier weiß, ob man sie wieder in normale Bahnen bekommt und loswird. Das Denken läuft der Existenz immer einen Schritt hinterher.“

Ich habe diesen Absatz mehrfach gelesen und dann auch noch weitere Absätze und lange darüber nachgedacht. Was lässt mich innehalten? Was lässt mich erstaunen? Bei allem Wahren in dem ganzen Artikel und in diesem Absatz: Es wird nach meinem Eindruck etwas Bedeutsames übersehen. Dabei nehme ich an, das, was hier meines Erachtens übersehen wird, wird nicht nur in diesem Artikel übersehen, sondern es wird ein einer ganzen gesellschaftlichen Gruppe übersehen oder übergangen. Und deshalb könnte es von gesellschaftlicher Bedeutung sein.

Von Bedeutung für die Zunahme an Unruhe und Aggressivität in vielen Gesellschaften und für den großen Zulauf sogenannter Populisten. Wesentlich für das Verständnis der Entwicklung von Ressentiments, wie es in dem Buch von Pankaj Mishra „Das Zeitalter des Zorns“ schlüssig beschrieben wird. (Auf dieses Buch wurde ich durch eine Rezension in der ZEIT aufmerksam!) Bedeutsam für das, was so oft „Spaltung“ oder „drohende Spaltung“ der Gesellschaft genannt wird. Eine Erscheinung, die mit Erschrecken und Entsetzen beobachtet wird und allenthalben gefragt und gerätselt wird, wie sie entsteht und wie ihr Einhalt geboten werden kann.

Wesentlich für die immer wieder beklagte Unmöglichkeit der Verständigung zwischen Menschen auf der einen und der anderen Seite des „Spalts“. Was wird nach meinem Eindruck übersehen? Mit Selbstverständlichkeit wird in dem Absatz und in dem gesamten Artikel immer wieder geschildert, wie es sich gut leben lässt „in Harmonie und Eintracht“; oder davon, mit der Welt und ihren Anforderungen in einem gewohnten und erträglichen Lot zu sein; oder dass die Politik in gewöhnlichen Zeiten eine „willkommene Sache“ sei, die „Diskussionsstoff“ biete, der „wichtig ist, weil mehr verhandelt wird als der Alltag.

Ansonsten konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf die Selbsterhaltung, auf Glück und Wohlergehen“. Oder dass über die „abgründige Unruhe“ des Selbst „in Friedenszeiten die Planken der Gemeinschaft und der Gewöhnung gelegt werden“. Welche Menschen sind das, so frage ich mich, die sich normalerweise und zumindest in Friedenszeiten um Selbsterhaltung, Glück und Wohlergehen kümmern können? Wer sind diejenigen, von deren Lebensweise die Rede ist, als ob sie die übliche wäre? Welches „wir“ ist da gemeint? (Und ich lasse bei meinen Überlegungen den interessanten und in dem Artikel mit Recht zentralen Aspekt zunächst beiseite, dass diese Lebensweise laut Kierkegaard ebenso wie der Krieg bedeute, „dass Leben vergeudet und verspielt wird“. Am Ende komme ich darauf zurück.)

Es hat den Anschein, als sei „die“ Gesellschaft gemeint. Dabei kann es sich nur um einen kleinen und – ich verwende das ausgeleierte Wort – privilegierten Teil dieser Gesellschaft handeln. Könnte es sein, dass die Menschen dieses Teils der Gesellschaft aber von sich selbst gar nicht das Gefühl haben, besondere Vorzüge zu genießen? Ist es möglich, dass diese Menschen vielmehr den Eindruck von sich selbst haben, „die Gesellschaft“ zu sein? Glauben diese Menschen, dass es der Mehrheit der Menschen in unserer Gesellschaft so geht wie ihnen selbst? So nämlich wirkt das in diesem Artikel. Wissen diese Menschen gar nicht, dass für den größeren Teil der Menschen unserer Gesellschaft das alltägliche Leben einen alltäglichen Kampf darstellt?

Diese Art von Alltag kommt gar nicht vor in diesem Artikel. Weiß der Teil der Menschen unserer Gesellschaft, der in dem Artikel offenbar mit „Wir“ gemeint ist, gar nicht, dass der zahlenmäßig weit größere Teil der Menschen, die unsere (!) Gesellschaft bilden, solch einen Alltag, so ein gewöhnliches „die Aufmerksamkeit auf die Selbsterhaltung, auf Glück und Wohlergehen“ zu konzentrieren gar nicht kennt?

Mein Leben jedenfalls ist so nicht und war so nie. Ich habe die Möglichkeit nicht, üblicherweise meine „Aufmerksamkeit auf Selbsterhaltung, auf Glück und Wohlergehen“ zu konzentrieren und mich der „Politik in Maßen“ zuzuwenden, weil sie eine willkommene Sache ist. Und das Leben sehr vieler Menschen, denen ich begegne, die zu meiner Familie und meinem Freundes- und Bekanntenkreis gehören und die in meine Praxis kommen haben diese Möglichkeit ebenfalls nicht. „Wir“ alle leben ein völlig anderes Leben, müssen uns um völlig andere Dinge und manchmal um die pure Existenz kümmern. Glück und Wohlergehen bleiben bei nicht wenigen dieser Menschen, die ich erlebe und erlebt habe, trotz größter Mühen und bei manchen über den gesamten Lebensverlauf hinweg ein ersehntes aber unerreichtes Ziel. Bei Vielen wird lediglich in kleinen Momenten oder kurzen Phasen Zufriedenheit tatsächlich erfahren.

Dieser meines Erachtens weit größere Teil unserer Gesellschaft empfindet das eigene Leben und das seiner jeweiligen Lieben schon in einem Alltag ohne Krieg als Kampf und als etwas, das „nichts … gilt“. Da gibt es also gravierende Unterschiede im ganz alltäglichen Lebensvollzug zwischen einer kleineren Gruppe Menschen in unserer Gesellschaft, die glaubt oder sich verhält, als sei sie „die Gesellschaft“ und einer größeren Gruppe Menschen, die sich also zu Recht jeden einzelnen Tag übersehen fühlt. Diese Menschen werden offensichtlich übersehen und übergangen. Nicht nur in diesem Artikel kommen sie einfach gar nicht vor.

Mir scheint, damit wird die Unmöglichkeit einer Verständigung zwischen diesen beiden Gruppen immerhin verständlich. Diese Unmöglichkeit wurzelt wesentlich darin, dass die Existenz der größeren Gruppe von Menschen gar nicht registriert wird. Diese Menschen gar nicht als „die Gesellschaft“ betrachtet werden. Diese Menschen sind in dem, was üblicherweise als „Wir“ bezeichnet wird, nicht enthalten, allerdings ohne dass das von denen, die sich selbst mit „Wir“ bezeichnen, realisiert werden würde! Das drückt sich auch sprachlich aus. Wer denkt bei dem Begriff „Humankapital“ an Menschen? Oder bei dem Begriff „Flüchtlingsstrom“.

Beachtung findet die größere Gruppe an Menschen in unserer Gesellschaft ab und zu als Masse, die von Vertretern derjenigen, die sich um „Selbsterhaltung, Glück und Wohlbefinden“ kümmern können, je nach Interessenlage zur Argumentation dient. Z. B. als scheinbar moralisch begründetes Argument, wenn vor „Arbeitsplatzverlust“ gewarnt wird, weil die Politik Subventionen streichen will oder die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards einfordert. Vor Forderungen nach Lohnerhöhungen wird gerade aktuell wieder einmal gewarnt, dann sei diese Masse an Menschen verantwortlich für die Steigerung der Inflation. In beiden Fällen geht es Vertretern der kleineren Gruppe von Menschen in unserer Gesellschaft lediglich darum, die Profiterwartungen nicht erniedrigen zu müssen. Wie zynisch diese Vorgehensweise ist, wird vermutlich nicht einmal empfunden.

Zum Glück gibt es in der ZEIT Redaktion Anna Mayr! Erst seit sie da ist, wird diese Mehrheit der Menschen unserer Gesellschaft in der ZEIT mit einer gewissen Regelmäßigkeit und ohne den Blick von Oben herab sichtbar. Danke an Frau Mayr! Es wundert mich nicht, wenn sie dafür viel Kritik erntet (wie sie in einer Kolumne mal erwähnte). Ich vermute, das geschieht nicht, weil diese Leser böse Menschen sind, sondern weil sie tatsächlich gar nicht verstehen können, wovon Anna Mayr spricht! Und vielleicht auch, weil sie es nicht verstehen wollen. Es würde sie – wie der Krieg – beunruhigen und aus dem gewohnten Lot bringen können.

Eine Gemeinsamkeit allerdings, so scheint es mir, gibt es zwischen diesen beiden ungleich großen Gruppen: Ihrer aller Leben wird „vergeudet und verspielt“. Wie Leben gelingen kann, dazu hat Hartmut Rosa eine Menge zu sagen (z. B. in seinem Buch „Resonanz“ nachzulesen, von mir ebenfalls durch die ZEIT entdeckt). Ich bin überzeugt:

Die gesellschaftlichen Bedingungen dafür, ein Leben zu führen, das nicht „vergeudet und verspielt“ wird, würden sich für jeden einzelnen Menschen in unserer Gesellschaft verbessern, wenn die Gruppe der Menschen, die über das Selbst „in Friedenszeiten die Planken der Gemeinschaft und der Gewöhnung“ legen können, die Existenz der größere Gruppe von Menschen, deren Leben ein täglicher Kampf darstellt, anerkennen würde. Die Bedingungen für ein gelingendes Leben in unserer Gesellschaft würden sich für jeden einzelnen Menschen aus beiden Gruppen verbessern, wenn mit „Wir“ tatsächlich alle Menschen, die in unserer Gesellschaft und in der Menschheitsgemeinschaft leben, gemeint wären. – Dr. Sibylle Riffel

 


 

 

Leserbriefe zu „Sie hätten es wissen können“ von Harro Albrecht

 

Ich finde es – exemplarisch anhand dieses Artikels in der ZEIT – erschreckend, mit welcher Nüchternheit und Kritiklosigkeit das Thema der Xenotransplantation in deutschen Zeitungen, egal welcher politischen Ausrichtung, behandelt wird. Ich fühle mich bei derlei Praktiken an dystopische Science Fiction-Romane erinnert und frage mich, wie weit sich die Menschheit eigentlich noch von der Natur entfremden und wie tief sie noch sinken will.

Es muss einem doch schon alleine durch die Beschreibung, wie Schweineherzen versuchsweise in gesunde Paviane verpflanzt werden und Schweine artentfremdet unter sterilen Laborbedingungen produziert werden, um als Ersatzteillager zu dienen, ins Gesicht schreien, wie moralisch falsch und anmaßend das Ganze ist. Die offensichtliche Abwesenheit jeder ethischen Debatte über das Thema irritiert und schockiert mich zutiefst. Wie viel würdevoller und einfacher wäre es, hinsichtlich der menschlichen Organspende die Widerspruchslösung einzuführen.. – Konstantin Luther

 

Schweine ihres Lebens zu berauben, um Menschen mit Organen, z.B. hier einem Herz, ein Weiterleben vorzugaukeln, finde ich vollkommen unmoralisch, tier- und menschenfeindlich. Tiere sind nicht unsere Ersatzteillager!!! Menschen, die sterbenskrank sind, müssen sich mit ethischer Begleitung auf ihren Tod vorbereiten dürfen und nicht erneuten Operationen ausgesetzt werden, die das „ewige“ Leben vorgaukeln. Die Tiere haben ein Recht auf ihr Leben in artgerechter Umgebung und einen natürlichen Tod, ebenso wie wir Menschen. Sie in sterilen Laboren zu halten, um sie dann auszuschlachten, ihr moralisch überaus verwerflich. – Gabriele H. Steinbach

 


 

 

Leserbriefe zu „Auf Kosten des Hauses“ von Jan-Martin Wiarda

 

Das Beamtenrechtliche Vorschriften auch für den Präsidenten der Frauenhofer-Gesellschaft gelten und im vorgegebenen Finanziellen Rahmen auch nicht überschritten werden darf , bleibt ohne Folgen, selbst dann wenn der Bundesrechnungshof dies ausdrücklich festgestellt hat. Regeln die für alle Beamten gleich sind, dafür gibt es keine Ausnahme. Es zahlt immer der Bürger – Steuerzahler ganz alleine-das 5 Sterne Hotel ist kein sparsames Budget- Verhalten. – Thomas Bartsch Hauschild

 

Dieser Artikel ist kleinkarierter Mist. Warum soll er nicht in 55-Sterne Hotels absteigen und im Flugzeug weit vorne sitzen. Viele Vorsitzende in der Wirtschaft fliegen nur mit Privatjets. Das Geld des Steuerzahlers oder das des Aktionärs? Das alles ist lächerlich! – Dr. Josef Schmidseder

 


 

 

Leserbrief zu „Wie Schiffe ohne Kompass“ von Frank Thalhofer

 

Vielen Dank für ein Plädoyer dafür, dass der Cornelsen-Verlag gerne seine digitalen Lehrmaterialien im großen Stil in den Schulen unterbringen würde! Nicht nur von Ihrem Verlag gibt es bereits jetzt eine Menge an gutem und, tja, superteurem Material, mit dem die Digitalisierung an Schulen endlich vorangebracht werden könnte! Ihnen ist auch aufgefallen, warum die Lehrerkollegien immer noch zögernd digitale Materialien bestellen: Nicht aus dem Grund: Lehrer sind ja sooolche Fortschrittsmuffel und soooooo technikfeindlich!

Sie erwähnen freundlicherweise: Lehrer zeigten durch die Pandemie ein „hohes Maß an Technologieoffenheit“, unterstellen dann aber wieder stupides Bücher-Einscannen. – Sie konstatieren in den Schulen nebulös „eine große Menge an didaktischen und organisatorischen Aufgaben“ und meinen, die Lehrkräfte bräuchten beim Erstellen ihrer digitalen pädagogischen Werkzeuge echt mal Hilfe in Form von didaktischen Konzepten.

Aber – kurz in die Runde geschaut – es wissen eigentlich schon alle, dass sich in den Schulen unseres Landes alle gesellschaftlichen Spannungen täglich in Echtzeit abbilden, dass in ihnen seit Jahrzehnten Geflüchtete und schon länger als seit 2015 Kinder aus allen möglichen Kriegsgebieten dieser Welt unterrichtet werden, dass in ihnen „Kleinigkeiten“ wie Inklusion und Ganztag mit viel zu wenig Bordmitteln umgesetzt werden müssen (wobei sich die Stunden für Inklusion beim derzeitigen eklatanten Personalmangel als gigantische Vertretungsreserve entpuppen), dass in den Schulen bis zum Beginn der Pandemie sowohl die Kollegien als auch die Schülerschaft ständig mit immer neuen pädagogischen Konzepten übergossen wurden, dass die Pandemie ein Beben verursacht hat und dass Schulen nicht nur wegen der ewigen Schnelltesterei, dem täglichen Lüftungstheater, der Verbannung des sozialen Interagierens durch Abstand und Masken und nicht zuletzt wegen chronischer, dramatischer personeller Unterversorgung bestimmt auf andere Weise, aber genauso am Limit sind wie z.B. die Kitas im Land?

Der Grund für die digitale Stagnation ist „neben der großen Menge an Aufgaben“ aber tatsächlich noch ein weiterer. Es fehlt eben nicht an erster Stelle das didaktische Konzept. Der Grund ist, und man möchte es inzwischen am liebsten jedem ins Ohr schreien: fehlendes, in Vollzeit eingestelltes, kompetentes technisches Personal in den Schulen. Diese Stellen werden und werden nicht eingerichtet, aber genau hier ist die „fehlende Crew“!

Ohne in Vollzeit eingestellte Systemadministrator:innen, die das schulische Netzwerk auf Stand halten, Dutzende Klassensätze von IPads einrichten und warten, die die technischen Voraussetzungen für die Anwendung digitaler Materialien in verschiedensten Unterrichtssituationen herstellen und erhalten können etc. wird es so bleiben, dass Lehrerinnen und Lehrer von ihren privaten Endgeräten aus digital das möglich machen, was neben allen anderen Aufgaben punktuell halt so gelingt, und werden wenige Kolleginnen und Kollegen, die von den Bildungsministerien mit lächerlich wenigen Stunden für die Digitalisierung ausgestattet wurden, weiter für ihre Schule in Richtung Digitalisierung schleichen.

Genau hier müsste es den von Ihnen geforderten Innovationsschub geben, erst dann können auch Ihre „klugen Autorinnen und Autoren“ ihren Teil beitragen. Zumindest bei didaktischen Konzepten. – Ulrike Schneider

 


 

 

Leserbrief zu „Auf der Suche nach den Eis-Dinos“ von Birk Grüling in ZEIT leo, die Seite für Kinder

 

Auf zwei Augen blind? Ophtalmothule cryostea: man kann nur hoffen dass der Plesiosaurier mit seinen großen Augen besser und tiefgründiger sehen konnte, als der Autor des Artikels recherchieren. Zwischen Ophthalmologie (Augenfachkunde) und Osteologie (Knochenfachkunde) gibt es schon feine Unterschiede, die man aber mit bloßem Auge erkennen kann, wenn man nicht auf zwei Augen blind ist, auf dem griechischen und dem paläontologischen. – Helmut Schwehm

 


 

 

Leserbrief zu „Zuweilen siegt die Gerechtigkeit“. Gespräch mit Hans-Christian Ströbele geführt von Michael Sontheimer

 

Ein sehr merkwürdiger und wenig glaubwürdiger Schlußsatz eines Anwaltes, der sich Zeit seiner Berufslaufbahn nicht einen Kehrricht um Gerechtigkeit geschoren hat. Auch die vorgeschobene Enttäuschung als Ströbele´s Frauenmörder vor dem Bundesgerichtshof die Tat gesteht, paßt in das Bild, welches Ströbele am Ende seines Lebens von sich selber zeichnet, das aber tatsächlich nie bestanden hat. Nur ein einziges Mal läßt er durchblicken, wie seine Berufsauffassung wirklich war, als er einräumt, seine Mandanten fast nie gefragt zu haben, ob sie wirklich schuldig seien. Ströbele war es egal, ob seine Mandanten schuldig oder unschuldig waren, er ist trotzdem immer bis zum Äußersten gegangen – auch für einen Frauenmörder und Vergewaltiger.

Diese Art der Strafverteidigung auch für schuldige Straftäter mittels maximal streitiger Prozeßführung einen Freispruch anzustreben, die hat er dann wohl wirklich erfunden. Letztlich ist es aber leider genau das, was ein schlechtes Bild der Anwaltschaft in der Öffentlicheit bis heute zeichnet. Insofern können Sie von mir keinen Beifall für seine vermeintliche Lebensleistung erwarten, da ich eine diametral entgegengesetzte Auffassung vom Anwaltsberuf habe.

Der Schlußsatz ist zudem auch falsch, denn „die Gerechtigkeit wohnt in einer Etage, zu der die Justiz keinen Zutritt hat“ (F. Dürrenmatt) und insofern können Sie auch in Deutschland nicht zuweilen Gerechtigkeit bekommen. Die Justiz gibt formales Recht und keine Gerechtigkeit und wenn das Ergebnis des Verfahrens gerecht ist, dann ist es Zufall aber nicht beabsichtigt. Das habe in einigen Jahrzehnten Anwaltstätigkeit selber ständig erfahren müssen. – Volker v. Moers

 


 

 

Leserbrief zu „Berliner Ohnmacht“ von Lisa Nienhaus

 

Zwei wichtige Aspekte wurden vergessen: Der Staat profitiert nicht nur,wenn auch mit vermindertem Wert, von der Inflation durch Mehreinnahmen,auch veringern sich seine Schulden jährlich bei 7% Inflation um über 150 Milliarden;rein rechnerisch. Das Zögern der EZB bei Zinsanpassungen zeigt nur;die Uanbhänigkeit dieser Institution ist eine Mär,s.a.Schuldenverringerung. Auf der anderen Seite verliert Erspartes an Wert.Hätte ich genügend Geld,ich hätte schon lange einen Prozess begonnen. Titel: Enteignung der Bürger durch die EZB. Vielen Dank für Ihr Interesse. – Stefan Müller

 


 

 

Leserbrief zu „»Es ist brutal«“ von Hannah Knuth

 

Die Medien verkünden alle, dass Xi Jinping diese Massnahmen ergreift, weil er zum Parteitag im Herbst, den Sieg über Corona braucht. Meine Frage ist: Könnte es nicht sein, dass er die null Covid Politik durchsetzt, weil er Angst hat, dass bei längerem Coronazustand in China die Welt- öffentlichkeit doch wieder Zweifel am Ausbruch in Wuhan kommt und dann neue Untersuchungen stattfinden werden? Klar, vieles wurde wohl beseitigt ,aber vielleicht doch nicht alles. Und wenn dann wieder gegraben wird und was gefunden wird, was dann Herr Xi Jingping??? – Manfred Mengewein

 


 

 

Leserbrief zu „Den Tag überstehen“. Gespräch mit Katrin Hentze und Anne Wagner geführt von Johanna Schoener

 

„Katrin Hentze: Es würde sich lohnen, nicht immer nur auf Erzieherinnen zu schauen…“ Wer tut das eigentlich…? „Bei allen Missständen dürfen wir nicht vergessen, dass sich in der frühkindlichen Bildung in den letzten 20 Jahren viel getan hat…“ Als ehemaliger Erzieher und Kitaleiter in Berlin und Lübeck widerspreche ich: Kitas bekamen viel Papier (Bildungspläne und Zertifizierungsblätter…), doch seit Jahrzehnten keine ausreichende Fachkräfte… bei fordernden Eltern mit wenig Zeit.

Wie kann ein Kind (mal abgesehen vom Thema „Inklusion“) sich in einer Gruppe mit bis zu 25 Mitgliedern (und deren Fähigkeiten, Bedürfnisse… und Geräusche) entwickeln? Da helfen auch keine „Sprachlerntagebücher“ (wie in Berlin), die nach kurzer Zeit wieder abgeschafft wurden. Es würde sich lohnen, immer auf die Kinder zu schauen!! Das tut die Politik in den wenigsten Fällen und kümmert sich nicht um die Generationen nach uns. – Klaus Busch

 


 

 

Leserbrief zu „Frauenschläger, Heiratsschwindlerin“ von Sophie Passmann

 

Alles richtig. Aber die Menschen als die höchste Entwicklungsstufe der Evolution zu exkulpieren, weil sie vom Internet verleitet wurden? Pardon, nicht nur naiv, weil sie als das bedeutsamste Zerstörungspotential auf Erden im Internet auch die Zerstörungsfähigkeit erzeugen können. – Jürgen Dressler

 


 

 

Leserbrief zu „»Wie viel schaffen Sie denn so?«“ von Andrea Petkovic

 

Ich danke Ihnen von Herzen für diese gelungene Kolumne, die mich sehr erfreut hat. Das Macho-Gehabe vieler Männer gegenüber Frauen im Sport fand ich schon immer, je nach Gemütslage, unerträglich oder kindisch. Sie haben den männlichen „neurotischen Zwang, Frauen im Sport zu erläutern, wie viel Sport Mann selbst treibt“, wunderbar aufgezeigt. Bei einem Satz, in dem Sie Ihre Theorie zu diesem neurotischen Zwang erläutern, möchte ich gern eine Nachfrage stellen. Sie schreiben: „Die eine männliche Bastion, die, solange wir unsere Finger von den Genen lassen, für immer bestehen bleiben wird, das ist die biologische Überlegenheit, also die Frage der Muskelmasse. Männer sind stärker, schneller und im Durchschnitt größer als Frauen.“

Was Sie in Ihrem Beitrag schreiben, hat mir, wie erwähnt, total eingeleuchtet. Nur den letzten Satz des Zitats würde ich gern variieren, ohne dabei ein Wort auszuwechseln. Dann hieße es: „Männer sind im Durchschnitt stärker, schneller und größer als Frauen.“ Zwar ist von den drei Eigenschaften Größe, Stärke und Schnelligkeit nur die Größe optisch absolut wahrnehmbar. Die 180cm-Frau ist natürlich größer als der 170cm-Mann. Aber auch für die beiden anderen Eigenschaften gilt der Befund, dass manche Frau stärker als mancher Mann, manche Frau schneller als mancher Mann ist.

Wenn sich etwa mein Körpergewicht seit vielen Jahren zwischen 50 und 55kg bewegt, dürfte der prozentuale Anteil der Frauen, die stärker sind als ich, nicht unerheblich sein. Für mich ist das ein erfreulicher Befund. Auch wenn die meisten anderen Männer das wohl nicht nachvollziehen, gewiss nicht nachempfinden können. Vielen Dank für Ihren Kolumnenbeitrag. Er hat mich nach langer Zeit mal wieder über mein altes Lebensthema nachdenken lassen. – Dr. Andreas Schäfer

 


 

 

Leserbrief zu „Warum ist Geld politisch?“ Gespräch mit Stefan Eich geführt von Oliver Weber

 

Ein ZEIT-Interviewer (Weber) stellt merkwürdige Fragen, auf die Politikwissenschaftler Eich sich dürftig zu angeblichen Defiziten der Ökonomen äußert. Seine Kommentare träfen höchstens auf die US-NMT (New Monetary Trash) zu.

Statt allgemeiner Sprüche sollte Herr Eich etwa das Buch „Der Euro“ (2015!) von Hans-Werner Sinn lesen – oder geht das mangels eigener ökonomischer Grundlagen nicht? Diese Seite der ZEIT mit Oberflächlichkeiten brachte keine neuen Erkenntnisse; erst recht nicht Zugewinn bei Sinn und Verstand!- Prof. Emeritus Dr. Wolfgang Ströbele

 


 

 

Leserbrief zu „»Leben, kämpfen, tun, was du tun musst«“. Gespräch mit Kirill Serebrennikow geführt von Peter Kümmel

 

Vielleicht wäre in dieser aufgeheizten Situation eine etwas differenzierte Berichterstattung angebracht, anstatt dieses verlogenen und opportunistischen Interviews mit Serebrennikov, der als “Dissident” stilisiert wird und das sagt, was von ihm erwartet wird. Ja, er hat sich öffentlich zu kontroversen politischen und sozialen Themen positioniert, ja, er hat einen Prozess wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder gehabt, der als politische Verfolgung ausgelegt wurde, gleichzeitig hat er aber eine herausragende, von den höchsten Institutionen unterstützte Rolle im Moskauer Theaterbetrieb gespielt, hat aus der Staatskasse enorme Summen für seine Projekte und Produktionen erhalten, ist mit russischen Preisen überhäuft worden.

Werke, bei denen er Regie geführt hat, schafften es sogar in das Bolschoi-Theater: 2011, Der goldene Hahn; 2015, Ein Held unserer Zeit; 2017, Nurejew. Dieses Ballett wurde erst kürzlich, vielleicht im Zusammenhang mit Serlbrennikovs Ausreise, vom Spielplan genommen. Kaum glaubhaft, dass ein wirklich gefährlicher Dissident mit ziemlich unorthodoxen Arbeiten seinen Weg in den Tempel des russischen Ballettes gefunden hätte. – Prof. Michaela Bohmig

 


 

 

Leserbrief zu „Erde und Himmel. Nichts weiter“ von Katja Nicodemus

 

Oh Mann, haben dieser und weitere Artikel im „Kultursommer“ mein Wochenende bereichert! Katja Nicodemus begegnet einem unbekannten Künstler, und wie gern folge ich ihr in den französischen Jura zu Auguste Pointelin (1839-1933), den ich in keinem meiner Lexika erwähnt finde. Ich weiß um das Glück, einen neuen Maler für sich zu entdecken. Was gibt es Schöneres, als die ersten Bilder im eigenen musée imaginaire aufzuhängen und nach weiteren Ausschau zu halten, die ihm folgen werden? Katja Nicodemus’ einfühlsamer Bericht hat mich neugierig gemacht. – Ludwig Engstler-Barocco

 


 

 

Leserbrief zu „Handgepresstes Jetzt“ von Ulrich Stock

 

Wenn Ulrich Stock uns kundtut, was ihn süchtig macht nach der Art, wie Kaja Draksler Klavier spielt, bleibt es nicht aus, dass wir süchtig werden nach der Art, wie er dies in Worten ausdrückt. – Ludwig Engstler-Barocco

 


 

 

Leserbrief zu „100% vegan“ von Hannah Schmidt

 

Eine zu 100 Prozent vegane Geige: Ja geht’s noch? Birne und Pappel statt Tropenhölzer: einverstanden, na klar, das ist ja auch Natur, also echt. Aber was spricht gegen die Verwendung von Tierhaut, -haar, -därmen und -knochen? Dafür muss doch kein einziges Tier leiden oder getötet werden! Diese wertvollen Naturprodukte durch tote synthetische Stoffe zu ersetzen, finde ich bei einem „warmblütigen“ Instrument, das direkt zu unserem Herzen spricht, als einen gefühllosen, barbarischen Akt. – Ludwig Engstler-Barocco

 


 

 

Leserbrief zu „Alard von Kittlitz entdeckt: Radikale Schönheit“ von Alard von Kittlitz

 

In dieser Show war ich auch! Ja, das mit der Hölle ist so eine Sache. Aber zu Ihrer Beruhigung: Wegen Schnaps ist noch keiner verdammt worden, trinkt doch so mancher Taoist in den alten Überlieferungen eins über den Durst. Mit dem Kommunismus verhält es sich schon schwieriger. – Will denn ein Kommunist überhaupt in den Himmel? Will er nicht das Paradies hier unten auf der Erde installieren?

Falls ein Anhänger dieser Partei aber doch noch den Platz umbuchen möchte, dürfte das kein Problem sein, – wenn er kein Mitglied der KP Chinas ist und sich direkt oder indirekt an der Verfolgung von Falun Gong oder anderer Menschen beteiligt hat. Schließlich wird der böse Räuber im Stück „Junge Mönche“ nicht ausgelöscht. Das dürfte uns Mut machen! Nun hoffe ich, dass ich während der Show gut aufgepasst habe, und Sie den Sommer mit Schnaps, politischen Debatten und hoffentlich Büchern ihrer Wahl genießen können. Aber: das letzte Sagen hat ja Buddha! – Constanze Distel-Sigel

 


 

 

Leserbrief zu „Es wird wieder hell“ von Ulrich Ladurner

 

Die Einschätzung von Olaf Scholz als Mechaniker der Macht halte ich für zu optimistisch. Olaf Scholz ist Ein Zufallsprodukt, welches angesichts fehlender Alternativen und eines unerarteten Wahlausganges zum Bundeskanzler wurde. Olaf Scholz weiß das auch selber, es spricht fast aus jeder seiner Faser bei seinen öffentlichen Auftritten, daß ihm klar ist, daß er da nicht hingehört. wo er jetzt steht. Im Prinzip ist er selber ein Nichts und das auch noch ohne eigene Meinung. Seine Meinung modelliert sich aus den Zuflüsterungen seiner Umgebung und der öffentlichen Stimmungslage. Ich denke, wir werden auf die Kanzlerschaft von Scholz als „verlorene Jahre“ einmal kopfschüttelnd zurückblicken. – Volker v. Moers

 


 

 

Leserbrief zu „Da war so ein Gefühl“ von Henning Sußebach

 

Ohne Zweifel- was Herr Corssen erlebt hat, hat ihn für sein Leben traumatisiert. Allerdings frage ich mich, ob der Autor dieses Artikels und Journalist bei einer renommierten Zeitung noch nie etwas von dem im deutschen Strafrecht geltenden Grundsatz der Unschuldsvermutung gehört hat… Das gilt übrigens auch für den Wortbeitrag von Herrn di Lorenzo zu diesem Thema in der Radio Bremen Talkshow vom 13. Mai.

Die Tatsache ,dass ein Gutachter nach Durchsicht der Akten und des Notfallprotokolls mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgeht, Herr Högel habe ein Mittel gespritzt ,das die Muskeln erschlaffen ließ und habe somit den Tod des Opfers billigend in Kauf genommen, reicht als Beweis für die Täterschaft des Herrn Högel in diesem Fall keinesfalls aus. Genau das suggeriert aber der Artikel. Als Fan der Zeit hätte ich mir eine weniger einseitige, dafür aber differenziertere und juristisch fundiertere Berichterstattung gewünscht. – Kirsten Hüfken

 


 

 

Leserbriefe zu „Über den »gekränkten Mann« und die Frage, was Erfolg mit dem Geschlecht zu tun hat“ von Harald Martenstein im ZEIT Magazin

 

Besser und pointierter und treffender kann man es nicht auf den Punkt bringen. Bravo, Herr Martenstein! Den „ideologischen“ (und höchst intoleranten) Faktor in der Diskussion um „Gender-Gerchtigkeit“ und Ähnliches zu entlarven- das geht manchmal offenbar nur „personalisiert“- so wie in Ihrem Erfahrungsbericht mit besagter Dame. Sehr gut gelungen! – Karl-Heinz Grau

 

Da ist er ja wieder, der Herr Martenstein und wieder schreibt er – , ja was soll das eigentlich sein? Der gekränkte Mann, aha. Die Juso Vorsitzende, soso. Und dann geht es wieder los, unreflektiert wie eh und je. Also, die alten weißen Männer, die sind dann offensichtlich zu Recht gekränkt und die jungen Frauen, schlimmer noch, Juso, und noch schlimmer Vorsitzende aber nein immer noch nicht ungeheuerlich genug, die wird auch noch Ministerin! Und sooo viel Geld verdient sie, gönnerhaft akzeptiert.

Und dann wird relativiert; Männer sammeln Pfandflaschen! Der Herr Martenstein hat gar in einer Dachkammer gelebt! Und was hat er gekämpft. Du meine Güte; Tränen der Rührung schießen ins Auge. Ob die Juso Vorsitzende auch nur irgendeine Leistung gezeigt hat ist da irrelevant, und überhaupt, Männer helfen sich gar nicht so dolle, die machen alle gar nicht Karriere. Und so weiter und so fort. Dann ziehen wir mal das Fazit. Da hat einer nichts verstanden, will nichts verstehen und ignoriert die Ungerechtigkeit Frauen gegenüber einfach weg. Kein Wort davon, das Frauen Recht haben mit ihren Klagen und das in viel zu vielen Fällen.

Da sollte einer, wie der Herr Martenstein mal ein paar statistische Daten lesen, oder das hervorragende Buch von Carolin Kebekus, die sich auch aus dem Proletariat hochgearbeitet hat und aus eigener Erfahrung schreibt, wie es aussieht, wenn Frauen in dieser Gesellschaft das Nachsehen haben.

Aber darum geht es den Martensteins dieser Gesellschaft nicht. Sie wollen ihre Befindlichkeiten in die Welt setzen und zwar am besten so, das keiner direkt den Unsinn wiederlegt. Das geht am Besten über einen solchen Artikel wie er, warum auch immer in der Zeit veröffentlicht wurde, vom Schreibtisch aus; aber vielleicht, denkt der Herr Martenstein wie seine reaktionären Gesinnungsgenossen ja auch, das man das wohl noch mal schreiben darf. Darf man, Demokratie ist auch für die Dummen da. Ich wäre gespannt, was passiert, wenn Frau Kebekus einen der vielen geistigen Martensteins im Interview hätte? So etwas ist für Die Zeit unwürdig. – Klaus Klöser

 

Es sollte besser heißen „Über den zutiefst gekränkten Martenstein und die Frage, was sein rätselhafter Erfolg mit der SPD zu tun hat.“ Denn wenn es über seinen dementen Vater, seinen inkontinenten Hund und den Schwamm in den Balken seines Hauses nichts mehr zu schreiben gibt, holt er sein offenbar tief sitzendes SPD-Trauma hervor und füllt damit auf vorhersehbare und kein bisschen lustige Weise seine zwei Spalten. Dabei haben uns doch bereits 1975 Rudi Carrell („Wann wird’s mal wieder endlich Sommer?“) und sein Milchmann wissen lassen, dass die SPD sogar für das miese Wetter verantwortlich ist: „Denn Schuld daran ist nur die SPD.“ Martenstein sollte gelegentlich mit seinem Milchmann reden – dann klappt es vielleicht mit dem Wetter und eventuell sogar mit seinen Texten. – Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Heilmann

 

Für versöhnliche Worte, Herr Martenstein, war während der Sendung ausreichend Zeit. Sie zogen es vor, eins ums andere mal den „gekränkten Mann“ zu geben und Frau Rosenthal – wissentlich oder unwissentlich? – in bilderbuchhaft herablassend „Alter-Weißer-Männer-Manier“ vorzuführen. Weit mehr Personen zu verteidigen, als die, die das Wording tatsächlich klassifiziert, war Ihnen ein außerordentliches Anliegen, wie mir scheint. Zuzuhören und zu verstehen spräche dabei signifikant eindringlicher für jedwede feministische (und uneingeschnappte) Haltung, als eine um der Pointe Willen pointiert geschriebene Kolumne. – Manuela Boehden

 

Einfach nur selbstgefällig, dümmlich und gehässig! Irre ich mich, oder deuten die Leserbriefe in letzter Zeit darauf hin, dass das Niveau der ZEIT, bzw. ihrer Autoren mit dem Anspruch ihrer Leser nicht mehr Schritt hält?! – Sven Herfurth

 

Ich bin eigentlich sehr glücklich mit meinem Abo. Aber der aktuelle Text von Harald Martenstein im ZEIT-Magazin („Warum alte weiße Männer manchmal gekränkt sind“) macht mich völlig fassungslos. Ich verstehe nicht, wie die Chefredaktion der ZEIT bzw. Editor*innen diese Kolumnen so stehen lassen können. Mir ist bewusst, dass auch konservative Ansichten in der ZEIT ihren Platz haben müssen – unbedingt sogar. Aber diese Kolumne ist nicht mehr konservativ, sondern widerlich. Ich habe den Eindruck, dass Herr Martenstein sich bewusst dumm stellt, um völlig krude „Argumente“ zu platzieren.

Am schlimmsten finde ich diese „Erklärung“: Dass eine weibliche Bundestagsabgeordnete mit 29 Jahren mehr verdient als der Sohn des Kolumnisten zeige, dass Frauen heutzutage nicht mehr benachteiligt seien (Hinweis dazu: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/03/PD22_088_621.html). Und der Kolumnist wäre mit 29 ja noch Lokalredakteur gewesen und damit zufrieden. Soll das bedeuten, dass Jessica Rosenthal und alle Frauen mal lieber froh sein sollten, dass sie heute auch Geld verdienen dürften?
Auch die Aussagen „Nicht alle Männer machen Karriere“, „Verdanke ich das wirklich alles nur meinem Penis?“ und dass Männer häufiger Pfandflaschen sammeln würden als Frauen, widern mich so dermaßen an. Natürlich darf in Kolumnen anders geschrieben werden als in klassischen Artikeln – aber an die Fakten sollte man sich schon trotzdem noch halten, oder? Wenn Sie auch jüngere Frauen als Abonnentinnen gewinnen und halten möchten, müsste vielleicht innerhalb der ZEIT diskutiert werden, ob Herr Martenstein noch der richtige Kolumnist für die ZEIT ist. – Julia Bosch

 

Ich habe die Talkshow, von der Sie schreiben, zufällig gesehen. Wirklich zufällig, denn eigentlich bin ich nur hängen geblieben, weil ich dachte: „Oh, Volker Wieprecht hat ne Talkshow im Fernsehen?“ Ich fand die Diskussion dann tatsächlich interessant, ebenso wie die Dynamik zwischen Ihnen und Frau Rosenthal. Sie waren wirklich sehr freundlich und sachlich, haben aus meiner Sicht wohlwollend und interessiert wirkend mit ihr gesprochen. Ich hätte mich in diesem Gespräch wahrscheinlich wohl gefühlt und gerne mit Ihnen gemeinsam über die aufgeworfenen Fragen nachgedacht.

Es war deutlich spürbar, dass Frau Rosenthal eher im Verteidigungsmodus war. Das hat mich berührt und ich habe mich gefragt, warum das so war. Die Antwort darauf wäre spekulativ und für diesen Kanal hier zu lang. Jedenfalls wäre meine Antwort auf die Frage, ob Frauen sich die Posten nicht gegenseitig zuschieben würden: Das können wir erst wissen, wenn genug Frauen in die entsprechenden Positionen kommen.

Darüber hätte man dann weiter diskutieren können. Sie hätten sicher eine weiterführende Frage oder Bemerkung formuliert und das Gespräch hätte ein echter Austausch werden können. Leider war die Sendung kurz darauf zu Ende. Wie es weiter ging, haben Sie ja geschildert. Das ist schade, denn ich fände es nicht nur interessant, sondern auch hilfreich, wenn der gekränkte Mann in Ihnen und die gekränkte Frau in Frau Rosenthal sich (stellvertretend für uns alle) im Dialog begegnen könnten. Das wäre eine Entwicklungschance für uns alle. – Antje Boeck

 


 

 

Leserbrief zu „Unter uns Italienern“ von Francesco Giammarco und Emilia Smechowski im ZEIT Magazin

 

Herzlichen Dank für den großartigen Artikel. Er hat vieles in mir verändert. Weshalb wurde nur so abschätzig über die italienischen Mitbürger geredet? Ich finde das respektlos. Wir Deutsche haben durch die Italiener so viel gutes erhalten. Nr. 1 das beste EIS der Welt, nicht nur Pasta, Pizza, Risotto. Zum anderen wäre ich froh gewesen, wenn ich (Deutsche) so großartige „Nonnas“ gehabt hätte. – Ute Koch

 


 

 

Leserbrief zu „IM MAI. Da draußen“ von Heike Faller im ZEIT Magazin

 

„Die Nachtigall ward eingefangen, sang nimmer zwischen Käfigstangen. Man drohte, kitzelte und lockte, Gall sang nicht, bis man die Verstockte in tiefstem Keller ohne Licht einsperrte. Unbelauscht, allein dort, ohne Angst vor Widerhall, sang sie nicht, starb ganz klein als Nachtigall.“ (Joachim Ringelnatz, 1883-1934, deutscher Schriftsteller, Kabarettist & Maler) Neulich sah ich in unserem Garten ein winzig kleines grüngelbes Vögelein, vielleicht wars gar ein Zilpzalp, eine Goldammer, ein Girlitz oder gar ein Grünfink, ich weiß es nicht wirklich.

Solange sich noch Vögel, Insekten oder sonstiges Getier in unserem Garten auf dem Lande tummeln, solange dürfte weder Hopfen noch Malz für uns verloren sein! „Die Glücksarten der Menschen sind eben verschieden: Den enen sin Uhl is den annern sin Nachtigall. Mir ist die Freiheit Nachtigall, den andern Leuten das Gehalt.“ (Heinrich Theodor Fontane, 1819-1898, deutscher Schriftsteller & Apotheker). – Klaus P. Jaworek