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29.September 2022 – Ausgabe 40

 

Leserbriefe zum Dossier „Die Krisenmanagerin“ von Anne Hähnig

Seit 1975 lese ich wöchentlich die ZEIT und hatte in der jüngsten Vergangenheit mehrfach überlegt, der Richtigstellung halber einen Leserbrief zu schreiben.
Heute überwinde ich die Trägheit: Auf Seite 2 des Dossiers heißt es, dass geschiedene Frauen nach dem dritten Geburtstag des jüngsten Kindes keinen Anspruch auf Ehegattenunterhalt mehr hätten. Das ist definitiv Falsch.
Von einer Zeitung wie der ZEIT hätte ich eine derartige Falschinformation nicht erwartet. Wie heisst es so schön: „Ein Blick ins Gesetzbuch erleichtert die Rechtsfindung“.
Schlecht recherchiert! Enttäuschend!
Lucia Sperber

Danke für dieses Dossier, ich bin Alleinerziehende und viele meiner Freundinnen sind es auch, wir fühlen uns oft sehr ohnmächtig. Wir tun so viel, für unsere Kinder und damit doch auch für die Zukunft und für unsere Gesellschaft. Dennoch sind wir so hintendran, finanziell.
Dennoch Kritik am Fazit: Die Väter sind nicht automatisch die Lösung, die gründen oft neue Familien und haben dann natürlich wieder kaum Geld übrig, sie haben neue Frauen, die in Sorge um ihren Nachwuchs sind, neue Verpflichtungen, neue Baustellen. Häufig zahlen sie ja auch, irgendwie, aber auch die sind nicht immer Ingenieure sondern auch mal Erzieher oder Bäcker und da sind 500 Euro mitunter wirklich ein dickes Brett.

Es ist einfach unglaublich schwer, mehrere Haushalte mit normalen Gehältern zu finanzieren. Der Vater meiner Kinder ist wiederum Vater zweier weiterer Kinder und auch schon wieder getrennt. Er ist Erzieher und sucht nun eine bezahlbare Wohnung, in der er alle Kinder unterbringen kann, und muss an vier Kinder Unterhalt zahlen. Dass das irgendwie nicht geht ist klar, oder?

Und schnell ist man dabei zu denken: „Ja was setzt er denn auch noch weitere Kinder in die Welt?“. Aber er liebt seine Kinder und in beiden Fällen haben wir Frauen uns zur Trennung entschieden. Er wäre gerne mit mir und ihr und vor allem mit seinen Kindern zusammengeblieben und hat sich sehr eine heile Familie gewünscht.
Ich finde, dass Care-Arbeit entlohnt werden sollte. Aber – und das ist jetzt so gar nicht woke, sondern aus dem Nähkästchen der Sozialarbeiterin, die ich bin, gesprochen: Das Problem dabei ist, dass die Exkludierten dann eventuell noch mehr Kinder in die Welt setzen als eh schon.
Und noch etwas: Mir ging es wie der Mutter im Artikel, ich habe auch manchmal die Briefe nicht mehr geöffnet und darüber nachgedacht, wie paradox es ist, Menschen in sozialen Notlagen zu helfen während man selber mittendrin steckt. Und die Träger im sozialen Bereich, die familienfreundliche Arbeitszeiten bieten, zahlen meistens nicht nach Tarif. Die nächste Falle, die sich auftut!
Judith Engeler

Ihr Artikel ist gut gemeint, leider treffen sie die wirkliche Härte für Mutter und Kind nicht im Geringsten. Die Kinder erleiden das Allerschlimmste, was einem Kind (außer Misshandlung aller Art) zugefügt werden kann.

Ich war alleinerziehend in den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Es haben sich weder Politik, noch Kollegen, noch Vorgesetzte für unsere Belange und Bedarfe interessiert. Ich bekam nicht mal einen Hortplatz.

Allerdings hatte mein Arbeitgeber, die Stadt München, einen Krippen- und einen hervorragenden Kindergartenplatz für mein Kleinkind. Die beste Zeit für mein Kind. Danke an die damals betreuenden Erzieher!

Die Sorgen, die die heutigen Mütter  haben, waren für mich, arbeitend in 3 Schichten in einem schweren Beruf,  „pipifax“. Christiane Zwickenpflug, München

Ich gebe Ihnen voll und ganz Recht zu den Schlußfolgerungen, die sich aus der Gesetzesänderung ergeben haben. Wobei ich die Idee nicht schlecht finde, nur dass die Umsetzung an versprochenen Kitaplätzen halt verschlafen wurde. Ein Aber: Braucht eine Frau erst ein oder zwei Kinder, um festzustellen, dass ihr Typ nicht mithilft? Der schönste Tag im Leben, Familie, Kinder und das Hirn ausschalten?

Natürlich ist das nicht immer die Ausgangssituation, aber noch leider viel zu oft – zurück ins Rollenverhalten. Jürgen, Völker Techniker

Vielen Dank für Ihren Beitrag. Ich fühlte mich sofort angesprochen, alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern, Vater hätte mehr Unterhalt zahlen können, tat es aber nicht. Auch ich habe meine Berufstätigkeit im sozialen Beruf reduziert wahrgenommen. Ohne die finanzielle Unterstützung meiner Eltern wären wir in die Armut abgerutscht. Als die Kinder zur Schule gingen, konnte ich nach einer gewissen Zeit wieder voll arbeiten.

Das dicke Ende aber kommt bei der Beantragung der Rente. Hier wird zusammengezählt, wie viel eingezahlt wurde. Da interessiert es niemanden, ob man einige Jahre weniger gearbeitet hat. Die Kinder werden jeweils als halbe Kinder berechnet, weil der Vater ja Unterhalt gezahlt hat. Dass er damit während der Studienzeit der Kinder aufgehört hat, interessiert auch niemanden. Meine Rente wurde nach anderen Fakten berechnet. Die Doppelbelastung zählt da nicht. Mit inzwischen 70 Jahren arbeite ich immer noch ein wenig, damit ich finanziell klarkomme. Auch das ist eine Realität, die nicht mich alleine betrifft und auf die alleinerziehende, berufstätige Mütter vorbereitet werden sollten. Barbara Müller, Ahrensburg

Was hier beschrieben wird, ist die krasseste Ausprägung eines millionenfach betriebenen, systematischen Betrugs an den Müttern. Was sie leisten ist die absolut unverzichtbare Voraussetzung für die Zukunft von Staat und Gesellschaft. Der Staat ist darauf angewiesen, wenn er in der nächsten Generation noch Arbeitskräfte und Beitragszahler für die Sozialsysteme haben will. Die Mütter  tun es freiwillig und ohne Honorar. Und sie nehmen zusätzlich enorme Kosten auf sich: Sie verzichten in großem Umfang auf eigenes Einkommen; die unmittelbaren Kosten, die für jedes Kind anfallen, werden durch das Kindergeld nur zu knapp einem Drittel ersetzt.

Und am Ende wartet auf sie Altersarmut. Weil sie zugunsten ihrer Kinder auf einen großen Teil des möglichen eigenen Einkommens verzichten mussten, haben sie am Ende halb so viel Rente wie die anderen, die sich die Mühe und die Kosten mit eigenen Kindern gespart haben. Und deren Rente von den Kindern der ausgebeuteten Mütter finanziert wird. – Was viele nicht wissen: die Renten werden immer nur von den Kindern der Rentner finanziert. Von den eigenen früheren Beiträgen wurden die Renten der eigenen Eltern bestritten. Davon ist nichts übrig. Und die Mütterrente? Die ersetzt nicht mehr als etwa 5 Prozent der gesamten Verluste; 15 Kinder müsste eine Mutter haben, um damit eine Standardrente von 1500 Euro zu verdienen! Dr. Jürgen Schröder, Fockbek 

Das Unterhaltsgesetz von 2008 muss geändert werden. Wie soll jemand, der/die für sich und die Kinder ein Einkommen erarbeitet, nach der Vollzeitstellenarbeit alleine einen Haushalt (putzen, einkaufen, kochen, waschen, aufräumen) mit Kindern bewältigen? Hinzu kommen Hausaufgabenbetreuung, Arztbesuche, Begleitungen zu Sport, Logopädie usw. In welcher körperlichen und psychischen Verfassung dieser Elternteil jahrelang diese Doppelbelastung aushält, und was für erschöpfte/ gereizte Mütter (Väter) abends den Kindern am Abendbrottisch gegenübersitzen, hat sich scheinbar niemand bei dieser Gesetzesänderung überlegt. Dort, wo die Kinder größtenteils leben, kann der Elternteil für seinen eigenen Lebensunterhalt höchstens in Teilzeit arbeiten, so dass der andere Elternteil einen Ausgleich für diese Betreuung und Haushaltstätigkeit leisten muss. Dieses Gesetz ist unmenschlich und schadet den betroffenen Elternteilen und Kindern. Binke Weinheber

Euer Artikel „Die Krisenmanagerin“ hat mich nachdenklich gestimmt und mir wieder einmal mehr aufgezeigt, was für ein Glück ich habe, aktuell in einer finanziell unabhängigen Lebensphase meinen Alltag bestreiten zu dürfen.

Erst vor einem Tag habe ich mich mit meinem Partner darüber unterhalten, dass ich nicht konkret wüsste, was ich „Sinnvolles“ mit den 300,- EUR Energiezuschuss anstellen könnte. [Side note: Ihm sind die zusätzlichen 300,- EUR in seiner Gehaltsabrechnung bis dato nicht einmal aufgefallen.]

Ich würde gerne die Energiekosten von der Protagonistin für drei Monate übernehmen. Könnten Sie einmal Kontakt aufnehmen und sich erkundigen, ob sie mir das erlauben würde? Falls ja, freue ich über die Mitteilung eines Referenzkontos. Falls nein, gibt es vielleicht Verbände oder Stiftungen, die Frau Bentner am Herzen liegen und die ich stattdessen unterstützen darf? Sabine Oppermann

 

Ich war als Mann bald 20 Jahre allein Erziehender. Wo finde ich mich in Ihrem Artikel? Es gibt viele Männer, die ihre Aufgabe erfüllen. Dr. Klaus Kern 

Es ist immer wieder sehr erstaunlich, welche Bevölkerungsgruppen offensichtlich über eine starke Lobby verfügen. So schafft es die Gruppe der alleinerziehenden Mütter immer wieder mit herzerwärmenden Schicksalen in die Medien, ohne dass auch nur ein kritisches Wort zur meist selbst gewählten Situation fällt. Als Betroffener kann ich authentisch darüber berichten, dass es die Mühe wert wäre, diese vorwiegend einseitige Betrachtungsweise kritisch zu hinterfragen. Nehmen wir einmal die Anzahl der Männer (18 Prozent), die angeblich zu wenig oder gar keinen Unterhalt bezahlen. Diese Statistik hat keinerlei Aussagekraft: Derjenige, der vielleicht nur wenige Euro „zu wenig“ bezahlt, wird dadurch dem Unterhaltsverweigerer gleichgestellt. Somit wird bewusst der Eindruck vermittelt, fast jeder fünfte Mann drücke sich vor seiner Unterhaltsverpflichtung. Dass genau diese völlig überzogenen Unterhaltszahlungen im Übrigen auch viele Männer in die Armut treiben, findet selbstverständlich keine Erwähnung. Eine weitere Statistik sagt aus, dass der Anteil der alleinerziehenden Frauen bei 88 Prozent liegt. Wollen nur 12 Prozent der Männer das Aufenthaltsbestimmungsrecht, oder erhalten sie etwa bei den Familiengerichten von vornherein gar keine Chance dazu? Dient die richterliche Entscheidung immer dem Kindeswohl? Und: In wie vielen Fällen nutzt die Frau ihr Sorgerecht, um die Kinder vom Vater vorsätzlich zu entfremden? Diese Fragen werden vorsichtshalber gar nicht erst gestellt, weil man die Antworten nicht hören möchte. Schon gar nicht bei den betroffenen Lobbyverbänden. Eduard Kalb, Nürnberg

Seit Jahren immer wieder Berichte dieser Art. Wann wird endlich mal mit Vätern direkt gesprochen? Wann wird direkt in Betrieben und Firmen recherchiert? Mir fehlen die Stellungnahmen der Männer, die Konfrontation der Väter mit den angeblichen gesellschaftlichen Zuständen. Es sind doch die Väter, die auch in die alltägliche Pflicht genommen werden müssen. Und zur Gesellschaft zählen wir alle.

Stattdessen lässt man die Väter laufen und akzeptiert, dass sie sich hinter angeblichen gesellschaftlichen Verhältnissen verstecken können.

Übrigens – Ausnahmen gibt es überall, davon mal abgesehen. Tretet den Vätern in Betrieben und Firmen endlich mal auf die Füsse, bitte. Maria Kadiri (Sozialarbeiterin im öffentlichen Dienst, seit 2 Jahren in Rente), Hamburg

Eine gelungene Darstellung der Situation Alleinerziehender in Deutschland. Es fehlt der wichtige Hinweis auf die Möglichkeit einer Unterhaltsbeistandschaft des Jugendamtes. Die Behörde, die das mit einem ganz anderen Nachdruck und entsprechenden Sanktionsmöglichkeiten tun kann, fordert dann anstelle des oder der Alleinerziehenden den Unterhalt des anderen Elternteils ein, einschließlich einer regelmäßig aktualisierten Berechnung der Unterhaltshöhe auf der Basis zutreffender Einkommensnachweise und der Beratung über weitere staatliche Hilfsangebote. Selbst eine gerichtliche Durchsetzung der Unterhaltsansprüche ist, sofern erforderlich, bei dieser Beistandschaft Aufgabe des Jugendamtes.
Arno Dreisbach, Wilnsdorf

Die Ehe ist in erster Linie ein Versorgungsvertrag und sollte auch als solcher gesehen werden. Wenn frau meint, diesen mal eben beenden zu müssen, weil der Vollzeit arbeitende Ehemann sich zuwenig um die Kinder gekümmert und die Küche nicht geputzt hat, ist sie offensichtlich keine „Krisenmanagerin“, sondern schlicht naiv.
Da die Liebe sich aus dieser Ehe offensichtlich bereits verabschiedet hatte, wäre doch Platz für ein paar pragmatische Gedanken gewesen: Kann ich mir die Trennung leisten? (Antwort: nein, ich bin leider schon mitten in der Teilzeit-Mutter-Falle gelandet). Hilft mir die Trennung in tatsächlicher Hinsicht? (Antwort: ja, eine kurze Genugtuung gegenüber dem Blödarsch von Ehemann, aber mittel- und langfristig nein, jetzt kann ich die Küche erst recht alleine putzen und Geldprobleme gibts obendrauf). Lösung: Beim Mann bleiben und die Phase aussitzen. Das mag zwar schrecklich unromantisch sein, aber schnelle Trennungen und deren Folgen sind es auch. Diana Weniger, Konstanz

Das Futter für zwei Katzen plus einen Hund (der wegen Krankheit zusätzlich noch Medizin benötigt) sind in etwa der Betrag, der jetzt das Mehr an Energiekosten ausmacht. Ganz abgesehen davon dürften bei dem beschriebenen persönlichen Stress der Frau die Tiere kaum die für sie notwendige Zuwendung erfahren. Dann kann ich mich weiter nur noch wundern, wenn eine studierte Sozialpädagogin sich total verweigert, das Zeitgeschehen mindestens in Form von Radionachrichten zu erfahren. Wie übt sie ihren Beruf aus in Unkenntnis allen gesellschaftlichen Geschehens. Im übrigen ist für mich ihr geschilderter Lebenslauf – mehrfach abgebrochene Ausbildungen – ein Anzeichen, dass sie grundsätzlich vielleicht immer schon „Lebensprobleme“ hatte. Michael Bingeser, Radolfzell am Bodensee

Nun auch noch die ZEIT! Auch sie fällt in den Jammerchor der Printmedien, der Nachrichten ein: Jammern auf hohem Niveau! Mich hat dieses Dossier wütend gemacht.
Was diese Dame, die ihr Elend beschreibt, braucht, ist eine Haushaltshilfe, mit der sie lernt, wo sie was wie einkauft, wo sie lernt, wie sie ihren täglichen Haushalt verändern kann: wo weniger Strom verbraucht werden kann, wo weniger Wasser, wo weniger zu heizen ist, wie sie mit ihrem Geld gut wirtschaften kann, wo sie Unterstützung nach dem Motto bekommt: Hilfe zur Selbsthilfe. Die vielen Anregungen, die es bereits gibt, scheinen eine ganz individuelle Hilfe trotzdem notwendig zu machen.
Ich wünsche mir ein Dossier von der ZEIT, in dem Menschen – alleinerziehend, Kinder – ihre Situation gut bewältigen und vielleicht sogar die notwendigen  Veränderungen als Chance wahrnehmen. Wir alle – ja alle – sind aufgefordert, unseren Alltag und auch die Sonntage zu verändern. Wir können das nicht nur, wenn wir nach mehr Geld schreien und bekommen, sondern lernen, mit dem Geld , was wir haben, sorgfältiger umzugehen. Jetzt ist dafür die Zeit gekommen und die ZEIT könnte ihre Aufgabe dafür wahrnehmen. Dr. Annedore Hof, Bielefeld

Beim Lesen der Reportage ging mir immer wieder der Name Relotius durch den Sinn. Die intensive Beladung des Textes mit Stereotypen aller Art machte mich recht mißtrauisch in Bezug auf dessen Realitäts- und Wahrheitsgehalt. Natürlich ist der Protagonist eine alleinstehende Frau mit zwei Töchtern (nicht etwa ein alleinstehender Man mit zwei Buben oder gar eine ganz normale Familie mit zwei Geringverdienern als Eltern), natürlich wird sie vom Ex-Gatten in jeder Hinsicht im Stich gelassen, natürlich arbeitet sie in Teilzeit. Natürlich trinken die Kinder keine Milch, sondern Fructosekonzentrat (genannt Smoothies), und die größere Tochter spricht ein verstümmeltes Deutsch, die Mama schwört auf Red Bull beim Autofahren. Daß sie auf die Hilfe ihrer Mutter, einer Kleinrentnerin, angewiesen ist, paßt ebenso perfekt ins Bild. Die geschilderten Probleme kann man zwar verstehen, infolge der ebenso detaillierten wie klischeehaften Darstellung fällt jedoch das Nachfühlen schwer. Und besonders beeindruckend: die Dame will nicht erkannt werden, trägt aber auf zweien der vier vollkommen nichtssagenden Photos einen auffallenden Ring an ungewöhnlicher Stelle. Das ist so, als würde man Jutta Schulze mit Jutt. Schulz. anonymisieren wollen.
Liebe Redaktion, derlei Beiträge erwartet man eher in den bunten Blättern beim Friseur. Die derzeitigen existenziellen Probleme einer Unzahl von Bürgern sind – glaube ich wenigstens – allseits bekannt, eine Verflachung durch Berichte wie den oben genannten haben sie nicht verdient.
Eine Frage zum Schluß: wo bitte gibt es eine CO2-Kartusche für den Sprudler um 5,75 Euro?
Dr. med. Bruno Pasquazzo, Feldthurns, Italien

Ich habe das Dossier „Die Krisenmanagerin“ gelesen. Ich finde es gut und wichtig, dass die Not und Herausforderungen für Alleinerziehende thematisiert werden. Insbesondere vor den derzeit alles überlagernden Krisen ist es wichtig, diesem Thema Aufmerksamkeit zu geben.
Leider sind Sie in dem Artikel in alte Rollenmuster verfallen und haben das Thema als Frau versus Mann thematisiert. Das ist schade, da es so zu keiner Lösung kommen wird.
Kurz zu mir. Ich lebe in Dresden, bin verheiratet, habe zwei Kinder, welche gerade das Haus verlassen. In meinem Erfahrungshorizont ist das gleichberechtigte Zusammenleben von Partnern sehr weit fortgeschritten. Erziehungsurlaub des Mannes, Kinderkrank der Kollegen, Teilzeit der Kollegen … führen bei niemandem mehr zu Erstaunen.
Grundsätzlich denke ich, dass die prekäre Situation von Alleinerziehenden durch den Umstand erzeugt wird, dass mit der Trennung steigende Kosten verbunden sind. Junge Familien mit Kindern sind im Regelfall bereits finanziell stark gefordert. Durch die Trennung entstehen zusätzlich Kosten, weiterer Haushalt, Pendelkosten sind hier exemplarisch zu nennen. Dies trifft dann auf individuell neue Wünsche durch vermeintlich gewonnene Freiheit, verringerte Einnahmen durch wegfallende Steuervortteile und ähnliches. In der Folge müssen alle Beteiligten auf Wohlstand verzichten. Dies einzusehen und untereinander abzustimmen, fällt nach schmerzvoller Trennung mit all ihren Verletzungen schwer. Pauschale Vorurteile wie leider auch in Ihrem Artikel helfen hier nicht weiter.
Trennungsmediatoren, welche auf beiden Seiten ein Verständnis fördern, finanzielle Sachverhalte transparent offen legen und Wege aufzeigen, welche Möglichkeiten bestehen, um das getrennte Leben fair zu meistern, könnten eine mögliche Lösung sein. Der Mann alleine wird es insbesondere vor dem Hintergrund des immer mehr gelebten Rollenmodells nicht sein. Steffen Schwarzbach 

Die Lösung wäre einfach, erfordert aber einen Dreifachwumms: Ein Zukunftsfonds, in den genau wie in Renten- und Krankenversicherung von jedem Arbeitnehmer eingezahlt wird. Aus dem wird jedem Kind ein bedingungsloses Grundeinkommen gewährt, ausgezahlt an die Person im Haushalt, die die Haupterziehungsarbeit leistet. Und dies unabhängig davon, ob die Eltern getrennt sind oder in Harmonie zusammenleben. Paula Fünfeck

 


 

Leserbriefe zu „Das Ministerium“ von Bernd Ulrich

Niemals zuvor wurde eine Bundesregierung vor solche Herausforderungen gestellt. Ich zitiere Markus Feldenkirchen vom SPIEGEL: Niemand, wirklich niemand ist in der Lage, derzeit täglich Souveränität auszustrahlen. Ja, es werden auch Fehler gemacht (Thema Gießkannenprinzip). Dennoch wird mit Anstand und unglaublichem Fleiß versucht, uns durch die Krise zu bringen. Der Opposition geht jeglicher Anstand verloren. Diese unsäglichen Schimpfereien von Merz und Spahn zielen doch nur auf die Wahl in Niedersachsen und auf das Sich-in-Position-bringen als Kanzlerkandidat ab. Bernd Ulrich hat völlig Recht. Es braucht dringend einen parteiübergreifenden Konsens anstatt ruinöser Machtspiele.
Ulrich Niepenberg, Marienheide

Noch vor einem Jahr war das BMWi ein Lobbyministerium für die Wirtschaft, das darin geübt war, alle Anliegen aus anderen Politikbereichen abzuwehren, zu verzögern oder weichzukochen. Gelingende Obstruktion war erfolgreiche Wirtschaftspolitik. Mit der neuen Bundesregierung hat der Primat der Politik vor der Wirtschaft in das neue BMWK Einzug gehalten. Eine Revolution. Die Atemlosigkeit des Artikels von Bernd Ulrich reflektiert das Stakkato der sich überschlagenden Wirklichkeit und dieser Revolution. Bei dem gegebenen Problemstau ist eine Politik der ruhigen Hand in diesem Brennpunktministerium derzeit nicht möglich. Ja, wer viel macht, macht viele Fehler. Und Kommunikation bleibt wichtig. Gut, dass wir einen Philosophen als Wirtschaftsminister haben, der die unzusammenhängenden Zusammenhänge zusammendenken und erläutern kann.
Reinhard Koine, Bad Honnef

Super Pulsfühlung – gelungener Duktus! Genial das Gedächtniskondensat mit AbtLtr Maaß! So wünsche ich mir die ZEIT! Und trotzdem fehlen mir ein paar Neben-Aspekte: Im Nebensatz lässt Bernd Ulrich einfließen, dass einige Probleme auch selbst verursacht worden sein könnten. Wie wahr, wie wahr! Allerdings fehlen Gesprächsinhalte mit den Haupt-Verursachern Altmair und vor allem Gabriel.
Im Nebensatz „Rohöl ist nicht gleich Rohöl“ blitzt die fragliche Anfangskompetenz des Ministers auf (nicht erwähnt, aber wichtig jene der Aussenministerin); es fehlt die Lernkurve! Und Ähnliches gilt analog für Gas und Kohle … Das erst hat Merz das Gefechtsfeld eröffnet!
Das Bonmot, dass die Leistung des Ministeriums vor Amtsantritt der Neuen bei 50 Prozent gelegen habe, und heute bei 250 Prozent läge, bezeichnet Ulrich als übertrieben. M.E. sind nur die 250 Prozent übertrieben, die 50 Prozent führten ja zur Referentenbezeichnung des „Schlafwagenministeriums“ seit den Nuller-Jahren! Belegt wird dies durch die aufgezeichneten Überstunden: 102.458 wären bei 2.400 Mitarbeitern wahrlich kein Krisensignal – wenn sie denn gleichverteilt wären! Womit wir beim Problem der Personalführung wären – ein wahrlich echtes Problem aller Berliner Ministerien: Die wirkliche Arbeitslast liegt auf ein paar hundert Schultern, während tausend andere nur die Minimal-Gleitzeit präsent sind! Und zwar quer durch die Hierarchien, dank unflexibler Dienstpostenbeschreibungen! Franz Berger, Schoenberg

Apropros – „Die vierte Gewalt“, oder wie Medien die Demokratie fördern. Bernd Ulrich gelingt in seinem Artikel über das Bundeswirtschaftsministerium vor allem eines, und das noch auf angenehm lesbare Weise: Aufklärung durch Komplexitätsreduktion. Sie bringt den Streit auf den Punkt, der sich um etwas sehr Grundsätzliches dreht – „die Zukunft der Marktwirtschaft in den von ihr selbst forcierten Krisen“. Bernward Bergmann, Berlin-Steglitz

Vielen Dank an den Autor, dass er zeigt, dass man ernste Themen auch mit Humor darstellen kann. Besonders gefallen hat mir die Bemerkung über die Besucher, die nur hier arbeiten, weil sie den Ausgang nicht mehr gefunden haben. Diese Darstellung hebt sich vorteilhaft von den üblichen Beschimpfungen der öffentlichen Verwaltung ab.
Peter Pielmeier, Alsbach

Gerne möchte ich Ihnen und Euch kurz meine Begeisterung, meinen Respekt und meinen Dank für die Reportage von Bernd Ulrich zukommen lassen. Ein Beitrag, den man all jenen dringend empfehlen, wenn nicht verordnen sollte, denen in diesen herausfordernden Zeiten nichts Besseres einfällt als das stumpfe „die-da-oben“-Gemecker.
Christoph Bauer, Berlin

Friedrich Merz’ mit eindeutig desavouierender Absicht gewählte und mit dreister Hochnäsigkeit präsentierte Worte gegenüber dem Bundeswirtschaftsminister in Bezug auf dessen vorherigen Beruf sind deutlich unterhalb des Erträglichen. Derart unausgegorene, jegliche Fairness vermissen lassende Pöbeleien schlechtesten Stils, die sich direkt gegen eine Person wenden, kennt man bisher eher von anderer Seite. Ein solches Vergreifen im Ton sollte auch der mit hartem Fell ausgestattete Politikbetrieb so nicht goutieren; eine Entschuldigung wäre angesagt.
Ein unlauteres, unsportliches und populistisches Verhalten ist es auch insofern, da Merz auf solch dünnem Eis versucht, den Fall eines Politikers zu inszenieren und darüber hinaus unfairerweise noch weiter nachzutreten. Er übergeht dabei die Arbeitsüberlastung des Ministeriums und wohlweislich die von Habeck vorgefundenen, arbeitserschwerenden Realitäten, für die Merz‘ CDU, durch jahrelanges Nicht-Handeln zu relevanten Teilen verantwortlich ist. Schon diese erfüllen den Tatbestand zwischen die Beine geworfener Knüppel. Im Sport erhielte Merz für solche Fouls die gelb-rote Karte. Berechtigte Kritik gegenüber dem ebenfalls in die Misere verwickelten Finanz-Ministerium bleibt unerwähnt.
Merz‘ unwürdige Sottisen sind darüber hinaus auch ein Schlag ins Gesicht all jener in einer hochkreativen Verlagsbranche, die im Gegensatz zu seiner Person von der enormen Bedeutung der Kinder- und Jugendliteratur für die Grundfesten und die Stabilität einer Demokratie wissen. Denn erst durch den Spaß am Lesen in den ersten Lesejahren wird Interesse geweckt, erhält man später den Zugang zu Wissenswelten (z. B. der Politik) und ist mit kritischem Geist einer eigenen Meinung fähig.

Wer ansonsten mündige Bürger fordert, darf jemanden, der zuvor einer dafür unabdingbaren und mehr als verdienstvollen Aufgabe erfolgreich nachging, nicht deswegen derart unterirdisch durch den Kakao ziehen. Schon gar nicht, wenn bei genauem Hinsehen sich doch als eher klein erweisende Stolperschritte des Ministers, als Grund herhalten sollen. Merz‘ ehemalige Jobs (z. B. bei Blackrock) würden vermutlich eher eine deutlich kritische Analyse rechtfertigen. Wer im Glashaus sitzt, der sollte nicht mit Steinen werfen. Gunter Affholderbach, Siegen

Ich war über Jahre Abonnent der ZEIT. Leider wurde das Niveau immer schlechter.
Nunmehr habe ich den Wiedereinstieg versucht und bin noch enttäuschter. Ich habe ein, wenn auch schon länger zurückliegendes, Studium der Wirtschaftswissenschaften hinter mir. Die „Grünen“ sind sicherlich nicht meine Freunde. Aber was sich Bernd Ulrich da geleistet hat, ist mehr als Polemik. Das Niveau entspricht der Bildzeitung bzw. der Sendung im ZDF mit Welke.
Bernd Ulrich scheint nicht verstanden zu haben was Habeck zu Insolvenzen gesagt hat. Vielleicht sollte er einmal Nachhilfe bei Marcel Fratzscher nehmen. In einer vorherigen Ausgabe haben Sie über den Mainstream und über das Voneinanderabschreiben der heutigen Journalisten berichtet. Auch dort sollte Herr Ulrich einmal nachlesen, was seine Kollegen geschrieben haben. Dieter Gehrken, Wilhelmshaven 

Immer wenn ein Medium mit dem Bericht auch ein Foto von Habeck zeigt, deutet dies an, dass man ihn untestützen will. Man sieht ihn als kleinen Kennedy, der sich von den alten und oft senilen Politikern unterscheidet, und auch noch keine Dekaden im Bundestag verbracht hat.
Ich bin älteren Kalibers und verfüge über viel Industrieerfahrung auf mehreren Kontinenten. Habe auch Management, Finanzen, und Marketing im Ausland studiert.
Wenn ich mir das Ministerium ansehe, und lese, dass die Leistung des Hauses gewaltig angestiegen ist, dann frage ich mich, warum. Meine erste Interpretation geht dahin, dass es hier in erster Linie sehr viele trials and errors gibt, und wenig gute Führung. Ich bin überzeugt, dass es Unmengen von Leerlauf gibt, und wenn ich dann noch lese, dass die oberste Schicht der Führungskräfte aus Ökoleuten besteht, dann weiss ich, dass da nicht gut gearbeitet wird, weil es insgesamt an Erfahrung fehlt. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass man in diesem Ministerium leider meistens aus eigenen Fehlern lernt, anstatt dass man von den Fehlern, die von andern gemacht wurden, versucht zu lernen. Das ist viel effizienter und auch viel billiger. Als ehemaliger Consultant scheint mir, dass das Ministerium eher gewaltig überbesetzt als unterbesetzt ist. Folglich müsste eigentlich kein weiterer Personalaufbau notwendig sein. Was fehlt ist Qualität, nicht Quantität.
M.E. hat das Ministerium  auch die Interessen seiner europäischen Nachbarn zu lange ignoriert. Es ging ja eher um eigene Ideologie, als um die Bedürfnisse der BRD und von Westeuropa. Ja, aus meiner Sicht wird hier der Amtseid jeden Tag gebrochen.
Was ich nicht ganz begreife, ist, dass Sie das AKW in Lingen überhaupt nicht erwähnen. Dass dieses jetzt abgeschaltet wird, kann Holländer, Belgier und Franzosen nicht freudig stimmen. Diese werden Wege finden, wie man es den Piefkes heimzahlen kann. Aber was Lingen anbetrifft, geht es nicht nur um die Grünen, sondern auch um die miserable Politik von der SPD in Niedersachsen. Auch die Herren Weil, Lies & Co. brechen laufend ihren Amtseid. Ist es nicht merkwürdig, dass keines der deutschen Medien darauf hinweist?
Leider ist die ZEIT ganz schwach besetzt, wenn es um Kosten geht, und auch Schulden, auch gutes Management et cetera. Aber dies wissen Sie ja wohl inzwischen. M.E. ist es ein gewaltiger Fehler, das AKW  in Lingen zu schliessen. Man sollte auch versuchen, die drei alten AKWs wieder zu aktivieren. Es geht um das Land, und Europa, und nicht um die Parteien.
Rolf Klotzbucher

Ich hatte mich nach dem Blick ins Inhaltsverzeichnis sehr auf diesen Artikel gefreut und das Thema hätte wirklich die Gelegenheit für eine große Geschichte sein können. Das hätte aber erfordert, dass die Redaktion das Thema an einen guten und professionellen Journalisten gibt – und nicht an einen Fan des Ministers.
Herausgekommen ist leider ein Artikel, in dem der Verfasser den Minister in jedem Absatz anhimmelt, sein Vibrieren ist so distanzlos, dass er in den Zeilen mühelos zwischen dem Minister und dem Ministerium hin- und herfliegt. Nur weil der Minister in ein paar Meinungsumfragen einen Dämpfer bekommen hat, soll das Ministerium schon in der Krise sein …
Ja, das BMWK ist ein äußerst komplexes Gebilde. Jahrzehntelang als Gralshüter des Ordoliberalismus gehegt und in Stellung gebracht, soll es plötzlich aktiv einen Strukturwandel der deutschen Wirtschaft herbeiführen, den es so noch nie gegeben hat. Größer kann die Herausforderung kaum sein. Dass das auf Abhieb ohne Reibungsverluste, Frustration und Fehler gelingt, ist kaum vorstellbar, für einige wichtige Fachleute der letzten Jahrzehnte dürfte sich unter diesen Vorzeichen die Sinnfrage stellen. Wo das Umsteuern aber funktioniert, dürfte das Erfolgserlebnis riesengroß sein, und nach meinem Eindruck ist in den letzten Monaten vieles gut gelaufen!
Wirklich ein Thema für eine große Geschichte. Aber bitte geben sie das einem professionellen Journalisten und Sachkenner.
Hans-Ronald Niehus, Hamburg

Es ist einfach peinlich, wenn Bernd Ulrich seinem Text über das Wirtschaftsministerium das Zitat von Paul Celan voranstellt. Abgesehen davon, dass der Text nichts, aber auch gar nichts mit Celans Rede zur Entgegennahme des Büchner-Preises zu tun hat, noch mit dem Text, auf den er anspielt, zeigt das vorangestellte Zitat deutlich die Unbildung von Bernd Ulrich. Mit dem Zitat antwortet Paul Celan auf den Anfang von Büchners „Lenz“, in dem es heißt, „nur war es ihm (Lenz) unangenehm, daß er nicht auf dem Kopf gehn konnte“, Büchners erste Andeutung des beginnenden Wahnsinns von Jakob Reinhold Michel Lenz auf dem Weg ins Steintal. Bildung, Herr Ulrich, ist kein Zierrat, aus dem man sich nach Belieben bedienen kann, um zu zeigen, dass man was gelesen hat. Zitate schleppen ihren Kontext mit, man kann sie nicht nach Belieben setzen, wie man will. Einfach nur peinlich für eine ZEIT mit einem so kompetenten Feuilleton. Dr. Josef König, Bochum

 


 

Leserbriefe zum Streitgespräch zwiscchen Alexander Graf Lambsdorff und Johannes Varwick über die Rückeroberung der Krim durch die Ukraine

Merkt denn niemand, dass wir einen Konflikt zwischen zwei völkerrechtlichen Prinzipien haben? Das Verbot, Grenzen mit Gewalt zu verschieben, und das Selbstbestimmungsrecht der Völker.
Unsere veröffentlichte Meinung hat sich einseitig auf ersteres festgelegt. Aber auf der Krim und im Donbas leben Russen. Die ethnische Minderheit in der Ukraine. Bis 2014 problemlos. Dann putschte man auf dem „Euromaidan“ den Präsidenten weg, der von der Mehrheit dieser Russen gewählt war. Er wollte friedliche Nachbarschaft zu beiden großen Nachbarn. Der Putschpräsident verbot Russisch als Amtssprache und griff mit Panzern an, als die ihres Rechtes beraubte Minderheit erklärte, dass sie unter diesen Umständen souverän sein wollten.
Objektiv gesehen, hat der Putschpräsident den Krieg begonnen. Aus russischer Sicht kommt Putin nur seinen entrechteten Landsleuten zu Hilfe. Solange wir uns weigern, diese Seite der Medaille zu sehen, gibt es keine Chance auf ein Ende des Krieges. Die Russen im Donbas et cetera „russlandfreundliche Separatisten“ zu nennen, macht es auch nicht besser. Oder sich darüber zu mokieren, dass auf der Krim und im Donbas über 90 Prozent für Russland optieren, sie sind nun mal Russen.

Brauche ich jetzt die salvatorische Klausel: „Ich bin ein Putinversteher, aber kein Putinfreund“?
Prof. Dr. Martin Wilmers

„Sollte Deutschland auch die Rückeroberung der Krim unterstützen?“ Auf jeden Fall. Wenn wir der Argumentation von Herrn Varwick folgen würden, müssten wir in nicht allzu ferner Zukunft überlegen, ob wir Baden-Wüttemberger nicht vielleicht Thüringen und Sachsen opfern, um danach selbst, für eine überschaubare Zeit, unsere Ruhe vor Putins Imperialismus zu haben. Auf die Idee könnte man zurzeit wohl kommen, bei den vielen  Putinverstehern im Osten.
Aber nein, auch wenn es noch so schmerzt, wir dürfen jetzt nicht der atomaren Drohung erliegen, sonst ist es vorbei mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und der Gewaltenteilung in den Staaten in Westeuropa. Nach einem Sieg über Putin wird es uns in Gesamteuropa schlagartig wesentlich besser gehen, verlieren wir, dann …
Willi Krebser, Lörrach-Brombach

Zuerst dachte ich, wieso kann ein Herr Varwick diese seine Meinung in der ZEIT ausbreiten? Doch in der Gegenüberstellung mit der mutigen, klugen Meinung von Graf Lambsdorff hat das sein Gutes, zeigt doch diese Auseinandersetzung, dass Freiheit und Selbstbestimmung wichtiger sind, als nur auf Sicherheit und Wohlstand zu blicken. Nur warum zeigt die FDP hier diesen Mut und nicht auch bei der Bewältigung der Wirtschaftskrise? Moderate Einkommensteuererhöhungen von 60 Prozent der Gesellschaft für die wirtschaftlich notleidenden, bedrohten 40 Prozent würden die Probleme ohne die Gefahr, die Inflation anzuheizen, vermutlich besser lösen. Fehlt der Regierung dieser Mut, so könnte sie mit einem Spendenaufruf an die 60 Prozent versuchen, das notwendige Geld aufzubringen, das dann nur den 40 Prozent zugute kommt, wo jeder der 60 Prozent nach seinem Vermögen entscheiden kann, wie viel er spendet. Hier könnte sich Solidarität zeigen und der Doppelwumms für die Gaspreisbremse bräuchte vielleicht nur ein kleiner Wumms zu sein. Dr. Michael Hopmann

Der (konstruktive) Streit ist das Privileg der freiheitlichen Demokratie. Denn der Ort, an dm man von der Einheitsmeinung abweichende Meinungen nicht äußern darf, ist die Diktatur. Öffentlicher Streit ist dann nicht möglich!
Wenn Herr Lambsdorff meint, dass es in Putins Interesse liegt, dass wir solche Diskussionen führen, kann ich nur sagen dass es auch in meinem Interesse liegt! Der Kompromiss aus einem Streit ist nämlich unser größter Vorteil!
Benedikt Schwickert, Lörrach  

Zwei Positionen zur Nukleardrohung von Putin treffen aufeinander. Varwick: Sie ist ernst gemeint. Und aus Selbstschutzinteresse muss nach Beendigung der Waffenlieferungen und Akzeptanz des Status Quo verhandelt werden. Lambsdorff: Sie ist nur taktisch gemeint, und wir unterstützen in unserem Interesse (Werte, Recht) die Ukraine weiter mit Waffen, den Status Quo vor 2014 wiederherzustellen. Zwei konträre Annahmen. Varwick: Putin – in die Enge getrieben – verhält sich rational, indem er der Eskalationslogik tatsächlich folgt. Lambsdorff: Der russische Entscheidungsapparat verhält sich rational, indem er die Wirkung der Eskalationsdrohung zwar testen und maximal ausschöpfen will, aber die Eskalation aus realistischer Risikoabwägung heraus tatsächlich vermeiden wird. Wahrscheinlich ist die Realität wieder mal nicht schwarz oder weiß, sie ist grau. Grauenhaft genug, wenn die russische Seite aus der Drohung, die das Maximum einschließt, real das Minimum zum Einsatz bring: irgendeine fürchterliche Schweinerei – und dieses schlimme Minimum dann mal wieder entweder leugnet, oder anderen in die Schuhe schiebt.
Reinhard Koine, Bad Honnef

Ein Politiker und ein Professor für Politik – sie bilden die Gegensätze in dieser Diskussion über den Ukrainekonflikt sehr gut ab. Hier der FDP-Politiker Lambsdorff, der klar und überzeugend für eine massive Hilfe und Unterstützung für die von Putin überfallene Ukraine wirbt – dort der zögerliche (sehr deutsch) und wenig überzeugende Professor, der vor Ängsten und Gefahren im Umgang mit dem Gewaltherrscher Putin nicht genug warnen kann. Eine Rückgabe der Gebiete, die Putin der souveränen Ukraine geklaut hat, ist doch aus völkerrechtlicher und moralischer Sicht selbstverständlich. Ein Dieb, der mit seiner Beute auf der Polizeiwache sitzt, wird dazu gezwungen. Leider ist das in der großen Politik nur ganz selten der Fall. Putin wird sich nie freiwillig wegen seiner Kriegsverbrechen einem internationalen Gremium stellen. Es ist nur zu hoffen, dass er doch irgendwann als Kriegsverbrecher angeklagt wird.
Die zurzeit am häufigsten benutzten Argumente gegen die Waffenhilfe für die Ukraine gründen auf der Angst vor einem durchgeknallten Putin, der politisch irrational die Atombombe im Krieg gegen die Ukraine einsetzen könnte.
Das erscheint aber unwahrscheinlich, da der Einsatz von Nuklearwaffen nicht nur für die Einwohner der Ukraine furchtbare Folgen hätte, sondern auch die Bevölkerungen der umliegenden Staaten des Schwarzen und Asowschen Meeres atomarer Strahlung ausliefern würde. Und natürlich auch das benachbarte Russland!
Wenn Putin also noch in der Lage sein sollte, Politik rational zu gestalten, wird er diesen letzten Schritt nicht wagen. Verheerend auch die unglaublich verlogenen Argumente als Begründung des russischen Überfalls auf die Ukraine, die dann, als Gipfel eines, historisch gesehen, einmaligen Verbrechens, sogar noch mit dem atomaren Schlag einen furchtbaren Höhepunkt finden könnte. Russland wäre für Jahrzehnte nur noch ein Paria der Weltgeschichte.
Aber auch ein Einlenken oder gar Rückzug Putins bei Verhandlungen, um den verbrecherischen Krieg zu beenden und sich aus der Ukraine zurückzuziehen, erscheinen unwahrscheinlich, da dieser Diktator inzwischen wahnhafte Züge zeigt. Deswegen geht man nicht fehl in der Feststellung, dass Putin militärisch und politisch in einer Sackgasse feststeckt und ihm dazu nichts Besseres einfällt, als mit dem Einsatz von Atomwaffen zu drohen. Angst zu schüren ist das beste Fundament für seine Politik der Einschüchterung und bisher erfolgreich gegenüber Europa und besonders Deutschland praktiziert. Der Westen, mit der USA als überzeugender Führungsmacht in diesem Konflikt, hat es deswegen politisch und militärisch in der Hand, Putin zu zwingen, sein gefährliches Spiel zu beenden. Er wird das vor der russischen Bevölkerung und der politischen Elite Russlands aber mit seinem Scheitern bezahlen müssen. Ob dann Putins Nachfolger eine ganz neue Politik Russlands in die Wege leiten werden, ist leider ungewiss.
Zu wünschen ist dem russischen Volk, dass es sich endlich einmal von seinen Gewaltherrschern befreit und versucht, einen demokratisch verfassten Staat zu gründen. Den Russen und der Welt wäre es zu wünschen.
Klaus Reisdorf, St.Paulet de Caisson, Frankreich

Es ist für die aktuelle „Kriegssituation“ in der Ukraine bezeichnend, dass auf der einen Seite in dem Interview ein erfahrener, ausgebildeter Diplomat und Politikprofi, Graf Lambsdorff, eine harte Linie gegenüber Putin vertritt, und auf der anderen Seite einer von einem Dutzend Politikwissenschaftler und Historiker, hier Johannes Varwick von der Uni Halle Wittenberg, der Bundesregierung, vor allem dem Auswärtigen Amt, mangelnde Initiative, sprich „da kommt garnichts“ attestiert.
Da momentan atomare Risiken abzuwägen sind, sind für mich jegliche persönliche oder parteipolitische Animositäten völlig fehl am Platz. Lambsdorff bezeichnet die Absage Lawrows in der UN an Baerbock als gescheiterte Dipolmatie. Die Telefonate mit Putin haben auch nichts gebracht. Wenn das als Dipolmatie bezeichnet wird, muß ich als Bürger  persönlich auch deutscher Politik, nicht nur der Außenpolitik, Totalversagen vorwerfen. Diese Politiker hätten zu Zeiten des Kalten Krieges, analysiere ich aus heutiger Sicht, ein Chaos angerichtet.
Man hat es mit einem im wahrsten Sinne des Wortes unberechenbaren Menschen zu tun, der laut Lambsdorff mit unserem  21. Jahrhundert nichts zu tun hat. Trotz alledem wird allen ernstes versucht, sein Tun kalkulierbar vorherzusagen. Wären da nicht, wenn auch zuerst einmal schmerzhafte, aber überschaubare diplomatische Gespräche ein Muß, auch von Seiten der Ukraine, trotz allem Leid? Wie lange soll  das Leiden weitergehen? Es wird keinen Gewinner geben. Die westliche Presse ist weitgehend kriegsorgentiert.
Wenn Lambsdorff, wie er sagt,  analytisch u. a. zu dem Schluß kommt, Putin drohe nur und eine nuklearer Eskalation halte er für extrem gering, schaudert  mir. Was liefert der Westen denn, wenn die Russen die erste taktische Bombe zünden würden? Keine Doktrin der Welt kann das verhindern. Das größte Land der Erde, das elf Zeitzonen umfasst, wird vom Westen zu einem Nordvietnam in Europa gemacht, auf allen Gebieten, technisch, wirtschaftlich, wissenschaftlich durch immer neue westliche Kriegsunterstützung. Die Ukraine hat die vollständige Anektion verhindert. Das westliche Argument, Putin wird weitermachen, baltische Länder überfallen et cetera, ist für mich ein geopolitisches. Putin wird mit Sicherheitheit kein Natoland angreifen. Das wär sein und unser aller Ende.
Die Rückeroberung der Krim durch Deutschland unterstützen – ein völlig naiver, unrealistischer Gedanke.
Walter Schroiff, Raeren

Mehr solcher Gespräche … und am besten auf die erste Seite. Horst G. Weller, München

„Sollte Deutschland die Ukraine bei der Rückeroberung der Krim unterstützen?“ – Dass diese Überschrift ein sehr problematisches Framing setzt, hat Graf Lambsdorff gleich zu Beginn der Diskussion deutlich gemacht. Einen Eroberungskrieg führt hier nur der Kreml, das sollte auch in der ZEIT bekannt sein. Ungeachtet dieses unglücklichen Titels ist die Position von Johannes Varwick in drei Punkten freilich frappierend: Den Mode-Begriff des Einfrierens kann auch er nicht erklären; angesichts der zahlreichen „eingefrorenen“ territorialen und ethnischen Konflikte vom Baltikum über Moldawien bis zu den Kurilen, mit denen sich der Kreml umgeben hat und die er bei Bedarf „auftauen“ könnte, erscheint es aber geradezu dümmlich, Putin in der Ukraine noch ein weiteres Werkzeug der latenten Destabilisierung in die Hand zu geben.
Überhaupt scheint Varwick das Problem weniger im Kreml zu sehen – oder wie soll man seine These verstehen, der Krieg sei „übermorgen zu Ende, wenn wir keine Waffen mehr liefern“? Varwick, der bereits im Juni behauptete, die Ukraine sei „sowieso verloren“, hat gelinde gesagt eine merkwürdige Wahrnehmung der Verhältnisse. Der Krieg wäre dann zu Ende, wenn Putin das Scheitern seiner Pläne zumindest implizit eingestünde und seine Truppen zurückzöge – aber eben auch nur dann.
Und schließlich setzt Varwick Angreifer und Angegriffenen explizit gleich, wenn er vermeintliche Realpolitik fordert und bei russischen Niederlagen „zwei revisionistische Mächte“ sieht, die den Frieden gefährden. Nach dieser Logik muss ein Diktator nur einen Krieg entfachen, um in nachgehenden Verhandlungen den Anspruch auf politische Seelenmassage durch territoriale Zugeständnisse zu erwirken. Varwick scheint nicht zu verstehen, dass der Revisionismus Putins der nicht zu behandelnde Phantomschmerz des in der untergegangenen UdSSR sozialisierten KGBlers ist. Mit dieser Gefahr aber werden wir in Europa zu tun haben, solange Putin im Kreml sitzt.
An Werten und Realitäten ausgerichtete Politik kann vor diesem Hintergrund nur heißen: militärische, geheimdienstliche, diplomatische und wirtschaftliche Unterstützung der Ukraine – solange das Land diese benötigt, sowie seine Aufnahme zumindest in die EU – so schnell dies machbar ist. Jörg Heger, Borchen

Die Ukraine verteidigt sich erfolgreich, und es wird von Eskalation gesprochen. Ja, die findet schon statt. Weil Putin mit dem Rücken an der Wand steht, hat er die Mobilisierung angeordnet.
Seit Beginn hat Putin Drohungen ausgesprochen. Was hat er nicht alles gesagt, was passieren würde, wenn Schweden und vor allem Finnland der NATO beitreten würden. Wenn der Krieg eingefroren wird, hat Putin Zeit, seine Armee zu reorganisieren und besser auszubilden und auszurüsten. Und kann dann eines Tages den Krieg zu günstigeren Bedingungen weiterführen.
Gott sei Dank haben die USA Notfallpläne. Diese werden häufig überprüft, unterliegen regelmäßig „War Gaming“ und „Red Teaming“. Es gibt immer einen Plan (mit mehreren Handlungsmöglichkeiten, je nach Feind) zur Abschreckung oder Bekämpfung des Einsatzes von Atomwaffen durch Russland (und andere Staaten). Es wäre höchst fahrlässig, kein solches Prozedere vorzuhalten. Warum das beweisen sollte, dass wir einem Atomkrieg näherstehen als sonst, ist nicht ersichtlich. Genauso gut könnte man sagen, dass man näher an einem Krieg ist, weil man sich für die Verteidigung gegen einen Aggressor rüstet.
Es ist offensichtlich, dass man Putin nicht trauen kann. Er belügt uns und sein Volk, sobald er den Mund aufmacht. Eine Lüge ist z. B. die Teilmobilisierung. Das was in Russland stattfindet ist eine umfassende Mobilisierung. Seine Rede war das Hirngespinst eines Mannes, der in seiner eigenen Realität lebt. Sie war an die Russen gerichtet, die er meint, noch mit seiner Propaganda beeinflussen zu können. Angesichts der russischen militärischen Lage hätte er es sich nicht erlauben können, seine wahren Ziele zu offenbaren. Keine Propaganda hätte verhindern können, dass er damit vor allem in Russland seine Glaubwürdigkeit massiv untergraben hätte.
Wir werden keine Kriegspartei, wenn wir Kampfpanzer liefern. Wollen wir es Putin gestatten das zu definieren? Auch da dürfen wir keine Angst haben. Putin hat mit Vergeltung gedroht, wenn die USA HIMARS und ähnlich effektive Waffen liefern. Hat Putin daraufhin Drohungen wahrgemacht? So wenig wie nach dem Beitritt Schwedens und Finnland. Völkerrechtlich sind wir solange keine Kriegspartei, wie wir keine eigenen Soldaten in den Kampf schicken.
Es ist natürlich schwach von der deutschen Regierung, sich nicht an die Spitze zu stellen und dafür zu sorgen, dass sich ein Konsortium der Länder, die den Leopard haben, bildet und damit die Ukraine auszurüsten.
Wie soll ein realpolitischer Interessenausgleich aussehen? Putin will die Staatlichkeit der Ukraine zerstören. Die Ukraine will ihre staatliche Integrität erhalten. Welche Interessen sollen da ausgeglichen werden? Es hört sich so an, als ob Putins Interesse für Varwick legitim wären. War es ein legitimes Interesse Hitlers, die Juden zu ermorden?
Der Krieg kann nur durch die Russen selbst beendet werden. Putin wird alles dafür tun, dass das nur zu seinen Bedingungen geschieht. Dafür hat er den stillschweigenden Gesellschaftsvertrag gekündigt, wonach sich die Bürger nicht in die Politik einmischen und die Bürger dafür ein sorgenfreies Leben führen können. Jetzt sehen sie, dass der Krieg nicht nur eine TV-Show ist, sondern sie selbst betrifft. Die wohlhabenden und reichen Russen können ihren Reichtum nicht mehr im Westen genießen, genauso wenig wie die kleptokratische Elite seines Reiches. Die Völker an der Peripherie werden vielleicht rebellieren, wenn ihr Blutzoll immer höher wird. Schlecht ausgebildete Soldaten mit schlechter Unterkunft und miserabler Verpflegung werden vielleicht meutern. Wenn der Krieg weiterhin für die Russen so unvorteilhaft verläuft, wird Putin durch eine innenpolitische Machtfraktion gestürzt und durch jemanden ersetzt, der den Krieg beendet und dafür sorgt, dass die Kleptokraten wieder ihre Früchte genießen können. Das bedeutet eine friedliche Koexistenz mit seinen Nachbarn und keine revisionistische Nachbarschaft. Deshalb muss alles getan werden, damit Russland den Krieg so schnell wie möglich verliert.
Rüdiger Weigel, Minden

 


 

Leserbriefe zu „Euphoriebremse“ von Kolja Rudzio

Ich muss deutlich protestieren. Wir Hessen hatten die Möglichkeit, über die Schuldenbremse für unser Bundesland abzustimmen. Leider hat die Bevölkerung diesen Quatsch nicht erkannt und zugestimmt. Der Schuldenbremse haben wir die schlechten Schulen, die schlechten Straßen (inklusive der Autobahnlücken A45, A66 …) zu verdanken. Auch die Sirenen, die Forstämter und die Krankenhäuser dürfen sich für die Notsparzeiten bedanken – sie ist der größte Unsinn, den man sich ausdenken kann. Klar, die 3-Prozent-Regel von Maastricht ist auch eine willkürlich gefundene Zahl, aber sie ist wesentlich höher als die deutsche Schuldenbremse und sie gibt den Haushalten viel mehr Luft, um kreativ auch Umschichtungen in den Budgets vorzunehmen. Die Schuldenbremse hat nur zum harten Verfall unser Infrastruktur geführt und gehört ersatzlos gestrichen. Vor allen Dingen die dogmatische Umsetzung auf allen Ebenen führte zu den katastrophalen Folgen.

Uferlos darf sich der Staat nicht verschulden – das ist definitiv klar. Konsumptive Ausgabe wie Tankrabatt, höheres Wohngeld etc., das sollte nicht über Kredite finanziert werden. Siehe die aktuellen UK-Ideen – aber wenn aktuell durch einen Energiepreisschock eine wirtschaftliche Katastrophe droht, dann muss der Staat einspringen. Nach Möglichkeit nur dort, wo es notwendig ist, aber das ist auf die Schnelle schwer festzustellen. Ein Beispiel aus Hessen: der RMV sitzt wahrscheinlich noch bis Ende 2022 an der Rückerstattung der 9-Euro-Ticket-Monate für diejenigen Kunden, die sich eine „anonyme“ Jahreskarte gekauft haben und über die Website eine Erstattung beantragt haben. Unser Staat hat halt große Mängel: Er hat wenig Daten verfügbar, keine Technik und meistens keine kreativen Ideen. Stephan Siegel

Um das Dogma der FDP, die Schuldenbremse, nicht zu verletzen und die Koalitionsräson zu wahren, werden die 200 Mrd. Euro für den Gaspreisdeckel und andere Ausgaben wie schon die 100 Mrd. für die Bundeswehr als „Sondervermögen“ deklariert. Herrlicher Euphemismus, denn es müsste heißen Sonderschulden. Die stehen aber nicht im regulären Bundeshaushalt, sondern in einem Schattenhaushalt, was schon der Bundesrechnungshof kritisiert hat, indem er befand, der Haushalt werde dem Transparenzgebot nicht gerecht. Für wie dumm halten Politiker die Bürger eigentlich, dass sie glauben, die würden den Schwindel nicht bemerken? Auf dem Papier wird die Schuldenbremse eingehalten, aber de facto ist die längst Makulatur. Stefan Kaisers, Gießen

Ihre Diagnose: richtig! Sie gehört in Volkes und besonders in der Medien Ohr. Denn sie, nicht bloß „manche“, sind es, die aus einer richtigen Idee einen „Spleen der FDP“ machen, ein Alleinstellungsmerkmal, das sich – ideologisch verabsolutiert und oft genug wiederholt – wunderbar machtpolitisch mißbrauchen lässt, um alle Kompromissbemühungen auf rationaler Ebene schon im Keim zu ersticken. Das führt zu irrationalen Scheinlösungen wie dem 100-Milliarden-Euro-Versprechen für die Bundeswehr oder dem 200-Milliarden-Euro-„Kompromiss“ aus „Sondervermögen“.
Behauptet wird, die Schuldenbremse zu umgehen. Offensichtlicher ist das Ziel, Volkes und der Medien Meinung angenehm unklar unter Kontrolle zu halten. Wem aber werden all diese Scheinlösungen in erster Linie nützen? Und wer wird sie letztendlich bezahlen? Könnte da ein ZEIT-Preisausschreiben für möglichst kluge, gemeinwohlorientierte Antworten helfen?Eckhard Heumann, Göttingen

Das ganze schreckliche Weltgeschehen, seit vielen Jahren (Kriege in Syrien, Mali, Nigeria, Kongo, Äthiopien, Südsudan usw.), und nun, seit dem 24.02.2022, ein weiterer Krieg mitten in Europa, in der Ukraine. Das stellt eine unheilige Allianz von Gut und Böse, von Reich und Arm, von Leben und Tod dar. Wie kann die Bundesregierung, landläufig: „Die Ampel“, da weiterhelfen? Durch ehrliche Schulden, sprich: „Schattenhaushalte“, eine kreative Buchführung, sprich: „Sondervermögen“. Oder sind das doch nur Taschenspielertricks von ganz schlechten Zauberkünstlern? Muss hier im Lande nicht zu allererst die Rettung von armen Kindern, Rentnerinnen und Rentnern, Handwerksbetrieben et cetera und allen, die jetzt und alsbald im kalten Herbst und Winter finanziell nicht in der Lage sein werden, sich selbst zu helfen beim Heizen, Einkaufen oder schlicht beim Überleben, im Vordergrund stehen? Dass dabei Hilfen für den Kampf der Ukraine gegen den Aggressor Russland nicht vergessen werden dürfen, versteht sich von selbst. Die Hilfen hier im Land und draußen für die Ukraine sind notwendig, selbstverständlich und insofern nicht verhandelbar. Aber was geschieht: Zwei politische „Alphatiere“, Lindner und Habeck, nehmen ihr eigenes Ego und die Ideologien ihrer Parteien wichtiger als zielorientierte Lösungen der gemeinsamen Probleme. Der Chef der beiden, Scholz, versteckt sich verbal hinter seinem Doppel-Wumms und verliert dabei das Wichtigste aus den Augen, nämlich die Hilfe für die, die es im eigenen Land wirklich brauchen und die Ukraine, die auf wichtige Waffen wartet. Die Schuldenbremse und deren Einhaltung (Artikel 109 GG) ist ganz offensichtlich ein unwürdiges „Scheingefecht“, da es klar definierte Ausnahmen gibt: Naturkatastrophen, schwere Rezessionen und außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen. Wenn nicht jetzt, wann dann ist eine entsprechende Ausnahme gerechtfertigt? Was Herr Lindner hier abliefert ist absurdes Theater vom Allerfeinsten, respektive vom Allergemeinsten: „Die Einhaltung oder Überhöhung der Schuldenbremse, dargestellt durch die Schauspielgruppe der FDP, unter Leitung des Mark-bzw. Eurografen Christian Lindner von eigenen Gnaden.“ Wenn es nicht so traurig wäre… Felix Bicker, Essen

Nachdem sich Adam Tooze und Joseph Stiglitz schon in ihrem Artikel „Es wäre ein Fehler, ihm seinen Wunsch zu erfüllen“ (Zeit Nr. 44 v. 28.10.21) in unsere Regierungsbildung eingemischt und Christian Lindner die Eignung als Finanzminister abgesprochen hatten, erlebten sie heftigen Widerspruch von Clemens Fuest (ifo-Institut München) und dem englischen Wirtschaftshistoriker Harold James. Deutschland brauche einen Kassenwart, der das Geld in einer Welt zusammenhält, in der die politische Unterstützung für laxere Finanzregeln dominiert. Seitdem hat sich der Streit um die Schuldenbremse fortgesetzt, und Kolja Rudzios Verteidigung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse kommt zur rechten Zeit. Obwohl die Steuereinnahmen durch die Rekordinflation von 10 Prozent kräftig sprudeln, sind Forderungen nach Aussetzung der Schuldenbremse auch im kommenden Jahr, dem vierten Jahr in Folge, von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und dem Berliner Senat laut geworden. Das würde zu einem Zielkonflikt mit der Inflationsbekämpfung führen, wie Rudzio in seinen vier Argumenten für die Einhaltung der Schuldenbremse richtigerweise erwähnt.
Denn die gezielte Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage mit weiteren Entlastungspaketen heizt die Inflation zusätzlich an, weil das Angebot derzeit die Nachfrage wegen der Lieferengpässe nicht vollständig bedienen kann. Und auch die weiter ansteigende Staatsverschuldung kann nicht dauerhaft fortgesetzt werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat nach langem Zögern mit der Einleitung ihrer geldpolitischen Zinswende der Inflation endlich absoluten Vorrang eingeräumt, auch auf die Gefahr, in eine Rezession zu geraten. Sie hat in der Vergangenheit immer wieder von der Politik gefordert, ihre Geldpolitik müsse von der staatlichen Fiskalpolitik stärker entlastet werden, um die verheerenden Folgen der Inflation und die Schuldenbekämpfung in den Griff zu bekommen. Offensichtlich stoßen die Notenbanker bei den Politikern und manchen Ökonomen auf taube Ohren. Es ist deshalb gut, dass Kolja Radzio die Mehrheit der Deutschen unterstützt, die für eine Einhaltung der Schuldenbremse und der europäischen Haushaltsregeln (Maastricht-Defizitkriterien 3 Prozent Neuverschuldung , 60 Prozent Schuldenobergrenze) im Sinne unseres Finanzministers eintritt, der mit seiner Zustimmung zum jüngsten Entlastungspaket, dem „Wumms“ in Höhe von 200 Milliarden Euro, bis an die äußerste Grenzen der Verschuldung gegangen ist. Hans-Henning Koch

Vielen Dank für den Artikel und die Gegenrede zur zitierten, leider häufigen Meinung, die Schuldenbremse sei „nur ein Spleen der FDP“ – oder eine Art Obsession von Finanzminister Lindner, und implizit natürlich auch vieler anderer, die es fast in allen Parteien gibt, die eben nicht an das Märchen von der bequemen schmerz- und leistungsfreien Finanzierung von Gütern, Veränderungen  und Dienstleistungen glauben, schon gar nicht nachhaltig auf Dauer. Die FDP hat ja viele Fehler und falsche Prioritäten, die auch ich ihr ankreide, aber die Verteidigung der Schuldenbremse ist es gerade nicht. Sie haben natürlich Recht mit der Feststellung, wir „geben die Rechnung an die Steuerzahler*innen der Zukunft weiter“, und auch mit Ihrer impliziten Erwähnung des „Gießkannen“-Prinzips zugunsten verschiedener Klientele der regierenden Parteien. Ebenso mit dem Problem, dass zu breit verteilte Gelder die Nachfrage steigern oder zumindest verhindern zu senken, also das dringend nötige Sparen der Energien verhindern können, solange bis irgendeine Bremse doch wieder wirken muss, sei es Rationierung  oder noch höhere Lieferantenpreise, bis auch ein „reicher Staat“ es nicht mehr schafft, dagegen zu subventionieren. Sie haben auch Recht, dass es in Zukunft immer schwerer werden dürfte, das Wachstum zu generieren, mit dessen höheren Einnahmen die Kredite bedient oder zumindest im Verhältnis zum BSG entschärft werden sollen.

Eine weitere Gefahr oder auch ungerechte oder unanständige „Problemlösung“ haben Sie allerdings nur angedeutet: Die Minderung des Real-Wertes der Kredite durch Inflation, die von manchen geradezu begrüßt wird. Die Propagandisten dieser „Finanzierungsmethode“, z.B. mittels „digitalem Erschaffen von Geld“ durch die EZB, verschweigen geflissentlich, dass diese „Strategie“ auf eine Steuer auf alle Sparguthaben und sonstigen Gelder hinausläuft,  und vor allem, dass hiermit nicht nur reiche Sparer getroffen werden, sondern auch alle, die von einem bescheidenen Einkommen etwas für Notlagen, Anschaffungen oder Altersvorsorge zurückgelegt haben,  dazu alle, die sich nicht „einfach“ durch Streiks einen Inflationsausgleich verschaffen können. Weiter wird verschwiegen, dass Ursache der Energie-Inflation ein starker Abfluss bisherigen deutschen Wohlstands ins Ausland ist, so dass insgesamt – sogar langfristig – einfach weniger zu verteilen ist, es also real gar nicht möglich ist, einen Wohlstandsverlust nachhaltig für den Durchschnitt zu vermeiden. Der einzige Weg ist also eine zielgenaue Unterstützung der „wirklich notleidenden“. Und die Bezahlung hat durch die am wenigsten Notleidenden zu erfolgen, vornehmlich die viel verdienenden, vermögenden, erbenden und/oder  konsumierenden, während in der Mitte eine Schicht ist, die weder zusätzlich belastet werden kann, noch selber andere entlasten kann. Möglicherweise muss kurzfristig sogar ein Kredit aufgenommen werden, der aber innerhalb ca. 10-15 Jahren zurückgezahlt werden muss, nicht erst von den nächsten Generationen, die ohnehin durch  all unsere schon bisherigen Hinterlassenschaften so gebeutelt sind, dass sie es mit der Bezahlung noch viel schwerer hätten als wir heutige – im Durchschnitt.  Auch sie und für sie das Klima gehören unbedingt zu den „wirklich Notleidenden“. Wer sonst noch  zu diesem vielbeschworenen begrenzten Kreis „wirklich Notleidender“  gehört, ist natürlich die große Preisfrage. Wenn es nach den politischen Vertretern der verschiedenen Klientele geht, gehört ja fast jeder dazu, wie Sie so schön belegen, zumindest viel mehr als an Leistung nachhaltig zu schaffen wäre, und ich glaube sogar lt. Politikern mehr als bei vielen Mitgliedern der Klientele selbst, die oft einsichtiger sind als ihre politischen „Anwälte“ ihnen zutrauen.
Leider sind trotz all dem die Verteidiger der Schuldenbremse und ihrer guten Gründe mit jeder neuen der sich aufreihenden, fast überschlagenden Krisen weltweit auf dem Rückzug in ihrem Kampf nicht nur gegen Bequemlichkeit, Ansprüche, Nöte und Wünsche so vieler. Um den scheinbar so einfachen und bequemen Weg zu rechtfertigen, haben eine Reihe von selbsternannten „Experten“ des Finanzwesens ein ganzes System von Theorien und Argumenten entwickelt, die immer mehr Schulden nicht nur rechtfertigen, sondern geradezu als Geniestreich für alle Probleme der Gesellschaft, des Klimas und der Welt glorifizieren.
Sie weisen gönnerhaft belehrend darauf hin, das Geldsystem in der EU sei sehr komplex. Aber staatliche „Verschuldung“ funktioniere grob so:  Der Finanzminister verkauft Staatsanleihen per Auktion an private Geschäftsbanken (Bietergruppe Bundesemissionen), die mit Zentralbankgeld bezahlen, das sie zu jeder Zeit von der EZB leihen können. Jeder Euro, den ein deutscher Finanzminister ausgibt, komme also ursprünglich von der EZB, was auch „vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages so bestätigt sei. Deutschland habe gar kein Schuldenproblem. In „der“ Krise müsse der Bund die Wirtschaft trotz wegbrechender Steuereinnahmen stützen. Die hohe Kreditaufnahme des Staates seien eben keine „Schulden“, weil ein Staat (oder für ihn die EZB) als Monopolist der Währung „Geld aus dem Nichts“ erzeuge und in seiner eigenen Währung nicht pleitegehen könne.
Angebot und Nachfrage bei Energie sei extrem unelastisch. Das zeige sich bei den hohen Energiepreisen. Die Menschen wollten oder müssten sogar bei hohen Benzinpreis trotzdem Auto fahren und sparen bei anderen Konsumausgaben wie Bäcker oder Restaurant. Klimaneutrale Alternativen müssten vor allem vom Staat entsprechend ausgebaut werden,  anstatt „nur“ den Markt über höhere Preise alles regeln zu lassen (als ob irgend jemand das ausschließlich und allein dem „Markt“ überlassenwollte).
Dass letztlich (soweit nicht die nächste Generation belastet wird) Inflationsopfer die Zeche bezahlen, sei nur die Quantitätstheorie des Geldes der Monetaristen (allen voran Milton Friedman), die propagiert, dass durch eine höhere Geldmenge das Preisniveau steigt bzw. Geld an Wert verliert. Dies sei eine mittlerweile auch im Ökonomischen Mainstream „veraltete“ Theorie, und der  Zusammenhang aus Geldmenge und Inflation sei nie empirisch nachgewiesen. Das wird natürlich auch mit Grafiken belegt und mit Quellen unter Titeln wie „der Geldmengenwahn und die Realität“, daneben durch das scheinbar jahrelange Gutgehen der EZB-Politik ohne größere Inflation, wobei die bereits langen Negativ-Zinsen insbesondere bei den realen Werten der Geldkonten geflissentlich übergangen werden. Manche „Experten“ meinen auch, die Kredite könnten einfach immer wieder durch „Roll Over“, also durch immer neue Kredite an Stelle der bisherigen zurückgezahlt werden, so dass letztlich niemand belastet würde.  Dass dies offensichtlich ein Schneeballsystem oder eine Blase ist oder wäre, wird verschwiegen, bestritten oder schlicht nicht gesehen. Auch das Platzen dieser Blase im Fall Griechenland  wird wegerklärt, indem für dessen Not immer neue „Schuldige“ oder vorwiegend schuldige gefunden werden, wie die Verursacher der Bankenkrise oder die Verweigerer einer schichten Übernahme, Bürgschaft oder Bezahlung der Schulden durch andere Länder.
Zum Argument, dass spätestens seit dem Fachkräfte-Mangel und den Rohstoff-Mängeln und Lieferketten-Problemen die für Geld erhältlichen realen Werte aber eben nicht mehr vermehrbar sind, kommt dann die vermeintliche Widerlegung, Geld könne neue reale Ressourcen freisetzen. Durch ein staatliches Ausbildungs- und Umschulungsprogramm könnten eben mehr Fachkräfte für die Energiewende freigesetzt werden. Dafür brauche es aber … mehr Geld.
Meine Antwort dazu wäre etwa: Das alles, insbesondere die „Geldschöpfungs-Möglichkeit“, macht es aber keinesfalls besser. Dass Deutschland kein Schuldenproblem habe, schließen viele daraus, dass es bisher kaum jemandem sichtbar weh tut. Das war aber auch in Griechenland lange so bis kurz bevor die Blase platzte und das Land teils gerettet werden und teils teuer bezahlen musste für die Fehler der Vergangenheit, was oft wieder die falschen traf. (Weiß natürlich auch, dass auch die verbrecherisch provozierte Bankenkrise zumindest beschleunigend dazu beigetragen hat, die nebenbei auch eine Blase war, die bis dahin viele für eine Wohlstands-Quelle gehalten hatten).
Seit Keynes ist bekannt, dass der Staat manchmal in Krisen Geld leihen oder sogar drucken muss. Auch lt. Keynes sollte dieses aber nach der Krise oder zwischen den Krisen immer wieder zurückgezahlt werden, idealer Weise nach klugen Investitionen, von deren Früchten auch mit Hilfe wieder höherer Steuereinnahmen.
Inzwischen haben wir aber nach mehrfachen gewaltigen Fehlern der letzten Jahrzehnte eine Krise nach der anderen, die sich z.T. gegenseitig verstärken oder auslösen. Und wenn es keine wirklich große Krise oder nur durch Dummheit oder übertriebenes Anspruchsdenken verursachte Krise ist, wird immer wieder jedes Problem zu einer nur durch neue Schulden lösbaren Krise erklärt, denn eine Rücknahme unrealistischer Ansprüche oder deren Bezahlung durch mehr Arbeit oder Steuern wenigstens von den Wohlhabenderen wird immer wieder auch in Wahlen abgelehnt.
Lange ist das gut gegangen oder die Folgen waren noch nicht sichtbar oder wurden wegerklärt.
Natürlich kann Geld reale Ressourcen freisetzen. Damit ist ein Teil der Geld-Vermehrung bisher tatsächlich durch Vermehrung der Sachwerte aufgewogen worden, nicht durch mehr Arbeitsstunden bei uns, sondern manchmal durch mehr Produktivität durch Organisation, Maschinen, IT usw. und leider großteils durch mehr Nutzung billiger, ausbeuterischer und umweltzerstörender Arbeit in Drittweltländern. Der beginnende Fachkräfte-Mangel wurde auch länger durch die zunehmende Zahl von Frauen in der Arbeitswelt, besonders der qualifizierten Arbeit aufgewogen. Da ist aber das Ende der Fahnenstange erreicht. Natürlich brauchen wir mehr Umschulungen und Ausbildungen und auch dafür mehr Migranten. Die bisher Arbeitslosen und Einwandernden brauchen dafür aber Jahre, die kaum jemand zur Wiederherstellung des gewohnten Wohlstands abwarten will, und selbst nach den Ausbildungen schaffen sie keinen zusätzlichen Wohlstand, sondern nur eine Abbremsung der Abnahme des gesamten Wohlstandes, damit auch keine zusätzlichen realen Steuereinnahmen, sondern nur bestenfalls eine Minderung der Abnahme. Außerdem ist ein Teil der Arbeitslosen und Immigranten auch durch Traumatisierung oder Krankheiten oder anderes gar nicht in der Lage oder willens, für Qualifiziertes ausgebildet zu werden.

Durch den Wegfall des bisher billigen Energieangebots und Schwund der Fachkräfte brechen gerade Teile der Fundamente des Wohlstands weg und die dafür kommenden brauchen erstens teils Jahre und sind auch dann teurer als die bisherigen.
Insgesamt machen sich viele Illusionen, eine Regierung könne bei immer weniger Nachwuchs, weniger billiger Energie und immer weniger Wochen- und Lebens-Arbeitszeiten jederzeit eine Erhaltung oder gar Steigerung des Wohlstandes garantieren, und dass vorzugsweise durch mehr Leihen oder „Erschaffen“ (früher hieß das Drucken) von Geld. Ein Perpetuum Mobile gibt es in der Physik nicht und hochwahrscheinlich auch in der Wirtschaft und im Finanzwesen nicht.  Es gibt nur Vortäuschungen von so etwas z.B. bei Blasen- und Schneeball-systemen, zu denen auch unseriöse überzogene Schulden-Aufnahmen gehören, auch von Staaten. Peter Selmke

 


 

Leserbriefe zum Titelthema „Die neue Flamme“ von Giovanni di Lorenzo

Man kann nur hoffen, daß das Wahlkampfgetöse von Giorgia Meloni nicht Wahrheit wird. Das wäre für Italien und  den Euro eine Katastrophe. Man kann auch hoffen, daß die beiden Machos sich gegenseitig ausstechen. Böse Zungen behaupten, dass in 1 bis 2 Jahren die nächste Wahl stattfinden wird,  und dann keiner mehr zur Wahl geht. Hoffen wir das Beste für Italien und Europa. Ihre Ute Koch

 Giorgia Meloni bietet bisher viele widersprüchliche, zweideutige und unklare Aussagen, die zu vielen, vielleicht auch bewusst gewollten Spekulationen führen. Eine neue Flamme ist jedoch nicht zu befürchten.
Denn ein philosophischer Bezug zu Benito Mussolini ist weder bei ihr noch dem überwiegenden Teil ihrer Fratelli erkennbar. Während Mussolini sich, wenn auch zweifelhaft, aber erfolgreich, ganz und gar als Nietzsches Schüler fühlte, gar seinen Faschismus als Verwirklichung der Ideenwelt Nietzsches und sich selbst als „genialen Wiedererwecker aristokratischer Werte in Nietzsches Geist“ ansah, sind die heutigen Rechtspopulisten wie Meloni, Le Pen, Orban und die AfD ohne jegliche Philosophie, nur mit Phrasen – wie die Begründer des deutschen Nationalsozialismus – plump unterwegs und deshalb auch, wegen des großen Anteils plumper Gestalten in jeder menschlichen Gesellschaft, erfolgreich. An den existenziellen Fragestellungen unserer Zeit und den fortwährenden Unterlassungen entsprechender Antworten erkennt man den genetisch bedingt hohen Anteil menschlicher Fragwürdigkeiten, welcher sich lediglich – wie nun in Italien – auf Plumpheiten reaktionsfähig zeigt.
Je nach der wirtschaftlichen Lage eines Landes verfängt diese Plumpheit mehr oder weniger. An den Halbwertszeiten von Salvinis Lega und Berlusconis Forza erkennt man aber beruhigend die italienische Verlässlichkeit für ein schnelles Ende sinnfreier Politik. Sie führte zuletzt auch zu der Ära Draghis mit einer großer Zustimmung im italienischen Volk.
Für eine internationale Hysterie besteht daher kaum Anlass. Jürgen Dressler 

Italien steht pars pro toto für einen Trend, der ganz  Europa erfasst hat. Deutschland demgegenüber eine Insel der Seligen? Gewiss, rechte Strömungen haben es schwer wegen der historischen Erblast und dem Trommelfeuer der ÖR, die mit Schaum vor dem Mund etwa die Wahlen in Italien kommentierten. Aber Halt! Die Wahlbeteiligung in NRW lag zuletzt bei tristen 55 Prozent. Darin manifestiert sich Verdruss über abgestandene Politikvisionen oder Gendermätzchen. Aber der Druck im Kessel steigt irgendwann. Noch fehlt aber ein alternatives Programm und eine charismatische Figur, die dem Frust eine Stimme verleiht. Dann hätten wir quasi italienische Verhältnisse. Christoph Schönberger, Aachen

Der im Untertitel verwendete Begriff „verguckt“ zur Frage des Verhältnisses vieler Italiener zu Frau Meloni könnte symptomatisch für die weitere Entwicklung dort sein. Denn mit diesem Wort wird ja oft die erste Verliebtheit aufgrund äußeren Erscheinens bezeichnet. Bis man gelegentlich merkt, dass man sich doch nur verguckt hatte. Bezogen auf Italien ist meine Meinung: abwarten, Ende offen lassen. Christoph Müller-Luckwald, Bingen

Ich bin gerne bei den Guten. In den letzten Jahren fällt mir diese Verortung immer schwerer. Zumal mit einer – wahrscheinlichen – italienischen Ministerpräsidentin, die mit unter die Haut gehender Sprache „Dio, patria, familia!“ propagiert. Die möglicherweise Guiseppe Mazzini, Gabriele d’Annunzio und Benito Mussolini ganz oder in Teilen ausblendet, nicht aber ihre Werte: Elitär, identitär und verteufelnd. Seltsam genug: Das europäische Projekt hat wenig tiefgehende Identifizierung erarbeitet. Es kann selbst in einem Kernstaat bei signifikanten Schichten unerwartet schnell zur Disposition gestellt werden. Wie überhaupt mehrjährige Prognosen heute weitgehend sinnfrei erscheinen.
Dr. jur. Karl Ulrich Voss, Burscheid

 


 

Leserbriefe zu „Bewahrt den schönen Schein!“ von Gunther Schnabl

„Rettet das Bargeld!“ ist auch meine Forderung. Der Grund dafür ist ganz einfach. Das Geld, welches man nicht in der Hand hält, gehört einem nicht! Wer weiß denn, ob es in der Krise, die uns jetzt bevorsteht, nicht eines Tages in den Morgennachrichten heißen wird: „Seit Mitternacht darf jeder Bürger nur noch soviel Geld abheben, wie er für seinen täglichen Grundbedarf benötigt!“ Dr. med. Martin Krivacek, Offenberg

Es fällt auf, dass niemand, auch Gunther Schnabl nicht, die politische Dimension des Bargeldes im Blick hat. Angenommen Bargeld ist abgeschafft – ein Traum für Diktatoren. Jeder missliebige Bürger kann durch Karten- und Kontensperrung mit einem Klick „abgeschaltet“ werden. Er kann nichts mehr kaufen, kann nicht mehr reisen, also auch nicht fliehen, und ist dem Geheimdienst so ausgeliefert wie nie zuvor. Wollen wir das wirklich, aus lauter Bequemlichkeit? Und sage keiner, in Deutschland könne das nie passieren. Da sind schon ganz andere Sachen passiert.
Ernst-Peter Nawothnig, Itzehoe

Nichts gegen Bargeld. Im Gegenteil. Aber es spricht auch absolut nichts gegen die Zunahme des immer praktischer werdenden Kartenzahlungsverkehrs.
Eine Sache übersieht Schnabl – den Nutzen von begrenzter Inflation für die Wirtschaftsentwicklung. Denn Geld, das allmählich weniger Wert wird, wird auch weniger gehortet. Also entweder wird es eher ausgegeben, investiert, oder über die Bank ausgeliehen. Natürlich sind die realen Sparzinsen, seit die Inflation 2021 ihren Anfang nahm, negativ geworden. Das kann man aber auch als Hinweis auf der Überfluss an Geld in der Welt sehen (Stichwort Angebot-Nachfrage).
Keynes hatte seinerzeit festgehalten, dass Zinsen ab unter 3 Prozent dazu beitragen, dass weniger gehortet wird. Ich bin mir übrigens sicher, dass, egal ob konservativ oder progressiv, Ökonomen das Horten generell als schädlich für die Entwicklung der Volkswirtschaft ansehen.
Ich wünschte mir, dass Herr Schnabl sich mit dem Gedankengut des Silvio Gesell auseinandersetzt (und weniger mit dem konträr dazustehenden Hayek), und sich dann noch mal mit einem Beitrag bei der ZEIT meldet. Gesell hatte Ende des 19. Jahrhunderts Überlegungen über eine andere Art von Geldabwertung angestellt – statt Inflation, noch mal: damit der Ausgabenkreislauf(!) zuverlässiger funktioniert. Geld soll in erster Linie ein Transaktionshilfsmittel sein, und dann erst ein Aufbewahrungsmittel – frei nach Götz Werner in einem ZEIT-Beitrag aus der Reihe „besser Wirtschaften“.
Rob Maris, Kreuzau

Einen deutschen Ökonomen, der negative Zinsen als Strafzins bezeichnet, kann man nicht wirklich ernst nehmen. Denn er scheint nicht zu wissen, wovon er spricht. In der ökonomischen Theorie werden negative Zinsen als ein legitimes Mittel der Geldpolitik diskutiert. Es wird niemand bestraft, weil er Geld auf dem Konto hat.
Es ist unredlich bei der Verteidigung des Bargeldes die Verwendung von kleinen Beträgen vorzuschieben. Es sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben, dass Deutschland ein beliebtes Land für Geldwäsche ist. Dabei spielt die Möglichkeit, große Bargeldbeträge umzusetzen eine entscheidende Rolle. Und wenn jetzt jemand kommt und sagt, aber auf der Bank ist mein Geld vielleicht nicht sicher, (wenn es zu einem Bank-Run kommt), dann kann man doch nur froh sein, dass die EZB den digitalen Euro einführt. Denn der ist so sicher wie Bargeld. Rüdiger Weigel, Minden

 


 

Leserbriefe zu „Putins neue Nukleardoktrin“ von Jörg Lau und Peter Dausend

Ob Bluff oder nicht, wer vor der Atomdrohung kneift, kann gleich weiße Fahnen hissen. Denn ein Appeasement des Westens würde Putin nicht besänftigen, sondern seinen Appetit auf weitere Abenteuer wecken. Indem er z. B. die Annexion scheibchenweise weiterbetreibt. Eines Tages stünde er quasi im Vorhof unseres Landes. Die Ukraine verteidigt deshalb auch unsere Freiheit und unseren Wertekanon. Insofern sind eine offensive Strategie und maximale Waffenunterstützung quasi Prophylaxe oder eine Art „Vorwärtsverteidigung“. Der Bundeskanzler muss Schaden vom deutschen Volk abwenden. Mit Beschwichtigungsparolen, wie es manchen in seiner Partei vorschwebt, würde er sich an der Nation versündigen.
Christoph Schönberger , Aachen 

Das Sprichwort „Den Teufel an die Wand malen“ referiert an die energetische Kraft von Gedanken und Worten, die die Wirklichkeit mitunter stark beeinflussen können. In der aktuellen Ausgabe schürt der Titel einfach nur Angstszenarien. Was soll er auch weiter beitragen? Atomwaffen existieren und deren Einsatzmöglichkeit ist latent immer gegeben. Heute mehr denn je.
Was die Menschheit statt Verbreitung von Angstszenarien durch die Medien braucht, sind Gedanken und Worte der Hoffnung und Liebe.
Die ZEIT-Redaktion bitte ich, sich von der populären (Boulevard-) Presse deutlich abzugrenzen, die in erster Linie negative Empfindungen verkauft, weil sie sich besser verkaufen lassen.
Mir tun solche Artikel nicht gut und ich lese sie auch nicht. Was können wir tun, als Individuum und im Kollektiv? Hören wir auf unsere innere Stimme, die tief- und weitgehende Gedanken anbietet, die jenseits der Angst liegen und helfen, in Frieden mit den Herausforderungen umzugehen. Und lassen wir diese als Licht für die Welt zu Wort kommen.
Leonhard Schnorrenberg, Hergatz im Allgäu 

In Ihrem Bericht über die möglichen Szenarien eines Atomschlages haben Sie eine sehr wahrscheinliche Möglichkeit nicht benannt. Für dieses Szenario hat Putin bereits das Narrativ geschaffen, indem er bei Raketenangriffen auf das Atomkraftwerk von Saporischschja immer die Beteiligung Russlands abstreitet und die Ukraine dafür verantwortlich macht. So kann es passieren, dass Putin die Anlage mit stärkeren Raketen zerstören läßt und somit einen Gau auslöst. Die Folgen wären denen eines Atombombenabwurfs ähnlich.
Dieses Szenarium wird nirgends beschrieben. Rehberg-Pawlowski, Rostock

 


 

Leserbriefe zu „Steigende Umfragewerte“ von Anne Hähnig

Es mag zutreffen, dass mehr und mehr Bürger aus Unmut über die von ihnen zunehmend als „Kriegsparteien“ empfundenen anderen Parteien die sonst wohl kaum relevante AfD als von ihnen wählbar bezeichnen. Dabei dürfte aber weniger die ihnen von der Autorin vorgeworfene zynische Abwägung „Wohlstand vor Völkerrecht“ eine Rolle spielen – die Wähler der AfD gehören vermutlich eher nicht der Wohlstandsklientel an – als die Sorge „Leben oder Tod“. Wahrscheinlich schwebt manchen von ihnen Ähnliches vor wie Wolfgang Borcherts Vision (gekürzt):

„Sagt NEIN! … Denn wenn ihr nicht NEIN sagt, … dann wird

der letzte Mensch, mit zerfetzten Gedärmen und verpesteter Lunge,

antwortlos und einsam umherirren, einsam zwischen den

unübersehbaren Massengräbern und verödeten Städten, der letzte

Mensch, und seine furchtbare Klage: WARUM? wird ungehört in der Steppe

verrinnen, durch die geborstenen Ruinen wehen, versickern im Schutt

der Kirchen, gegen Bunker klatschen, in Blutlachen fallen, ungehört,

antwortlos, letzter Schrei des letzten Tieres Mensch – all dies wird

eintreffen, morgen vielleicht, vielleicht heute nacht schon, wenn –

wenn ihr nicht NEIN sagt.“

Auch wenn man nicht so weit denken mag, ist es nachvollziehbar, dass immer mehr Menschen angesichts der in den großen Parteien dominierenden und von den Medien befeuerten Politik verzweifelt sogar an eine Alternative geraten, die keine sein kann. Horst F. Koops

Ich erlaube mir, einen Verdacht zu äußern. Selbst zu Zeiten ihrer politischen Stille, welche Anne Hähnig selbst beschreibt, darf sich die AfD sicher sein, dass von ihr berichtet wird und sie damit völlig überflüssig in Erscheinung tritt.
Wenn es nicht eine journalistische Naivität ist, stellt sich die Frage nach der journalistischen Notwendigkeit, von diesem, eigentlich beruhigenden Umstand zu berichten.
Sehr entlarvend ist die Sorge von Hähnig durch den Hinweis auf die Reaktion von AfD-Sympathisanten, dass ein unbequemer Bürger grundsätzlich als rechtsextrem gilt. Mit dieser Banalität aufzuwarten, erlaubt die Vermutung, dass Hähnig selbst dieses vertritt.
Es darf befürchtet werden, dass neben dem pathologischen Umstand, ständig vom Bösen berichten zu müssen, auch eine heimliche Sorge vorherrscht, die medienwirksame Überflüssigkeit der AfD zu verlieren. Da nimmt man doch eher den fragwürdigen journalistischen Grundsatz wahr: bad news are good news. Jürgen Dressler, Mülheim a.d.R. 

Ausgerechnet Hermann Binkert als Gewährsmann zu zitieren für den „Stimmungsumschwung“, der die AfD „wieder bei 15  Prozent“ liegen sieht, weil sie „ein Alleinstellungsmerkmal hat“ – da haben Sie den Bock zum Gärtner gemacht, finde ich. Björn-Höcke-Intimus und AfD-Parteispender Hermann Binkert lässt Thüringer AfD-Landtagsabgeordnete gern in den Geschäftsräumen seines Erfurter „Insa“-Demographie-Instituts tagen und Vordenker der Neuen Rechten dort referieren. Das statistisch korrekte Zustandekommen seiner „Sonntagsfragen“-Ergebnisse in „Bild“  hindert ihn ja nicht daran, diese wahlkämpferisch zu interpretieren. In der „Jungen Freiheit“ immer. Aber bitte nicht in der ZEIT auf Seite 11, eine Woche vor der Niedersachsenwahl … Andreas Malessa, Hochdorf

 


 

Leserbriefe zu „Hilfe, die zum Ziel führt“ von Holger Stark

Hier muss ich Ihnen widersprechen. Die Medien müssen nicht alles öffentlich machen, was sie wissen. Insbesondere in diesem Fall könnte das weitreichende Folgen haben. Es ist ein Unterschied, ob man untereinander über etwas spricht, oder ob man es medienwirksam verbreitet.
Jeder, der sich mit diesem Thema beschäftigt, kann sich, auch ohne Zeitungsartikel, denken, dass der BND, die Nato et cetera auch auf diese Weise Hilfe leisten. Ansonsten wären die Erfolge nicht möglich.
Hier scheint mir eher der Ehrgeiz zu groß zu sein, als Erster eine neue Meldung zu bringen. Oder? Doris  Steuer

Am Ende des Artikels, den ich mit leichten Bedenken gegen die journalistische Veröffentlichung gelesen habe, rechtfertigen Sie eben diese Veröffentlichung. Beide Argumente, die Sie für die Veröffentlichung sprechen lassen, gehen ins Leere. Sie stützen sich auf die juristische Würdigung einer geheimdienstlichen Information an die Ukraine. Aber eben diese Würdigung haben Sie vorher äußerst relativiert. Dann rechtfertigen Sie die Veröffentlichung damit, dass Russland dies durch eigene Geheimdienste eh schon wisse. Wofür Sie allerdings keine gesicherten Erkenntnisse haben. Ich halte diese Veröffentlichung, wie übrigens zahlreiche andere über die Aktionen unseres Staates bezüglich des kriegerischen Überfalles Russlands gegen die Ukraine für nicht zielführend, sondern für schädlich. Es ist was vollkommen anderes, wenn Vorgänge, die Ihrer Behauptung folgend intern bei den Russen bekannt sind, ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden und der Betroffene als „erkannt“ vor der Weltöffentlichkeit steht. Dann muss er wohl irgendeine Reaktion zeigen. Insgesamt wäre mir eine sensiblerer Umgang mit Informationen über die Aktionen unseres Landes in der Unterstützung für die Ukraine lieber, um alle Beteiligten vor unabsehbaren Folgen zu schützen. Die Frage ist ganz einfach: Muss denn alles, über das man Kenntnis erlangt, auch in die Öffentlichkeit getragen werden? Ich wünschte mir eine gründlichere und gesichertere Abwägung und im Zweifelsfall den Verzicht auf die Veröffentlichung. Ob das Ihre „journalistische Sensationsgier“ zulässt? Und Ihre inhaltsleeren Rechtfertigungen der Veröffentlichungen am Ende eines Artikels können wohl nicht als „Gewissensberuhigung“ herhalten. Denn wie heißt es so treffend: „Worte kann man nicht zurückholen“. Ulrich Schönbein, Besigheim

 


 

Leserbriefe zu „Es kommt ein Schiff, geladen“ von Simon Langemann

Mit Interesse habe ich diesen Artikel gelesen und bin dann über Pivdennyi gestolpert, angeblich ein ukrainischer Schwarzmeehafen. Ihre dem Artikel beigefügte Skizze zeigt Pivdennyi dann auch weit im Inland der Ukraine. Dort kommt nie und nimmer ein Seeschiff hin, mehrere hundert Kilometer den Fluß „Südlicher Bug“ flußaufwärts in die Landesmitte der Ukraine zu fahren. Der am Ende des südlichen Bug gelegene Seehafen wird wohl eher Mykolajiw gewesen sein.
Auch der vorletzte Absatz des Artikels verwunderte mich: Ein griechischer Eigner unter maltesischer Flagge (beides EU) holt Kohle aus Russland – und das Embargo der EU? Hans-Jürgen Michelmichel

Manch Leser mag es als erfrischend empfinden, wenn ein Laie über Seefahrt schreibt. Für mein Empfinden kam reichlich „dumm Tüch“ dabei raus, was weder zum ernsten Thema noch zum Anspruch der ZEIT passt.
Sie sitzen doch in Hamburg? Hier gibt es jede Menge Schifffahrtskaufleute, die Sie vor den gröbsten Schnitzern hätten bewahren können.
Die „Seaguardian“ wiegt ohne Ladung etwa 75.000 Tonnen? Nein, bestimmt nicht: Die 75.000 Tonnen bezeichnen die Gesamttragfähigkeit des Schiffes, d.h. was das Schiff maximal an Ladung plus Ausrüstung, Ersatzteile, Treibstoff, Betriebsstoff und Proviant tragen kann. Das Gewicht des leeren Schiffs, auf Englisch „lightweight“, dürfte bei ca. 10-12.000 Tonnen liegen.
Da sind „sieben jeweils etwa 20 mal 20 Meter breite Frachtkammern“? Die „Frachtkammern“ sind Lukenöffnungen, denn die richtigen „Frachtkammern“, man nennt sie Luken oder Laderäume, sind deutlich größer.
Ist aber auch egal, denn schon „stapfen Männer über das Deck, um die Getreidebehälter herum“. Tolles Wort, „Getreidebehälter“, aber völlig falsch, denn es handelt sich um das Lukensüll, die vertikale Umrandung der Lukenöffnung. Die Ankerwinde ist eine „Spule“? Geschenkt…
Sollte es darum gegangen sein, das Thema in „leichter Sprache“ zu behandeln, können Sie den Artikel als Teilerfolg betrachten. Journalistisch sorgfältige Arbeit sieht allerdings anders aus. Martin Kreft, Hamburg

 


 

Leserbriefe zu „Ihr ehrlosen Dreckskerle!“ von Golineh Atai

Haben Sie vielen Dank für den Artikel. In meinen Augen einer der besten (unter NYTimes, SZ oder NZZ).

Was ich aber bitter vermisse, nicht erst seit den jüngsten Revolten, aber insbesondere seitdem, ist eine großformatige analytische Berichtserstattung über die junge Geschichte des Irans. Die Analyse könnte z.B. in der Ghadschar-Dynastie um die vorletzte Jahrhundertwende anfangen, während die britischen, französischen und russischen Kolonialmächte (auch wenn Iran nie eine offizielle Kolonie dieser Länder war) das Land ungestüm ausplünderten und dafür eine dekadente, bis ins Mark verrottete Marionettenmonarchie zwangsweise über Dekaden hinweg an der Macht erhielten. Sie soll unbedingt von den Unruhen in den 50ern berichten, die 1953 in dem von CIA und MI6 choreographierten Putsch gegen Mosadegh, den einzig legitim und demokratisch gewählten Premierminister in der Geschichte des Irans, endeten. Sie soll weiter die Periode 1953-1979 beleuchten, in der der Westen, vor allem die USA die eiserne Diktatur des Mohammad-Reza Pahlavi (mit allen Miseren, die eine Diktatur mit sich bringt, allen voran mangelnde Bildung in den breiten Schichten der Bevölkerung) umfassend und rücksichtslos unterstützte. Sie könnte noch über die Rolle der USA (unter Jimmy Carters Präsidentschaft) bei der iranischen Revolution 1979 berichten und darüber, wie die Revolution mit stillschweigender Billigung (oder gar Unterstützung?) der USA/CIA, wie von Zauberhand von den Mullahs gestohlen wurde, sodass es einen nahezu friedlichen Übergang von Schah-Diktatur in die Mullah-Diktatur gab, obwohl eine breite Schicht der Bevölkerung eigentlich für eine liberale Demokratie auf die Straßen gegangen war. (Sicher kein Zufall, dass genau um dieselbe Zeit auch die islamischen Mudschahedin in Afghanistan – die Vorgänger-Gruppe der Taliban – mit massiver Unterstützung der CIA als ein „islamischer Wall“ gegen die UdSSR in Stellung gebracht wurden). Die Analyse sollte darüber hinaus darstellen, dass spätestens seit 1981 das theokratische Regime im Iran eine der blutrünstigsten und verabscheuungswürdigsten Schreckensherrschaften unserer Zeit darstellt. Allein im Sommer/Herbst 1981, in weniger als 6 Monaten, wurden mehrere Tausend Menschen (es kursiert die Zahl 30.000), darunter auch viele Minderjährige, entweder direkt auf der Straße getötet oder in den „islamischen“ Kerkern erst gefoltert und dann getötet. Unzählige weitere Exekutionswellen (neben brutalen Inhaftierungen ohne Tötung) folgten danach und sind seitdem ein integraler Bestandteil der Islamischen Republik, während der Westen zumindest bis zu der sog. „grünen Bewegung“ in 2009 sich unisono dazu entschied, seine Augen vor diesen tagtäglichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verschließen. Oder schlimmer noch, die westliche Berichterstattung suggerierte Jahrelang das Bild einer konformistisch-islamisch-fundamentalistischen Bevölkerung, die mehrheitlich hinter „ihrer Regierung“ steht. Ich behaupte (leider fehlen mir verifizierte Statistiken), dass die Islamische Republik nie, auch nicht zu ihren Hochzeiten in den 80er-Jahren, je mehr als 35 Prozent der Stimmen der Bevölkerung hatte (ich erinnere: >40 Prozent der US Bürger haben Trump gewählt – zweimal). Die Zahl der Mullah-Anhänger im Iran dezimierte sich aber Jahr für Jahr; heute dürften sie bei weniger als 3 Prozent liegen. Maximal 3 Prozent, die über modernste Überwachungssysteme und die ausgeklügeltste Unterdrückungs-Maschinerie der Welt verfügen und 0,0 Prozent Menschlichkeit besitzen.

Es ist jetzt an der Zeit, dass der Westen alle uns zur Verfügung stehenden politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Mittel nutzt, um dem aufbegehrenden iranischen Volk beizustehen. Und dies nicht nur, weil eine Welt ohne die „Islamische Republik“, für alle Erdbewohner, eine bei weitem schönere Welt sein wird, sondern auch um ein bisschen die gravierenden politischen Fehler der vergangenen ca. 140 Jahre gutzumachen.

Ich möchte diese Zeilen mit einem #MahsaAmini-Tweet von heute beenden: „Wie viele Tode muss das iranische Volk sterben, damit es ein bisschen Leben bekommt?“ Kathy Keyvani

 Die iranische Sittenpolizei geht rigoros gegen Frauen und Mädchen vor, die ihr Kopftuch nicht vorschriftsmäßig tragen. Gleichzeitig wird im Iran wie früher in Persien die „Ehe auf Zeit“ (Mut’a) von Schiiten allgemein und der Regierung im besonderen als legitim angesehen. Diese auch als „Genussehe“ bezeichnete Form der Zeitehe kann ein Mann neben seiner offiziellen Ehe problemlos eingehen, wenn sie vertragsgemäß abgeschlossen wird. Vertraglich kann die Dauer dieser Ehe auf eine Stunde bis zu 99 Jahren festgelegt werden. Mit dem Ende dieser Periode gilt die Zeitehe als geschieden und der Mann ist frei von jeglichen Verpflichtungen. Begehrt sind insbesondere minderjährige oder sehr junge Mädchen als „Ehepartnerin“. Meine iranischen Freunde und Bekannten sehen in der Ehe auf Zeit eine versteckte Form der Prostitution und kritisieren insbesondere, dass eine dabei empfundene Vergewaltigung kein Straftatbestand ist.“ Dr. Diethard Mai, Merzhausen

 


 

Leserbriefe zu „Es wird voller“ vonPaul Middelhoff, August Modersohn und Martin Nejezchleba

Wenn Europa nicht endlich die fortdauernde Einwanderung aus Asien und Afrika stoppt, wenn es die Verantwortung für die Flüchtlinge nicht an die Arabische Liga und die Afrikanische Union zurückgibt, dann wird es sich früher oder später aufgrund seiner Kopfstand-Alterspyramide in ein Kleinasien u n d Kleinafrika wandeln! Ganz Europa? Nur das der „Willigen“, darunter besonders Deutschland; das der „Unwilligen“ hat sich längst aus der gemeinsamen Verantwortung ausgeklinkt, weil es sein europäisches Gesicht bewahren will! Dr. Ulrich Pietsch, Nidda-Ulfa

„Warum liegt die AfD wieder bei 15 Prozent?“ fragen Sie auf Seite 11. Die Antwort steht (auch) gegenüber, auf Seite 10: „Es wird voller – Politiker warnen vor einer neuen Flüchtlingskrise.“ Thema des Artikels ist die „Sorge“ vor erhöhten Flüchtlingszahlen. Da ist die Rede vom „Gefühl der Überforderung“, von „Hauptlast“, „Verschärfung der Lage“, „Lage in der Türkei immer schwieriger“, „Druck auf die EU“ seitens Serbien und Russland durch „eingeschleuste“ Menschen, „Asylsystem steht trotzdem nicht vor dem Kollaps“ und „Lage bisher nicht außer Kontrolle.“
Die Botschaft ist: Flüchtlinge = Belastung, Krise, Kollaps, Kontrollverlust, Gefahr; „zu“ viele – und alles bricht zusammen. Sprache ist nicht nur verräterisch, sie schafft auch Realitäten.
Ein Artikel wie dieser, ganz normal in der ZEIT abgedruckt, macht mir fast mehr Sorge als 15 Prozent AfD-Zustimmung. Denn er zeigt mir, wie erfolgreich die Strategie der AfD jetzt schon ist, durch sprachliches Dauerfeuer die Stimmung anzuheizen und die Grenzen zu verschieben dessen, was normal und anständig ist. Nämlich Menschen in Not selbstverständlich zu helfen, auch wenn es unbequem und „voller“ wird.
Wo ist unser schönes „Wir schaffen das!“ geblieben? Astrid Raimann, Köln

 


 

Leserbriefe zu „Moskaus Partysommer ist vorbei“ von Michael Thumann

Die Eskalation dauert schon Jahre und gewinnt immer weiter an Heftigkeit.
Ich würde gern verstehen, welche Rolle Erdöl und Gas für den Krieg in der Ukraine spielen. Meines Erachtens wird dazu zu wenig berichtet. Die Ukraine besitzt ein schon in Zeiten der Sowjetunion aufgebautes, riesiges Gastransportsystem und ist damit eine Schaltstelle zwischen Vorkommen im Osten und Verbrauchern im Westen. Die Ukraine besitzt aber auch gigantische Gasvorkommen! Nur die in Norwegen sind größer in Europa. Sie liegen im Osten der Ukraine (östlich des Dnepr und der Krim). Im Jahre 2013 schloss die Ukraine milliardenschwere Verträge mit den Öl- und Gasfirmen Chrevron (USA) und Shell (Großbritannien). Ende 2013 kam es zu den Aufständen des Euromaidan, bei denen es um die Beziehungen der Ukraine mit der EU und um die weit verbreitete Korruption ging. Die Ukraine belegt noch heute im Korruptionsindex Platz 122 von 180 Staaten. 2014 annektierte die Russische Föderation die Krim. Auch begann sie, im Osten der Ukraine einzugreifen. Der Westen war nicht untätig. Schon vor den Gasgeschäften hatten die USA insgesamt ca. 5 Milliarden Dollar ausgeben, um die Ukraine, wie soll man es ausdrücken, politisch an den Westen heranzuführen. Waffenexporte in die Ukraine gab es lange vor dem Überfall am 24. Februar 2022. Waffenexporte und ukrainisches Gas waren auch Gegenstand eines Streits der beiden letzten Bewerber um die USA-Präsidentschaft. Heute leisten vor allem die USA, aber auch Großbritannien in großem Umfang militärische Hilfe für die Ukraine – nicht nur mit Waffenlieferungen, sondern auch mit taktischen Informationen zur Kriegsführung. Erleidet die Ukraine einen Stellvertreterkrieg, in dem es wieder einmal vorrangig um Rohstoffe geht?
Dr. Eberhard von Faber, Bornheim (Rheinland)