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3. November 2022 – Ausgabe 45

 

Leserbriefe zu „Ausgequetscht“ von Caterina Lobenstein

 

„Beispiel zwei: Kapitalerträge. Wer Aktien besitzt, zahlt auf die Gewinnausschüttungen des jeweiligen Unternehmens eine pauschale Abgabe von 25 Prozent, egal, wie viele Aktien ihm gehören, und egal, wie hoch die Gewinne ausfallen. Wer arbeiten geht, zahlt dagegen auf ein Jahresgehalt oberhalb von 59.000 Euro einen Steuersatz von 42 Prozent, ab 278.000 Euro sind es 45 Prozent.“

… und wo bleibt die Körperschaftsteuer von 15%? Der Unterschied beträgt also nur 2 bzw. 5 %, aber damit läßt sich natürlich nicht provokativ argumentieren. Solider Journalismus geht anders! Und wenn Sie üben wollen: Setzen Sie sich mal wirklich mit dem Ehegattensplitting auseinander – Sie werden merken: die Äußerungen dazu sind meistens falsch, weil sich die monatlichen Unterschiede zwischen den Ehegatten bei der Jahressteuererklärung ausgleichen.

Noch eine kleine Ergänzung: Die ESt-Sätze von 42 bzw. 45 % sind auch falsch. Wenn Ihnen das Verständnis für die Formulierung im EStG fehlt, hilft eine Suche in Wikipedia. Unter „Ehegatten-Splitting“ findet sich sogar ein Schaubild zum Thema. Und schließlich: Die Gewinne von Kapitalgesellschaften unterliegen auch noch der Gewerbesteuer. – Michael Krause

 

Dankbar habe ich den Artikel „Ausgequetscht“ gelesen, der mit erfreulicher, bislang selten erlebter Ausführlich- und Sachlichkeit einen Teil unseres alltäglichen Kapitalismus beschreibt. Gut eingebettet sind die historischen Rückblicke, überzeugend die Mahner, die die Privilegien der „Über“-Reichen auf den Prüfstand stellen. Wer diese Ausführungen immer noch anzweifelt, möge sich ergänzend beispielsweise einlesen in die aktuellen Bücher des Nobelpreisträgers Joseph Stiglitz und von Thomas Piketty .

Allein – mir bleiben große Zweifel, dass die Bereitschaft zur Veränderung wächst : zu groß ist die Zahl der MitläuferInnen, die wenigstens an einem geringen Teil der anfallenden Profite teilhaben möchten. Politisch findet sich weder bei den Liberalen (Beispiel Christian Lindner), schon gar nicht bei den Konservativen (Beispiel Friedrich Merz) eine auch nur annähernd bedeutsame Anzahl von Personen, die die notwendigen Veränderungen mittragen und in Gang zu bringen gedenken.

So ist zu befürchten, dass Heinrich Heines Gedicht aus dem Jahr 1851 leider noch lange aktuell bleibt: Weltlauf//Hat man viel, so wird man bald/Noch viel mehr dazu bekommen./Wer nur wenig hat, dem wird/Auch das wenige genommen.//Wenn du aber gar nichts hast,/Ach, so lasse dich begraben –/Denn ein Recht zum Leben, Lump,/Haben nur, die etwas haben. – Hermann Giesenow

 

Unterhalb der Grafik auf Seite 15 wird gegenübergestellt, dass die Einkommensteuer ab 59 TEUR zu versteuernden Einkommens 42 % beträgt, hingegen der „Privatier“ auf seine „Aktienerlöse – egal wie hoch sie sind“ 25 % Kapitalertragsteuer zahlen muss. Über diese Darstellung wird suggeriert, dass Kapitaleinkünfte gegenüber persönlichen Einkünften begünstigt werden würden. Die Vermittlung dieses falschen Eindrucks scheint sogar beabsichtigt zu sein, da die Autorin im Wortlaut ihres Artikels zutreffend erwähnt, dass Kapitalgesellschaften im Schnitt etwa 20 % Steuern auf ihre Gewinne zahlen, nämlich 15% Körperschaftssteuer und je nach lokalem Hebesatz 3,5 – 5,0 % Gewerbesteuer.

Da jedoch Aktiengewinne in Form von Dividende aus versteuertem Unternehmensergebnis gezahlt werden, also schon mit diesen ca. 20% Steuern belastet sind, und dann beim zitierten „Privatier“ nochmals mit 25% Kapitalertragsteuern abgerechnet werden, sind demzufolge Dividendenzuflüsse mit insgesamt ca. 45% Ertragssteuern belastet. Genau diese „Gleichbehandlung“ zwischen der steuerlichen Belastung persönlicher Einkünfte und Kapitaleinkünften war seinerzeit bei der Einführung des Quellensteuer-Konzeptes auch beabsichtigt worden. Dies im Sinn, wirken die Bildunterschriften auf Seite 15 in jedem Fall irreführend. – Dr. Günter Wartenberg

 

Auf der Titelseite des Dossiers zum Thema Steuergerechtigkeit werden in großen Lettern der Steuersatz der höchsten Progressionsstufe von 42 % dem Steuersatz der Kapitalertragssteuer von 25 % einander gegenüber gestellt. Das soll anscheinend eine riesige Ungerechtigkeit proklamieren. Allerdings auf eine einigermaßen undifferenzierte Weise. Denn der aktiv arbeitende Angestellte zahlt nur auf den Teil seines Einkommens, der € 59.000 übersteigt, diesen hohen Steuersatz; in der Gesamtheit dürfte der Prozentsatz, den die Steuern auf sein Einkommen ausmachen, doch um einiges niedriger ausfallen.

Die Dividende, die ein Aktionär bezieht, unterliegt nicht nur der genannten Kapitalertragsteuer (Abgeltungssteuer) von 25 %, sondern zusätzlich hat die Aktiengesellschaft bereits 15 % Körperschaftsteuer plus Solidaritätszuschlag sowie noch einiges an Gewerbesteuer auf den ausgeschütteten Gewinn entrichtet. In der Summe somit wohl in der Regel einiges mehr als 42 % – und zwar vom ersten Euro an. Das riecht nach etwas billiger Stimmungsmache. Und fällt manch einer sinnhaften Ausführung und Argumentation in dem Dossier in den Rücken. Eine Klarstellung wäre begrüßenswert. – Holger Schwarze

 

Frau Lobenstein schreibt, die Bezieher von Dividenden würden nur 25 % Steuern zahlen, während der Arbeitnehmer eine Steuerbelastung von bis zu 42 % zu tragen hätte. Diese Feststellung ist wie bei vielen steuerlichen Betrachtungen nur auf den ersten Blick richtig. Letztlich ist die Steuerbelastung der vermeintlich begünstigten Bezieher von Dividenden sogar höher (sogar dann, wenn man bei den Arbeitnehmern richtigerweise 45 % ansetzt). Die von Anfang an dogmatisch verfehlte Abgeltungssteuer von 25 % („Lieber 25 % von x als x % von nix“, so der damalige Finanzminister Peer Steinbrück) führt nur bei Zinsen zu einer fraglichen Begünstigung (seit einiger Zeit aus bekannten Gründen weitgehend gegenstandslos), nicht jedoch bei Dividenden.

Hier besteht eine Doppelbelastung auf der Ebene der Kapitalgesellschaft (Besteuerung des Gewinns mit Körperschaft- und Gewerbesteuer von knapp 30 %) und der zusätzlichen Besteuerung des Anteilseigners mit 25 % auf die Ausschüttung des bereits versteuerten Gewinns. Bei einem Gewinn von 100.000 € beträgt die gesamte Steuer mithin knapp 30.000 € (abhängig vom jeweiligen Gewerbesteuerhebesatz der Gemeinden) + 17.500 € (25 % aus 70.000 €) = ca. 47.500 € = ca. 47,5 %. Auch im Vergleich zu Immobilienbesitzern mit Einkünften aus Vermietung sind die Bezieher von Dividenden schlechter gestellt.

Seit der Einführung der Abgeltungssteuer unterliegen auch die Gewinne aus Aktienverkäufen der Steuer von 25 % (davor nur bei An- und Verkauf innerhalb kurzer Zeit), während ein Veräußerungsgewinn bei Immobilien nur innerhalb der Spekulationsfristen steuerpflichtig ist. Außerdem sind auf Immobilien Abschreibungen möglich, auf Aktien (im Regelfall) nicht. Schade, dass bei dem herrschenden Steuerwirrwarr in breiten Bevölkerungskreisen keine vernünftigen Diskussionen über Steuergerechtigkeit möglich sind (wie beispielsweise auch bei der Diskussion über den Splitting-Tarif für Verheiratete oder das sogenannte Dienstwagenprivileg). Das Steuerrecht ist hierfür zu kompliziert.

Dabei ist ein verständliches und gerechtes Steuersystem eine wesentliche Voraussetzung für eine solidarische Gemeinschaft. Ursache für das komplizierte Steuersystem ist die Angst der Politiker vor der Reaktion der Medien und damit der Wähler auf ihre Reformvorhaben und deren regelmäßiger Frage nach „Gewinnern und Verlierern“ statt nach Gerechtigkeit. Die Parteien suchen ihr Heil daher in der (oft nur vermeintlichen) Befriedigung von Gruppeninteressen, was zu eben diesem beklagenswerten Zustand des Steuersystems führt. Oder sie agieren, wie Colbert (Finanzminister unter dem Sonnenkönig Ludwig XIV) schon vorgeschlagen hat (sinngemäß):

Die Kunst der Erhebung von Steuern (wie auch anderer Abgaben) besteht darin, die Gans so zu rupfen, dass man möglichst viele Federn bekommt bei möglichst wenig Geschrei. Bestes Beispiel hierfür: die von Arbeitnehmern oft nicht bemerkten „Arbeitgeberbeiträge“ zur Sozialversicherung, die ansonsten für eine höhere Nettozahlung zur Verfügung stehen würden, letztlich also die Abgabenlast des Arbeitnehmers erhöhen. – Bernhard Conrad

 

Nomen est omen: Frau Lobenstein gebührt großes Lob für diesen wunderbar recherchierten und aufgebauten Artikel! Die Nicht-Zitronen-Ausquetscher werden nicht in erster Linie bei der Partei gleicher Farbe identifiziert. Als Symptom schon, aber nicht als Ursache. Sondern eher bei dem seit den 80-er Jahren konsequent verbreiteten Mantra, wer Stellen schaffe, dürfe sich – verkürzt dargestellt – alles erlauben. Und solle auch steuertechnisch bitteschön bloß nicht „zu hart“ rangenommen werden. Man nennt es auch Neoliberalismus. Eigentlich wähnen wir uns doch in einer sozialen Marktwirtschaft?

Auch die immer wiederkehrende Drohung der Abwanderung der Industrie bei zu hoher Besteuerung wird entmystifiziert. Das war vor vielen Jahren in meiner Augsburger Zeit schon bei Müller Milch zu beobachten. Ein reines Totschlagargument, zumindest bei den Arbeitsplätzen. Privat ist der Firmenpatriarch sehr wohl ausgewandert, ins südlich des Bodensees gelegene Nicht-EU-Ausland. Honi soit qui mal y pense. Der deutsche Steuermichel guckt halt in die Röhre.

Vor diesem Hintergrund rückt auch das ach so großzügige Mäzenatentum im Kunstbetrieb überreich gewordener Mittelständler in ein anderes Licht. Der Reichtum der „Schaffer“ sei ihnen ja gegönnt. Die Würths und Weishaupts dieser Republik, die in der schwäbischen Diaspora Kunsthallen regelrecht in die Landschaft geklotzt haben (wer zum ersten Mal von der Autobahn Richtung Künzelsau fährt, weiß, was ich meine). Sie lassen sich gerne feiern, werden wohlwollend von Gesellschaft, Politik und Presse hofiert. Das ist auch gut für Kunstliebhaber.

Aber profitieren von diesen laut Frau Lobenstein „legalen Tricks, mit denen die Großen Steuern sparen“, also von geschickt abgezweigten Steuergeldern, auch diejenigen Bereiche, für die öffentliche Mittel aufgewendet müssen? Beispielsweise hat für die Sanierung der maroden Kreisstraßen zu diesen modernen Tempeln die öffentliche Hand aufzukommen. Ganz zu schweigen von dem auch in Kreishaushalten regelmäßig größten Budget, dem Sozialbereich. Auf der Ausgabenseite funktioniert die soziale Marktwirtschaft, aber auf der Einnahmenseite?

Ein anderer Aspekt wurde in dem Artikel auch sehr schön herausgearbeitet: Viele stört es, aber keiner unternimmt etwas, weil er eigene Nachteile befürchtet. Es geht um das diffuse Thema Angst – wegen Unwissenheit. War da nicht etwas? Richtig, Corona. Was weiß man angeblich heute erst alles, was man in der Anfangszeit, so nach einem Jahr, nicht schon wusste (Dass Schulschließungen in einer Malaise enden würden, war mir recht bald klar, mit zwei schulpflichtigen Kindern in der Mittelstufe, vulgo Pubertät) [s. mein damaliger Leserbrief im Schwäbischen Tagblatt]. Und mit Angst wird bei dem Thema heute noch gearbeitet, vor der wievielten Welle gewarnt. Quasi Dauerwelle. War da nicht noch etwas anderes? Richtig, beim Klimaschutz, vor dem 24. Februar. Alle fanden Klimaschutz und erneuerbare Energien gut. Aber bitte nicht bei mir vor der Haustüre, der NIMBY-Effekt. Wegen aller möglichen, meist irrationalen Gründe, also im Angst-Spektrum zu verorten – auch aus Unwissenheit.

Wir haben nun gelernt: Es liegt nicht nur an der FDP (Markenkern früher: zitronengelber Pullunder, Markenkern heute: ? – vielleicht Wahlniederlagenvermeidungslobbypolitik betreiben), dass diese knapp zwei Prozent Lastenausgleich nicht wieder eingeführt werden. Auch dazu gibt es zwei Analogien im Energiebereich. Seit man AKW nicht mehr AKW nannte, haben sie ihren Schrecken verloren – Kernkraftwerk klingt nicht so schrecklich. Seit man Blockheizkraftwerke (BHKW) Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung nannte, ließen sie sich besser verkaufen. Man sollte im öffentlichen Diskurs also nicht mehr von Vermögensteuer sprechen, weil damit ja eventuell die eigenen mühsam angesparten Groschen auf dem Festgeld gemeint sein könnten. Lastenausgleich, das ist der Begriff der Stunde. Es liegt an uns – let’s do it!- Berthold Hanfstein

 

Dies ist mein erster Leserbrief überhaupt; Ihr Dossier hat mich aber veranlasst zu reagieren: Solch ein Artikel war schon lange überfällig. Die Finanzlage der Bundesrepublik könnte mit wenigen Maßnahmen entspannter werden, wenn man die beschriebenen Steuerarten angehen würde:

1. Abschaffung/Reform der Abgeltungssteuer (der ursprüngliche Grund, Flucht in Steueroasen ist hinfällig geworden) Die damalige Einführung ist sehr schnell erfolgt, m.W. inert 14 Tagen, warum kann die Abschaffung nicht genauso schnell erfolgen? 2. Reform der Erbschaftsteuer; über den engen Horizont, ins Ausland schauen, wie machen die das? 3. Einführung einer „Reichen“- bzw. Vermögenssteuer, oder ganz einfach Steuerobergrenze auf 45% oder 47%, -wie unter Kohl- anheben. Ich höre nur immer das Lindner-Geschwafel von der Milderung der „kalten Progression“, aber nichts geschieht.

Generell wird m.E. bei den ganzen Steuerdiskussionen nur immer intensiv nach ganz unten (SPD), oder nach ganz oben geschaut (FDP). Der Mittelstand wird total übersehen! Man sollte sich mal vorstellen die Regierung würde ein Lastenausgleichsgesetz, wie unter Adenauer beschließen! Unglaublich, es ist ja noch nicht einmal möglich, sich zu einer Abschöpfung der „Übergewinne“ der div. Energiekonzerne durchzuringen, auch hier wäre ein Blick ins Ausland sehr nützlich! Bei uns wird generell viel zu viel diskutiert und beabsichtigt, umgesetzt wird wenig und es verändert sich viel zu wenig. Ein Wirtschaftswunder wie in den 50-70er Jahren, wäre mit diesen, unseren heutigen Politikern niemals möglich gewesen! – Heiner Grefe

 

Hier sind zunächst einige Ungenauigkeiten anzusprechen. Es heißt, „25% Kapitalertragsteuer zahlt der Privatier … egal wie hoch sie (die Erträge) sind“; hier wird vergessen, dass das ausschüttende Unternehmen bereits 15% Körperschaftsteuer plus Soli von 5,5% sowie je nach örtlichem Hebesatz etwa 15% Gewerbesteuer auf den Gewinn gezahlt hat. Außerdem zahlt der Privatier neben den 25% ebenfalls noch den Soli von 5,5% auf die Kapitalertragsteuer. Des Weiteren wird bei Kirchenmitgliedern noch etwa 10% Kirchensteuer fällig. Insgesamt wird ein ausgeschütteter Unternehmensgewinn mit mehr als 50% besteuert, Dies vergleicht sich mit den angesprochenen 42 bzw. 45% bei Topverdienern. Kapitaleinkünfte sind also keineswegs steuerlich privilegiert wie insinuiert wird.

Zur Vermögensverteilung und Erbschaftsteuer ist folgendes zu bemerken: Etwa ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland ist zugewandert, meist mit geringer Qualifikation und mit wenigen Habseligkeiten. Da ist es doch kaum verwunderlich, dass in diesem Teil der Bevölkerung kaum Vermögen gebildet wurde. Dies verzerrt das Bild erheblich. Bezüglich Erbschaftsteuer wird immer nur auf Sach- und Geldvermögen geschaut und auf mehr Umverteilung gepocht. Wenn jemand eine robuste Gesundheit, gutes Aussehen, Talent oder ähnliches vererbt bekommt scheint dies niemanden zu stören. Die Welt ist nun mal ungerecht, man kann versuchen dies etwas abzumildern, ganz wird es nie gelingen. – Ernst Lothar Helwig

 

Ich möchte Ihnen zu Ihren Berichterstattungen im Dossier gratulieren und als Leser , der „Die Zeit“ seit über 55 Jahren regelmäßig liest, meine Hochachtung aussprechen. Ich war mit meiner Frau auf Ihrem Leserparlament am 03.11 in der Paulskirche (der einzige Rollstuhlfahrer in der ersten Reihe ) und habe Ihre Ausführungen – auch die Ihrer Kollegin Alice Bota und von Herrn di Lorenzo mit großem Interesse, verzeihen Sie das Pathos, ja geradezu begeistert aufgenommen. Ich empfand Ihre anschauliche Darstellung gepaart mit intellektueller Nachdenklichkeit und einnehmender Zugewandtheit und Freundlichkeit als sehr, sehr überzeugend und in diesen „überdrehten“ Zeiten als extrem beruhigend.

Auch wenn ich z. B. in bezug auf den Krieg Russlands mit der Ukraine in der Genese dieses Überfalls durch Russland mitunter eine andere Akzentuierung als Frau Bota vornehme, weiß ich seit der Paulskirche noch besser, dass ich mich als Zeitleser in den besten journalistischen Händen befinde. So wie mein hochgeschätzter Lehrer an einem Wiesbadener Gymnasium es mir, dem Unterprimaner 1966, empfohlen hat: Lesen Sie “ Die Zeit „, das intellektuell beste und von der Position ausgewogendste Blatt in der deutschen Presselandschaft!

Leider wurde meine Frage, die ich eingereicht hatte, nicht ausreichend oft vor Beginn des Leseparlaments angeklickt, was aber den überaus positiven Eindruck des Abends in keiner Weise beeinträchtigte. Um so erfreuter waren wir Donnerstag in der Nacht, als wir „Die Zeit“ aus dem Briefkasten nahmen und das von Ihnen in der Veranstaltung angesprochene Thema des Dossiers intensiv lesen konnten. Meine Frage war nämlich genau Ihrer Thematik gewidmet. Nun aber zu Ihrem Dossier , liebe Frau Lobenstein: Auch für mich ist es nicht nachvollziehbar, weshalb die Kapitalertragsteuer so viel niedriger in Vergleich zur Einkommenssteuer – offensichtlich politisch gewollt – festgesetzt wird.

Dass die überwiegende Mehrheit der Steuerzahler dies klaglos hinnimmt, verstehe ich noch weniger. Am allerwenigsten habe ich verstanden, dass ein großer Teil der Presse- von Ihrem sehr gut recherchierten und brillant geschriebenen Artikel abgesehen- nach meiner Meinung viel zu wenig über dieses gravierende Ungleichgewicht aufklärt. Ohne den entsprechenden Druck der freien Presse werden sich weder eine politische Partei noch ein entsprechender Politiker trauen können, gegen die Kapitalinteressen der Besitzer und Eigner, die Kapitalertragssteuer und die Erbschaftssteuer angemessen zu erhöhen.

Dass diese „Gerechtigkeitslücke“ auch als schleichendes Gift das demokratische System gefährdet, wird allem Anschein nach ebenso wenig aktuell wahrgenommen wie die herrschende Schicht des Adels und des Klerus anno 1789 die wirklichen gesellschaftlichen Verhältnisse begriffen hat. Lastenausgleich – im Sinne von extrem wohlhabend zu relativ wenig bzw keinem Besitz anstatt alle Steuerzahler und besonders die künftige Generation über Gebühr zu belasten- ist das Gebot der Stunde.

Offensichtlich sehen aber ohne entsprechenden Nachdruck durch eine freie , informierende, Presse auch die politisch Verantwortlichen nicht, welche Sprengkraft sich hinter dieser Gerechtigkeitslücke zwischen Einkommensbesteuerung und Kapitalertragsbesteuerung verbirgt. In der Hoffnung, dass sich die Aussage von Herrn di Lorenzo bewahrheitet, die Presse könne mit einem Artikel durchaus etwas bewegen: – Siegfried Hackbarth

 

Selten hatte ich den Eindruck, dass ein Artikel so gut und zugleich so enttäuschend daherkam, um ein zentral wichtiges Demokratiethema aufzuarbeiten. Zur Enttäuschung: Die Suggestion einer angeblich zu geringen Ertragssteuerbelastung von Konzernen und deren Aktionären geht m.E. fehl, denn diese Steuerlast ist durchgerechnet kaum geringer als bei hiesigen Gewerbetreibenden, wenn die Steuerlast im Unternehmen und bei Ausschüttung an die Aktionäre zusammen betrachtet wird, nur das hält dem Vergleich stand, der hier als ‚ungerecht‘ dargestellt wird. Darüber hinaus enttäuscht mich die ausschließliche Begründung des Lastenausgleichs Adenauers als Folge des Koreakrieges. Denn der war vielmehr ein Ausgleich für die Verluste der Vertriebenen und Bombenopfer in Folge des deutschen Angriffskrieges auf Europa unter den Überlebenden.

Mich begeistert allerdings die konsequente Logik von Frau Lobenstein, für unser (Energie-)Kriegsengagement die finanziellen Folgen aufzurufen und den Bezug zur Erbschaftsteuer herzustellen. Klar ist, Kriegskosten werden mit Krediten und Steuererhöhungen bezahlt, von Sparern zusätzlich mit Inflationsverlusten. An einer Kreditfinanzierung ist in dieser Situation nichts verkehrt, sie sollte aber durch eine Erbschaftsteuererhöhung ergänzt werden. Das sollte auch die FDP im Gedenken an ihre Freiburger Thesen einsehen, wenn sie vielleicht erkennt, dass Wähler(-klientel) nicht nur das eigene Portemonnaie im Blick haben, sondern auch die Interessen des gesamten Gemeinwesens, die auch ihre sind.

Es dürfte den Liberalen sicher einfacher fallen, über ihre Schatten zu springen, wenn dies auch SPD und Grüne tun und einer weiteren Aufstockung des Bundeswehr-Sondervermögens zustimmen, um z.B. deutsche Flugzeugträger und Atom-U-Boote zu ermöglichen, die Europas Demokratie und Interessen schützen. Ein erster Schritt zur Reform der Erbschaftsteuer könnte sein, dass eine Steuerbefreiung erst bei einem Stellenzuwachs in vererbten Unternehmen gewährt wird und nicht nur bei einem Erhalt. Man darf ruhig etwas mehr verlangen, wenn es allen dient. – Stefan Goronczy

 

Selten hat jemand, wie Caterina Lobenstein so gut auf den Punkt gebracht, warum die Finanzierung dieses Staates seit Jahren und immerfort ausschließlich Sache der „kleinen Leute „oder wesentlich der Bevölkerungsschicht mit den geringeren Einkommen ist. Man möchte, die Zeitung in der Hand zum Bundestag in Berlin rennen und einen Aufstand organisieren. Ja, ich träume weiter… – Johannes Gros

 

Ein augenöffnender Artikel, der einen gleichzeitig ohnmächtig zurücklässt. Die Bundesregierung verballert in den letzten Jahren Milliarden – manchmal sinnvoll, überwiegend jedoch entgegen aller Warnungen von Experten ökonomisch und ökologisch kontraproduktiv – und müht sich gleichzeitig ab, mit Sondervermögen und dergleichen die hierfür notwendige Schuldenaufnahme zu kaschieren. Warum denn nicht endlich den Mut aufbringen, die wirklich Vermögenden zur Kasse zu bitten? Mit dem Mythos von Abwanderung und Rückgang von Investitionen wird im Artikel aufgeräumt. Interessant wäre noch ein Rechenbeispiel gewesen, wie hoch die Einnahmen bei einer Vermögensabgabe à la Adenauer jährlich ausfallen könnten.

Obacht: Die Steuersätze von 42 bzw. 45 Prozent fallen nicht – wie geschrieben – auf das Jahresgehalt an, sondern auf das zu versteuernde Einkommen. Da von den Einnahmen zunächst die Werbungskosten, Sonderausgaben und Vorsorgeaufwendungen sowie Freibeträge abgezogen werden, muss man schon noch etwas mehr als die 59.000 Euro brutto verdienen, um bei 42 Prozent zu landen. – Philipp Schrüfer

 

Frau Lobenstein kritisiert die ungleiche Besteuerung von Arbeitseinkünften und Kapital-erträgen und führt Beispiele an, die natürlich das Gerechtigkeitsempfinden alarmieren. Der Artikel suggeriert eine Ungerechtigkeit im System und erwähnt bspw. nicht, dass für den Wegfall der Vermögensabgabe die Grunderwerbssteuer angehoben wurde.

Zudem blendet sie Millionen von Mitbürgern/innen aus, die durch jahrzehntelangen Konsumverzicht (kaum Urlaub, Mittelklassewagen, keine Fernreisen, sparsame Lebensführung) sich Vermögen (Immobilien, Aktien, Lebensversicherungen) aus ver-steuerten Einkünften aufgebaut haben. Einkünfte hieraus unterliegen selbstverständlich der Steuer. Diese nochmals mit einer Vermögensabgabe zu belasten wäre äußerst ungerecht und kontraproduktiv im Hinblick auf eine breitere Vermögensbildung. Den im Beitrag angesprochenen Lastenausgleich der Adenauer-Regierung halte ich übrigens temporär für sinnvoll, wenn er annähernd den Zielsetzungen von damals entspricht. – Hubertus Fehring

 

Wann immer über die Steuerlast geschrieben wird, frage ich mich, wie die Aussagen entstehen und in welchem Kontext sie zu einzuordnen sind. Decken sie sich wirklich mit der von uns erfahrenen Situation? Bin ich vielleicht ein ungewöhnlicher Sonderfall, weil ich eine genannte Steuerquote nicht erreiche, obwohl die skizzierte Einkommenssituation auf mich zutrifft?

Ihr Artikel regt mich nun an, einmal nachzufragen. Es wird plakativ die Aussage dargestellt, dass im Fall einer Einzelveranlagung (ein Angestellter?) mit Arbeitseinkünften (= zu versteuerndes Einkommen?) oberhalb von 59.000€ 42% Einkommensteuer zu entrichten sind. Der Steuerrechner (https://www.finanz-tools.de/einkommensteuerrechner) weist bei einem zu versteuernden Einkommen von 59.000€ aber eine Einkommensteuer von 15.643€ aus. Dies sind bezogen auf das zu versteuernde Einkommen aber 26,5%. Wo liegt mein Fehler? – A. Hagerer

 

Mit grossem Interesse habe ich Ihren Artikel gelesen, der grundsätzlich den Finger in die richtige Wunde legt. Nicht die arbeitende Bevölkerung gehört zu den Wohlhabenden, sondern diejenigen, die sich auf Basis eines vorhandenen Kapitalstocks (nicht selten Erbmasse) an Unternehmen beteiligen. Widersprechen muss ich allerdings ihrer These hinsichtlich hinsichtlich der Schieflage zwischen Einkommensteuer und Kapitalertragsteuer.

Wenn ich ein Unternehmen gründe und mein Kapital in dieses stecke, dann erhalte ich eine Ausschüttung auf die Gewinne nach Steuern. Wie Sie schreiben, liegen diese selbst für Grossunternehmen bei circa 20 %. Darauf die Kapitalertragsteuer gerechnet, ergibt sich ein Gesamtsteuersatz von 40 %. Aus Sicht eines geschäftsführenden Gesellschafters ist es also relativ egal, ob man Einkommen bezieht oder als Gesellschafter eine Dividende. So ist unser Steuersystem austariert.

Der Unterschied kommt erst dann zum Tragen, wenn (viel) bereits versteuertes Geld an den Wertsteigerungen der Unternehmen beteiligt ist, also von Aktienkurssteigerungen profitiert. Selbst als sehr gut Verdienender hat man immer weniger Chancen, ein wirkliches Vermögen aufzubauen – es sei denn, man investiert mit sehr hohem Risiko und hat das notwendige Glück. – Ralf Beckmann

 

Die ZEIT entfernt sich leider immer weiter von ihrem Anspruch nach unabhängigem, ausgewogenem und sachlichem Journalismus. Das Dossier von Caterina Lobenstein über die absurde Welt der Staatsfinanzen bedient mal wieder alle (Vor-) Urteile linker Ideologen. Die Welt ist ja so ungerecht, weil der Staat einfach nicht mehr Steuern erhebt, obwohl dies doch so einfach wäre!.

Leider unterlaufen der Artikelverfasserin dabei grobe Fehler. Kein Wunder, sie ist ja nicht vom Fach. Zum Beispiel: der Vergleich der 42%igen Einkommensteuer mit der 25%igen Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge hinkt. Zum einen wird Letztere ja auf bereits mit 15% Körperschaftssteuer (plus Solidaritätsbeitrag) versteuerte Erträge berechnet und zum anderen sind Kapitalerträge aus Wertpapieren mit zum Teil erheblichen Risiken behaftet, die alleine der Besitzer tragen muss. An den Verlusten aus aktuell weit über 50%iger Wertminderung vieler Aktien beteiligt sich das Finanzamt nicht.

Ebenso ist die Behauptung, dass wir in Deutschland viel zu niedrige Erbschafts- bzw. Schenkungssteuern hätten und dass jemand (ja wer denn?) auf eine Schenkung von 20 Millionen Euro nur 2,2 % Steuern zahlen müsste, schlicht falsch. Der Steuersatz beträgt dafür, je nach Steuerklasse (d. h. Verwandtschaftsgrad), mindestens 23% bzw. maximal 50%. In Österreich gibt es übrigens gar keine Erbschaftssteuer.

Frau Lobenstein übersieht bei ihrer schlichten Vorstellung, der Staat müsse einfach mehr Steuern auf Einkommen und auf Vermögen erheben, um die Welt gerechter zu machen, dass Gewinne jeglicher Art in der Regel nicht ohne hohen Einsatz und Risiko erwirtschaftet werden und dass Kapital und Vermögen, welches man besteuern möchte, nicht unbegrenzt verfügbar ist und sich auch in globalem Wettbewerb befindet. So wird in Deutschland der Gewinn von Kapitalgesellschaften insgesamt mit 48,33 % Steuern belegt, die allesamt dem Staat zum Verteilen bereit stehen. Schlupflöcher, soweit legal, sind da legitim. – Peter Breuninger

 

Eine sehr lobenswerte journalistische Fein- und Fleißarbeit. Ein weiteres Beispiel zur Steuergerechtigkeit. Die Quandt Familie (BMW) erzielt aus Aktienerlösen 1 Milliarde Euro (1000.000.000 Millionen) Dividende. Bei einem Pauschalsteuersatz von 25% verbleiben immer noch 750 Millionen Euro (750.000.000) als Gewinn. Dafür leistet die Familie nichts,was einen solchen Betrag rechtfertigt. Helmut Schmidt würde sagen: ,,Das ist unanständig.“

Ein Familienvater mit einem Monatsgehalt von 5000 Euro brutto und das ist nicht die Regel, hat etwa 40% Abzüge, also etwa 3000 Euro netto. Dafür arbeitet er auch nicht selten über 40 Stunden die Woche. Er leistet also etwas was allen zugutekommt. Ist es also ein Wunder, das es bei den Menschen rumort? Es ist kein Neid, es ist eine Frage der Gerechtigkeit. – Karsten Winterfeld

 

Es ist doch erstaunlich, daß ein Beitrag, der mit drei Seiten ein ganzes „Dossier“ füllt, sehr einseitig daher kommt. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem schwierigen Thema „Verteilung“ sollte an den Tatsachen nicht vorbei gehen dürfen, daß z. B. die 10% der wohlhabensten Einkommensteuerzahler etwa 50% des gesamten Volumens der Einkommensteuer zahlen oder daß in Deutschland etwa 50% aller Haushalte mindestens eine Immobilie (entweder zur Selbstnutzung und / oder zur Vermietung) ihr Eigentum – und somit Vermögen – nennen dürfen. Schon allein diese beiden simplen Beispiele sollten einem zu denken geben. – Markus Kelle

 

Wenn man den Spruch „übertreiben macht anschaulich“ so umsetzt wie in der Bildunterschrift zum Unterschied zwischen der Einkommensteuer des Angestellten und der Kapitalertragsteuer des Aktionärs, riskiert man, auch bei den Fakten des übrigen Beitrags nicht glaubwürdig zu erscheinen. Erkundigen Sie sich doch einmal, wie hoch der durchschnittliche Steuersatz des Angestellten, bezogen auf seine gesamten Einkünfte, bei einem zu versteuernden Einkommen von 59.000 Euro ist. Nur diesen Prozentsatz dürfte man fairerweise mit der Kapitalertragsteuer von 25 % vergleichen, die auf die gesamten Kapitalerträge (abzüglich Freitrag) anfällt. Ihr anschaulicher Vergleich ist unseriös und kann beim weniger kritischen und informierten Leser unnötig die Neiddebatte befeuern. War das Ihre Absicht? – Norbert Blatt

 

Dieses Dossier ist sehr einseitig verfasst – klar, dass deutsche Steuerrecht hat eine klare Schieflage – die Punkte sind benannt. Es gibt aber auch recht umfangreiche Sozialleistungen, wenn die nicht auch erwähnt werden, dann bleibt doch sehr Neid hängen. Außerdem wird z.B. der / die Schuldige bei Niedrigsteuern für Aktien / Erbschaften nicht benannt. Also sozial Schwache können sich über Hohes Kindergeld und Niedrige Steuern freuen – auch die Gesundheitsversorgung ist passabel – die Beiträge der niedrigen Löhne decken die Kosten mit Sicherheit nicht. Private Mieten sind ohne Mehrwertsteuer, sozial Schwache geben mehr Geld für 7% Besteuertes aus – daher sind auch die 19% Mehrwertsteuer zumindest etwas abgeschwächt.

Es wäre sehr gut, wenn Erbschaften ähnlich wie in Korea besteuert werden würden – machen Sie das bitte der CSU klar – und dann gehen sie auch gleich weiter nach Österreich. Die nehmen so weit ich weiß gar nichts. Und Irland hat seinen Anteil an den niedrigen Steuern – die wollten doch selbst auf Aufforderung aus Brüssel Apple / Google keine Steuern abfordern. Die Abgeltungssteuer war sicherlich ein Kompromiss – besser 25% als gar nichts. Die Steuer CDs aus der Schweiz waren ja auch nur so eine halb legale Methode, um die Steuersätze durchzusetzen.

Viel schlimmer finde ich die Herrschaft der Schwarzen Null – vor allen Dingen von Herrn Schäuble. Dieses Nicht Investieren, das hat zu schwachen Schulen geführt – schwach in allen Bereichen: Technik, Bauten, Lehrer und anderes Personal – es hat aber auch die Infrastruktur marodieren lassen – Brücken / Bahnstrecken / Züge …. Fallpauschalen haben die Kliniken geschwächt und wg. fehlendem Spielraum haben auch Investitionen in sozialen Wohnraum über Jahre gefehlt. Das alles betrifft natürlich stark die Sozial Schwächeren – sie sind auf gute Schulen etc. angewiesen und müssen wg der hohen Mieten viel Geld von ihrem knappen Budget abgeben – häufig an Besser Verdienende private Vermieter. – Stephan Siegel

 

Ein hervorragender Artikel! Erwähnenswert wäre noch gewesen, dass das Steuerrecht auch wegen seiner Intransparenz grob unsozial ist: Die Frau an der Kasse mit Migrationshintergrund ist mit Sicherheit nicht in der Lage, im Lohnsteuerausgleichsverfahren ihre Ansprüche überhaupt zu erkennen oder gar geltend zu machen – während der wohlhabende Banker mit hochqualifiziertem Steuerberater aberwitzige Vorteile zu erzielen vermag (Extrembeispiel: cum ex bzw. cum cum). – Prof. Dr. jur Thomas Cirsovius

 

Vielen Dank für dieses informative Dossier. Ich kann nur sagen: Endlich! Seit Jahrzehnten frage ich mich, warum so wenige Menschen über diese Fakten informiert sind – und deshalb auch nicht auf die Straße gehen. Ganz einfach: Weil sie nicht darüber informiert werden! Als dann vor Jahren Claus Kleber im heute journal verkündete, es seien ja die Reichen, die die höchste Last stemmen, fiel ich einmal mehr vom Glauben an das Gute im Menschen ab.

Dieses Argument fehlt noch in ihrem Reigen an Täuschungsmanövern derer, die den Unterschied zwischen Arm und Reich gern erhalten oder vergrößern möchten: Es mag ja sein, dass die 30 Prozent der reichen Haushalte 80 Prozent des Gesamtaufkommens an Steuern in diesem Land zahlen, wie in der faz im letzten Mai zu lesen war (https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/arm-und-reich/einkommensteuer-wer-traegt-welche-steuerlast-17332638.html).

Das zeigt doch nur, um wieviel höher die Einkommen dieser 30 Prozent liegen müssen! Jeder Einzelne davon zahlt einen viel geringeren Anteil Prozentsatz seines Einkommens an Steuern als Normalverdiener oder gar Niedrigverdiener. All die wunderbaren und legalen „Steuergestaltungen“ sind nur bei hohen Einkommen möglich.

Wie konnte es sein, dass Claus Kleber darauf nicht hingewiesen hat? Ihnen ging es um die noch viel Reicheren, aber die meisten Menschen empfinden ein Ungleichgewicht und Ungerechtigkeitsgefühl mit Recht auch schon denjenigen gegenüber, die sich teure Autos, teure Häuser und teure Urlaube leisten können. Sie tragen damit außerdem zum menschengemachten Klimawandel bei – haben aber in der Regel nicht unter den Folgen zu leiden. – Sibylle Riffel

 

Ich muss anerkennend feststellen, dass Olaf Scholz es erfolgreich schafft, das Ergebnis seiner Erhöhung des Mindestlohnes von der von ihm betriebenen Ursache zu trennen. Die Erhöhung des Mindestlohnes zum Oktober 2022 war um 25%. Aber auch die nicht-Mindestlöhner haben eine entsprechende Erhöhung bekommen, denn keiner derjenigen, die bisher 12 Euro verdient hatte wollte nach der Erhöhung des Mindestlohnes auf der gleichen Stufe stehen wie der Mindestlöhner. Und so zog und zieht diese Erhöhung in alle Stufen der Löhne und Gehälter. Aktuell sind wir exakt in der Phase, dass diese Erhöhungen auf die Preise der Waren durchschlagen. Verursacht durch ein Wahlversprechen, das jetzt schon keinem mehr was nutzt und ganz speziell dem Mindestlöhner am wenigsten. – Eckart Maas

 

Dieser Artikel ist exzellent, so wie praktisch die gesamte Ausgabe der ZEIT von diesem Tag! Allerdings haben Sie bei der Gegenüberstellung von Einkommenssteuer und der Besteuerung von Gewinnausschüttungen/Dividenden vergessen zu erwähnen, dass die Unternehmen auf diese Gewinne ja bereits Steuern bezahlt haben. Da diese regelmäßig unmittelbar nacheinander erfolgende zweifache Besteuerung die zentrale Überlegung der Staaten (nicht nur Deutschland) ist, wie die Höhe der Dividenden-Besteuerung – gerade im Vergleich zur Einkommenssteuer! – gestaltet werden soll, ist die absolute Höhe des Steuersatzes hier verfälschend, wenn nicht der gesamte Steuergedanke dahinter dargestellt wird. – Marcel Mittendorfer

 

Es ist mir ein spontanes Anliegen, ihren Artikel “Ausgequetscht” im DOSSIER (Caterina Lobenstein) kurz zu kommentieren: er hat mich ungeheuer aufgebracht. Die Zusammenhänge in der deutschen Steuerpolitik habe ich bislang nicht so klar zuordnen können. Es ist nicht zu fassen!!!! Vielen Dank. – Gisela Mathiszik

 

Der Artikel „Ausgequetscht“ aus dem aktuellen ZEIT-Dossier ist wirklich großartig! Es war ein Genuss, diese fundierte Analyse zu lesen. Es gibt noch einen Aspekt, der im Artikel nicht beleuchtet wurde und der meines Erachtens hervorragend zur Thematik passt: es geht dabei um die Berechnung der Höhe der Sozialversicherungsbeiträge. In Österreich ist es so, dass jede*r Dienstnehmer*in einen bestimmten Prozentsatz seines/ihres Bruttoeinkommens an die Sozialversicherungsträger abführen muss; derzeit sind dies 18,12% (und setzt sich zusammen aus dem Pensionsversicherungsbeitrag, dem Krankenversicherungsbeitrag, der Arbeiterkammerumlage, dem Wohnbauförderungsbeitrag sowie dem Arbeitslosenversicherungsbeitrag).

Für Menschen mit niedrigen Einkommen gibt es eine Art „Rabatt“ (gestaffelt nach dem Einkommen) bei der Arbeitslosenversicherung; dennoch zahlen auch Leute, die zB nur € 1.000,- brutto verdienen, 15,12% dieses Bruttoeinkommens als Sozialversicherungsbeitrag. In Österreich gibt es im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) die „Höchstbeitragsgrundlage“, welche die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge deckelt; derzeit beträgt sie € 5.670,- monatlich. Was bedeutet der Deckel konkret? Nun, jemand, der € 5.670,- brutto monatlich verdient, zahlt 18,12% von € 5.670,- als Sozialversicherungsbeitrag. Einen höheren Beitrag gibt es aber nicht! Das heißt: jemand, der € 20.000,- brutto monatlich verdient, zahlt nicht 18,12% davon als SV-Beitrag, sondern lediglich 18,12% von € 5.670,-.

Damit sie sich die Situation anhand von Praxisbeispielen besser vorstellen können (meine Angaben können sie mit dem Brutto/Netto-Rechner des Finanzministeriums – https://onlinerechner.haude.at/BMF-Brutto-Netto-Rechner/ – prüfen): Arbeitnehmerin A verdient € 4.400,- brutto im Monat: als Sozialversicherungsbeitrag und Lohnsteuer werden ihr € 1.656,22 abgezogen, darin enthalten sind eben 18,12% ihres Bruttoeinkommens als Sozialversicherungsbeitrag.

Arbeitnehmerin B verdient € 7.400,- brutto im Monat: als Sozialversicherungsbeitrag und Lohnsteuer werden ihr € 3.131,39 abgezogen, aufgrund der Höchstbeitragsgrundlage wird ihr SV-Beitrag jedoch bei € 1.027,40 „gedeckelt“. Auch bei Person C, die noch einmal das Doppelte von B verdient, bleibt dieser Beitrag gleich. Der Punkt, auf den ich hinauswill: für den Mittelstand sind die monatlichen Fixabzüge vom Bruttobezug (SV-Beiträge und Lohnsteuer) in Österreich wirklich enorm, aber für Spitzenverdiener*innen ist der SV-Abzug dank der Höchstbeitragsgrundlage teils lächerlich niedrig.

Trotzdem wird diese Regelung von keiner einzigen relevanten politischen Partei ernsthaft in Frage gestellt. Mich würde durchaus interessieren, ob es in Deutschland und/oder der Schweiz ähnliche Regelungen gibt, daher schicke ich dieses Mail auch an alpen@zeit.de – vielleicht wäre die Finanzierung der Systeme der sozialen Sicherheit ein Thema für den transalpinen Podcast, den ich auch sehr gerne anhöre. – Jochen Schönberger

 

Habe ich Anfang August an die Bundestagsfraktonen SPD Grüne FDP und der IG Metall geschickt: Betreff: Solidaritätssozialvermögensabgabe!“. Diese Abgabe sollte jährlich für die nächsten 10 Jahre von deutschen Millionären und Milliardären zur Unterstützung der Sozialsysteme eingezogen werden. Das würde nicht einmal den Vermögenszuwachs dieser Gruppe in den letzten 15 Jahren ausgleichen! Die Abgabe sollte 3 % des jeweiligen Gesammt- Vermögens betragen. Hier kann auch die FDP nicht dagegen sein da es sich nicht um eine Steuer handelt sondern um einen dringenden notwendigen Sozialausgleich!

Das Gesamte Vermögen der deutschen Milliardäre und Millionäre Zusammen beläuft sich auf ca 7 Billionen Euro . Tendenz steigend!! 7000 000 000 000 das sind 7000 Milliarden davon 3 % sind 210 Milliarden Euro. Damit sind die Sozialsysteme gesichert , für die Betroffenen sind das Peanuts die durch ständige hohe Zuwächse permanent ausgeglichen werden während die Ärmsten der Bevölkerung ständig ärmer werden. Die Reichen profitieren von den Krisen (2008 bis Heute ) die Ärmsten und der Staat zahlen drauf durch stän steigende Kosten!! Deshalb ist dieser Sozialausgleich unumgänglich um den sozialen Frieden zu erhalten. Das ist eine der dringlichen politischen Aufgaben! Packen sie es an sonst treiben sie die Bürger weiterhin in die Fänge der AFD – Heinz Frey

 

Ihre Kritik an den Schieflagen des aktuellen Steuersystems, das die „starken Schultern“ der oberen Zehntausend gegenüber den schwachen der unteren Millionen nur für Festredner angemessen belastet, empfinde ich als absolut berechtigt. Einen wichtigen Punkt möchte ich aber hinzufügen: Die Benachteiligung von Menschen, die ihr Auskommen alleine durch das Einkommen aus Arbeit bestreiten, gegenüber den Vermögenden, die (zusätzliches) Einkommen aus Grundbesitz oder Kapital generieren, entsteht nicht nur durch die unterschiedlich hohen Steuersätze und die vielen Schlupflöcher im Steuersystem, sondern auch durch die ungleiche Belastung der verschiedenen Einkommensarten durch Sozialabgaben.

Die historischen Gründe dafür erscheinen längst überholt – in einer Zeit, in der die Renten- und Gesundheitskassen zunehmend von staatlichen Zuschüssen statt von eigenen Einnahmen leben. Warum also nicht auch Einkünfte aus Kapital und/oder Mieten mit Sozialabgaben belasten? Die Einkünfte daraus könnten ja nicht nur bei der Bekämpfung von Alters- und Kinderarmut helfen und Löcher im Gesundheits- und Pflegesystem stopfen; sie könnten zudem auch – schöne Grüße an Herrn Lindner! – die Belastung der Löhne durch Sozialabgaben senken und somit die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft stärken. – Josef Pütz

 

Reich zu sein ist sicherlich ein erstrebenswerter Zustand, der allerdings seltene Blüten treibt. Denn hier geh es nicht mehr allein darum, sich seine Wünsche und seinen Luxus erfüllen zu können – nein, hier geht es um mehr: Macht. Denn mit Geld lässt sich Einfluss ausüben und wie man im Dossier von Caterina Lobenstein lesen kann wird dies vor allem in Lobbyisten investiert.

Was hilft in solch einer Situation? Um in diesem Land radikal etwas zu bewegen, wären grundlegende Veränderungen des Steuersystems notwendig. Diese müssten einfacher und verständlicher und somit nachvollziehbar für jeden werden. Das Steuersystem ist ein Abbild der gesellschaftlichen Verhältnisse und so wie es sich derzeit präsentiert intransparent. Ausnahmen von der Ausnahme von der Ausnahme…helfen nur den Konzernen und Unternehmen, die auf dem Weltmarkt mit ihren Produkten Nischen ausfüllen. Den kleinen nützt es nicht. Es bleibt ein frommer Wunsch, dass sich hieran was ändern könnte, wohl auch weil es keinen ausgeprägten politischen Willen gibt, die unteren und mittleren Gesellschaftsebenen an dem großen Wohlstand in unserem Land teilhaben zu lassen. – Markus Croce

 

Vielen Dank für das erhellende Dossier Frau Lobenstein! Nichts was ich nicht schon wußte, jedoch wunderbar auf 3 Seiten komprimiert – zur gefälligen Weitergabe an alle, die noch immer glauben, die Reichen trügen alle Last und an alle, die das noch nie glaubten. Stellen wir uns den deutschen Wald von armen Schweinen und scheuen Rehen bevölkert vor: wer knabbert hier die frischen Triebe ab?

Seit geraumer Zeit schwant mir, dass Deutschland sich nicht nur zu blöd anstellt, eine Autobahnmaut einzuführen. Klientelpolitik allerorten: Klimaziele könnten wir wirklich anpacken, gingen wir endlich an die unsäglichen Querfinanzierungsprozesse heran, die die industrielle Landwirtschaft am Leben erhalten – zum Schaden unserer unwiederbringlichen Ressourcen Luft, Wasser, Boden! Eine Transformation hin zu einer Landwirtschaft, bei der Tierhaltung und Anbauflächen positiv miteinander korrelieren, wird uns weder ärmer noch hungriger machen. Die Sozialisierung der Folgekosten ist nicht tragbar und ich komme immer mehr zu der Erkenntnis, dass dieses System allenfalls einer Bananenrepublik würdig ist. Dazu paßt die Scheu vor der Einführung einer Übergewinnsteuer wie die Faust aufs Auge!

Und wenn wir schonmal dabei sind: Warum gibt es bei uns eigentlich keine Luxussteuer auf bestimmte Güter und im Gegenzug 0% Mehrwertsteuer auf Biowaren und Babywindeln? Warum denkt niemand darüber nach, dass die Mehrwerteuer eigentlich quasi reziprok erhoben werden müßte? Wo Mehrwert für die Menschen und das Klima erzeugt wird, da hat eine Konsumsteuer nichts verloren, wo Mehrwert zweifelhaft ist, bitte gerne! Warum können Konzerne zwar bei uns Geschäfte bis zum Abwinken machen, aber keine Gewinnsteuern hier lassen? Dem gehört ein Riegel vorgeschoben.

Und der vor 71 (!) Jahren initiierte Lastenausgleich war eine Maßnahme, die klug und weitsichtig gedacht war. So etwas werden wir in den nächsten Jahren absehbar wieder diskutieren und einführen müssen. Einfach mal Geld drucken, das kann keine Regierung und das ist weiterhin Beschiss an denjenigen, die immer sofort und ungefiltert jeden Pups auf dem Finanzmarkt als Sturm spüren. – Juliane Duvigneau

 

Die stark unterschiedliche Besteuerung von Erwerbseinkünften im Gegensatz zur Abgeltungssteuer widersprecht auf den ersten Blick der Gerechtigkeit. Nicht berücksichtigt wurde aber, dass auf Unternehmseite bereits Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer abgeführt wird. Zusammen mit der Abgeltungssteuer liegt das beim Spitzensteuersatz. Und wenn Autorin schreibt, dass eine Krankenschwester(!) anfangs der fünfziger Jahre(!) gegen zu hohe Kosten einer Tankfüllung demonstriert habe, kann es doch nur sein, dass sie mit dem Chefarzt verheiratet war. Kommt mir ziemlich nach Relotius vor. – Wolfgang Bonk

 

Sie haben völlig recht, aber solange es den reichen und superreichen Familienunternehmer*innen und Großaktionär*innen gelingt, die Angst vor Arbeitsplatzverlusten bei einer Erhöhung der Erbschaftsteuer für Unternehmenserb*innen zu erhalten, und solange es ihnen gelingt, die irrationale Angst derer, die nur wenig zu vererben oder an Erbschaft zu erwarten haben, vor einem gleichzeitigen Absenken der Freibeträge bei einer Erhöhung der Erbschaftsteuer für Unternehmenserb*innen zu schüren, und solange die Familienunternehmer*innen und Großaktionär*innen über Politiker*innen und Journalist*innen verfügen, die in ihrem Sinne und Interesse reden, schreiben und handeln, wird die Erbschaftsteuer für Unternehmenserb*innen nicht erhöht werden bzw. werden überflüssige Ausnahmeregelungen und Vergünstigungen nicht abgeschafft werden.

Ihr Artikel ist übrigens, soweit ich sehe, eine rühmliche Ausnahme: Meistens lese ich in Zeitungen etc. die Meinung der Familienunternehmer*innen bzw. von Verbandsfunktionär*innen und Politiker*innen, die die Interessen der Familienunternehmer*innen und Großaktionär*innen vertreten und als Interessen des Wirtschaftsstandortes Deutschland ausgeben – gerade hier in Paderborn. – Dr. Ulrich Willmes

 

Ich bin konsterniert, dass die ZEIT einem derart tendenziösen, kontrafaktischem Aufschrieb drei Seiten einräumt. Was ist aus dem Wochenblatt geworden, welches ich dereinst so geschätzt habe? Ich werde mich jetzt nicht an allen Monita abarbeiten, sondern greife exemplarisch (und damit für alle denkenden Menschen unmittelbar nachvollziehbar) die Zahlen heraus, die auf Seite 13 prominent prangen: 42% vs. 25%. Weiß die Autorin nicht, dass auf die mit 25% besteuerten Aktienerlöse bereits Körperschaftssteuer und Soli abgeführt wurden? Die summarische Steuerbelastung mithin in etwa die gleiche ist? Oder handelt es sich hier um das böse, demagogische Spiel mit „alternativen Fakten“, welches ich bislang im rechtsextremen Spektrum verortet habe?

Wie auch immer: Seriöser Journalismus sieht anders aus. „Journalisten“ wie Lobenstein passen mit ihrer unguten Mischung aus mangelnder Kompetenz und Bereitschaft zur Manipulation von Fakten eher zu Publikationen im rechtsextremen Spektrum. Der Beitrag ist – auch aus vielen, vielen – anderen Gründen ein Tiefpunkt in der Geschichte der ZEIT. – Prof. Dr.-Ing. Thorsten Brandes

 

Das Steuersystem der superreichen BRD ist nicht nur in höchstem Maß ungerecht, es behandelt den dt. Michel als den dümmsten Bürger auf Gottes Erdboden. Das Sprichwort sagt: jedem was er verdient. – H. Giller

 

Das deutsche Steuerrecht ist ohne Frage komplex. Ihr Vergleich, dass Angestellte bis zu 42% Einkommensteuer und Anleger lediglich 25% Kapitalertragsteuer zahlen, unterschlägt jedoch vollkommen, dass sich eine Dividende aus dem Gewinn eines Unternehmens speist, der bereits versteuert wurde, weil die Unternehmen in der Regel Gewerbe- und Körperschaftsteuer zahlen. Wer nachrechnet, stellt also fest, dass hier überhaupt keine Ungerechtigkeit vorliegt! – Joost Osmers

 

Ich bin kein Großverdiener und habe, seit ich etwas Sparen konnte, Aktien gekauft, auch um als Rentner nicht arm zu sein. Mein Sparguthaben habe ich von meinem monatlichen und somit versteuerten Gehalt mühsam entnommen. Andere haben ihr Geld verjubelt, sich etwas Schönes gegönnt, einen schönen Urlaub verbracht etc. Ja, ich bekomme davon Dividenden, manchmal sind sie hoch und gut, manchmal sind sie gering und auch manchmal bekomme ich einige Zeit keine, weil es den Unternehmen nicht gut ging. Ok, mein Risiko, was ich natürlich in Kauf nehme. Von den Dividenden zahle ich ein zweites Mal Steuern, die von Ihnen erwähnte Kapitalertragssteuer. In Ihrem Artikel klingt das nach Ungerechtigkeit, weil Ihnen die Steuerlast zu gering ist. Ich denke, Sie befinden sich in dieser Sache im Irrtum. – A. Turan

 

Das Dossier der aktuellen ZEIT „Ausgequetscht“ ab Seite 15 enthält einige nachdenkenswerte Aspekte. Umso bedauerlicher, dass gerade die Untertitelung der plakativen Abbildung der Zitrone verkürzt ist und zu Fehlinterpretationen führt. Meines Wissens ist der genannte Steuersatz der Einkommensteuer von 42% gerade nicht der für die Gesamtbesteuerung des Einkommens relevante Durchschnittssteuersatz, sondern der sogenannte Grenzsteuersatz. Korrekt ist, dass dieser auf zusätzliche Einkünfte oberhalb von ca. € 59.000,- greift. Der tatsächliche Durchschnittssteuersatz (der zum Steuerabzug führt) liegt aber z. B. bei einem zu versteuernden Einkommen von € 100.000,- bei „nur“ 32,7%!

Auch die Angabe der Kapitalertragsteuer von 25% ist verkürzt. Dieser Satz wird als Abgeltungssteuer von Dividenden u. ä. vorab einbehalten; die tatsächliche steuerliche Belastung von Kapitaleinkünften ist aber ebenso wie die aller anderen sonstigen steuerpflichtigen Einkunftsarten (z. B. aus nichtselbstständiger Arbeit oder Vermietung/Verpachtung) von der Gesamthöhe des steuerpflichtigen Einkommens abhängig.

Bei einem Einkommen von € 100.00,- wird also der „Vorwegabzug“ von 25% nach oben auf den tatsächlich wirksamen Steuersatz von 32,7% erhöht (siehe oben), bei einem Einkommen von € 50.000,- auf den dann geltenden Satz von 23,8% reduziert. All das funktioniert natürlich nur, wenn wir Steuerpflichtigen bei unserer Einkommensteuererklärung ehrlich bleiben – was aber leider ein ganz eigenes Thema ist. Ich wünsche mir, dass der Informationswert „meiner“ ZEIT nicht durch solch plakative „Fake-Informationen“ reduziert wird. – Michael Gerz

 

Wer wird hier ausgequetscht? 25 Prozent Steuern auf Aktienerlöse? Aber 42 Prozent Steuern auf Arbeitseinkünfte? Ist das wahr? Nein, es ist nicht wahr und die Verfasserin weiß es auch. Denn jeder Gewinn, den ein Anleger mit seinem Kapitalunternehmen macht, wird ja schon auf der Unternehmensebene besteuert. Mit 30 Prozent Unternehmenssteuer.

42 Prozent Einkommenssteuer zahlt ein Angestellter nur auf die Arbeitseinkünfte oberhalb von 59.000 €. Der Anleger in Aktien zahlt auf seine Gewinne aber schon ab einer Freibetragsgrenze von 801 Euro 47 % Steuern. Nämlich zuerst 30 Prozent Unternehmenssteuern und dann noch einmal 25 Prozent Kapitalertragsteuer auf die verbleibenden 70 Prozent seines Gewinnes. Wer muss hier also mehr Steuern zahlen?

Richtig: macht der Anleger einen Kursgewinn mit seinen Aktien, so zahlt er nur 25 Prozent Kapitalertragsteuer auf diesen Gewinn. Aber diese 25 Prozent Steuern zahlt er auch, wenn die Kurssteigerung in Wahrheit nur die Inflation ausgleicht. Und was passiert, wenn er keinen Gewinn macht, sondern sein Unternehmen Verluste macht, die Kurse fallen oder das Unternehmen sogar insolvent und aufgelöst wird?

Macht der Anleger auf diese Art Verluste, kann er diese noch nicht einmal mit seinen sonstigen Einkünften verrechnen. Er zahlt also im schlechtesten Fall Steuern, obgleich er in Wirklichkeit in dem Jahr insgesamt Verluste gemacht hat. Dass der Privatanleger oder Unternehmer daher weniger Steuern zahlen muss, als der Arbeitnehmer, wie der Verfasser dieses Artikels suggerieren möchte, das ist im Regelfall einfach nicht wahr. Und diese Gegenüberstellung der Zahlen, die nicht zusammengehören, das ist nicht nur eine Halbwahrheit, es ist Demagogie. – Anke Winter

 

Zitat: „Seit einigen Monaten wirbt die Entwicklungsagentur der Vereinten Nationen (UNDP) für ein – zeitlich befristetes – Grundeinkommen für jene 2,48 Milliarden Menschen in 132 Entwicklungsländern, die unter der Armutsgrenze leben. Von dem Geld könnten sie sich Lebensmittel und Medikamente kaufen sowie Arzt- und Bildungskosten bezahlen. Benötigt würden dafür 465 Milliarden US-Dollar, eine auf den ersten Blick gigantische Summe.

Würde man jedoch die Vermögen aller Millionär*innen mit zwei Prozent und die aller Milliardär*innen mit fünf Prozent besteuern, käme Berechnungen zufolge etwa das Fünffache dieser Summe zusammen, nämlich 2520 Milliarden US-Dollar im Jahr… “ (Quelle: https://eur06.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.reich-gottes-jetzt.de%2Ffeatured%2Fder-skandal-des-reichtums&data=05%7C01%7Cleserbriefe%40zeit.de%7C21d186cd89b34335160508dac18e6559%7Cf6fef55b9aba48ae9c6d7ee8872bd9ed%7C1%7C0%7C638035114576970650%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C3000%7C%7C%7C&sdata=UqmPO87i4mrCe5OssO%2BDWp2c%2F4hcQFYrcrFI8uw6m5s%3D&reserved=0)

Was zum Teufel hält uns davon ab, in diese Richtung zu marschieren? Sicher gibt es Leute mit schlechtem Gewissen unter den Wohlhabenden, aber der Glaube an die Verantwortungslosikeit der Spezies Mensch (Was macht der Arme damit, wenn man ihm soviel Geld schenkt?) ist pandemisch in allen Schichten so verbreitet, dass die Entwicklung von Impfstoffen schier aussichtslos erscheint. – Klaus Mock

 

Ausgabe 3.11.22 S. 4 „In der Schwebe“ und S. 15 „Ausgequetscht“. Für die beiden o.g. Artikel kann ich micht nur bedanken; sie liefern mir auch gute weitere Argumente für meine eigenen Auseinandersetzungen für die gleichen Ziele. Besnderrs frappierend und wertvoll fand ich die Geschichte des Lastenausgleichs von 1951, welche man vielen Gegnern von mehr Steuern und ihren Wirtschafts-Untergangs-Argumenten entgegenhalten kann. Es geht ja schon lange nicht mehr nur um Gerehtigkeit, sondern auch um die nötigen Mittel für die Zukunftssicherung, sogar für das Überleben der jezt noch jungen oder gar kleinen.

Es wäre zynisch, diesen über Schulden die Rechnung dafür zu hinterlassen, dass wir ihnen gnädiger Weise eine noch halbwegs erträgliche Welt hinterlassen. Die Alternative wäre natürlich, die Schulden durch inflation zu tilgen oder entschärfen, was aber eine Steuer auch sehr ungerechter Art wäre, da vorwiegend auf Kosten der bescheidenen Sparer und aller, die sich keinen Inflationsausgleich erzwingen können, während die Reichen ihre Vermögen weitgehend in Sachwerten inflationsgeschützt angelegt haben.

Die letzte Generation verstehe ich sehr gut, wenngleich ich fürchte, dass sie, zumindest ohne begleitende massive Aufklärungs- und Motivationsarbeit eher das Gegenteil des erwünschten erreichen werden. Man darf eben nicht diesen zivilen Ungehorsam gleichsetzen mit kriminellen oder mutwillig vandalistischen Taten, die durch eigenen Vorteil, Macht- oder Geltungsstreben oder Kicksuche motiviert sind.

Einiges der Schärfe — selbst ohne Anerkennung mildernder Umstände — und auch der Inhalte der Vorwürfe an die Aktivisten, z.B. das Schicksal von Menschen sei ihnen gleichgültig, es fehle ihnen an Empathie oder Respekt, oder sie seien in ihrer Blase gefangen, gehen ziemlich daneben, besonders von solchen Kritikern, die ihrerseits keine angemessene und konsequente Besorgnis und Fürsorge für das Schicksal der Klima-Opfer im globalen Süden und bei unseren eigenen Kindern und Enkeln zeigen, wo es sich um Milliarden Opfern handeln kann, deren Schicksal entweder achselzuckend, verdrängend oder gar billigend in Kauf genommen wird, zugunsten eines von fast jeder Einschränkung ungestörten jetzigen Lebens. – Dr. Peter Selmke

 

Wenn man davon ausgeht, dass eine Vermögenssteuer derzeit nicht einführbar ist (egal aus welchen Gründen und ohne das tiefgehend zu prüfen), verstehe ich umso weniger, warum nicht die bestehenden Steuervergünstigungen, -befreiungen oder Subventionen abgeschafft werden, insbesondere solche, von denen überproportional Wohlhabende profitieren. Stichworte: Fehlende Kerosinsteuer, Dienstwagenprivileg, Pendlerpauschale etc. Bei den genannten käme noch eine vorteilhafte LEnkungswirkung hinsichtlich dringend nötiger Emissionsreduktionen hinzu. – Christoph Schürmann

 

Für mich gehört die Frage mit auf den Prüfstand, inwiefern eine soziale Verantwortung überhaupt noch als solche bei Vermögenden wahrgenommen wird. Bei allen berechtigten Rufen nach Neugestaltung: Reichtum an sich ist nicht verwerflich. Verwerflich ist nur die Tatsache, dass die damit verbundene soziale Verantwortung nicht mehr oder zu selten wahrgenommen wird. – Stefanie Künzer

 

Mit großem Interesse und breiter Zustimmung habe ich Ihr Dossier gelesen und wieder Neues gelernt. Eine Nachfrage habe ich: nach meiner Kenntnis dürfen Kinder 400.000€ steuerfrei erben, Sie sprechen von 800.000€ – was stimmt? – Marlene Derendorf

 


 

 

Leserbriefe zu „Wollt ihr uns auf den Arm nehmen?“ von Roderick Parkes

 

Man könnte sich über diesen hanebüchenen Unsinn aufregen, aber Sinn macht er, wenn man einen Fehler bei der Redaktion zugrunde legt: Man hat den letzten Satz des Artikels unterschlagen: „und dann wurde ich wach“. Vielleicht greift das aber ein bisschen zu kurz: Die Briten amüsieren sich nicht ganz so, wie der Autor glaubt. Am Rande des wirtschaftlichen Zusammenbruchs, einer Regierungspartei im Dauerchaos, die ungelösten Nordirlandfrage, Inflation, bevorstehender Zusammenbruch der Energieversorgung und der drohende Kollaps des Gesundheitssystems, aber dazu muss man wohl in Großbritannien leben, nicht in Berlin.

36 Jahre in Großbritannien haben mich eins gelehrt: Der Respekt für Deutschland ist bei den meisten groß. Ganz groß Parkes Argumentation mit den „Siegermächten“: Schon wieder ein Krieg, den sie gegen uns gewonnen haben! And don’t forget 1966! In Sachen Unsinn über Deutschland zieht er jetzt gleich mit Niall Ferguson, der sich auch schon in der Zeit unsterblich blamiert hat. Wir Deutschen haben unsere „Angst“, die Briten ihren „inferiority complex“. – Michael Schmidt

 

Herrlich, einfach herrlich, die aktuelle deutsche Politik so treffend zu beschreiben: Eine von moralischem Rigorismus gekennzeichnete Symbolpolitik, welche bei globalen, kontinentalen und inzwischen auch bilateralen – siehe Frankreich – Geschehnissen ständig zu früh oder zu spät kognitiv abbiegt und dann aus erkannter Ohnmacht und mit strategischer Ambiguität ein vermeintlich Großes fetischiert. „Sic transit gloria mundi“ So vergeht der Ruhm der Welt. – Jürgen Dressler

 

Was für ein Geschwurbel! Da hätte ich von einem Fachmann mehr erwartet. Aber vielleicht will Herr Parkes nur vom Chaos in seinem Heimatland ablenken und träumt vom „make Britain great again“. – Claus Schüßler

 

Thanks for showing the true British colours and enlightening us with the actual motivation of Brexit. – Hartmut Reiner

 

Gute Frage, Herr Parkes. Gegenfrage: Wollen sie uns auf den Arm nehmen? Es scheint mir das die Vorstellung, Großbritannien, Polen und die USA werden die Siegermächte im 21. Jahrhundert sein sich im Jahrhundert etwas geirrt hat. Haben sie vergessen, dass die Siegermacht, das britische Empire, anders als 1945 nicht mehr existiert? Damals konnten sie sich mit den USA und Frankreich den Orient aufteilen. Solche Siegermacht wird es heute hoffentlich nicht mehr geben wenn die Ukraine siegt! Also ich verstehe, dass sie mit Polen, Schweden, Finnland und der Ukraine das nordische Europa anstreben und sich so auf ein Europa ohne die USA vorbereiten.

Warum? Sie und die genannten Staaten erfüllen doch wie auch die baltischen Staaten die gewünschten Militärausgaben der USA? Sie werfen Scholz Trägheit vor, die er als Besonnenheit tarnt. Diese Kritik an seiner übervorsichtigen Haltung kann ich verstehen, doch hat London bereits Kampfpanzer geschickt? Warum müssen sie die Begründung für ihren Brexit hinterherschicken, dass Deutschland geradezu kolonialistisch den EU-Markt mit deutschen Wirtschafts- und Handelsvorschriften bestimmt. Auch da scheint mir übersehen sie Englands stets erhobene Sonderansprüche früher in der EU, denen meist entsprochen wurde.

Ich vermute dass ihr Plan B und ihre Sicht auf die Zeitenwendevorstellung von Kanzler Scholz ihre Sicht ist oder haben sie eine Umfrage dazu initiiert, die das „Wir Briten…Die Briten“ belegen kann? Ob die Briten dank ihres vom englischen Finanzkapital stark geförderten Brexit am Ende des Jahrhundert zu den „Siegermächten“ zählen wird wage ich bei Fortsetzung der Politik der Torries zu bezweifeln, denn wie die Finanzial Times schreibt kann England kaum noch Fleisch in die EU exportieren, weil England die Tierärzte fehlen.

Zu viele ausländische Ärzte mussten das Land verlassen und durch den Brexit muss England auf neue Weise den Handelsvorschriften der EU Folge leisten. Ich würde mich freuen wenn Engländer und Deutsche mit weniger Ressentiment ins Gespräch kommen, denn unsere Länder und die Bevölkerung sind zu groß und gewichtig für Europa als das einer den anderen auf den Arm nehmen könnte! – Dr. Michael Hopmann

 

Nach der Lektüre dieses Artikels reibt man sich in mehrerer Hinsicht die Augen: DAS schreibt ein (britischer!) Leiter eines „Zentrums für Europäische Zukunfstfragen bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin“? Und wird dafür offenbar von uns auch noch bezahlt? Solch ein primitives „Deutschland-Bashing“, das unser Land singulär verantwortlich macht für die Probleme in Europa und in der EU- das kennt man bisher eigentlich nur aus dem Mund der Kaczinskys und Co. Erschreckend! Ein völlig inakzeptabler Ton.

Und inhaltlich: da gibt es ein paar Kritikpunkte zur Geschichte der Energiewende etc, die nachvollziehbar und „wahr“ sind- ja! Aber zu schreiben, dass heute, anders als das herrschsüchtige und egoistische Deutschland, vor allem Großbritannien Seite an Seite mit Polen (!) sich für ein wertebasiertes Europa einsetzt- mit Polen, das seit seiner Demontage einer unabhängigen Justiz und demokratischer Strukturen sich zu Recht am Rand eines Sanktionierungsverfahrens von seiten der EU befindet, weil es eben die gemeinsamen Werte damit aufgekündigt hat – das ginge, wäre Karnevalszeit, noch am ehesten als Faschingsscherz durch… Fazit- ein desaströser Artikel – verzerrend, tendenziös, destruktiv- dem in der ZEIT eine Seite Raum zu geben war eine „Schnapsidee“! – Karl-Heinz Grau

 

Wow, da hat Roderick Parkes es „den“ Deutschen so richtig gegeben. Wenn „die“ Briten es nötig haben, ihr angeschlagenes Image auf Kosten Deutschlands aufzupolieren, bitteschön. Für mich eher ein Zeugnis großer Verzweiflung und Ablenkung von den eigenen Problemen. Viele Gründe zum Frohlocken haben die Briten nämlich nicht. Eine immer noch völlig zerstrittene Regierungspartei, die sich im laufenden Jahr den dritten Premierminister gönnt. Nicht gerade Zeichen von Stabilität und Führung in diesem Land. Mir tut die britische Bevölkerung leid, sie lebt auch im 21. Jahrhundert noch in einer festzementieren Zweiklassengesellschaft und bekommt die Folgen des Brexits weit mehr zu spüren, als ihre Eliten. Eliten, die wohl ihr Pfründe gut zu hüten wissen.

Ich bin keineswegs immer mit dem Handeln unserer Regierung einverstanden und auch keine Freundin von Schlingerkursen. Dennoch denke ich, dass ein Überdenken und ein Nachbessern politischer Entscheidungen kein Zeichen von Schwäche ist, sondern ein Zeichen von Lernfähigkeit. Ich finde es übrigens völlig legitim, dass eine Regierung auch die Interessen des eigenen Landes vertritt und eine (deutsche) Regierung ist am Ende der eigenen Bevölkerung Rechenschaft schuldig. Vielleicht ist das in Großbritannien nicht so en vouge.

Roderick Parkes spielt mit dem Begriff „Siegermächte“ auf das Ende der beiden Weltkriege an. Der Krieg in der Ukraine ist längst nicht vorbei, der Ausgang offen. Angesichts des täglichen großen Leids in der Ukraine finde ich ein Schwadronieren darüber, welches Land nach Kriegsende wohl zu den Siegermächten gehören werde und mit Häme darauf zu verweisen, Deutschlande werde nicht dabei sein, unangemessen und schamlos.

Es spielt doch gar keine Rolle, ob Deutschland zu irgendwelchen Siegermächten gehört oder nicht. Gleiches gilt für Großbritannien, die USA und Polen. Herr Parkes, es geht einzig darum, dass der Krieg baldmöglichst zum Ende kommt und die Ukraine mit der Hilfe des Westens wiederaufgebaut wird. Mögen sich britische Eliten gerne an der selbst kreierten Rivalität zu Deutschland wärmen und sich überlegen fühlen. Peinlich ist das. Deutschland als „moralischen Zwerg“ mit einem wackeligen Stromnetz werden sie dennoch nicht erleben. Cheers! – Regina Stock

 

Was ist bloß in die ZEIT Redaktion gefahren, diesen dümmlichen und zutiefst unfreundlichen Gastbeitrag von Roderick Parkes zur deutschen Zeitenwende in der Rubrik STREIT zu veröffentlichen? Oder sollten die verwegenen Vorwürfe an Deutschland und die ziemlich primitiven Verallgemeinerungen über die deutschen Eliten bzw. die deutsche Politik doch englischer Humor gewesen sein?

Nein, der Leiter des Zentrums für Europäische Zukunftsfragen der Deutschen (!) Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin entpuppt sich selbst als Mensch mit englischem Minderwertigkeitskomplex, der offenbar die hierzulande offen diskutierten und zugegebenen Lehren der Vergangenheit (fast aller Politiker und Parteien) mit deutscher Überheblichkeit verwechselt. Der Mann liegt falsch! – Peter Breuninger

 

Was ist denn das bitte für ein Wissenschaftler, der uns im Brustton der Überzeugung verkündet, was „die Briten“ über „die Deutschen“ denken? Wenn man weiter liest, merkt man, dass es hier eigentlich um das krude Weltbild von Herrn Parker geht. Ausgerechnet Polen (wo die Regierung die Demokratie scheibchenweise demontiert) wird uns als leuchtendes Beispiel für ein wertebasiertes Europa angepriesen. Welche Werte sind das? Gott, Familie Vaterland? „Wollt ihr uns auf den Arm nehmen?“ ist der Artikel betitelt. Das möchte man in der Tat die Zeit-Redaktion fragen, die entschieden hat, einen derart unterirdischen Artikel ins Blatt zu nehmen. – Rainer Güttner

 

Ist das jetzt Satire, was sie da fabriziert haben? Der Einzige, der hier irgendjemanden auf den Arm nimmt, sind Sie! Ich bin erschüttert, daß ein Forschungsdirektor der DGAP sich derat unreflektiert mit Stammtischsprech (nach dem 5. Bier) in der Öffentlichkeit präsentiert und ihm die Ehre zuteil wird, diesen Unsinn in einer der angesehendsten Zeitungen Deutschlands zu verbreiten.

„Es über­rascht mich, dass Herr Stein­mei­er die Hal­tung von Deutsch­lands Bünd­nis­part­nern zu ken­nen glaubt. Ich bin ein Bri­te in Ber­lin und ver­fol­ge die Zei­ten­wen­de, nun ja, be­ruf­lich. Bis­her wur­de ich kein ein­zi­ges Mal ge­fragt, was die Men­schen in Großbri­tan­ni­en über Deutsch­land den­ken. Kein Wun­der. Seit un­se­rem Vo­tum 2016 aus der Eu­ro­päi­schen Uni­on aus­zu­tre­ten, füh­len sich die Deut­schen den Bri­ten mo­ra­lisch über­le­gen. Sie ge­ben nicht mehr viel auf un­se­re Mei­nung. Ich den­ke al­ler­dings, dass die bri­ti­sche Sicht auf die »Zei­ten­wen­de« auf­schluss­reich wä­re. Sie könn­te die Deut­schen so­gar ein we­nig er­schüt­tern.“ 1. Das ist Herr Bundespräsident Steinmeier.

2. Deutschland steht jeden Tag im Austausch mit seinen Bündnispartnern. Auf Regierungsebene, auf Ebene der Ministerien, durch eine Vielzahl von Gremien wie der Atlantikbrücke z.B.. Unser Bundespräsiden ist sicherlich Mitglied solcher Netzwerke. Aber Herr Parkers weiss natürlich genau, daß unser Herr Bundespräsiden noch nie mit einem ausländischen Politiker gesprochen hat, schon garnicht mit britischen. Das erklärt natürlich ihre Überraschung, oder? 3. Es ist natürlich auch ein Fakt, daß Deutsche nur wissen können, wie Briten denken, wenn Dr. Roderick Parkes ihnen das erklärt hat. Im Umkehrschluss heisst das natürlich, dass die Deutschen keine Ahnung von den Briten haben. Logisch, Herr Dr.!

4. Die gesamte Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs in der EG bzw. der EU waren von britischer Rosinenpickerei geprägt. Großbritannien hat für sich immer Sonderrechte beansprucht, während die deutsche Mitarbeit in der Gemeinschaft eigentlich immer das Ziel hatte, einen Interessenausgleich herbeizuführen. Das ging dann allerdings insbesondere bei Frau Dr. Merkel soweit, daß Deutschland sich immer ganz hinten angestellt hat.

5. Der Brexit war ein taktisches Spielchen von einem konservativen Britischen Premmierminister: PM David Cameron. Sein Ziel war doch bekanntlich, eine knappe Mehrheit für den Verbleib in der EU zu erreichen, um den sogenannten „Partnern“ in der EU mal wieder zu zeigen, wie gering die Zustimmung der Briten zur EU sei, und daß die „Partner“ daher auch in Zukunft die Sonderrolle Großbritanniens in der EU zu respektieren hätten. Man kann das auch als Erpressung bezeichnen, Herr Dr. Parkes. Nur ist der Plan gescheitert, und seitdem reden britische Konservative den Brexit schön. Das war die britische Strategie, solange man „Mitglied“ in der EU war. Immer hat der britische Schwanz mit dem Hund EU gewedelt.

6. Natürlich geben wir nicht mehr viel auf die Meinung der Briten: Dieses Volk hat sich Leuten wie Rupert Murdoch ausgeliefert, seine „Elite“ ist ein Haufen Snobs, bei denen die angeblich hochgradigehervorragende Ausbildung an Institutionen wie Eton oder der Universität Oxford offenbar nur den Erfolg hatte, sich für was besseres zu halten und zu glaubten, man dürfe sich ungestraft die Taschen voll machen und auf das Volk gönnerisch herabblicken.

7. Was man zur Ehrenrettung dieser Snobs natürlich hervorheben muß, ist die unmissverständliche und uneingeschränkte massive Hilfe für die Ukraine im Verteidigungskampf gegen Russland. Großbritannien erfüllt also seine vertraglichen Verpflichtungen aus dem Budapester Memorandum vorbildlich. Deutschland und Frankreich unter Merkel und Hollande glaubten ja, es würde dem Frieden in Europa eher dienen, wenn die Ukraine nicht zu ihren Lebzeiten Mitglied der NATO würde. Leider.

8. Es gibt zahlreiche Dinge, die ich an den Briten sehr schätze, großartige Ingenieure hat dieses Volk hervorgebracht: Isambard Kingdom Brunell, Sir Nigel Gresley, Sir Alec Issigonis, um nur 3 zu nennen. Sie haben uns nach dem barabrischen deutschen Krieg von 1939-45 geholfen, wieder ein (hoffentlich) geachtes Mitglied der Völkerfamilie zu werden. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken. Aber: Leider gibt es sehr alte Demokratien auf der Welt, deren Fundamente von reaktionären Demokratieverächtern gerade zerstört werden. Großbritaniens Konservative sind da gerade voll dabei, und das Ergebnis kann eigentlich nur sein, daß das UK in wenigen Jahren Geschichte ist bzw. nur noch aus England und Wales besteht. Man kann sich auch totsiegen, Herr Dr. Parkers.

9. Wenigstens hat Deutschland unter der ersten Ror-Grünen Bundesregierung die Energiewende eingeleitet. Dass darauf wieder 16 Jahre Stillstand unter Merkel folgten, wollte offenbar eine Mehrheit der Menschen in Deutschland. Manchmal ist Demokratie eben etwas anstrengend. Aber so anstregend wir die unreformierbare britische Demokratie ist unsere junge Demokratie in Deutschland glücklicherweise nicht.

Den restllichen Unsinn aus Ihrer Feder zu kommentieren, erspare ich mir jetzt aber. Nachher weinen sie noch, weil ich ihr grandioses Selbstbild beschädigt habe…. Und die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik sollte sich mal mit der Frage beschäftigen, ob es nicht geeignetere Kandidaten gibt ür den Posten ihres Forschungsdirektors gibt. – Torsten Frieboese

 

Was will der Experte, Roderick Parkes, mit seinem Beitrag wohl sagen? So viel Quatsch und mangelnde Differenziertheit von einem Experten habe ich schon lange nicht mehr in der ZEIT gelesen. Wenn Herr Parkes mit seinem Beitrag Politiker ansprechen wollte, hat er das falsche Medium gewählt. Soll er seinen Beitrag doch direkt an den/die Politiker richten, vielleicht auch in Form eines offenen Briefes in der ZEIT. Dann kommt seine Einschätzung auch beim Adressaten an und der Adressat kann trefflich streiten, wie diese Rubrik der ZEIT ja auch provozieren will.

So wie Herr Parkes schreibt, hat er auch die falsche Zuweisung gewählt, denn die vielfach zitierten „Deutschen“ und „Briten“ sind keine Politiker sondern Bürger ihres Landes mit vielfältigen Meinungen zu den beschriebenen Themen. Und die meisten deutschen Bürger wollen wahrscheinlich weder schneller noch flexibler sein, noch Zeitenwenden einläuten oder als beendet erklären. Briten wahrscheinlich auch nicht. Gleichwohl, Zeiten ändern sich und das bemerken Bürger recht schnell.

Ob sie dazu das Wort „Zeitenwende“ zum Verstehen des Zeitenlaufes brauchen oder nicht, sei mal dahingestellt. Doch bemüht Herr Parkes das Wort Zeitenwende allzu hoch aufgehängt, so als wäre das Alltagsleben mit all seinen Wendungen ein aristotelisches Drama mit Vorhang auf, leidtragender Handlung und Vorhang ab. Ein Schelm, wer denkt, dass hier ein Experte beleidigt ist, nur weil er, ich zitiere, „kein einziges Mal gefragt (wurde), was die Menschen in Großbritannien über Deutschland denken.“ Vielleicht gut so! – Gerd Bohr

 

Roderick Parkes legt mit seinem Artikel zurecht den Finger in so manche deutsche Wunde. Aber diverse britische Wunden verdrängend sich auf den ukrainischen Sieg zu freuen, um dann „Ätsch!“ sagen zu können – was ist das denn für ein Kindergartenniveau! – Brigitte Kasten-Ganser

 

Sie wundern sich, dass Sie nie danach gefragt werden, was die Menschen in Großbritannien über uns Deutsche denken. Haben Sie sich schon mal Gedanken gemacht, ob es vielleicht an Ihnen liegen könnte? Selten habe ich einen so arroganten, hämischen, faktenlosen und zudem leider – very unbritisch – humorlosen Artikel gelesen wie Ihren.

Die Sichtweise eines Landes, das seit über 1000 Jahren keine Invasion durch Bodentruppen erlebt hat, ist zwangsläufig eine andere als desjenigen, das wahlweise seine Nachbarn und die Welt mit Krieg überzogen hat oder aber als Kampf- und Durchmarschplatz fremder Truppen diente.

Scheinbar lustvoll beobachten Sie die Katastrophen und das Chaos in der deutscher Politik – sei es Zeitenwende oder Energiewende – und verweisen auf eine „Piranha-gleiche“ Effizienz und Flexibilität der Politik im Königreich. Eine interessante Sichtweise bei drei Premierministern in sechs Wochen – dafür haben wir fast 30 Jahre gebraucht.

Sie stellen fest, dass Deutschland rücksichtslos und zynisch geopolitische Interessen verfolge und die EU als deutschen Marktplatz betreibe. Ihr einziges Beispiel Griechenland hinkt: Sie vergessen zu erwähnen, dass Griechenland, übrigens wie Irland und Portugal, auch dank einer gemeinschaftlichen (wohlgemerkt, nicht deutschen!) Austeritätspolitik heute bestens im Euroraum aufgestellt ist.

London als weltweite „money laundry“, in der bis vor wenigen Monaten russische Oligarchen ihre Vermögen parken und ohne die engen Regeln eines EU-Finanzplatzes vermehren durften, ist nicht gerade ein Beispiel für gelebte Moralität. À propos Moral: Offenbar setzen Sie Moral mit militärischen Bündnissen und Waffenlieferungen gleich. Die Aufnahme von über einer Million ukrainischen Flüchtlingen und deren prompte Einbindung in den Arbeitsmarkt, die sozialen Systeme und Schulen des Landes ist Ihnen keine Silbe wehrt.

Angesichts der regressiven Asylpolitik des Königreichs, England schon jetzt zum moralischen Sieger des Krieges zu erklären, ist eine – diesmal passt es – zynische Verkehrung der Tatsachen. Abgesehen davon darf auch in militärischer Sicht bezweifelt werden – verständlicherweise sind belegbare Zahlen nicht verfügbar – ,dass das Königreich bisher auch nur einen Panzer, eine Abwehrrakete oder nur einen Schuss Munition mehr der Ukraine zur Verfügung gestellt hat als Deutschland.

Ihr außenpolitischer Ansatz ist rein kompetitiv: Deutschland und England seien Rivalen in Europa, in dem England aktuell Bündnisse um Deutschland herum schmiede, so mit Polen und den skandinavischen Ländern. Der deutsche Führungsanspruch, den Sie als zentrales Element aus der Zeitenwende herauslesen, ist vielleicht anders gemeint als Sie es auffassen oder als man es rein geschichtlich interpretieren müsste. Sie ergötzen sich an seinem Scheitern (nach Ihrer Interpretation) auf typisch deutsche Art: mit Schadenfreude („Wow, was für eine Zeitenwende!“). Vielleicht sind Sie einfach schon zu lange bei uns.

Irgendwie klingt das bei Ihnen alles nach „Rule Britannia“. So als würde ein naturgegebener Führungsanspruch der Briten vom Emporkömmling Deutschland erneut in Frage gestellt und dessen vorprogrammiertes Scheitern allenfalls zur Belustigung britischer Aristokraten taugen. Das ist eine verdammt antiquierte Sicht für jemanden, der sich beruflich mit der der Zukunft Europas beschäftigt. Ich bin trotzdem stolz darauf, dass Sie mit Ihren Ansichten das Zentrum für europäische Zukunftsfragen in Deutschland leiten und das sogar teilweise steuerfinanziert. Das nenne ich mal britisch liberal.

Übrigens spreche und diskutierte ich viel mit meiner englischen Familie über die Beziehung unserer beiden Länder. Eine Großtante hat sich in den dreißiger Jahren in einen Engländer verliebt und ist nach Sheffield ausgewandert. Mein Onkel war lange MP für die Torys. Oft frage ich meine Cousins nach ihrer Meinung über uns Deutsche. Meist bekomme ich interessante und aufschlussreiche Antworten, immer gewürzt mit einer Portion britischen Humors. Versuchen Sie es doch auch mal! – Dr. Richard Fechner

 

Meines Erachtens ist die Häme hinsichtlich Deutschlands angesichts der politischen und sozialen Verhältnisse in Großbritannien und in den USA sowie der Demontage von Rechtsstaat, Freiheit und Demokratie in Polen ziemlich unangebracht, aber die zentrale Aussage ist leider korrekt: Ziemlich vielen Deutschen und ziemlich vielen deutschen Politiker*innen geht der eigene Wohlstand über alles in der Welt – auch über die Freiheit und das Leben der Ukrainer*innen. Ich fürchte, viele Deutsche sind sogar bereit, für Wohlstand auf eigene Freiheiten zu verzichten.

Aus Angst vor hohen Gasrechnungen und Lebenshaltungskosten und aus Angst vor einem – höchst unwahrscheinlichen – Angriff Putins auf Deutschland mit Atomwaffen wollen sehr viele Deutsche den Ukrainer*innen die zur Verteidigung bzw. – in den derzeit von russischen Truppen besetzten Gebieten – Wiedererlangung der Freiheit notwendigen schweren Waffen verweigern und machen sich so mitschuldig an Unterdrückung, Elend, Folter und Mord.

Das ist wahrhaft eine moralische Kapitulation. Ich halte das für unterlassene Hilfeleistung. Zudem ist es unvernünftg, denn es ist zu befürchten, dass Herr Putin nach einem Sieg über die Ukrainer*innen nach einer Pause, die er zur Wiederaufrüstung der russischen Truppen braucht, das nächste Nachbarland – möglicherweise ein Nato-Mitglied – überfallen lassen wird. – Dr. Ulrich Willmes

 

Wenn Roderick Parkes die „Zeitenwende“ der Bundesregierung als Lachnummer kritisiert, bin ich auf den ersten Blick gewillt, ihm Recht zu geben. Es stimmt ja: Die Bundesregierung betreibt Europa- und Außenpolitik vor allem aus nationaler Perspektive, es geht ihr in erster Linie um die Sicherung des eigenen Wohlstands in Deutschland. Allerdings – und da unterscheidet sich Deutschland signifikant von Großbritannien – ist Deutschland bereit, aus Fehlern zu lernen.

Zugegeben, dieser Lernprozess vollzieht sich nicht gradlinig, da gibt es allerhand Altlasten und alte Gewissheiten abzuräumen, was nicht ohne Schmerzen funktioniert. Aber so wie sich Deutschland am Ende in der Eurokrise nicht für Schäubles Austeritäts-Radikalismus entschieden hat und den Euro bewahrt hat, so entwickelt sich jetzt in der Energie- und Sicherheitskrise langsam ein Verständnis, dass die Zukunft nur gemeinsam gestaltet werden kann – oder gar nicht.

Wohingegen Großbritannien zwar möglicherweise in der Eurokrise auf Seiten Griechenlands war – aber außer Worten keinerlei Solidarität gezeigt hat, schließlich war man ja praktischerweise nicht Mitglied im Euroraum. Und wenn jetzt wirklich – wie es Parkes vorschwebt – Großbritannien zusammen mit den Staaten Osteuropas ein militärisches Bollwerk errichten wollte, so wäre diese Politik Kolonialismus pur: Europa hat in dieser Vision lediglich die Rolle eines Puffers nach Osten, dem man selbst aber nicht mehr angehören möchte. Wer kann eine solche Vision mit echter Partrnerschaft verwechseln? – Dr. Dirk Kerber

 

Englischer Käse. Es ist recht ergötzlich zu lesen, wie Hr. Parkes sich an den, nach seiner Meinung, schweren deutschen Fehlern in der europäischen Politik provokant hochzieht und sich dabei an drei absurden Fragen zu uns Deutschen entlang hangelt, die ihm seine britischen Journalisten-Kollegen angeblich stellen. Aus seinem Artikel spricht der blanke Neid eines Vertreters der britischen Nation, die ihr Leben gerade nicht im Griff hat, vom Ausland belächelt wird und mit der man angesichts des politischen und wirtschaftlichen Chaos im Land fast schon Mitleid haben muss. Doch Mitleid will der Autor nicht, das haben die Briten nicht nötig, sie seien ja selbst eine Führungsnation. Warum, das wird sich in der Zukunft zeigen, kündigt er an. Man darf gespannt sein.

Herr Parkes haut drauf, auf die Politik von Deutschlands Kanzler Olaf Scholz, was sicher nicht immer ganz unberechtigt ist. Dabei hat Parkes nichts Konstruktives anzubieten, sondern prahlt nur mit dem, was den Briten als einziges gut zu gelingen scheint: Ihre militärische Rolle im Ukraine-Krieg. Die Besonnenheit von Olaf Scholz als Trägheit abzutun, ist einfach. Wenn Herr Parkes so gute Analysen parat hat, Vorschläge kann man das wohl nicht nennen, dann sollte er die vielleicht in seinem eigenen Land anbringen. Liz Truss hätte etwas mehr Besonnenheit gut getan, bei ihrem fatalen Eingriff in das britische Finanzsystem. Großbritannien werde Deutschland die Führungsrolle in Europa abnehmen, behauptet er.

Mir scheint das Land eher in DDR-ähnliche Zustände abzufallen, angesichts leerer Supermarktregale und dem Benzinmangel der jüngsten Vergangenheit und angesichts des Wunsches (ebenfalls Liz Truss), Groß-Britannien solle wieder mehr einheimische Äpfel und einheimischen Käse essen. Deutschland mache die EU zu einem deutschen Projekt. Es ist wohl das gute Recht eines EU-Mitgliedslandes, das wirtschaftlich gut da steht, Länder wie das bankrotte Griechenland zum Sparen anzuhalten. Wo kommen wir hin, wenn jeder Geld ausgibt, das er nicht hat? Und wie glaubhaft ist auf der anderen Seite eine britische Politik, die ausländische Arbeitskräfte ablehnt, aber einen indisch-stämmigen Politiker zu ihrem Premierminister macht? Und das auch noch als einzig mögliche Alternative zu Party-Boris, gerade erst Ex-Premier.

Deutschland sei unfähig, die Stimmung jenseits seiner Grenzen zu erfassen. Kann man so deuten. Olaf Scholz ist neu in seinem Job und man wird ihm zugestehen, in seine Rolle hinein wachsen zu dürfen. Dass es eine Gratwanderung zwischen Wirtschaftswachstum und Energiewende ist, hat Scholz wenigstens begriffen. Wenn man kein Wirtschaftswachstum hat, hat man dieses Problem natürlich nicht.

Aus der eigenen desolaten Situation heraus ein anderes Land hämisch zu kritisieren, macht keinen guten Eindruck. Wo bleibt da das vielgerühmte britische Understatement? Das Zurückschlagen eines Landes im Abseits, das sich selbst dorthin buchsiert hat, aber gerne wieder vorne mitmischen möchte – schade, denn ich mag die Briten sehr, mit ihrem unvergleichlichen Humor und ihrer Skurrilität. Der Artikel von Herrn Parkes ist mir jedoch zu skurril, zu verbissen und absolut humorlos. – Gisela Westenberg

 

Nicht dass England so viel klüger, pragmatischer, weitsichtiger wäre!!! Aber wunderbar, dass mal jemand jeden einzelnen Finger in jede einzelne Wunde deutscher Politik und politischer Ansagen legt. Danke Mr. Parkes. – Ruth Balden

 

Im Jahr 1909 schrieb der damalige britische Generalsstabschef Feldmarschall Sir William Nicholson Folgendes: „Die Endziele Deutschlands auf dem Kontinent enthalten im Kern das Streben nach Vorherrschaft auf dem Konitnent, um, wenn es dann stark genug ist, in einen Wettbewerb mit uns um die Vorherrschaft auf den Weltmeeren anzutreten.“ Zitiert aus Niall Fergusson, „Der falsche Krieg“ S.113 Deutschland will wohl, wie damals einige Briten schon äußerten, wieder einmal die Hegemonie in Europa. Ich frage mich, ob Ihre Erkenntnisse mehr auf Wissen oder mehr auf alten britischen Denkmustern beruhen? Damals hieß das Ergebnis Triple-Entente. Heute heißt Ihr favorisiertes Ergebnis UK, Polen und Ukraine. Alles zwangsläufig? – Stefan Delfs

 

Beleidigte Leberwurst. Roderik Parkes äußert sich in seinem langen Kommentar zur „Zeitenwende“ in der deutschen Politik recht unbritisch, unsouverän , ja beleidigt. Die von ihm so beklagte Führungsrolle Deutschlands in Europa haben die Deutschen vor der Wiedervereinigung stets weit von sich gewiesen und auch im größeren Deutschland seit 1990 war sie lange Zeit intern sehr umstritten. Deutschland wurde seine Führungsrolle von vielen Seiten immer wieder aufgedrängt. Klar, wer führt, muss auch mal bezahlen können.

Und dies war den Anderen, auch den Briten, stets wichtig. Als stolzer Deutscher könnte man sagen, wir haben uns unsere Führungsrolle hart erarbeitet. Im Vereinigten Königreich spielte die nostalgische Sehnsucht nach früheren, z.T. glorreichen Zeiten immer eine wichtige Rolle. Chaosstiftender Spielkram. Nostalgie ist in Deutschland hingegen durch die Nazizeit vergiftet. Schade, aber uns bleibt nur der Blick nach vorne. Das ist Zeitenwende. – F. Westerworth

 

Danke für diesen Artikel, der meine Gedanken bestätigt und meine Meinung verfestigt. Warum nicht öfter solch erhellende „Wortblicke“ von außen auf uns? Der Dunst des „Innenblicks“ wird aufgelöst und man erkennt neue Denkwege. Vielen Dank an Mr. Parkes für seine Draufsicht. Wirklich schade, dass nur die ZEIT-Leser davon profitieren. Die Herren Scholz und Steinmeier werden den Artikel sicherlich lesen, aber nicht verstehen! – Klaus Prinz

 

Der pinkelnde Hund in der Überschrift lässt schon darauf schliessen, dass da ja jemand richtig „angepisst“ zu sein scheint. Man kann ein gewisses Verständnis dafür haben, dass Briten neidisch auf ein reiches und politisch stabiles Deutschland sind, dessen Regierung anders als die britische in der Corona- und Ukraine-Krise mit Geld um sich werfen kann. Vermutlich sehen Sie sich deshalb wenigstens gerne in der Führungsrolle im Ukraine-Konflikt.

Wie das mit einem Pausenclown und anderen kurzzeitigen Regierungs-Chefs gelingen soll, wäre noch zu erklären. Und wo der Traum von der „Siegermacht in Europa“ enden kann, hat die ganze Welt sehen können, als der amerikanisch-englische „Sicherheitspakt“ im Iran einmarschiert ist, um dort 100%ig vorhandene Massenvernichtungswaffen zu finden. Vor diesem Hintergrund wäre etwas Zurückhaltung sicher angebracht. – Andi Pfaff

 

Vielen Dank für den Beitrag von Roderick Parkes. Wir drehen uns in Deutschland immer nur um uns selbst. Ich vermisse bei Bundeskanzler Scholz die große europäische Perspektive und befürchte zu viel deutschen Egoismus. Immer wieder siegt Geld über Anstand. Ich wünsche mir in der ZEIT mehr Beiträge wie diesen aus der Sicht unserer Nachbarn. – Ulrich Hellfritz

 

Ein in seiner Klarheit und Offenheit der Bewertung deutscher Arroganz, Sturheit und Unbeweglichkeit, besser Blindheit, kaum zu übertreffender Artikel. Hervorragend. Die deutsche Regierung spürt die bereits deutlich erkennbare Abwendung und Konkurrenz vor Allem der Osteuropäer offensichtlich nicht. Europe wird künftig nicht mehr nach unseren Schecks tanzen. – H. Giller

 

Ich nehme etwas irritiert und traurig zur Kenntnis, dass Hassbotschaften nun auch in „Der Zeit“ veröffentlicht werden. (siehe Artikel von Roderick Prakes vom 3.November 2022) Ist der Frust im ehemaligen EU-Land Britain so groß, dass er sich in dieser Wortwahl und derartigem Tonfall entladen muss? Erschreckend! – Friederike Buchholz

 

Als Anglistin und demzufolge langjährige Beobachterin des Geschehens auf den britischen Inseln kann ich nur umgekehrt fragen: Will uns Roderick Parkes auf den Arm nehmen? Oder gar sich selbst? Die von der „splendid isolation“ und der Größe des Empires träumenden Eton-Oxbridge-Elite übersieht, wie „herrlich unfähig“ der aktuell vorherrschende britische Politikertypus in der Außensicht erscheint, wie der zweimalige Wechsel des Premierministers innerhalb weniger Wochen zeigt – ganz zu schweigen vom stets unbedacht agierenden Boris Johnson.

Man sieht sich offensichtlich immer noch als Führungselite, auch wenn jeder Zeitungsleser erkennen kann, dass es mit der besonderen Beziehung zu den USA oder dem Commonwealth nicht so weit her ist. Man glaubt an das „eigene Narrativ“ der erfolgreichen Nation, auch wenn der Brexit zu gravierenden Marktturbulenzen und wirtschaftlichen Nachteilen führte, die aber natürlich vor allem die weniger betuchten Bevölkerungsteile verkraften müssen. Auch die bedrohlichen politischen Verwerfungen vor der eigenen Haustür in Folge des Brexit – Stichworte: Nordirland, Schottland – werden negiert, da man sich schon als „Siegermacht“ nach (hoffentlich zeitnah) beendetem Ukraine-Krieg sieht. Ich fürchte, Roderick Parkes meinte es ernst … – Ursula Engelhardt

 

Der Autor beschreibt schon die Siegesfeier, die nach dem Ukrainekrieg in London stattfinden wird. Zu seinem Ruf: „Wow, was für eine Zeitenwende!“ gibt’s noch keine Melodie. Bei Abschiedsvorstellungen in London, nämlich in der Albert-Hall z.B. (auch so ein „gravitätischer“ Deutscher(!), dieser Albert, dessen Familienname 1917 geändert werden musste) wird stets das Lied gesungen „Rule Britania, rule the waves..“ Dasselbe Lied singen die Engländer schon seit 1740. Man kann es jetzt wieder singen ungeachtet der Tatsachen, dass die Briten seither mehrere Weltreiche, wie z..B. die nordamerikanischen Kolonien, die Flotte bei der Seeschlacht von Trafalgar oder die Kaiserkrone von Indien, verloren haben.

Dennoch, oder gerade deshalb werden sie „Rule Britania, rule the waves“ wieder singen, wenn Großbritannien und Polen mit den Vereinigten Staaten zusammen zu den „Siegermächten“ im Europa des 21. Jahrhunderts zählen wird, während Deutschland, der „moralische Zwerg mit wackligem Stromnetz“, daneben steht. Wow, was für ein Selbstverständnis der Briten! Ist das nun angesichts der verlorenen Weltreiche Ausdruck eines zu kompensierenden Minderwertigkeitskomplexes oder bloße Selbstüberschätzung?

Nein, es ist auch nicht Ausdruck von Mobbingbedürfnissen der Briten oder eines ihrer frischen Kabinettsmitglieder! Es ist nur die Meinung des Leiters des Zentrums für Europäische Zukunftsfragen bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, der sich beim Blick in die neue europäische Zukunft mit dem Lied „Rule Britania“ wohl nur Mut zupfeifen will.

Er bedauert, dass er „bisher kein einziges Mal“ nach seiner Meinung gefragt wurde. Nun wissen wir, warum! Tröstlich allein ist, dass die Polen nun wieder dazu gehören dürfen, wo sie doch mit ihrer Zuwanderung nach Großbritannien als EU-Bürger, einen der Hauptgründe für den Brexit, also die Trennung von Europa geliefert haben. Jetzt, da sie ordentlich Reparationsforderungen an die „bloody Germans“ stellen, sind sie wieder willkommen. Wer nimmt hier wen auf den Arm? – Dieter Mlynek

 


 

 

Leserbriefe zu „In der Schwebe“ von Bernd Ulrich

 

Nach unzähligen „Ich müsste mal…“ ist es jetzt – eigentlich eben schon längst – Zeit für ein Danke. Danke für Ihre prononcierten, aber dabei klug abwägenden Analysen, die darüber hinaus nicht nur sprachlich anspruchsvoll, sondern auch ansprechend daher kommen. Das Dilemma, einer möglichen Aushöhlung der Rechtsstaates vorzubeugen, aber dabei die berechtigten Interessen unserer (auch meiner) Kinder und Enkel angesichts von sachzwanggetriebenen Kurzsichtigkeiten und „et hätt noch immer joht jejange“-Bräsigkeit wahren zu müssen, bringen Sie in „In der Schwebe“ perfekt auf den Punkt und leuchten in die Richtung, in der ein Konsens zu finden sein dürfte. Bitte weiter so! – Dr. Dirk Hüske-Kraus

 

Sorry, aber diese verschwurbelte und geradezu unverhohlene Sympathie eines Ihrer Autoren für „Aktivisten“, die sich kraft ihrer zynischen Selbstüberschätzung wissentlich über einfachste Spielregeln eines zivilisierten Zusammenlebens in der Gesellschaft hinwegsetzen und dabei in billigender Arroganz selbst tragische Folgen in Kauf nehmen, ist unerträglich. Für ein Blatt wie die ZEIT ist es zudem einfach nur befremdlich, dass der Text anstelle eines klaren Statements am Ende nur eine Flucht „in die Schwebe“ anbietet – eine nicht weniger selbstgefällige Unverbindlichkeit. – Thomas Bickelhaupt

 

Ein weiterer Beitrag von Bernd Ulrich, der in seiner Tiefe und Prägnanz einen wichtigen Kontrapunkt zu den derzeitigen Reaktionen auf den tragischen Unfall in Berlin setzt. Die populistischen Aussagen unseres Justizministers und des bayrischen Ministerpräsidenten über kriminelle Aktionen der Klimaschützer und die Forderungen nach schneller und harter Bestrafung rufen bei mir als Juristin Fassungslosigkeit hervor. Es waren nicht die Klimaschützer, die eine Fahrradfahrerin angefahren haben mit schlimmsten Folgen, sondern ein LKW-Fahrer. Über die jährlich Tausenden Verkehrstoter und -verletzter regt sich niemand mehr auf, wenn die Volksseele wegen der Aktionen von Klimaschützern nach Rache ruft. – Anette Theimer

 

Chapeau! Es gehört Mut dazu, sich, wenn auch mit Unterstützung von Habermas, mit diesem Artikel zwischen die Stühle zu setzen. Als betroffener Vater von Kindern, deren Lebensgrundlagen durch den Klimawandel bedroht werden, bewundere ich die Klimaaktivisten für ihren Einsatz, als leidenschaftlicher Anhänger der Demokratie und des Rechtstaats sehe ich manche Protestformen im Grenzbereich des Tolerierbaren.

Diese Spannung auszuhalten, b.z.w. „in der Schwebe“ zu halten, unterscheidet sich bemerkenswert von dem Empörungsgeschrei großer Teile der Presse über die Klimaaktivisten, aber auch einer unreflektierten Verschiebung der Protestformen in demokratiegefährdende Bereiche. – Georg Frick

 

Bernd Ulrich will den alten Antagonismus zwischen legal und legitim nicht verstehen oder ihn relativieren. Nicht alles, was in moralisierender Attitüde für legitim gehalten wird, ist aber legal. Die absehbare Verfehlung mancher Klimaziele ist noch lange kein Rechtsbruch, weil von niemandem etwas Unmögliches verlangt werden kann ( 1. Semester Jura ).Natürlich könnte im Handumdrehen jeder fossile Energieeinsatz unterbunden werden. Doch die Gesellschaft würde darüber zusammenbrechen.

Abgesehen davon, dass unser nationales Tun im Weltmaßstab irrelevant ist. Und über Andersdenkende, die Kriminelles nicht bagatellisieren , herzufallen mit Schaum vor dem Mund, zeugt nicht von journalistischer Distanz. Verwegen auch, Habermas gewissermaßen als Zensor und Kronzeugen für sein Gedankengebäude zu bemühen .Der große Denker ist nach lange kein Solon oder gar Moses der Neuzeit. Kurzum: ein verfehltes Plädoyer für exzentrische Klimakämpfer, wofür es vermutlich aber Pluspunkte bei FFF geben mag. – Christoph Schönberger

 

Das Problem des Zivilen Ungehorsams als Sonderform des Protest ist, dass auch der Autor keine genaue Definition dafür gibt, wann denn eine Bedrohung groß genug ist diesen zu rechtfertigen. Je nach politischer Überzeugung kommen sicherlich ganz unterschiedliche Szenarien in Frage. Für die folgende Betrachtung unterstelle ich, dass die Erderwärmung alle denkbaren Kriterien erfüllt.

Demonstration und Protest jeglicher Art nützen nur dann etwas, wenn die Lösung des Problems durch den menschlichen Willen allein lösbar ist. Vordergründig ist dies hier der Fall. Wir können die gesamte Republik mit Windkraftanlagen und Solarzellen zupflastern und so in Summe ausreichend Strom gewinnen, um unseren gesamten Energiebedarf zu decken. Voraussetzung ist natürlich, dass es genau so zügig gelingt Gebäudeheizungen, Mobilität, Industrie und vieles mehr auf Strom umzustellen. Jedoch, Sonne und Wind sind wankelmütige Gesellen. Manchmal fallen sie für ein paar Tage aus (Dunkelflaute). Wir benötigen also Speicher, die zurzeit großtechnisch nicht zur Verfügung stehen. Doch nehmen wir mal an, dass dieses Problem gelöst sei. Können wir dann das 1,5°C-Ziel erreichen?

Einschub: Das spaßige an der Sache ist, dass Deutschland das 1,5°C-Ziel längst gerissen hat. Seit 1881 ist hier die Durchschnittstemperatur um 1,6°C gestiegen (Deutscher Wetterdienst) Solange „wir“ für „wir Deutsche“ steht, ist das schlechterdings nicht möglich, weil dieses „wir“, je nach Lesart, 1,5 bis 2,0% des jährlichen weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortet. Der Zivile Ungehorsam muss also vor allem auf den Territorien großer Emittenten stattfinden. Insbesondere im Falle von China (ca. 30%) wünsche ich gutes Gelingen.

Einige Aktivisten gehen davon aus, dass die Welt nur darauf wartet, dass Deutschland vorangeht. Niemand wartet darauf! Das ist nur ein weiterer Fall grandioser deutscher Selbstüberschätzung. Dazu passt der Betrag „Wollt ihr uns auf den Arm nehmen“ von Herrn Parkes auf Seite 13. Am Deutschen Wesen soll die Welt genesen! Was bleibt zu tun? Runter von der Straße, ab ins Labor, um Speichertechnologien für elektrischen Strom zu entwickeln! – Dirk Hoppe

 

Was ich bei all diesem Gerede von „Rebellion“ und „Widerstand“ (oder: „Ungehorsam“, zivil oder sonstwie) nicht begreife: Der Koalitionsvertrag, also die verlautbarten Ziele der politischen Führung unseres Landes lautet ziemlich weit vorn: „Die Klimaschutzziele von Paris zu erreichen, hat für uns oberste Priorität. Klimaschutz sichert Freiheit, Gerechtigkeit und nachhaltigen Wohlstand. Es gilt, die soziale Marktwirtschaft als eine sozial-ökologische Marktwirtschaft neu zu begründen. Wir schaffen ein Regelwerk, das den Weg frei macht für Innovationen und Maßnahmen, um Deutschland auf den 1,5-Grad- Pfad zu bringen.

Wir bringen neues Tempo in die Energiewende … Schritt für Schritt beenden wir das fossile Zeitalter.“ Kommt das spät? Ja, sicher. Eine vorausschauende Minderheit predigt das seit Jahrzehnten, und wurde und wird dafür konsequent als „Freiheitsfeinde“ gegeißelt. Egal. Es IST zur Zeit erklärtes Ziel der Politik, dieses zu erreichen. Warum möchte jemand „Widerstand“ gegen diese Politikziele leisten?

Statt sich in den demokratischen Diskurs einzubringen, WIE diese schnellst- und bestmöglich verwirklicht werden können? Natürlich bin auch ich der Meinung, dass die Transformation zur Klimaneutralität viel zu langsam geht. Nur, gegen „Nichtstun“ kann man keinen „Widerstand“ leisten. Man kann nur „etwas“ tun. Deswegen geht Ihre Theoriebetrachtung zum Zivilen Ungehorsam in den letzten paar tausend Jahren Zivilisationsgeschichte am Kern des Problems vorbei.

Die Leute sollen in Massen die Orts- und Bezirksgruppen von Bündnis90/Die Grünen oder notfalls auch anderer politischer Parteien stürmen, in Scharen eintreten, und überall – vor allem wo sie fachkompetent sind – einbringen, WAS KONKRET gemacht werden soll(te). Und dann helfen, politische Mehrheiten dafür zusammenzubringen, DASS das (was-auch-immer das dann im konkreten Handlungsfeld ist) gemacht WIRD. So funktioniert Demokratie. Die ganze Energie, die da offenbar ist, muss (sollte) KONstruktiv an die Lösung der Probleme gebracht werden. Und nicht im „Ihr seid ja alle doof!“ „Ihr macht ja gar nichts!“ „Ihr macht viel zu langsam!“ verharren.

Das ist kindisch. Einfach, ja. Aber regressiv. Kindisch. „Ihr“ (wer??) müsst was machen!! NICHTS geht schneller davon, dass sich Leute vor den Türen oder Toren der Bezirksstadträte, der Minister und Senatoren, Abgeordneten und sonstigen Entscheidungsträger zusammenrotten und „Macht mal was!“ skandieren. Nichts. Das wäre ALLENFALLS so, wenn es in jedem Einzelproblem und jedem Zielkonflikt nur eine einzige offensichtlich richtige Lösung gäbe. Das IST nun aber definitiv nicht so. Es GIBT Zielkonflikte, es MUSS Aushandlungsprozesse geben, wer wo was machen und wer wo in welcher Hinsicht seine Wünsche und Bedürfnisse zurückstellen muss.

Deswegen müssen Lösungsvorschläge IN den politischen Prozess eingebracht werden, der grundlegende Boden dafür ist bereitet. Und dann los, ab in die Mühsal der Ebene des Aushandelns mit denen, die vom jeweiligen Vorschlag NACHTEILIG betroffen sind, oder das zumindest glauben. Mit „Ihr seid doof!“ Rufen geht das so wenig wie mit Verkehrsblockaden oder dem Beschmuddeln von Kunstwerken. Das Ziel muss nicht mehr ins gesellschaftliche Aufmerksamkeitsfeld gezogen werden. Es ist bereits die Mehrheitsposition. JETZT geht es um das „Wie“, nicht mehr um das „Ob“.

Und das IST kompliziert. Es bedarf der Aushandlung, keiner „ist doch klar“ Lösungen (alle fossilen Kraftwerke sofort abschalten, allen Straßenverkehr sofort verbieten, …). Die größte Transformation der Menschheit seit der neolithischen Revolution ist nicht mit „Dagegen!“ Parolen zu stemmen. So wenig, im übrigen, wie von einzelnen Führungsköpfen in den „ach so effektiven“ autoritär geführten Staaten. Wir brauchen alle – aber wir brauchen sie im „dafür“, nicht im „dagegen“ – um wirklich Lösungen zu finden. Kreativität, Innovation, Partizipation. Mitmachen! – Christian Naundorf

 

Ich schätze ihre Artikel sehr. Empört hat mich aber, dass Sie im oben genannten Artikel in einem Nebensatz das Drama um die getötete Radfahrerin in Berlin falsch darstellen. Die Radfahrerin wurde von einem LKW überrollt und der rettungsverhindernde Stau wurde durch diejenigen verursacht, die mit viel zu viel Blech um sich herum unsere Straßen verstopfen. Die Schuld an dem Tod der Radfahrerin ausgerechnet denjenigen in die Schuhe zu schieben, die verzweifelt versuchen, gegen diese Missstände vorzugehen, kommt vielen gelegen, ist aber himmelschreiend ungerecht. Die mediale Behandlung dieses Dramas ist zutiefst verstörend, dass Sie da mitmachen, enttäuscht mich. – Cornelia Dittrich

 

Bernd Ullrich wirft der Regierung klimapolitische Verfassungsbeugung vor und lässt ‚in der Schwebe‘, wer krimineller sei: die gewählten politischen Akteure oder die ungewählten selbsternannten Weltretter der aktivistischen Umweltszene. Dazu ein Gedankenspiel: Deutschland schaltet von heute auf morgen alle CO2-Emittenten ab, der Ausstoß sinkt auf Null. Das würde 2 Prozent des globalen C02-Ausstoßes einsparen. Wäre die Welt (das Klima) damit gerettet? Zweifellos nicht. Die Aktivisten würden ihre Aktionen mit demselben Grad an Legitimation und der gleichen Begründung weiterführen, während die Putins, Bolsonaros und Xi Pings dieser Welt sich ins Fäustchen lachen, falls sie überhaupt davon Kenntnis nehmen.

Das führt zur Frage des Nutzens der ungesetzlichen Aktionen, die Bernd Ullrich vollkommen außer Acht lässt. Dabei ist die Annahme wohl statthaft, dass der Protest noch keinen Saulus zum Paulus, bzw. keinen Klimaleugner zum Klimaschützer gemacht hat. Eher dürfte das Gegenteil zutreffen. Die Klebe-Aktionen und der Museumsvandalismus sind nutzlos und dienen allein der Selbststilisierung der Akteure. – Norbert Stöbe

 

Wichtig und so ernüchternd der Hinweis, dass unser Verfassungsgericht den Verkehrsminister nicht verhaften kann, obwohl dieser „in einem Akt fortgesetzten exekutiven Ungehorsams ganz offensichtlich gegen den Geist des Karlsruher Klima-Urteils vom 29.4.2021 verstößt.“ Als Bürger möchte ich diesen Skandal nicht in der Schwebe halten und bitte auch die ZEIT, hier nicht locker zu lassen. Wenn unsere gewählte Regierung selbst höchstrichterliche Urteile ignoriert, braucht es alle zivile und auch mediale Macht, dem entgegen zu treten. Ich nenne zwei mögliche Konkretionen: Start einer Initiative, die Werbung für Produkte verbietet, die gegen den Geist des Karlsruher Urteils bzw. des Pariser Klimaabkommens verstoßen.

Und zwar in Analogie zum Werbeverbot für Zigaretten in Printmedien und im Fernsehen. Diese gefährden und zerstören die Gesundheit der Person, jene die des Planeten. Glaubwürdigkeit gewänne eine solche Kampagne, wenn die ZEIT selber auf derlei Werbeeinnahmen verzichtete. Ich ärgere mich jedesmal, wenn kritische Berichte und Kommentare wie die von Bernd Ulrich in der ZEIT bzw. im MAGAZIN konterkariert, ja geradezu verhöhnt werden durch ganzseitige Anzeigen für klimaschädliche Kreuzfahrten oder Luxusautos, die EU-Grenzwerte völlig aus dem Blick verlieren. Zumindest sollte sich am Fuß solcher Anzeigen, wie auf Zigarettenschachteln, ein Warnhinweis befinden: Vorsicht, dieses Produkt gefährdet Mensch und Mitwelt. – Christoph Störmer

 

Ulrich ist entschieden zu widersprechen, wenn er nach teils klugem, abwägendem Argumentieren am Ende seines Textes das „In-der-Schwebe-halten“ aufgibt, die Störer von „Letzte Generation“ usw. als „klimarealistisch eingestellte Menschen“ bezeichnet und den Regierenden vorwirft, sie beugten die Verfassung. Parlamente, Bundes- und Landesregierungen in Deutschland treffen demokratisch legitimierte Mehrheitsentscheidungen zur Klimapolitik, die von unterschiedlichen Teilen der Bevölkerung jeweils als zu weitgehend, als angemessen oder als nicht ausreichend beurteilt werden.

Eine kleine Gruppe von Menschen nimmt sich in ihrer Selbstherrlichkeit und ihrer moralischen Selbstüberhöhung das Recht heraus, auf diese Politik mit Formen des zivilen Ungehorsams zu reagieren, die andere in der Ausübung ihrer Rechte hindern (sich Festkleben auf Straßen) oder in Gewalt gegen Sachen bestehen (Kunstwerke angreifen, Wände besprühen). 1968 zündeten Menschen, die sich auch moralisch überlegen fühlten, den Kaufhof in Frankfurt an und stellten ihre Tat in einen Zusammenhang mit den menschenverachtenden amerikanischen Napalm-Angriffen in Vietnam. Als ein Politikwechsel ausblieb und die Gesellschaft ihnen nicht folgte, schritten sie zur Gewaltanwendung gegen Menschen, die im Wüten der RAF endete.

Im Prinzip (!) ähneln die Selbstüberhöhung von 1968 und die daraus folgende Bereitschaft zur Gewalt gegen Sachen doch sehr dem Denken und Fühlen der sogenannten Aktivisten von heute, die sich in ihrer Verzweiflung und in ihrem Überlegenheitsgefühl zu ihren Taten legitimiert begreifen und ihre Missachtung demokratischer Mechanismen offen kommunizieren. Was werden die nächsten Schritte von „Extinction Rebellion“, „Letzte Generation“ oder „Just stop oil“ sein, wenn sie das Gewünschte nicht umgesetzt sehen? Wenn es nicht ausreicht, sich auf der Straße festzukleben? – Klaus Keßler

 

Ich wundere mich nicht, dass sich immer mehr Menschen beim Thema Klimawandel radikalisieren. Vergeht doch kein Tag, an dem nicht von sogenannten Experten, Politikern und sonstigen Zukunftspropheten ein düsteres Bild einer bevorstehenden Klimakatastrophe gezeichnet wird. Es ist von Erderhitzung, zunehmenden Sintfluten, Dürren mit Hungerskatastrophen und unbeherrschbaren Flüchtlingswellen die Rede.

Vor allem junge Menschen kriegen (zu Recht?) Angst, wenn man zur Frage, ob wir bis zum Ende des Jahrhunderts nun 1,5 oder 2 oder gar 3 Grad Temperaturveränderung erleben werden, nur noch mehr oder weniger dramatische Weltuntergangsszenarien prophezeit. Vor diesem Hintergrund scheint mir eine Radikalisierung der Umweltaktivisten fast unabwendbar.

Wir sollten aber die illegalen und zunehmend radikalen Aktionen dieser Menschen nicht relativieren. Sie gehören verfolgt und bestraft. Aber: wenn es nicht gelingt, die offenbar zutiefst verunsicherten und verängstigten Menschen der selbsternannten Last Generation nicht zusammen mit seriösen Wissenschaftlern und Politikern an einen Tisch zu bringen, um sich auf ein realistischeres Bild der Zukunft und wie sich die Menschheit auf die Veränderungen einstellen kann, zu verständigen, dann könnte die Radikalisierung ungeahnte Ausmaße annehmen. – Peter Breuninger

 

Ich bin ein stiller Klimaaktivist! Und viele, die z.B. auch klimaschonende Maßnahmen bei ihrem Eigenheim umgesetzt haben verdienen dieses Attribut. Ob man die Aktionen der Klima Gruppen nun kriminell findet oder es eine Art ziviler Ungehorsam nennt, ist für mich zweitrangig, weil der eigentliche Anspruch nämlich Klimaaktivist oder -in nicht erfüllt wird. „Dies gehöre nun mal zum zivilen Ungehorsam“ hatte die Aktivistin Neubauer mit Bedauern gestern im ZDF Interview noch betont. Sich als „Letzte Generation“ zu bezeichnen ist schon eine Anmaßung und eine absolut elitäre Position. Heißt das heute nicht: Aneignung falscher Identitäten.

Die Verbindung zum Klimaprotest, also fürs Klima zu protestieren erschließt sich mir nicht. Bisher habe ich nicht wahrgenommen, daß Klimaaktivisten sich auf einer Wiese versammeln und dafür protestieren, damit dort eine Fotovoltaik Anlage oder ein Windrad entstehen soll. Hierfür Finanzmittel zu organisieren wäre eine positive Aktion. Besetzt den Golfplatz in der Wüste. Oder bildet Menschenketten durch Europe als symbolische, zukünftig zu bauende Wasserstoffpipeline. Oder tretet im sonnigen Süden in den Hungerstreik damit dort ein Sonnenkraftwerk gebaut wird. Und ruft „Musk Help“. Wozu haben wir Verstand? Um Probleme zu lösen. Um positiv oder konstruktiv zu wirken.

Diese Aktivisten haben letztlich keine wirklich inspirierenden Ideen für ihr (unser) Anliegen. Gerade im städtischen Straßenverkehr zählt jede Minute damit der Notarzt zum Unfallopfer durchkommt. Ich weiß aus meinem privaten Umfeld wie schnell ein Hirntod droht. Eine solche Straßenblockade hat rein gar nichts mit Klima Aktivismus zu tun. – Franz Simon Schwenk

 

Es muss schwer sein für Anhänger der Grünen Sache zu erleben, dass Die Grünen jetzt, wo sie könnten, der Grünen Sache nicht mehr dienen und Dunkelgrüne zu radikalen Mitteln greifen. Bei deren Beurteilung flüchtet man sich daher gern ins Ungefähre. Alte, die trotz ihrer Erfahrung sich über die Jugend nicht beklagen, die alles tun darf und sagen, sind keine neue Offenbarung. Alte, die selbst Rebellen gewesen, Schmäher der Gesetzestreue, vielleicht noch heute ohne Reue, wollen ihr die Leviten nicht lesen. Wenn sich Demonstranten festkleben und den Wegs nicht freigeben; wenn sie Kunstwerke zerstören, die ihnen nicht gehören, dann ist und bleibt das nicht richtig, auch wenn die Alten nachsichtig. Wem nützen die Narren, die auf ihrer Freiheit beharren? – Johannes Kettlack

 

Nur im Rechtsstaat kann es wirksame Klimapolitik geben. Aber die Klimakatastrophe wird unseren Rechtsstaat langfristig zerstören. Ein Rettungswagen in Berlin wurde behindert, aber wie häufig werden Rettungen behindert, wie häufig werden schwere Unfälle durch Raserei verursacht, wobei die Raser das Risiko bewusst in Kauf nehmen. Ein Minimalkonsens wird von vielen Politikern nicht angestrebt. Ein gutes Beispiel ist München, da wurde maximale Härte gegen IAA-Demonstranten gefordert und gerade 30 Tage Gewahrsam für „Klimakleber“ verhängt.

Die geradezu verzweifelten Versuche der Klimagruppierungen sind unangemessen, weil das Problem so gewaltig ist und die Politik so unfähig und unwillens, endlich angemessenen zu handeln. Bei kleinen Vergehen herrscht dagegen eine Haudraufpolitik, da gibt es keine Bedenken. Das ist schlimm und wird möglicherweise eine Radikalisierung der noch friedlichen Proteste verursachen. Vielleicht wünschen sich das manche Politiker sogar, weil dann so richtig durchgegriffen werden kann. – Sabine Kiermaier

 

In Ihrem Artikel sehen Sie in der Attacke auf Kunstwerke, also Schätze der eigenen Kulturgeschichte einen gerechtfertigten zivilen Ungehorsam und verurteilen die, die dies als Kriminell bezeichnen als „Klobig“ bzw. dafür eine „Nulltoleranz“ besitzen, als Personen mit einer „Überschätzung“der Rechtwinkligkeit des Rechtsstaates“. Die „Rechtwinkligkeit“ des Rechtsstaates, also die klare Zuordnung von strafbar und nicht strafbar unter ein gesetzliches Regelwerk ist ein Grundpfeiler unserer dreigeteilten Verfassung in Legislative, Exekutive und Jurisdiktion. Die Befürwortung von Moral oder Ethik als Rechtfertigung dafür, ob eine Handlung mal als gerechtfertigt und mal als kriminell bezeichnet wird, führt zu einer puren Willkür.

Ganz wie bei Orwell 1994 mit der Gedankenpolizei oder bei Animal farm: Some animals are more equal than others. Das hätte als Überschrift besser gepasst. In der Schwebe bedeutet laut Duden :noch nicht entschieden sein! Ich finde man könnte es auch wörtlich definieren: In der Schwebe-die Bodenhaftung verloren haben, losgelöst von der Schwerkraft von unserem Rechtsstaat.

Die „jungen, klimarealistisch gesinnten Menschen“ , die demonstrieren und mit Worten Steine ins Rollen bringen wollen, sind nicht kriminell und niemand, der auf den Füßen, also mit Bodenhaftung und nicht in der Schwebe! steht, bezeichnet sie als solche, aber Menschen die Kunst beschädigen, Rettungswege blockieren etc sind kriminell und ich finde eine liberale, und eben rechtsstaatliche legitimierte überregionale Wochenzeitung sollte dafür klare Worte finden. – Dr. Beate Janert

 

Hervorragend! Diese Argumentation macht AfD Sympathisanten und Nachplapperer sprachlos.Umbiegen kann man leider damit niemand.Aber wir beginnen im kleinen,alltäglichen und schweben in eine sehr ungewisse Zukunft. Montagsdemos immer wieder gegen Atomkrieg,Diktatoren und Ausbeuter als ziviler (Un-)Gehörsam ! – Dr. Lothar Wildmoser

 

Ob die Vehemenz des Protestes gemessen am Grad des Klimawandels und in Relation zu dem diesbezüglich Menschenmöglichen unverhältnismäßig ist, vermag ich – wiewohl kaum ein Erdenkind – nicht zu beurteilen. Doch wann immer selbst sachlich berechtigte Kritik derart destruktiv und eben nicht basisdemokratisch „geäußert“ wird, kollidieren Weg und Ziel.

Es dürfte also wiederholt nicht ausreichen – zumal eine gesellschaftlich höchst umfangreiche Thematik betreffend – Mitmenschen mit anderen Ansichten, Einstellungen und Mitteln qua Rabiatheit vom eigenen Bewusstsein und Blickwinkel zu überzeugen. Denn für die Erkenntnis von Größe/Wertigkeit (eines Sujets) braucht es stets Duplizität: Das Vorhandensein und das Erfassen ebendieser. Dass wir Menschen allerdings allzu oft an dem Ast sägen, auf dem wir – ob jung oder alt – sitzen, lässt sich genauso wenig bestreiten, wie die Erfahrung, dass höhere Strafandrohungen selten zu weniger Unrecht führen. – Matthias Bartsch

 

Ihren Artikel über den zivilen Ungehorsam habe ich mit Interesse gelesen. Das Nachdenken über den zivilen Ungehorsam, über Recht und Unrecht und den autoritären Legalismus, fängt jedoch nicht erst bei Habermas an. Schon Gustav Radbruch schrieb einmal sinngemäß: Wenn der Widerspruch des politischen Gesetzes zur Gerechtigkeit unerträglich ist, so muß das Gesetz als unrichtiges Recht der Gerechtigkeit weichen. An einer langen kahlen Mauer, die den Besitz eines Industriebosses vor Einblick schützte, fand ich einmal den eindrucksvollen Satz, „Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht“, der u.a. Bertolt Brecht zugeschrieben wird.

Und wenn ich in der Geschichte noch weiter zurückgehe, dann finde ich in Henry David Thoreau‘s Essay „Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat“ den Satz: „Diese Spannung zwischen menschengesetzten Gesetzen und Gerechtigkeit muß aufgegeben werden zugunsten einer Harmonie mit den natürlichen Gesetzen.“ Ich meine, es wäre es wert, einmal in der ZEIT sehr viel ausführlicher über dieses Thema „Ziviler Ungehorsam“ zu schreiben. Leider wird so vieles in der ZEIT nur in der Schwebe haltend, oberflächlich schlurfend und nicht in die Tiefe pflügend behandelt.

Eine Bemerkung am Rande: Ihr Artikel ist gut lesbar und verständlich, ganz im Gegensatz zu so vielen anderen Journalisten, die in der ZEIT schreiben, und deren Artikel man ohne ausreichende Kenntnisse der neuesten Modemarken und Modeerscheinungen, der bevorzugten kulinarischen Genüsse, der aktuellen Filme und Fernsehserien und der letzten und neuesten englischen Modewörter in der deutschen Sprache nicht verstehen kann, weil sie sich zu sehr dem Geist der Zeit anbiedern. – Ingo Rentzsch-Holm

 

„Welche Idioten machen so etwas?“ Wer beschmiert ein Bild von Vincent van Gogh mit Tomatensuppe? Haben wir es mit dem Vandalismus von Geistesgestörten zu tun? Es sind schon Messerattacken auf Gemälde verübt worden, von Menschen, die unter Wahnvorstellungen litten. Die Täter wollen die Klimakatastrophe abwenden. Sie wollen die Menschheit aufrütteln, wollen zeigen, dass es fünf vor zwölf ist. Kritikern halten sie entgegen, die Beschädigung eines Bildes sei nichts gegen die Zerstörung der Welt. Das ist nicht falsch. Aber um die Ecke gedacht.

Joseph Beuys schmolz einmal eine historische Krone ein und formte den Goldklumpen zu einem Hasen. Eine radikale Aktion, die weit über die Kunstszene Menschen in Wallung brachte. Beys stellte das Auratische in der Kunst in Frage. Das verstanden viele Menschen nicht. Noch weniger hätten sie es verstanden, wenn Beuys erklärt hätte, seine Aktion sei ein Beitrag zur Rettung der Welt. Er hätte sich die Frage gefallen lassen müssen, was ein Goldklumpen mit dem Klimawandel zu tun hat.

Was hat Tomatensauce auf einem Gemälde mit der Klimakatastrophe zu tun? Nichts. Es geht den Aktivisten einzig um Aufmerksamkeit. Ihre Aktion soll ihre Botschaft transportieren. Sie unterliegen dem Wahn, jede Tat sei angesichts der Katastrophe erlaubt. Das ist falsch. Deshalb entfachen die jungen Gewissenstäter in erster Linie einen Sturm der Entrüstung über ihre Tat. Die Rettung der Erde rückt kein Stück näher.

Die im 20. Jahrhundert gemachten Erfahrungen von Friedens- und Umweltbewegungen sind weitgehend verloren gegangen. Sie besagen: Direkte Gewaltfreie Aktionen müssen konstruktiv sein. Sie müssen das Ziel des Protests deutlich machen. Das Zeichen, das sie öffentlich setzen, muss selbsterklärend sein. Menschen, die in einem Waldstück campieren, um den Braunkohleabbau zu verhindern, handeln in diesem Sinne konsequent. Diese Aktion hat eine innere Logik. Sie kann Menschen vom Wert des Waldes überzeugen. Vielleicht gelingt es den Platzbesetzern, die Berichterstattung zu beeinflussen. Mit „zivilem Ungehorsam“ haben diese Aktionen nichts zu tun.

In diesem Herbst protestieren vor allem in Ostdeutschland Tausende gegen Krieg und Inflation. Sie folgen keiner Einsicht, sondern einer Tradition. Man könnte auch sagen: sie handeln reflexhaft. Wer nicht einverstanden ist, geht auf die Straße. Das macht man so. Die Unzufriedenen skandieren ihren Unmut und brüllen ihre Wut hinaus. Was passiert, wenn sie keinen Erfolg haben? Dann ketten sie sich vor dem Arbeitsamt an. Oder drohen mit Hungerstreik. Sie blockieren Autobahnen Sie radikalisieren sich, indem sie Kunstwerke zerstören sich an die Museumswand kleben – hilfloser Aktionismus. Sie sind verstört. Sie verstören.

Politische Aktionen müssen, wenn sie wirksam sein wollen, etwas von dem enthalten, was die Aktivisten erreichen wollen. Manchmal müssen sie Gesetze übertreten. Aber nicht wahllos, sondern radikal: das heißt, an die Wurzeln des Konflikts gehend. Als Mahatma Gandhi am Strand des Pazifiks eine Handvoll Salz aufhob, war das mehr als eine Demonstration. Er brach ein Gesetz, das Indern die Salzgewinnung verbot. Die Inder folgten seinem Vorbild und machten einen Schritt in Richtung Unabhängigkeit. Der Weg ist das Ziel. Von dieser Erkenntnis Gandhis sind die Klimaaktivisten und die Herbstmarschierer weit entfernt. – Stefan Moes

 

Klare Kante gegen Klimaschutz-Blockierer. Dieser Tage sorgen wieder Klimachaoten und -Aktivisten für Ärger. Und der ist allzu berechtigt. Aktuell sieht es nämlich so aus, dass das 1,5 Grad Ziel beim Ausstoß von CO2 bei weitem nicht erreicht wird, wenn es bei den bisherigen Maßnahmen bleibt. Der Grund: Führende Politiker, Lobbyorganisationen, ganze Wirtschaftszweige und mächtige Medien haben sich an der fossilen Energieproduktion und am automobilen Verkehr festgeklebt. Das hat schwerwiegende Folgen. Schon in wenigen Jahrzehnten wird der Lebensraum von Milliarden Menschen überschwemmt und verwüstet sein – kein Durchkommen mehr für Rettungsfahrzeuge.

Wie weit dürfen die Klimaschutz-Blockierer noch gehen? Werden sie sich weiter radikalisieren? Die drohende Zerstörung der Lebensgrundlagen stellt für die Klimachaoten offensichtlich keine Abschreckung dar. Braucht es schärfere Strafen und Repressionen gegen die Erderwärmungsaktivisten der „Vorletzten Generation“? Es muss jedenfalls klare Signale geben, dass die Verfehlung der Klimaziele kein Kavaliersdelikt ist. Profitstreben darf kein Freibrief für das Abschmelzen der Polkappen sein. Es ist Zeit, dass Staat und Gesellschaft klare Kante zeigen. – Rudolf Müller

 

Ihre Unterstellungen sind schwer auszuhalten, Herr Ulrich. Ich bin Mitte 70 und in Ihren Augen verantwortlich für Dürren, Fluten, Flucht usw. allein durch mein Gegenwartsbehagen. Dass wir Älteren genauso dringend für unsere Enkelkinder ein Eindämmen der Klimagefahren wünschen und auch etwas dafür tun, kommt Ihnen nicht in den Sinn. Sehr wohl aber, dass Klimaaktivistinnen (Aktivisten schließen Sie anscheinend aus) mit Freundlichkeit behandelt werden sollen eingedenk meiner prekär gewordenen Legitimationsgrundlage. Was soll das überhaupt heißen? Soll ich den Löffel abgeben, damit die Jungen eine Zukunft haben?

Wie gut muss es Ihnen tun, die Schuldigen ausgemacht zu haben! Aber gleich schränken Sie auch ein: Das freundliche Gesicht gegenüber Rechtsverletzern soll diese nicht vor Strafe schützen: „… die Bereitschaft sich zu stellen, verweist auf den Respekt vor dem Rechtsstaat“. Was wollen Sie eigentlich genau? Die Alten diffamieren und die jungen Gesetzesbrecher legitimieren? Ihr Artikel hilft weder dem Klima noch dem gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie spielen Alt gegen Jung aus, dabei geht es doch nur gemeinsam: Alt und Jung vereint im Kampf gegen den Klimawandel. – Elisabeth Buchholz

 

Leider nehmen offensichtlich nur die Klimaaktivist*innen die Klimakatastrophe als so tödlich wahr wie sie ist. Denn wir befinden uns bereits mitten in der Katastrophe. Denn das bereits und die nächsten Jahre ausgestoßene CO2 hat zwar eine unauffällige und schleichende Wirkung. Nur ab und zu kommt es zu katastrophalen tödlichen Ausbrüchen wie Waldbränden, Dürren oder Fluten wie im Ahrtal oder Pakistan.

Aber die jetzige hohe Konzentration an Klimagasen führt unweigerlich zu immer größeren und häufigeren Katastrophen, die uns alle, wo wir auch auf diesem Planeten leben, katastrophal und leider immer öfter auch tödlich treffen werden. Also sind wir alle jetzt schon mittendrin in der Katastrophe und jeder, der unnötig mehr Klimagase in die Welt setzt oder dazu anstiftet, ist ein vorsätzlicher Täter(?). Ziemlich sicher wird das in Zukunft so gesehen, so wie früher das Versprühen von DDT erlaubt war und jetzt verfolgt und bestraft wird.

Aber mit einem Trick immunisieren sich Herr Scholz und die Medien, ja auch „Die Zeit“, gegen diesen Vorwurf und ziehen uns damit immer tiefer in die Klimakatastrophe. Auch Sie stufen in Ihrem Essay kommunikativ die Klimakatastrophe herunter zum „Klimawandel“, „Klimafrage“, „Klimakrise“ oder „Erderwärmung“. Die Zeit nennt ihre Rubrik sogar noch verharmlosender GREEN, was eher nach Gartenkolumne klingt als nach Klimakatastrophe. Zum anderen spielen die Medien, ganz besonders Die Zeit, genauso wie Herr Scholz, den Biedermann und den Brandstifter.

Einerseits berichten Sie getreulich, gestehen, dass es die Klimakatastrophe gibt und dass etwas getan werden muss, andererseits beschleunigen Sie die Klimakatastrophe. Herr Scholz, durch seine Politik, die Medien dadurch, dass Sie auf heuchlerische Neutralität pochend immer noch Artikel und Reklamen veröffentlichen die den klimaschädlichsten Luxuskonsum anfeuern und darüber hinaus auch noch ganz aktiv die klimaschädlichsten Leserreisen anbieten. Zeit Leserreise QE2 – schlimmer geht’s nimmer!

Bitte hören Sie auf, die Klimakatastrophe so verharmlosend zu benennen. Sie verniedlichen damit die immer tödlicheren Tatsachen, die Ahrtal und Pakistan Flutkatastrophen, und die Katastrophenszenarien der anerkanntesten Wissenschaftler herab, zu einem „Wandel“, einer „Frage“, Erwärmung“ oder „Krise“. Ins Ahrtal kam nicht das „Krisen“interventionsteam des Sozialen Dienstes, die Kinder hatten kein „Hitze“frei, sondern ihre Stadt war weg, es kamen das THW, die Bundeswehr und der Katastrophenschutz! Solange die Medien die Katastrophe nicht einmal beim Namen nennen wollen, werden wir uns diesem Thema nur halbherzig widmen: wir als Bürger und die Politiker als Vollstrecker unseres Willens.

Wieder einmal entsteht (un-)gewollt durch die mediale Berichterstattung in unserem Kopf ein harmloseres Bild von der akuten Situation und Gefahr wie gerechtfertigt: „Es geht um eine Krise, es erwärmt oder wandelt sich etwas da wird geredet und es herrscht Uneinigkeit wer wann was bezahlt, tut oder nicht tut.“ „Wer blickt da noch durch, ich werde schon mitbekommen, wenn es was Wichtiges gibt.“ denkt man.

Dennoch beschleicht jeden von uns ein immer unheimlicheres Gefühl. Je bedrohlicher die Waldbrände und Dürren, je tödlicher die Flut- und Hitzewellen, desto größer tut sich in uns selbst ein Graben auf: „Wie viel Verantwortung habe ich und wie verhalte ich mich richtig um die Klimakatastrophe abzumildern?“ „Wälze ich alle persönliche Verantwortung auf den Markt und die Politik ab und tue so, als ob ich eh nichts machen kann oder werde ich selbst aktiv?“

Aber noch will keiner außer den Klimaaktivist*innen eine Spaßbremse sein. Viel lieber lassen wir uns von den Medien beständig durch informierende und unterhaltende Beiträgen versichern: „Es ist (noch) nicht so schlimm, nur eine Krise, gönn dir inzwischen ruhig etwas, denn wenn Du es nicht machst, tun es Andere und damit ist dem Klima auch nicht geholfen!“ Dass es uns an Konsequenz mangelt, hat viel mit den Medien zu tun, die in diesem Stück sowohl die Rolle des Biedermann (Krise) als auch den Brandstifter mit exotischen Leserreisen inklusive Kreuzfahrtschiffen und Interkontinentalflügen spielen. Sie berichten gleichbleibend wertneutral über die Katastrophen und andererseits preisen sie genauso gleichbleibend wertneutral(?) Mode, Reisen, SUV`s, die größten Umweltsünden an.

Solange die Medien die Klimakatastrophe (un-)bewusst ähnlich relativieren wie damals die Risiken des Rauchens in öffentlichen Räumen (die größte Medienkatastrophe bisher!), werden wir den Ernst der Lage nicht erfassen. Solange versäumen wir unsere Pflicht zum Wohle anderer und unserer Kinder, Solidarität und Verzicht zu üben. Solange schätzen wir unser jetziges kleines Glück mehr, wie ein Miteinander kämpfen für mehr Natur, saubere Luft und genug Wasser und Lebensmittel für alle.

Solange verschleppen wir alle Lösungen. Solange machen wir und unsere Politiker uns vor: „Sollen doch die Anderen erst was machen, erst dann werde ich vielleicht mitmachen.“ Dabei bräuchten wir schon längst mehr Konsequenz im Bezug auf alle unsere Klimasünden. Bitte sehen Sie den angefügten Text und Anhang. Es würde mich sehr freuen, wenn Sie mehr über den uns zur Zeit lähmenden gesellschaftlichen Stillstand berichten könnten! – Klaus Siersch

 


 

 

Leserbriefe zu „Lässt Putin mit sich verhandeln?“ von Michael Thumann

 

Lässt Putin mit sich verhandeln? fragt die Überschrift rhetorisch. Frage: Warum sollte er? Im Zuge der Verhandlungen zur Wiedervereinigung hat Russland Versprechen abgegeben und eingehalten: > Wiedervereinigung > Aufnahme der ex.DDR in die Nato > Abzug von 500.000 russischen Soldaten > by the way: auch Putin ging nach Russland zurück etc. Der Westen dagegen hat versprochen, dass es keine Nato-Osterweiterung geben wird und sein Versprechen Land um Land und km² um km² immer wieder gebrochen. Ein schamloser Wiederholungstäter gegen den vergeblichen russischen Protest. Sie erinnern sich? „Not an inch!“

Aus „not an inch“ wurden de facto 2.500 km und Manöver mit Natosoldaten dicht an der ukrainisch-russischen Grenze. Ich habe die russische Reaktion auf den Wortbruch seit mehr als 20 Jahren erwartet und war mir sehr sicher, dass sie gewaltig sein wird. Shakespeare sagt dazu in „Ende gut, alles gut: „Doch dünkt mich keine Sünde, den betrügen, der als ein falscher Spieler hofft zu siegen. Es gibt ein Land, das wir alle kennen und als „Freund“ bezeichnen und das gewohnheitsmäßig seine (Verhandlungs)partner und auch uns abhört und betrügt.

Dieses Land sollte Shakespeare lesen und daraus lernen – und die devoten Vasallen dieses Landes sollten es ebenfalls tun und die Augen öffnen und endlich die Wahrheit über das Gute und das Böse erkennen. Wenn sich dieses Land reumütig seine Verbrechen bekennen würde und glaubhaft Besserung gelobte, dann hätte Putin eventuell einen Grund, mit dem notorischen Betrüger zu verhandeln. Wer glaubt aber an so etwas?

Ich verurteile beides: Den grauenhaften Angriffskrieg und die dreckigen Lügner, die geradezu um diesen Krieg gebettelt und ihn provoziert haben und die furchtbarerweise auch noch von beiden Verbrechen profitieren. Deutschland sollte nicht übersehen, dass Ramstein wahrscheinlich eines der ersten Ziele der Russen sein würde/und logischerweise sogar müsste, falls unser „Freund“ sein kürzlich obszön verkündetes „Recht“ auf einen atomaren Erstschlag tatsächlich einmal in die Realität umsetzen würde. Zweimal hat dieser „Freund“ es ja bereits getan.

Nicht erst seit Hitler wissen wir, dass die Welt – wenn es darauf ankommt – von wahrhaft wahnsinnigen Verbrechern regiert wird und dass stets die skrupellosesten Typen in der Konkurrenz nach oben gelangen. Und die teilweise ahnungslosen und geistlosen Politiker unseres Landes, die nie etwas anderes als die Theorie im Leben kennengelernt haben, die bejubeln den Verbrecher, der ihre Seite regiert und beherrscht. Praktizierte Kumpanei eben, ohne einen Hauch von Wahrhaftigkeit und Charakter und mit eifriger Dankbarkeit für gelegentlich gönnerhaftes Lob des Hegemon.

Man könnte wirklich Angst und Wut bekommen, wenn man nicht eine philosophisch abgesicherte Haltung erarbeitet und die eigene Existenz als für absolut unwichtig erkannt hätte. Zur Erinnerung: Putin hat bereits vor Kriegsbeginn schriftlich und nachlesbar Verhandlungen über den Wortbruch des Westens gefordert und als Alternative den Krieg aufgezeigt, indem er 100.000 Mann an der russischen Grenze aufgestellt hatte. Biden erwiderte: „Wir verhandeln nicht!“ Das war der Druck auf den roten Knopf für den Krieg, durch den die USA Russland endgültig in die Knie zwingen will. Und die Ukrainer bezahlen den unbestreitbarn Vorteil der Amerikaner mit ihrem Leben und wir mit unserem Wohlstand und mit Politikern, die anscheinend jeden Realismus verloren haben. Was also soll die scheinheilig-rhetorische Frage, ob Putin mit sich verhandeln ließe?

Die kleinen westlichen Politikerlein spielen mit unserem Leben und mit ihrem dafür unzureichenden Verstand ein Spiel, dessen Regeln sie nicht kennen, weil der große Bruder sie nach Bedarf und Belieben ändert. Mit resignierten Grüßen und voller Trauer, weil ich an die getöteten Säuglinge, Frauen, Männer und Greise der Ukraine denke, die – ebenso, wie auch die Söhne der russischen Mütter – bei Strafandrohung auf beiden Seiten für eine perverse Machtpolitik zum Sterben gezwungen werden. – Klaus Lachetta

 

Putin denkt unablässig in der ZEIT. Und jeder Denkversteher denkt anders. Es ist an der Zeit, den Putin Denker und seine zahllosen Interpreten ruhen zu lassen !!! – N. Daiss

 

Wann endet dieser Krieg? … Das liegt am „Westen“. Der Ukrainekrieg ist nur ein Symptom; und nicht die Ursache. … Unsere summierten Kohlenstoffemissionen wandeln durch Handeln das Ökosystem. Die planetarische Leistungsfähigkeit sinkt. Dadurch steigt der Evolutionsdruck auf biologische Arten. Soziologisch spaltet der Evolutiondruck die Gesellschaft; und erzeugt Wut und Hass. Wut und Hass erleichtern die Ausgrenzung von Anderen; und letztendlich auch das „Töten“.

Das Töten ist im Ukrainekrieg auf zwischenstaatliche Ebene angekommen. Unwahrscheinlich, dass das bisherige Töten den Evolutiondruck senkt. Es wird weitergehen; andere Länder werden, wie der Iran, werden hineingezogen. … Die Abwärtsspirale frisst sich in zuviele Gesellschaftsräume und bläst zum Sturm gegen die bestehende Weltwirtschaftsordnung. … Taiwan wird wohl die kommende Bruchlinie. Evolutionär gesehen; ist der Ukrainekrieg ein „Druckausgleich“. Vor diesem „Druckausgleich“ wurde in der EU-Zukunftskonferenz gewarnt; und eine neue Weltwirtschaftsordnung angeboten, um das Klimarisiko zu senken. … Danach begann erst der Ukrainekrieg.

Unsere Kognitive Evolution ist eine Lernkurve. Wir wählen zwischen Nachdenken, Nachahmen und Erfahrung. Der Friedensnobelpreisträger EU hat die „Kriegserfahrung“ gewählt. … Ein Rezept gegen Evolution ist Anpassung; und seit mehreren Jahrzehnte verweigert der „Westen“ jeden Diskurs über dysfunktionale Wirtschaftsaxiome, die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse widersprechen. Wie sagte kürzlich Fr. Greta Thunberg treffend: „Die Natur verhandelt nicht“. … Anders formuliert; die Unsichtbare Hand der Evolution ist stärker. Und Sie versteht nur summerische Mengenrelationen; und wirkt daraufhin kollektiv. Evolutionäre Zukunftsszenarien sind:

Wir lernen die Sprache der Natur im Güterkreislauf, um den Evolutionsdruck zu senken. Wir reduzieren die Art, da wir 1 nicht kennen und 3 verhindern wollen. Wir sterben aus, da das Ökosystem kollabiert. Mit Nr. 2 hat Hr. W. Putin das kleinere Übel gewählt. Seine „Kriegspolitik“ ist eine Verbesserung zum „westlichen Weiter so“, was Nr. 3 praktiziert und ein Angebot für Nr. 1 wiederholt ablehnte. – Matthias Losert

 

Der Krieg in der Ukraine zieht sich hin, und die Stimmen werden lauter, die Verhandlungen fordern, um das Töten und Sterben zu beenden. Eine solche Stimme ist die Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland, Annette Kurschuss, die in ihrem Reformationsgottesdienst Verhandlungen mit Putin forderte. Verhandlungen sind gut, Verhandlungen sind immer erstrebenswert. Doch Verhandlungen sind nur möglich mit Menschen, die verhandeln wollen. Frau Kurschuss sollte sich an ihren Kollegen, den ehrwürdigen Patriarchen der Russisch-orthodoxen Kirche Kyrill I., wenden und ihn bewegen, Verhandlungen auf den Weg zu bringen.

Kyrill I. hat Zugang zu Putin, der sich oft genug eine Kerze haltend und sich bekreuzigend in Kyrill I.s Messe zeigt, und von einem Christen kann man erwarten, dass er sich im Sinne Jesu für den Frieden einsetzt. Genau das haben der Generalsekretär des Ökumenischen Rates Ioan Saucer und Papst Franzikus gedacht und Kyrill I., den obersten Bischof in einem Teil der weltweiten Kirche – „Bitte, lieber Bruder, helfen Sie mit, dem Töten ein Ende zu setzen !“ – um eine Vermittlung zu einem Friedensschluss gebeten.

Ioan Saucer und Papst Franzikus sind mit ihrer Bitte kläglich gescheitert. Denn Kyrill I. , der fromme Moskauer Patriarch, ist nicht an einem Ende des Krieges, das kein russischer Sieg ist, interessiert, und er ist folglich nicht bereit, Verhandlungen einzuleiten, die diesem Krieg ein Ende setzen. Kyrill I. hat den Krieg in der Ukraine zu einem Kampf des Guten gegen das Böse erklärt, und das Böse ist der dekadente, unsittliche und unchristliche Westen, für den es nur das eine Ende geben darf: die Vernichtung. Als Putin für den Krieg in der Ukraine die Mobilmachung anordnete, hat Kyrill I. diese Anordnung ausdrücklich unterstützt und den Soldaten, die im Kampf fallen würden, die Vergebung ihrer Sünden zugesagt.

Für Menschen guten Willens ist das schwer auszuhalten, dass Menschen den Tod anderer Menschen wollen und sich nicht umstimmen lassen. Doch so unerträglich uns dieser Gedanke ist, so sehr wir uns nach Frieden sehnen, so sehr wir dem ukrainischen Volk Ruhe und Sicherheit wünschen und sogar den irregeleiteten russischen Soldaten eine gesunde Heimkehr – unsere Sehnsucht darf uns nicht verleiten, unsere Wünsche mit der Realität zu verwechseln. Denn die Realität ist die: Ein Frieden in der Ukraine wird nur dann dauerhaft sein und den Namen „Frieden“ verdienen, wenn er nicht zu Lasten des ukrainischen Volkes geht und die Verbrechen, die in diesem Krieg geschehen sind, verschweigt und unter den Teppich kehrt.

Andere Bedingungen kann es für einen Friedensschluss nicht geben, und nur wenn klar ist, dass diese Bedingungen unverrückbar sind, können Verhandlungen beginnen. Sonst muss – so unerträglich der Gedanke ist – das Töten weiter gehen. Der ukrainische Dichter und Musiker, der Träger des diesjährigen Friedenspreises des deutschen Buchhandels, Serhij Zhadan, eine ukrainische Stimme, drückt das so aus: „Dies ist ein Vernichtungskrieg, und wir haben nicht das Recht, ihn zu verlieren.“ – Ursel Heinz

 

Putin ist kein Staatsmann. Die Frage, ob man mit ihm verhandeln kann, ist, wie auch sehr stringent im Artikel herausgearbeitet, eigentlich mit einem klaren Nein zu beantworten. Aber Kriege sind auch nie ein Dauerzustand, selbst wenn sie wie der Hundertjährige oder der Dreißigjährige Krieg fast unendlich erscheinen.

Daher wird, nachdem beide Seiten kriegsmüde sind oder ihre aussichtslose Situation erkannt haben, ein Waffenstillstand und eine Art Friedensvertrag zwingend sein. Es bleiben jedoch sehr große Zweifel, ob Verhandlungen mit Putin einen Sinn machen. Seine Glaubwürdigkeit ist auf Null gesunken. Sie war eigentlich latent immer auf Null, es wollte nur Niemand eingestehen. Einer, der alle Abmachungen und Verträge bricht, wenn es zu seinem eigenen (nicht Russlands) Vorteil ist, kann und darf kein Gesprächspartner sein. Mit Hitler hätte auch keiner verhandelt. Verhandlungen mit Russland… ja, mit Putin… nein. He is a Gopnik stupid. – W. Scheer

 

Gedanken zur friedlichen Lösung der Ukraine-Krise. In der Analyse der Ukraine-Krise unter dem Titel °Lässt Putin mit sich verhandeln?“ kommt MICHAEL THUMANN (Die ZEIT 03.11.22) zu dem Schluss, dass Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine zur Lösung des Konflikts aussichtslos sind. – Ein eventueller Sieg einer der Kriegsparteien, wenn er überhaupt einträte, würde bis dahin unzählig viele Tote, erhebliche Zerstörungen, vor allem der Infrastruktur, unermessliches Leid (auf beiden Seiten), Folterungen, Vergewaltigungen ect. und letztlich keinen echten Frieden bringen. „Wer garantiert der Ukraine, dass Putin seine Armee nicht kurz nach Friedensschluss wieder aufmarschieren lässt?“

Austauschvereinbarungen, so wichtig sie für die davon Profitierenden sind, und andere geglückte Verhandlungen über kleine Erleichterungen ersetzen nicht eine globale Regelung. Da infolge des Ukraine-Konflikts weltweit Lebensmittelknappheit und besonders in unbeteiligten Entwicklungs-Ländern starker Hunger herrschen, muss man gewissermaßen schon von einem dritten Weltkrieg sprechen. Ihn zu beenden, ist der UN-Sicherheitsrat infolge seines Geburtsfehlers, des Veto-Rechts auch für Usurpatoren, nicht fähig.

Außergewöhnliche Umstände rechtfertigen außergewöhnliche Maßnahmen. Deshalb drängt sich mir der Gedanke auf, die UNO-Vollversammlung aufzufordern, die umkämpften Gebiete der Ost-Ukraine einschließlich der Halbinsel Krim unter die Souveränität, das heißt, unter den Schutz der UNO zu stellen. Dazu müsste die Ukraine freiwillig ihre Souveränität über ihre bisherigen, von Russland widerrechtlich annektierten Gebiete einschließlich der Halbinsel Krim zunächst – für etwa 20 Jahre – an die UNO abtreten. Danach sollte nach Rückkehr der vor dem Konflikt geflohenen bzw. durch Zwang entführten Personen (ohne Neuzugänge aus welcher Region auch immer) eine faire Abstimmung darüber erfolgen, ob diese Gebiete zur Ukraine oder zu Russland gehören oder eine staatliche Selbständigkeit erhalten wollen (Selbstbestimmungsrecht der Völker).

Mit Akzeptanz dieses Modells, das bewusst die Schuldfrage nicht aufwirft, könnten Putin und seine Berater ihr Gesicht ebenso wahren wie Präsident Selenskyj. Über die zu erwartenden vielen „Wenn“ und „Aber“ müssten Kommissionen der UNO-Vollversammlung mit qualifizierter Mehrheit (75 %) entscheiden.

Es wäre m. E. angebracht, dass der deutsche Botschafter bei der UNO mit Billigung durch die Regierung der Bundesrepublik dem Generalsekretär der UNO diese Vision vorträgt und möglichst viele Staaten der UNO von der Notwendigkeit einer baldigen Realisierung dieser Vision überzeugt. Selbst wenn Putin und andere nicht friedliebende Mächte einer solchen Lösung nicht zustimmen, wäre die Annahme einer solchen Resolution durch die überwiegende Mehrheit der Weltgemeinschaft ein starkes moralisches Argument. – F. Heinrich

 

Ich versuche, in diesem Schreiben realistisch zu bleiben – leider ganz im Gegensatz zu Ihnen. Tatsächlich wird man beim Rückblick Ihrer journalistischen ‚Meisterleistungen‘ zu diesem Thema nicht nur den Sinn für Realitäten vermissen, sondern vor allem deswegen auch eine Art ‚bezahltes Verfassen‘ vermuten, überraschenderweise liegt anscheinend in Ihrer Grundlinie eine deutliche Übereinstimmung mit (us-)republikanischen Propaganda-Machwerken, was dieses Thema betrifft.

Selten hat eine ehemals führende deutsche Zeitung so herb daneben gelegen, was den militärischen Verlauf angeht*, so einseitig die Sachlage ermittelt, sich, ungeachtet dessen, weiterhin auf so einen totalen Müll (Verhandlungen mit Putin’s Nachfolger unter US-Führung? Seid Ihr unter Alkohol- oder Drogeneinfluss beim Verfassen gewesen? Russland soll auf amerikanischem Druck einen genehmen Präsidenten wählen?) eingelassen, wie Ihr.

So extrem ideologisch verbeult kann kein Mensch mit ordentlichem Schulabschluss sein, allzumal dem Selenskyj-Regime, abgesehen von andauernden Korruptionsvorwürfen, eindeutig nationalistische und vor allem rechtsradikale Tendenzen zuzuordnen sind, deswegen das Folgende: 2 klare Anfragen (bitte mit „ja“ oder „nein“ beantworten): SCHREIBT IHR IM AUFTRAG UND GEGEN HONORAR/ENTSPRECHEND DER ANWEISUNG DES EIGNERS? VERTRITT EUER AUFTRAGGEBER ‚RECHTE‘ ODER NATIONALISTISCHE WERTE ODER VERTRITT ER US-AMERIKANISCHE INTERESSEN?

*: gerne belege ich das, die Phantastereien über den baldigen völligen Zusammenbruch der russischen Armee, die anstehende Rückeroberung der Krim, die massenhaft überlaufenden Deserteure, die Liste unrealistischer Darstellungen Eurerseits ist endlos – und vor allem mit Ansage, genau wie der Artikel, der dieses Schreiben ausgelöst hat. – Benedikt Press

 


 

 

Leserbriefe zu „Unsicherer Hafen“ von Claas Tatje

 

Herzlichen Dank für das Zurechtrücken der Verhältnisse. Dass Hamburg „einer der letzten bedeutenden Häfen Europas“ ist, die noch keine Beteiligung an Cosco verkauft haben, ist in der hitzigen Debatte offensichtlich niemandem aufgefallen. Lieber wird öffentlichkeitswirksam über den „Ausverkauf Deutscher Interessen“ gejammert und die „Naivität“ des Kanzlers beklagt. Umgekehrt wäre das Geschrei sicher groß, sollte Hamburg als Standort nicht nur hinter Rotterdam und Antwerpen, sondern auch hinter Piräus zurückfallen. Mit diesem Beitrag hat DIE ZEIT für mich wieder einmal ihr besonderes Format eindrucksvoll bewiesen. – Thomas Meichle

 

Warnungen werden einfach ignoriert, die Ampel macht gnadenlos alles mit, was irgendwann Deutschland auf die Füße fallen könnte, ja sogar fallen muss! Und das Allerschlimmste ist, dass sogar die Gegner des Hafen-Deals trotz dieser „feindlichen“ Übernahme im Bundestag mit „Ja“ zustimmen. Was haben wir uns da nur nach Berlin gewählt? Und was macht der arme Bundespräsident, der muss für eine knappe Weile ganz heldenhaft im Luftschutzkeller ausharren, natürlich ganz fotogen, um auch genügend Bewunderung für seinen tollen (Über-)Mut zu erheischen! – Klaus P. Jaworek

 

Deutschland verschleudert ein Viertel des Hamburger Hafens an Chinesische Investoren und verliert damit strategisches Potential. Auf der anderen Seite wird von der Politik hinterfragt, inwieweit man den chinesischen Markt wegen Menschenrechtsverletzungen und mangels Demokratie überhaupt noch bedienen soll. Ein höheres Maß an Dissonanz und Doppelmoral gibt es wohl kaum und es stellt sich die Frage, ob die Protagonisten Zusammenhänge nicht verstehen können oder wollen. – Martin Behrens

 

Vielen Dank für Ihren Beitrag zum geplanten Einstieg der Reederei COSCO beim Betreiber des Containerterminals Tollerort. So verständlich das Ansinnen der Hafenchefin und der Mitarbeiterschaft ist, den Hafenstandort durch die COSCO-Beteiligung zu sichern, erscheint es befremdlich, wenn dies nur durch die nun geplante Beteiligung möglich sein sollte.

Angesichts des steigenden Welthandelsvolumens einerseits und der Schwierigkeit andererseits, die Warenströme zu bewältigen, ohne die Infrastruktur eines Standorts zu überfordern, kann ich die Sorge um Standort- und Arbeitsplatzverlust nur bedingt nachvollziehen. Ist es denn notwendig, mit den größten Umschlagplätzen Europas mitzuhalten? Genügt es nicht, bestehende Kapazitäten wirtschaftlich auszulasten? Und bedeutet die Umsatzsteigerung an einem Standort notwendigerweise den Rückgang andernorts? Wenn ja, wäre es gegenüber den Standorten ohne Möglichkeit einer Beteiligung äußerst unsolidarisch, ihnen das Geschäft abzugraben, indem man sich auf solche Weise dem vermeintlich mächtigen Kunden andient.

Falls denn tatsächlich Überkapazitäten im Hafengewerbe bestünden und insgesamt Arbeitsplätze abgebaut werden müssten, sollte die Standortsicherung in einer freiheitlichen Demokratie unbedingt auch ohne den Einstieg eines totalitären Investors angestrebt werden. Selbst der von Frau Titzrath propagierte Wandel durch Annäherung funktioniert nur durch die Annäherung beider Partner. Sonst wandelt sich – wie bisher – nur der flexiblere Partner und zwar so lange, bis der starre obsiegt hat. – Dr. Tadashi Makabe

 

Schon lange können wir uns in vielen Bereichen nur noch fügen. Die wirklich Einflussreichen und auch die technische Entwicklung haben längst für uns entschieden, während wir noch einen aussichtslosen, kräftezehrenden Kampf führen. Die offensichtlichsten Themen: Datenschutz und Globalisierung der Nationen. Große Spielräume gibt es da nicht mehr. Daran dass sich China nun auch in die Reihe der Lenker eingereiht hat, sollten wir uns besser schnell gewöhnen und einen klügeren Umgang pflegen. Oder ist das die rote Linie?

Hand aufs Herz: Was in Deutschland gehört uns denn wirklich noch selbst? Und welche der für uns lebenswichtigen Im- und Exportnationen und welche, auf die wir beim Umwelt- und Klimaschutz überlebenswichtig angewiesen sind, entspricht denn unserem deutschen Wertekanon, der einer wertegeleiteten Außen- und Wirtschaftspolitik folgen soll? Doch nicht einmal mehr die USA. Wovon sollen wir in Deutschland denn ohne die übrige Welt noch leben? Zugegeben, im Kampf von David gegen Goliath hat David gesiegt. Aber auf biblische Geschichten sollten wir uns da wohl besser nicht verlassen. – Uwe-Carsten Edeler

 

So richtig der prinzipielle Grundgedanke des „Wandel durch Handel“, mithin ein möglichst umfangreicher wirtschafts- und gesellschaftspolitische Austausch auch ist. Der aktuelle Geschichtsverlauf mahnt uns derweil in schriller Tonlage zu größter Vorsicht, nicht zuletzt im Hinblick auf die Notwendigkeit einer gesamteuropäischen Lebens- und Friedenskultur.

Die Appeasement-Politik der letzten Jahrzehnte – insbesondere die Deutschlands – indes kann leider nur als vorwiegend gescheitert betrachtet werden; selbst unter dem Vorbehalt, dass westliche Politik schlechthin nicht allein an Maßnahmen fehlgegangen ist, die sie nicht vorgenommen hat. Hiernach stellt sich mir die Frage: Rennen wir ein weiteres Mal mit „demselben Kopf gegen dieselbe Wand“; ersetzt die Perspektive auf mehr Kapital einmal mehr unsere politische (und menschliche) Vernunft?

Laut Kurt Schumacher (SPD) beginnt Politik bekanntlich mit der Betrachtung der Wirklichkeit. Und sie sollte freilich ebenso fortgesetzt werden mittels demokratischen Verstandes, sonach dem allseits probaten Dreisatz aus Aufmerksamkeit, Reflexion, Dialog. Der nun als ein strategisch abgesicherter Kompromiss auserkorene neue Hamburger Hafen-Deal ist meines Erachtens eine Mogelpackung. Das „Richtige im Falschen“ hat sich objektiv allzu oft als (r)eine Leiden schaffende Schimäre erwiesen. „Sie könne mit Olaf Scholz im Kanzleramt ruhig schlafen“, verkündete die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel kurz nach der letzten Bundestagswahl; ob dem wirklich noch so ist? – Matthias Bartsch

 


 

 

Leserbriefe zum Titelthema „Wann hören Kriege auf?“ von Michael Thumann et al.

 

Wann hören Kriege auf?, N°45. Siehe Lew Nikolajewitsch Graf Tolstoi. – Hermann Golla

 

Mit großer Hoffnung widmete ich mich Ihrem Titelthema „Wann hören Kriege auf?“. Dass Sie das Thema „Frieden“ als zentralen Inhalt Ihrer Blattgestaltung wählten (wie aktuell nicht allzu viele Kollegen und Kolleginnen in Deutschland), empfand ich dabei als sehr wohltuend.

Meine Hoffnung bezog sich darauf, in den entsprechenden Artikeln und Beiträgen auch mal ein gewisses Werben für den Frieden, das Beleuchten anderer – möglicherweise auch pazifistischer Blickwinkel – erkennen zu können. Und dies eben nicht nur wie zuvor von Seiten prominenter Gastautoren (etwa David Precht, Harald Welzer), sondern von der Redaktion selbst. Leider wurde ich hier enttäuscht. Was ich vorfand, waren längst bekannte Fakten und Ansichten.

Ein russischer Präsident, mit dem Verhandlungen aufgrund seiner Unzuverlässigkeit keinen Sinn ergeben. Frieden, der – wenn überhaupt – erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist (wann dieses „später“ sein soll, wurde, wie so oft, nicht beantwortet). Und natürlich: Weitere Waffenlieferungen, die unverzichtbar sind. Schade: Trotz der Friedenstaube auf der Vorderseite Ihrer Zeitung war auf den folgenden Seiten von einem journalistischen Ausloten der Möglichkeiten nach Frieden wenig zu finden. – Christoph Kastenbauer

 

„Wann hören Kriege auf?“ … wenn der Mensch endlich aufhört, Gott gleich sein zu wollen. Mit der Macht ist ihm eine Möglichkeit in die Hände gegeben, über das Leben anderer Menschen zu bestimmen, ob diese es wollen oder nicht. Das eben unterscheidet die Macht von der Herrschaft. Macht ist eine höchst sensible Eigenschaft, die zu missbrauchen gar zu verlockend ist. – Dr. Marhild Hoffmann

 

Kriege sind vermeidbar. Seit Menschengedenken beherrschen Kriege das Leben auf dem Globus. Kriege dienen dazu den Machtbereich zu vergrößern, Land zu gewinnen, Rohstoffquellen in Besitz zu nehmen usw. An der Spitze eines Staates oder einer Regierung steht immer eine Einzelperson, ein Präsident zum Beispiel. Kriege werden in allen politischen Systemen, Kommunismus und Demokratien begonnen und geführt.

Das Dilemma ist, dass der Kriegsverlauf immer von der ersten Person des Staates bestimmt wird. Der Kriegsherr hat alle Vollmachten und bestimmt so den Verlauf und Ausgang des Krieges. Und hier muss sich etwas ändern .. Spitzenpositionen müssen mindestens auf 2 Schultern verteilt werden. Zwei Präsidenten z.B. in Russland und die Lage wäre eine andere.. Unglaublich, aber möglich und machbar. – Horst Ramming

 

Auf Ihre Frage eine simple Antwort : Dann, wenn die Menschen nicht mehr, wie schon seit Jahrtausenden, an ein Weiterleben nach dem Tod glauben, sondern dieses Leben deswegen auch als extrem schützenswert betrachten. In diesem Zusammenhang auch sinngemäß Tucholsky: lieber zwei Minuten feige, als ein Leben lang tot. – Dr. Erich Grosch

 

Die „Zeit“ macht am 3. November mit der Überschrift auf: „Wann hören die Kriege auf?“ Ich bin sehr neugierig auf die Antwort auf diese Frage. Die „Zeit“ weiß sie? Das sollte mich doch sehr wundern! Nicht daß Sie sich jetzt aufregen! Die Kriege werden nie aufhören! Der Grund für diese „Feststellung“ ist ganz simpel: Weil die Menschen dumm sind! Das zeigt das Studium der Geschichte ganz deutlich. In der Bibel wird berichtet, daß Gott die Menschen erschaffen habe, sogar nach seinem Ebenbild! Wenn man dann noch weiß, wie Gott beschrieben wird, kann da „was“ nicht stimmen.

Wenn es Gott gewesen sein soll, kann man ihm so eine Fehlkonstruktion gar nicht unterjubeln! Gott kann es also gar nicht gewesen sein. Kinder mögen das trotzdem glauben. Erwachsene können das einfach auf Grund ihrer Lebenserfahrung nicht glauben. Der Grund allen Übels auf dieser Welt ist die Dummheit, die leider nicht ausgerottet werden kann, wie die Geschichte zeigt. Sie regeneriert sich mit jeder neuen Generation. Daher müßte sich jede neue Generation Menschen zwangsläufig schon in jungen Jahren ausführlich mit der Geschichte der Menschheit beschäftigen, um nicht gerade die Dümmsten ihrer Spezies in die Lage zu versetzen, die Geschicke der Menschen zu bestimmen.

Das Ergebnis dieser Überlegungen müßte sein, daß das wichtigste Schulfach das Fach Geschichte ist. Wer z.B. in diesem Fach kein „ausreichend“ erreicht, dürfte später an Wahlen erst gar nicht teilnehmen, weil ihm die Voraussetzungen dafür ganz einfach fehlen. Wenn er dann später feststellt, daß er dann doch auch in Wahlen über das Schicksal der Nation mitbestimmen möchte, kann dann in einem entsprechenden Geschichtskurs diese Defizite ausgleichen.

Wir in Deutschland gehen davon aus, daß jeder Bürger mit 18 Jahren wählen darf, egal, wie sein Kenntnisstand die Geschichte betreffend aussieht. Wenn er z.B. Auto fahren will, geht das ohne bestimmt Kenntnisse ganz einfach nicht! Wieso da nicht – in der Politik schon, obwohl da die Folgen wesentlich gravierender sind!? Diese Tatsachen sind für mich völlig unverständlich. Wer nicht weiß, wo er herkommt, was früher alles schon mal da war und weshalb, der weiß auch nicht, wo es hingehen soll.

Er macht die alten Fehler alle noch einmal. Die Propaganda, die immer Unwissen für ihren Erfolg voraussetzt, hat in einem Staat mit Unwissenden immer die besten Voraussetzungen, wie sich auch gerade wieder zeigt, Erfolg zu haben. Verantwortliche Mitbestimmung in einem Staatsgebilde setzt also solides Geschichtswissen voraus. Dafür muß in den Schulen deutlich und nachprüfbar gesorgt werden. Die gegenwärtigen Verhältnisse zeigen das überdeutlich! – Klaus Rickert

 


 

 

Leserbriefe zu „War er je ein konservatives Vorbild?“ Streit von Martin Machowecz und Matthias Krupa

 

Auf der Skala von Angela Merkel bis Viktor Orbán war Sebastian Kurz unstreitig eine geeignete Projektionsfläche für die konservative Sehnsucht. Für konservative Wähler mag Sebastian Kurz ein Hoffnungsträger gewesen sein, für konservative Machtambitionen sogar ein Vorbild. Ein symbiotisches Verhältnis: Die konservative Sehnsucht und Sebastian Kurz ernährten sich wechselseitig. Wenn die Projektionsfläche sich nun eintrübt, wirkt das selbstverständlich auf die Sehnsuchtsträger zurück.

Selbstkritisch kann der eigene Anteil betrachtet werden, mit dem man Sebastian Kurz selbst groß gemacht hat. Man kann sich aber auch von der Projektionsfläche distanzieren, um die eigene Sehnsucht zu retten. Wer dagegen frei von der konservativen Sehnsucht ist, mag in Sebastian Kurz immer schon das Fatzkehafte und die Kehrseite der polierten Projektionsfläche gesehen haben. – Merke: Hoffnungen zerplatzen, Vorbilder straucheln. Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen. – Reinhard Koine

 

Dann gilt es also als abgemacht, dass wir es mit einem Scharlatan höchsten Ranges zu tun haben. Sebastian Kurz ist der Felix Krull der Wirklichkeit. Tragen Sie‘s mir bitte nicht nach. Doch ich meine, dass ich durchaus an seinen Bekenntnissen interessiert wäre. Falls er denn gedenkt, sie jemals zu veröffentlichen. Ein passender Buchtitel stünde auch schon parat, den Sie wahrscheinlich schon erahnen können. Richtig. Bekenntnisse des Hochstaplers Sebastian Kurz. – Michael Ayten

 

Matthias Krupa hat Recht, wenn er schreibt:“Nein. Konservativ sein war für Kurz nie eine Haltung, nur ein Kostüm“ Das zu eitle und nach Anerkennung strebende Einzelkind Sebastian Kurz erkannte schon als junger Jusstudent, dass seine Fähigkeiten in der Inszenierung seiner Person liegen und wurde –nicht-zufällig- Jungpolitiker in der noch schwarzen ÖVP-Wien, die dringend hoffnungsvollen Politnachwuchs benötigte.

Aufgefallen durch seinen politischen Aktionismus und sein Streben nach Anerkennung, holte ihn die in der Schweiz ansässige Lobby-Organisation Weltwirtschaftsforum/WEF) in ihr Young Global Leaders Programm. Dort wurde Kurz vermutlich für seine zukünftige politische Führungspersönlichkeit in einem globalen Zusammenhang ausgebildet und gefördert. Die einst mächtige und gewohnt staatstragende schwarze ÖVP verfiel schon länger in ein politisches Vakuum-und so war es dem Ehrgeizling Kurz nicht schwer gefallen, die politische Leiter zu erklimmen.

Aus der schwarzen ÖVP wurde die Türkise-Partei, eine Buberl-und Mäderlpartie übernahm das Kommando. Das war der Beginn einer „neuen türkisen Politik“, die im Herbst 2021 mit dem Rücktritt des Sebastien Kurz endete und seither in einem Türkisen-Politsumpf einen bisherigen Höhepunkt erreicht hat. War Kurz ein Polittrickser? Vermutlich wurde er von doch noch vorhandenen “echten Schwarzen damals aufgefordert zurückzutreten. Mit viel Pathos und bühnenreifer Inszenierung las er meistens aus dem vorbereiteten Manuskript seine Abschiedsrede vor.

Dem Erfinder des schwarzen Geilomobils ging und geht es immer nur um eines: sich selbst! Alle seine TV-Auftritte vermittelten selten einen Staatsmann, sie zeigten die Person eines ewigen Tricksers. Seine damalige Abschieds-Aussage „Mein Land ist mir wichtiger als meine Person“ sollte staatsmännisch und heroisch rüberkommen, in Wirklichkeit war sie eine durchschaubare Inszenierung und ein Dienst an sich selbst. Ob, wie es scheinen sollte, freiwillig erfolgte, bleibt weiterhin fraglich. Mögliche rechtliche Gründe könnten gewesen sein: die Auflösung der Koalition durch den grünen Regierungspartner oder die Angst vor eventueller staatsanwaltlicher Verfolgung. – Dr. Günther Berghammer

 

Aus Ja: „Guter Konserservatismus versucht in einer idealistisch aufgeladenen Welt Moralismus durch Pragmatismus zu ersetzen“ ??????? Guten Konservativismus gibt es nur auf dem Papier. Dass es mit der Moral bei den Konservativen nicht weit her ist, dürfen wir im politischen Tagesgesgeschäft leider täglich erleben und deren Pragmatismus hat, seit ich das beobachte, in erster Linie dazu geführt, dass erkennbare Probleme ignoriert und so lange ausgesessen werden bis für die Sahneabschöpfer nichts mehr zu holen ist. Allfällige Kollateralschäden werden danach selbstverständlich der Allgemeinheit belastet. – Willi Krebser

 

Nein! Sebastian Kurz war nie ein konservatives Vorbild. Er war für politisch Interessierte von Anfang an ein Populist ohne Inhalte mit einem Willen zur Macht. Seine Politik folgte nicht nur keiner Idelogie, es war bei ihm nie eine Werthaltung erkennbar. Aus Machtwillen sprengte er zwei Regierungen, verhinderte Familienpolitik.

Was er gut konnte, war den Leuten dem Mund nach zu reden. Taten folgten keine. Früh die Klagen von kooperierenden Stellen, dass die Arbeit nach dem Fototermin endete ohne Ergebnis. Er beklagte die Probleme der Integration nachdem er dafür verantwortlich war. Die internationalen Beziehungen reduzierten sich in seiner Zeit als Außenminister. Er verhöhnte das Parlament schon lange vor dem U-Ausschuss. Nach Auflösung der Regierung nahm er sein Parlamentsmandat nicht an ‚weil er für die Leute arbeiten wollte‘ und seine Spaziergänge veranstaltete.

Der Bereich für Öffentlichkeitsarbeit für ihn wurde exorbitant aufgeblasen, gleichzeitig waren richtige Interviews mit ihm stets unerträglich durch seine Arroganz, die Inhaltsleere (minutenlanges ‚lassen sie mich ausreden‘) und die völlige Ignoranz der Fragen. Die Mitstreiter_innen von Kurz zeichneten sich durch Loyalität und fraglicher Kompetenz aus. Pragmatisch Probleme lösen war so nie möglich. Was bleibt sind viele große Überschriften ohne wirklichen Inhalt. Sebastian Kurz war immer ein Populist, sein Ziel die Stärkung der Marke Kurz. – Georg Schmid

 

Ein Grund für den Aufstieg von Sebastian Kurz ist auch, dass sich die staatstragenden Eliten scheuen, die Zielkonflikte anzusprechen, die gelöst werden müssen, damit die Menschheit eine gute Zukunft hat. Dies betrifft insbesondere den Zielkonflikt, der sich ergibt, wenn es einerseits ums Sichern der Menschenrechte auf Lebensgrundlagen geht (Asyl oder das Recht mehr Kinder zu haben, als die eigenen Ressourcen erlauben) und andererseits darum geht, das Menschenrecht auf Eigentum zu schützen.

Aus solchen Lücken ergibt sich eine Einladung für politisch Ambitionierte, zu versuchen mit teils populistischen, teils seriösen Lösungsvorschlägen Erfolge zu erzielen. Klapp das, kann das leider zu Realitätsverlust, bis hin zu Grössenwahn führen. Dass sich die Eliten mit dem genannten Zielkonflikt nicht beschäftigen wollen, das beruht auch daraus, dass sie häufig aus einem Umfeld kommen, in dem ihr Eigentum gesichert ist. Dazu kommt, dass Leute, die sich von Berufs wegen mit ganz anderen Zielkonflikten beschäftigen, etwa Techniker (z.B. Fahrzeug- oder Strassen-Bau) oder Landwirte, unter den Eliten kaum vertreten sind. Ähnliches gilt für die Vertretung von armen Leuten, die wählen müssen zwischen Schwimmbad-Besuch für die Kinder oder Kauf eines Kilos Obst.

Wenn Angela Merkel sagt: „Es gibt keine Obergrenze beim Recht auf Asyl.“ Dann heisst das auch: “Es gibt keine Obergrenze beim Auslegen dieses Rechts. Und es gibt keine Obergrenze beim Ignorieren des Rechts auf Eigentum“. Der Erfolg von Kurz beruht also auch auf dem Ignorieren dieses Zielkonflikts. Dazu kommt, dass Kurz vermutlich darum wusste, dass nichts so erfolgreich macht wie Erfolg. Und das gilt auch für Erfolg, der mit entwendeten öffentlichen Geldern, durch erkauftes Wohlwollen von Medien deklariert wird.

Bei Sebastian Kurz kommt noch etwas Anderes dazu, das seine Popularität förderte. Er verfolgte seine Ziele auch mit Leichtigkeit und Lockerheit. Vergleicht man ihn mit anderen problematischen Politikern, dann erinnert das fast an den Spruch «Bella gerant allii, tu felix Austria nube». Statt gleich zum Traualtar, um zu heiraten (nube) dann eben zum Geilomobil. Im Nachhinein und aus der Ferne erinnert Aufstieg und Fall von Kurz auch ein wenig an den Hauptmann von Köpenik, der 10 Soldaten requirierte und damit im Rathaus auftauchte, um die Kasse zu entführen. Kurz requirierte die Jugendorganisation der ÖVP und später «öffentliche Gelder für Parteizwecke», eine Straftat, die zu Recht Folgen hat. Vielleicht hat er auch mit dem Hauptmann den Spass am Ausprobieren gemeinsam. Wie weit kann man gehen? Wie weit muss man gehen, um erfolgreich zu sein?

Aufstieg und Fall von Kurz muss man aber vor allem sehen vor dem Hintergrund des genannten Zielkonflikts innerhalb der Menschenrechte. Bei diesem Thema sind allerdings Leichtigkeit und Lockerheit nicht angemessen. Besagter Zielkonflikt wurde und wird insbesondere beim Thema Balkanroute sichtbar. Kurz und Angela Merkel vertraten ursprünglich diesbezüglich unterschiedliche Positionen, wobei Merkel dann eben doch Massnahmen zustimmte, die die Balkanroute undurchlässiger machten.

Damit ist allerdings die grundsätzliche Frage nicht beantwortet, wie der genannte Zielkonflikt effektiv und gleichzeitig mit dem von Merkel oft bemühten „freundlichen Gesicht“ gelöst werden kann. Akzeptanz muss durch das Kommunizieren von Fakten, Vorbildern und wissenschaftlichen Erkenntnisse beschafft werden. Notwendig ist, vorausschauend ein passendes Weltbild zu propagieren und daraus konsequent Handlungsanweisungen abzuleiten und zu befolgen. Eine einfache Überlegung könnte am Beginn eines solchen Weltbilds stehen:

Was, wenn die Ressourcen der Erde zehnmal grösser oder zehnmal kleiner wären. Wäre dann die Zukunft im Trockenen oder im Eimer? Man wird zum Schluss kommen, dass die Überlebenschancen der Menschheit nicht vom Ausmass der Ressourcen abhängen, sondern von der Anpassungsfähigkeit (Z.B. Lösen von Zielkonflikten). – Dr. Gernot Gwehenberger

 


 

 

Leserbriefe zu „Auch im eigenen Garten!“ von Ingo Malcher

 

Herr Malcher meint, daß die Energiekrise in Deutschland auch durch Fracking abgemildert werden sollte. Nach Meinung der meisten Experten würde der Aufbau einer Fracking-Infrastruktur 5-7 Jahre dauern, wäre also zu Lösung er aktuellen Energiekrise nicht hilfreich. Mal abgesehen von der CO2-Belastung, die dadurch entsteht und die dem Autor keine Erwähnung wert ist: was wäre der Vorteil gegenüber einem Ausbau der erneuerbaren Energien einschließlich der notwendigen Speicher? Kein Wort dazu. Ich schätze die Meinungsvielfalt in den Artikeln der ZEIT, aber manchmal kann man nur noch den Kopf schütteln. – Wolfram Leonhardt

 

Ingo Malcher rechtfertigt Fracking-Gas und Atomstrom mit der Mehrung des eigenen Wohlstands. Den haben wir seit 1945 ständig gemehrt, und zwar mit verheerenden Folgen für das Klima. Nun sollten wir uns darauf beschränken, den Wohlstand zu erhalten, oder sogar uns ein wenig in Verzicht zu üben, um die Risiken aus Fracking-Gas und Atomstrom zu vermeiden. – Gerd Menzel

 

In der Ausgabe 45 vom 3.11. laß ich den Kommentar im Wirtschaftsteil „Auch im eigenen Garten“ von Ingo Malcher. Darin bekräftigt er die Forderung Christian Lindners, auch in Deutschland Fracking zuzulassen. Der Kommentar schließt mit den Sätzen „Egal ob Fracking-Gas oder Atomstrom – wer Energie braucht, um Waren herzustellen, die den eigenen Wohlstand mehren, muss auch bereit sein, diese Energie selbst herzustellen. Trotz aller Risiken.“

In diesen beiden Sätzen steckt die für mich erschreckende Ignoranz unserer Gesellschaft: Wir wollen unseren Wohlstand nicht nur erhalten, sondern sogar erhöhen. Immer weiter Wachstum, dafür nehmen wir gewisse Risiken in Kauf. Mit dieser Ignoranz steuern wir ganz sicher auf den Abgrund zu. Warum nicht mit den vorhandenen Ressourcen so wirtschaften, dass sie genügen? Weniger herstellen, weniger konsumieren, weniger heizen, mehr wertschätzen.

Jetzt wäre doch ein guter Zeitpunkt, den Gürtel wirklich ein bisschen enger zu schnallen um unseren Wohlstandsbauch. Dieser enge Gürtel würde bald bequem sitzen, wenn wir uns daran gewöhnt hätten, auch langfristig mit weniger zufrieden zu sein. Leider widerspricht dies dem ewigen Dogma „Wachstum, Wachstum, Wachstum.“ – Ramona Grohs

 

Es ist die klassische FDP-Politik: Statt unnötig in Umweltschutz zu investieren, ist es günstiger neue Umweltschäden zu produzieren und gleichzeitig vorzurechnen, warum so viele Kern-, Kohle- und Gaskraftwerke für eine Wachstumsgesellschaft benötigt werden. Und vor allem möchte man als Partei der Besserverdienenden die Ansprüche an Luxus und Konsum keinesfalls einschränken – eine damit einhergehende Rekordproduktion von CO2 schert da wenig. Schön aber, dass diese Partei noch Visionen hat – und ein großes Vorbild: Auch in Nordkorea ist das Interesse (der Regierung) an Umweltschutz und einem Tempolimit auf Autobahnen nicht vorhanden. Klare Sache für die Bleifußpartei: Von Nordkorea lernen heißt siegen lernen! – Detlef Fluch

 

Ihr Artikel hat mich sehr enttäuscht. Er liefert keinen substantiellen Beitrag zur Diskussion über das Fracking. Einer Abwägung über das Für und Wider ist er nicht dienlich. Wie ist der aktuelle Stand der Technik in Bezug auf zu befürchtende Umweltschäden? Was würden wir riskieren? Vor einigen Jahren gab es Meldungen über dramatische Umweltschäden durch Fracking in den USA (z.B. brennbare Gase aus Wasserhähnen). War das auf unsachgemäßes Vorgehen beim Fracking zurückzuführen, wäre so etwas heute ausgeschlossen, waren es eventuell von Russland produzierte Fakenews, um uns weiter am Gasverbrauch zu binden? Alle diese Fragen bedürfen einer Antwort. Was Sie bieten, ist eine Meinung ohne Faktenbasis. Das ist der ZEIT unwürdig. – Horst Winkler

 

Vielen Dank für Ihren Kommentar in der Zeit vom 3. November: Fracking : Auch im eigenen Garten! Leider nehmen offensichtlich nur die Klimaaktivist*innen die Klimakatastrophe als so tödlich wahr wie sie ist. Denn wir befinden uns bereits mitten in der Katastrophe. Denn das bereits und die nächsten Jahre ausgestoßene CO2 hat zwar eine unauffällige und schleichende Wirkung. Nur ab und zu kommt es zu katastrophalen tödlichen Ausbrüchen wie Waldbränden, Dürren oder Fluten wie im Ahrtal oder Pakistan.

Aber die jetzige hohe Konzentration an Klimagasen führt unweigerlich zu immer größeren und häufigeren Katastrophen, die uns alle, wo wir auch auf diesem Planeten leben, katastrophal und leider immer öfter auch tödlich treffen werden. Also sind wir alle jetzt schon mittendrin in der Katastrophe und jeder, der unnötig mehr Klimagase in die Welt setzt oder dazu anstiftet, ist ein vorsätzlicher Täter(?). Ziemlich sicher wird das in Zukunft so gesehen, so wie früher das Versprühen von DDT erlaubt war und jetzt verfolgt und bestraft wird.

Aber mit einem Trick immunisieren sich Herr Lindner und die Medien, ja auch „Die Zeit“, gegen diesen Vorwurf und ziehen uns damit immer tiefer in die Klimakatastrophe. Auch Sie stufen in Ihrem Essay kommunikativ die Klimakatastrophe herunter zum „Klimawandel“, „Klimafrage“, „Klimakrise“ oder „Erderwärmung“. Die Zeit nennt ihre Rubrik sogar noch verharmlosender GREEN, was eher nach Gartenkolumne klingt als nach Klimakatastrophe. Zum anderen spielen die Medien, ganz besonders Die Zeit, genauso wie Herr Scholz, den Biedermann und den Brandstifter.

Einerseits berichten Sie getreulich, gestehen, dass es die Klimakatastrophe gibt und dass etwas getan werden muss, andererseits beschleunigen Sie die Klimakatastrophe. Herr Lindner, durch seine Politik, die Medien dadurch, dass Sie auf heuchlerische Neutralität pochend immer noch Artikel und Reklamen veröffentlichen die den klimaschädlichsten Luxuskonsum anfeuern und darüber hinaus auch noch ganz aktiv die klimaschädlichsten Leserreisen anbieten. Zeit Leserreise QE2 – schlimmer geht’s nimmer!

Bitte hören Sie auf, die Klimakatastrophe so verharmlosend zu benennen. Sie verniedlichen damit die immer tödlicheren Tatsachen, die Ahrtal und Pakistan Flutkatastrophen, und die Katastrophenszenarien der anerkanntesten Wissenschaftler herab, zu einem „Wandel“, einer „Frage“, Erwärmung“ oder „Krise“. Ins Ahrtal kam nicht das „Krisen“interventionsteam des Sozialen Dienstes, die Kinder hatten kein „Hitze“frei, sondern ihre Stadt war weg, es kamen das THW, die Bundeswehr und der Katastrophenschutz! Solange die Medien die Katastrophe nicht einmal beim Namen nennen wollen, werden wir uns diesem Thema nur halbherzig widmen: wir als Bürger und die Politiker als Vollstrecker unseres Willens.

Wieder einmal entsteht (un-)gewollt durch die mediale Berichterstattung in unserem Kopf ein harmloseres Bild von der akuten Situation und Gefahr wie gerechtfertigt: „Es geht um eine Krise, es erwärmt oder wandelt sich etwas da wird geredet und es herrscht Uneinigkeit wer wann was bezahlt, tut oder nicht tut.“ „Wer blickt da noch durch, ich werde schon mitbekommen, wenn es was Wichtiges gibt.“ denkt man. Dennoch beschleicht jeden von uns ein immer unheimlicheres Gefühl.

Je bedrohlicher die Waldbrände und Dürren, je tödlicher die Flut- und Hitzewellen, desto größer tut sich in uns selbst ein Graben auf: „Wie viel Verantwortung habe ich und wie verhalte ich mich richtig um die Klimakatastrophe abzumildern?“ „Wälze ich alle persönliche Verantwortung auf den Markt und die Politik ab und tue so, als ob ich eh nichts machen kann oder werde ich selbst aktiv?“

Aber noch will keiner außer den Klimaaktivist*innen eine Spaßbremse sein. Viel lieber lassen wir uns von den Medien beständig durch informierende und unterhaltende Beiträgen versichern: „Es ist (noch) nicht so schlimm, nur eine Krise, gönn dir inzwischen ruhig etwas, denn wenn Du es nicht machst, tun es Andere und damit ist dem Klima auch nicht geholfen!“ Dass es uns an Konsequenz mangelt, hat viel mit den Medien zu tun, die in diesem Stück sowohl die Rolle des Biedermann (Krise) als auch den Brandstifter mit exotischen Leserreisen inklusive Kreuzfahrtschiffen und Interkontinentalflügen spielen. Sie berichten gleichbleibend wertneutral über die Katastrophen und andererseits preisen sie genauso gleichbleibend wertneutral(?) Mode, Reisen, SUV`s, die größten Umweltsünden an.

Solange die Medien die Klimakatastrophe (un-)bewusst ähnlich relativieren wie damals die Risiken des Rauchens in öffentlichen Räumen (die größte Medienkatastrophe bisher!), werden wir den Ernst der Lage nicht erfassen. Solange versäumen wir unsere Pflicht zum Wohle anderer und unserer Kinder, Solidarität und Verzicht zu üben. Solange schätzen wir unser jetziges kleines Glück mehr, wie ein Miteinander kämpfen für mehr Natur, saubere Luft und genug Wasser und Lebensmittel für alle.

Solange verschleppen wir alle Lösungen. Solange machen wir und unsere Politiker uns vor: „Sollen doch die Anderen erst was machen, erst dann werde ich vielleicht mitmachen.“ Dabei bräuchten wir schon längst mehr Konsequenz im Bezug auf alle unsere Klimasünden. Bitte sehen Sie den angefügten Text und Anhang. Es würde mich sehr freuen, wenn Sie mehr über den uns zur Zeit lähmenden gesellschaftlichen Stillstand berichten könnten! – Klaus Siersch

 


 

 

Leserbriefe zu „Mehr Egoismus wagen!“ von Uwe Jean Heuser

 

Die VWL beschreibt die Summe aller monetären Transfers als kollektiver Wille einer Unsichtbaren Hand vom Markt. Unter Markt verstehen Volkswirte den Finanzmarkt, da unsere Währungsdefinition nur monetäre Transfers gewährt. … Durch das Klimarisiko erfahren wir, dass geophysikalische Transfers im Güterkreislauf ebenfalls eine kollektive Wirkung entfaltet. Natürlich könnten wir den Güterkreislauf „physikalisch“ abstrahieren, abbilden und gewähren, um das Klimarisiko zu senken. … „Physik“ gilt für Autokraten und Demokraten; und alle anderen Staatsformen. … Die Wirtschaftswissenschaft ist eine axiomsbasierte Geisteswissenschaft die korrigierbar ist.

Wir leben in einer naturgegebenen Demokratie, wo die Legislative „Naturkräfte“ sind, menschliche Transfer-Entscheidungen die Exekutive bilden und die Judikative eine Unsichtbare Hand der Evolution ist. … Und die lieber „homo ökonomicus“ ist stärker als die Unsichtbare Hand vom Finanzmarkt. Wie sagte kürzlich Fr. Greta Thunberg treffend: „Die Natur verhandelt nicht“. Und das Rezept gegen Evolution ist Anpassung: Was lieber „homo ökonomicus“ ist also Wachstum, was mit der physikalischen Realität übereinstimmt? … – Matthias Losert

 

Bis zu den letzten drei Absätzen konnte ich Herrn Heuser im Wesentlichen zustimmen. Ab der unsinnigen Argumentation mit dem (absehbar teuren) deutschen „Alleingang“ und der vermeintlich „billigen“ erneuerbaren Energie war ich als über 40 Jahre aktiver Energie- und Umweltökonom etwas entsetzt: Weder kann Deutschland allein sein „nationales Klima (?)“ retten, noch sind die riesigen nötigen Anstrengungen für eine erfolgreiche „Energiewende“ in den nötigen Größenordnungen bisher überhaupt verstanden, geschweige denn dafür zügig umsetzbare Konzepte vorhanden.

Wenn nicht einmal „FFF“ die nötigen Wasserstoff-Zahlen in seinem Gutachten von Oktober 2020 (Wuppertal-Institut) dis-kutieren will, dann ist dem Unsinn Tür und Tor geöffnet! Wunschträume statt umsetzbarer Konzepte haben wir schon genug. LESETIPP für die Leser*innen und die Redaktion: Wolfgang Ströbele: „Energiewende einfach erklärt – Von guten Absichten und unbequemen Fakten.“ Springer-GABLER-Verlag, Frühjahr 2022. ISBN978-3-658-36690-2, Paper oder E-Book. – Prof. emer. Dr. Wolfgang Ströbele

 

Uwe Jean Heuser hat den Weg zur Klimawende hervorragend beschrieben : „Mehr Egoismus wagen ! … Erneuerbare Energie ist nicht nur das beste Mittel gegen Gas- und Ölknappheit, sondern wird als billige Alternative auch zum entscheidenden Faktor im Standortwettbewerb…“ —- Das ist alles richtig. Doch m.E. reicht die Zeit dafür nicht ! Daher sehe ich einen anderen Weg, der aus der Sicht einer lebenswerten Zukunft unserer Enkel und Ur..enkel auch zum „Mehr Egoismus wagen !“ passt.

Die globalen katastrophalen Folgen der Treibhausgase werden auch vom deutschen Volk seit Jahrzehnten wahrgenommen. Jedoch nur extrem wenige Menschen in Deutschland (und anderen Industriestaaten) schaffen es, sich von Luxus/Überfluss-Mobilität und Luxus/Überfluss-Konsum zu befreien. Warum will die Mehrheit des deutschen Volkes nicht einen verantwortungsvollen Lebensstil anstreben ? Warum reichen nicht die Grundbedürfnisse ?

Nur 4 Beispiele : 1.) Private Mobilität und teilweise dienstliche Mobilität ausschließlich mit Bahn/ÖPNV/Fahrrad/notfalls Taxi. Öffentliche Verkehrssysteme können nur verbessert werden, wenn sie konsequent genutzt werden. — 2.) Wohnung; in Fuß-Fahrrad-Nähe zum ÖPNV. — 3.) Keine Tiere essen, Nahrung aus der Region. — 4.) Kein Überfluss/Luxus-Konsum. —- www.bundjugend.de : „Ökologischer Fußabdruck Deutschland : etwa 5 Hektar. Der gerechte globale Ökologische Fußabdruck : etwa 1,7 Hektar. Würden alle Menschen so leben wie die Deutschen, dann bräuchten wir 2,6 Erden.“

Die Deutschen sind stolz auf Immanuel Kant, der nie seine Stadt verließ. Aber warum tritt die Mehrheit des Volkes den Kategorischen Imperativ von Immanuel Kant täglich mit Füßen ? Dazu fällt mir noch Sokrates ein : „Genügsamkeit ist natürlicher Reichtum, Luxus künstliche Armut. Wie zahlreich sind doch die Dinge, derer ich nicht bedarf.“ – Volker Freiesleben

 

Egoismus ist im Überfluss vorhanden und wächst derzeit sogar exponentiell. Insofern liegt es nahe, diese unerschöpfliche Kraft anzuzapfen und für wichtige Ziele wie z.B. den Klimawandel zu nutzen. Nun ist aber doch der Egoismus der Einzelnen genau jene Größe, die gemeinhin verhindert, überhaupt mit dem Klimawandel zu beginnen. Vor allem, wenn der Egoismus auf Unvernunft basiert. Unvernunft und Egoismus gehen Hand in Hand und wachsen derzeit ähnlich stark. Aus parteipolitischen Gründen wird Unvernunft auch noch besonders gefördert. Ein Teufelskreis. Leider nur da, wo Egoismus auf Vernunft gründet, kann er für die Klimawende fruchtbar werden.

In der Phase der klimapolitischen Stagnation möchte Uwe Jean Heuser den Optimismus retten, dass unser humanes und friedliches Überleben als Menschheit schon noch gelingen wird. Auf der verzweifelten Suche nach einer rettenden Mechanik ist er auf den Egoismus gestoßen. Zugleich weist er selbst darauf hin, dass uns die Laborbedingungen fehlen, um die reine Lehre sich entfalten zu lassen. Richtig: Die Klimawende muss eine gesellschaftliche Veranstaltung sein. Wie kann die Vernunftbasis in der Gesellschaft breiter werden, um den Egoismus positiv wirken lassen zu können? – Reinhard Koine

 

Vielen Dank für Ihren Kommentar Klimakrise : Mehr Egoismus wagen! und ihre Übersetzung in Zeit Campus, „Freitags keine Demo“, vom 5. November. Bitte bleiben Sie dran und machen Sie weiter mit Ihrem Einsatz für mehr Klimagerechtigkeit! Beide Beiträge zeigen, wie sehr wir das „sowohl als auch“ brauchen, um Klimakatastrophen zu verhindern. Wir brauchen das individuelle Engagement und wir brauchen die von einer breiten gesellschaftlichen Zustimmung getragene Politik.

Denn Je bedrohlicher die Waldbrände und Dürren, je tödlicher die Flut- und Hitzewellen, desto mehr tut sich in uns selbst ein Graben auf: „Wie viel Verantwortung habe ich und wie verhalte ich mich richtig um die Klimakatastrophe abzumildern?“ „Wälze ich alle persönliche Verantwortung auf den Markt und die Politik ab und tue so, als ob ich eh nichts machen kann oder werde ich selbst aktiv?“ Außer den Klimaaktivist*innen will niemand eine Spaßbremse sein. Fortlaufend belügen wir uns gegenseitig:

„Es ist (noch) nicht so schlimm, gönn dir ruhig etwas, denn wenn Du es nicht machst, tun es Andere und damit ist dem Klima auch nicht geholfen!“ Dabei bräuchten wir schon längst mehr Konsequenz im Bezug auf alle unsere Klimasünden. Das es uns an Konsequenz mangelt hat viel mit der Rolle der Medien zu tun, die in diesem Stück sowohl den Biedermann als auch den Brandstifter spielen in dem sie einerseits wertneutral über die Katastrophen berichten und andererseits genauso wertneutral die größten Umweltsünden anpreisen. Bitte sehen Sie den angefügten Text.

Wir müssen endlich aufhören, auf Andere zu zeigen, sondern selbst aktiv werden und andere dabei unterstützen. Jeder von uns kann beitragen, viele Tropfen bilden einen Ozean. Aber leider bilden wir uns ständig ein, nur Tropfen auf einer heißen Herdplatte zu sein und verhalten uns gegenüber der Klimakatastrophe untätig. Wir ziehen uns lieber in unser privates Glück des individuellen Konsums zurück, genau so wie Politik, Wirtschaft und Medien es uns ständig als richtig vermitteln. Und damit verlieren wir Hoffnung und Glauben an Vernunft und Solidarität gerade in dem Moment, wo wir diese zum Überleben auf unserem Planeten am nötigsten haben! Es würde mich sehr freuen, wenn Sie noch mehr über den uns zur Zeit lähmenden gesellschaftlichen Stillstand berichten könnten! – Klaus Siersch

 

Wenn der Ukraine Krieg Energieknappheit und Preisexplosionen und damit exentionelle Überlebensängste für die Wirtschaft und jeden Einzeln verursacht, regiert Egoismus und Eigennutz, ansich negativ besetzte Begriffe. Wer zur Zeit enttäuscht zu sein scheint, das, wie ich es lese, die „Freiheitsenergie“nicht extrem beschleunigt wird, verkennt schlicht und ergreifend nicht fundamental die Undurchführbarkeit, sei es technisch noch zeitlich in dieser Situation. Und da nützt konkret auch nicht der Hinweis auf Versäumnisse in der Vergangenheit.

Das alte Wirtschaftswachstum verantwortlich natürlich auch für den Klimawandel, gehört obligatorisch bei Herrn Heuser zum Weltbild. So ganz nebenbei, und öffentlich wenig angesprochen, seien die 1 Milliarde alle 12 Jahre zusätzliche dazu kommenden Menschen, die die Klimakrise auch verstärken. Ohne Wachstum (gleich wachsender Wohlstand) würde die Geburtenrate noch stärker ansteigen.

Ob wir es uns laut Artkel nicht leisten können, nochmal drei, vier Jahre mit anderen als der „größten“ Krise von allen, der Klimakrise, zu verlieren, wage ich zu bezweifeln. Selbst ein sofortiger Stopp aller CO2 Emissionen, ganz zu schweigen nur der deutschen, wird die Erderwärmung über Jahre nicht stoppen. Klimawissenschaftler u.a. vom Max-Planck-Institut für Meterologie , erwähnt sei hier T. Mauritsen, wissen lange schon, das CO2 bis zu viele Tausend Jahre in der Atmosphäre bleibt. Auf Basis der heutigen Emisionen haben wir, habe ich vor ca. 2-3 Jahre so gelesen, noch 30 Jahre Zeit, bis die Wahrscheinlichkeit, unter 1,5 Grad zu bleiben, nur noch bei 50 % liegt. Es wird wohl auf die 2 Grad Erderwärmung hinauslaufen.

Deutschland als Vorreiter gegen den Klimawandel selbst ernannt oder in dieser Rolle hinein gedrängt, kann die Welt nicht retten. Die bisherige Kosten der Energiewnde bei uns, der angelaufene Strukturwandel zur alternativ, zur grünen Energie, ist exorbitant hoch und wird öffenftlich gerne vor allem von Klimaaktivisten ausgeblendet. Die Hauptemitanten, China, USA, die übrigens garnicht in Ägypten sind, und all die Stadten, die weiterhin von fossilen Brennstoffen abhängig sind, müssen Vertraglich weltweit eingebunden werden. Das sieht der Chef des Postdam Instituts für Klimafolgeschäden Ottmar Edenhofer im Heute Journal am 6.12.22 zur Zeit ganz aktuell als wichtigste Aufgabe der Klimakonvernz in Ägypten.

Wenn Herr Scholz auf der Klimakonverenz sich für das begrenzte für die kurzfristige Sicherstellung der existenzielle Stromversorgung durch Kohlekraftwerke rechtfertigen muß, hört für mich gegliches Verständnis gegenüber Klimaaktivisten auf. Die Berichterstattung hierüber finde ich ebenfalls auch von den sogenannten Führungsmedien grenzwertig! Die Zukunft für unseren Planeten ist grüner Wasserstoff, weltweit. – Walter Schroiff

 


 

 

Leserbriefe zu „Was hilft wirklich gegen Judenhass?“ von Maram Stern

 

Wenn wir hier nur die letzten 80 Jahre geschichtlich sehen, dann wird das wohl dem Thema nicht gerecht. Das negative Bild der Juden begann schon im Altertum als das Christentum zur Selbstfindung gegen die Juden agierte. Kaiser Konstantin hat dann 324 Das Christentum zur Staatsreligion gemacht mit antijüdischen Gesetzen. Im 10 Jahrhundert kamen Juden nach Deutschland, wo ihnen Handwerk und andere Berufe verboten wurden. Es blieben ihnen nur noch Kleinhändler und Pfandleiher. 1179 wurde von der katholischen Kirche das Laterankonzil durchgeführt und festgelegt, dass Christen gegen Zinsen kein Geld verleihen dürfen.

Juden durften auch kein Grundbesitz haben,sie wurden aber von den Herrschern in einer gewissen Art geschützt, weil die an den Zinseinnahmen der Juden (die durften Zinsen nehmen) beteiligt waren und weil sie sich bei den Juden selber Geld liehen. Für Christen war das Verleihen von Geld gegen Zinsen eine Todsünde. Juden durften Zinsen nehmen, was dann im Umkehrschluss eine Todsünde war. Juden waren in ihren Nischenberufen sehr tüchtig und brachten es Zu angemessenen Einkommen, teilweise auch deshalb, weil sie hohe Zinsen nahmen, um Eventuelle Ausfälle ausgleichen zu können.

Im Laufe der Jahrhunderte setzte sich das Bild der gierigen und reichen Juden fest, die die Welt und Wirtschaft beherrschten. Dieses Bild besteht bis heute noch. Auch die Tatsache, dass sich Juden nicht unbedingt „öffnen“ dürfte zu dem judenfeindlichen Bild beitragen. Eins ist sicher, ein KZ Besuch von Schulklassen hilft auf keinen Fall gegen den Judendhass Zu steuern, das kann ich aus eigener Erfahrung von vielen Besuchen in KZs berichten. Ich glaube, die Geschichtsstunden müssen viel früher anfangen und nicht erst bei der Nazizeit. – Manfred Mengewein

 

Was mich bewegt bei der Lektüre des o.g. Artikels von Maram Stern: Warum um Gottes Willen unterlässt es Herr Stern wenige Tage nach der Wahl in Israel auch darauf „irgendwie“ einzugehen? Uns zu erklären, weshalb überdurchschnittlich gebildete Israelis, Kinder und Kindeskinder der von meinen Vorfahren – den Nazis – ermordeten Menschen, gerade mal 80 Jahre danach so gewählt haben? Mich hat das an einen Kibbuzaufenthalt Ende der 60-er Jahre erinnert:

Ich habe dort viele liebenswerte Menschen kennen gelernt und mich geschämt. Sie bewundert, wie sie aus Überzeugung und mutig – trotz/wegen Holocoust-Erfahrungen – für Menschlichkeit und Freiheit eingetreten sind. Erschreckt haben mich aber auch schon damals Ansichten, die heute in diesem wunderschönen Land offensichtlich mehrheitsfähig sind. – Hubert Seiter

 

Maram Stern benennt sehr richtig 1933 als das entscheidende Wendejahr der deutschen Geschichte. Darüber hinaus ist noch das entscheidende Wendedatum zu identifizieren. Dies ist nicht der 30. 01.1933 ( Ernennung Hitlers zum Reichskanzler) sondern der 24.3.1933: Errichtung der Diktatur durch Zustimmung des Reichstages zum Ermächtigungsgesetz. Dafür stimmte Theodor Heuss, unser erster Bundespräsident, der weithin als alter weiser Mann und aufrechter Demokrat gilt. – Prof Dr. Klaus Bärwinkel

 

Danke für die erschreckende Erkenntnis, wie wenig Leute wieviel Böses bewirken können. Gilt es auch umgekehrt? Und: Wie können wir denn dem Antisemitismus wirklich beikommen? – Dr. Bianca Schnupp

 

Ihr Beitrag zum 09.11. ist das Beste, was ich seit langem dazu gelesen habe. Es berührt mich sehr, da 1950 geboren und mit den Bildern aus Bergen-Belsen sozialisiert und politisiert und diesen verpflichtet. Kurz vorher hatte ich die Gedanken eines Herrn Minkmar in der Süddeutschen gelesen. Fassungslos… Ihr Beitrag zeigt, wie differenzierte und intellektuell redliche Auseinandersetzung gelingen kann und sich vom tumben und folgenlosem Anti-Antisemitismus unterscheidet. Ihr Perspektivenwechsel von 39 auf 33 ist überzeugend und zielgebend. – Heinz Jeschke

 


 

 

Leserbriefe zu „Die Schuldbremse“ von Robert Pausch und Holger Stark

 

Christian Lindners Chuzpe bzgl. der „Schuldbremse“ kann nur blankes Entsetzen hervorrufen und allen die peinigendste Schamesröte ins Gesicht treiben! – Hildegard Schuster

 

Danke für diesen informativen Artikel! Deutsche Schuldenbremse contra Entschädigung von Holocaust-Überlebenden: Wie überheblich, wie kleinlich und peinlich! Ich schäme mich für mein Land und diesen Finanzminister. – Dr. Gabriele Prescher

 

Ich bin fassungslos. – Elke Maier

 

Ich bin kein Freund von Christian Lindner oder der FDP, aber der ZEIT-Artikel „Die Schuldbremse“ ist sehr gehässig! Jahrzehnte um Jahrzehnte erhält die Jewish Claims Conference alljährlich Riesenbeträge von Deutschland, die angeblich an Holocaustüberlebende weitergereicht werden. Muß die JCC eigentlich Rechenschaft ablegen über die Verwendung der über 1 Milliarde Euro jährlich? Vor einigen Jahre erschienen Pressemeldungen über Korruption und Verschwendung bei dieser dubiosen Institution und ebenso darüber, dass die Mehrzahl der in Israel lebenden Holocaustüberlebenden unterhalb der Armutsgrenze leben.

Ich finde es völlig richtig vom deutschen Finanzminister, dass er nicht ungeprüft den Zahlungsforderungen Israels und der USA (was mischen die sich dabei überhaupt ein!) erfüllt. Ein Fall für den Bundesrechnungshof! Die Sache riecht sehr nach der Entschädigungsaffäre vom Spätsommer, als man den Erpressungen der Hinterbliebenen des Olympiaattentats nachgab. – Björn Luley

 

Es sei üblicherweise ein „Routinevorgang“, schrieben die ZEIT-Autoren Holger Stark und Robert Pausch vergangene Woche in ihrem diskussionswürdigen Artikel „Die Schuldbremse“. Sie bezogen den Begriff auf die Verhandlungen der Bundesregierung mit der Jewish Claims Conference (JCC) über Entschädigungszahlungen an Holocaust-Überlebende. Eine Routine ist laut Duden eine Tätigkeit, die zur Gewohnheit geworden ist. Das Schicksal von rund 250.000 noch lebenden Menschen, die im Zweiten Weltkrieg in Konzentrationslagern oder Ghettos den eigenen Tod gefürchtet und Familienmitglieder verloren haben, kann aber nie zu etwas Alltäglichem werden. Dessen sollten sich alle in diesem Land bewusst sein.

Die vertraulichen und von Vertrauen geprägten Gespräche zu Leistungen für ebendiese NS-Opfer mit der Atmosphäre von Tarifverhandlungen zu vergleichen, wie es die Autoren der ZEIT tun, entbehrt jeder Grundlage. Ebenso die Behauptung, Bundesfinanzminister Christian Lindner habe Zahlungen für Holocaust-Überlebende kürzen wollen und dies mit der Schuldenbremse des Grundgesetzes begründet.

Die Verhandlungen mit der JCC werden traditionell auf Staatssekretärsebene geführt. Für das BMF habe ich als zuständige Staatssekretärin in enger Abstimmung mit Kanzleramt und Auswärtigem Amt verhandelt. Die Darstellung der ZEIT ist unzutreffend, dass diese Gespräche am 19. Mai 2022 ohne Ergebnis geblieben seien. Das Gegenteil ist der Fall: Leistungen wurden weiter abgesichert oder verbessert. Die Einigung in Höhe von zunächst rund 1,2 Milliarden Euro lag auf dem Niveau der vergangenen beiden Jahre und weit über den Verhandlungsergebnissen der Vor-Corona-Zeit.

Unabhängig davon traf Finanzminister Lindner im Juni die Entscheidung, das erzielte Ergebnis um eine nochmalige Einmalzahlung an besonders Betroffene in Höhe von rund 180 Millionen Euro zu ergänzen. Darüber informierte er Kanzleramt und Auswärtiges Amt. Druck von außen bedurfte es für diese Entscheidung nicht – anders als die ZEIT suggeriert. Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, dass Anliegen der JCC im Vorfeld der Verhandlungen von verschiedenen Seiten unterstützt werden.

Insgesamt wurde in diesem Jahr ein umfangreiches und von allen Beteiligten begrüßtes Ergebnis erzielt. Die JCC nahm den ZEIT-Artikel zum Anlass, dies noch einmal demonstrativ zu unterstreichen. „Nach produktiven Diskussionen mit dem Finanzministerium haben wir in einer gemeinsamen Anstrengung eine gute Lösung in dieser Verhandlungsrunde erzielt“, erklärte die JCC nach Erscheinen des Artikels.

Auch in diesem Jahr konnte freilich nicht über jedes Anliegen der JCC Einigkeit erzielt werden. Zum Beispiel gibt es den Wunsch, monatliche Renten für zusätzliche Gruppen von Betroffenen auszuzahlen. Diese Forderung ist nicht neu. Auch in den Verhandlungen mit früheren Bundesregierungen war dieser Punkt offengeblieben. Mit einer „Schuldbremse“, wie es der Artikel achtlos suggeriert, hat dies allerdings nichts zu tun.

Neben dem sachlichen Gehalt ist die Recherche des Beitrags bemerkenswert. Bereits im Sommer haben wir erfahren, dass Redakteure der ZEIT sich mit den Verhandlungen beschäftigen. Tatsächlich hat das Bundesfinanzministerium dann aber erst am 31. Oktober mit kurzer Frist einige schriftliche Fragen erhalten, deren Beantwortung nur äußerst marginal in den Beitrag eingeflossen ist. Wir hätten gerne in einem ausführlichen Gespräch Verfahren, Fakten und Hintergründe dargelegt. Stattdessen erschien der Text mit klarem Spin und stark personalisiert auf den Minister, der die Verhandlungen gar nicht geführt hat. Über die Motive will ich nicht spekulieren. – Prof. Dr. Luise Hölscher (Staatssekretärin, Bundesministerium der Finanzen)

 


 

 

Leserbriefe zu „Ist sein Islam zu liberal?“ von Arnfrid Schenk

 

Das Problem scheint mir überhaupt dieser „bekenntnisorientierte Unterricht“ zu sein. Auch die sogenannten christlichen Kirchen nehmen Einfluss auf die Lehrerlaubnisse an Hochschulen und Universitäten. Schulen, Hochschulen und Universitäten sollten Wissen vermitteln und keine Ideologien. Auch die katholische Glaubenslehre funktioniert ja nur durch Unterdrückung von Wissen, absurderweise durch Unterdrückung von Kenntnissen der Schriften, die eigentlich die Grundlage von allem sein sollen. Der Unterschied ist allerdings, dass die Kirchen durch die Aufklärung einigermaßen in den Rahmen staatlicher Gesetze gewiesen wurden, was die Vertreter des Islam zum großen Teil für sich nicht akzeptieren. – Karlheinz Martín

 

Angesichts der in dem Artikel dargelegten Nachweise der wissenschaftlichen Kompetenz und formalen Qualifikation von Dr. Ourghi drängt sich in der Tat der Verdacht auf, dass die Stiftung Sunnitischer Schulrat die Lehrerlaubnis nicht wegen Mangels an Kompetenz oder Qualifikation verweigert, sondern weil ihr die Theologie von Dr. Ourghi nicht passt. Dass das Kultusministerium ein solches Vorgehen mitmacht, wundert mich. Wenn die Stiftung nur eine kleine Minderheit der Muslime in Baden-Württemberg vertritt, frage ich mich zudem, woher sie überhaupt die demokratische Legitimation bezieht, Lehrerlaubnisse zu erteilen oder zu versagen.

Darüber hinaus ist meines Erachtens zu erörtern, ob/wie es sich mit der Wissenschaftsfreiheit verträgt, dass zu Religionen und Religionsgemeinschaften in Deutschland an staatlich finanzierten Hochschulen fast nur „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen einer Religionsgemeinschaft“ geforscht werden darf, und zwar selbst dann nur, wenn die Wertvorstellungen der betreffenden Religionsgemeinschaft offensichtlich und nachgewiesenermaßen nicht mit dem Grundgesetz und den Menschenrechten vereinbar sind. Diesbezüglich ist meines Erachtens eine Änderung des Grundgesetzes längst überfällig. – Dr. Ulrich Willmes

 

Wie westlich kann das Islam-Verständnis sein und trotzdem authentisch bleiben? – Kurt Schäfer

 

Die als Überschrift gestellte Frage gehört im Grunde der Vergangenheit an, denn wenn es hier nicht um einzelne Religionen mit ihren jeweiligen Ausformungen gehen soll, sondern um das Wesen von Religion im umfassenden, universellen Sinn, dann sind deren Werte immer liberal par excellence, gerade deshalb, weil sie als Beiträge zum Gelingen unseres irdischen Lebens beitragen sollen. Nur für ein Religionsverständnis, das sich verselbständigt, sich also von den Existenzbedingungen auf unserem Planeten abgehoben hat, stellt sich die Frage nach dem Grad der Liberalität.

Bezogen auf den hier dargestellten Fall heißt das, wenn Religionsunterricht bekenntnisorientiert sein soll, wie es muslimische Verbände fordern, braucht man mit dem Studium erst gar nicht anfangen, denn dann geht es nur noch um Rechtfertigungen festgelegter Lehrinhalte. Insofern ist die Aussage konservativer (?) Kräfte: „Entweder ihr vertretet unsere Ansichten, oder ihr dürft nicht mehr unterrichten.“ das Eingeständnis dafür, dass es denen um exklusivistische Standardisierungen geht – die Dynamik des Religiösen bleibt damit auf der Strecke.

In dem Zusammenhang ist auch der von Wolfgang Schäuble formulierte Satz „Der Islam ist ein Teil Deutschlands“ bestenfalls statistisch relevant. Ob, wann und wie der Islam als erdbezogene und geschichtlich mitwachsende Religion anzuerkennen ist, bleibt damit ausgeklammert. – Christoph Müller-Luckwald

 


 

 

Leserbriefe zu „Sieg der Mutigen“ von Navid Kermani

 

Ein kluger Artikel von Navid Kermani! Es ist in der Tat symptomatisch, dass die deutsche Regierung wieder Zeit brauchte zu verstehen, dass das Atomabkommen verloren ist, dass die einzige aussichtsreiche Möglichkeit die atomare Aufrüstung im Iran zu stoppen allein durch den Sieg der gegenwärtigen revolutionären Volksbewegung zu schaffen ist, wodurch eine wirkliche demokratische Entwicklung in Gang gesetzt werden könnte.

Das Volk im Iran sehnt sich danach und ist zu jedem Opfer bereit, denn es will nicht mehr unter dieser Diktatur weiterleben, genauso wie das Volk in der Ukraine nicht von einer Putinschen Diktatur überwältigt, ja gefressen werden will. Putin wird sich an diesem Volk wenn wir ihm die nötige Unterstützung gewähren die Zähne ausbeißen! Die gleiche entschlossene Unterstützung braucht das iranische Volk. – Dr. Michael Hopmann

 

Man fragt sich, woher Kermani die Sicherheit nimmt, mit der er die Gegenwart erklärt und die Zukunft vorhersagt. Ein kleines historisches Beispiel für den Erfolg von „klugen Sanktionen“ in vergleichbaren Fällen wäre zum Beispiel angebracht. Ich würde mich sehr freuen, wenn die Mutigen den Sieg erringen. Die Mutigen, das sind allerdings die Demonstranten im Iran, und nicht diejenigen, deren vage Mutmaßungen aus sicherer Warte die erste Seite der ZEIT erreicht haben. – Dr. Christian Voll

 

Nach meiner festen Überzeugung kann der folgende Satz von Herrn Kermani im Artikel ‚Sieg der Mutigen‘ nicht unkommentiert stehen bleiben: „Ein Atomdeal hingegen würde zum Nord Stream 2 der deutschen und europäischen Nahostpolitik“. Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen. Es lässt sich sicherlich vortrefflich darüber streiten, ob der ‚Wandel durch Annäherung‘ – wie ihn Egon Bahr bei seiner neuen Ostpolitik als politisches Konzept auf den Weg brachte – durch ein Regierungshandeln der SPD zum ‚Wandel durch Handel‘, deformiert wurde. Aber der Vergleich eines Regierungshandelns bezüglich Ukraine/Russland, hier also konkret Nord Stream 2, mit dem Atomabkommen, dort also die Politik der Bundesregierung im Anbetracht der Lage im Iran, erzwingt schon sehr viel sprunghafte Phantasie.

Oder anders gesagt: Es ist eine ziemlich steile These bzw., um jetzt noch deutlicher zu werden: Eine populistische Argumentation. Das Atomabkommen diente und dient dazu, die nukleare Abschreckung durch den Iran begrenzt zu halten. Was dies mit einer Pipeline zu tun haben soll, die eine Abhängigkeit von Russland zementiert hätte, ist mit einer halbwegs logischen Argumentation nicht erklärbar. Wahrscheinlich bestand die Absicht von Herrn Kermani darin, etwas Wichtiges und Richtiges sagen zu wollen und insgesamt teile ich ja durchaus seine Auffassung, dass mündige Bürger eine kritische Haltung zum derzeitigen Regierungshandeln haben sollten.

Denn die China-Politik von Kanzler Scholz beispielsweise hat sicherlich Verbesserungspotenzial, aber in diesem zu kurz greifenden Artikel „Sieg der Mutigen“ werden zu viele Vereinfachungen eingeflochten, nur um anschließend zu der begrüßenswerten Schlussfolgerung kommen zu können, die darin liegt, Demokratien zu stärken. Schade, vor allem mit dem erwähnten Eingangszitat hat Navid Kermani diesem Anliegen aufgeklärter Bürger einen Bärendienst erwiesen. – Jürgen Lorenz

 

Im Iran könne nur noch die Demokratie für Stabilität sorgen? Wohl ebenso wie Navid Kermani wünschte ich: Wir bekämen einen Reset hin in die Zeit des demokratisch gewählten iranischen Premiers Dr. Mohammad Mossadegh. Zurück in jene Zeit vor der Operation Ajax und vor einem sodann völlig entrückten und in seinem Machterhalt brutalen Schah Reza Pahlewi. Vor einem historisch nicht sehr erstaunlichen Umsturz in den Gottesstaat. Vor dem unerhört blutigen Golfkrieg zwischen Irak und Iran, den ein westlicher Außenminister recht zynisch so kommentiert haben soll: „A pity they can’t both lose!“

Angesichts der massiven bedingten Reflexe daraus greift es m.E. zu kurz, als letztes Hindernis vor einer Demokratie „nur“ Hunderttausende glaubensfeste Milizionäre zu sehen. Bzw. als einziges ernstzunehmendes Hemmnis einer flächendeckenden Zivilgesellschaft, wie sie uns halbwegs vertraut vorkäme. Das Manichäische liegt in dieser Region nahe; tatsächlich hat Mani seine Religion mit der unversöhnlichen Opposition von Gut und Böse ja im Perserreich des 3. Jahrhunderts geformt. Es wird einen völlig neuen Vertrauen schaffenden diplomatischen Ansatz brauchen – über den wir ausweislich unserer oberflächlichen Performanz in Afghanistan noch nicht in Ansätzen verfügen – wenn eben wir einen friedlichen Übergang in Teheran und in der Fläche fördern wollen. Und die rechtstechnische Lösung wird keine aus dem Werkzeugkasten des westlichen Statebuilding sein.

Seltsame Gleichzeitigkeit im Übrigen: Die Golfstaaten und insbesondere Katar werden zum ersten Mal seit Jahrzehnten ein leichtes Mitleid mit dem iranischen Regime fühlen, sehen sie sich doch ebenso breiter Kultur- und Menschenrechtskritik ausgesetzt. Den jeweiligen Eliten mag heute die westliche Herausforderung schon deutlich brisanter erscheinen als der für uns so bewährte Gegensatz zwischen Sunniten und Schiiten, zwischen Wahhabiten und Hanafiten, Hanbaliten, Malikiten und weiteren differenzierten Lehren. Das mag zu neuen Allianzen führen und jeder nachhaltigen Modernisierung ebenso verdeckt wie finanzstark und zäh entgegenwirken. – Dr. jur. Karl Ulrich Voss

 


 

 

Leserbriefe zu „»Man kann nur einmal sterben«“. Gespräch mit Hein Goemans geführt von Heinrich Wefing

 

Danke für den Beitrag von Goemans/Welfing. Konkret, ehrlich, reflektiert. Unsere (westliche) Herausforderung: zu Deterrence by denial zu stehen. Es könnte die langfristigen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Kosten dieses Krieges einschränken. Ich werde den Artikel per Post gen Kreml schicken, vielleicht wird er doch gelesen?! – Viktor Kommerell

 

Der „Zeit“ fragt den Politikwissenschaftler Goemans, ob Putin auch daran denke strategische Atombomben im Ukrainekrieg einzusetzen. Bisher war nur von taktischen Atombomben die Rede, deren Einsatz sich „lediglich“ auf das militärische Gefechtsfeld beschränkt. Strategische Atomwaffen wären, aufgrund ihrer viel höheren Sprengkraft, in der Lage, große Landesteile oder sogar die ganze Ukraine atomar zu verwüsten und deren Bevölkerung zu vernichten ! Wie Putin genau über seine militärischen Optionen denkt weiß man nicht.

Es erscheint aber zurzeit sicher zu sein, dass die fortschreitende Vernichtung der ukrainischen Infrastruktur mit der gezielten Vernichtung von Strom- und Wasserversorgung Teil seiner psychologischen Kriegsführung ist da militärisch seine Streitkräfte gegen die ukrainische Abwehr keine Erfolge vorweisen können. Deswegen auch die gezielten Angriffe auf Wohngebiete um die ukrainische Zivilbevölkerung zu zermürben. Putin hat keinerlei Skrupel dabei Zivilisten seinen Kriegszielen zu opfern. Es zeigt aber auch, wie sehr Putins militärische Möglichkeiten geschrumpft sind und er deswegen keinen anderen Ausweg sieht, als „seinen“ Angriffskrieg mit immer brutaleren Methoden zu führen.

Oder Putin versucht, so die Angst der Europäer, die Schwäche seiner konventionellen Angriffe durch den Einsatz taktischer Atomwaffen zu kompensieren um mit ihrer verheerenden Wirkung die ukrainischen Streitkräfte zu vernichten. Die Antwort des Westens, besonders der Führungsmacht USA, auf den Einsatz von Nuklearwaffen aus Putins Arsenal gegen die Ukraine, kann nie atomar sein, muss aber mit hochmodernen konventionellen Waffen erfolgen um Russland militärisch die Flügel zu stutzen. Die Ukraine wird auch durch den Einsatz russischer Raketen und Drohnen immer mehr verwüstet und man fragt sich, was Putin, falls der Krieg andauert und die Ukraine doch irgend wann kapituliert, eigentlich vorhat.

Will er ein verwüstetes Land, dessen Bevölkerung entweder gen Westen geflohen ist oder nach Russland deportiert wurde, brach liegen lassen ? Russland hätte wohl kaum die Mittel um die zerstörte Ukraine wieder aufzubauen. Welcher Irrsinn tut sich da auf ! Zuerst die immensen Kosten des Angriffskrieges schultern zu müssen und dann die noch höheren Kosten eines Wiederaufbaus. Wenn in Putins wahnhaftem Denken noch ein Rest Rationalität vorhanden ist, muss ihm dämmern, dass er nur noch ein Verlierer ist. Er kennt das Ende von Verlierern in seinem Kosmos. – Klaus Reisdorf

 

Die USA haben Putin eindringlich gewarnt .In GB sind schon Bomber stationiert . In der Ostsee schwimmen bereits Kapazitäten . Auch als Natomitglied wird die USA notfalls einen Alleingang starten. – M.Fetting

 


 

 

Leserbriefe zu „Wer baute die acht Stadien von Katar?“ von Moritz Rinke

 

Danke für den Beitrag. Ich hätte nur einen Schärrrz beizutragen: Kommt ’ne Fußball-WM in die Arztpraxis: – Guten Tag, mir ist so gar nicht wohl. Folgt: ausführliche Untersuchung. Dann die Diagnose: – Menschenrechts-Katarrh. – Kurt Eimers

 

Der moralische Rigorismus um die Fußball-Weltmeisterschaft und ihre zugegeben widerlichen Umstände erlangen selbst inzwischen eine erschreckenden Fragwürdigkeit, weil ihre Separierung unsere eigenen, geradezu zivilisatorisch gleichen Zustände verdeckt. Was ist der Unterschied zwischen den von Sklaven gebauten Fussballtempel in Katar und den von vornehmlich Sklavinnen hergestellten Jeans aus Bangladesch? Wieso erregt ausgerechnet uns Europäer diese Tatsache, obwohl unsere Zivilisation und unser Wohlstand seit Jahrhunderten von Sklavenarbeit in Asien und Afrika erst ermöglicht wurde? Was wäre insbesondere Deutschland ohne irgendeinen eigenen Rohstoff ohne die Ausbeutung dieser Kontinente?

Jede, noch so anmaßende Kritik an Katar wäre trotzdem respektiert, würden wir jetzt und in Zukunft unseren Wohlstand ohne eine Ausbeutung bewerkstelligen. Dieses wird nicht möglich sein und zu erheblichen gesellschaftlichen Verwerfungen führen. Deshalb wählen wir lieber auch bei Katar die Verlogenheit des moralischen Rigorismus, um von der Wahrheit über eine katastrophale Zukunft abzulenken. – Jürgen Dressler

 

Freund der WM in der Wüste bin ich auch nicht, aber bei aller berechtigten Kritik, dass Katar es jetzt auch noch den Datenkraken China und Google nacheifert, ist eines der letzten Dinge, die mir als langjähriger Kenner des Emirats einfallen würde. Die Etheraz-App mit welcher der Corona-Impfstatus nachgewiesen wird, ging nicht durch die gleichen Datenschutzprüfungen wie in Deutschland, war dafür aber auch ein halbes Jahr eher fertig und wurde – wie zum Zeitpunkt des Artikels schon feststand – vor der WM eingestellt. Die Pressefreiheit ist in Katar eingeschränkt, aber einen Ort, an dem man herumstehende Schuhe nicht fotografieren darf, muss man suchen. Man findet ihn, wenn man die Bannmeile besichtigt, wo kurz vor der WM das Fotografieren auf Geheiß der FIFA vor allem aus Sicherheitsgründen einschränkt, ist. Außerhalb davon wird man in Katar auch Polizisten finden, die beim Knipsen helfen, wenn man zum Beispiel mit aufs Foto möchte.

Die Anspielung Katar werde nun auch zum Militärstaat ist fast schon absurd. Katar hat eine Armee und kauft Waffen, hat aber anders als viele europäische Länder noch nie jemanden angegriffen, oder auch nur ansatzweise damit gedroht, was angesichts von gerade mal 300.000 katarischen Passinhabern wohl auch niemand ernst nehmen würde. Mangels Opposition im eigenen Land (von den Erzkonservativen abgesehen) gibt es im Inland auch keine denkbaren Einsatzbereiche. In den letzten Jahren diente die Armee zuerst zur Verteidigung gegenüber dem Iran, wobei die USA hier den Hauptbeitrag leisten, wie für Deutschland auch. Als sich ein Bündnis aus Saudi-Arabien, Ägypten und den anderen Emiraten entschloss, Katar von 2017-2020 vollständig zu isolieren, sah man die kleine Luftwaffe auch ab und zu in der anderen Richtung patrouillieren.

Wo der Bericht nicht neue den totalitären Schurkenstaat zeichnende Thesen ersinnt, wird bereits Korrigiertes aufgefrischt. Die 15.000 Toten, die Zahl die Amnesty für alle in Katar an allen erdenklichen Ursachen verstorbenen Migranten nannte, werden einmal mehr nur der Hitze und nur dem Stadienbau zugesprochen. Die Standards auf den Baustellen kommen nicht an europäische heran, sind Europa aber weitaus ähnlicher als auf indischen oder afrikanischen Baustellen, eben den Gegenden, aus denen die Arbeitsmigranten nach Katar gehen. In Deutschland sind seit Vergabe der EM 2026 über 100,000 Menschen mit Migrationshintergrund gestorben und sie haben soviel mit der EM zu tun wie die Sterberaten der Migranten in Katar mit der WM.

Ausgerechnet ein „leitender Angestellter beim Stadienbau“ muss für vorenthaltene Lohnzahlung herhalten. Da auch in Katar mit der Corona – Krise Unternehmen in Schieflage geraten sind, wäre es nicht schwergefallen wenigstens einen Arbeiter zu finden, dessen Lohn aussteht. Ein leitender Angestellter verdient auch in Katar so 8000 EUR im Monat und kann sich einen Anwalt leisten.

Ja, der Umgang mit Homosexualität in Katar erinnert fast ans Mittelalter, wenn auch nicht an das Deutschland heute vor 80 Jahren. Die Sharia und die kulturelle Prägung vieler Menschen, die darin eine Krankheit sehen, verhindern dass man in aller Freundschaft gemeinsam gegen den Ball treten kann. Die Kataris sind mehrheitlich einer – auch für mich nicht akzeptablen – Meinung und äußern diese auch so. Aber bei der Erwähnung des Themas gibt es in Katar kein unruhiges Rumrutschen auf den Stühlen, als wäre es verboten, darüber zu sprechen.

Wenn Hr. Rinke die Antwort des Tontechniker auf seine Frage, ob er sich über die WM freue nicht verstanden hat, sollte er ihn einfach nochmal fragen. Wichtiger als die Antwort scheint ihm, eine subtile Aura der Bedrohung zu inszenieren. Dass er dann ernsthaft, ja geradezu triumphierend erhofft, der Lichtkünstler dieser Veranstaltung werde auf Grund des Zeit – Artikels bei den katarischen Behörden auffliegen, entlarvt, was sein eigentliches Begehren ist. Nicht zu verbessern, sondern mehr Futter für die rasant wachsende Herde der Empörten zu liefern. Kritisieren kann man, soll man, muss man. Einen Beitrag zur Völkerverständigung oder gar Grund für mehr Pressefreiheit in Katar bietet dieser Artikel nicht. – Stefan Brinkmann

 


 

 

Leserbriefe zu „»Leider in der falschen Partei«“ von Anne Hähnig

 

Eine rundum gescheite Arbeit von Ihnen. Mit das Beste für mich: „Die ostdeutsche Realität frisst die bundespolitische Reputation ihrer Ministerpräsidenten“. Formalistisch hat das Zusammenawachsen der neuen deutschen Bundesländer mit den alten funktioniert. Doch beim einfühlsamen Blick hinter die Kulissen wird das Trennende zwischen Ost und West deutlich. Wer aus dem Westen hat denn schon in Gänze Russlanderfahrungen mit ganz normalen russischen Bürgern und Vertretern der früheren und heutigen Nomenklatura?

Städtepartnerschaften die seit Anfang der fünfziger Jahre bestanden wurden per ordre de mufti in diesem Jahr ( für die Menschen im Osten gefühlt verordnet von oben, wie damals beim Erich“) auf Eis gelegt. Die politische Empfehlung aus Berlin lautet nun, dass man nun geschwind sowas mir den Städten in der Ukraine aufbauen soll. Hallo! Gewachsenen menschliche Verbindungen können nicht per Knopfdruck ausgetauscht werden. Und der, der in Sachsen und anderswo „drüben“ „jwd“ Wahlen gewinnen will, der muss schon sein Ohr an den dortigen Bürgern haben. – Dr. Detlef Rilling

 

Eigentlich war mir dieser Michael Kretschmer bisher nicht gerade sympathisch, und das lag nur nicht daran, dass er in der „falschen“ Partei ist! Wäre nur noch die Frage zu klären, welche Partei für ihn die richtigen Partei wäre? Wer ist zur Zeit schon, außer Putin und Selenskyj noch für Krieg? Gut einige Despoten schon, entweder führen diese gerade Krieg oder stehen kurz vor einem Kriegsbeginn!

Bei der Ampel-Regierung, eine der fetteren Waffen-Lieferanten an die Ukraine, bin ich mir da nicht mehr so sicher? Mir gefällt derweil dieser Ministerpräsident aus Sachsen, der mit Putin verhandeln will! Ja, genau solche Menschen braucht das Land, und nicht diese Waffen-Lieferanten, die diesem Präsidenten Selenskyj auf Teufel komm raus wirklich jeden Schrei nach Waffen, sofort diese gewünschten Waffen beantworten müssen! – Klaus P. Jaworek

 

Ein Teil der Bundesrepublik hat weniger Einwohner als NRW und mit Ausnahme seiner Großstädte, welche in ihren Entwicklungen eher westliche und demokratische Werte aufzeigen, auch enorme Verluste von bildungsnahen BürgerInnen an den Westen: die immer noch so genannten neuen Bundesländer. Warum berichten deutsche Medien unverhältnismäßig und ständig von einem darbenden Landstrich mit unverhältnismäßigen landespolitischen Strukturen und von bornierten, für die Bildung geeigneter Lebensumstände unfähigen Bevölkerungsteilen?

Wenn es doch so bedauerlich sein sollte, Teil der Bundesrepublik Deutschland zu sein, empfehle ich eine Wiederholung der friedlichen Revolution von 1989 mit der Umkehrung des insbesondere vom Mob der DDR so eingeforderten Wiedervereinigung. Doch die ständige Beschwerde um das so angeblich „grausame“ Leben im Osten lässt diesen Gedanken unberührt. Soweit kann die Forderung nicht gehen, weil man dann die eigene Zukunft einzuschätzen weiß. – Jürgen Dressler

 


 

 

Leserbriefe zu „Schön durch schiefe Zähne “ von Andrea Petković

 

Bitte beenden Sie endlich die langweilige und belanglose Klumne „Grand Slam“ von Andrea Petkovic. Vergeben Sie doch stattdessen diesen Platz an z.B. junge Dichterinnen, die hier ihre Gedichte präsentieren und kurz erläutern können. Diese können das Geld und die Aufmerksamkeit sicher besser gebrauchen als Andrea Petkovic. – Iris Bronstein

 

Die Onlineausgabe des „Guardian“ hatte am 21. Oktober einen Artikel zu den geplanten Kürzungen im britischen Zahngesundheitssystem mit der Überschrift „Further cuts will kill off NHS dental services, chancellor told“. Nach der Lektüre von Frau Petković‘ Artikel weiß ich jetzt, was damit eigentlich bezweckt werden soll: Die Briten sollen weniger „posh“ und dafür attraktiver gemacht werden! Stiles (Nobby, mit „i“, nicht Harry mit „y“) lässt lächelnd grüßen. Ich stelle mir gerade die Cheshire Cat mit seinem Gebiss vor … – Thomas Manthey

 


 

 

Leserbriefe zu „Wald und Wahl“ von Thomas Fischermann

 

Dass ein Artikel zum Wahlausgang in Brasilien auf der Titelseite landet, finde ich schon mal gut, angesichts der möglichen Folgen für die gesamte Weltgemeinschaft. Kritisch sehe ich jedoch die in meinen Augen einseitige Bewertung des Wahlergebnisses in diesem Artikel. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich finde Bolsonaro und seine Politik unmöglich und bin froh, dass er abgewählt wurde.

Allerdings hat auch Lula Da Silva keine weiße Weste, saß wegen Korruption im Gefängnis und wurde nur wegen justiziarischer Formalienfehler rückwirkend entschuldigt. Das alles weiß der Autor selbstredend, erwähnt es aber mit keiner Silbe. Die Darstellung und Bewertung des brasilianischen Wahlergebnisses gerät dadurch merkwürdig einseitig: Bolsonaro, der fürchterliche Tropen-Trump, hat glücklicherweise verloren, und Lula, der gemäßigt-linke Hoffnungsträger, tritt an zur Rettung der Demokratie- sorry, das ist mir zu unterkomplex und entspricht auch nicht ganz der Realität.

Vielleicht wäre es besser gewesen, dazu einen ausführlicheren Artikel auf Seite 2 oder 3 zu machen und so die Widersprüche und Ambivalenzen der politischen Lager in Brasilien anhand verschiedener Themen (nicht nur des Umweltschutzes) aufzuzeigen. So klingt der Kommentar jedenfalls leider sehr mittelinks-wohlwollend und auch etwas naiv, denn niemand weiß doch wirklich schon jetzt, ob Silva seine Versprechen hinsichtlich des Amazonas überhaupt umsetzen wird oder kann.

Auf diese Weise bedient man sich also in meinen Augen nicht nur unbewusst am Lagerdenken der radikalen politischen Spaltung zwischen links und rechts in Brasilien, sondern spielt auch dem Vorwurf in die Hände, in deutschen Leitmedien würden konservativ-rechte Positionen verunglimpft und linke befürwortet. Das unterstelle ich ausdrücklich nicht, sondern möchte nur darauf hinweisen, dass hier ein solcher Eindruck erweckt werden könnte, was schade ist, wenn man diesen mit dem einfachen journalistischen Mittel der Abwägung und Ausgewogenheit vermeiden könnte. Hier der bedrohliche Militär-Präsident, dort ein diplomatischer Ex-Gewerkschaftler- wenn die Realität doch nur so einfach wäre. – Julia Molina

 

Ist das Ergebnis der Wahl in Brasilien ein Fingerzeig für Veränderung? Ist das eine Blaupause für die Wandlung vom Saulus zum Paulus? Mit 50,9 Prozent ist der Sieg ziemlich knapp ausgefallen. Auch Bolsonaro hat in Brasilien nur vier Jahre gebraucht um eine fragile Demokratie politisch in Frage zu stellen und mit allen legalen und vor allem illegalen Mitteln in Richtung einer Autokratie zu entwickeln. Trump lässt grüßen.

Hier steht nicht nur der unverzichtbare und für das Weltklima so wichtige Regenwald am Amazonas auf dem Spiel, sondern eine Weltanschauung die nicht nur den eigenen Vorteil sieht und über den Tellerrand schaut, über den begrenzten Horizont einzelner Protagonisten hinaus, das Weltweite Problem des Klimawandels betrachtet und in politische Überlegungen mit einbezieht.

Kann da Silva gegen die Hälfte seines Volkes die weitere Vernichtung des Regenwaldes stoppen und die Demokratie wiederbeleben? Trump als schlechtes Beispiel hat ebenfalls die amerikanische Demokratie gespalten. Gerade seine Art die Wahrheit, und zwar nur seine Wahrheit, gelten zu lassen bringt seine verblendete Gefolgschaft dazu die Andersdenkenden in der eigenen wie der demokratischen Partei mit unversöhnlichem Hass zu begegnen. Alttestamentarische Rachegelüste einer Rückgewandten Ideologie führt zurück in ein Schwarz/Weißdenken der übelsten Art.

Da kann man nur hoffen, dass da Silva in Brasilien mehr Geschick und Glück beschieden ist eine Wende und die Einbeziehung von Teilen der Bolsonaro-Wähler zu erreichen um große Teile seiner Wahlversprechungen wahr zu machen. Schon seine Breitschaft mit allen Gesprächen zu führen und auch bei wenig Gegenliebe nicht locker zu lassen ist viel, sehr viel mehr als Trump signalisiert. – Felix Bicker

 


 

 

Leserbriefe zu „Stimmt’s? Der Tempomat im Auto spart Sprit“ von Christoph Drösser

 

Danke Herr Droesser. Gut zu wissen ……falls man ins ausland beim autofahren ist. Hier will die Grosse Koalition dh Mercedes BMV und VW kein tempolimit. gut dass ihre autos haben den Tempomat eingebaut, aber hier funktioniert s wirklicht IN effektiv…leider und manchmal kann es gefaehrlich sein. – Brian Agro

 

Ich habe noch eine Frage zu Ihrem informativen Artikel. Warum verbrauche ich mit einem Tempomaten beim Bergauffahren mehr Sprit als bei „manueller“ Betätigung des Gaspedals ? Jeweils bei konstanter Geschwindigkeit. – Reinhard Schmitz

 


 

 

Leserbriefe zu „Klimaaktivisten verunstalten Kunstwerke und nehmen Millionenschäden in Kauf. Die Versicherer bleiben jedoch entspannt. Was steckt dahinter?“ von Leon Igel

 

Interessante Zahlen zu dem Versicherungswirrwarr in der Kunstwelt. Alles an dem Artikel war lesenswert, außer der letzte Satz, der war eine Frechheit. Hier wird den Aktivist:innen vorgehalten, dass ihre Aktion Kosten verursachen würde und dieses Geld dann beim Klimaschutz fehlen würde. Doch die Aktivist:innen sind nicht das Hindernis das kein Geld für den Klimaschutz vorhanden ist. Sie halten solch eine Aktion für notwendig, damit überhaupt damit angefangen wird genügend Geld in die Hand zu nehmen. – Adrian Gellissen

 

Irgendwie kann man das radikale Vorgehen der Klimaaktivisten doch auch verstehen. Zwar kneift’s unangenehm in meinem Herzen, wenn die Jungen unsere Gemälde attackieren. Doch das ist vergleichsweise ein nur kleines & sicher verkraftbares Wehwehchen, wenn wir uns mal vor Augen führen, wie der gefräßige Mensch seit jeher den eigenen Planeten ausbeutet & zerstört. Und geblendet von eigener Ignoranz & Profitgier einfach noch weitermacht.

Blindlings, ohne recht zu bemerken, dass er an dem Ast sägt, auf dem er gleichwohl sitzt. Ich hege die heimliche Ahnung, dass ein Vermeer und ein vom Leben geschundener Van Gogh den jungen, mutigen Menschen dieser Welt ihre Aktionen nicht nachtrügen. Ganz im Gegenteil. Wahrscheinlich sogar guten Herzens durchgehen ließen. Dienen sie doch einem hehren & vernünftigem Ziel. Nämlich Industrie & Politik zu einem Einlenken zu bewegen, damit unsere Erde weiterhin eine bewohnbare bleibt. Wenn die Jugend nicht wäre, täte es niemand.

Schon ganz bestimmt nicht unser eitle Sonnenkönig aus Bavaria mit Namen Markus Söder. Zum Thema Klimawandel wird nichts von Substanz geäußert, stattdessen werden immer wieder gebetsmühlenartig leere Phrasen runter gesprochen. Mit fragwürdigen 10-H-Regelungen wird Sand ins Getriebe gestreut statt dafür zu sorgen, es endlich anzutreiben. Und jetzt die Jungen als Enfant terrible zu brandmarken, ist völlig verfehlt. Daher kann ich diesen Aufschrei, der von seitens einiger Politiker ausging & frei aus dem Affekt entstand, nicht so ganz ernst nehmen. – Michael Ayten

 


 

 

Leserbriefe zu „Ein undurchsichtiger Deal“ von Ann-Kathrin Nezik

 

Die sogenannten sozialen Medien, darunter eben auch Twitter, machen bei der Verbreitung von Lügen und Hetze Gewinn. Twitter gelang das allerdings bislang nur in bescheidenem Maße. Die sogenannten sozialen Medien werden nicht freiwillig damit aufhören (siehe den Artikel „125-mal Alarm schlagen. 125-mal abwarten“ von Götz Hamann in DIE ZEIT vom 3.11.2022), sondern nur dann, wenn man die entsprechenden Unternehmen für die Verbreitung von Lügen und Hetze mit Geldstrafen belegt, die deutlich höher sind als der Gewinn, den sie bei der Verbreitung von Lügen und Hetze erwirtschaften.

Wenn weiterhin nichts oder kaum etwas gegen die Verbreitung von Lügen und Hetze in den sogenannten sozialen Medien unternommen wird, werden wir möglicherweise in absehbarer Zeit keine Demokratie mehr haben, weil die Wähler*innen dann weiterhin permanent falsch informiert werden und deshalb eben auch die falschen Parteien und die falschen Politiker*innen wählen. In den USA ist es eventuell bereits soweit. Die klassischen Medien, darunter die Zeitungen und Zeitschriften, scheinen viele Wähler*innen gar nicht mehr zu erreichen. – Dr. Ulrich Willmes

 

Mit dem Rausschiss der Hälfte der Twitter-Belegschaft untermauert Elon Musk das, was er schon angekündigt hat. Er ist der Chef im Ring und ich befürchte, nicht nur bei Twitter. Was er wirklich vorhat, weiß nur er selbst. Die Vorzeichen sind beunruhigend, obwohl er ständig beteuert, die Meinungsfreiheit verteidigen zu wollen. Die Übernahme von Twitter bedeutet für ihn einen unglaublichen Machtgewinn in Zeiten von Social Media. Musk ist unberechenbar, er duldet keinen „König“ neben sich.

Er wird Einfluss auf die Politik nehmen, da bin ich mir sicher, wieviel Schaden er anrichten kann, wird sich erst zeigen müssen. Seinen Werbekunden droht er jetzt schon, falls sich von Twitter zurückziehen wollen. Das nennt man Erpressung. Letztendlich sind es aber die Nutzerinnen und Nutzer von Twitter selbst, die entscheiden, wie weit Musk gehen kann. Sie können sich jederzeit bei Twitter abmelden, wenn Elon Musk diese Plattform zu seinem persönlichen Sprachrohr macht und in ein Sodom und Gomorrha der sozialen Medien umwandelt. Da sollten sie sich (die Vernünftigen) einig sein. – Regina Stock

 


 

 

Leserbriefe zu „Strahlender Verlierer“ von Thomas E. Schmidt

 

Was soll das: „Das neue Stadtoberhaupt (Feldmann) ist jedenfalls der erste jüdische OB seit 1933“. Die ZEIT ist, meiner Kenntnis nach, die bisher einzige Zeitung, der die Herkunft, bzw. das Glaubensbekenntnis des Herrn Feldmann eine Zeile wert gewesen wäre. Aber dann kommt es richtig dicke bei Herrn Thomas E. (Eduard?) Schmidt: dieser Jude macht daraus in der Öffentlichkeit wenig Aufhebens! Wie perfide ist das denn?. Wo doch jeder weiß, dass Juden sich für das „auserwählte Volk“ halten und dies überall herumposaunen? Und weiter geifert Herr Schmidt in Antisemitenmanier: Feldmann stammt aus einer (reichen?) Akademikerfamilie (Juden müssen reich sein). Er mimt aber nicht den Professor Adorno. Ja, Adorno war Jude, und…?

Und Feldmann gibt sich sogar sozialistisch! Dies bezeichnet Schmidt als eine „leider vergessene“ (demokratisch-) jüdische Tradition. Da sieht der Leser mal wieder, wie verschlagen „der Jude“ ist, er gibt sich sozialistisch, kommt aus reichem Hause, ist machtversessen und zockt dann auch noch eine soziale Einrichtung ab. Diese acht Zeilen Stürmerhetze versteckt er in einer ganzen Seite Geschwätz, das in anderen Zeitungen besser zu lesen war. Was, frage ich mich, reitet die ZEIT, einem solchen Schmierfink Platz für seine Hetze einzuräumen? – Herbert Bayersdorf

 

Vielleicht sollte Thomas E. Schmidt versuchen zu erläutern, weshalb es sich bei der Entgleisung von Herrn Feldmann um die „sexistische Selbstoffenbarung eines alten weißen Mannes“ handelt. Es sind derlei selbstgerechte, in der ZEIT inzwischen selbstverständlich gewordene Zuschreibungen, die zu der ständig neu auftretenden Frage führen, weshalb man sich die Lektüre des Blattes (nach > 50 Jahren) überhaupt noch antut. – Johannes Drissen

 


 

 

Leserbriefe zu „Anna Mayr entdeckt: Faulschlamm“ von Anna Mayr

 

Der Faulschlamm, dessen Doppeldeutigkeit Sie in Ihrem Beitrag beschreiben, lag, wie der Name schon andeutet, träge über Jahrmillionen unter der Erde, bis findige Menschen ihn aufspürten, noch immer nach oben pumpen und ihn zur Energiegewinnung jedweder Art nutzen. Das Faulgas, sein luftiger Aggregatzustand, wabert ebenfalls schon ewige Zeiten wie ein gewaltiger flatus incarceratus durchs Gestein, bis man es sondierte, so daß es nach oben als Erdgas entwich und von dort durch irdische und maritime Rohre über die ganze Erde strömt.

Nur jetzt gerade nicht! Den normalen Naturkreislauf, die Metamorphose von Tod zu neuem Leben, haben Erderschütterungen verhindert. Myriaden abgestorbener Größt- und Kleinstorganismen wurden damals in riesigen unterirdischen Grabkammern gelagert. Wir exhumieren sie, verbrennen sie in unzähligen Krematorien, heizen unsere Wohnungen mit ihnen und die Atmosphäre weiter auf oder verarbeiten sie zu Plastik, die nach Gebrauch unsere Meere vermüllt und schließlich als Mikroplastik in Mensch und Tier endgelagert wird! So zerstört der menschengemachte- den Naturkreislauf und irgendwann uns selbst! Erstaunlich, welche sprudelnden Gedankenkaskaden so ein fauler Schlamm doch auslösen kann! – Dr. med. Ulrich Pietsch

 

In der Tat, ein sehr interessanter Gedankengang. Tragen Sie‘s mir bitte nicht nach, wenn ich Ihnen sage, dass ich laut auflachen musste, als Sie über die anderweitige Verwendung des Wortes Faulschlamm sinnierten. Ihr Humor an dieser Stelle. Einfach vorzüglich. Hach, wie belebt mich die Heiterkeit doch jetzt gerade. Lieben Dank Frau Mayr! – Michael Ayten

 


 

 

Leserbrief zu „»Auch die Sprache trägt den Hidschab«“. Gespräch mit Fariba Vafi geführt von Katja Nicodemus und Iris Radisch

 

Über das Interview mit Fariba Vafi habe ich mich sehr gefreut. Anfang des Jahres habe ich „Tarlan“ als Lektüre für unseren Literaturkreis vorgeschlagen, nächste Woche werde ich das Buch dort vorstellen. Scheint wohl alles zu passen. Trotzdem gibt es zwei Punkte, die mich sehr ärgern: Fariba Vafi hat ihre Antworten ganz bestimmt nicht auf Deutsch formuliert. Sie wurden mit ziemlicher Sicherheit von Farsi in Deutsch übersetzt. Von wem? Dann ist da noch die Überschrift, durch Anführungszeichen als Zitat gekennzeichnet. Das steht so aber nicht im Interview. Bitte halten Sie wenigstens bei der ZEIT die Qualitätsansprüche hoch! Wie soll man die Behauptung „Lügenpresse“ denn sonst entkräften? Viel Spaß bei zukünftig guter Arbeit. – Petra Kümmerle

 


 

 

Leserbrief zu „ »Ansonsten: Wenig Effekt«“. Gespräch mit J. Bradford DeLong geführt von Thomas Fischermann

 

Danke Herr Fischermann. Haben sie Ezra Klein s letzte podcast mit Mr DeJong gesehen-gehoert? besonderes die letzte paar minuten dachte ich. – Brian agro

 


 

 

Leserbrief zu „Das Ich in der Welt“ von Henning Sußebach

 

81 Jahre jung: Mein Leben machen u.a.positive Erinnerungen reicher. Beim Lesen des Artikels „Das Ich in der Welt“, Die Zeit Nr.45, Seite 73, kamen Erinnerungen an einen Tag im Sommer 1954. Ich hatte als 12-jähriger das Buch über die Fahrt von Thor Heyerdahl mit dem Floß Kon-Tiki mit Spannung gelesen, habe ein kleines Modell vom Floß gebaut, bin in Dortmund zum großen See im nahen Fredenbaum geradelt und habe unter Beachtung der Windrichtung das Floß auf die Reise geschickt. Der Wind hat es langsam quer über den Teich ge- trieben, dort habe ich es mit einem Glücksgefühl stolz wieder in Empfang genommen. – Klaus Pannott

 


 

 

Leserbrief zu „Die Schuld der anderen“ von Zofeen Ebrahim

 

Unser Rechtssystem unterstellt einen freien Willen und Eigenverantwortung. … Der „Westen“ kann sich nicht länger hinter einen „Naturrecht“ verstecken. – Matthias Losert

 


 

 

Leserbrief zu „Teilwaschen 5,90 € (…)“ von Hanna Grabbe

 

„Mehr Geld im System würde helfen“ – das ist eigentlich die einzige Lösung. Die Beiträge für die Pflegeversicherung zu erhöhen wird nicht reichen. Unsere Regierung müßte beim Packen und Schnüren der verschiedenen Hilfspakete, bei den Aufwendungen für sonstige soziale Herausforderungen – wobei auch da die Finanzierung etwas ungewiss ist – bei den Investitionen zur Bewältigung des Klimawandels oder auch bei der Runderneuerung unserer Bundeswehr noch einen Sondertopf für die menschenwürdige Pflege mit leistungsgerechter Bezahlung bereitstellen.

Es gäbe so viele Einnahmequellen… Aber irgendwie scheint das alles politisch unerwünscht oder nicht populär zu sein. Oder es fehlt einfach der Druck. Pflegebedürftige wählen meist sowieso nicht, eignen sich aus Kraft- und Energiemangel nicht als aggressiv demonstrierende Vertreter des Volkszorns, kleben sich nicht am Asphalt fest, haben keine Lobby, die ein vielversprechendes Business im Auge hat und überhaupt hat diese Thematik so etwas unerfreulich Unausweichliches an sich, das nahezu auf jeden zukommt. Es ist höchste Zeit für ein finanzielles aber auch strukturelles Paket für unser aller Zukunft – aber mit dreifachem Wumms. – Doris von Scheffer-Kahl

 


 

 

Leserbrief zu „»Alles war so surreal und ich so schüchtern«“ von Franziska Schindler

 

Erlauben Sie mir eine Anmerkung zu Ihrem sehr guten Artikel über die Situation ukrainischer Jugendlicher an deutschen Schulen: Wir hatten hier in Stuttgart von April bis September eine Familie aus der Ukraine bei uns untergebracht. Mittlerweile wohnen die drei (Mutter, Tochter 17 und Sohn 7) in einer eigenen Wohnung, sie sprechen deutsch und sind dabei sich gut zu integrieren.

Über die ersten Monate hier und die Arbeit mit den städtischen Behörden könnte ich ein Buch schreiben: zu viel Bürokratie, zu wenig Abstimmung, keine Digitalisierung, Überforderung der Mitarbeiter, komplizierte Abläufe. Dennoch ist die Familie jetzt gut versorgt. Die Zuwendungen vom Jobcenter sind beachtlich, der Lebensunterhalt ist vorerst gesichert. Die Sache mit der Schule verdient dabei besondere Beachtung. Die Tochter und der kleine Sohn (er war zunächst im Kindergarten) fanden schnell einen Platz in ihrer jeweiligen Schule. Das Engagement und die Hilfsbereitschaft der Verantwortlichen war außergewöhnlich. Ich kann den zuständigen Schulleiterinnen und Lehrern nur ein Kompliment machen.

Es fand sich sofort eine sogenannte Vorbereitungs-Klasse für die Tochter, in der sie intensiv Deutschunterricht erhielt. Heute ist sie in diesem Gymnasium in der normalen Regelklasse und kann dem Unterricht in deutscher Sprache folgen. Der Sohn ist seit September in der Vorschulklasse und wird dort extra gefördert. Allerdings haben auch wir den großen Ehrgeiz gespürt, schneller weiter zu kommen. Die Mutter hatte das Gefühl, ihre Tochter sei unterfordert und könnte sofort ein Studium beginnen. Insoweit deckt sich unsere Erfahrung mit den Erkenntnissen, die Sie dokumentiert haben.

Ich finde, dass unsere Schulen ein großes Lob verdient haben! In Zeiten von Lehrermangel und „Bildungsnotstand“ kann die Integration von so vielen ausländischen Schülerinnen und Schülern nicht als selbstverständlich angesehen werden. Jenseits von politischen Statements und Versprechungen lastet die Hauptarbeit auf den Lehrerinnen und Lehrern doch tagtäglich vor Ort in der Schule. Ich habe dort so viel Idealismus und Hilfsbereitschaft gespürt, dass ich nur den Hut ziehen kann. Unser Schulsystem ist besser als sein Ruf, die Flexibilität und die Bereitschaft, zusätzlich Zeit zu investieren, um den geflüchteten und teils traumatisierten Kindern zu helfen empfinde ich als vorbildlich. Das sollte viel mehr gewürdigt werden. – Thomas Meichle

 


 

 

Leserbrief zu „Kann ich Glück?“ von Tilman Rammstedt

 

Sehr schöner Artikel! Was die richtige Mischung aus Spiel und Ernsthaftigkeit angeht, stimme ich Ihnen voll zu. Bei „Mensch ärgere dich nicht“ denke ich immer an eine Partie Anfang der 80er-Jahre zurück, bei der mein Großvater ungefähr / gefühlt zehn- oder vielleicht sogar zwölfmal hintereinander eine Sechs gewürfelt hat. Und das Ganze ohne beim Würfeln zu schummeln.

Bei Monopoly kommen mir zwei wahnwitzige Partien in Erinnerung. Einmal haben mein Vater und ich die Bank pleite gemacht (ich meine, wir hätten uns so beholfen, dass wir die 10.000-DM-Scheine umdrehten und als 100.000er verwendeten; wir hätten wohl noch unendlich weiterspielen können und wären nach einiger Zeit Multimilliardäre gewesen) und ein anderes Mal spielte ich mit meiner Mutter und ein paar Schul- bzw. Fußballkameraden in einer größeren Runde und einer von ihnen kroch schon so dermaßen auf seinem Zahnfleisch, dass es schien, er wäre spätestens nach dreimaligem Würfeln bankrott. Das war allerdings nicht der Fall: Die größte Wiederauferstehung seit Jesus! (Und damals spielten wir noch ohne „Frei Parken“ als Jokerfeld, auf dem die Strafen an die Bank zurückergattert werden können.) – Thomas Manthey

 


 

 

Leserbrief zu „Bloß nicht blenden lassen“ von Y. Y. H. Al-Askar

 

Danke, dass auch dieser kritischen Perspektive in GREEN Platz eingeräumt wird! Und so dem Blenden entgegengewirkt wird. – Andrea Klepsch

 


 

 

Leserbrief zu „Sneaker und Skandale“. Gespräch mit Franz-Rudolf Esch geführt von Marcus Rohwetter

 

Also wenn Sie mich fragen, gehört Herr West zu den unerträglichsten, öffentlichen Figuren des 21. Jahrhunderts. Nicht nur, dass sich dieser von Größenwahn & Selbstüberschätzung gezeichnete Mensch längst in eine Art bigotte Hybris verrannt hat. Nein, ferner rühmt er sich noch dazu, und das nicht ganz ohne einen Anflug dümmlichen Stolzes, dass er schlichtweg keine Bücher lese. Richtig gelesen, der Mann liest keine Bücher. Womöglich deshalb, weil er vom eigenen Genius überzeugt ist. Vielleicht ist dies aber auch nur wieder mal seinem absurd aufgeblasenem Ego geschuldet. Wie dem auch sei. Möchte ich mich hier nicht noch weiter unnötig zu diesem Menschen auslassen. Kommt doch schon der nächste Paradiesvogel.

Der ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten mit Namen Donald J. Trump fällt übrigens ebenso in die gleichnamige Kategorie von Bücher-Boykotteuren. Welch‘ eine zum Himmel hoch schreiende Bestürzung würde dieser Skandal wohl beim einstigen deutschen Literaturpapst mit Namen Marcel Reich-Ranicki auslösen? Die Tatsache, dass sogar der vormals mächtigste Mann der Welt das Bücherlesen verweigerte? Dies dazu noch in bekannter, provokanter Pose. Also wenn er die Arme verschränkte und die ganze Welt an seiner Trotzhaltung teilhaben ließ. Da der berühmte Literaturkritiker Reich-Ranicki nicht mehr auf Erden weilt, – Gott behüte seine Seele! – springe ich für ihn gerne in die Bresche und schließe: Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz. – Michael Ayten

 


 

 

Leserbriefe zu „DARF EIN WEISSER NOCH REGGAE MACHEN?“ von Sascha Chaimowicz und Annabel Wahba im ZEIT Magazin

 

„Darf ein Weißer noch Reggae machen?“ Gegenfrage: Darf ein jüdischer Musiker Beethoven spielen? Oder überhaupt deutsche. Musik? Die Frage stammt nicht von mir, sie wurde gestellt und zugleich negativ beantwortet vom Urvater der Cancel culture, für den wahre Kunst „volksmäßig bedingt“ zu sein hatte und der deshalb gleich nach der „Machtergreifung“ dafür sorgte, dass jüdische Künstler wie Yehudi Menuhin in Deutschland nicht mehr auftreten durften. Im Briefwechsel mit Wilhelm Furtwängler, der sich gegen diese völkische Kulturpolitik gewandt hatte, veröffentlicht in der Vossischen Zeitung, verkündet er das Dogma aller Identitären bis heute: „Lediglich eine Kunst, die aus dem vollen Volkstum selbst schöpft, kann am Ende gut sein.“ Sein Name: Josef Goebbels. – Paul Humann

 

Darf ein Weisser noch Reggae machen? Im Gegensatz zu Herrn Gentleman finde ich diese Frage ausgesprochen ungut. Man könnte die Frage irgendwo zwischen lächerlich, gefährlich und anmassend verorten. Sie ist der Eröffnungszug in einem Spiel ohne Gewinner für Masochisten, Schlaumeier und Hoffnungslose. Es mag mitspielen wer will, aus meiner Sicht werden jedenfalls auch hier die Grenzen des Sagbaren verschoben und Grundrechte durch instrumentalisierte Pseudomoral offen in Frage gestellt. Na bravo, liebe Zeit, bin gespannt, über was Sie in Zukunft noch schreiben dürfen. – Dr. Christian Voll

 

Ich hoffe sehr dass Ihre Fragestellung auf dem Titelblatt des jüngsten ZEIT-Magazins nicht ernst gemeint war. Denn wenn es so wäre, würde die richtige Antwort in einer Gegenfrage bestehen, nämlich ob ein Schwarzer noch Johann Sebastian Bach spielen darf! Daran erkennt man hoffentlich die ganze Absurdität dieser Diskussion. Kultur lebt seit Menschengedenken vom gegenseitigen Austausch.

Wenn jetzt auch hier die Cancel Culture sich breit macht, können wir die weitere Entwicklung der Musik vergessen. Der Jazz beispielsweise wäre nie entstanden ohne die Begegnung der afrikanischen mit der europäischen Musikkultur. Von einer liberalen Wochenzeitschrift erwarte ich, dass sie sich nicht dem autoritären Zeitgeist anbiedert – und sei es auch nur in einer Fragestellung. Soweit meine Stellungnahme in der Hoffnung auf freiheitliches Denken und toleranten Umgang. – Thomas Geiger

 

Also echt Leute, müsst Ihr jedes dumme Gequatsche zum Thema machen? Diese ganze Gerede über kulturelle Aneignung ist ja sowas von rassistisch. Dürfen sich die Frauen in der Karibik dann die Haare nicht mehr blond färben? Das sieht übrigens cool aus zu der dunklen Haut. ;-) It’s one world, people! – Hannelore Blümel

 

Mit Interesse habe ich diesen Artikel im letzten Zeitmagazin gelesen. MIr fallen da noch ganz andere Fragen ein: „Darf ein unehelich Geborener Bundeskanzler werden?“, „Dürfen Frauen Fußball spielen?“, „Darf ein Montague eine Capulet heiraten?“ Früher hat man das tatsächlich gefragt. – Dr. Oliver Schöner

 

Wie kann ein Lang Lang Beethoven spielen und interpretieren, wenn er dessen indogermanisches Gefühls- und Musikgen nicht in sich trägt? Oder gilt das Verbot der kulturellen und musikalischen Aneignung mal wieder nur für den (alten) weißen Mann? – Dr. med. Ulrich Pietsch

 

Die Frage, mit der der Musiker Gentleman so tapfer herumschlägt, lässt sich fortsetzen: Darf ein*e Jamaicanerin Reggae machen, wenn sie/er kein*e Rastafari-Gläubige*r ist? Darf Eric Clapton Blues-Patterns spielen, obwohl der Blues ursprünglich Musik von Sklaven im tiefen Süden der USA war? Darf eine koreanische Sopranistin in einer katholischen Kirche eine protestantische Bach-Kantate singen und am nächsten Tag in bayerischer Dirndl-Tracht aufs Oktoberfest gehen? Und noch krasser: Darf ein deutsches Musikkorps beim Staatsempfang wirklich die israelische Nationalhymne spielen oder darf das nur ein israelisches Orchester?

Jede dieser Fragen verfehlt das Wesen von Musik. Jegliche Musik von jedem singenden, spielenden, pfeifenden oder komponierenden Menschen dieses Planeten vereinigt in sich die diversesten Einflüsse in den unterschiedlichsten Mischungen. Natürlich ist Musik auch Ausdruck von Identität, Zugehörigkeit, aber auch Einmaligkeit. Sie kann Identität stiften, in der Arena wie in der Kirche. Sie ist aber auch die Kunst mit der flüchtigsten und promiskuitivsten Natur: ein christlicher Choral schleicht sich in einen Gospelsong, Beethoven schmuggelt einen Ländler vom Dorffest in seine Sechste, der Jazz-Purist Wynton Marsalis eignet sich Mozart an, Gabriela Montero spielt Bach mit venezolanischem Rhythmus und Hans Söllner kann gar nicht anders als auf Reggae-Bayrisch singen. Alles ein Sakrileg? Diebstahl? Verat an Herkunft, Zugehörigkeit und Identität? Nein: Musik! – Peter Sinhart

 

Darf ein Weißer noch Raggae machen? Die Überschrift des letzten Zeitmagazins. Ich habe zweimal hingeschaut, weil ich einfach nicht wahrhaben wollte, daß die „Zeit“ Vorstellungen der Rassisten transportiert. Wenn ich die Vorstellung habe und die auch für richtig halte, daß die Hautfarbe oder die Herkunft eines Menschen keinen Einfluß auf seine Bewertung haben sollte, dann kann diese Frage nur unsinnig und kontraproduktiv sein! Das sollte eigentlich den Machern der „Zeit“ als Ersten klar sein! Schade! – Klaus Rickert

 


 

 

Leserbriefe zu „ALTER, WAS GEHT?“ von Jörg Burger im ZEIT Magazin

 

Selbst 63, war ich gespannt auf Ihren Beitrag zur Körperlichkeit von Menschen über 60 – und bin nun enttäuscht. Sie haben gut recherchiert und Koryphäen befragt und herausgekommen sind elaborierte Informationen, die man sich, eben etwas weniger ausgefeilt, auch ganz leicht auf einer kleinen Pirsch durchs Internet besorgen kann, bzw. die seit ein paar Jahre zum Allgemeinwissen gehören. Dass sportliche Bewegung auch im höheren Alter gesund ist, das einen ( oder eine) ein Infarkt im Alter eher ereilt als in jüngeren Jahren, dass die Beweglichkeit abnimmt und dass man dem körperlichen und mentalen Verfall, in gewissen Grenzen, entgegenwirken kann, wissen die Meisten in meinem und auch wohl schon in Ihrem Alter.

„Jugendsünden werden bestraft“ ist außerdem fast schon ein Sprichwort. Vielleicht hatte ich falsche Erwartungen, Antworten auf die Frage „Was passiert ab 60 im Körper?“ betreffend. Es gibt durchaus wichtige Themen in Bezug auf den alternden Körper, die aber vielleicht nicht ganz wohlfeil zu bearbeiten sind. Viele Männer und Frauen haben zum Beispiel bereits in ihren 50ern Probleme mit Blase und oder Prostata. Das Thema ist sehr schambesetzt, der Leidensdruck oft groß und die medizinischen Möglichkeiten nach wie vor gering, soviel ich weiß.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Ernährung im Alter. Hier divergieren Postulate (leichte Kost, viel Gemüse, wenig Fett usw.) und Essgewohnheiten (viel weniger Frisches, Zerkochtes, Fertigessen) weit und es stellt sich die Frage, warum viele Menschen trotzdem relativ gesund alt werden. Sexualität ab 60 ist ebenso ein wichtiges Thema von großem Interesse. Da verändert sich ja auch was im Körper. Vielleicht finden Sie Gelegenheit zu einem weiteren Artikel, der diese und anderer wichtige Fragen zum Thema hat, ich würde mich freuen und stelle mich jetzt schon als Interviewpartner zur Verfügung. – Steffen Gläser

 

Adieu. Ich hasse Abschiede. Besonders, wenn sie sich hinauszögern: Liebe Freunde waren zu Besuch, entscheiden sich, zu gehen, drehen sich in der zugigen Tür nochmal um und haben doch noch etwas zu sagen. Und dann kommt eins zum Andern und man steht eine halbe Stunde in der Kälte statt sich gleich später zum Gehen zu entscheiden. Im Mai wurde ich 67. Ich bin jetzt also 67,5, sitze auf der Terrasse einer kleinen aber netten Ferienwohnung mit wunderbarem, weitem Blick über das Land, die wir vor ein paar Jahren ziemlich genau für den Gegenwert meiner Hausarztpraxis, die ich 35 Jahre lang aufgebaut habe, gekauft haben.

Ich bin zum ersten mal ganz Allein hier, zumindest für 5 Tage. So komme ich endlich einmal dazu, ohne Ablenkungen zu reflektieren und stelle überrascht fest, dass ich ein Los mit fast Allen Freunden teile. Die Frage ist, wann es anfing : Leider muss ich feststellen, dass ich mich von dieser Welt verabschiede. Und leider sehr, sehr langsam, in kleinen Schritten und unter Gebrauch von sehr viel Zeit. Schrecklich. An der Uni, vor über 40 Jahren hat man immer wieder über dieselben Witze gelacht, die sich im Lauf des Lebens massiv als Wirklichkeit darstellten: „ Herr Doktor, ich habe Schmerzen!“ „Wo?“ – „ Überall!“

Was haben wir uns gebogen vor Lachen, wir dummen Kinder. Heute weiß ich, dass das eine korrekte Beschreibung des IST Zustandes ist. Kein Witz. Der Zweite, als Witz empfundene Beitrag war die Feststellung, dass man etwa mit dem 22. Lebensjahr zu Altern beginnt. Haha. Die Frage, die sich rückwirkend stellt ist: Wann genau fing es denn nun wirklich an, das Altern. Und woran macht man es fest? Ich habe darauf für mich eine wie ich finde schlüssige Antwort gefunden: Das Altern fängt in dem Moment an, in dem man etwas aufgibt, das man vorher gern getan hat. Das Problem daran ist, dass es einem meist gar nicht auffällt, wenn das letzte Mal eingetreten ist. Der Prozess ist schleichend , oft unmerklich aber in der Regel unwiderruflich.

Manche Sportler haben es leicht. Gerade kam im Fernsehen ein Bericht des letzten European Golf Tour Turniers und sie haben drei Spieler , einer war Sebastian Heisele, interviewt, die teils unter Tränen erklärt haben, dies sei ihr letztes Event, sie hätten entschieden, nicht weiter Profiturniere zu spielen. Welch Glück! Man hat SELBST eine Entscheidung getroffen und kann Abschied nehmen. Sie haben Alles richtig gemacht. Im täglichen Leben ist das nicht so einfach. Es reiht sich Abschied an Abschied und man merkt es erst meist mit erheblicher Verspätung.

Oft, weil man sich gern belügt und einredet, man mache eine Pause, demnächst ginge es besser und dann fange man wieder an. Das tröstet im Moment, aber es beraubt einem des Vorteils, aktiv Abschied nehmen zu können. Es beraubt einem der Chance, Trauerarbeit leisten zu können. Mein Leben war bestimmt von fleißiger Arbeit und körperlicher Bewegung ( auch wenn man es mir heute kaum noch ansieht). Fleißige Arbeit, um sich all das Leisten zu können, was man neben der Arbeit machen wollte. Ich hatte aber auch das Glück, einem Beruf nachzugehen, der mich ausgefüllt und befriedigt hat. Insofern bin ich mein ganzes Leben meinen Hobbies nachgegangen.

Und das, was mir (ausser Essen, Trinken, Cha-Cha-Cha) am meisten Freude gemacht hat war Sport in Allen möglichen Ausprägungen: Fussballspielen, Skifahren, Tennis spielen, Radtouren, Golfspielen. Nur in einem Fall ist es mir gelungen, aktiv Abschied zu nehmen. Das muss so vor knapp 20 Jahren gewesen sein, als ich im Keller einen Nagel in die Wand schlug und meine Fußballschuhe tatsächlich an denselben hängte. Mein letztes Spiel wurde sogar auf Video festgehalten einschließlich des Muskelfaserrisses, der meine „Karriere“ schließlich endgültig beendete. Der Abschied fiel nicht sooo schwer da ich ja das Tennis entdeckt hatte und begeisterter Skifahrer war.

Rückwirkend kann ich nicht mehr sagen, wann ich zum letzten Mal eine Abfahrt gefahren bin ( es wird die Danterceppies in Wolkenstein gewesen sein) und wann ich zum letzten Mal Tennis gespielt habe ( ich habe vermutlich auch an diesem Tag gegen Thorsten B. gewonnen, ich habe, glaube ich, immer gegen ihn gewonnen außer einmal. Und längere Radtouren sind auch schon seit Jahren nicht mehr drin. Und das Alles nicht weil ich nicht mehr wollte, sondern weil immer wieder Krankheiten und Verletzungen ein kleines Bisschen meiner Leistungsfähigkeit weggenommen haben.

Meist völlig unvorhersehbar wie eine Schulterverletzung weil ein Klappstuhl morsch war – Klingt wie ein Witz, war aber im Endeffekt dramatisch in den Auswirkungen. Problem war jeweils, daß man sich im jeweiligen Moment gar nicht vorstellen konnte, welche langfristigen Auswirkungen der Unfall/ die Erkrankung haben würde. Man denkt sich, das heilt und dann ist wieder Alles so wie vorher. Falsch. Ein Faktor wird immer wieder vergessen: die Zeit in Verbindung mir dem Alterungsprozess.

Wenn ein völlig gesunder 60jähriger sich ein halbes Jahr ins Bett legt wird er danach nicht mehr derselbe sein und große Probleme haben, wieder ein „normales Leben“ ( also das, was davor als Normal angesehen und erlebt wurde) zu führen. Umso schlimmer, wenn eine Verletzung dazu kommt, die eine Körperfunktion beschädigt. Am Beispiel des Klappstuhlunfalls: Da war eine Schulterverletzung, die es mir fast ein Jahr lang unmöglich machte, mehr als eine kurze Strecke Fahrrad zu fahren weil ich den Lenker nicht halten konnte.

Die Jahre vorher hatte ich- auch Dank der Bemühungen eines guten Freundes- regelmässig mehrfach in der Wochen Touren von rund 20km gemacht und war dadurch fit genug, mit dem Rad von Hannover bis München und Paris zu fahren. „use it or loose itt“ sagen die Amerikaner und sie haben leider völlig recht. Je älter man wird umso schwerer fällt es, eine verlorengegangene Fähigkeit wieder zu erarbeiten. Eins haben aber alle diese Vorfälle gemeinsam: Es gab keine Trauerarbeit, es gab keinen Abschied, man dachte ja, es handele sich um eine vorübergehende Verletzung, in Folge.

war dann nur eine Leere, die irgendwie ausgefüllt werden musste, falls man sich ihrer überhaupt bewusst war. Bewusst wird einem diese Leere erst dann, wenn man sich die Frage stellt „wann war eigentlich das letzte Mal, dass ich…“ und oft genug ist die Antwort ein großes Fragezeichen. „Verdammt lang her“ heißt das Lied dazu. Für mich kommen die Einschläge in letzter Zeit in immer schnellerer Folge. Fünf Gelenkoperationen, eine erneute, diesmal richtig schwere Schulterverletzung, eine Hirnblutung weil ich über eine am Boden liegende Tasche gestolpert war und zwei Sehnenabrisse mit der Folge, dass simples Gehen nur noch auf kurzen Strecken und mittels geradezu grotesker Schuheinlagen möglich ist. Das ist endgültig im wahren Wortsinn, das wird nicht mehr Besser. Das bleibt bis ans Lebensende.

Geradezu ein Wunder in diesem Zusammenhang: ich kann immer noch – NOCH- Golf spielen, wenn auch nicht als Fußgänger aber mit Hilfe eines Carts denn die erforderlichen 50m, die man auf Golfplätzen am Stück gehen muss weil man mit dem Cart nicht an die Fahne fahren kann schaffe ich noch. Was bliebe mir, wenn durch eine erneute Verletzung auch das nicht mehr möglich wäre? Beim Riss der letzten Sehne vor 8 Wochen war ich eigentlich soweit, auf dem Weg vom Golfplatz in die Wohnung dachte ich unter durchaus heftigen Schmerzen „Das wars“. – und dann? Bei Komplettrissen einer Sehne ist es das Schöne, dass die Schmerzen kurzfristig weg sind. Es ist ja nichts mehr da, das weh tun könnte, nur eine functio laesa, die allerdings bleibt.. Und so bin ich zwei Tage später zum Golfplatz gefahren um auszuprobieren, was noch geht.

Und siehe da: ich watschle zwar seitdem wie Fritz Wepper ( für den Fachmann: Trendelenburg!) aber ich kann noch spielen. Warum das so Wichtig ist? Nach Golf kommt nix mehr, wenn das nicht mehr geht bleibt nur Rollstuhl oder Sofa. Wenn es einen selbst betrifft hat man plötzlich viel mehr Verständnis für Fragen der Inklusion- da sieht man zwei Treppenstufen plötzlich mit ganz anderen Augen, auch wenn es heute manche hilfreichen technischen Lösungen gibt, die dem Behinderten Unterstützung geben. Die zweiten Hälfte des Lebens kann man also zurecht als eine Aneinanderreihung von Abschieden begreifen, der Alterungsprozess, bei Manchen beschleunigt bzw verstärkt durch Erkrankungen und Verletzungen, ist zwar unaufhörlich aber von uns auch oft als solcher gar nicht bemerkt.

Heute ist ja nicht viel anders als gestern, man verliert die Lust, etwas zu tun was man neulich noch gern oder ohne Probleme tat ohne sich bewusst zu sein, dass da schon wieder etwas schwindet und irgendwann ganz verschwunden sein wird, Ein simples Beispiel: Sofas haben nicht die Eigenschaft, kleiner zu werden. Es fühlt sich aber so an! Für mich wird es zunehmend beschwerlich, aus einem normal hohen (normal für junge Leute, also niedrigem) Sofa aufzustehen. Die Industrie hat das bemerkt und liefert Sofas in der Regel in 3 verschiedenen Normhöhen.

Da machen 2 cm einen riesen Unterschied. Ich ertappe mich zunehmend dabei, wenn ich in unserem schicken, niedrigen Sofa sitze, dass ich mir zweimal überlege, aufzustehen, weil es zunehmend Mühe macht. Das sind die kleinen Barrieren, die sich im Laufe der Zeit durchaus zu unüberwindlichen Problemen vergrößern können. Das schöne am Altern ist, das es ausnahmslos Jeden betrifft, den Einen früher, den Anderen später. Aber Mancher, dem diese Gedanken heute noch völlig fremd sind wird sich vielleicht früher als er/sie denkt aus eigener Ansicht daran erinnern weil man sich mit genau diesen Problemen früher oder später auseinandersetzen wird.

Welche Erkenntnis ziehe ich für mich daraus? Das gute alte „auf Wiedersehen“ hat leider ausgedient, in meinem Alter muss man sich eher an „ADIEU“ gewöhnen. Das klingt nett obwohl es recht endgültig ist. Es geht bergab und der Strudel wird schneller. Aufhalten ist kaum möglich. Also heißt es LEBEN und Alles das, was man noch an Schönem und Positiven erleben kann, mitzunehmen. Es macht keinen Sinn, es sich für später aufzuheben. Jetzt oder nie. Immer versuchen, an die Grenze zu gehen aber auch akzeptieren, wenn etwas nicht mehr geht.

Ich schau mal, ob man die Sofafüße etwas erhöhen kann. Adieu wird heutzutage in Deutschland oft auch im Sinne von „auf Nimmerwiedersehen“ bzw. „lebe wohl“ verwendet, wenn man davon ausgeht, dass man die zu verabschiedende Person/Sache nicht wiedersieht (Wikipedia) – Dr. med. Mathias Bieberbach

 


 

 

Leserbrief zu „Über Zwänge und lieb gewonnene Spleens wie das Zählen von Treppenstufen“ von Harald Martenstein im ZEIT Magazin

 

Angesichts der vielzahl z zt ungelöster probleme und krisen erscheint ihre diesmalige kolumne doch ziemlich mau, um nicht zu sagen: nichtssagend. Klar haben die meisten von uns irgendeinen spleen, aber die beschreibung von treppen-zählen ist doch eher etwas für lang-weiler! Bitte nächstes mal wieder etwas mehr mühe, ja? – P. Roetzel