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5. Januar 2023 – 2. Ausgabe

 

Leserbriefe zu „Wir sind keine Staatsdiener!“ von Jochen Bittner

 

Prinzipiell geben ich Ihnen recht: Dass wir Bürger mit der Grundsteuerreform auch noch die Arbeit der Behörden übernehmen müssen ist ein Skandal. Allerdings ist in meinen Augen „Der Staat“ nicht allein schuld an der Misere. Waren es nicht große Teile des gebildeten Bürgertums die sich gegen Handys, Laptops und Online-Angebote stellten, als diese immer häufiger angeboten wurden? Haben wir nicht fassungslos die Köpfe geschüttelt über „Die Jugendlichen“, die ständig auf dem Smartphone herumdaddeln?

Sollten nicht die Handys in der Schule verboten sein? Und wundern wir uns heute, dass viele Schulen noch nicht einmal stabiles WLAN hinkriegen? Haben wir nicht immer wieder über Google, Apple und Co gelästert? Einen deutschen Konkurrenten zu den US-Internet-Riesen, haben wir aber nie geschaffen. Verteidigen wir nicht vehement das Bargeld gegen andere Zahlungssysteme? Und in diesem Fall verzichten wir auch tunlichst darauf, die sonst oft als Vorbild genannten skandinavischen Länder zu zitieren. Die erste Frage, die der Bürger bei der Einführung der digitalen Patientenakte stellen wird ist doch:

„Sind meine Daten auch sicher?“ Der FDP-Slogan „Digitalisierung First – Bedenken Second“ wurde auch in der ZEIT kritisiert. Der Datenschutz stand (und steht) nach wie vor über allem. Heißt für mich: Die von Ihnen zitierte „anti-digitale“ Haltung der Verwaltung ist auch ein Spiegelbild der Gesellschaft. Über die Arbeit mit der Grundsteuer-Erklärung via „ELSTER“ habe ich mich auch geärgert. Gemacht habe ich es trotzdem, weil ich als Bürger ja auch „Der Staat“ bin, und dafür mitverantwortlich, dass es irgendwie weitergeht… Vielen Dank für einen lesenswerten Artikel. – Thomas Meichle

 

Das ist wohl ein Ausrutscher von Herrn Bittner, aber in seiner Negation leider Demokratie schädlich! Sehr geehrter Herr Bittner, Ihre Ausführungen kann ich nur als emotionale, intellektuelle Arroganz einstufen. Zum Grundsatz: Unser höchstes Gericht hat im Interesse aller Bürger notwendig Recht gesprochen. Die Finanzbehörde kann offensichtlich die sehr differenzierten Daten aus aktuellen und noch mehr Jahrzehnte alten Akten nicht herausklauben. Das sind Fakten, vernünftig und einsichtig. Wie bekannt: Eigentum verpflichtet (!); gilt gegenüber allen Mitbürgern auch gegenüber dem Staat / Verwaltung.

Die weitüberwiegende Mehrzahl der betroffenen Eigentümer hat die Unterlagen über seinen persönlichen Besitz zur Hand oder kann sie einsehen. Zur Technik: Natürlich hat das Erfassungsprogramm auch Fehler oder Interpretationslücken. Im Zweifelsfall muss sich der Eigentümer Beratung suchen – zumutbar, kein Menetekel. Die Finanzbehörden haben auch ein hochkomplexes ELSTER verfügbar gemacht.

Der Verweis auf andere Staaten mit anderen Anwendungen ist billig. Anspruchshaltung, Datenschutz und Angst. vor der Speicherung hemmen hier die Entwicklung. Sie interpretieren Habermas falsch: Gegen die Grundsätze unserer Verfassung besteht kein Widerstandsrecht – nur bei Missbrauch. Die ‚Leistungspflicht‘ liegt fraglos bei den Bürgern. Zur Tendenz: Herr Bittner, unverständlich, aber Ihre Agitation ist enttäuschend falsch begründete Polemik. Setzen „5“ ! – Detlef Geisendörfer

 

Keine Ahnung, in welchem Bundesland der Autor residiert. Im heimischen Niedersachsen hat die Erstellung von drei unabhängigen Grundsteuererklärungen mich in Summe geschätzt 60 Minuten gekostet. Ein paar einfache Angaben, recherchieren musste ich nichts. Zugegeben: ich besitze (wie die übergroße Mehrheit der Grundbesitzer in Deutschland) keinen landwirtschaftlichen Betrieb mit unklaren Besitzverhältnissen, kein vermietetes Mehrfamilienhaus, kein Unternehmen, da wäre der Aufwand deutlich höher.

Der Stand der Digitalisierung des Landes ist erbärmlich, das ist unstrittig. Es bleibt aber auch anzumerken: in der Vergangenheit wurden weder einer Partei, die eine stärkere Digitalisierung fordert, noch einer, die das im Text ebenfalls erwähnte Tempolimit im Programm hat, vom Wähler entsprechende Mehrheiten erteilt. Somit bildet „der Staat“ exakt das ab, was große Teile seiner Bürger von ihm erwarten, sonst wäre ihre Wahlentscheidung sicher eine andere gewesen. – Jörg Schimmel

 

Sorry Herr Bittner, aber jeder Demokrat hat Staatsdiener zu sein ! Ihr propagiertes „Wir gegen Die“ betrachte ich als ursächlich für Sylvesterkrawalle, Clan-Mentalität und „deep state“ Geschwurbel. – G. Hofhaus

 

Der Autor führt recht vehement Klage darüber, dass „Millionen von Bürgern zu Millionen von Arbeitsstunden“ verpflichtet werden. Ja, auch ich als Mittsiebziger habe mich schwer getan mit der Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwertes. Schwer verständliche Formulare, eine Hotline, mit deren Ratschlägen ich wenig anfangen konnte usw. Das alles bliebe mir erspart, wenn der Staat alle Daten zusammentragen würde, meint der Autor. Hat der Bürger nicht auch eine Mitwirkungspflicht? Im Artikel 14 des Grundgesetzes heißt es ganz lapidar: „Eigentum verpflichtet.“ In den letzten 20 Jahren konnten wir Grundbesitzer uns Jahr für Jahr über steigende Immobilienwerte freuen. Sind da einige Stunden Schreibtischarbeit nicht zumutbar?

Seit den 90er Jahren wurde nach der Devise „Privat vor Staat“ in allen Behörden Schritt für Schritt Personal reduziert. Ein Wahlvolk, dass schnelle und qualifizierte Behördenleistungen erwartet, muss auch bereit sein, dafür die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Keine Bundes- oder Landesregierung war – unabhängig von der Farbkombination – dazu bereit, Wahlgeschenke an die Bürger zu reduzieren. Heute verfügt die Bevölkerung über ein Bargeldvermögen von 8 Billionen Euro, während die Bau-, Jugend-, Schul-, Gesundheits- und andere Ämter chronisch unterfinanziert sind.

Der Hinweis auf die in Estland gelungene Digitalisierung des öffentlichen Dienstes ist berechtigt. Mir fehlt jedoch eine Erklärung dafür. Das Land mit weniger als zwei Millionen hat nach der Implosion der Sowjetunion im Jahr 1991 die Gunst der Stunde Null genutzt, um die öffentliche Verwaltung von Grund auf digital zu gestalten. Eine Stunde Null hat die Bundesrepublik zuletzt vor mehr als 70 Jahren erlebt. Unser föderales System hat bei einer Reihe von Vorteilen auch häufig den Nebeneffekt, dass Modernisierungen nur sehr langsam vonstatten gehen. Von John F. Kennedy ist ein Ratschlag, den er der Jugend seines gegeben hat, überliefert: „Frage Dich nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern frage dich, was du für dein Land tun kannst.“ – Heinz Höller

 

Es ist völlig richtig, was Sie beschreiben und fordern. Nur ist das mit dem Ungehorsam nicht so einfach und die Situation ist bei der Erfassung der Grundsteuerdaten eigentlich noch schlimmer und der Prozess völlig unverständlich. Meine Frau und ich haben fristgerecht die Daten eingegeben. Leider. Das Ganze war ziemlich blödsinnig. Wir leben in Dortmund und haben ein Schreiben mit allen Daten bekommen. Diese mussten wir bei Elster online eingeben, also abschreiben. Damit wir Elster bedienen konnten, haben wir uns Youtube-Tutorials angesehen. Das Finanzamt hat das ziemlich Benutzerunfreundlich gestaltet.

Wir mussten bestätigen, dass die eingegeben Daten richtig sind. Dazu wurden uns zum Vergleich Seiten im Internet angegeben und wir musste unsere Grunbuchauszüge heraussuchen. Einige Flurstücke wurden bei einer bereits vor Jahren erfolgten Digitalisierung von wem auch immer zusammengefasst und uns so mitgeteilt. Wie gesagt, die Daten standen vollständig in dem Schreiben. Trotzdem hat uns das für mich drei (wg. der Tutorials) und meine Frau zwei Stunden Zeit gekostet.

Wir haben dem Bescheid dann später widersprochen, da wir schließlich bestätigen mussten, dass alles richtig ist. Aber woher sollen wir das denn wissen? Das können wir gar nicht beurteilen. Wir schreiben Daten ab, die uns nicht alle in ihrer Bedeutung klar sind und bestätigen die Richtigkeit. Wir können aber nur bestätigen, dass wir richtig abgeschrieben haben. Wenn die genannten Original-Daten falsch waren, dann sind die abgeschrieben auch falsch. Der Widerspruch wurde mit vielen Worten und Paragraphen abgelehnt, die zusammengefasst soviel bedeuten, wie „so sind nun mal die Regeln“. Wir hätten dem Finanzamt, das Schreiben einfach in den Briefkasten schmeißen sollen, mit der Anweisung: „Schreibt doch selber ab.“ Leider zu spät. – Christian Fahn

 

„Wir sind keine Staatsdiener“hat meine volle Zustimmung. Als alleinlebende Rentnerin,82 Jahre alt,muß ich wegen einer Eigentumswohnung von ca.95m2 und eines PKW Garagenplatzes Auskuft über 7(sieben), vom Katasteramt bestätigte Grundstücke geben. – Rosemarie de Jong

 

Ich pflichte Ihnen bei Ihrer Kritik der Erfassung der Daten zur Grundsteuerberechnung und der Forderung nach „zivilem Ungehorsam“ absolut bei. Aber, wo war die mediale Unterstützung für die Kritik an den Coronamaßnahmen der letzten Jahre? Da hatten wir noch viel mehr Grund zum „zivilen Ungehorsam“! Spätestens dann, wenn der Staat Grundrechte der Bürger verletzt, sollte es eigentlich so weit sein! Berufsverbot und Verbot der Bildung für Millionen Bürger. Kontaktverbot und Versammlungsverbot!

Die Medien haben sich der Staatsräson untergeordnet! Niemand hatte den Mut zu widersprechen! Nun könnte man auf die Idee kommen zu sagen, dass man hinterher immer schlauer ist. Erstaunlicherweise waren aber nicht wenige schon damals schlauer und haben vom Verfassungsgericht in einigen Punkten im Nachhinein sogar Recht bekommen! Statt Anerkennung für den Schutz unseres Rechtsstaats wurden und werden sie auch heute noch von Politik und Medien diffamiert! – Dr. med. Martin Krivacek

 

Jahrzehntelang wurde die Leistungsfähigkeit des Staates runtergefahren: Schlanker Staat! Nur noch Kernaufgaben! Weniger Bürokratie! Mehr Privatwirtschaft! Ausgabenkürzung! Sparen! Schwarze Null! Mit diesen Parolen haben Parteien Wahlen gewonnen. Bürger, die nun auch unter den Leistungsdefiziten unseres Staates leiden, haben diese Parteien gewählt. Viele Bürger haben auch jene Parteien gewählt, die alle möglichen klimapolitischen Fortschritte konsequent blockiert haben. Will sagen: Wir haben es offenbar mehrheitlich so gewollt und müssen nun mit den Folgen leben.

Oder eben andere Parteien wählen, die über ihre Arbeit in den demokratischen Institutionen einen leistungsfähigen Staat herbeiführen wollen. Und auch die Digitalisierung ernsthaft vorantreiben wollen. Allerdings sollten wir uns nicht zu viel erhoffen: Als Kunden kennen wir die Entwicklung bereits, im Zuge der Digitalisierung immer mehr Aufgaben von den Unternehmen zu übernehmen, die sich aus Kostensenkungs- und Gewinnmaximierungsgründen von bisherigen Serviceaufgaben trennen. Kurz: Eine ambivalente Gemengelage, die meines Erachtens zivilen Ungehorsam beim Themenkomplex „Digitalisierung / Grundsteuer“ nicht zulässt. – Reinhard Koine

 

Was sind „wir“ denn? Staats-PRIME-KundInnen, die jede mögliche Dienstleistung sofort frei Haus erhalten möchten (schließlich zahlen wir Steuern!)? Staats-Wut-BürgerInnen, die für alles, was ihnen nicht passt, mindestens einen Sündenbock finden (PolitikerInnen, MigratInnen, Verwaltung, Lügenpresse, etc.) und diesen mit mehr oder weniger gewählten Worten beschimpfen? Staats-NörglerInnen, die jedes staatliche Problem zielsicher identifizieren und bemängeln, bei Vorschlägen für konkrete, umsetz- und finanzierbaren Lösungen aber sehr viel zurückhaltender sind?

Selbst wenn alle benötigten Akten in digitaler Form vorlägen, würde das nur helfen, wenn die Behörden die Informationen auch austauschen und sammeln dürften. Das dürfte am Datenschutz scheitern, der auch von vielen Medien jahrelang als unabdingbar aufs Heftigste verteidigt wurde. Wenn Sie voller Verachtung von den „obrigkeitshörigen, datenschutzempfindlichen Standarddeutschen“ schreiben, vergessen Sie offensichtlich Ihr Eingeständnis der vehementen Verteidigung des Datenschutzes aus der Zeit vom 22.12.2022 (sonst hätten Sie doch wohl von „uns datenschutzempfindlichen Standarddeutschen“ geschrieben).

Entweder ist als Ihr eigenes Gedächtnis extrem kurz oder Sie erwarten ein solches bei Ihrer LeserInnen. Beide Möglichkeiten vertragen sich nicht mit meinem Erwartungen an guten Journalismus, noch tut es die Arroganz (faule Verwaltungen, obrigkeitshörige Standardeutsche) Ihres Beitrags. Streit auf diesem Niveau gehört m.E. in die Bild-Zeitung, nicht in die Zeit, sofern sie noch ihren eigenen Ansprüchen gerecht werden will. – Sabine Moehler

 

Das Thema ist nicht neu. In „DIE ZEIT“ erschien schon einmal ein -ähnlich argumentierender- Bericht. Ich weiß nicht mehr wann und von wem, vielleicht sogar von Ihnen? Auf diesen Bericht hatte ich den ersten Leserbrief meines Lebens geschrieben. Ich bekam via Mail eine freundliche Antwort aber gedruckt wurde er nicht. Es wurde überhaupt nichts mehr dazu gedruckt. Möglicherweise hat es keinen so richtig interessiert. Also nochmal stichpunktartig: An der Grundsteuerreform gibt es aus meiner Perspektive viel zu kritisieren, zumindest aber zu diskutieren!

Zum Beispiel, dass viele, viele neue Finanzbeamtinnen und -beamte (allein die NRW-Finanzverwaltung gibt am 12.08.2022 an: 300 zusätzliche unbefristete Stellen schon eingestellt, plus zusätzlich 150 Aushilfskräfte, https://www.finanzverwaltung.nrw.de/grundsteuer-reform-finanzaemter-stellen-weiteres-personal-ein), dieDie rekrutiert werden mussten, um das Massengeschäft (ca. 35 Mio Grundstücke!) bewältigen zu können. Trotzdem soll am Ende nicht mehr als vor der Reform rauskommen? Das erscheint mir ein unwirtschaftliches Steuermodell zu sein. Und nur ganz nebenbei: Erstaunlich viele Gemeinden haben präventiv vorher den Hebesatz angehoben (https://www.agrarheute.com/management/finanzen/grundsteuern-steigen-schon-2022-kraeftig-hebesaetze-einfach-angehoben-596125).

Das kommt raus, wenn man in Berlin verspricht, was die Kommunen halten sollen. Denn nur die sind für den entscheidenden Hebesatz zuständig. Auslöser war ja das Gerichtsurteil zur Steuergerechtigkeit: Die Wertverhältnisse der Grundstücke untereinander hätten sich seit der letzten Erhebung doch verändert. Das ist natürlich prinzipiell möglich und vielleicht sogar wahrscheinlich. Aber es war nicht zB dass sich Dortmund seit 1964 völlig anders entwickelt hat als München. Das war dem Gericht egal: Dass die Gemeinden unterschiedliche Hebesätze in der Größenordnung von 100 bis 1000 % innerhalb Deutschlands (https://de.wikipedia.org/wiki/Hebesatz_(Steuerrecht)) beschlossen haben, wurde nicht beanstandet. Es ging allein um die Verhältnisse innerhalb einer Gemeinde.

Gerechtigkeit kostet Geld, okay, aber deswegen der ganze Zauber? Die Grundsteuer muss bundesweit gezahlt werden. Aber wie und wieviel ist den Ländern überlassen. Es gibt eine Fülle von völlig verschiedenen Grundsteuermodellen. Soviel zum Thema Steuergerchtigkeit. Das alles war aber gar nicht der Punkt des Streitressorts! Hier ging es um den skandalisierten Sachverhalt, dass der grundvermögende Steuerbürger 15 Minuten (soviel habe ich im Selbstversuch tatsächlich benötigt) seiner wertvollen Zeit opfern soll, obwohl doch alles „den Behörden“ vorliegt! Und dass weil sich die Behörden staatsversagend weigern, ordentlich zu digitalisieren.

Das mit der mangelnden Digitalisierung sehe auch ich tatsächlich als Problem. Der angeprangerte Fall ist jedoch ein schlechtes Beispiel: Kaum wurde bekannt, dass allein digitale Erklärungen abgegeben werden sollten, gab es Unmut: Nicht jeder könne eine Steuererklärung digital abgeben. Also doch wieder die Möglichkeit analog – angeblich sogar in Berlin, wo bekanntermaßen kaum etwas klappt. Also müssen nicht nur Behörden, sondern auch Bürgerinnen und Bürger digital werden. In ihrer Kritik wird behauptet, der Bodenrichtwert müsse eingegeben werden. Das ist zumindest für Hessen falsch: Hier wird der Bodenrichtwert von der zentralen Geschäftsstelle der Gutachterausschüsse den Finanzbehörden zur Verfügung gestellt und automatisch berücksichtigt.

Das mag in anderen Ländern aber anders sein. In der Tat fand ich merkwürdig, dass ich drei verschiedene Steuernummern eingeben musste (Aktenzeichen der Grundsteuer, die mir zuvor analog in einem Brief mitgeteilt wurde, die lebenslange Steuer-ID, und die Steuernummer des Finanzamts). Die Digitalisierung ist aber zugegebenermaßen nicht so einfach, wie naiverweise vorgestellt. Beispielsweise die Wohnfläche. Die steht für gewöhnlich in der Baugenehmigung von annodunnemals. Und die ist bestimmt nicht digitalisiert und wahrscheinlich auch nicht aktuell. Selbst wenn man alle Genehmigungen abscannen würde (Achtung: Pläne sind gefaltet und kaum in DINA4). Kann ein automatischer Algorhithmus die gesuchte Fläche finden? Schlauer wäre darauf zu verzichten. Auf jeden Fall ist es wirtschaftlicher, diesen zu erfragen.

Eine der größten Hürden in der alltäglichen Verwaltungspraxis ist der teils exzessiv anzuwendende und eingeforderte Datenschutz. Ob die das im bewunderten Litauen auch so machen? Ich bin mir sicher, das Geschrei wäre groß, wenn das Finanzamt einfach überall meine Daten absaugt. Denn hier halte ich Datenschutz für einen notwendigen Schutz: Denn das ist mein Hauptpunkt: Ich möchte nicht gläserner Steuerbürger sein! Leider wird auch dazu nichts diskutiert. PS: Ich bin oder war kein Finanzbeamter! – Frank Mause

 

Meinen herzlichsten Dank an Jochen Bittner für seinen Artikel! Die Hintergründe sind einleuchtend und ich bin froh nicht allein zu sein mit der Frage, wieso ich den Job erledigen soll. Tatsächlich habe ich mich gewundert, wieso Daten abgefragt werden, die den entsprechenden Behörden bereits vorliegen.

Zunächst habe ich mich schwer getan mit dem Ausfüllen der Elster Formulare…und das für zwei Grundstücke mit gänzlich unterschiedlichen Werten und unklarer Historie. Zudem war ich bisher nur Mieterin, erst kürzlich von Berlin nach Brandenburg ins eigene Haus gezogen. Eine Anfrage bei einer Steuerberatung in der Nähe ergab den Wunsch nach knapp 400 Euro pro Grundstück für das Erledigen dieser Steuererklärung.

Also habe ich es erneut selbst versucht. Viele der Fehlermeldungen in Fachchinesisch, die bei der Prüfung der Formulare aufkamen, waren mir gänzlich unverständlich. Also habe ich so lange gefeilt, bis die Eingaben stimmig wirkten. In Unkenntnis der Fristverlängerung habe das durchgezogen, um Ende Oktober fertig zu werden. Verstanden habe ich das Ergebnis nicht wirklich, war nur froh, dass es durchging. Dazu die Anfrage nach den Bodenrichtwerten. Mein bewohntes Grundstück liegt außerhalb eines bewohnten Ortes, am Waldrand ohne Anschluss an Trinkwasser oder Abwasserleitungen wegen einer Bahntrasse, die Anschlüsse der Art unmöglich macht.

Die öffentlich einsehbaren Bodenrichtwerte beziehen sich jedoch auf eine Ortschaft mit entsprechender Infrastruktur. Demzufolge habe ich nun vermutlich mehr Wert für mein Grundstück angegeben, als tatsächlich realisierbar wäre. Das ist das eigentliche Dilemma an dieser Aufgabe: einige der abgefragten Werte können von Bürgern nicht fachgerecht ermittelt werden. Es wird geraten oder vermutet. Wie „fair“ kann denn hier danach die Bemessung ausfallen? Wem soll oder wird es nutzen? Bin gespannt auf den Steuerbescheid… – Stefanie Kahrmann

 

Ich mag das Ressort Streit, gerade weil es so unausgewogen ist und so viele verschiedene und natürlich manchmal polarisierende Meinungen niedergeschrieben und mitgeteilt werden. An dieser Stelle breche ich jedoch gerne mal eine Lanze für den Staat dessen Diener ich beruflich sein darf, bei seiner größten Behörde. Dort wird das Onlinezugangsgesetz schnellsten Schrittes umgesetzt, so dass ich als IT-affiner Mittvierziger zeitweise Schwierigkeiten habe zu folgen.

Und in meinem Fall war die Erklärung zur Grundsteuer so einfach online auszufüllen, per Elster und mit einem Formblatt meines Finanzamts, in dem alle einzugebenden Werte aufgeführt waren. Keine zehn Minuten hat das gedauert. Viele Dinge, die Herr Bittner schreibt sind richtig, ausbaufähig und notwendig. Nur die positiven Punkte kamen mir zu kurz, daher diese, wenn auch sehr reduzierte, Gegendarstellung. – Lothar Glasmann

 

Vielen Dank für den o.g. Artikel! Auch ich bin es leid, das (seit Jahrzehnten!) dahinvegitieren der Digitalisierung in diesem Land miterleben zu müssen. Sollten Sie eine „Gruppe des zivilen Ungehorsam“ in’s Leben rufen, würde ich dieser sehr gern beitreten. – Klaus Schlosser

 

Schön, dass Sie noch die Zeit und die Energie haben, sich über so etwas aufzuregen und laut darüber und über geeignete Widerstandsformen (oder vielleicht konstruktive Lösungen?) nachzudenken. Aber wenn es ja nur das wäre! Hier zwei Beispiele aus meiner eigenen jüngsten Erfahrung: 1. Ende März letzten Jahres ist meine Frau gestorben. Also musste ich u. a. eine entsprechende Änderung des Grundbucheintrages bezüglich unseres bis dahin gemeinschaftlichen und nun allein mir gehörenden Eigenheimes beantragen, die sinnvollerweise vor Abgabe der von Ihnen thematisierten „Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwertes“ erfolgt sein sollte.

Meine Erbberechtigung war aufgrund eines (gebührenpflichtig) beim zuständigen Amtsgericht (Neuwied) hinterlegten und von diesem auch (gebührenpflichtig) eröffneten Berliner Testament klar und eindeutig. Demzufolge brauchte keine Institution – weder Rentenversicherung, Zusatzrentenversicherung noch mehrere Banken (wg. Gemeinschaftskonten) oder sonst jemand – einen zusätzlichen Erbschein. Nur das Amtsgericht, dem das Testament vorlag, das es selbst eröffnet hat, brauchte nur für die von ihm selbst durchgeführte Änderung des Grundbucheintrages für sich selbst einen von ihm selbst ausgestellten Erbschein – Nachlassgericht und Grundbuchamt sind ja schließlich zwei verschiedene Abteilungen des Amtsgerichtes, die immerhin in einigen Metern Abstand voneinander arbeiten.

Kostete mich einen Termin in der 25 km entfernten Kreisstadt und eine Gebühr von sage und schreibe 870,00 Euro. Die (in meinem Fall überschaubare) Grundbesitzerklärung selbst empfand ich im übrigen – auch aufgrund der beigefügten „Ausfüllhilfe“ – als unproblematisch und wenig aufwändig. 2. Im Dezember erhielt ich von der Deutschen Rentenversicherung-Bund einen Rentenbescheid, bestehend aus drei kurzen Sätzen: „Sehr geehrter Herr Tlusty, Ihre bisherige große Witwerrente haben wir ab dem 01.01.2023 neu berechnet. Daraus ergibt sich keine Änderung des monatlichen Zahlbetrages. Der bisherige Bescheid gilt weiter.“ So weit, so gut. Allerdings: Diesen 3 kurzen Sätzen folgten 14 (in Worten: vierzehn) Seiten Text.

Was soll man dazu sagen oder gar machen? – Ich bin insoweit einfach sprachlos und schüttele angesichts dieser deutschen Bürokratie-Wirklichkeit nicht mal mehr den Kopf. Rund um uns herum verliert die (unsere) Welt ihren Zusammenhalt, unsere Lebens-, zumindest Wohlstands- und Sicherheitsgrundlagen (freiheitlich-demokratisches Amerika, kooperative Nachbarn, friedliches Russland, geduldiges Afrika und Asien usw.) geraten völlig aus den Fugen. Für einen wachsenden und für uns „systemrelevanten“ Teil der Menschheit geht es bereits um Leben und Tod.

Ich versuche aufgrund einer persönlicher Betroffenheit und der unser Gemeinschaft zusammen mit anderen (siehe www.bochum-donezk.de) soweit wie (mir) möglich die Not der Menschen in der Ukraine zu lindern und ihnen dabei zu helfen, auch in unserem eigenen gemeinschaftlichen Interesse durchzuhalten und zu überleben. Gut aber (nein: toll) und tröstlich, dass es mit der ZEIT noch eine Institution gibt, die sich zumindest journalistisch-informativ redlich bemüht um alles kümmert (kümmern kann), sich zumindest mit einigem Erfolg darum bemüht. Es hängt ja alles miteinander zusammen und voneinander ab. – Hans-Jürgen Tlusty

 

Bravo! Das ist der Artikel, auf den ich immer schon gewartet habe. Spätestens seit Mitte der 80er-Jahre versuchen die neo“liberalen“ Ideologen den Staat abzuschaffen. Ganz gelungen ist es ihnen zum Glück bisher noch nicht. Hat da jemand Kennedy völlig missverstanden? „Ask not what your country can do for you — ask what you can do for your country.“ heißt NICHT, dass wir, zeitaufwändig, und natürlich unbezahlt, die Aufgaben des STAATES übernehmen, sondern dass wir uns um unsere GESELLSCHAFT kümmern sollen, auch wenn die Thatcherites noch so oft behaupten, es gäbe überhaupt keine Gesellschaft. Bei der Beschneidung von Gewerkschaftsrechten hatte der Thatcherismus seine größten Erfolge erreicht, aber das sollte ja nur der Anfang vom Kahlschlag sein.

Wenn dieser Staat es nicht schafft, digital zu werden, kann er wohl kaum von seinen Bürger*innen verlangen, Formulare digital ausfüllen. Das stank mir schon bei der Volkszählung: Papierformulare gab es nur ausnahmsweise. Nicht jeder in diesem Lande ist ausreichend technikaffin und nicht jeder besitzt die technischen Voraussetzungen.

Und jetzt, wo Corona noch nicht ganz überwunden ist, soll ich als Immobilienbesitzer von Pontius zu Pilatus latschen (bzw. zigmal mit dem ländlichen Bus hin- und herfahren, d. h. mit einem, der im besten Falle nur einmal pro Stunde fährt), um die nötigen Daten zusammenzuklauben? Ich glaube, es hackt! Mach ich nicht! Da bin ich Bartleby! Ich habe bisher noch nicht einmal eine entsprechende Aufforderung bekommen. So weit ich weiß, ist doch wohl jeder Immobilienbesitzer dazu verpflichtet. Warum erfährt man davon nur durch die Medien? Bin ich jetzt auch noch verpflichtet, die passenden Medien zu konsumieren? Solange ich kein Schreiben erhalten habe, ist mein Name Hase!

Genauso bei Corona. Bei Spahn / Merkel hieß es, jeder bekäme ein Impfangebot. Und was war? Nix! Wenn mir jemand sagt, ich bekäme ein Angebot, dann verstehe ich darunter ein PROAKTIVES Angebot und nicht, dass ich erst irgendwo rumgoogeln muss. Auf meine Beschwerde-Mail an Herrn Spahn kam nicht mal eine Bestätigungsmail, dass sie eingegangen sei. Von einer richtigen Antwort, zumindest von seinem Büro, ganz zu schweigen.

Ich vermute, dass Herr Spahn da schon keine Zeit für solch banalen Anfragen hatte, weil er ein Buch schreiben und sein neues Leben als Wirtschaftsexperte planen musste. Und von Herrn Lauterbach habe ich auch immer noch kein Impfangebot bekommen. Hieß „Minister“ früher nicht mal „Diener“ (des Volkes)? Abgesehen davon: Warum soll ich mich (jetzt noch) impfen lassen? Ich bin bisher mit meiner Selbstisolation sehr gut gefahren. Selbst wenn ich geimpft gewesen wäre, wäre ich nur zu den allernötigsten Terminen (Einkaufen, Bankgeschäfte) aus dem Haus gegangen. Das Risiko, ungeimpft zu sein, war aus meiner Sicht nur geringfügig höher.

So kurz vor dem möglichen Ende der Pandemie (es sterben allerdings immer noch 100 bis 200 Menschen pro Tag, was anscheinend niemanden mehr interessiert; Hildesheim, wo ich herkomme, stand kurz vor Weihnachten bei einer offiziellen Inzidenz von über 500, 5. bundesweiter Platz im ARD-Videotext, die wahre Inzidenz liegt, wie man weiß, wesentlich höher) lohnt sich das Impfen wohl auch nicht mehr. Darüberhinaus glaube ich, dass ich schon infiziert war, anders kann ich mir die beiden eher leichten Erkältungen, die ich während der Pandemie hatte, nicht erklären. Wenn der Staat sich nicht mehr um seine Bürger*innen kümmert, muss er sich nicht wundern, dass einige Leute aggressive „Reichsbürger“-Querulanten oder libertär (neues Modewort für anarchisch) werden.

Im Ressort „Wissen“ schlägt eine frz. Professorin vor, die Demokratie mit Bürgerräten zu beleben. Ich bin da eigentlich skeptisch. Welche Kompetenzen sollen diese Räte bekommen? Wie sollen die zusammengesetzt sein? Wie viele Vertreter*innen für wie viele Menschen? Sind die Menschen nicht viel zu träge (gemacht worden)? Außerdem hat man uns immer eingetrichtert, dass moderne, große Demokratien nur repräsentativ funktionieren würden, weil sie für direkte Demokratie viel zu komplex seien. Andererseits glaube ich schon, dass die Bürger*innen Expertise genug haben, ihre eigenen konkreten Probleme vor Ort selbst anzupacken. Mehr Expertise jedenfalls als unsere Berufspolitiker*innen (in der Überzahl, zumindest überrepräsentiert durch die Parteilisten, Juristen, Lehrer und andere Beamte).

„Berufs“politiker*innen, die teilweise auf ihren Job überhaupt keinen Bock haben, wie man bei Frau Lambrecht erneut gesehen hat. Durch die sozialen Medien glaubt ja heutzutage jeder, überall mitreden zu können / müssen. Nur wenn es dann ernst wird mit echter politischer Beteiligung, drücken sich die meisten aus Trägheit. Oder ist das vielleicht sogar das Ziel der herrschenden politischen Klasse? Will man gar nicht, dass die Bevölkerung mitspricht? Käme das der Wirtschaft und den Lobbies in die Quere, die die wahre Macht in diesem Land haben? – Thomas Manthey

 

Ihr Artikel zur Erhebung von Daten zur Grundsteuerreform teile ich weitestgehend. Mir wurde die Ausfüllhilfe wie allen Grundeigentümern zugesandt. Da fragt man sich schon, warum ich dies explizit noch einmal erklären muß. Mein Versuch, die erfragten Angaben wie Gebäudefläche etc. online abzugeben, scheiterte an einer Software, die ständig Probleme machte; an Begrifflichkeiten, die nur „Eingeweihte“ verstanden und an dem Unvermögen, diese Begriffe bürgerfreundlich und verständlich zu erklären. Ich / wir haben über Wochen mit dieser Erklärung zugebracht. Abgegeben haben wir sie dann in Papierform nach dem unser Rechner in Teilbereichen ausfiel. Um unseren PC wieder nutzbar zu machen, brauchten wir professioneller Hilfe.

Bislang ist in allen Berichterstattungen der Umstand unberücksichtigt geblieben, dass von dieser Reform auch Eigentümer / Erbengemeinschaften unbebauter Grundstücke – Ländereien – die weder landwirtschaftlich noch forstwirtschaftlich genutzt werden, betroffen sind. Ich bin Miteigentümerin von solchen Flächen und an einem Grundstück zur Abgabe für die Erbengemeinschaft aufgefordert worden. Bis dato wußte ich noch nicht, dass ich Sprecherin dieser Erbengemeinschaft bin.

Mein „Glück“ war, dass die Miterben meine Geschwister waren, deren Adresse etc. ich angeben konnte. Bei anderen Grundstücken setzt sich die Erbengemeinschaft aus einem Vielfachen von Personen bzw. Familienteilen zusammen, die wohl über die ganze Republik verteilt leben und die mir überwiegend völlig unbekannt sind. Hinzu kommt, dass oftmals die Grundbuchauszüge nicht aktuell sind. Ich denke mir, dass dieser Umstand nicht nur bei den Grundstücken, die mich betreffen, gegeben ist, sondern auch auf eine Vielzahl von anderen Erbengemeinschaften zutrifft.

Für diese Grundstücke wurden bislang keine Abgaben erhoben. Aufgrund der durch die Gutachter erstellten Bodenrichtwerttabellen, die für alle Grundstücke in der Republik erarbeitet wurden, ist nicht auszuschließen, dass zukünftig eine Abgabe im Rahmen des Hebesatzes der Gemeinde erhoben wird. Laut dem Gesetzestext – so wie ich ihn verstehe – ist eine Abgabe nur für bewirtschaftete land- und forstwirtschaftliche Flächen abzugeben.

Nach § 232 ff ist unter Land-und Forstwirtschaft „die planmäßige Nutzung der natürlichen Kräfte des Bodens zur Erzeugung von Pflanzen und Tieren sowie die Verwertung der dadurch selbstgewonnenen Erzeugnisse“ zu verstehen. Dies ausgeführt im „Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (Grundsteuer-Reformgesetz GrStRefG) v. 26.Nov.2019, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt, Jahrg.2019, Teil I, Nr. 43, ausgegeben zu Bonn am 2.Dez.2019. Also was soll die Erhebung bei Flächen, die in dieser Weise weder genutzt wurden, noch nutzbar sind. Diese Sache ist noch nicht ausgestanden. Wenn die ersten Steuerbescheide kommen, wird es zu manchem „bösen Erwachen“ kommen.

Die ganzen Verfahren sind nicht nur dazu da, die Arbeit der Finanzbehörde zu leisten. Sie sollen auch dazu dienen, die Gerichte, die mit dem Führen der Grundbücher betraut sind und die Katasterämter auf den aktuellen Stand zu bringen. Diese Seite der Grundsteuerreform sollte auch öffentlich gemacht werden. Es ist für mich auch völlig undurchsichtig, nach welchen Kriterien die Finanzämter wen auffordern, die „notwendigen“ Angaben zu machen. In Rheinland-Pfalz habe ich den Eindruck gehabt, dass man an die Personen herangetreten ist / war, wo man die größten PC-Kenntnisse vermutete. – Ursula Thomas

 

In Ihrem Beitrag „Wir sind keine Staatsdiener“, Zeit Nr. 2 vom 5. Januar 2023 weisen Sie auf die mangelnde Digitalisierung des deutschen Verwaltungsapparates hin. Als Beispiel dafür nehmen Sie die „Erklärung für den Grundbesitz“, die nach Fristverlängerung nun bis zum 31. Januar für 36 Millionen Grundstücke in Deutschland über ein Meldeportal im Internet abgegeben werden muss. Hierzu müssen die jeweiligen Besitzer und Eigentümer nach Ihren Worten Daten zusammenklamüsern, über die der Staat ohnehin verfügt, nämlich in den Katasterämtern. Nur schafft es der Staat einfach nicht, seine Datenbestände zu digitalisieren, um damit den gebeutelten Bürger zu entlasten.

Nun, wenn in diesem Fall etwas zusammenzuklamüsern ist, dann ist man in aller Regel im Besitz von einem oder vielleicht auch mehreren Grundstücken. Das ist, so vermute ich, für die Betroffenen nicht unbedingt eine so unbehagliche Lage. Insbesondere wenn man die explodierenden Grundstücks- und Immobilienpreise der letzten Jahre betrachtet. Man verfügt also gleichzeitig auch über mitunter nicht unerhebliches Vermögen.

Nun stamme ich aus denkbar einfachen Verhältnissen, und ich darf Ihnen verraten, dass ich solcherlei Daten, wenn ich sie denn hätte, durchaus mit Wonne zusammentragen würde. Es wäre für mich so etwas wie die Bestandsaufnahme des Grades meiner Sorglosigkeit, gespiegelt durch die Anzahl der mir gehörenden Quadratmeter mal Bodenrichtwert. Oder so ähnlich. Aber nach der Lektüre Ihres Beitrages habe ich anscheinend Glück, denn ich muss, genauso wie rund die Hälfte der Bevölkerung Deutschlands (laut Internetrecherche leben rund die Hälfte der Deutschen in Eigentum, die Andere nicht) keine Erklärung für den Grundbesitz abgeben.

Ich finde es beachtlich, was heutzutage als Belastung wahrgenommen wird. Vielleicht wäre mir die Empörung begreiflicher, wenn ich die Sichtweise des 49 jährigen Autors einnehmen könnte, weitestgehend verschont von den Mangelerfahrungen früherer Geburtsjahrgänge. Kennedy wird folgendes Zitat zugeschrieben: „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst“. Großartig, aber leider völlig aus der Mode. – Hellmuth Goldecker

 

Schlicht und einfach die Weigerung der Bürger, der Bundesregierung die Arbeit abzunehmen: Gute Idee. Besser wäre: gemeinsamer Aktivismus. Bundesweit organisiert! Hier sind auch die jüngeren Grundstückseigentümer gefordert. Jochen Bittner spricht Millionen Bürgern aus dem Herzen. So auch mir: wohnhaft auf dem Land, 83 Jahre, kinderlos, mit Haus und landwirtschaftlichen Grundstücken, geriet ELSTER zum Alptraum; deshalb schließe ich mich spontan der Empfehlung zum Boykott an. – Hans Lamparter

 

Vielen Dank und Bravo für diesen Artikel. Und ich bewundere Ihren Mut. Weiter so! – Robert Camboni

 


 

 

Leserbriefe zu „Unser aller Staat“ von Martin Machowecz

 

Die Ereignisse der Sylvesternacht machen einen generellen Verlust von ideellen Werten deutlich; aber auch und gerade von denjenigen, welche eine besondere Härte für die Ausschreitenden einfordern. Eine aktuelle Charakterisierung unseres Gemeinwesen bewegt sich heute auf einem Grat zwischen einer allgemeinen gesellschaftlichen Respektlosigkeit und einer teilweisen inneren, gewaltbereiten Zerrissenheit. Dafür leistete unsere politische Führung selbst seit Jahrzehnten einen erheblichen Beitrag für eine zunehmende Erosion des staatlichen Gewaltmonopols. Gefestigte staatliche Strukturen wurden aus vermeintlich sinnvollen ökonomischen Gründen entstaatlicht und/oder privatisiert und führen selbst in den Sicherheitsbehörden zu wiederholt und vehement veröffentlichten Frustrationen.

Deshalb herrscht gerade im Kreise von Menschen mit realer Perspektivlosigkeit und gewählter Selbststigmatisierung die fatale Annahme vor, hier ein Machtvakuum der jeweiligen staatlichen Gewaltmonopole zu vermuten und die gesamte Gesellschaft dafür in Haftung nehmen zu können. Durch die Vehemenz der politischen Reaktionen erkennt man, dass dieses Ihnen trefflich gelungen ist und erkennbar durch die Häufigkeit und Wiederholungen daraus längst politische Motive erwachsen sind. Dem kann man jedoch nicht mit einer Verschärfung des Strafrechts begegnen. – Jürgen Dressler

 

Sie haben recht Herr Machowecz, die Respektlosigkeit grassiert. Aber nicht nur am Sylvesterabend in Berlin Neukölln, sondern täglich auch im beschaulichen Berlin in Zehlendorf – Mitte. Ich wohne im Bezirk Steglitz – Zehlendorf. Bewegungsbeeinträchtigte Bürger*innen brauchen dort bspw. auch mal drei Ampelphasen, um die Straße zu überqueren, denn wir fahren dort auch bei rot auf die Kreuzung, auch der BVG – Bus. Wir brettern auch mit dem E – Roller und dem Fahrrad ohne Rücksicht auf menschliche Verluste kreuz und quer durch diesen eigentlich gemütlichen Treffpunkt im Bezirk, dem die Falschparker*innen regelmäßig den Rest geben. Und das ist nur ein Beispiel.

Und der Staat ist nicht zu sehen, denn die Polizei arbeitet in Berlin nach dem Feuerwehrprinzip: „Wir kommen, wenn wir gerufen werden“, d.h. es müssen Menschen rumliegen oder kaputte Autos rumstehen. Und Ordnungsamtsmitarbeiter*innen schreiben sporadisch „Knöllchen“, erfolglos, denn insgesamt dümpelt der Ermittlungs-, Kontroll- und Überwachungsdruck der Sicherheitsorgane in Berlin seit Jahren auf Mittelmaß vor sich hin. Sie haben nicht recht Herr Machowecz, wenn Sie sinngemäß schreiben, dass die kleinteiligen „Brauchen-wir-Debatten“ über Böllerverbote, härtere Strafen, Kameras in Feuerwehrautos, zur Folge haben, dass die Größe unseres „Sylvesterproblems“ aus dem Blick gerät.

Es gäbe unser „Sylvesterproblem“ nicht, wenn der Staat die täglichen tausendfachen Respektlosigkeiten in Berlin mit der Umsetzung der „Brauchen-wir-Debatten-Ergebnisse“ für die Menschen merkbar in den Griff bekommen hätte. Dann würden die Menschen wissen, dass unser Rechtsstaat seine Gesetze und Regeln durchsetzt und sich entsprechend verhalten. Aber der Staat kann schon über Jahre bis heute nicht einmal die Maskenpflicht im ÖPNV durchsetzen und das testen die Menschen aus und ziehen ihre Schlüsse daraus. Die Menschen wissen vielleicht nicht, dass das Thema „Sicherheit für die Menschen in der Stadt“ ganz hinten im Koalitionsvertrag steht, aber sie merken es, natürlich auch an den über Jahrzehnte geführten, aber absolut folgenlosen „Brauchen – wir – Debatten“. – Klaus Eisenreich

 

Vielen Dank für Ihren Leitartikel zu den Silvester-Ereignissen. Ich bin seit über 38 Jahren Berufsfeuerwehrmann in einer deutschen Großstadt und beobachte diese Entwicklungen seit vielen Jahren mit Sorge. Auf die Ereignisse will ich hier gar nicht weiter eingehen. Gewalt gegen Einsatzkräfte der Polizei, Feuerwehr, Rettungsdiensten nimmt seit Jahren zu. Gegen Verwaltungen, Bürgermeister*innen übrigens auch. Das weiß die Politik, tut aber aus meiner Sicht nicht wirklich was dagegen. Dann müsste Politik nämlich maßregeln, und das ist unbeliebt, weil es die Wählerstimmen und die Wiederwahl kosten kann.

Da verweist Politik gerne auf die Selbstbestimmung der Bürger*innen. Wenn die Gesellschaft immer von alleine wüsste, was gut und richtig ist, dann bräuchten wir eigentlich kaum Politiker*innen. Die Respektlosigkeit grassiert in vielen Lebensbereich. Die Aggressivität nimmt in allen Lebensbereichen zu, und kaum jemand möchte das wirksam einhegen. Grenzen setzen ist out! Das sollen die Bürger*innen schön selber machen. Wie gut das funktioniert, sieht man am einfachen Beispiel Straßenverkehr. Straßenverkehr ist auch das einfache Beispiel dafür, wie sich Politik um wirksame, regulierende und beschränkende Maßnahmen drückt. Wenn man z. B. in den Niederlanden oder Italien bei Verstößen erwischt wird, das vergisst man so schnell nicht. Jeder der Kinder hat weiß wie wichtig es ist Grenzen zu setzen und Leitlinien zu geben.

Die vom Friedrich-Ebert-Institut erhobenen Zahlen sind erschreckend. Ich mache mir große Sorgen um unsere Demokratie, denn auch ich finde sie funktioniert mehr richtig. A. Lincoln hat sie so definiert »Regierung des Volkes, durch das Volk, für das Volk« Durch das Volk, okay, das funktioniert noch, leidlich. Ich darf wählen gehen. Aber für das Volk? Nein, das sehe ich nicht mehr. Unser Bundespräsident Herr Dr. Steimeier hat im November in einer Rede gesagt »Die Demokratie ist kein Supermarkt. Da kann man nicht hingehen und sich das, was einem gefällt, aus dem Regal nehmen….« Als ich den Satz gehört habe, fiel mir reflexartig ein, dass er recht hat. Demokratie bei uns ist kein Supermarkt, sie ist ein Feinkostgeschäft:

Wer Geld hat, kauft sich Einfluss über Lobbyismus und bestimmt die Politik. Das Volk kauft im Supermarkt ein, oder im Discounter. Einfaches Beispiel ist z. B. die Automobilindustrie. Die hat es, solange ich denken kann, immer geschafft sich Einfluss zu kaufen. Anders kann ich es nicht bezeichnen. Den allergrößten Einfluss wohl zurzeit mit Frau H. Müller, als ehemalige Staatsministerin im Kanzleramt. Natürlich sind Arbeitsplätze wichtig, aber zu welchem Preis? Warum drängt die Politik die Automobilwirtschaft dazu, sich gut für eine umweltschonendere Fahrzeugtechnik zukunftsfähig zu machen. Weil es letztendlich hier nicht um Volk und Umwelt geht, sondern um Geld, Gewinne, Gewinnmaximierung, Aktionäre. Wo ist also hier die Regierung des Volkes für das Volk?

Wir haben leider nur noch populistische Schönwetter-Politiker*innen, die Angst um ihre Macht und Wiederwahl haben. Die, wenn mehrere hunderttausend Demonstranten*innen in Berlin demonstrieren, direkt vor der Spaltung (Achtung Prozentrechnung?) der Gesellschaft warnen. Warnen können die sowieso alle gut. Und Klima-Kleber in Zusammenhang mit der RAF bringen. An der »German-Angst« ist bedauerlicherweise was dran!

Für die Schönwetter-Politiker*innen noch ein aktuelles Beispiel. Steht gerade auf ZEIT-Online. Herr Bundesjustizminister Buschmann sagt in einem Interview: »Wenn sich die Welt verändert, muss sich auch die Politik verändern« Wow, welche Erkenntnis. Wenn die Welt immer wärmer wird, brauchen wir dann nicht vielleicht doch ein Tempolimit, umweltschonendere Verkehrsmittel, Hitzepläne usw.? Und dann kommt es wieder »Die FDP zeigt, dass nicht nur alles von oben durch den Staat geregelt werden darf, sondern Freiräume der Eigenverantwortung verteidigt werden müssen.« Da ist es wieder, das Delegieren von Verantwortung auf die Bürgerinnen und Bürger. Das ist jetzt alles sehr verkürzt wiedergegeben. Das ist eigentlich Stoff für abendfüllende Diskussionen. Nochmals danke für Ihren Leitartikel und Ihre Arbeit, und die Arbeit der ganzen Redaktion! – Andreas Müller

 

Das will ich sehen, wie Bürger nun nach dem Appell von Herrn Machowecz in das Herz Neuköllns vorrücken um die Krawalleros, die wir hier ausnahmsweise beim Namen nennen wollen, also den Sprösslingen eines Abou-Chaker- oder Remmo-Clans zur Rede stellen. Das glauben Sie doch nicht ernsthaft? Die würden einem nur vor die Füße spucken, ganz roh und ungeschlacht. Wenn man Glück hat, versteht sich.

Ein Böllerverbot halte ich nicht unbedingt für eine zielführende Maßnahme. Das würde den Reiz nach noch lauteren Bomben nur ankurbeln. Zur Not führe man über die Grenze in die benachbarten osteuropäischen Länder. Dort würden sich die Chaoten dann mit den berühmt berüchtigten Polen-Böllern eindecken. Und die sind unglaublich laut! Mir jedenfalls bleibt bei dem Knall beinahe das Herz stehen.

Das was der bayerische Ministerpräsident Markus Söder vor einigen Tagen darauf angesprochen sagte, traf es im Kern ganz gut. Sowas sei einfach typisch Berlin. Die Berliner Regierung steht nicht hinter ihren Polizisten und Polizistinnen. Kein Wunder also, dass der gemeine Bürger dann erst recht keinen Respekt vor diesen zeigt. Oberbürgermeisterin Franziska Giffey geht hier vor wie eine Schuldirektorin einer Waldorfschule, wenn sie davon spricht, dass die Vorgänge zunächst einmal geprüft werden müssen, um dann adäquate Maßnahmen einleiten zu können. Dies vermutlich auch nur eventuell. Bis dahin aber tanzen wir alle erst einmal unseren Namen. – Michael Ayten

 

Respekt, wie eine Lebensweisheit richtigerweise besagt, muss man sich erst einmal erarbeiten. Damit dies gelingt, bedarf es zweierlei Dinge: Zunächst eine Kommunikation auf Augenhöhe, d.h., dem oder der anderen mit Wertschätzung und unvoreingenommen zu begegnen, ohne dass Eigenschaften wie soziale Klasse, Religion, Kultur, Rang oder Position eine Rolle spielen dürfen.

Zum anderen bedarf es einer gesunden Portion Authentizität, also Echtheit und Unverfälschbarkeit im bi- und multilateralen Austausch von Meinungen und Gedanken, ebenso wie in der Formulierung von Konzepten und Regeln für den Umgang miteinander. Hier sind wir beim Staat angekommen, insbesondere bei ‚der Politik‘, die demokratisch legitimiert, eine wesentliche Rolle bei der Festigung eines Respektgefüges gegenüber staatlichen Institutionen spielt.

Es sind weniger die politischen Akteurinnen und Akteure, die freiraus sagen, wie wenig sie von unserem Staat halten, auch wenn das Zerreißen von Flaggen oder die bewusste Stummheit beim Abspielen der Nationalhymne Verwunderung oder Entrüstung hervorrufen. Es sind viel mehr die mittlerweile zahllosen Belege von zunächst im Verborgenen liegenden Handlungsweisen der politischen Größen, die uns respektlos werden lassen. Der Verlust an Respekt kann vor diesem Hintergrund als eine Art Ohnmacht interpretiert werden.

An dieser Stelle sei an die mehr als anrüchigen Deals mit Masken oder Beatmungsgeräten erinnert. Das unsägliche Geschachere um sehr gut dotierte Posten und Pöstchen tut ihr übriges, wenn Menschen sich der Respektlosigkeit gegenüber dem Staat hingeben. Die Gewalt gegen staatliche Funktionsträgerinnen und Funktionsträger, die die eingangs gemachten Ausführungen keineswegs entschuldigen möchten, sind ein Weckruf an die Politik,v.a. dann, wenn die Respektlosigkeit mittlerweile pandemisch um sich gegriffen hat.

Dabei sind es nicht nur die großen gesellschaftlichen Herausforderungen, in deren Zuge die Politik quasi sich selbst und damit den Staat beschädigt, wenn z. B. einerseits unsere Lebensweise digital elektrisch verstromt werden müsse, ohne dass jedoch dafür auf absehbare Zeit ausreichend Strom dafür zur Verfügung steht oder wenn man bis zum 70. Lebensjahr bitte schön zu arbeiten habe, ohne dass der Arbeitsmarkt berufliche Perspektiven für älteren Menschen vorrätig hat. Unser Staat versucht die Welt zu retten, ohne dass wir hierzulande Züge pünktlich abfahren oder Briefe verlässlich zustellen lassen können. Die Auflistung an Inkonsistenzen und Widersprüchen ließe sich beliebig fortsetzen.

Es passt inhaltlich so vieles nicht mehr zusammen, was der Staat leistet und wie er wahrgenommen wird. Die Politik als Staatsgestalterin ist nicht authentisch, Zweiflern wird meist nicht auf Augenhöhe begegnet, sondern eine Lösung in der Diffamierung oder Herabsetzung gesucht. Die unnötigen Emotionalisierungen aus den Themenfeldern des verbalen Genderns, der sogenannten kulturellen Aneignung, der Cancel Culture und Wokeism, würden der Politik und damit dem Staat eine ideale Plattform bieten sich wieder mehr Respekt zu verschaffen, indem besonnen eingegriffen und vermittelt wird. Leider Fehlanzeige. – Dr. Johannes Warbeck

 

Was wir unter Toleranz verstehen, wird anscheinend in anderen Kulturen aufgefasst als „nicht ernstzunehmen“. Dabei könnten wir es besser wissen. Die Annahme, man müsse sich nur gründlich genug selber verleugnen, um von anderen geachtet zu werden, geht ja schon innerhalb der EU fehl. – Hans List

 

Der Begriff „System“ nahm in den 60er Jahren dem Staat seine demokratische Qualität und ordnete ihn mit all seinen differenzierten Institutionen und Verfahren einem einzigen Zweck unter: Die Interessen des Kapitals gegen die Interessen der arbeitenden Bevölkerung durchzusetzen. „System“ wurde als legitimierender Kampfbegriff verwendet, um vereinfachend zu etikettieren, was zu bekämpfen war. Auch wenn „System“ heute kein Kampfbegriff mehr ist, liefert er im Artikel „Unser aller Staat“ ungewollt eine Begründung für die offene Feindschaft, die dem Staat in der Silvesternacht entgegengebracht wurde.

In Deutschland leben einige Menschen, die jeden Respekt vor diesem System verloren haben. Denn der Begriff „System“ anonymisiert und abstrahiert den Staat und verleiht seiner Macht eine bedrohliche Qualität. Vor einem System kann man kein Respekt haben, wohl aber vor Menschen, vor der Würde des Amtes oder von Institutionen. Unter dem Begriff „System“ erscheinen die im staatlichen Auftrag handelnden Personen aber nicht mehr als Menschen, sondern als Herrschaftsinstrumente.

Die Gewaltexzesse aus der Silvesternacht begründen sich möglicherweise genau aus diesem System-Gefühl bei Menschen, die nicht in die Gesellschaft integriert sind, sich nicht als Teil dieses Staatsvolkes verstehen und sich als ausgegrenzt empfinden. Sonst würden sie spüren, dass sie gegen sich selbst gewalttätig sind. Richtig: Wir haben hier ein gesellschaftspolitisches Problem, das nicht durch Böllerverbote, härtere Strafen und Kameras in Feuerwehrautos gelöst werden kann. – Reinhard Koine

 

Alle Jahre wieder. Unser aller Staat hat die Kontrolle verloren. Er ist ohnmächtig geworden. Nach jedem Ereignis gibt es tolle Sonntagsreden, gehandelt wird jedoch seit Jahren nicht mehr, unabhängig wer in der Regierung sitzt. Nach der Kölner Silvesternacht… das darf sich nicht wiederholen. Nach der Berliner Chaos Nacht… wir brauchen neue Gesetze und Böllerverbot Nach den Angriffen auf Flüchtlingsheime… es ist eine neue Migrationsdebatte notwendig, etc.

Die Liste ist riesig. Vor den Clans hat der Staat schon lange kapituliert, jetzt gibt es in Berlin weitere No Go Zonen. Bisher hat selbst die Polizei Angst die kritischen Bezirke zu betreten, zukünftig kommen Feuerwehr und Ambulanz dazu. Die Bürger haben sich fast mehrheitlich vom Staat abgewendet. Wenn der ‚ Heilsbringer‘ AFD übernimmt, haben wir jedoch ganz andere Sorgen. – W. Scheer

 

Martin Machowecz hat in seinem Leitartikel Unser aller Staat den Finger in die Wunde gelegt und Klartext geschrieben. Er hat den in unserer Zeit leider nicht mehr ganz selbstverständlichen Mut gehabt, auf den hohen Migrationsanteil jener Personen zu verweisen, die an den Krawallen und Übergriffen während der Silvesterfeiern beteiligt waren. (oder: der an den Silvesterausschreitungen beteiligten Personen zu verweisen).

Diese Bereitschaft, die Dinge beim Namen zu nennen, würde man sich auch von den zuständigen regierenden Politikern und den Redakteuren der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehsender wünschen. Deren Verlautbarungen und Kommentare sind oft nur noch peinliche und klägliche Versuche, die Probleme zu verschleiern oder sie gar ganz zu bestreiten. Es werden sogar Sprachregelungen ausgegeben, nach denen Araber nur noch als Westasiaten bezeichnet werden dürfen. Dies alles geschieht in der vordergründigen Absicht, nicht noch weiter Hass auf Ausländer und Rassismus zu schüren.

Erreicht wird damit jedoch das Gegenteil. In der Bevölkerung wächst die Verärgerung über derlei Verschleierungen. Immer mehr Menschen fragen sich, ob sie ihre Stimme weiterhin einer Partei geben sollen, die ihre Anstrengungen eher auf peinliche Beschwichtigungsversuche richtet als auf die ernsthafte Bemühung, Probleme mit aggressionsbereiten jungen Menschen mit überwiegend arabischem Migrationshintergrund anzuerkennen und an ihrer Lösung zu arbeiten. – Dr. Johannes Klemenz

 

Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Nach gewalttätigen Ausschreitungen und Angriffen auf Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst wie zu Silvester in Berlin-Neukölln erklingen die Rufe nach einem starken Rechtstaat und hartem Durchgreifen um so lauter. Natürlich müssen die Regierende Bürgermeisterin von Berlin und ihre Innensenatorin auf diese Ausschreitungen reagieren.

Dennoch hilft ihr richtiger Verweis, dass es auch in anderen Großstädten in Deutschland solche Ausschreitungen gebe, weder den Berlinern noch den Einsatzkräften. Franziska Giffey sind die Bevölkerungsstruktur in Berlin-Neukölln nur zu gut bekannt und die Probleme in diesem Stadtteil auch. Dazu gehört dann ehrlicherweise auch die Benennung der Täter oder Tätergruppen, aus den diese Gewalttaten begangen worden sind. Das hat nichts mit Rassismus zu tun und ist sowieso nur ein Teil der „Geschichte“.

Martin Machowecz hat recht, solche Ausschreitungen haben auch einen migrantischen Hintergrund aber nicht nur. Gewalttätige Übergriffe auf Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungskräfte finden mittlerweile täglich in Deutschland statt, leider. Das nicht nur im großen „Stil“ wie bei Silvesterfeiern oder Demos. Beteiligte sind Rechts- oder Linksextreme, Jugendliche und Erwachsene mit oder ohne Migrationshintergrund, Fußball – Hooligans etc. Die Liste könnte man forstsetzen und neu ist das auch nicht.

Es ist besorgniserregend, dass der Respekt voreinander und gegenüber dem Staat und seinen Organen zusehends korrodiert. Kein Wunder, dass das Vertrauen der friedlichen Bevölkerung in unsere Demokratie und den Rechtsstaat sinkt. Noch ist dieser Rechtssaat kein zahnloser Tiger, zumindest aber einer mit erheblichen Zahnlücken. In erster Linie sind hier Politik und Justiz in der Pflicht. Respektlosigkeit, Gewalt und Aggressivität in einer Gesellschaft betreffen alle. Martin Machowecz´ Forderung, dass die Probleme auch hinter der Haustür angegangen werden müssen, ist richtig, denn dort entstehen sie ja auch oft.

Ansonsten überlässt man den Gewaltbereiten und Verhassten das Feld. Dann muss sich irgendwann niemand mehr wundern, wenn niemand mehr Berufe ergreifen will, die hohes persönliches Engagement und eine gewisse Resilienz verlangen. Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei gehören dazu. – Regina Stock

 

War so etwas nicht absehbar? Doch, bevor jemand eine berufene Antwort geben kann, preschen schon die notorischen Beschwichtiger, Verharmloser, Relativierer vor: mehr Integration! Dabei sollte auch ihnen längst bewusst sein, dass nur eine kleine Minderheit in eine große Mehrheit langfristig, ohne nennenswerten Widerstand der einheimischen Bevölkerung, integriert werden kann. Wer etwa soll sich in einer Klasse mit ausschließlich Immigrantenkindern wohin und warum integrieren? Sie, die „Minderheit“, sind doch die Mehrheit! Doch, es geht ja weiter mit dem Integrationsirrsinn: keine Obergrenze für Asylbewerber, offenbar auch nicht für Völkerwanderer; selbst gerechtfertigte Abschiebung ist in den kurzsichtigen Augen unserer Moralisten eine Menschenrechtsverletzung; und jährlich sollen mehrere hunderttausend Fachkräfte aus aller Welt dazukommen!

Ahnen unsere Volksvertreter in ihrer klimatisierten Reichstagsblase überhaupt, was sie ihrem Wahlvolk damit zumuten, von dem sie Schaden wenden sollen, wenn sie schon seinen Nutzen nicht mehren können? Jeder Abgeordnete sollte verpflichtet sein, in einem Problembezirk zu wohnen, nachdem es diese leider längst gibt! Er dürfte dann keinen realitätsfremden Elfenbeinturmgesetzen mehr zustimmen, nur noch solchen, die der rauhen Wirklichkeit standhalten! Deutschland muss endlich einen Weg finden aus dem Dauerdilemma Moral – Erpressung!

Die Flüchtlinge aus Asien und Afrika müssen in den Staaten aufgenommen werden, die in der Nähe der Fluchtländer liegen, so, wie das für die Ukraineflüchtlinge selbstverständlich ist! Dort benötigen sie keine kostspielige Massenintegration wie bei uns, gleichzeitig können wir den Aufnahmeländern vor Ort viel sinnvoller helfen!

Wenn die Dauereinwanderung allerdings anhält, wenn keine Ausweisungen vorgenommen werden, wenn Immigranten oder ihre Kinder den Repräsentanten unseres Staates auf der Nase herumtanzen, nein, hemmungslos auf ihnen herumtrampeln können, ohne harte Konsequenzen befürchten zu müssen – dann werden die schon jetzt bestehenden Parallelgesellschaften immer größer und gewaltbereiter, bis sie eines Tages, vielleicht zusammen mit den Connewitzer Autonomen und den Görlitzer Jungnazis, unserer schwächelnden deutschen Demokratie endgültig den Garaus machen! – Dr. med. Ulrich Pietsch

 

Mit Interesse habe ich o.g. Artikel gelesen, vieles was Sie schreiben und auch fordern ist sicherlich richtig. Ein zügiges aburteilen der Straftäter, mehr Respekt (oder sagen wir, überhaupt erst einmal ein anständiges Benehmen im Land der Zuflucht) und was auch sonst immer dann verlangt oder gefordert wird. Die regierende Bürgermeisterin und Ex Doktorin z. B. fordert einen Gifel gegen „Jugendgewalt“, dabei waren die allermeisten Täter volljährig. Das Problem exakt ansprechen?

Ausländergewalt..wiederholte Ausländergewalt? Auf keinen Fall! Schließlich weiß die ARD sogar zu berichten, dass die meisten Täter Deutsche waren! Und so dürfen wir gespannt sein, welche Worterfindungen uns im nächsten Jahr oder bei der nächsten Gelegenheit erwarten. „Gruppendynamische Prozesse“ finde ich grandios. Viel abstrakter noch als „internationale Partyszene“ oder „Westasiaten und Nafri“.

Der Rechtsstaat wird nun angerufen… nur, als niemand einen Reisepass brauchte um in dieses rechtsstaatliche Land einzuwandern, da waren genau diese rechtstaatlichen Vorschriften perdu. Ja, da waren sie sogar mehr als lästig! Wie soll jemand angezeigt, ja gar rechtskräftig verurteilt werden, wenn der Staat gar nicht weiß, wer dieser Mensch wirklich ist!? Der Rechtsstaat muss zunächst von denen respektiert und vollumfänglich anerkannt werden, die ihn repräsentieren und nun laut fordern. Wenn dies nicht geschieht, heißt es leider: The same procedure as every year! – Oliver Schmidt

 

Unser aller Staat verdankt seinen bisherigen Erfolg dem Klima des Vertrauens und der daraus resultierenden Kooperation und Produktivität. Die Mehrheit der Migranten kommt dagegen aus weniger erfolgreichen Systemen, in denen der Staat oft als Gegner erlebt wird. Das lässt unsere Gesellschaft leider nicht unberührt. Ein Zuviel an Migration dämpft nachweisbar das Vertrauen in den Staat – auch und gerade auf Seiten der Einheimischen. Für mehr Zvilcourage, wie Herr Machowecz sie abschließend fordert, braucht es daher mehr als einen edel gesinnten Appell. – Dr. Christian Voll

 

„Der Staat darf sich Ausschreitungen nicht gefallen lassen, die Justiz muss die Täter finden und deutlich machen, dass Gesetze für niemanden verhandelbar sind“, schreibt Machowecz zu den Ereignissen der Silvesternacht auf der ersten Seite der ZEIT. Zivilen Ungehorsam, weil jeder Bürger eine Grundsteuererklärung abgeben muss, fordert Bittner auf Seite 11 und in Lützerath wollen Bürger eine Blockade bilden, wird kritiklos auf Seite 7 berichtet. Ich habe mich auch über Stil und Abwicklung der Grundsteuererklärung geärgert, aber deshalb gleich Sand ins Getriebe des Gemeinwesens werfen, der mit Steuerzahlermitteln entfernt werden muss?

Ich habe auch eine Meinung zu Lützerath (völlig sinnbefreiter Protest, um einen längst von der Bevölkerung geräumten Weiler zu „retten“ und die CO2-Bilanz zu verschlechtern, weil andernorts nur mit erheblich höherem Energieaufwand Ersatz geschaffen werden könnte), aber ich bewerfe deshalb Polizisten, die dort Demonstranten schützen, nicht wie im Hambacher Forst geschehen mit Kot. Fazit: Wer nach Belieben zivilen Ungehorsam praktiziert und dafür von Journalisten gefeiert wird, der darf sich über Silvesternächte und AfD-Corona-Demonstrationen nicht beschweren. Oder dürfen nur grün angehauchte Bürgerkinder gegen Gesetze verstossen? – Benno Blessenohl

 

Die Analyse der aktuellen Situation deutschen Gesellschaft im o.g. Artikel ist, recht zutreffend. Auch die Prämisse, dass kein Problem gelöst werden kann, ohne es auszusprechen, stimmt völlig. Leider fällt der Artikel dann hinter seinen Anspruch zurück. Wenn über 50 % der deutschen Demokraten mit dem funktionieren ihrer Demokratie unzufrieden sind, über 70 % denken dass sich die Politik nicht um ihre Interessen kümmert und über 30 % gar der Justiz misstraut, dann helfen Böllerverbote, Bodycams und das Verbot von Schreckschusspistolen nicht. Derlei ist nur der typische hilflose Symbolaktionismus der etablierten Politik á la „wir haben die Sache im Griff“. Hier den Bürger vor seiner eigenen Tür zum Hilfsscheriff zu ernennen greift ebenfalls erkennbar zu kurz.

Tatsächlich steht die Politik bereits bei der Analyse der Ursachen des „unerschrockenen Respektlosigkeitsausbruchs“ auf dem Schlauch, denn es ist gerade die deformierte Parteiendemokratie hier und anderswo mit ihrer ausufernden Klientelpolitik, die dringend reformiert werden müsste. Wenn es gleichgültig ist wen man wählt, weil die Politik sich bestenfalls marginal ändert und ansonsten die Kapitaleigner, Shareholder und Wirtschaftslobbys den Kurs festlegen, dann nützen markige Sprüche nichts.

Was sich ändern müsste wäre der Umfang der wirksamen Bürgerbeteiligung an den konkreten politischen Entscheidungen. Doch hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Denn jede Form der direkten Demokratie bedroht das Geschäftsmodell (Politik gegen Spende, Posten, Vergünstigung, Bimbes, etc) aller Parteien. Wenn der Bürger/In Entscheidungen an sich ziehen könnte wann immer es ihm beliebt und für ihn ungünstige Regelungen aushebeln könnte, dann gehen die Deals zwischen Wirtschaft und Politik oft nicht mehr auf.

Zudem wären es in den repräsentativen Demokratien die Abgeordneten/Parteimitglieder selbst die ihre Geschäftsgrundlage abschaffen müssten. Das kann niemand ernsthaft erwarten. Daher werden Reichsbürger, Gelbwesten, etc. als Spitze des Eisbergs der Unzufriedenheit weiter wirken, die Demokratien weiter destabilisieren bis hin zu breiter Anarchie á la Berlin. Über kurz oder lang erscheint dann jemand auf der politischen Bühne der wieder „Ruhe und Ordnung“ schafft. Einige Vorläufer erleben wir derzeit, die Herren Putin, Trump, Erdogan, Orban, etc. geben nur einen Vorgeschmack. Wen das jetzt an Weimar anno 1933 erinnert, der liegt vermutlich gar nicht so falsch. – Werner Schersach

 

Es waren in Berlin keine Menschen, die das veranstaltet haben(gegen die was zu sagen wäre ja Menschen – und, schlimmer, fremdenfeindlich!), sondern es waren Feuerwerkskörper und Schreckschusspistolen; sogar ein Feuerlöscher war beteiligt. Die gehören verboten, und gegen die sollte unser Staat mit aller Härte vorgehen.-Grüsse aus Absurdistan. – Egon Kaletsch

 

Danke fuer den Artikel Ich wohne 30j schon in Berlin In Berlin findet man kaum Zebrastreifen auf der strasse die sind einfach nicht noetig…autofahrer haben die vorfahrt ueber fussgaenger wo es keine amplel gibt und fussgaenger bleiben zurueck fussgaenger fuehlen sich IM WEG …finde ich und , sowieso es ist besser…..fuer die wirtschaft Am Sylvester abend bleiben mehr als die meisten Berlinern zuhause es ist gefaehrlich auf der strasse wenn jemand unterwges ist und verletzt wird….wegen boellern…..sind sie SELBER SCHULD besser sicher zuhause bleiben und Boellern ist auch gut fuer die wirtschaft …und bringt jobs ! Natuerlich sollen die Polizei und Feuerwher in ruhe gelassen aber beide situationen die ich hier beschrieben habe halte ich fuer eng miteinander verbunden – Brian Agro

 


 

 

Leserbriefe zu „Die Wurschtige“ von Peter Dausend

 

Hätte, hätte Fahrradkette. Herr Dausend, ich schätze ihre Artikel sehr. Doch diesmal muss ich sagen, reagieren Sie wie ein Pathologe. Er weiß alles besser. Warum haben Sie ihren Artikel nicht schon vor 20 oder 30 Jahren geschrieben? Damals war es schon bekannt, dass die Bundeswehr nicht einsatzfähig ist. Im Nachhinein weiß man alles besser. Ministerinnen und Minister werden doch nicht wegen ihres Mutes auf die Position gestellt. Wie konnte eine Person innerhalb von zehn Monaten dieses marode System restaurieren? Frau Lamprecht, man mag für oder gegen sie sein, konnte nicht viel mehr tun, als sie getan hat. Es bedarf ganz anderer Mächte, um dieses verfilzte Beamtentum in die Gänge zu kriegen. – Dr. med. Ellen Legeland

 

Man muss nicht unbedingt in jeden Fettnapf hineintreten, aber ausdrücklich verboten ist das ganze schließlich auch nicht! Nun war mal wieder die Bundesministerin für Verteidigung Christine Lambrecht an der Reihe, aber anscheinend gehören diese „kindischen“ Spielereien zum Konzept der Ampel. Oder ist das ganze nur mal wieder so eine Art Fauxpas, ein Ablenkungsmanöver vom Wesentlichen? Probiers mal mit Gemütlichkeit singt „Bär Balu“ im Dschunglbuch, probiers mal mit (ordentlichen) Regieren, wäre vielleicht auch gar nicht so übel! – Riggi Schwarz

 

Frau Lambrecht hat ganz offenbar einfach keine Lust, Verteidigungsministerin dieses Landes zu sein. Anders kann ich mir diese lieblosen Auftritte nicht erklären. – Michael Ayten

 

Frau Lamprecht, die Bundesministerin der Verteidigung, ist die „Inkarnation“ des Fachkräftemangels. Wenn zweifelsfrei erkennbar war, dass Christine Lamprecht den Posten als Verteidigungsministerin nicht haben wollte, ist es umso unerklärlicher wieso der Bundeskanzler Olaf Scholz partout auf dieser Personalie bestand? Leider merkt man Frau Lamprecht immer wieder diese Lustlosigkeit und das Hadern mit der ganzen Materie an. Ein Beispiel ist das Bundeswehrbeschaffungsamt in Koblenz mit 8.500 Mitarbeiter/innen. Wahrscheinlich ist, dass 850 Mitarbeiter/innen effektiver und zielorientierter arbeiten könnten.

Hier kommt das klassische Peter-Prinzip zum Tragen. Im Kern besagt es, dass in hierarchischen Strukturen jeder so lange befördert wird bis er/sie die Stufe der Unfähigkeit erreicht hat. Frau Ministerin Lambrecht ist das beredte Beispiel. „Hebt an den Dachbalken, Mannschaftsgrade“ und seht die Kommandozentrale, die oberste Dienstherrin und die Offiziere im alten Trott verharren hinter Befehlen verschanzt (J.D. Salinger lässt grüßen). Es lebe der Dienstweg. Bei der derzeitigen Bundeswehr gilt: „Wer Butter haben will muss Milch auf den Dienstweg schicken“.

Entscheidungen, trotz des 100 Millionen Sondervermögens, werden spät, viel zu spät getroffen. Das von den Vorgänger-Regierungen und Verteidigungsministerinnen / Minister bemängelten Prinzips des Kaputtsparens und des falschen Umgangs mit der Ausrüstung und dem Personal der Bundeswehr wird leider gnadenlos fortgesetzt. Dies liegt nicht nur an der uninspirierten und glücklosen, weil fehlbesetzten Ministerin, sondern auch an dem Bild das unsere Soldaten in der öffentlichen Meinung haben. Von wegen „Bürger in Uniform“. Diese „Bürgersoldaten“ müssen ihre warme Winterunterwäsche selbst besorgen.

Dann fehlt die Munition, funktionierende Panzer, von tauglichem fliegendem Gerät ganz zu schweigen. Aber diese Soldaten dürfen unsere Freiheit, bis 2024, auch in Mali verteidigen. Es ist und bleibt unter dieser „Führung“ leider ein militärisches Trauerspiel. Da geraten selbst die Slapstick-Einlagen der Ministerin, wie zuletzt an Sylvester, zu lachhaften Nebenkriegsschauplätzen. Das erinnert echt an Sir Oblong-Fitz-Oblong den kleinen dicken Ritter mit seiner Blechbüchsen-Armee der einen ungerecht herrschenden Baron in die Schranken verwiesen hat.

Von der derzeitigen Besetzung an der Spitze der Bundeswehr ist ähnlich Heldenhaftes (gegenüber Wladimir Putin) nie und nimmer zu erwarten. Eine Neubesetzung im Verteidigungsministerium wäre, auch vor der Hessenwahl mit der Innenministerin Faeser als SPD-Spitzenkandidatin, eine gute Personalentscheidung des Bundeskanzlers. Ansonsten steht letztendlich auch Frau Christine Lambrecht ziemlich blank da. Wer will das schon? – Felix Bicker

 

Die jetzige Verteidigungsministerin und ihre beiden Vorgängerinnen haben dazu beigetragen, dass der BRD nicht mehr vertraut werden kann, einen glaubwürdigen Beitrag zur Verteidigung des eigenen Landes sowie der europäischen und NATO-Partner zu leisten in der Lage ist. Und wovor sollten sich die Russen fürchten? Etwa vor den deutschen Waffensystemen, deren Ausfall Programm ist, oder vor den deutschen Abwehr-und Geheimdiensten, bei denen Spione entdeckt werden, oder vor den deutschen IT-Spezialisten, die russische(?) Hacker-Angriffe nicht abwehren können?!

Wir leben in einer Welt ohne Weltpolizei, ohne Weltgerichtsbarkeit, die Urteile vollstrecken kann. Es gilt also letztlich das Recht des Stärkeren. Wenn wir Deutschen uns schwach zeigen (und es auch sind), welcher verbrecherische Potentat sollte Angst vor unserer Wehrhaftigkeit haben?! Es ist Zeit für die absolute „Zeitenwende“. Und dazu braucht es fähiges, durchsetzungsstarkes politisches Spitzenpersonal! Ach ja, wir könnten uns ja auch weiterhin auf die USA verlassen! Auch unter Trump? – Udo Bauer

 

Ist es Wurschtigkeit, wenn Christine Lambrecht das Amt der Verteidigungsministerin nicht niederlegt? Oder muss man es ihr nicht eher hoch anrechnen, wenn sie bleibt und sich weiter für eine Aufgabe zur Verfügung stellt, bei der jeder andere ähnlich schlecht aussehen würde? Hinzu kommt, dass sie gegen ihre eigene Ambition dieses Amt übernommen hat. Haben nicht auch der Kanzler und das Kanzleramt einen großen Anteil am Scheitern der Verteidigungsministerin?

Ist es nicht geradezu so, dass diese die Profillosigkeit von Christine Lambrecht schon immer nutzen wollten, um das eigene verteidigungs- und außenpolitische Verständnis leichter durchsetzen zu können? Suggeriert die Frage, was ein Kanzler jetzt tun würde, der die von ihm verkündete „Zeitenwende“ ernst nimmt, nicht eine Antwort, die er allerdings aus anderem Kalkül schon immer hatte: Christine Lambrecht bei Bedarf als Bauernopfer zu nutzen, um zu gegebener Zeit vom eigenen Scheitern ablenken zu können? – Reinhard Koine

 

War das Absicht, diese beiden Artikel nebeneinander zu veröffentlichen? Natürlich haben Sie das gründlich überlegt, was anderes ist nicht zu erwarten. Aber haben Sie auch den unfreiwilligen Humor erkannt, der in der Platzierung steckt? Denke nein. Aber beantwortet der Artikel über die Verteidigungsministerin nicht einige Fragen, die Herr Machowecz immanent stellt? Zu seinem Artikel einige Ergänzungen. Gab es nicht vor Jahren das Phänomen der Hooligans? Ging es nicht um junge Leute, die sich am Wochenende „austoben“ wollten, u. a. weil der restliche Bereich des Lebens so überverwaltet ist?

Der Autor beklagt fehlenden Respekt vor dem Staat. Aber leistet der Staat nicht Beihilfe, wenn Ministerposten nach Proporz und nicht nach Kompetenz besetzt werden, unterambitionierte Minister nicht entlassen werden oder andere nicht zur Rechenschaft gezogen werden (Scheuer) oder ein Kanzler unter Gedächtnisverlust leidet (Scholz, CumEx)? Woher kommen die 53,4% Unzufriedenen? Man lese dazu den Bericht von Andreas Urs Sommer über seinen Besuch einer Gemeindeversammlung (Eine Demokratie für das 21. Jahrhundert), da hat man eine weitere Erklärung auf zwei Seiten.

Ein Drittel würde der Justiz mißtrauen: Stand da nicht in der letzten Ausgabe der „Zeit“ ein langer Artikel über einen Richter, der letztlich von der Justiz enttäuscht sich zurückzog? Dausend spricht von „drei Jahrzehnten Kaputtsparen“. Dem ist zu „entgegnen“: Hatte nicht 1962 eine Hamburger Zeitschrift einen Artikel veröffentlicht, in dem es um eine bedingte Abwehrbereitschaft bzw. -fähigkeit ging? Vom Verlagssitz Speersort ist es nicht weit bis zur Waterkant oder zum Fischmarkt. Dazu, um im Bild zu bleiben, die Frage, wo fängt der Fisch an zu stinken? – Dr. Gerd-Rüdiger Erdmann

 

Ich bedanke mich sehr für die beiden Leitartikel und freue mich gleichermaßen über deren absolut zutreffend formulierten Inhalt. Besser hätte man zwei wesentliche Defizite politischen/ staatlichen Handels , wie sie derzeit vorherrschen, nicht beschreiben können. Mangelnde Verantwortung und fehlende Führung sind die ausgemachten Ursachen. Wer sich für seine Sicherheits- und Rettungskräfte verantwortlich fühlt und diese Verantwortung auch lebt, der schafft auch die Umstände/ Rahmenbedingungen in denen deren so wichtige Arbeit erfolgreich sein kann. Z.B. durch Verbote und deren Überwachung oder durch Aufstockung von Personal. Wir als Gesellschaft müssen das absolut wollen.

Und wer diese Verantwortung nicht tragen will, gehört nicht in Führungspositionen. Womit wir beim Verteidigungsministerium wären. Das dieses Ministerium geführt werden muss, ist hinlänglich bekannt. Der Generalinspekteur und die Inspekteure der Teilstreitkräfte benötigen klare Vorgaben für eine in die Zukunft gerichtete Entwicklung der Bundeswehr. Hier sind Versäumnisse der letzten 20 Jahre nachzuholen. Es braucht auch hier den Willen der Gesellschaft um sicherzustellen, das eine massive Unterfinanzierung nicht wieder stattfindet. Vor allem aber braucht es hier eine Führungsfähigkeit der Ministerin von ganz besonderer Güte. Und diese hat man, oder nicht. Erlernen ist nicht möglich.

Primat der Politik, die Erfahrung der militärischen Führung und Interessen der Rüstungsindustrie sind in Einklang zu bringen. Frau Lamprecht wird diesem Anspruch in keiner Weise gerecht. Weder persönlich noch fachlich. Ehrlicherweise ist festzustellen, dass ein Dienen in den Streitkräften, als Vorraussetzung für das Führen des Verteidigungsministeriums, noch nie so richtig erschien, wie jetzt. Und wie soll ein Bundeskanzler, der selbst nicht führt, die Führungsfähigkeit seiner Minister beurteilen können? Objektiv sind uns Verantwortung und Führung komplett abhanden gekommen. Verantwortung ist unteilbar und Führung ist nicht grundsätzlich negativ belegt. – Uwe Horstmann

 

Jawoll! Vollständige Zustimmung zu diesem Seite 1 Kommentar. War schon lange überfällig! – Gregor Paulmann

 

Mein Vorschlag: Frau Lambrecht durch Frau Strack-Zimmermann ersetzen, und damit der Parteienproporz stimmt, Herrn Wissing durch einen SPD-Menschen, der oder die ein Tempolimit einführt und die Verkehrswende vorantreibt, damit wir endlich auf Klimakurs kommen. – Annegret Benz

 

Das Verteidigungsministerium galt schon immer als Schleudersitz und auch Verteidigungsministerin Lamprecht hat keine glückliche Hand für dieses Amt – wie so viele ihrer Vorgänger und Vorgängerinnen. Nur, jetzt tobt mitten in Europa ein fürchterlicher Krieg und Deutschland ist als NATO – Mitgliedsstaat (und im ureigensten Interesse) geforderter denn je.

Die Entscheidungen der Verteidigungsministerin spiegeln das nicht wider, Peter Dausend hat recht, es geht um Leben und Tod. Es ist schon peinlich, dass Deutschland immer erst einen „Tritt in den Hintern“ bekommen muss, um bei der Unterstützung der Ukraine selbst aktiv zu werden. Wie zum Beispiel bei der Lieferung von Marder-Panzern, hier musste Präsident Biden Kanzler Scholz erst auf die Sprünge helfen. Nach Zeitenwende und eigener Kompetenz sieht das nicht gerade aus. Christine Lamprecht ist nicht komplett verantwortlich für die Misere der Bundeswehr und die Behäbigkeit ihres Ministeriums.

Doch „business as usual“ ist nun nicht mehr angezeigt. Eigene Entscheidungsfähigkeit und Initiative sind gefordert, sonst ändert sich nichts. Christine Lamprecht macht nicht gerade den Eindruck, dass sie dazu in der Lage ist. Gipfel der Peinlichkeit ihr überflüssiges und empathieloses Silvestervideo. Die Schlussfrage Peter Dausends in meiner Meinung nach leicht beantwortet. Kanzler Scholz musss die Vereidigungsministerin aus ihrem Amt entlassen und schnellstmöglich eine kompetentere Besetzung für dieses finden. – Regina Stock

 

Lieber eine „wurschtige“ Verteidigungsministerin als eine von der Forführung des Krieges Besessene, die sich mit Leidenschaft für den militärischen Sieg über Russland aussprechen und darauf hinarbeiten würde. Nicht die Leidenschaft für den Ausbau des Militärs führt zu Sicherheit und Frieden, sondern Verhandlungen, Eskalationsvermeidung, Kompromisse, wirtschaftliche Zusammenarbeit. Dass Putin angeblich die Grenzen der alten Sowjetunion mit den Grenzen Russlands gleich setzt, (Peter Dausend) wird auch durch ständige Wiederholung nicht wahrer. Was er anstrebte, war eine gemeinsame Handelszone von Wladiwostok bis Lissabon, die sowohl für Europa wie auch für die östlichen Staaten zum Vorteil gewesen wäre, die aber den USA ein Dorn im Auge war, da sie ihre Vormachtstellung in der Welt gefährdet sahen.

Seit seinem Amtsantritt hat Putin „dem Westen“ die Hand gereicht, daran appelliert, gemeinsam die Probleme der Welt zu lösen anstatt gegeneinander zu arbeiten. Die Rolle der USA bei der Schaffung von Unfrieden sollte in der Öffentlichkeit offen diskutiert werden. Dr. Klaus von Dohnanyis Analysen könnten dabei sehr hilfreich sein, ebenso die von Jeffrey Sachs. Ein kleines Beispiel für das skrupellose Vorgehen der USA ist im “Dossier” der letzten Ausgabe (2) geschildert.

Die USA, die ebenso grausame, völkerrechtswidrige Kriege mit hunderttausenden Opfern geführt haben, werden als „Beschützer“ Europas dargestellt, gegen den „Agressor“ Russland, der Krieg begann, weil er die NATO nicht direkt an seinen Grenzen stehen haben will. Wie hätten wohl die USA im umgekehrten Fall reagiert? Es ist unbestritten, dass Russlands Krieg gegen die Ukraine ein Verbrechen ist, wie alle Kriege, doch der Westen trägt eine Mitverantwortung, mit der NATO-Osterweiterung, dem Ignorieren russischer Sicherheitsinteressen, gebrochenen Verträgen und Versprechen und der antirussischen Berichterstattung seit Jahrzehnten.

( In der westlichen Presse wurden z.B. im Zusammenhang mit dem Minsker Abkommen Russland Dinge vorgeworfen, die es nicht erfüllt hätte, gleichzeitig aber verschwiegen, dass der Schritt, der vorher von der Ukraine zu leisten gewesen wäre, damit Russland überhaupt diesen Schritt hätte tun können, nicht gemacht wurde. Unzählige andere Beispiele ließen sich aufzählen.) Mit noch mehr Waffenlieferungen und Aufrüstung, Deutschland wird bald in der Lage sein, Atombomben abzuwerfen, soll ein Weg des Friedens beschritten werden? Das Gegenteil ist der Fall, die Eskalationsspirale dreht sich weiter bis zur Katastrophe für alle. – Ulrike Nadjafi

 

Volksvertreter sind regelmäßig „Quereinsteiger“, deren politischer Aufgabenbereich kaum mit einer zuvor erworbenen Fachausbildung einhergehen, schon gar nicht in einem exponierten Maße. Insbesondere für die Ausübung eines Ministeramtes braucht es daher deutlich überdurchschnittliche intellektuelle, soziale und emotionale Qualifikationen.

Betreffend Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hingegen ist leider nur eines überdurchschnittlich deutlich geworden: Persistente Untauglichkeit. Das Bundesministerium der Verteidigung bedarf zwingend – nebst Aufwertung seiner Streitkräfte – einer personellen und inhaltlichen Neuausrichtung. Da Bundeskanzler Scholz ebendiese Zeitenwende trotz zahlreicher Fehlleistungen Lambrechts kaum vollziehen wird, stände es der Verteidigungsministerin mittlerweile gut an, mit einer Demission über sich hinauszuwachsen.

Nicht zuletzt um somit einer recht schwachen Bundesregierung, die stellenweise schwerlich über die Importanz eines Schattenkabinetts hinausreicht, neue lichte Kraft auch auf dem internationalen Parkett zu verleihen; eine politisch versierte Vertretung sollte sich ein verantwortungsvolles Deutschland leisten können. Zudem bleibt (ein weiteres Mal) anzunehmen, dass weniger die Eignung als vielmehr die Geschlechterquote manch Ministeramt zugemessen haben dürfte. – Matthias Bartsch

 

Ich habe Ihren Artikel in der Zeit vom 5. Januar gelesen. Ich hätte allerdings etwas mehr Sachlichkeit erwartet. Ohne Zweifel, die Verteidigungsministerin hat Fehler gemacht, die man kritisieren kann. Was mich wundert ist, dass Sie und Ihre Kollegen/ Kolleginnen sich jetzt im Kritisieren überschlagen. Die Zustände im Verteidigungsministerium sowie im Beschaffungswesen sind einerseits das Ergebnis der Mutlosigkeit und der Vernachlässigung durch die CDU/CSU in der Merkel-Ära. Ermöglicht wurde das aber auch durch den fehlenden Mut vieler Journalisten/Journalistinnen, auch von der Zeit, zur deutlichen Kritik an den Zuständen sowie an der Kanzlerin. Ich habe den Eindruck, dass das jetzt mit aller Kraft nachgeholt werden muss, um sich zu beweisen ( man hat es ja schon immer gewusst).

Die Trägheit des Verteidigungsministeriums ist quadratisch zur der der CDU/CSU gewachsen. Einen solchen Apparat baut man nicht innerhalb von einigen Monaten um. Sie kritisieren in Ihrem Artikel, dass immer noch fast alles an Ort und Stelle ist. Das ist normal. Das Auswechseln einzelner Akteuere löst das Problem nicht. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ist ein gutes Beispiel. Man hat sich auch eingeredet, dass mit dem Wechsel von Löw zu Flick alle Probleme gelöst würden.

Es braucht einen Plan zur grundlegenden Reform der Bundeswehr, den Frau Lambrecht jetzt vorgelegt hat. Dieser muss von ausgewiesen Experten/Expertinnen bewertet und begleitet werden, und nicht von denen, die federführend die Probleme verursacht haben. Die Herren Dobrindt, Kiesewetter und andere, die sich jetzt als die große Experten aufspielen, sollten sich in Demut üben und ihre klugen Ratschläge für sich behalten. Das Umsetzen von Reformen, die die Bundeswehr zukunftsfähig machen, benötigt Zeit. Diese Zeit muss man der Verteidigungsministerin geben. Alles andere ist unseriös. Schnelle, undurchdachte Massnahmen schaden mehr als sie nützen. Es wäre schön, wenn Sie diesen Aspekt betrachten würden.

Die Ampelkoalition hat mehrfach Mut bewiesen und Dinge unter sehr komplizierten Bedingungen angepackt. Natürlich werden dabei Fehler gemacht. Wenn die Herren Merz und Söder überzeugt sind, dass sie besser regieren können, dann halte ich das für ein absolutes Gerücht. Seit der deutschen Wiedervereinigung haben das weder CDU noch CSU unter Beweis gestellt. Helmut Kohl hat sich auf seinen Verdiensten bei der Wiedervereinigung ausgeruht und die Probleme ausgesessen. Angela Merkel hat gar nicht erst versucht die Reformen anzupacken, die sie als Oppositionsführerin angemahnt hat. Stattdessen hat sie als Bundesaussenkanzlerin die Welt bereist, um grosse Krisen zu managen. Als Krisenmanagerin war sie bestenfalls unteres Mittelmass.

Etwas ähnliches befürchte ich, wenn der nächste Kanzler Söder oder Merz heisst. Ich gehöre nicht zu den Personen, die nur dann eine Zeitung gut finden, wenn ausschließlich ihre Meinung abgebildet wird. Meinungsvielfalt, auch kontroverse, gehört dazu. Seit dem Ukraine-Krieg ist jedoch, nach meinem Empfinden, dem Qualitätsjounalismus viel Qualität abhanden gekommen. – Klaus Großer

 


 

 

Leserbriefe zu „Afrikas kurze Hoffnung“ von Bastian Berbner

 

Mit Freude und Erstaunen las ich den ausgezeichneten Beitrag von Bastian Berbner über Patrice Lumumba. Glückwunsch! Dennoch, leider wird die Lumumba-Ehrung in Deutschland auf Kakao mit Rum und Sahne reduziert. So ist es jedoch glücklicherweise nicht. Hier ein paar Informationen: Am 16.11.1961 wurde in Leipzig vor dem Herder-Institut eine Lumumba-Büste eingeweiht. Die dortige Straße wurde nach Lumumba benannt. (Das Herder-Institut war jene Hochschule, wo Ausländer die deutsche Sprache erlernten.) Im Zusammenhang mit der Wende wurde in Leipzig die Büste gestohlen. Auf Initiative der Deutsch-Afrikanischen Gesellschaft e.V. (DAFRIG) wurde am 15. Januar 2011 eine neue Büste eingeweiht. Danach wurde der kongolesische Politiker mit einem Kolloquium geehrt. An seinem Todestag legen wir Blumen an seiner Büste ab.

Die DAFRIG unterstützte maßgeblich an der Seite weiterer Engagierter die Errichtung eines Lumumba-Denkmals in Berlin auf dem Garnisonsplatz. Es wurde am 8. Oktober 2013 im Beisein der kongolesischen Botschafterin und von Francois Emery TOLENGA LUMUMBA eingeweiht. Seine Rede wurde auf der Homepage der DAFRIG publiziert. Hinter diesen Aktivitäten stehen viele Menschen und Vereine. Die Kunstwerke schuf die 1895 in Berlin geborene Künstlerin Jenny Mucchi-Wiegman. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die Harald-Breuer-Stiftung und SODI e.V. unterstützten unsere Bemühungen, um auf dieser Weise Lumumba zu ehren. Ihnen allen geht noch heute das Schicksal dieses Politikers zu Herzen. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Homepage www.dafrig.de. – Joachim Oelßner

 

Hat L. bei seiner Rede wirklich von „Europäerinnen und Europäern“ gesprochen oder haben Sie das Zitat verfälschend gegendert? – Dr. G. Reinecke

 

Heiße Schokolade mit Schuss nach einem erschossenen Schwarzen Politiker zu benennen? Wahrlich keine Sternstunde der Menschheit! Im 19. Jahrhundert vielleicht lustig, heute so lala. Let’s move on. Darauf zwei Glühwein und einen „Choco Loco“ bitte. – Julia Jehn

 

Irgendwie, so heißt es sinngemäß in dem ansonsten sehr aufschlussreichen Artikel, habe Lumumba auch auf die Weihnachtsmärkte gefunden. In diesem Teil bleibt der Artikel vage. Schade. Es wäre eine Recherche wert, was da genau passiert ist, um einen Menschen, gefoltert, verprügelt, ermordet, in Batteriesäure aufgelöst, verbrannt, in einen süßen alkoholisierten Kakaotrunk zu verwandeln.

In den 60er Jahren war ich ein Kind, zur Zeit der Ermordung Lumumbas 8 Jahre alt. Ich habe die Witze der damaligen Zeit nicht verstanden, aber nachgeplappert: Was springt von Baum zu Baum und ist grün? Affe im Lodenmantel. Was springt von Baum zu Baum und ist schwarz? Lumumba auf der Flucht. Hahaha! Dies wäre ein erster Ansatz: Rassismus, Menschenverachtung. Gibt es sonst noch ein Getränk, das nach einem ermordeten Menschen benannt ist? Bei Wanderungen durch die niederdeutsche Landschaft wurde witzelnd auf schwarze Rinder gezeigt und gefragt, wie man sie nennt: Lumumba war die Antwort. Hahaha. Eine Rinderrasse Lumumba gibt es nicht.

Nun war dies eine Zeit, in der man auch zur Antwort auf die Frage: Wieviel Juden braucht man für einen Aschenbahn? lachen sollte. Für mich weist das alles auf eine rassistische Vorgeschichte des Lumumba-Kakaogetränks hin, heute allerdings bei den meisten hier ebenso wie Patrice Lumumba vergessen. Ihre Sternstunde ist (nicht der erste) Artikel, der das ändern kann. Vielen Dank dafür. Also: Für eine Recherche zum Leichenkakao wäre ich dankbar, sie könnte viel zur Aufklärung der Geschichte des Rassismus in Deutschland nach 45 beitragen! – Bernd Schütze

 

Als Zeitzeuge wurde uns/mir Lumumba als der schreckliche Afrikaner, der Weiße vertreibt,enteignet (und schlimmer noch) verkauft. In der Presse, wie im TV. Das wurde mir erschreckend bewusst, als ich das Dossier gelesen hatte. Hat es Gruppen in Deutschland gegeben, die für Lumumba und die afrikanischen Befreiungs- Organisationen auf die Straße gegangen sind oder Aufklärung betrieben haben ? Ohne die Belgier belehren zu wollen. Aber wäre durch König, Regierung und Parlament nicht auch eine Genozid Deklaration notwendig und angebracht ? – Hartmut Wagener

 

Vielen Dank an Herrn Berbner für die fantastische Geschichtsstunde, die kurzweilig zu lesen und spannend geschrieben wie ein Krimi ist. Mir stellte sich beim Lesen die Frage, warum mich das an den gegenwärtigen Ukrainekonflickt erinnert. Wieder haben die Amerikaner – wie schon im Kongo, Iran und und und – ihre Finger im Spiel und niemand von den Entscheidungsträgern hat aus der Geschichte gelernt. Kanzler Schröder hatte sich geweigert, den Büttel für die USA zu machen und uns nicht in einen Krieg hineingezogen in dem wir uns jetzt befinden. – Klaus Prinz

 

Ich bin 2 Jaher älter als Francois Lumumba und, obwohl damals auch noch ein Kind, erinnere ich mich noch gut an die beiden Bilder: Patrice Lumumba im dunklen Anzug, lächelnd mit erhobener Hand, und zweitens an das Bild, als Männer ihn misshandeln. Wenn in den letzten 50 Jahren, ganz selten einmal, der Name Lumumba auftauchte, empfand ich immer einen leisen Schmerz. Traurig machen auch die Rolle und die Aktivitäten der USA während dieser Zeit, als der Kongo unabhängig wurde. – Brigitte Faber

 

Das Dossier zu Patrice Lumumba fand ich sehr gut und interessant. Mir fehlte allerdings zumindest eine kurze kritische Einordnung dazu, „dass der Name auch irgendwie seinen Namen auf deutsche Weihnachtsmärkte findet“ – als Kakao mit Schuss. Dass eben diese Bezeichnung so nicht gewählt werden sollte, da sie schlicht rassistisch ist, fehlt hier. – Jan Helrod

 

Als Zeitzeuge wurde uns/mir Lumumba als der schreckliche Afrikaner, der Weiße vertreibt,enteignet (und schlimmer noch) verkauft. In der Presse, wie im TV. Das wurde mir erschreckend bewusst, als ich das Dossier gelesen hatte. Hat es Gruppen in Deutschland gegeben, die für Lumumba und die afrikanischen Befreiungs- Organisationen auf die Straße gegangen sind oder Aufklärung betrieben haben ? Ohne die Belgier belehren zu wollen. Aber wäre durch König, Regierung und Parlament nicht auch eine Genozid Deklaration notwendig und angebracht ? – Hartmut Wagener

 

Als Patrice Lumumba 1960 seine Rede hielt, war dies ein Zeichen der Hoffnung für den Kongo und für ganz Afrika. Ein Akt der Ermächtigung, um sich aus den Fesseln der Unterdrückung zu befreien und einen Schritt in Richtung einer selbstbestimmten Zukunft zu gehen. Aber hätte es nicht auch ein Hoffnungsschimmer für Belgien und mit ihm für alle Völker des sogenannten Westens sein können, sich der eigenen Verstrickungen in eine endlose Kette von Gewalt zu entledigen? Aber zusammen mit Baudoin II blieb er sitzen, verständnislos, sich keiner Schuld bewusst, nur darauf lauernd, seine Position zu bewahren.

Wir alle sitzen mit ihm immer noch in jenem Saal, empfinden weder Demut noch Schuld, sehen weder die Geldströme aus dem Reichtum Afrikas und Lateinamerikas, die unsere Vormacht quasi als Entwicklungshilfe aufgebaut haben, nicht die Blutströme, die aus jeder Ritze unserer Prachtbauten von Lissabon bis Paris, Berlin bis Brüssel quellen. Stattdessen wurde Lumumba in Säure aufgelöst, symbolisch mit ihm unsere Schuld. Mit ein paar restituierten Beninstatuen, einigen entfernten Leopoldstatuen ist es nicht getan, uns unserer Verantwortung zu stellen. Aber sind wir bereit, unsere Geschichte wirklich von Grund auf neu zu denken und unseren Reichtum zu teilen? – Dieter Schöneborn

 

Guter Bericht über die Geschenisse im Kongo,es zeigt die fatalen Folgen der Einmischung die auf dem Kontinent bis heute nachwehen.Der Beispiele mehr wären u.a. Guatemala, Chile usw. – Willie M. Hoffelder

 

Für Ihren Artikel „Afrikas kurze Hoffnung“ bin ich Ihnen sehr dankbar. Zum ersten Mal habe ich klare und umfassende Informationen zu den damaligen Vorgängen um Patrice Lumumba und seine kurze Regierungszeit sowie das Drumherum erfahren. Damals war Lumumba bei uns als Kommunist abgestempelt – jedoch immer auch als aufrichtiger Demokrat zu erkennen. Immer aber war da der Einfluß Amerikas und der europäischen Kolonialmächte, vor allem Belgiens.

1976 war ich im Rahmen einer Expedition zur Erforschung eines Startplatzes für eine „Billigrakete nach Kaiser“ mit einer Gruppe von Abenteurern als Arzt in Katanga, 4 Wochen kampierend auf einer Cattle-Range, einer Ausbildungsfarm für junge Farmer. Diese war geleitet von einem ehemaligen belgischen Oberst, der mit seiner Familie dort auf einer Farm lebte und mit strenger Hand regierte: so mußte jeden Morgen bei einem Appell die Fahne gehißt und gegrüßt werden, die Schüler wurden dann bei der „Morgenandacht“ eingeteilt in ihre Arbeitsbereiche.

Ich erfuhr vieles über die Verhältnisse im Land und die Ausbeutung durch die belgischen Kolonialherren. Gleich beim Eintritt ins Land wurden wir bewirtet von einem deutschen Hotelier in seinem First-Class-Hotel mit französischer Küche in Saus und Braus (u.a.mit Weinbergschnecken), es war alles für die kleine Delegation arrangiert: Weitertransport per Flugzeug zur Cattle-Range als Standort für die weiteren Expeditionen , von dort per Hubschrauber zum geplanten Raketenstartplatz auf einem unbewohnten Hochplateau im Landesinnern, das von einem Geologen und seinem Gehilfen, unseren Hauptpersonen, näher untersucht wurde: ein 3x3x3 m großes Loch, das eigentliche Ziel der ganzen Expedition (!).

Die Umgebung erforschten wir mit 2 kleinen DO 27 Flugzeugen, die zuvor von 2 Piloten über Land (Ägypten, Ost-, Zentralafrika bis zum Tanganjikasee geflogen worden waren. Meine Aufgabe war außer der akuten Krankenversorgung, bei der ich auch die mitgebrachten Ärztemuster an die Einheimischen verteilen konnte, die Erforschung der näheren Umgebung und die Eruierung der medizinischen Umgebung des Startplatzes, so auch des in der Nähe gelegenen Missionshospitales.

Mobutu war zwar der Despot im Land, die wahren Akteure, welche die Bodenschätze abräumten waren aber alles belgische Firmen, z.B.die Firma Gecamines, die den Kupferabbau in Katanga in riesigen Tagebauminen vorantrieb. Der krasse Postkolonialismus war zu erfahren durch Aktionen wie dieser: Mobutus Frau flog im Großraumflugzeug DC10 nach Genf allein zum Großeinkauf!.

Also Ausbeutung der eigenen Landsleute, gegen die Lumumba vorgehen wollte! Davor hatte natürlich der Westen, besonders Belgien im Verein mit den USA Angst, also mußte Lumumba weg und seine Spießgesellen kamen ans Ruder. Wie in ganz Afrika scheiterte die Befreiung vom Kolonialismus an den eigenen korrupten Landsleuten, die trotz Missionsschulen und „Christianisierung“ keinerlei Ethos beigebracht bekommen hatten, die Leidtragenden sind bis heute die einfachen Menschen im Lande. – Dr. Gotthold Hiller

 

Habe gerade Ihren obigen Artikel gelesen. Sehr gut dargestellt. Vielen Dank !!! Der war längst überfällig. Was man hätte auch noch erwähnen können, ist die damalige Einstellung der EU, da ja auch schon existierte. War da jemals etwas über Entschädigungen die Rede ? Wie man weiss stand der Patrice Lumumba unter dem Schutz der UN, und wurde trotzdem mit Unterstützung durch die Belgier, vermutlich die CIA, und evtl. anderer Ausländer ermordet.

Als lokaler stand der Mobuto an erster Stelle der Mörder, danach kamen gleich Tschombe und andere aus Katanga. Sowohl über den Mobutu, wie auch den Tschombe, könnten Sie auch einmal näher eingehen, auch wer deren westlichen Freunde waren, auch persönliche, nicht nur CIA, MI 5 etc. . Diese Story gehört jedoch durch einen längeren Bericht über den Dag Hammarsskjöldt, den Generalsekretär der UN, ergänzt . Diese Person wurde ja im September 1961, also ein gutes Jahr später , zusammen mit 14 weiteren Begleitern, in einem Flugzeug wohl abgeschossen.

Eine weitere Möglichkeit war, dass man seinem Flugzeug keine Nachtlandung ermöglichte,, sodass das Flugzeug aus Mangel an Benzin abstürzte. Es gab anscheinend eine ganze Reihe von UN-sponsored Untersuchungen , aber ohne genaues Ergebnis, vermutlich auch weil einige wichtige Länder wie die USA, das UK, und evtl. andere wenig Interesse hatten, diese Tragödie aufzuklären. Im September 1961 war der Kennedy Präsident der USA. Merkwürdig , dass man nie etwas über diesen Fall erfährt. Aber die PR-Agenturen werden ja gesteuert nicht wahr ? – Rolf Klotzbucher

 


 

 

Leserbriefe zu „Vergangenheit minus Preußen“ von Florian Illies

 

Einen so feuilletonistischen Feuilleton-Artikel habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Danke dafür! Nun bin ich kein Kenner der Szene „Preußischer-Kulturbesitz“, aber bereits der Name deutete für mich immer eine Weltläufigkeit an, die ich mit ihm bereits als junger Mensch verband, obwohl Links aufgewachsen. Preußen war für mich einerseits „der alte Fritz“ und irgendwie Aristokraten, die „kultiviert“ Kriege führten, erstaunt, dass nicht ein Jeder das Leben so sehe, wie sie, sie sich dann aber dennoch zur „Quellenforschung“ gleichermaßen herab begaben in des Pöbels Lebenswelt und so Manches aus einer aristokratisch-konservativen Haltung heraus zum Besseren gestalteten.

Nach kurzem Erstaunen als junger Mensch, dass ich sodann eine „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“ kennenlernen durfte — eine Begegnung, die freilich über die mit dem Namen selbst zunächst kaum hinausging — war ich im Laufe des Lebens immer auch ehrfürchtig vor dieser Stiftung. Sie bildete für mich ab, dass ein konservatives System in der Lage zu sein schien, sich zu reflektieren und aus Reflexion und geistiger Beweglichkeit auch Reform zu bewirken. Zu „zukunftsweisend“ gehört für mich auch ein Ausgangspunkt und ein Weg, der in irgendeiner Weise repräsentiert und erkennbar sein sollte in Innovativem — prinzipienloses Belieben aktuell, ohne Rückbindung, zumindest ohne Weg, auch wenn er am Ende abgeschnitten werden soll, das scheint der Ruf des Tages zu sein allenthalben.

Man sollte sich seiner selbst in der Lage sein und die Möglichkeit haben, zu versichern. Es ist gut, zu wissen, woher man kommt, bevor man wagemutig die Zukunft gestaltet. Allein der Inbegriff im Wortsinne „Stiftung — Preußischer — Kulturbesitz“ hatte für mich stets zukunftsweisendes: Drei Worte, die schon selbst nur zusammenstehen können, weil der Widerspruch ausgehalten wird durch semantisch-rhetorisch repräsentierten Reflexionswillen und -Fähigkeit und Reformkraft; dass ein Geistes-„Regime“, das aus einem konservativem Geisteszuschnitt in der Lage ist, sich selbst von innen heraus zu erneuern — dafür bedarf es kluger, vielleicht unbedingt „neue“ Köpf, aber nicht einen neunen Namen, der in sich bereits aufnimmt, was Frau Roth in Anspruch nimmt, und aus dem sie nur deren Abschaffung denken kann.

Sich selbst abschaffen hieße das (bitte ohne die unsägliche Konnotation an einen bekennten Titel) . Der Namen repräsentiert selbstreformatorische Kraft genug. Nun kommt es auf die Köpfe an, gleichsam auf das Produkt, auf dem das „Etikett“ klebt. Das sollte keine blankgeputze Aluminium-Konserve sein, es scheint, es gibt dort noch Reform-Bedarf in Richtung Zukunft, die sich selbstgewiss zu denken in der Lage ist. – Matthias Krähn

 

Vielen Dank für diese kluge Kritik am jüngsten, überaus törichten Versuch, den politischen Überkorrektheitswahn unserer Zeit zu bedienen! Sie zeigen die Unsinnig- bzw. Widersinnigkeit solcher Ak- tionen ganz klar auf und es bleibt nur zu hoffen, diese Er- kenntnis möge in der von Ihnen so trefflich als seltsam beschriebenen Stadt auf fruchtbaren Boden fallen. – Thomas Goebel

 

Ich kann Ihnen nur zustimmen. Die „Argumente“ der Staatsministerin Roth und des Präsidenten Parzinger sind fadenscheinig. Meidet auch nur ein einziger Kunstinteressierter die Neue Nationalgalerie, weil es ihn/sie stört, dass dieses Haus zur SPK gehört? Macht man, aus dem gleichen Grund, einen Bogen um die Nofretete-Büste oder den Pergamon- Altar? Sicherlich kennen auch Roth und Parzinger die Smithsonian Institution in den USA.

Glauben sie allen Ernstes, dass es irgendjemanden im geringsten interessiert oder gar stört, dass dieser weltweit größte Museumskomplex nach einem britischen Mineralogen des 19. Jahrhunderts benannt ist? Und falls sie schon einmal im Musée d’Orsay in Paris waren – war ihnen dabei bewusst, dass der Namensgeber Orsay ein Oberhaupt der Pariser Binnenschiffer im 18. Jahrhundert war? – Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Heilmann

 

Ihre Kolumne habe ich sehr genossen – bei dem intellektuellen Niveau unserer mit viel Sendungsbewusstsein ausgestatteten Kultusministerin können wir uns noch auf einige Peinlichkeiten bis zum Ende der Legislaturperiode gefasst machen. (unserer Verteidigungsministerin hat auf solches schließlich kein Monopol!) – Dieter Wurm

 

Vielen Dank für diesen in seiner Aussage klaren Artikel. Vorzuwerfen ist Herrn Illies allerdings, dass er als Gentleman einer Dame in Not nicht beispringt. Ich helfe also aus und mache einen Vorschlag, mit dem sicherlich alle gut leben können, weil er die Vorgaben (international, zukunftsweisend (und geschichtsvergessen)) übererfüllt. Ich schlage die Umbenennung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Foundation of Prussian Cultural Heritage (FPCH) vor.

Das ist englisch und somit automatisch international/zukunftsweisend und erinnert ein bisschen (als Geste an unser grosses Nachbarland) an den französischen Luxusartikelkonzern LVMH (Herr Parzinger hatte anderen Ortes ja auch von Marken gesprochen). Herr Parzinger wird CEO und bekommt den britischen Hosenbandorden und das Kreuz der französischen Ehrenlegion. Schliemann-Roth könnte später aus den Scherben eine neue kulturelle Stiftung schaffen.Vorschläge für die Benennung werden erbeten. – Dr. Gerd-Rüdiger Erdmann

 

Die linkspubertäre TonSteineScherben-Weltsicht als kulturpolitische Staatsräson mutet an wie ein deja-vu aus überwundenen Zeiten, als schon einmal eine Vergangenheit ohne Preußen propagiert wurde. Was am Ende nichts anderes bedeutete als Philosophie ohne Kant, Herder und Hamann, Poesie ohne Simon Dach und „Ännchen von Tharau“ sowie manche andere Leerstelle. Vor derartigen Engführungen bei Themen, die „von historisch gewachsenen Vorurteilen und von aus Unkenntnis oder Voreiligkeit resultierenden Ressentiments weitgehend verdeckt“ sind, hat schon damals in der DDR nicht zuletzt der 1965 früh verstorbene Dichter Johannes Bobrowski nachdrücklich gewarnt.

Eine „einfache Propagierung von Ansichten oder Empfehlungen“ könne in solchen Zusammenhängen „nichts ausrichten“, befand er. Die späte DDR hat diese Art von Propaganda wenigstens teilweise überwunden, indem sie Friedrich II. Unter den Linden wieder in den Sattel hob. – Thomas Bickelhaupt

 

Raether und Illies legen trotz ihrer unterschiedlichen thematischen Aufhänger dieselbe scheinheilige Widersprüchlichkeit offen: eine als Disziplin oder gar „Demut“ getarnte widerliche Arroganz. Weitere Beispiele dieser – man ist versucht zu sagen – „typisch deutschen“ oder besser: aktuell wie selten herrschenden Strategie fallen jedem Leser dieser Zeitung sicher zuhauf ein. Plakativ tritt es in der „Letzten Generation“ hervor, die sich als Retter der Welt geriert, aber schon in ihrem Namen ebenjene Selbstbezüglichkeit führt, die dem Gegenüber das „Ich!Ich!Ich!“ der Selbstüberschätzung entgegenruft. Die Begierde, irgendeinen oder möglichst viele moralisch „unter sich“ zu wissen, nimmt in einer Weise überhand, die ins Totalitäre abzugleiten droht. Manche lassen sich eben in ihrer Demut von niemandem überbieten. – Prof. Dr. Carsten Schütz

 

Das Neue Jahr fängt ja unter den besten Voraussetzungen an! Das Feuilleton – eigentlich der kulturelle Teil einer Zeitung – bringt zu Recht eine kleine kritische Notiz über die Umbenennung der Stiftung “Preussischer Kulturbesitz”, die aber überschattet und konterkariert wird von dem ganzseitigen nichtssagenden Interview mit einem zufällig auf der Strasse aufgegabelten Afghanen, der in seinem als “herrlich“ bezeichneten “Meine-Eltern-kommen-nicht-aus-Deutschland-Deutsch” seine erwartbaren Banalitäten absondern darf.

Dazu gibt es noch ein sehr aussagekräftiges Bild. Bis jetzt habe ich Herrn Sarrazin nicht für glaubwürdig gehalten und daher nicht gelesen, aber in der Zwischenzeit beschleicht mich der Verdacht, dass Deutschland vor lauter bornierter “Weltläufigkeit” wirklich dabei ist, sich “abzuschaffen“. PS.: Ich werde von Nummer zu Nummer skeptischer, ob ich noch lange den weiten Weg auf mich nehme, um mir am Wochenende die ZEIT zu beschaffen und mich gleich am Sonntag zu ärgern. Aus Rom: – Prof. Michaela Böhmig

 

Bei aller Hochachtung vor Florian Illies kann ich seine dünnhäutige Reizbarkeit beim Thema Preußen nicht nachvollziehen. Bei der Diskussion über eine Änderung des Namens „Stiftung Preußischer Kulturbesitz geht es doch nicht um eine Optimierung der deutschen Geschichte, sondern um die längst fällige Befreiung der postkolonialen, weltoffenen, restitutionsbereiten deutschen Gegenwart von einer überholten Bezeichnung. Und es geht darum, den Namensgeber des integrierten Humboldtforums, Alexander von Humboldt – der sich viel lieber in Paris als in Berlin aufhielt, obgleich Napoleon ihn als deutschen Spion denunzierte – durch den Preußenbezug nicht in seiner beispiellosen weltbürgerlichen Haltung zu schmälern.

Was die Kritik von Herrn Illies an einer „temporären Überblendung“ der Kuppelinschrift betrifft, so kann ich ihm nur beipflichten. Diesem zusätzlichen Ärgernis bei der Gestaltung der stadtbildprägenden Architekturgroteske des neuen Stadtschlosses kann nur mit einer ersatzlosen Beseitigung abgeholfen werden. – Ludwig Engstler-Barocco

 

Warum stellen wir uns nicht bei der Namensgebung unserer schrecklichen Vergangenheit? Wie wäre eine Umbenennung in „Stiftung Preußischen Kultur-Diebesgutes“? Damit wäre vom Namen her klargestellt,wie Preußen in den Besitz der vielen wertvollen Schätze aus Afrika, Lateinamerika, der Südsee, etc. gekommen ist: Durch Raubmorde und Diebstahl. Und auch vom Pergamon-Altar sind in der heutigen West-Türkei, wo er gebaut worden war, fast nur noch Teile der Grundmauern zu bewundern.

Statt sich darüber zu empören, dass das vermeintlich so glorreiche Preußen beim Namens-Vorschlag von Claudia Roth unter den Tisch fällt, könnte man durch die Namensgebiung eine schonungslose Auseinandersetzung mit der preußischen Vergangenheit anregen. Einen ersten Schritt dahin haben Claudia Roth und Annalena Baerbock Ende 2022 ja bereits durch die Rückgabe geraubter Benin-Bronzen an Nigeria getan. Weiter so! – Gerlinde Heinze

 

Als man vor mehr als 20 Jahren den Versuch unternahm, Berlin und Brandenburg nach Artikel 118a GG zu vereinen, schlug jemand vor, als Namen Preußen zu wählen, weil dieser Name eine MARKE sei. Wohl nur wenige verstehen bis heute den Sinn und die Kraft dieses Vorschlags.

Mit Kontrollratsgesetz Nr. 46 vom 25.2.47 löste US General Lucius D. Clay gegen den Widerstand der UdSSR Preußen auf. Als unmittelbare Folge drohten neben Teilen des Gebiets auch die Kulturschätze Preußens verloren zu gehen, weil der Staat über Nacht verschwand. Nur durch das Konstrukt „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“ konnten große Teile wieder zusammengefügt werden.

Preußen ist untergegangen. Dieser Staat war recht eigentlich mehr eine Idee, die man zu Grabe getragen hat und dessen Grabstein man heute beseitigen möchte. Vermutlich wohl, um die eigenen Unzulänglichkeiten nicht an den preußischen Tugenden messen zu lassen. Andere Staaten, die Preußen als Vorbild nahmen, erfreuen sich bis heute nicht nur an absolut pünktlichen Zügen und Bussen,einem guten Schulsystem und einer zivilisierten Gesellschaft.

Als Preuße in Berlin geboren, eingeschult, als in der 1945 geteilten Stadt beide Seiten noch das gleiche Schicksal teilten, habe ich die Veränderungen der Stadt seither beobachten können und vermag daher Hegels optimistische Auffassung, jede auf Dialektik beruhende Änderung des Zeitgeistes brächte prinzipiell Fortschritt, nicht teilen. Man fragt sich, was wäre unsere Gegenwart minus Preußen? – Ulf Burgmann

 


 

 

Leserbriefe zu „Jetzt muss sich das Blatt wenden“ von Marc Widmann

 

Daseinsvorsorge ist „teuer, teuer, teuer“. Straßen- und Schienenbau sind es, die Gesundheitsversorgung ist es. Klimaschutz war bisher in den Ämtern eine Freiwilligkeitsleistung, hatte keine Lobby. Und wurde in den letzten zehn Jahren von der alten Bundesregierung systematisch boykottiert, wie die Grafiken sehr schön zeigen. Die Industrie war es schon immer gewohnt, Energie relativ günstig zu bekommen – Stichwort Sondertarife.

Der Schrei danach wurde von Verbandsseite bis heute stets mehrstimmig orchestriert (und mit Abwanderung gedroht). Die Aussagen von Vertretern der chemischen Industrie, der Papierindustrie und einem großen süddeutschen Zementhersteller zur Bereitschaft von Abwärmenutzung auf einer Veranstaltung vor ein paar Jahren waren sehr ernüchternd. Die Technik ist nicht das Problem, sondern tatsächlich die zitierte „Gelingenshaltung“. – Berthold Hanfstein

 

Erstmal DANKE für die gute Recherche mit nützlichen Zahlen. Beim Rückblick hätten Sie durchaus schreiben können, dass sich die Wirtschaftsminister nicht erst sein Rösler, Gabriel und Altmaier in großer Abhängigkeit („Energiekonsens“) von den Strommonopolisten befanden, die sich in den 70er Jahren mit ihren Prognosen zu erneuerbaren Energien (einige % ) grausam geirrt hatten und seitdem mit ihrer Lobby die Erneuerbaren mit vielerlei Mitteln sabotieren. Im Ergebnis fahren nun in Schleswig Holstein dieselölgetriebene Nahverkehrszüge vorbei an abgeregelten Windrädern, weil der Netzausbau fehlt.

In Bayern fahren die Züge zwar überwiegend mit Strom und der Netzausbau wäre vorhanden – leider kommt der Strom aber nur sehr teilweise aus dezentralen erneuerbaren Quellen. Zurückgeblieben sind die Advokaten der Kernenergie, die offenbar nicht realisieren, dass man – zu sehen etwa beim Kernkraftblock Okiluoto 3, der immer noch nicht im Dauerbetrieb läuft – für den gleichen Preis das Drei- bis Vierfache an Windkraftnennleistung realisieren kann – in einem Bruchteil der Zeit und dann mit viel geringeren Stromkosten, in die der Rückbau schon eingepreist ist. Und zur Bilanz: wurden nicht in 2022 Mindererträge aus reparaturbedürftigen französischen Kernraftwerken von erneuerbaren Energieträgern ausgeglichen ?

Es kommt hinzu: auch das sicherste Kernkraftwerk kann und darf dann nicht laufen, wenn das Kühlwasser nicht fliesst und das Uran für Brennstäbe nicht kommt ! Warum soll die Grundregel für Kleinanleger am Kapitalmarkt (breit streuen !) nicht auch am Energiemarkt gelten ? Unsere Ökonomen verstehen die dezentrale Energieversorgung mit Erneuerbaren einfach nicht: Mindererträge zu wind- und lichtschwachen Zeiten sind wegen der guten Wetterprognosen überregional gut ausregelbar und dabei kann der Strom gewiss aus rasch hochfahrbaren Gaskraftwerken kommen – mit Gas aus der Reserve, die angeblich genügt, um ganz Deutschland für 100 Tage zu versorgen; da soll es nicht möglich sein die statistisch 1-2 Tage Dunkelflaute im Jahr zu überbrücken ?

Wir brauchen eben NICHT physikalisch sinnlose riesige Batteriespeicher: rein rechnerisch bieten etwa 10 Mio. elektrische Pendler-PKW, die an Wallboxen je 1 kW einspeisen, eine kurzfristige Reserve von 10 GW. Ähnliche Rechnungen gelten für (Solar-)Haushalte mit kleinen Energiespeichern. Wie hoch ist aktuell die Kurzfristreserve ? Sie haben Recht: es muss enorm viel auf einmal passieren. Aber vieles kann dezentral und parallel ablaufen, denn zur Realisierung braucht es keine Grundlagenforschung mehr; es fallen nur noch Entwicklungsaufwände an, und auch nur dort, wo eine technische Realisierung nicht schon vorliegt, die wir sogar exportieren können. – Dr. Dirk Bade

 

Es gab weder in der Regierung Merkel, noch von „Thinktanks“ wie AGORA ENERGIEWENDE einen konkreten Plan, wann was wieviel geschehen muss, um die sukzessive Umstellung auf EE-Stromerzeugung zu schaffen – auch bei drei Tagen hintereinander mit „blödem Wetter“ (wie vom 29.11. – 1.12.2022 genau zusammenhängende 72 Stunden) mit Bewölkung und sehr wenig Wind. DAS hätte wohl die Bevölkerung verunsichert!

Selbst wenn die in der ZEIT benannten Kapazitäten alle bis 2031 bereitstünden, so würde eine wetterbedingte Verfügbarkeit wie Ende November 2022 in drei Tagen rund 1,53 Mrd. kWh EE-Erzeugung (täglich ca. 511 Mill. kWh) erlauben. Der Stromerzeugungsbedarf stiege an diesen drei Tagen auf etwa 5,45 Mrd. kWh: Nicht einmal 30 % davon könnte durch erneuerbare gedeckt werden. Woher kommen die fehlenden 3,9 Mrd. Stromerzeugung?

Dank ausgebauter E-Mobilität, Wärmepumpen etc. steigen bspw. die abendlichen Lastspitzen auf über 100.000 MW (EE-Verfügbarkeit dann maximal um 20.000 MW ± 10 %): Sind nicht mindestens 80.000 MW anderweitig verfügbar, folgt der „Brown- oder gar Black-out“. – Prof. Emeritus Dr. Wolfgang Ströbele

 

Sie haben die Situation sehr treffend beschrieben. Das Habeck-Ministerium lebt offenbar in seiner eigenen Blase und Patrick Graichen verkündet Visionen anstatt Realitäten. Die deutlichen Verteuerungen der WEA, der notwendigen Infrastruktur plus der gestiegenen Finanzierungskosten führen zudem dazu, dass etliche genehmigte Vorhaben wegen der fehlenden Rentablität nicht oder erst bei deutlich erhöhten Höchstwerten für die Ausschreibungen umgesetzt werden. Sehr geehrter Herr Widmann, die von Ihnen veröffentlichten Zahlen entsprechen nicht mehr der Realität. Windräder in der von Ihnen beschriebenen Größenklasse kosten inzwischen ca. 8,5 Mio. € , das wären rd. 77 Mrd. Euro für die 9000 WEA. Die Nabenhöhen bewegen sich um ca. 160 m plus Flügel, ca 80 m, ergibt Mindesthöhen von 240 m. – Hubertus Fehring

 

Die Regierung wiederholt die Fehler der Merkel-Jahre, z.B. ein abrupter Wechsel von Atom- zu Windenergie, ohne die erforderlichen Stromtrassen zu schaffen. Jetzt erfolgt zusätzlich der zeitlich fixierte vollständige Ausstieg aus Kernkraft- und Kohleenergie, ohne die vorhandenen Dunkelflauten (keine Sonne und kein Wind) zu beachten. Der jährliche Stromverbrauch beträgt in Deutschland rd. 540.000 Gigawatt (GW). Sämtliche vorhandenen Pumpspeicherwerke haben eine Speicherkapazität von rd. 40 GW.

Es ist keine ausreichende Energiespeicherkapazität vorhanden, um in der geplanten Übergangszeit bis 2035 eine durchgehende Stromversorgung zu gewährleisten. Auch die Stromversorgung aus Nachbarländern verhindert nicht, dass es im Netz zu sogenannten kontrollierten Lastabwürfen – im Klartext: Stromabschaltungen für stromintensive Industrie – kommt. Dies geschah im Jahr 2018 bei noch vorhandenen Atom- und Kohlekraftwerken in insgesamt 78 Fällen. Diese Stromabschaltungen bis zum Total-Blackout werden zunehmen. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz bewertet die Wahrscheinlichkeit, dass in Deutschland eine durch einen Stromausfall verursachte Katastrophe eintritt, höher als jede andere Gefahr. – Wolfgang Griepernau

 

Es ist mir ein Rätsel, wie bei all den Energiepolitikbremsen in Bund und Ländern und deren Untätigkeit in den letzten 10 Jahren das deutsche phlegmatische Faultier zur Rennmaus werden soll. – H. Giller

 

Dank an den Autor für die schöne Zusammenfassung der Krise, in der sich nicht nur die Energiewende befindet, sondern davon abgeleitet die Krise, in der sich große Teile der energieintensiven Industrie in Deutschland in Kürze befinden werden. Wenn der Autor ein reitender Bote mit dieser Untergangsbotschaft wäre, hätte man ihn geköpft. Sinnbildlich für unsere Regierung sind zwei der berühmten drei Affen: Nichts Hören, nichts sehen, aber viel sagen.

Vielleicht hätte sich die Regierung auch ein Vorbild am dritten Affen machen sollen: Der hält wenigstens die Klappe und blubbert nicht heiße Luft. Ich bin manchmal fassungslos über die Blauäugigkeit und die Dogmatik insbesondere bei Rot-Grün. Wir marschieren sehendes Auges in die Katastrophe und rufen dabei noch „Hurra“. – Bernd Riegsinger

 

Ganz lustig finde ich ja, dass Wirtschaftsminister von CDU, FDP und SPD nicht in der Lage waren, die viel beschworene Energiewende anzukurbeln. Nur der grüne Minister hat es geschafft, den Import von umweltschädlichem Flüssiggas in kurzer Zeit gewaltig zu steigern. Die Forderung nach mehr Beamtenstellen zu Beschleunigung der Energiewende ist wohl nur als Witz zu verstehen: mehr Beamte bedeutet mehr Bürokratie bedeutet mehr Blockaden. – Peter Pielmeier

 

Endlich ein fundierter, gut recherchierter Artikel zum Stand und den Aussichten der Energiewende. Was ich immer wieder und auch hier vermisse sind Wirtschaftlichkeitsrechnungen für grünen Wasserstoff und grünes Ammoniak, die im Ausland z. B. Norwegen produziert, verflüssigt (Gas), umgeschlagen, transportiert, wieder umgeschlagen wieder zu Gas verdampft und noch einmal transportiert werden (ein Pipelinetransport wäre wahrscheinlich auch nicht günstiger). Über den Bau ausreichender Elektrolysekapazität und die damit verbundenen Investitionen müsste man auch noch reden.

Das Fraunhofer Institut hat in einer Machbarkeitsstudie einmal geschrieben: „Für die Bewältigung dieser Herkulesaufgabe (Energiewende) müssten alle an EINEM Strang ziehen!“ Meine Frage: Glauben Sie daran, wo wir nicht einmal eine Stromtrasse ins feindliche Ausland, nach Bayer, hinkriegen? Ich befürchte, die Aussichten sind auch für 2050 nicht CO2-frei. – Sven Herfurth

 

Ein bisschen weniger von Hans Werners Unsinn wäre der Qualität des Artikels zuträglich gewesen. Warum zitieren Sie überhaupt solche personifizierten Fossilien, die noch immer nicht erkannt haben, dass nach dem Fossil- ein Solarzeitalter folgen muss?

Immerhin schreiben Sie sehr zutreffend, dass die Wirtschaftsminister aller Merkel-Kabinette, übrigens angefangen mit den Herren Glos und Guttenberg, nie etwas anderes im Sinn hatten als die Energiewende abzuwürgen. Aber warum geben Sie die charmante Lüge der Fossilanhänger wieder, dass der Ausbau der Erneuerbaren wegen des befürchteten Strompreisanstiegs ausgebremst worden sei? Der Anstieg der EEG-Umlage, die übrigens keine Subvention gewesen ist, bis der Staat ihre Finanzierung übernahm, ist von der Politik ganz gezielt herbeigeführt worden, um die Erneuerbaren zu diskreditieren und dann einen Grund zu haben, den Ausbau zum Stillstand zu bringen.

Die Idee für den kontinuierlichen Anstieg der EEG-Umlage ist den Hirnen der Minister Guttenberg (Wirtschaft) und Gabriel (Umwelt) im ersten Kabinett Merkel-Kabinett entsprungen, also noch vor Merkels Energiewende-Entscheidung. Die beiden haben eine Marktaufspaltung ausgeklüngelt und Festpreise für die Fossilen sowie Börsenpreise für die Erneuerbaren entwickelt. Das ganze nannten sie fein bürokratisch „Verordnung zur Weiterentwicklung des bundesweiten Ausgleichsmechanismus“ vom 17.07.2009.

Damit hatte es das atomar-fossile Betreiberkartell in der Hand, durch Hochfahren der Stromproduktion die Preise für Regenerativstrom an der Börse in bis dahin unbekannte Tiefen zu drücken, denn klar war eines: je tiefer der Börsenstrompreis fiel, desto höher stieg die EEG-Umlage. Die Sonne konnte scheinen, wie sie wollte, der Wind konnte blasen, wie er wollte – die Braunkohlekraftwerke wurden immer mit 80 – 90 % der Kapazität gefahren. Und so konnte die bei einem Cent dümpelnde EEG-Umlage in wenigen Jahren auf 3, 5 und 7,5 Cent hochgejubelt werden, zumal Gabriel – einige Jahre später als Wirtschaftsminister – es nicht versäumte, so viele Industriebetriebe von der EEG-Umlage zu befreien, dass auch dies zu einem weiteren Anstieg der Verbraucherpreise führte.

Es ging den Herren vom Brüderle bis Altmeier also nicht darum, die Verbraucherpreise zu deckeln, sondern zumindest das Geschäftsmodell des alten Stromkartells durch Diskreditierung der Erneuerbaren möglichst lange zu konservieren und, wenn es günstig für sie lief, das EEG einzukassieren. Beinahe wäre es ihnen vor 10 Jahren sogar gelungen, als die von Hans Werner Sinn und der DIHK flankierte Kampagne der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) den Bürgern zu suggerieren suchte, der Industriestandort Deutschland werde kollabieren, weil Deutschland exportunfähig würde!

Zugegeben, das jetzige Ausbauprogramm der Bundesregierung für die Erneuerbaren ist sportlich, und darüber, ob es wirklich klug war, jetzt die letzten AKW vom Netz gehen zu lassen kann man streiten. Aber die von Ihnen gestellte Frage „Kann das klappen?“ lässt sich eindeutig beantworten: JA!! – Friedrich Hagemann

 


 

 

Leserbriefe zu „Addio, Papa Ratzinger!“ von Evelyn Finger

 

Erst zum Public Viewing*) zu Benedikt nach Rom oder erst zu Pele nach Santos? Man will doch schließlich überall mit an vorderster Front dabei sein, wenn sich schon die Prominenz fast gleichzeitig verabschieden muss. Gutes Timing sieht irgendwie komplett anders aus. „Krieg und (ewiger) Frieden“ sind und bleiben doch die beiden beherrschenden Themen unserer Zeit. *) Public Viewing“ steht im Amerikanischen für die öffentliche Aufbahrung eines Leichnams, wenn etwa eine prominente Persönlichkeit gestorben ist; in Deutschland sieht man das seltsamerweise etwas anders! – Klaus P. Jaworek

 

Joseph Ratzinger erwarb sich den Ruf ein bedeutender Theologe zu sein. Ungeachtet des Eindrucks, der erstarrten Hierarchie der katholischen Kirche noch näher gestanden zu haben als sein Vorgänger Johannes Paul. Seine 1959 bei der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität gehaltene Antrittsvorlesung trug den Titel „Der Gott der Gläubigen und der Gott der Philosophen“. Er war damals 32 Jahre alt und dem Anschein nach auf dem Höhepunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit. Interessant und wichtig sein Versuch, Gott nicht nur vom Glauben her aufzunehmen, sondern ihn auch philosophisch zu verstehen.

Später, als er in der Hierarchie der Kirche wegen seines Ranges als theologischer Denker unaufhaltsam aufstieg musste er sich, wohl zu seinem Leidwesen, mehr um die Außendarstellung der Institution katholische Kirche kümmern als sich weiter im intellektuellen Spannungsfeld zwischen Glauben und Verstand zu bewegen. Als Oberhaupt der katholischen Glaubenskongregation unter Papst Johannes Paul war er verantwortlich für die Kontrolle über die Glaubens- und Sittenlehre der Kirche. Die Arbeit der Behörde unter Ratzinger an der Spitze hat dem Ansehen der katholischen Kirche im Rückblick schweren Schaden zugefügt da selbst bis dahin überzeugte Gläubige gravierende Eingriffe in ihr Privatleben nicht mehr akzeptierten.

Da standen weniger christlichen Glaubensinhalte im Mittelpunkt, als vielmehr der dogmatisch oder gar ideologisch verengter Blick einer Kirche, die ihre Macht über die Gläubigen missbrauchte. Paul Johannes und seinen getreuer Kardinal Ratzinger gingen in der für die Amtskirche typischen Arroganz davon aus, dass das Wort der Kirche zu Gehorsam und Unterwerfung verpflichtet. Damit entfernte sich die Kirche -nicht erst in jüngster Zeit- immer mehr von den Wahrheiten des christlichen Glaubens. Inzwischen ist nach den ungezählten Fällen des sexuellen Missbrauchs durch Geistliche an Minderjährigen die Kluft zwischen Kirche und Glaube unüberwindbar geworden.

Auch hier, wie Evelyn Finger aufzeigt, trifft den früheren Bischof und Kardinal Ratzinger eine Mitschuld, wie der Versuch vieler katholischer Würdenträger, Verbrechen zu vertuschen oder Täter nur in andere Gemeinden abzuschieben. Damit zeigte sich der verstorbene Papst Benedikt auch nur als fehlbarer Mensch, der Diener einer fehlbaren Institution namens katholischer Kirche war und deren Fortbestand ohne eine tiefgreifende Reform immer unwahrscheinlicher wird. – Klaus Reisdorf

 

So gegensätzlich, wie einige Katholiken glauben, sind Benedikt und sein Nachfolger gar nicht. Bei „Benedetto“ habe ich mich anfänglich ein wenig blenden lassen, das passiert mir bei Franziskus jetzt nicht noch einmal. Wenn man nämlich genau hinhört, ist letzterer nur unwesentlich weniger reaktionär als der gerade Verstorbene. Vielleicht legt er etwas weniger Wert auf unnötigen Popanz. (Hat etymologisch wohl nichts mit den „Popen“ zu tun. Kommt anscheinend aus dem Tschechischen und heißt dort soviel wie „Vogelscheuche“.) Der Argentinier hat das „Good pope, bad pope“-Spiel genauso gut drauf wie der Deutsche. Immer gut, wenn für jeden Geschmack, von erzkonservativ bis progressiv-modern, etwas dabei ist.

Die Übertragung der Totenmesse hat mich merkwürdig unberührt hinterlassen. Der Tod Rosi Mittermaiers hat mich mehr mitgenommen. Für mich war Benedikt schon spätestens mit seiner „Regensburger Vorlesung“ (ähnlich missglückt vom Ton und dem Redeanlass her, weniger eigentlich vom Inhalt, wie die Jenninger-Rede) tot, und zwar nicht aus den Gründen, die hinterher größtenteils die mediale Runde machten, sondern weil ich als jemand, der die Aufklärung schätzt, das Primat der Theologie über die Wissenschaft, das Benedikt postulierte, nicht anerkenne. Seltsamerweise war das so gut wie nirgends Thema. Die einzigen Ausnahmen waren ein Vorwort des Chefredakteurs von „Spektrum der Wissenschaft“ zum damaligen Zeitpunkt und aktuell gab es einen Religionsexperten bei „Tag für Tag“ im DLF, der das ebenfalls ansprach. Ansonsten stürzten sich alle Medien, mit ziemlicher Verspätung, auf die angeblich islamfeindlichen Zitate.

In Wahrheit war das eher eine orthodoxiefreundliche Rede. Mit der Orthodoxie war sich Benedikt ja weitgehend einig in der Ablehnung des Protestantismus. Unter den „Islamgelehrten“, die die Rede positiv aufnahmen, befand sich übrigens der „moderate“ iranische Staatsterrorist Khatami, aber man kann sich ja gegen solche „Freunde“ nicht wehren, das will ich Benedikt nicht ankreiden. In der Ablehnung von Homosexualität waren sich diese befreundeten Ausrichtungen der Theologie aber ebenfalls einig und das Frauenbild war auch sehr ähnlich.

Ich kann mit Menschen leben, die glauben wollen, so tolerant bin ich, muss jeder selber wissen, ist ja schließlich ein freies Land, aber ich sehe nicht ein, dass man dem Glauben / der Theologie vor der Vernunft / der Wissenschaft den Vorrang einräumen soll! Und diese ständigen Verrenkungen, angeblich Glaube und Vernunft zu vereinen, was Benedikt versucht hat, halte ich für sinnlos.

Dass dieser Antiaufklärer, Antilaizist, Gegner der Moderne sich relativ früh aus dieser achso „verdorbenen“ Welt zurückgezogen hat, wie er es von seiner Kirche immer wieder gefordert hat, ohne natürlich konsequenterweise dann auch auf die milliardenschwere Alimentierung durch ebendiesen modernen pluralistischen, mal mehr, mal weniger laizistischen Staat (je nachdem, um welchen Staat es sich konkret handelt) zu verzichten, bleibt sein größtes Verdienst.

Mal sehen, wie lange die katholische Kirche diesmal braucht, einen weiteren Ideologen heiligzusprechen … Das „subito“ in „santo subito“ heißt ja normalerweise mindestens mehrere Jahre. Über Augustinus, eines von Benedikts theologisch-ideologischen Vorbildern, mit seiner negativ-verkrümmten Sexualmoral und Weltsicht habe ich mich ja kürzlich schon ausgelassen. Die Zeiten der naiven Kinderfrömmigkeit (man kann auch wie James Stewarts Filmfigur an den Hasen Harvey glauben, wenn man „nie allein“ sein möchte; Gott mal wieder als Lückenbüßer, da krieg ich immer wieder die Krise; genauso wenn Leute meinen, zu den 8 Mrd. Weltbevölkerung noch mehr beitragen zu müssen, nur weil sie nicht wissen, was sie mit ihrem Leben ansonsten anfangen sollen;

Kinder als Sinnloch-Stopfer, es widert mich an; man kann natürlich auch wie ein bekloppter tschechischer Multimillionär mit über 400 km/h über die Autobahn brettern, um sich Jesus näher zu fühlen und seine Botschaft zu verbreiten, da muss Herr Farkas auf S. 54 gar nicht erst nach einem „Sinn“ suchen, weil es keinen gibt, höchstens einen Irrsinn; die Hälfte der Welt ein einziges Irrenhaus, aber die Hölle sind immer die Anderen), was wahrscheinlich der Ausgangspunkt von Benedikts Glauben war, und der kritiklosen Kirchenverehrung sind hoffentlich endgültig vorbei.

Mal sehen, was über sein Pontifikat, insbesondere den Rückzug ins Private, noch herauskommt … Wieviele Jahrhunderte müssen wir jetzt nochmal warten, bis die Archive geöffnet werden? Olaf Scholz bezeichnete Benedikt als „streitbare Persönlichkeit“. Ist das die diplomatische Umschreibung für „umstritten“? – Thomas Manthey

 

….“Hätte er im Geist des Konzils um meinen Dienst für eine ernsthafte Kurienreform gebeten, hätte ich ihm bestimmt das Vertrauen nicht verweigert. Aber das aus dem Mittelalter stammende absolutistische römische System, das er in Übereinstimmung mit dem harten Kern der Kurie offensichtlich nicht aufgeben wollte, verdiente und verdient solches Vertrauen nicht“ (Hans Küng: was Ich glaube, 5.Auflage 2009, S.39). Diese Wiedergabe eines Gesprächs zwischen Küng und Papst Paul VI. gilt bis heute und in besonderer Weise betr. das Pontifikat von Joseph Ratzinger.

Es sei daran erinnert: u.A. wegen seiner Kritik am Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubensfragen (!) (aus dem Jahre 1870), der Kritik an der Lehre der „unbefleckten Empfängnis“ von Maria, der Kritik an dem bis heute geltenden Ausschluss aller Frauen von jeglichen sakralen Ämtern etc. ist Hans Küng am 15.12.1979 die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen worden. An der absolutistischen Verfassung der Kirche, gerade auch „durchgehalten“ von Papst Benedikt Ratzinger hält die Kurie bis heute fest! (vgl. die weitgehend fruchtlosen Bemühungen des „synodalen Weges“ in Deutschland). Der Schwund der Mitglieder, den gerade auch Joseph Ratzinger mit zu verantworten hat, ist leider nur zu verständlich! – Dr. Thomas Budde

 

Adio, Papa Ratzinger! (Glauben und Zweifeln S. 48) Liebe ZEIT! Muss es denn Italienisch sein, wenn man es nicht kann? – Alfons Raith

 

Zwei Seiten ZEIT unter dem Titel „Adio, Papa, Ratzinger“ haben das Fass meiner Geduld endgültig zum Überlaufen gebracht. Als katholischer Seelsorger und langjähriger treuer ZEIT-leser wundere ich mich seit langem, wie in der Rubrik Glauben und Zweifeln die katholische Kirche unter Evelyn Finger unter einer zunehmend konservativen und romfixierten Perspektive dargestellt wird. Warum wird zum wiederholten Mal einem Kardinal Müller die Plattform dafür geboten, alles, was nicht in seinem Sinn ist als unkatholisch niederzumachen? Warum kommt neben Müller und Kasper als Vertretern der Amtskirche nicht zugleich einem Vertreter von „Wir sind Kirche“ oder anderen kritischen Katholiken zu Wort?

Konkret im Blick auf Josef Ratzinger: Warum wird kein Wort darüber verloren, wie er in den 90er-Jahren als Machtpolitiker im Amt als Leiter der Glaubenskongregation und später als Papst systematisch die Öffnung der Kirche im II. Vatikanischen Konzil ausgebremst und vieles rückgängig gemacht hat? Warum kein Wort, dass er Bischöfe wie Jacque Gaillot, hochrangige Theologen wie Hans Küng oder Leonardo Boff und Mystiker wie Willigis Jäger kaltgestellt und an den Rand der Kirche gedrängt hat? Warum nur vorsichtig angedeutet, dass er nicht nur als Bischof von München, sondern sehr wohl auch in seinen Ämtern in Rom über den Skandal des Missbrauchs so vieler Menschen durch Kleriker der kath. Kirche von Anfang an gewusst hat, aber für ihn nie die Opfer, sondern immer die Kirche und die Täter im Vordergrund standen?

Als 2005 Josef Ratzinger zum Papst gewählt wurde, kommentierte dies damals eine eher konservative Frau in Stuttgart mit den Worten „Selbst diesen Papst wird die Kirche überleben.“ Das wird sie, doch bin ich mir angesichts der aktuellen Entwicklungen nicht sicher, ob dies auch für die Kirchen der „christlichen Abendlandes“ gilt. Josef Ratzinger ist für diesen Niedergang mit seinem konservativen und auf Machterhalt fixierten Kurs mitverantwortlich. Ein „Papa“ war er sicherlich nie, sondern ein rückwärts gewandter Vertreter kirchlichen Patriarchats. Ich hoffe, dass ihm im Angesicht Gottes, auf den er sich immer berufen hat und in dessen Namen er zu agieren meinte, manches in einem ganz anderen Licht aufleuchten wird. – Reinhold Walter

 

Ich bin regelmäßiger (in Rom geborener) Leser der Zeit und bin von der außerordentlichen journalistischen Qualität dieser Zeitung nie enttäuscht worden. Mir sind nämlich bei der Lektüre des Artikels „Adio, Papa Ratzinger“ von Stefan Schirmer einige Patzer aufgefallen. Es fängt bei der in italienisch verfassten Überschrift an, die groß auf der Seite gedruckt wurde. Es heißt nämlich nicht „Adio“, sondern „Addio“.

Leider blieb es nicht dabei. Es wird beispielsweise behauptet, dass die Römer Papst Benedikt, „liebevoll“ „Papa Ratzinger“ nennen würden. Dabei verstehe ich nicht ganz, was daran liebevoll sein soll. Mir scheint nämlich die Nennung des Amtes (Papa) und des Namens (Ratzinger) mehr eine neutrale Ansprache als eine wertende. Ich kann mir vorstellen, dass dieser Fehler auf einem Missverständnis beruht. Das italienische Wort „Papa“ bedeutet nämlich auf Deutsch Papst und nicht Papa (Vater). Die italienische Übersetzung dafür wäre„Papà“. Kurz darauf ist auch noch zu lesen, dass im Vatikan Joseph Ratzinger „Papa emerito“ gennant wird. Auch hier verstehe ich nicht, warum er nur im Vtaikan so gennant werden sollte. Beim Lesen italienischer Zeitungen stößt man oft auf diesen Ausdruck. Außerdem wird in Deutschland Papst Benedikt XVI nicht selten auch Papst emeritus gennant.

Ein weiterer Fehler ist ein inhaltlicher. Es wird nämlich von Herrn Schirmer beschrieben, dass „[…] Hunderte Sanpietrini […], die Ordner des Petersdom, in ihren besten Uniformen dafür [sorgen], das kein Besucher die Totenruhe stört.[…]“. Ich musste diesen Satz mehrfach lesen, damit ich verstand, dass der Journalist nicht etwa die Sanpietrini meint, sondern wahrscheinlich die Schweizer Garde. Sanpietrini sind nämlich die typischen römischen Pflastersteine. Meistens tragen sie keine Uniformen und sogen auch nicht für die Totenruhe. Ich werde in Zukunft natürlich trotzdem die Zeit lesen und auf Ihre Qualität vertrauen. – Raoul Maria Luffarelli

 

Zum Titel: „Papa Ratzinger“: Dieser Titel ist eine Provokation für alle, die auch heute noch mit Bibeltexten vertraut sind, wie diesem: „Ihr sollt niemand Vater nennen auf Erden, denn einer ist euer Vater, der im Himmel ist, und ihr sollt keinen heilig nennen, denn Gott allein ist heilig!“ (Matth. 23/9) Zum Untertitel: Wieso ist die Flucht aus der Krise, anstatt sie zu lösen, ein Zeichen von Mut?

Ja, wie wurde er denn beerdigt, und welcher unglaublicher Aberglaube bestimmte das? Motiv: ganz, ganz sicher verwahrt in gleich drei Särgen, Holz und Metall, um so fortan zu verhindern, dass der Leichnam gestohlen werden könnte, und die Diebe behaupten, der Verstorbene sei auferstanden? Tja, aber vielleicht sollte so sichergestellt werden, dass eben dies tatsächlich geschieht, jetzt, da man ihn endlich los ist? Wofür sonst brauchte man diese supersichere „Peters“kirche? Außerhalb des Vatikans gibt es „Christus“- „Heilands“-, „Erlöser“-, „Gnaden-„Kirchen (meist evangl.). Aber was ist schon dieser obdachlose Straßenprediger gegen einen, der diesen eh nur unter Eid dreimal verleugnet hat?! Was hätte wohl Gräfin Dönhoff zu diesen ausufernden Berichten über den Super-Oberkatholiken in der ZEIT sagen? Haben wir wirklich keine anderen Sorgen?

Interessant auch die internationale Reaktion zu diesem im Grunde völlig unwichtigen Ereignis: Rundfunk- und TV-Sender verpflichteten offensichtlich ihre SprecherInnen, sich bis nach der Beisetzung schwarz zu kleiden! Und die gehorchten! Geht’s noch? Staatsoberhäupter (in einer Publikation „Trauernde“ – wirklich?) aus aller Welt kamen (pflichtschuldig?) nach Rom. Bis auf einen: Hut ab vor dem. österr. BP Alexander van der Bellen, der sich dem Spektakel verweigerte – „gehört sich“ hin oder her! Tja: Und siehe da, die Weltgeschichte geht weiter ganz ohne diesen „historischen“ Il-Papa! – Christine Preyer

 


 

 

Leserbriefe zu „DA WILL ICH HIN!“ von Michael Allmaier et al.

 

Nr. 21, Madeira: Tja, Frau Dießelkämper, dass was Sie da von Madeira preisgeben ist für mich
vom Inhalt so aussagekräftig wie ein leeres Glas „Poncha“ und in Teilen diskriminierend, was eine gewisse Altersgruppe von Menschen angeht. Anscheinend haben Sie die Poolanlage vom Hotel kaum verlassen und wenn überhaupt – auf den Nachbar-Archipel, der mit der Vielfalt Madeiras wohl kaum etwas gemein hat.

Versuchen Sie doch mal die reichhaltige Natur auf der Insel einmal zu Fuß zu entdecken – Wanderschuhe und wettergerechte Kleidung vorausgesetzt. Besuchen Sie mal die kleinen, einheimischen Lokale und Snackbars, um auch einmal, mit meist freundlichen Einheimischen in Kontakt zu kommen oder um (echte) lokale Speisen zu probieren. Was treibt Sie eigentlich zu ihrem negativen Schlusssatz nach ihrer „sanften Regung“, der Markthalle (es gibt nur eine, Mercado dos Lavradores) einen Besuch abzustatten?

Ich selbst gehöre zu besagter Ruhestandsgruppe , die am späten Nachmittag – ausgeglichen – von einer Levada-Wanderung zurückkehrt. Um vielleicht noch das eine oder andere frische Gemüse oder Fisch vom Tage in der Markthalle zu erstehen. Wer sich hier länger aufhält, weiß, das Edelfrüchte hier, wie bei uns auch – sehr hochpreisig gehandelt werden. Regionales ist entsprechend günstiger. Vielleicht lassen Sie sich beim nächsten Besuch der Insel einmal mehr auf die Natur, Menschen und Leben auf der Insel ein – wahrlich besser, als ein Handtuch auszulegen, abzuhängen und von dem zu träumen, was ich vorgehend beschrieben habe. – Bernhard Gorholt

 

„Man reist ja nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen“, dieser Meinung war ein gewisser Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), ein ziemlich bekannter deutscher Dichter, der auch noch Beamter war! Nun gibt es wahrlich mehr als genügend Reiseziele auf der Welt; 52 davon haben uns die Redakteurinnen und Redakteure von ZEIT und ZEIT ONLINE verraten. Bei genau einer Handvoll plus einem Finger noch zusätzlich, als kleines Extra, da würde ich den/die Reisenden sogar begleiten wollen.

Ins Salzkammergut mit Peter Kümmel, nach Osttirol ins Almfamilyhotel Scherer in Obertilliach mit Anne Hähnig, an den Hallstättersee in die Therme bei Bad Ischl mit Elke Michel, an die Schlei mit Andrea Böhm, weiter nach Kiel an die Ostsee mit Stefan Schmitt und auch eine Kleinigkeit weiter entfernt auf den guten alten Mond mit Patrick Schwarz! Und noch ein Goethe: „Willst du immer weiter schweifen? Sieh das Gute liegt so nah. Lerne nur das Glück zu ergreifen, denn das Glück ist immer da.“ – Klaus P. Jaworek

 

Meine liebe Frau Iris Radisch, so langsam werden Sie mir unheimlich. Das unser „Gemeinsames“ meine ich. Dieses fand ich zunächst und sehr häufig schon in ihren Artikeln und Kritiken. Und ich nickte dazu immer dann gefällig mit dem Kopf. Dann kam letztes Jahr der Sehnsuchtsort namens „Amrum“. Ooooh nur da….Und jetzt, jetzt gleich zu Beginn des Jahres noch Italien und dort auch Siena und Amalfi. Das liebe Frau Radisch aber ist mehr jetzt fast zu viel. Zu viel Gemeinsames. Wo bleiben denn da die, unsere, Reibungspunkte?

Vielleicht fänden wir die hier bei mir an meinem Lieblingsort direkt an der französischen Grenze namens „SUDELFELS“. Da gibt es die römisch, keltische Quellgöttin Sirona und ich bringe noch meinen Liebling den Herrn Montaigne mit. Und ab geht es…. Und selbst der Obersudler Markus Söder in Bayern würde erblassen…falls er uns denn hörte und vor allem verstände. Also ich lade Sie ein. Ansonsten und wenn nicht machen Sie bitte weiter so wie bisher. Es bereitet mir (und wie ich weiß vielen Anderen) Freude. Nur nach Lucca müssen Sie auch noch… – Theo P. Pitzer

 

Sehr verehrte, liebe Frau Iris Radisch – muss Ihnen schreiben! Schon schläfrig schlug ich blätternd die Seite „Da will ich hin!“ auf. Unter 12 fiel mir Italien auf. Lese hellwach werdend … denke „Iris Radisch!“ Und tatsächlich: sie hat´s geschrieben – was meine Frau und ich schon lange wissen. Vorschlag aus eigener Erfahrung (allerdings schon 1984): Von der Villa Scacciapensieri (dieser Name!!) fußwandernd in die Stadt Siena. Es gibt die Str. del Paradiso. Mit Auto und Zeit entlang der Küstenstraße Liguriens über Diano Marina und weiter über Aix-en-Provence nach Lourmarin, um Albert Camus zu besuchen… – Dr. med. Klaus Sprenger

 

Vielen Dank für Ihre Reiseberichte in: Da will ich hin! Vom 7.1.2023. Also wenn Sie mich fragen,… hat die Zeit Ihre Seele schon längst an den Kommerz verkauft. Nicht unser Wohlergehen liegt ihr am Herzen, sondern der Umsatz der „Zeit Leserreisen“.

Dieser Artikel führt uns auf die falsche Spur, denn er verleitet zum Fliegen und das ist der schnellste und ungerechteste Antreiber der Klimakatastrophe. Ein jeder weis das aber trotzdem veröffentlichen Sie einen Artikel der in Millionen Leser*innen ein Gefühl auslöst von: „Das will ich unbedingt noch schnell machen bevor mir die blöden Wissenschaftler, Bedenkenträger, Aktivisten und Politiker den Spaß auch noch verderben!“ Sie reden damit einem gedankenlosen Luxus für Reiche das Wort, der auch noch vom Staat durch großzügige Steuergeschenke gefördert wird und die Klimakatastrophe extrem beschleunigt!

Wie lange wollen Sie das noch machen? Wie lange wollen Sie bei Ihren Leser*innen den letzten Gletscher bzw. die letzte Paradiese anpreisen und damit genau den Massentourismus befeuern, der unwiederbringlich unsere Kinder in den immer größer werdenden Abgrund der Klimakatastrophe stößt? Ihre Verantwortung: Ich lese seit meiner Kindheit die Zeit. Sie stand für mich immer für das Gute, Richtige, die Gesellschaft in eine humane Richtung Weisende. Jetzt steht sie im hinteren Drittel und bremst eher, als dass sie hilft, die Zukunft meiner Kinder zu verbessern. Der Kern der Marke „Die Zeit“ geht verloren und damit geht auch (für mich) ihr Wert verloren.

Wenn das Einordnen, Versachlichen und Lösungswege diskutieren unpassend lange und unnötig kontroversen passiert obwohl die Wissenschaft schon längst viel weiter ist und das auch noch mit die Klimakatastrophe anheizende Artikeln, Werbung und Aktionen des Verlages garniert wird, führt die Zeit sich selbst und unsere Kinder an der Nase herum. Sie macht dann Journalisten zu bloßen Dienern eines unzeitgemäßen, rückständigen, die Zukunft unserer Kinder verratenden Kommerz. Die Zeit gräbt sich damit selbst zu Grabe, bzw. buchstäblich unter die Fluten des steigenden Meeresspiegels. Ich erwarte da mehr vom Verlag! Wir und unsere Kinder haben eine, in diesem Punkt bessere, Zeit verdient. – Klaus Siersch

 

Habe gerade interessiert den Artikel: Da will ich hin “ gelesen. Alles schöne Ziele, mir ist dabei aber auch durch den Kopf gegangen: wie soll das klappen mit den Kilmazielen? Alle wollen ständig irgendwo hin. Fast alle Ziele setzen Flüge, auch weite Flüge voraus oder lange Autofahrten. Von Zug war kaum die Rede. Wahrscheinlich tun meine beiden nachbarlichen ,älteren Junggesellen in der Rhön mehr fürs Klima als die meisten anderen. Sie verreisen nie, fahren mit dem Fahrrad auf die Schafweide und ziehen ihr Gemüse im Hausgarten. – Margitta Köhler

 

Der arme Bruno Latour. Vom Himmel herab wird er die Kondensstreifen sehen, die die Redakteurinnen und Redakteure der ZEIT auf den Wegen zu ihren Urlaubszielen hinter sich lassen. Dabei hatte er bis kurz vor seinem Tod noch vom Entstehen eines ökologischen Bewusstseins geträumt. Immerhin nannte Patrik Schwarz zum Spaß den Mond als Reiseziel. Falls es damit nicht klappt, könnte er das Memorandum „Zur Entstehung einer ökologischen Klasse“ von Bruno Latour und Nikolaj Schulz, edition suhrkamp 2022, für DIE ZEIT journalistisch aufbereiten.

Sonst verpatzen die Kolleginnen und Kollegen noch die Versetzung in die ökologische Klasse. P.S.: Über eine ausführliche Erläuterung der Gedanken von Bruno Latour würde ich mich freuen. Ich habe das Memorandum gelesen, bin aber als Laie in der soziologischen Terminologie nicht sicher, ob ich die Autoren richtig verstanden habe. Vielleicht würde auch ein Interview mit dem Co-Autor für ZEIT-Leser interessant. – Hermann Pütter

 

Nizza, Mexiko, Vietnam und Madeira in Ehren. Nur was können diese Sehnsuchtsorte bieten im Vergleich zu dem Baggersee in Karlsfeld bei München! Ein herzliches Dankeschön an Mark Spörrle für diese „einfach“ großartige Inspiration. Ich habe mir im August gleich eine Woche dafür geblockt… – Vincent Konrad

 

Frau Christine Lemke-Matwey verspürt für 2023 Reisesehnsüchte nach einer Klettertour über die Delagokante auf gleichnamigen Turm der Violetgruppe im Rosengartengebiet der Südtiroler Dolomiten. Ach, wie gut kann ich das nachfühlen: Zwei Mal habe ich nun diese so spektakuläre Klettertour gemacht: Das erste Mal im September 1963 mit einer Studentengruppe, nun als 87 jährige Ruheständlerin mit sehnsüchtig-wachen Erinnerungen an das damalige Bergerlebnis. Mit alten Dias vom Klettern über die ausgesetzte Delagokante, dem Gipfelfoto der auf schmalem Raum zusammengedrängten, glückstrahlenden Seilschaft, dem von Alpenglühen überstrahlten Ausklang in der am Fuß der Violettürme gelegenen Gartlhütte war alles wieder gewärtig. Für die Bescherung solch unverhofft nachhaltiger Zweitbesteigung dankt mit herzlichem „Berg Heil“ für die nun angehende Bezwingerin des Delagoturms: – Hella Stolle

 


 

 

Leserbriefe zu „Zwischen Fundis und Realos“ von Paul Middelhoff

 

Die FDP ist also zum Problembär der Ampelkoalition geworden, meint der Autor. Die Liberalen verhinderten echten (!) Klimaschutz und die Einführung einer lange überfälligen (?) Erbschaftssteuer. Außerdem widerspreche eine längere Nutzung der Kernenergie jeder technischen (!) Vernunft. Und durch diese Irrtümer blockiere die FDP ständig das Fortkommen der Koalition. Und das erkläre die schlechten Umfrageergebnisse der Partei. Das ist mir zu billig.

Echter Klimaschutz würde nämlich – unter Beibehaltung der Technologieoffenheit – CO2 Emissionen der Industrie und Verbraucher stetig weiter verteuern bzw. verknappen. Ein Wunsch der FDP. Die Erbschaftssteuer müsste – durch höhere Steuersätze und höhere Freibeträge – dringend reformiert werden. Ein Wunsch der FDP. Die Kernenergie könnte – frei von Ideologie – für eine gewisse Zeit bis zur Einführung von Wasserstoff als Energiespeicher genutzt werden, um die fossilen Energieträger früher als geplant abzuschalten und damit die Umweltziele zu erreichen. Ein Vorschlag der FDP. Mir erscheint das alles vernünftig. Herr Middelhoff verkennt meines Erachtens, wie so viele junge, rot-grün bebrillte Journalisten, den Mehrwert der FDP als Korrektiv der Koalition. – Peter Breuninger

 

Die FDP hat bei der Bundestagswahl vor allem von der Schwäche der CDU und ihrem Kanzlerkandidaten profitiert. Die folgenden Landtagswahlen haben ihr Kernpotential aufgedeckt und sie in die Nähe der 5 % gebracht. Viele “ Wechselwähler“ hatten die Fronten gewechselt aus Verdruss über das schwache Auftreten der Partei. Unverständlich für viele, in einer existentiellen Energiekrise die AKWs vom Netz zu nehmen und den Schalmeientönen der Grünen zu folgen. Auch die Reibungen in der Ampel wegen der Waffenlieferungen, des Bürgergeldes oder der Migrationsfrage hat sie nicht für sich genutzt.

Und die Fiskalpolitik mit Schattenhaushalten war auch nicht imagefördernd. So fragen sich mittlerweile viele nach der programmatischen Substanz der Liberalen, die als Korrektiv in der Ampel angetreten waren. Die große Zahl der Nichtwähler ( in NRW 45 % ), lässt vermuten, dass es eine verbreitete Politikverdrossenheit gibt, für die sich bisher kein Ventil geöffnet hat. Das kann sich aber ändern, wie die letzten Wahlen in Europa beweisen, wo Rechtsformationen im Vormarsch sind. In Deutschland historisch geächtet, aber wie lange noch? Ob das ein Reservoir für die Partei sein könnte? – Christoph Schönberger

 

Wenn die FDP in Ihrem „Feindbild“ die Grünen und die SPD als Ideologen im Visier hat, sollte sie nicht vergessen, dass der Liberalismus selber eine Ideologie ist, die die größtmögliche Freiheit des Einzelnen über die Gemeinschaft und den Staat stellt. In ihrem Programm setzt die FDP bei der Frage, wie der Klimawandel gestoppt werden kann, allein auf technischen Innovationen. Den Bürgern verlangt sie nichts ab. Die dürfen weiter im Porsche rasen und nach Bali in Urlaub fliegen. Das aber ist kurzsichtig und wird nicht reichen.

Verzicht und Askese, wie die Ökobewegung gerne fordert, werden kaum erfolgreich sein, sondern eher ein kluger Hedonismus, wie der Bonner Philosoph Markus Gabriel, vorschlägt. Statt umweltzerstörende Produkte und Dienstleistungen zu wählen, wäre der Konsum von Erzeugnissen, die mehr Genuss versprechen, ein guter Weg , z.B. ein Buch lesen anstatt eine minderwertige TV-Serie zu streamen. Wenn vergetarisches Essen besser schmeckt als die Currywurst aus der Massentierhaltung, wäre schon viel gewonnen. – Stefan Kaisers

 

Die hier geprobte Aufspaltung der FDP in Fundis und Realos: diese These scheint mir zu weit hergeholt, dazu gefährlich und politisch unklug. Sogar als Nichtwähler dieser Partei, stelllt sich dem unbefangenen Leser doch unwillkürlich die Frage nach dem politischen Instinkt und dem hier zugrundeliegenden Demokratieverständnis.

Ein Nebeneinander unterschiedlicher Meinungen im fortgesetzten Streben nach wirtschaftlicher, aber auch politischer Vernunft sollte nicht einfach so abgetan werden, sondern verdient doch eher mehr Anerkennung. Vor allem für die kämpferische Suche nach dem richtigen Weg zum Wohle aller. Wer sagt denn, dass nur der deutsche (Atom-)Sonderweg die Richtung kennt, wenn gleichzeitig wie es heute scheint ganz viele Länder auf unserem Globus erkannt haben, dass die Menschheit die Energiewende ohne die Hilfe der CO2-freien Atomkraft wohl kaum rechtzeitig wird bewältigen können. Allemal innerhalb der bedenklich knappen Zeitspanne, die noch bleibt.

Darüberhinaus stellt sich die Frage nach Solidarität, auch und vor allem zu unseren Nachbarländern. Zugegebermaßen fällt hierbei die Abwägung des jeweiligen Gefahrenpotentials nicht leicht, ist aber unumgänglich und bei unverstellter Sichtweise doch wiederum mit Blick aufs Ganze verantwortungsvoll lösbar. Ganz sicher.

Ein sozialpolitischer Nebeneffekt liegt in dem pekuniären Potential einer temporären Weiternutzung vorhandener Resourssen von insgesamt sechs reaktivierbaren und alles in allem deutlich umweltverträglicheren Kraftwerken als z. B. Kohle und Gas; ohne dabei die erneuerbaren Energieen aus den Augen zu verlieren. Großen Teilen des aufgrund der aktuellen Energiekrise wirschaftlich bedrohten gewerblichen Mittelstandes könnte quasi kollateral wirkungsvoll geholfen werden. Selbstredend auch all den privaten Haushalten, denen ein bezahlbarer Strompreis kurzfristig sehr willkommen in Aussicht gestellt werden könnte.

Bei einer weniger beengten Sichtweise ließe sich also die gar nicht immer so kleine „mitregierende Kleinpartei“ auch viel positiver als ein Fels in der Brandung im hoffentlich nicht nachlassenden demokratischem Streben nach wirtschaftlicher, aber auch sozial-politischer Vernunft zwecks mehr Sicherheit und Erhalt des Wohlstendes darstellen. – Gerhard Otte

 

Über den Fundis und den Realos machen Sie, Chris the Lindner, als den „Liberealo“ aus. Gar nicht so schlecht. Zumal sich dieser Liberealo ja gerade dieser Tage den Coup leistet, zu sagen, dass es seine Privatsache ist, wenn er eine fulminante Werberede für die BBBank hält, die bereits mit 2,5 Millionen EURO im Grundbuch seines Privathauses steht und er round about vier Wochen nach seinem Werbefilm nochmal EURO 450.000,00 Privatkredit von denen erhält. davon braucht, nach Lindner s Meinung, auch niemand in „seinem“ Finanzministerium wissen. Schließ´lich ist das ja privat. Wie einst Farnz Beckenbauer führt er hier den Liberopart aus.

Eigentlich spielt er abe r mehr den Ausputzer, den Willy Schulz, eingefleischte Fans nennen ihn bis heute nur „World-Cup-Willy“. Jetzt haben wir also einen „World-Cup-Christian“ ind dieser Position. Und da wird er einiges zu tun haben. Egal ob nun am Ende eine s zähen Ringens die parlemantarische Immunität des Abgeordneten Christian Lindner im Bundestag aufgehoben wird oder nicht Denn das ist ja auch nur pro forma und gutes Stück Rechtsstaatskultur. Aber dann in elend langen Instanzen wird der Liberealo darauf pochen, was privat ist, das geht niemanden etwas an.

Reinholf Maier, der Alte aus dem Remstal, der frühere FDP-Chef, würde nach zwei Vierteln von dem guten Roten zur Feder greifen und seinem Nachfolger im FDP-Amt schreiben: “ Lieber Christian, Deine Dreikönigsrede hier bei uns in Stuttgart war gut. Aber schon da hatte ich hier in meinem himmlischen Austragstüberl gehört, dass da gegen Dich was im Busch ist. Die Häuser in Berlin sind ja inzwischen schon fast so teuer wie hier in Stuttgart. Also, ich habe in meinem langen politischen Leben immer den Rat meiner Großmutter befolgt:

„Junge, wenn Du Geld brauchst, dann arbeite hart. Wenn Du mehr brauchst, als das was Du mit deiner Arbeit nicht verdienen kannsr, dann geh ncht zur Bank und leih Dir das. Einmal verdient die nur an Dir. Und dann. Am Sonntag beim Kirchgang. Die Leut reden über dich. Eine Bank ist ein öffentliches Geheimes. Zum Schluß bist du im Gerede. Nichts ist Schlimmer“. – Dr. Detlef Rilling

 

Paul Middelhoff schreibt „Das 49-EuroTicket …. ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Digitalisierung des Landes.“ Ich schlage noch weitere Schritte zur Digitalisierung das Landes vor: Verbot von Böllern, Abschaltung von Kraftwerken, Anschaltung von Kraftwerken, mehr (oder weniger) Musikunterricht … Vielleicht wollte Herr Middelhoff aber auch nur durch die Blume sagen, was er von der Intelligenz der FDP Realos in Berlin (oder der anderen Worthülsen produzierenden Politiker) hält :-)

Dazu passt auch der Artikel über die Grundsteuer (Seite 11), die ja digital abgegeben werden soll: Das 49 Euro Ticket wird der Bürger:in die persönliche Abgabe erleichtern! Das mit dem Musikunterricht könnte sogar stimmen: Estland, das Land mit den meisten und besten Chören ist seit vielen Jahren musterhaft „digitalisiert“. – Frieder Monninger

 

Aus dem Satz „Damals wurde per Los entschieden, wer in der Bundestagsabstimmung seinem Gewissen folgen durfte und wer der Riegerung zu folgen hatte“ werde ich nicht schlau. Heißt das, manche Grünen, die eigentlich für den Einsatz stimmen wollten, bekamen dann ein Los zugeteilt, auf dem stand „Du darfst nach deinem Gewissen entscheiden“, und hätten dann aus Solidarität mit anderen (die dagegen stimmen wollten, aber ein anderes Losergebnis hatten), wider eigene Überzeugung dagegen stimmen können? Wer hat die Los-Aktion entschieden, die Partei oder die Fraktion? Gab es dagegen keine Vorbehalte? Wie genau funktionierte sie?

Gehört habe ich von dem Ganzen noch nie (und ich war Ende der Neunzigerjahre Ende 20 und habe die Nachrichten durchaus aufmerksam verfolgt), und auf Anhieb finde ich im Netz mit Stichworten wie „per Los“ oder „ausgelost“ in Kombination mit Stichworten wie „Kosovo-Einsatz“, „Abstimmung“ und „Grüne“ keinerlei Hinweise darauf, dass es so etwas gab. Wäre für Aufklärung dankbar. – Corinna Friesen

 


 

 

Leserbriefe zu „«tiehierF»“ von Harro Rauterberg

 

Wissen, was getan werden muss! Die Gewalt entsetzt uns, Fassungslosigkeit macht sich breit und eine Erklärung fällt uns fast nicht ein, weil es so etwas noch nicht gegeben hat. Das mag sein, trotzdem sollten wir uns besinnen auf das, was wir wissen, was wir gelernt und durch Forschung belegt haben. Greifen wir zurück auf die Aggressionstheorien und fürchten nicht, Psychologie und Soziologie zu bemühen. Nur weil der Autor psychologisiert heißt es doch nicht, dass aus dem Täter ein Opfer wird, dem man alles durchgehen lässt. Und wenn man erkennt, dass Täter oft einen Migrationshintergrund haben, ist man noch kein Rassist o.ä.

Diese Gewalt ist ein Angriff auf die Vernunft, die Solidargemeinschaft und Ausdruck von fehlender Erkenntnis, sprich Erziehung, Bildung und somit sträfliche Dummheit. Die „blinden“ Täter sehen noch nicht einmal, wo der Feind steht. Ueberschäumende Emotionalität tut ein Übriges. Woher kommt dieses Verhalten? Folge falschen Lernens, z.B. durch Beobachtung, z.B. in den Medien (alles nicht neu)! Man muss nicht allein Netflix kritisieren, schon das alltägliche TV-Programm ist häufig eine Zumutung und einfach nicht geeignet, friedliche Modelle zu zeigen. „Der Film ist falsch und schlecht!“ Und schließlich sind die Eltern, Familien, Subkulturen in den Blick zu nehmen. Die Freiheit als Folge und Voraussetzung von Aufklärung und friedlichem Zusammenleben kann nicht selbst zum Opfer werden. Also! – Holger Köhler

 

Wenn Hanno Rautenberg schreibt, dass „die Autobahnlobby den Fechenheimer Wald roden will“ und nicht erwähnt, dass dies von demokratisch gewählten Gremien beschlossen wird, macht er mit an der Erosion der Grundlagen unserer Demokratie und unterstützt den Gefühlsfrost, den er anprangert und der zum Bespucken der Sanitäter führte und führt! – Alois Lienhard

 

Da räsoniert Ihr Autor aus seiner Schreibzelle heraus über ein Phänomen, das er besser draußen vor Ort hätte studieren sollen. Um die Silvester-Schlägereien und Angriffe auf Polizei und Helfer zu erklären, wirft er alle die einschlägigen woken Themen in seinen Erklärungstopf, es ginge um Tempolimit, Gendersprache, Veggie-Day, Virus, Klima usw. Und es handele sich um immerzu Bedrängte, Überlastete, hilflos Vereinsamte. Und es seien Ersatzhandlungen von Einzelnen, ungeplant, unorganisiert. Schonmal was von WhatsApp gehört?

Ging es den einsamen, hilflosen jungen Männern um Gendern oder Veggie am Kölner Hauptbahnhof damals oder jetzt in Neukölln? Weich ein ahnungsloser Engel meldet sich da zu Wort! Einen so absurden Artikel habe ich seit Jahrzehnten nicht in der ZEIT gelesen. Thema verfehlt, und ein weiterer Beitrag zur allgemeinen Empörungskultur, der wir ja eigentlich die Luft ablassen wollen. Aber hier fällts schwer. – Dr. Günter Kirchhain

 

Im Artikel werden in inakzeptabler Weise Veggie Days und Tempolimits mit Angriffen auf die Repräsentanten unseres Staates vermischt. Nicht SUV-Fahrer greifen Feuerwehleute an oder Kreuzfahrturlauber, meist zu alt dazu, Rettungswagenbesatzungen. Die Angreifer kommen, so stellt es sich nach bisherigem Kenntnisstand dar, aus der Ecke der Frustrierten und Entmutigten; unter anderen derer die hierher gekommen sind und feststellen müssen, dass sie hier bis auf weiteres chancenlos sind und keine Perspektive haben und um die welche von den Wummsen und Rettungsmillliarden gefühlt nichts abbekommen aber täglich weiter von überbordender Regulierung und Kontrolle durch Dokumentation ihre Freiheit bedroht sehen.

Zuerst wehren sich die die wenig zu verlieren haben. Wenn aber die bisher schweigende Mehrheit, in der es gärt und brodelt, den Kipppunkt überschreitet wird es gefährlich, denn dann fliegen keine Böller sondern extremistisches Gedankengut wird sich schnell Bahn brechen und zu unkontrollierbaren Resultaten führen. Und es geht um Respekt. Eine der Sekundärtugenden die in manchen Millieus belächelt und als gestrig abgetan wird. Hier wurde in den letzten Jahrzehnten systematisch erodiert im hehren Anspruch der Gleichberechtigung und last not least der Freiheit. Die Trümmer davon fallen jetzt auf die Straße. – Hans-Jörg Lindner

 

Dank für die vertiefenden Betrachtungen von Hanno Rautenberg! Im Englischen ist „Freedom“ (deutsch: „Freiheit“) nur ein gesellschaftliches und auch individuelles Einzelproblem von Menschen innerhalb der großen, historischen Rahmenbedingungen, die sich in der Regel im Westen unter dem großen Dach von der großen und deshalb auch übergeordneten „Liberty“ befinden – von der Magna Carta über die Französische Revolutin bis zu unserem Grundgesetz.

Diese Unterscheidung und auch Rangordnung gibt es ja in der englischen Sprache schon lange. Die deutsche Sprache hinkt da hinterher. Deutsche Begriffe und Umschreibungen von „Freiheit“ wie „Selbstverwirklichung“, „Freiheit von Zwängen“, der Kampf gegen jegliche „Bevormundung“ und „gesellschaftliche Scheuklappen und Vorurteile“ oder (einmalig in der ganzen zivilisierten Welt:) die sogenannte „freie Fahrt für freie Menschen“ des ADAC und der FDP drücken diese „kleine Freiheit“ im Deutschen wie üblich umständlich, wortreich und schwammig aus.

Objektiv betrachtet kann „Liberty“ nur in jahrhundertelangen, historischen Kämpfen und Revolutionen erlangt werden, dagegen kann man „Freedom“ erst richtig „genießen“ (oder deutsch gesagt: egoistisch ausleben) wenn man es sich auf den Errungenschaften der staatlich und gesellschaftlich erreichten und allgemein anerkannten „Liberty“ (zum Beispiel das Grundgesetz) gemütlich machen kann und darf, wie eben auch letztlich die Böller-Idioten von Silvester.

Leider tun das einige „Freiheitsbesoffene“ bei uns im Westen dann aber auch unter grober Mißachtung des alten und ewig gültigen Grundsatzes des „kategorischen Imperativs“ von unserem weisen Immanuel Kant aus Königsberg in Ostpreußen: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“

Mir schweben da gleich gewisse „Typen“ vor: vor allem Querdenker, deutsche Hippies in Indien, Impfgegner, Schulverweigerer, Reichsbürger, Silvester-Böllerer und selbstverliebte Prahler*innen in Talkshows, aber auch gedankenlose Haschischbefürworter, aggressive Fußballfans und (natürlich) die Raser auf deutschen Autobahnen.

Völlig überraschend erreicht mich nun Anfang 2023 die Nachricht, dass das schöne, aber viel zu allgemeine Begriff „Freiheit“ noch weit vor dem komischen Witzwort „Doppelwumms“ (von Kanzler Scholz) auf den ersten Rang der „schlimmsten Phrasen“ des Jahres 2022 gesetzt worden ist! An dritter bis fünfter Stelle schafften das: „Klimakleber“, „Sozialtourismus“ und „technologieoffen“. Das hat das „Netzprojekt Floskelwolke“ entschieden, wie in der seriösen Nachrichtenagentur dpa mitgeteilt wird. Herzlichen Dank, Floskelwolke! … Und auch Dank für die vertiefenden Betrachtungen für Hanno Rautenberg. – Erhard Brüchert

 

Eine brillante, tiefgründige und schonungslose Analyse über die Ursachen der Eskalationen in der Silvesternacht 2022/23: dass alles mit allem zusammenhängt und deshalb die Bekämpfung dieser Exzesse so langwierig wie komplex ist und uns ALLE angeht! Der Kern seiner Argumente besticht: eine falsch verstandene Freiheit (und damit zusammenhängend die Unfähigkeit, Verantwortung zu übernehmen), das Ohnmachtsgefühl einer sich verraten und betrogen geglaubten Jugend aus Allein-, und Zurückgelassenen, Unverstandenen, am Rand der Gesellschaft Lebenden; tiefes Misstrauen gegenüber den gesellschaftlich Verantwortlichen aus Establishment, Politik, Wirtschaft und Bildung, welches sich entlädt an jenen Personen, die uniformtragend als vermeintlich „staatstragend“ gelten.

Dies ist ausdrücklich keine Ent-schuldigung der Täter sondern der Versuch einer Ursachenerforschung seitens Hanno Rauterbergs! Die von der Politik geforderte Strafumsetzung ist ein sofortiges Muss und eine Akutmaßnahme, aber keine Lösung des Problems. Jeder einzelne ist aufgerufen, an einer Heilung dieser kranken Gesellschaft mitzuarbeiten, denn wir tragen alle Verantwortung für eine Gesundung unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens.

Eine nachhaltig gelingende Erziehung beginnt im Elternhaus und hat viel mit Vorbild und mit Respekt zu tun; der Staat muss unterstützend die Infrastruktur und Logistik bereitstellen für ausreichendes und gut bezahltes Personal in Kitas, Schulen, Universitäten, Kunst-, und sonstigen Bildungseinrichtungen, Kranken-, und Pflegeeinrichtungen, bei Polizei und Bürgerämtern. Aber in unserer schizoiden, zutiefst widersprüchlichen Welt tun seit langem unsere Vorbilder vieles, was es zu tun gäbe: ZU SPÄT, ZU HALBHERZIG und vor allem UNEHRLICH!

Profit-, und Profilierungssucht, Egoismus anstelle von Zusammenhalt, Menschlichkeit, Aufrichtigkeit und Wertschätzung. Wie ist das zu schaffen? Nur ALLE GEMEINSAM und mit einem sehr langen Atmen! Und nicht weiter wie gehabt! Mahatma Gandhi sagte einmal: „Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht genug für jedermanns Gier.“ – Berta Walter-Hamza

 

Wundert Sie die Verrohung und Verrottung der „Gesellschaft“ noch? Was erwarten Sie denn? Wir ernten das, was uns die Chicago-Boys und die neo“liberalen“ Ideologen der 80er-Jahre eingebrockt haben. Ganz vorne voran Margaret Thatcher, die behauptete, es gäbe überhaupt keine Gesellschaft. Und ihre Brüder im Geiste Reagan und Kohl waren auch nicht besser. Ich lese gerade „Wildland“ von Evan Osnos. Dort sieht man, was diese Ideologie in den USA angerichtet hat und immer noch anrichtet. Erstes Opfer war Chile. Kein Wunder, dass die Staatsterroristin Thatcher sich später für den Diktator eingesetzt hat. – Thomas Manthey

 


 

 

Leserbriefe zu „Der Mensch ist kein Hamster“ von Moritz von Uslar

 

es ist gewiss richtig, auch junge Leute in der ZEIT zu Wort kommen zu lassen, aber wenn sie Kritikwürdiges äußern, sollte man meiner Meinung nach ruhig kritisch nachhaken. Jedenfalls sind mir als schwulem Menschen neben Ahmads ziemlich patriarchalischem Frauenbild Ahmads Sätze zum Schwulsein übel aufgestoßen, und Ahmad nennt keine vernunftgemäße Begründung dafür, dass seiner Meinung und seiner Interpretation des Islams nach Männer keinen Sex miteinander haben dürfen.

Es gibt wohl auch keine vernunftgemäße Begründung für ein solches Verbot und der Verweis auf einen angeblichen Willen Gottes ist jedenfalls keine vernunftgemäße Begründung. Was niemandem direkt oder indirekt schadet, muss vernünftigerweise erlaubt sein. Und was den Sinn des Lebens betrifft: Den sollte jeder Mensch meines Erachtens dem eigenen Leben selbst geben und sich nicht von irgendeiner Religion unhinterfragt vorgeben lassen. – Dr. Ulrich Willmes

 

Zum Feuilleton habe ich eine Anmerkung und eine Frage. 1. Nachruf von Jill Sander auf Vivienne Westwood. Dieser Artikel ist zum Fremdschämen. Frau Sander nutzt den Tod von Vivienne Westwood, um sich selbst darzustellen. Es hätte bestimmt würdevollere Nachrufschreiber gegeben.

2. Artikel „Der Mensch ist kein Hamster“ Der Interviewte sagt über die Polizei „Viele Polizisten seien auch höflich und freundlich“. Das kann ihr Autor scheinbar nicht so stehen lassen und so findet man im letzten Abschnitt den Satz „Tatsächlich, die Boys in den schicken neuen Polizei-Westen gucken, die haben Ahmad schon auf dem Schirm.“ Was ist passiert? Es fehlt jegliche Erklärung. Was will der Autor mit diesem Satz sagen? Gerade auch im Hinblick auf die Angriffe auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht sollten Sie Hetze betreiben. – B. Leupers

 

Klar, bei Ihnen wird es meistens etwas bunt. Mich interessiert immer, wie die Menschen so ticken. Ich will das nicht verallgemeinern nur schade, wie alle meine Vorurteile betätig werden: Deutschland das Konsumland, wenns wegen fehlendem Geld oder mangelnder schulischer Bildung nicht für eine ordentliche Ausbildung reicht dann helfen vielleicht auch Statussymbole. Teure Turnschuhe mag schon gehen aber fragt sich, wo das andere Geld herkommt. Oder das zum Leben. Und ohne versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis eben keine Arbeitslosenunterstützung. Der Mann ist ja an sich nicht verkehrt (er erinnert mich an Arasch, einen alten Schulfreund meines Sohnes) Zumindest hat er Halt in der väterlichen Autorität seiner Religion. Wo die väterliche / elterliche Autorität fehlt sowie Erziehung zur Eigenverantwortung sieht man an den Neuköllner Kids – in der gleiche Zeit: ich bin 13, mir geschieht nichts.

Und Frau soll lieber bedeckt sein, Mann muss nicht nur die homoerotischen Triebe im Griff haben; ansonsten hat Frau schön zu tun was er sagt. Der Einfluss der Moscheen auf unsere Gesellschaft ist so fundamental -im wahrsten Wortsinne – wir werden uns noch umsehen. Da kommt kein Integrationskurs gegen an! Ich dachte immer, ich wäre offen. Ich (75) selber und meine Kinder haben einige nicht deutsche, europäische sowie außereuropäische, Freunde und Bekannte, meine Schwiegertochter kommt aus Spanien – ja die Welt hat sich geöffnet – aber ich lebe wohl in einer Blase. Ich lese die Zeit, weil sie mich herausfordert über aktuelle Fragen nachzudenken – Sie sehen, ihr Artikel ein wichtiger Beitrag. Danke. – Marlies Haveneth-Paul

 

Ich habe mich sehr gefreut über die neue Serie „Dialog mit jungen Leuten“ in der aktuellen Ausgabe der ZEIT! Ich finde es in diesen Zeiten, in denen Diskussionen immer radikaler und engstirniger werden, sehr wichtig, sich auch einfach einmal gegenseitig zuzuhören und zu merken, dass man sich nicht in allen Punkten einig sein muss, um ein nettes Gespräch zu führen, voneinander zu lernen und sich gegenseitig mit Respekt und Höflichkeit zu begegnen. Da ich selber erst 28 Jahre alt bin, begrüße ich es besonders, dass, nach Jahren der Pandemie, in denen Menschen unter 30 denkbar wenig zugehört worden ist, genau dieser Altersgruppe nun eine eigene Serie in Ihrer Zeitung zukommt. Dafür Dankeschön! – Felicitas Längler

 

Vielen Dank für die neue Rubrik Dialog mit den jungen Leuten. Was für eine genial-clevere Idee, die neue Perspektiven eröffnet, ohne den Eindruck zu erwecken, sich dem Zeitgeist politisch-gesellschaftlicher Überkorrektheit anbiedern zu wollen! Ich bin schon sehr auf das nächste Interview (im Wortsinne) gespannt. – Thomas Goebel

 

Es mag wohl stimmen, dass es „Subkulturen von Gescheiterten in abgehängten Milieus von Großstädten“ gibt, wie Neuköllns Integrationsbeauftragte sagt, aber als Beitrag zur Ursachenforschung für Ausschreitungen ist das nur ein Teil des Problems. Nutzen brutale Krawalleros vorhandene oder eingebildete Schwächen des Staates als Legimitation, um sich in einen Rausch von Rechtsfreiheit zu begeben? Dann sollten sie zur Kenntnis nehmen, dass Räusche abhängig machen, und zwar genau von den Strukturen, die sie meinen, bekämpfen zu können.

Es gilt, sich niemals zum Opfer vermeintlicher Umstände zu stilisieren, sondern das Ende ihres zerstörerischen Tuns herauszufinden. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wenn Täter allerdings meinen, ihre Dinge unter sich regeln zu können, dann dokumentieren sie nur, dass sie in einer illusionären Blase leben – womit sie sich vor allem selbst schaden. Weil sie ständig an ihre selbst gezogenen Grenzen stoßen und versuchen, andere dafür verantwortlich zu machen. – Christoph Müller-Luckwald

 

Danke, Herr von Uslar, toll, wie Sie hier den Ambiguitäten des Lebens Raum gegeben haben und zugewandt und selbstironisierend dem Wichtigsten Raum gegeben haben: Watt dem een sin Uhl, iss dem andern sin Nachtigall. – Ingo Klamann

 


 

 

Leserbriefe zu „Trau keinem über 130“ von Christoph Farkas

 

Es wird viel über die Schädlichkeit von CO2-gesprochen. In dem Artikel wird berichtet, dass das Umweltbundesamt ausgerechnet hat, dass sich bei einem Tempolimit von 130 Kilometern die Treibhausgas-Emissionen um „1,9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent“ vermindern würden. Unser Verkehrsminister macht dagegen geltend, dass die Kosten für die Menge an Schildern, die auf ein Tempolimit von 130 kmh hinweisen müssten, in seinem Etat nicht vorgesehen seien. Vielleicht möge er sich rundum bei unseren Nachbarn umsehen, die alle dieses Tempolimit haben; da es generell gilt, sind dort keine Schilder notwendig.

Daraus folgt für den „mündigen Bürger“ dreierlei für die Absage an ein Tempolimit: 1. Der Verkehrsminister wird von der Auto-Lobby gesteuert, 2. der Finanzminister fährt selbst einen Porsche und ist nicht an einem Tempo-Limit interessiert, 3. Unser Kanzler und unser Umweltminister sind auf die FDP als Koalitionspartner angewiesen. Die Hoffnung: Bei den nächsten Wahlen bleibt die FDP unter 5% und scheidet damit aus dem Bundestag aus. – Klaus Grieshaber

 

Habe mich sehr amüsiert über den Artikel, in mehrerlei Hinsicht. Bin selbst ein ausreichend motorisierter Auto- und Autobahnfahrer. Die Debatte über das allgemeine Tempolimit auf Autobahnen hat ja schon lange einen reinen Symbolcharakter angenommen. Sowohl unfall- als auch klimatechnisch bringt es zwar nicht nichts, aber eher fast nichts; die oft als Totschlagargument bemühten „Raser“ hat der Autor auf seiner Schleichfahrt durch ganz Deutschland wohl auch nicht angetroffen.

Schnelles Fahren macht mir Freude, der tatsächliche Zeitgewinn ist allerdings auch laut meinen Erfahrungen eine eher betrübliche Angelegenheit. Autobahnabschnitte nach dem Verkehrszeichen VZ 282 (schwarze Balken auf weißem Kreis, keine Geschwindigkeits- oder Überholbeschränkungen) gelten wohl nicht so sehr als Einladung zum Rennsport, sondern vielmehr als symbolisches „last resort“ gegenüber einem vom Bürger als zu übergriffig empfundenen Bevormundungs-Staat (US-Am.: „Nanny State“), der sich in wirklich jede Kleinigkeit individueller Lebensgestaltung bevormundend einmischt und alles durchreglmentieren will. – Stephan Gebhardt-Seele

 

Mit Tempo 160 lediglich 6 Minuten schneller und das mit überproportionaler Belastung der Umweltbilanz einhergehend. Ist es das wert ? Bleibt also nur noch der Thrill. Der kann allerdings ohne jegliche Umweltbelastung bei einer ganzen Reihe von Risiko-Sportarten befriedigt werden und hat darüber hinaus noch den Vorteil, dass bei diesen Sportarten lediglich das eigene Leben latent gefährdet ist und nicht das von Dritten. Übrigens: Deutschland ist das einzige Land weltweit ohne Tempolimit ! Ich finde das anmaßend. – Stephan Poser

 

Was soll dieser Artikel? Der Autor ist mit 130 durch Deutschland geschlichen – geschlichen! Diese Aufzählung von zufälligen Momentaufnahmen ist beliebig und trägt überhaupt nichts zur Versachlichung und Entscheidungsfindung zum Thema Tempolimit bei.

Eine möglichst geringe Differenzgeschwindigkeit der Teilnehmer in einem Verkehrssystem steigert den Materialdurchfluss. Auf den Fahrzeugverkehr bezogen bedeutet das kürzest mögliche Fahrzeit für alle im System. Weniger Staus, Unfälle, Stress, Ressourcenverbrauch. Eine Limitierung auf z.B. 130 km/h reduziert die Differenzgeschwindigkeit der Verkehrsteilnehmer spürbar. Die billigen Argumente mancher Politiker gegen eine Geschwindigkeits-begrenzung können niemand überzeugen; ein echtes Argument für unlimitiertes Fahren habe ich bisher nicht gehört, auch nicht auf Anfragen beim Verkehrsministerium hin.

Deutschland hat bisher die Chance vertan spätestens seit dem Krieg in Europa auch im Verkehrsbereich eine Zeitenwende einzuleiten – das wäre ein spürbares Signal für uns alle, dass sich die Welt dramatisch verändert und wir alle etwas dagegen tun müssen. Etwas Derartiges kann ich in dem Beitrag von Herrn Farkas nicht erkennen. – Josef Werr-Scherm

 

Puh, eine gute halbe Seite (minus Überschrift und Werbung) für höchst repräsentative Autobahn-Eindrücke, dazu ein paar handverlesene Interviews – um zu einer belegbaren Aussage über die Raserei auf deutschen Autobahnen zu kommen, braucht´s doch eigentlich ein bisschen mehr, oder? Die Wirksamkeit eines Medikaments wird ja zum Glück auch nicht anhand eines einzigen Patienten bewiesen. Musste dafür echt ein Auto von Nord nach Süd durch die ganze Republik (und vermutlich zurück) bewegt werden? Macht mal eben grob geschätzte 400kg CO2. Was bin ich froh, dass in der Zeit normal nicht der SPIEGEL typische Reportagestil vorherrscht, der vermutlich nur dazu da ist, wenig Inhalt auf viele Zeilen aufzublasen… – Jan Jahn

 

Diesen Artikel fand ich tatsächlich überflüssig. Man muss niemanden auf eine 1000-km-Reise durch Deutschland schicken, die im Übrigen auch bei 130 km/h unnötig CO2 produziert, nur um festzustellen, dass man in diesem Tempo auch vorankommt. Das zeigt uns schließlich die gesamte übrige Welt. Und um herauszufinden, wie es sich mit einem Tempolimit lebt, sollte man wohl nicht dort fahren, wo es keines gibt, sondern dort, wo es eines gibt. Ich kann daher meine Erfahrungen von einer Fahrt aus dem Münchner Speckgürtel nach Nordspanien beisteuern (ca. 1300 km), die wir im Sommer 2021 gemacht haben.

Von uns aus benutzt man die A 96 nach Lindau und ist somit schon nach ca. 140 Kilometern freier Fahrt für freie Bürger (wir sind so frei, trotzdem nur 120-130 zu fahren) in Österreich. Danach fährt man den Rest der Strecke bei Tempolimits von 120 bis 130 km/h durch die Schweiz und Frankreich nach Spanien. Eine lange Fahrt, für die wir zwei Tagen gebraucht haben – und trotzdem stressfrei! Beim Start am Mittwochmorgen war auf der A 96 nicht viel los, die Pendler fahren ja auch in die andere Richtung. In der Schweiz war aber ordentlich Verkehr, vor allem zwischen St. Gallen und Zürich.

Und um Zürich herum gab es auch eine ganze Reihe Baustellen, aber ohne Staus. Das liegt womöglich daran, dass niemand von 150 km/h herunterbremsen muss, und man weiß ja, dass Bremsen auf der vollen Autobahn auch ohne zusätzliche Ursachen zu Staus führen kann. Die Rückfahrt zwei Wochen später war ebenso stressfrei. Es ist einfach angenehm, wenn alle in ungefähr gleichem Tempo unterwegs sind und man bei den wenigen dann nötigen Überholmanövern nicht Angst haben muss, dass einem gleich jemand mit 170 an der Stoßstange hängt – was deutlich häufiger vorkommt, als Herr Farkas es zu berichten hatte. Vielleicht hätte er nicht auf den „Rennstrecken“, sondern auf den vollen Strecken in Deutschland unterwegs sein sollen.

Im Übrigen findet man die Extremraser auf den Rennstrecken wohl eher nachts, weil selbst diese oft nicht lebensmüde sind. Auch Radim Passer war in der Dämmerung unterwegs. Übrigens war es mit der Stressfreiheit auf unserer Spanien-Rückfahrt zu Ende, als wir am frühen Freitagnachmittag in Lindau wieder auf die deutsche Autobahn kamen. Es war voll, die A 96 ist zweispurig und führt meist durch Hügelland. So konnte man wählen zwischen 90 km/h in der Lastwagenkolonne oder 150 km/h auf der extrem eng besetzten linken Spur, in die man also auch kaum wechseln konnte, wenn man einmal rechts gelandet war.

Nur gut, dass es dann nicht mehr weit war. Kurz nach dieser Erfahrung fand die Bundeswahl statt, ich war erst angesichts des Ergebnisses ganz euphorisch, gerade beim Gedanken ans Tempolimit. Und konnte es dann kaum fassen, dass diese Kleinpartei sich in dieser Frage durchsetzen konnte. Aber solche Artikel wie dieser helfen auch in keiner Richtung weiter. – Cordula Hubert

 


 

 

Leserbriefe zu „Rosen sind rot, Tulpen sind rechts“ von Mark Schieritz

 

Man hat selten in der ZEIT so einen Schwachsinn gelesen. Die Redaktion, die so einen journalistischen Blödsinn zur Veröffentlichung freigibt, allzumal im Ressort Politik, sollte sich schämen – und entschuldigen. Meine Lust auf ZEIT nimmt weiter ab. – Peter Breuninger

 

Personen, Dinge und Zustände zu verorten in rechts und links: das erscheint zunächst als ein faszinierendes, spannendes Spiel, in das man sich sogleich mit Feuereifer stürzen möchte. Aber schon wenn man die ersten in Ihrem Artikel genannten Begriffe näher unter die eigene Lupe nimmt, wird klar, dass es angesichts der Ambivalenz der Welt keine eindeutige, sozusagen normative Zuordnung geben kann.

Die Rose eindeutig links, nicht doch: Rosen waren schon bei den römischen Kaisern Ausdruck fürstlichen Prunks, später spielen Rosenwappen eine herausragende Rolle in der Heraldik des Hochadels; als Symbol der Verschwiegenheit findet sich die Rose in Beichtstühle geschnitzt; Goethes „Heideröslein“: ein liberales Gewächs?; in der Sepulkralskulptur verbindet sich mit der Rose die Vorstellung vom Weiterleben nach dem Tod, als Freimaurersymbol verweist sie auf ein höheres Leben; die rote Rose deutet auf die Passion Christi und das Blut der Märtyrer hin, in säkularem Bezug ist sie seit jeher ein Kriegszeichen (galt doch der römische Kriegsgott Mars als aus einer Rose geboren), usw. Die Katze ist im Verhältnis zu den sympathisch-pfiffigen Comic-Mäusen eher rechts, im Verhältnis zum treubraven Hund als linksintellektuell einzuordnen. – Ludwig Engstler-Barocco

 

Die Seite funktioniert (halbwegs)! Habe meinen Namen eingegeben und das richtige Ergebnis erhalten. Und mit einigen meiner Verwandten hat es auch geklappt. Zumindest bei denen, von denen ich genau weiß, wo sie politisch stehen. Wobei ich nicht glaube, dass die AI „weiß“, um wen es sich dabei handelt, weil die Namen nicht besonders ungewöhnlich sind. Es könnten ja auch Namensvettern sein. Merkwürdigerweise ist die „Tulpe“ bei mir allerdings links. Erst wenn ich „tulipe“ eingebe, kommt rechts dabei heraus.

The Jezabels aus Sydney sollen angeblich auch rechts sein, was Schwachsinn für eine Band ist, die sich für LGBTQ-Rechte und die Ehe für Alle eingesetzt hat. Wenn man die einzelnen Bandmitglieder eingibt, ergibt sich ein Verhältnis von 2:2, demnach müsste die Band als solche dann ja wohl eher „sowohl rechts als auch links“ sein. Bayern ist angeblich links. Ich lach mich schlapp. Insgesamt eine recht nette Spielerei. Man könnte daraus ein Wettspiel machen. Man gibt irgendeinen Begriff ein, der nicht per se schon klar rechts oder links ist, und muss dann tippen, wohin das Pendel ausschlägt. – Thomas Manthey

 

Die Drei ist rechts, weil sie geschwungene Bäuche hat? M.Schieritz fragt, ob er vielleicht spinne. Das „vielleicht“ kann er streichen. Die Rose ist nicht links, weil Linke sie als Symbol benutzen. Die Tulpe ist nicht das Gegenteil der Rose, weder botanisch noch politisch. Bach, 1685 geboren, war links? Wohl gar SPD-Mitglied? Und C-Dur klingt nach Restauration? Da kennt der Autor nicht viele Musikstücke. Der ganze Artikel ist Nonsens. Warum hat er eine ganze Seite im Politikteil? P.S. Karl-Heinz ist wohl rechts, Mark links. Gilt wohl für alle Träger dieser Namen. – Karl-Heinz Eckert

 

Zu “Rosen sind rot, Tulpen sind rechts”: Liebe Redaktion, was soll der Quatsch??? Und das auch noch auf Seite 3! Verständnislos: – Thelma von Freymann

 


 

 

Leserbriefe zu „Verträgt sich das?“ von Matthias Krupa

 

Die Vereinigten Staaten auf Distanz zu halten, wie es schon de Gaulle mit der Freundschaft zu Deutschland anstrebte, ist wichtiger denn je. Die USA sind keine Schutzmacht für Europa, sondern die größte Gefahr für Europa. Sie sind wesentlich mitverantwortlich für den Krieg, indem sie die berechtigten Sicherheitsinteressen Russlands grob mißachtet haben. Sie sind der große Profiteur des Ukraine-Krieges. Es ist erschreckend, wie ergeben die deutsche Politik den Anweisungen aus Washigton folgt, sich demütigen läßt (Rede Bidens zu Nordstream, Sprengung der Pipelines, warum wird der “Akt des Staatsterrorismus”, wie Frau von der Leyen es nannte, nicht aufgeklärt?) und auch noch Rüstungsgüter und überteuertes Fracking-Gas aus den USA kauft. Deutschland und Frankreich sollten zusammen daran arbeiten, sich endlich unabhängig von den USA zu machen und sich gemeinsam auf europäische statt auf amerikanische Interessen zu konzentrieren.

Deutschland hätte den Vorschlag Macrons zu Friedensverhandlungen aufgreifen und unterstützen müssen anstatt sich „irritiert“ zu zeigen. Friedensverhandlungen mit Kompromissbereitschaft, die Zusicherung, dass die Ukraine nicht in die NATO aufgenommen wird, Sicherheitsgarantien für Russland, würde Sicherheit für Deutschland und Europa bedeuten, nicht das Aufrüsten der Ukraine, nun auch noch mit Kampfpanzern und Patriot Abwehrsystemen, die auch zu Angriffen genutzt werden können, was eine unverantwortliche Anheizung der Eskalations- und Gewaltspirale bedeutet, die zum dritten Weltkrieg und einer nuklaren Vernichtung Europas führen kann, weit weg von den USA. Wo bleibt die Vernunft, die Fürsorgepflicht für die Bürger, eine konstruktive Zukunftsperspektive Europas mit Russland? – Ulrike Nadjafi

 

Für seinen sehr informativen Artikel „Verträgt sich das?“ in DIE ZEIT vom 05.01.2023 über das deutsch-französische Verhältnis ist Matthias Krupa sehr zu danken. Tatsächlich ist derzeit zwischen Deutschland und Frankreich von einem „Paar“ nicht zu sprechen. Ursächlich dafür sind zum einen das fast vollständige Scheitern der Reformagenda, mit der Macron als Präsident angetreten ist, die er unter der Schwäche des bürgerlichen Lagers nicht gegen die starken Rechtsaußen Le Pen und Linksaußen Mélenchon durchsetzen konnte.

Zum anderen resultieren sie aus der von Angela Merkel betriebenen und von Olaf Scholz übernommenen (keineswegs klugen) Politik, innerhalb der Achse Paris-Berlin die Rolle des konturlosen „Followers“ zu übernehmen und auf eigene Gestaltungsvorschläge fast vollständig zu verzichten, ja darüber hinaus sogar jeglichem Dialog und Diskussionen durch Schweigen aus dem Weg zu gehen, wie es die Bundeskanzlerin nach Macrons Sorbonne-Rede von 2017 (!) getan hat. Macron und die Franzosen haben dadurch das Gefühl, sie produzierten eine großartige Europa-Initiative nach der anderen, während Deutschland nicht nur keine eigenen Ideen hat, sondern darüber hinaus die französischen Vorschläge kommentarlos schubladisiert und den Franzosen die klärende Debatte verweigert.

Den offengelassenen Freiraum nutzt Macron, sich nationalistisch auszurichten und sich als europäischer Stratege und Anführer der europäischen Südstaaten zu positionieren. Wenn der mit seiner Reformagenda erfolglose und nur knapp wiedergewählte französische Staatspräsident Macron beklagt, es sei „nicht gut, wenn Deutschland sich isoliere“, muss man dies so verstehen wie es gemeint ist, nämlich als Drohung, dass Macron seinerseits Deutschland isolieren werde, wenn es sich seinen Leitlinien nicht anschließt.

Das wirtschaftlich, sozial und innenpolitisch angeschlagene Frankreich strebt die Rolle der Führungsmacht in der Europäischen Union an, weil es damit seine im eigenen Bereich liegenden Probleme zu europäisieren hofft. Der seinerzeit von Macron selbst diagnostizierte Reformstau in den Staaten Südeuropas wird dadurch perpetuiert und die Institutionen der EU werden weiter beschädigt. Europa wird auf diese Weise niemals die wirtschaftliche Stärke erlangen, die für eine politische Rolle in der Welt die Voraussetzung ist.

Es lohnt sich, in diesem Zusammenhang an den Kommentar „Der Krieg zwischen Frankreich und Deutschland wird wieder möglich“ zu erinnern, den Jacques Attali, der frühere Berater des Präsidenten Mitterand und Altmeister unter den französischen Politintellektuellen, am 27.10.2022 in „Les Èchos“ veröffentlicht hat.

Zwar hat der Vielschreiber Attali seit 30 Jahren kein Amt mehr in Politik und Wirtschaft, seine vielen Bücher schreibt er hastig und in den späten Nachtstunden – aber er ist immer noch gut vernetzt in der französischen Politik und hat, wie man heute sagt, seine „Follower“ und gibt sicherlich eine Grundströmung im politischen Denken und Fühlen des Landes und eines wichtigen Teils seiner Führungselite wieder. Attalis Artikel skizziert das Bild vom militärisch und energiepolitisch starken, aber dauerhaft wirtschaftlich nicht wettbewerbsfähigen Frankreich, dem ein komplementär aufgestelltes Deutschland gegenübersteht.

Da Frankreich „sich nicht in die Abhängigkeit vom Wohlwollen eines dominanten Verbündeten begeben will“, habe es keine andere Zukunft als in einem integrierten (und, so kann man schließen, französisch dominierten) Europa. Andererseits könne (und, so kann man es lesen: will) Frankreich nicht in einer Welt des Wettbewerbs leben und überleben und braucht deshalb den Euro und die Europäische Zentralbank, um nicht in die „Todesspirale“ (Attali) zu geraten wie heute etwa Argentinien. Diesem französischen Mainstream ist offenbar nicht zu vermitteln, dass eine starke Währung nicht die Folge, sondern die Voraussetzung einer leistungsfähigen Wirtschaft ist.

Klarer, als Attali es tut, kann man eine nationalistisch orientierte Europapolitik nicht darstellen. Maßnahmen zur Verbesserung der französischen Wettbewerbsfähigkeit scheint er von vorneherein für aussichtslos zu halten. Sollte Frankreich nicht die Kontrolle über eine europäische Armee erlangen, stünde die Europäische Zentralbank in Frage, so Attali, und das wäre dann der Kriegsgrund. Die „Feinde“ [sic!] in Washington, London, Moskau und Peking würden gewiss den Konflikt weiter anheizen.

Man mag das für eine exzentrische, möglicherweise aus publizistischen Gründen übertriebene Einzelmeinung halten, aber das wäre ein gefährliches Missverständnis. Tatsächlich ist der hinter wohlklingenden Reden an der Sorbonne und anderswo in Europa und vor allem in den Südstaaten verborgene Nationalismus eine ernstzunehmende Gefahr. Es kann nicht sein, dass zum Beispiel die italienische Regierung bei der Errichtung des Pandemiefonds zur Bedingung macht, dass die zufließenden Mittel nicht an ernstzunehmende Auflagen zur Verwendung geknüpft sind, und dass die Notenpresse der Zentralbank als etablierte, unkonditionierte Finanzierungsquelle der Nationalregierungen und auch der EU selbst angesehen wird.

Es kann nicht sein, dass die nationalen Finanzplanungen darauf abgestellt werden, dass es früher oder später eine (natürlich unkonditionierte) Schuldenvergemeinschaftung geben wird und deshalb unangenehme Reformbemühungen der Nationalregierungennicht notwendig sind. Die Bundesregierung hat sich allzu lange dem ernsthaften Dialog verweigert und auf eigene Gestaltungsideen verzichtet, in der typisch Merkel’schen Illusion, die Themen würden von selbst verschwinden und sich in allgemeiner Harmonie auflösen. Es wird Zeit, dass der Bundeskanzler an die Arbeit geht. – Friedrich Wolf

 

Es gebe „tiefe Gegensätze“ in der Sicherheitspolitik, wozu dann auf den Elysée-Vertrag hingewiesen wird, der vor 60. Jahren ratifiziert worden sei und der eine 100 Jahre und drei Kriege dauernde Feindschaft beendet habe. Diese zeitliche Einordnung und die Reduktion auf Politik und Wirtschaft sind schon Teile des Problems, das zu den Gegensätzen führt. Wie der Name schon sagt, ist Frankreich das Reich der Franken, eines deutschen Stammes. Z. B. stammt das franz. Wort Quiche vom fränkischen Kichel also Kuchen ab. Aber weiß das schon? Es bräuchte also keine großen Gegensätze geben, alles eins.

Nun, es gibt sie und das ist zu erklären: Wie ist das mit Katholizismus und Protestantismus, Stichwort Bartholomäusnacht 1572. Ein weiterer Grund dürfte die Eroberung des Elsass 1681 durch Ludwig XIV sein. Das Elsass, der „ewige“ Streitpunkt. Soll heißen, wir reden hier von viel längeren Zeiträumen als 100 Jahren. Richtig kontrovers wurde es mit der franz. Revolution, die im Gebiet des Deutschen Reiches Re-Aktionen hervorrief. Dann kommt Napoleon und überzieht das Land mit Krieg. Dass er auch Fortschritte mit sich brachte, wird gerne (!) vergessen. Frankreich wird systematisch herabgesetzt, das braucht der deutsche Patriot.

1871 Deklaration des Kaiserreichs, dafür bedurfte es eines Krieges. In Deutschland wird weiter gegen die Franzosen gehetzt, so z. B. durch Prof. E. Wechssler, der half bis heute gängige „Differenzierungen“ zu installieren: Geist vs. Esprit, Tiefe vs. Oberflächlichkeit, sauber vs. schmutzig, Gemeinschaft vs. Gesellschaft…Die sind bis heute in den Köpfen drin, die müssten raus, um die Gegensätze zu reduzieren. Dann der WK I und die recht unvernünftige Haltung Frankreichs bzgl. der Reparationen. Die Ruhrbesetzung 1923 trägt ein übriges dazu bei (wer sich als frankophil „outete“ wurde als „Französling“ denunziert).

Richtig finster dann ab 1938 mit Steigerung 1939 bzw. 1940ff. Die Franzosen haben relativ früh und schnell erkannt, dass die Grenze mit Deutschland, die längste ist und dass sie sich mit den Deutschen arrangieren müssen. Haben die Deutschen das auch erkannt? Oder wird da eher anglo-amerikanisch geguckt? Im Artikel werden Freundschaften erwähnt. Einer dieser (Kohl-Mitterand) haben wir Arte zu verdanken. Toll. Aber wer guckt Arte? Die Gegensätze bestehen eben auch (unhinterfragt?) darin, dass da zwei Völker in sehr unterschiedlicher Art der Welt/Realität begegnen.

Sofern dieses, eher kulturelle, Kardinalproblem (in den Köpfen, wozu der Fremdsprachenunterricht in den Schulen beiträgt) nicht angegangen wird, wird der Gegensatz, trotz aller Verständigungsbemühungen, bestehen bleiben. Das zwei Kanzler (Merkel, Scholz) die Beziehungen zwischen den Nationen schleifen lassen, ist unverzeihlich. – Dr. Gerd-Rüdiger Erdmann

 

Ein wohltuender Versuch, etwas Ausgeglichenheit zu zeigen. Aber es fehlt so viel. Es ist einfach traurig. Verteidigung: Siehe die Stellungnahmen Trappiers von Dassault. Deutschland bedient sich bei der frz. Technologie und unternimmt dann industrielle Alleingänge. Ich beziehe mich auf die Projekte Panzer, Flugzeug, Hubschrauber usw. Ein deutscherseits gewolltes Fiasko? Wie in der Politik: Siehe die China- und Nahost-Reisen der jetzigen deutschen Regierung… ohne europäische Beteiligung, worauf Krupa hinweist.

Energie: EDF (électricité de France) wurde von Europa auf deutschen Druck gezwungen, Strom unter Preis zu liefern und somit der Möglichkeit beraubt, in der Zukunft zu investieren, daher die jetzigen Probleme. Siehe die Anhörungen Proglios und anderer EDF-Führungskräfte im frz. Parlament (im Dez. 2022). Deutschland möchte überall in Europa allein das Sagen haben und seine Interessen durchsetzen. Deutsche Regierungen haben in der letzten Jahrzehnten vieles falsch gemacht: Energie (Russlandabhängigkeit, Preise, Luftverschmutzung), Verteidigung, Europa-Politik (Gott sei Dank gelang es Hollande, Griechenland aus der Eurozone nicht ausschließen zu lassen), Covid (D. blieb die 1. Welle – wie Polen, Tschechien usw. – so gut wie erspart, unterm Strich sind aus heutiger Sicht jedoch die Schäden etwas grösser als in Frankreich – nicht nur die Arroganz!).

Andere Themen, die sich anbieten, lasse ich aus. Die EU, für die ich eintrete, verdient eine andere Politik. Die Zeiten des Nationalliberalismus sind doch vorbei. Deutschland verdient eine bessere Europa-Politik. Beunruhigend ist, dass nur noch Franzosen vom Dahinsiechen des deutsch-französischen „couple“ sprechen, in Deutschland interessiert sich keine Partei dafür, dieses „Paar“ gibt es ja nicht. Schade. – François Genton

 


 

 

Leserbriefe zu „Die Wiederentdeckung der Langsamkeit“ von Sten Nadolny

 

So so, „Die Wiederentdeckung der Langsamkeit“… Klar, im Feuilleton der „Zeit“ an einem Dreikönigsfeiertag um halb zehn Morgens nach dem Aufstehen beim Kaffee mit Loungemusik von Spotify im Hintergrund liest sich das angemessen. Sten Nadolny schrieb also vor 40 Jahren den Roman „Die Entdeckung der Langsamkeit“, welcher ihn weltberühmt machte. Ob zum Millionär, weiß ich nicht. Aber so „langsam“ könnte er es durch diesen Roman womöglich geworden sein oder ? Interessant wäre zu erfahren, wie viele das Buch wegen dem Titel gekauft haben…

So wie „Beim nächsten Mann wird alles anders“, was das Konto der Autorin anwachsen und die Hirne der Leserinnen ratlos zurückließ. Ob das Buch wirklich was taugt und ob die „Wiederentdeckung“ der Langsamkeit wieder nur so ein Schlagwort für´s Bücherregal ist, bewerte ich lieber nicht. Da ich nun als Rentner in einer Sphäre agiere, in der die Geschwindigkeit keine Aussagekraft mehr hat, verliere ich den Bezug dazu.

An was ich mich aber noch schemenhaft erinnern kann: wenn meine Kollegin im Büro beim Arbeiten unter Schlafentzug gelitten hat und ich dafür das Tempo erhöhen musste. Dabei fällt mir ein, dass ich demnächst meinen Personalausweis und dann auch noch den Reisepass verlängern lassen muss. Und dass hierfür nach langer Zeit wieder ein Gang auf´s Amt fällig ist… – Boris Bogunovic

 

1944 in den Bombennächten Hamburgs geboren habe ich spät angefangen zu reden und rede noch immer bedächtig. Zum Teil liegt es daran, dass ich erste denke. Kürzlich haben mir junge Leite beim Bau einer Sommerküche aus Holz geholfen. Ich brauchte etwas lange bei der Vermittlung des Bauplans und musste über die Türkonstruktion nachdenken, weil die Wandkonstruktion zugleich den Rahmen der Tür bilden sollte. „Lass uns das machen!“ sagte mein Sohn ungeduldig und entließ mich. Am Ende musste er einen Extra-Rahmen vor die Wand setzen. Er ist 36, Musiker und selbständig, aber anders integriert in diese beschleunigte moderne Welt.

Das Schneller, Höher, Länger, Weiter, Grösser gilt noch immer als Besser, weil es der Inbegriff des Kapitalismus ist. Ihr Roman hat damals den Nerv dieses Gesellschaftssystems getroffen, denn es basiert auf dem technischen Fortschritt. Deswegen ist das Buch so erfolgreich, weil es sein wesentliches Problem beschreibt: die ständige Beschleunigung. Der Kapitalismus kann nicht anders als Druck machen, weil er von der Arbeitskraft lebt. Das Fortschrittsdiktat hat mit dem tendenziellen Fall der Profitrate zu tun, worauf ich noch zu sprechen komme.

Die verführerische Macht des Kapitalismus oder „Nur wer im Wohlstand lebt, lebt angenehm“ mag dazu geführt haben, dass Sie keine Alternative mehr zum Kapitalismus sehen, obwohl seit den Maschinenstürmern im 19. Jahrhundert nie wieder ein Versuch gestartet wurde, denn alle bisherigen Revolutionen bezogen sich nur auf das politische System, den Überbau, wenn Sie so wollen.

„Aufholen, einholen überholen“ war die sowjetische Parole, die weder Lenin noch Stalin einlösten, erst das neue China nach Mao hat es geschafft. Um welchen Preis? Ein entfesselter Kapitalismus ist wenig abhängig vom politischen Staatswesen, das dreimal so viel Menschen in China antreibt als in den USA. Die bestimmenden Blöcke an der Macht gleichen sich und reisen mit den Politikern als Erfüllungsgehilfen.

Wohin auch immer Sie schauen auf dieser Welt stehen wenige Reiche und eine satte Mittelschicht einer Masse von Gilets jaunes gegenüber. Die Vermögen von Elon Musk, den Gates, Zuckerberg & Co übersteigen den Jahreshaushalt der meisten Staaten. Aber nicht deshalb braucht es eine Alternative, sondern der Kapitalismus kommt an seine eigenen Grenze. Sie schreiben wenig über die Veränderungen seit dem Erscheinen Ihres Buches, obwohl gerade das Internet beschleunigt hat: Überweisungen in Echtzeit, Zoom-Konferenzen mit minimaler Zeitverzögerung… Das meiste ist inzwischen ausgereizt und kann nur noch durch Robotisierung überboten werden.

Im 100-Meter-Lauf geht es nur noch mit Doping schneller. Alle höchsten Berge sind bestiegen. Weltrekorde werden durch Weltraumrekorde ersetzt. Die Lebenserwartung geht in den USA schon zurück. Die meisten Opfer finden die Pandemien in den Megalopolen. Aber vor allem: Die Monopolisierung ist so weit fortgeschritten, dass die Konkurrenz kurz vor dem Stillstand angelangt ist. Das gilt für die entscheidenden Wirtschaftsbereiche auf dem Weltniveau, nicht nur im nationalen Maßstab: Zwei Flugzeugbauer, drei Autokonzerne, drei Chemiefabriken… dominieren den Weltmarkt. Die Pandemie von Covid wurde von der Johns Hopkins-University, Pfizer und der Gates-Stiftung unter der Schirmherrschaft der WHO gemanagt.

Das ist nicht an sich schlecht, nur interessiert sich dieses Triumvirat nicht für die Behebung der Ursachen, mit der nichts zu verdienen ist: schlechte Wohn- und Lebensbedingungen, Zerstörung der Biodiversität … Es gibt sehr wohl Ansätze für ein anderes Wirtschaftssystem, in dem Qualität an die Stelle von Quantität tritt, Gemeinwohl, Gesundheit, Kreislaufwirtschaft… Aber Sie folgen dem Postulat von Maggi Thatcher: There is no alternative! Dem widerspreche ich, weil eine Alternative noch nie versucht wurde:

Die Abschaffung des Kapitalismus kann allerdings nur gelingen, wenn seine Voraussetzungen und Funktionsprinzipien abgeschafft werden. Voraussetzungen der kapitalistischen Wirtschaftsweise sind an Stelle von Gebrauchswertproduktion und Gemeinwesen („öffentliche Anstalten“) Tauschwertproduktion zwecks Profitmaximierung, Geldreichtum und Privateigentum an Produktionsmitteln.

Gebrauchswertproduktion: Die quantitative Tauschwertproduktion muss durch eine qualitative Gebrauchswertproduktion ersetzt werden. Das Sozialprodukt der Gemeinschaft darf nicht mehr am Tauschwert der Waren gemessen werden (ausgedrückt in Geld). Bestimmendes Kriterium für die Produktion muss die Befriedigung der gesellschaftlichen Bedürfnisse durch entsprechend gebrauchsorientierte Waren sein. Dafür bedarf es gesellschaftlicher Diskussionsprozesse, also einer Neuerfindung der Demokratie in dem wichtigsten Gesellschaftsbereich, der im Kapitalismus den Menschen enteignet wurde: die kollektive Produktion des eigenen Lebens. Keine Planwirtschaft von oben kann ernsthaft die Bedürfnisse bestimmen, moderne Technik schon. Aber dafür bedarf es des Austauschs von Ideen, Gedanken, Meinungen…, nicht des Tauschwertes.

Vergesellschaftung der Produktionsmittel: Die Enteignung zum Wohle der Gemeinschaft ist im Grundgesetz enthalten. Sie müsste ersatzlos sein, denn dieses Privateigentum basiert historisch auf Raub oder anderer gewaltsamer Aneignung. Das gilt insbesondere für adligen Großgrundbesitz (zum Teil aus dem Mittelalter) und für Kolonien, in denen viele Bodenschätze Westeuropas lagern. Geldreichtum müsste begrenzt und von einer Währungsreform begleitet werden, um die extreme Ungleichheit nicht fortzusetzen.

Zwang zum technischen Fortschritt oder Fall der Profitrate. In der Krise werden Werte vernichtet durch Pleiten und Verramschen. Damit sich anschließend das Produzieren wieder lohnt, muss gespart werden. Das geht zeitweilig durch Lohnverringerung oder Auslagerung der Produktion in Billiglohnländer, wenn der Preis der Ware stabil gehalten werden kann. Dann sinkt der Lohnanteil und steigt der Profitanteil. Fast immer aber reagieren die technologisch führenden Industrien mit der besten Profitrate wegweisend für alle weniger profitablen Industriezweige mit technologischer Verbesserung.

Dazu gehört die Autoindustrie, die mit Elon Musk zurzeit noch den Vorreiter hat, der die Maßstäbe setzt. Seine Autoproduktion hat einen technologischen Vorsprung, den die anderen beiden weltweit führenden Konzerne einholen müssen, weil Musk Extra-Profite kassiert, das sind über dem Durchschnitt liegende Profite, denn er produziert mit mehr Technik und weniger Arbeitskraft mehr Autos. Allerdings hält der Vorsprung nur eine Zeitlang, bis alle Konkurrenten dasselbe technische Niveau erreicht haben. Dann produzieren die verbliebenen Konkurrenten auf demselben Niveau ohne Aufschlag auf den Durchschnitt aller Industriezweige. Das dauert ein paar Jahre. Der Krisenzyklus weltweit beträgt 8 bis 10 Jahre.

Das nennt Marx den tendenziellen Fall der Profitrate, denn der eigentliche Profit entsteht aus der Ware Arbeitskraft, nicht aus der Technologie, deren Anteil am ganzen Produktionsprozess jedoch ständig wächst, wenn robotisiert wird. Ebenso zwangsläufig ist die Entlassung von Arbeitskräften, wenn der Anteil menschlicher Arbeit am Produktionsprozess sinkt. Die vollautomatisierte Fabrik ist das Endprodukt der kapitalistischen Produktionsweise, das ist die Abschaffung des Menschen in der Produktion. Dann setzen sich die Menschen zusammen und überlegen, wie sie arbeiten und wovon sie leben wollen, ohne Kapitalisten. – Gerd Stange

 

Sten Nadolin schaut zurück auf die Entstehung seines weltberühmten Romans «Die Entdeckung der Langsamkeit» (1983). Dabei behandelt er ein Thema, das auch heute besonders wichtig ist. Denn die Langsamkeit hat viele Vorteile. Ein Vorteil ist, dass man mehr Zeit zum Nachdenken hat und so Flüchtigkeitsfehler und andere Fehler korrigieren kann, die in Katastrophen enden könnten. Es ist tragisch, dass seine Romanfigur, der Arktischforscher John Franklin mit seiner «historisch verbürgten Bedächtigkeit» das katastrophale Scheitern der von ihm geleiteten Expedition nicht verhindern konnte (1848). Vielleicht hätte schnelles, rechtzeitiges und entschlossenes Handeln, dieses Ende verhindern können. Der Gedanke an das erfolgreiche Ende der zunächst gescheiterten Antarktis-Expedition (1914) unter Shakleton liegt da nahe.

Das regt, an Parallelen zu untersuchen zur heutigen Situation der Menschheit. Es geht um die Frage: Kann die unerhörte Beschleunigung der Entwicklung der Menschheit durch mehr Langsamkeit, also mehr Zeitnehmen zum Nachdenken, aber auch durch rechtzeitiges, entschlossenes Handeln an der Katastrophe vorbei gesteuert werden?

Grund für die genannte Beschleunigung ist wohl zunächst die Neugier und das Nutzen und Aufbauen auf Forschungs-Resultaten. Ihre praktische Wirksamkeit entfaltet diese Beschleunigung, wie Nadolin feststellt, durch das Konkurrenzdenken. Der technische Fortschritt begünstigt die Wirksamkeit des Prinzips «The Winner takes it all». Zwei Viehzüchter oder zwei Kartoffelanbauer sehen sich zumindest bezüglich des Vertriebs ihrer Ware kaum als Konkurrenten.

Vor allem können sie durch Schnelligkeit beim Produzieren keine Vorteile gewinnen. Natürliches Wachsen braucht Zeit. Allerdings drängt sich da der Gedanken auf, an das in «die Buddenbrooks» geschilderte Wettrennen um den Zuschlag des Kaufrechts an einer Weizenernte. Dass hier Langsamkeit von Vorteil gewesen wäre (die Ernte wurde bekanntlich durch Hagel vernichtet), ist aber vielleicht auch nur Zufall. Trotzdem, es gibt in dem Fall eine Umkehrung des Prinzips «The Winner takes it all». Der Gewinner verliert alles. Langsamkeit war von Vorteil.

Ganz allgemein bewirkt das genannte Prinzip die weltweiten demographischen und ökonomischen Gräben. Dies indem die einen ihre Perspektiven darin sehen, mit der Konkurrenz auf dem Gebiet des Fortschritts mitzuhalten und die anderen ihre Perspektiven anderswo suchen. Dies ergibt die gewaltigen Unterschiede in den Geburtenraten, etwa zwischen Südkorea (Geburtenrate 1: Halbieren pro Generation) und Niger (mehr als verdreifachen pro Generation). Nötig wäre, dass im Verhalten der Menschen das Anwenden von Langsamkeit und entschlossenem schnellem Handeln sich an einem höheren Ziel orientierten.

Daraus müssten dann Forderungen abgeleitet werden und Verantwortungen zugeteilt werden. Eine Frage ist, ob der Zwang ausreicht, den die Aussicht auf eine düstere Zukunft ausübt. Oder ob zusätzlich nachhaltige Perspektiven entwickelt und deren Nutzung durchgesetzt werden müssen. Abgeleitet aus folgender Forderung: Wir sind nur Gast auf diesem schönen Planeten und sind als Gegenleistung für dieses Privileg verpflichtet, dafür zu sorgen, dass dieser Planeten unseren Nachkommen unversehrt übergeben werden kann. Das betrifft Demographie, Ökonomie und Ökologie. – Dr. Gernot Gwehenberger

 

Ein wundervoller Beitrag des Herrn Nadolny. Die Kraft der Gemächlichkeit, die von ihm ausgeht, verführt mich dazu, gleich nach diesem Leserbrief langsamen Schrittes in die Küche zu bummeln, um dort angekommen dann Kaffeebohnen mithilfe meiner japanischen Kaffeemühle per Hand zu Kaffeepulver zu mahlen. Eile mit Weile wie Oktavian zu sagen pflegte. Einen Kotau auf die Langsamkeit. – Michael Ayten

 


 

 

Leserbriefe zu „Anna Mayr entdeckt: Kolumnenstressvermeidung“ von Anna Mayr

 

Schmunzelrapunzel! Anderer Bruder: „… Nach zwei Semestern BWL-Studium sehen alle aus wie BWL-Studenten. Warum?“ Weil sie noch nicht reden können wie BWL-Professor:innen! (Wir haben zwei in der Familie, die man besser nicht wirklich was fragt, wenn eine stressfreie Kolumne dabei herauskommen soll. :) Herzlichen Dank für die gewonnene Zeit! – Wölf

 

Was die Autorin da abgeliefert hat, ist einfach eine Frechheit. – Andreas Schaller

 

Schön, dass Sie schon nach ca. 3000 Zeichen Ihre Kolumne beendet haben. So kommen etwa 20 Sekunden Lebenszeit wieder herein (leider abzüglich der etwa 90 Sekunden für das Schreiben dieses Leserbriefs), die DIE ZEIT kürzlich für die Werbefuzzi-Bastelei einer Countdown-Uhr, die die restliche Lebenszeit eines Menschen anzeigen soll, verschwendet hat. Ihre 3000 Zeichen haben mich etwa 150 Sekunden „gekostet“, was aber der falsche Ausdruck ist, weil sie durchaus amüsant waren. Besonders ökologisch finde ich weiße Flächen in einer Zeitung normalerweise nicht, aber immerhin wurde so Druckfarbe eingespart. – Thomas Manthey

 

Was soll ich sagen? Ich sitze hier in meinem Lesesessel, ganz dandyhaft die Beine übereinander geschlagen und lache einige Sekunden aus dem Zwerchfell, als ich den letzten Satz zu Ende lese. Frau Mayrs Humor steckt an. – Michael Ayten

 


 

 

Leserbriefe zu „Das große Schrumpfen“ von Samiha Shafy et al.

 

An diesem lesenswerten Artikel irritiert mich folgende Stelle (S.6): „Dort (Afrika) wächst die Bevölkerung in vielen Ländern schneller als je zuvor“. Als Leser interpretiere ich diese Aussage wie folgt: (a) „Viele Länder“. Von den mehr als 50 afrikanischen Ländern bedeutet „viele“ eine Anzahl von mehr als 10 Ländern. (b)“ wächst schneller als je zuvor“. Die jährliche Zuwachsrate der Bevölkerung erreichte in den letzten Jahren einen historischen Rekordwert und ist im Trend ansteigend.

Es dürfte für die Autoren schwierig sein, für diese Aussage statistische Belege zu finden. Zwar gab es in einigen Ländern einen Anstieg der Zuwachsraten zwischen den Dekaden 2001-10 und 2011-20, doch fand ich kein Land, bei dem die letzten verfügbaren Zahlen (2021) Rekordwerte darstellen. Richtig ist: In vielen afrikanischen Ländern bleibt das Bevölkerungswachstum in den letzten Jahren weiter sehr hoch, aber für eine Beschleunigung findet sich kein statistischer Beleg. – Michael Finger

 

Bitte gestatten Sie mir einige Anmerkungen zu Ihrem Artikel: Sehr interessant fand ich die detaillierten Schilderungen aus den drei Ländern. Die Darstellung der demographischen Entwicklung in größeren Zusammenhängen ist dagegen fehlerhaft. Schon Überschrift und Untertitel haben mich gestört. Ein globales „großes Schrumpfen“ findet aktuell und in absehbarer Zukunft nicht statt. Der Scheitelpunkt, also das Maximum, wird, wie Sie richtig sagen, nach der mittleren UN-Prognose ungefähr in den 2080er Jahren erreicht.

Danach gibt es negative Wachstumsraten von maximal ca -1 promille. Wenn man diese minimale rückläufige Tendenz als „großes Schrumpfen“ bezeichnet, welches „in wenigen Jahrzehnten“ stattfindet, sollte man zumindest den Protagonisten der „Bevölkerungsexplosion“ keinen panischen Alarmismus vorwerfen, da man offensichtlich selbst zu einem solchen neigt. Übrigens ist Ihre Grafik auf den ersten Blick erkennbar falsch, da die Wachstumsrate am Ende des Jahrhunderts noch positiv dargestellt wird.

Man könnte man sich fragen, ob die Panik vor der (großteils bereits stattgehabten) „Bevölkerungsexplosion“ angesichts des durchaus realistischen Bedrohungspotentials der erdsystemischen Krisen nicht auch eine gewisse Berechtigung hat, statt sich angesichts der langfristigen demographischen Prognosen über diese Sorgen lustig zu machen. Nach der international konsentierten Definition der UN (Rio 1992) ist die Erde längst überbevölkert. Ein nachhaltiges Wirtschaften ist der Erdbevölkerung in ihrem begrenzten Lebensraum bei ihrem gewünschten Lebensstil schon lange nicht mehr möglich.

Natürlich sind Wohlstand und Verantwortung nicht gleich verteilt. Natürlich kann man auch von einem „Überkonsum“ der reichen Eliten sprechen, und die Tatsache, dass die meisten schnell wachsenden Gesellschaften einen sehr geringen CO2-Ausstoß aufweisen ist an sich banal. Aber gerade China hat vorgemacht, wie aus einem armen, geburtenreichen, ökologisch wenig „schädlichen“ Land innerhalb von kurzer Zeit ein Hauptakteur der Erderwärmung werden kann. Wenn nun noch über 2 Milliarden Menschen hinzukommen, die sich alle (verständlichermaßen) nach einem westlichen Lebensstil sehnen, so zeichnet sich aktuell in keiner Weise ab, dass die Erde die Zahl der künftigen Bwohner unbeschadet überstehen wird.

Menschen sind nicht aus Bescheidenheit heraus arm (und deswegen klimaneutral), sondern aus der Not. Nichts deutet im Moment darauf hin, dass die aktuell schnell wachsenden Gesellschaften ihren ersehnten zukünftigen Wohlstand klimaneutral erreichen werden – vom Artensterben, dem letztlich noch größeren Problem, ganz zu schweigen. Sie behaupten zudem, die demographischen Prognosen für die USA würden denen Chinas gleichen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie die beiden Ländern wirklich miteinander verglichen haben.

Im mittleren Szenario der UN, auf welches Sie sich offenkundig beziehen, wird für die USA bis 2100 kein Rückgang sondern ein (leichtes) kontinuierliches Wachstum Bevölkerungswachstum vorhergesagt, ganz im Gegensatz zu der ausgeprägten Schrumpfung, die China nach diesen Prognosen tatsächlich erleiden wird. Auch die Vergreisung wird in den USA kaum diesen Namen verdienen. Während in China zur nächsten Jahrtausendwende 40,9% der Menschen über 65 Jahre sein werden, wird für die USA ein entsprechender Anteil für nur 30,5% vorhergesagt.

Beides zusammen genommen macht einen fundamentalen Unterschied zwischen diesen großen Konkurrenten aus, der nicht pauschalen und falschen Verallgemeinerungen zum Opfer fallen sollte. Ich denke, die Führung Chinas kennt diesen Vergleich besser als Sie. Das wird kaum zu ihrer Entspannung beitragen. Insgesamt würde ich mir eine korrektere und differenziertere Berichterstattung über die „graue Eminenz der Soziologie“, die Demograohie, wünschen. – Dr. Christian Voll

 

«In wenigen Jahrzehnten wird die Weltbevölkerung abnehmen. Was bedeutet das für uns – und für den Planeten?» Von der Mathematik her gesehen ist das Abnehmen nicht gesichert. Aus folgendem Grund: Nicht das Verhalten der Gruppen mit den tiefen Geburtenraten entscheidet langfristig über Zu- und Abnehmen, sondern das Verhalten der Gruppen mit den hohen Raten. Dazu ein Beispiel: Angenommen von 1000 Personen haben 900 die Geburtenrate 1 (Halbieren pro Generation) und 100 die Geburtenrate 4 (Verdoppeln pro Generation) dann gibt’s nach 10 Generationen 102400 + 1 Personen. Denn 2 hoch 10 = 1024 und die erste Zahl ergibt sich demnach aus 100*1024. Die zweite Zahl 1 ergibt sich aus 900/1024, so viel ist von den ursprüngliche 900 übrig geblieben.

Das Beispiel zeigt dass, es unrealistisch ist, nur von der mittleren Geburtsrate der Weltbevölkerung auszugehen. Bei dem Beispiel reduziert sich übrigens nach einer Generation die Kopfzahl von ursprünglich 1000 auf den zunächst optimistisch stimmenden Wert 650. Denn 900/2 + 100*2 = 650. Geht man beim Beispiel von der mittleren Geburtenrate von 1.3 aus (denn (100*4+900*1)/1000=1.3) dann wäre nach 10 Generationen die Kopfzahl bei 13 (denn 1000*((1.3/2) hoch 10) = 13.46).

Natürlich ist nicht davon auszugehen, dass die im Artikel graphisch dargestellte Prognose so weit daneben liegt, wie die 2 Resultate im Beispiel (102400 und 13). Doch das Beispiel illustriert den Einfluss des demographischen Grabens innerhalb der Menschheit. Dessen Auswirkungen geben auch Rätsel auf – über das Rechenbeispiel hinaus. Dazu folgendes: Im relativ reichen China kann sich ein gut situiertes Ehepaar gerade mal ein Kind leisten. Über Niger steht im Artikel zu lesen: Dort «leben knapp 25 Millionen Menschen …

Aus eigener Kraft kann das Land derzeit aber nur fünf Millionen Menschen ernähren.» Was aber ernährt die andern 20 Millionen? Sind es etwa Getreide-Lieferungen aus der Ukraine? Es gibt Entwicklungshilfe und es gibt Überweisungen der Migranten. Aber warum wird in China in einer vergleichbar guten finanziellen Situation ein Druck aufgebaut, der die Geburtenrate massiv senkt. Während im Niger eine vergleichbar katastrophalen finanziellen Situation keinen auch nur andeutungsweise wirksamen Druck ausübt?

Der vermutliche Grund beruht auf einem Effekt, der auch ein Grund ist für das aktuelle Schlamassel der Menschheit. Dank dem technischen Fortschritt ist es theoretische möglich, bedeutend mehr Menschen zu ernähren als heute auf dem Planeten leben. Aber der Mensch lebt bekanntlich nicht von Brot allein. Er braucht auch Perspektiven. Früher lieferte der Kampf ums tägliche Brot wirksame Perspektiven. Heute fallen diese anscheinend vielerorts weg, weil der Kampf ums Brot fast wegfällt.

Denn wie wäre es sonst möglich, in einem Land, das aus eigener Kraft nur 5 Millionen Menschen ernähren kann, 25 Millionen zu ernähren? Die wegfallenden Perspektiven werden ersetzt, denn Perspektiven braucht der Mensch. Und zwar ersetzt durch Perspektiven, die auf der einen Seite des demographischen Grabens beitragen zu hohen Geburtenraten und auf der anderen Seite des Grabens zu hohem Konsum und entsprechend hohem Öko-Fussabdruck.

Wie kommt man aus dem Schlamassel? Das Beispiel betreffend die ursprüngliche Kopfzahl 1000 ist entnommen meinem Buch „Die Technik reicht nicht, Was ist nötig, damit die Menschheit lange gut fortbestehen kann?“ (Bod 2016). Das Buch beschreibt im ersten Teil, wie demographischer Zwang in Europa den Rückgang der Geburtenrate bewirkte.

Dies gibt ein Recht und vielleicht auch die Pflicht, Vorschläge zu machen. Die Beschreibung erfolgt nicht mit Statistik sondern mit mehreren Beispielen aus der eigenen Familiengeschichte, was unterhaltsamer zu lesen ist. Der zweite Teil ist eine Diskussion, bei der die Götter Griechenlands unterschiedliche Standpunkte vertreten. Im dritten Teil geht’s – als Resultat des Diskurses – um den Weg zu einem Weltbild, das das gute Fortbestehen als Ziel hat. Es gibt übrigens auch ein Kapitel mit dem Thema „Wütend werden“. – Dr. Gernot Gwehenberger

 


 

 

Leserbriefe zu „Hä, warum?“ von Anna Mayr

 

Ich habe die von Ihnen angesprochene Tagesschau am ! Januar auch gesehen und fühlte mich danach etwas ratlos zund leer. Warum dies Gefühl entstand, haben Sie wunderbar erklärt! Einige Tage davor hatte sich die Tagesschau fast 5 Minuten Zeit genommen, über den Tod, die Aufbahrung, die Karnakheit und das Leben von Pelé zu berichten, dafür kein Wort zur Ukraine, das war offensichtlicher , daß da etwas zuviel und etwas anderes zu wenig vorkommt. Ihre Idee mit den 40 Minuten finde ich gewagt und bei der ARD wird sich das niemand trauen , fürchte ich. – Cornelie Brena

 

Ein kluges Statgement von Ihnen zur „altehrwürdigen“ Tagesschau im ERSTEN. In der Tat, Sie streuen ordentlich Salz in eine offene Wunde des „Komtrollorgans“ der Meinungs- bildung, daily um 20 Uhr – mit Gongschlag – fast so we früher die „Siegesmeldungen der deutschen Wehrmacht“. Ud vielleicht liegt da ja sogar die Geburtsstunde dieses Basta- Journalismus.

Früher saßen die Mneschen vor den Volksempfängergeräten und lauschten Hans Fritsche oder an besonderen Tagen und zu besonderen Erignissen auch dem „Olympier A.H.“ oder seinem Hexenmeister Joseph Goebbbels. Axel Springer wollte mit der Bildzeitung dem Leser eine feine Sahneschnitte in den Mund legen. Bei der Tagesschau ist es wie Sie richtig schreiben eine unorthodoxe Ansammlung von Sätzen, die Feststellungen ( gleich den Siegesfanfaren von früher) und damit extrem meinungsbildend sind. Sozusagen von null auf hundert in einem Satz.Wie kann Abhilfe geschaffen werden?

Das heute-journal schafft das mit seinem 20 Minuten, also 5 Minuten mehr auch nicht, und RTL dito. Wir bewegen aus hier eauf einem schmalen Grat zwischen Meinung und Information, gleich öffentlich-rechtlicher Verlautbarung und dem, was der Bürger an Information wissen oder besser nicht wissen soll. Sie haben einen wichtigen Beitrag zu dieser Debatte, die ja schon länger besteht, geleistet, Bleiben SIe dran. – Dr. Detlef Rilling

 

Hä, darum! – Das Feuilleton der „Zeit“ ist sehr schlecht, deshalb muss es aber nicht viel länger werden. Bei dieser Bewertung der Tagesschau-Beiträge vom 1.1. und vom 1.2. wird in beiden Fällen eine 15-Minuten Sendung ausschließlich anhand eines ausgewählten 1-Minuten Beitrags bewertet, und selbst aus diesem wird jeweils nur auf einen Anteil von einigen Sekunden Bezug genommen. Ja, diese wenigen Sekunden waren von fragwürdiger journalistischer Qualität: Stammtischthesen zum Bürgergeld; uerklärte, magische Wasserstoffherstellung in Schwedt.

Dass zuvor unter anderem die neuen Leistungssätzte des Bürgergeldes erläutert wurden bzw. berichtet wurde, dass Schwedt aktuell mit einer Auslastung von 55 % Öl raffiniert, wird nicht erwähnt. Basta-Journalismus in der Tagesschau? Wohl eher Tatsachenverdrehung im Feuilleton. Wer sich über das Weltgeschehen mit der Tagesschau informiert, bekommt Schlagzeilen und bleibt an der Oberfläche. Um Hintergründe und Zusammenhänge zu verstehen, kann man „Die Zeit“ lesen, vielleicht sogar deren Feuilleton. Vorausgesetzt es ist manchmal um genau einen Artikel kürzer. – Dr. Andreas Gittinger

 


 

 

Leserbriefe zu „Die Position: Wer Mathe lehren will, muss von Praktikern lernen!“ von Jens Weitendorf

 

Jens Weitendorf entwirft in seiner Meinungsäußerung ein ausgesprochen düsteres Bild der Ausbildung der Lehrkräfte, ja sogar der Bedeutung der Fachdidaktik als Wissenschaft für die Unterrichtspraxis. Auch wenn seine Wahrnehmungen aus individuell-biographischen Erfahrungen heraus verständlich sein mögen, ergeben sie nur ein sehr verzerrtes Bild des Bezugs von Forschung und Praxis.

Ich möchte es gleich auf den Punkt bringen: Mathematikdidaktik als Wissenschaft und Mathematikunterricht als Praxis sind keine Gegensätze, die Zugbrücke zwischen beiden (um mit Enzensberger zu sprechen) ist nicht hochgezogen, im Gegenteil: es gibt vielfältige enge Verknüpfungen – sie sehen nur anders aus als vor Jahrzehnten.

Nehmen wir das Beispiel der Zeitschriften: Die Mathematikdidaktik hat sich in den letzten Jahrzehnten stürmisch weiterentwickelt zu einer international eingebundenen Wissenschaft, die ihre Erkenntnisse nicht mehr nur auf Reflexion und Kreativität gründet, sondern auf die empiriegestützte Entwicklung von Theorien zum Mathematiklernen und Mathematikunterrichten. Die Zahl der Forschungsprojekte und Doktorand:innen hat sich vervielfacht. Die Publikationen sind in international und in Peer-Review-Systeme eingebunden.

Solche Publikationen (wie auch im deutschen Journal für Mathematikdidaktik) müssen ihre theoretischen und forschungsmethodischen Überlegungen detailliert darstellen und damit die Qualität ihrer Befunde überprüfbar machen. Eine solche Zeitschrift ist natürlich für einen Praktiker, der sich Überblick verschaffen will oder konkrete Unterrichtsbeispiele sucht, nicht mehr ergiebig. Dafür gibt es aber schon seit vielen Jahren Zeitschriften für die Praxis (in denen die Wissenschaftler:innen für die Praxis publizieren), die Fachgesellschaft hat für Praktiker mit höherem Anspruch an den Forschungshintergrund sogar eine „Zeitschrift für Mathematikdidaktik in Forschung und Praxis“ (www.zmfp.de) gegründet.

Die Forschungsprojekte, die in der deutschen Mathematikdidaktik durchgeführt werden, sind ausgesprochen breit gefächert, die meisten zeichnen sich aber dadurch aus, dass sie durchaus in direkter Zusammenarbeit mit der Praxis arbeiten, Lehrkräfte mit einbeziehen, in realistischen Unterrichtssituationen forschen und oft auch ganz praktische Ergebnisse erzielen: Konzepte und Materialien für das Erlernen der Prozentrechnung etwa, oder Erkenntnisse über relevante Lernschwierigkeiten bei den Grundrechenarten. Wie solche Ergebnisse dann in der Breite in die Praxis gelangen, ist durchaus noch ein Problem der Kommunikationswege, aber auch hier findet man seit einigen Jahren sehr umfassende Aktivitäten, wie z.B. beim Deutschen Zentrum für Lehrkräftebildung Mathematik (www.dzlm.de) –

Schließlich wird immer wieder die Frage gestellt: wie wissenschaftlich sollte die Lehrkräfteausbildung sein? Wieviel Praxis muss an den Hochschulen stattfinden? Die Hochschule ist der Ort, an dem die Verknüpfung von Praxis und Wissenschaft systematisch stattfinden kann: Welche Rolle spielt das systematische Wissen über die Herausforderungen der Bruchrechnung in der Praxis?

Wie lassen sich Forschungsbefunde über Chancen und Grenzen des entdeckenden Lernens anwenden? Warum sind manche Lehrmethoden und -materialien, die in der Praxis hochgehalten werden, vielleicht nicht lernwirksam? Solche Erfahrung machen Studierende in ihren Praxissemestern und dies ist idealerweise eingebunden in die fachdidaktischen Seminare an der Hochschule. Eine solche Theorie-Praxis-Vernetzung werden alle fachdidaktisch Forschende und Lehrende an den Hochschulen als Leitprinzip ihrer Ausbildung benennen.

Allerdings: Hier gibt es durchaus noch viel zu verbessern, personell und organisatorisch sind die verschiedenen Elemente und Phasen der Lehrerausbildung in Deutschland nämlich immer noch nicht genügend verknüpft, trotz umfangreicher Bemühungen der letzten Jahre im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung. Zusammengefasst: Wer Mathelehrer werden will, muss sowohl von Wissenschaftlern als auch von Praktikern lernen. Und: Wissenschaftler und Praktiker sollten sich nicht als Konkurrenten verstehen, sondern die enge Verbindung von Forschung und Praxis als Chance nutzen. – Prof. Dr. Timo Leuders

 

Lehrerbildung muss m. E. zweierlei leisten: den späteren Lehrer mit dem Weltausschnitt, den er später unterrichten soll, vertraut machen (Fachwissenschaft) und das Unterrichten dieses Weltausschnitts lehren (Fachdidaktik). Zu bedenken gilt es dabei, dass die Systematik des Stoffes ggf. eine völlig andere ist als die Systematik des Nachdenkens darüber. Didaktik muss dem zukünftigen Lehrer daher vermitteln, wie er Unterrichtsgegenstände in Fragen und Probleme überführen und verstehendes, verlangsamtes Denken anleiten kann.

Ich bin dezidiert für eine fachwissenschaftliche Ausbildung aller Lehrämtler, habe aber wie Herr Weitendorf nie verstanden, warum man auch die Fachdidaktik verwissenschaftlicht hat. Zur Deutschdidaktik habe ich während des Studiums so auch – trotz durchaus heißen Bemühens – keinen echten Zugang gefunden. Das Problem ist aber m. E. noch grundsätzlicher und ein systematisches. Didaktik lässt sich v. a. auch deswegen nicht wie die Fachwissenschaft verwissenschaftlichen, weil Lehrer das Alte und Bewährte beherrschen müssen – die Schüler sind ja neu auf der Welt und haben zunächst das Alte und Altbewährte zu lernen –, während die Universität naturgemäß am Neuen forscht.

Um den Lehrermangel auszugleichen, sollte man m. E. nicht – wie einige Ausgaben zuvor vorgeschlagen – Teilzeitkräfte zur Mehrarbeit zwingen, sondern könnte man die vielen (Fach-)didaktiker an die Schule holen. Statt sinnlose Sätze zu produzieren und gestelzte Aufsätze zu schreiben, die niemand liest und die allenfalls zitiert werden, könnten diese Leute an der Schule und in der Praxis eine sehr viel sinnvollere Verwendung finden. Hier gilt es eine verborgene, wertvolle Begabungsreserve zu heben und für die Gesellschaft nutzbar zu machen. – Marcel Haldenwang

 

Als reiner Leser kann ich mit diesem Artikel leider nicht sehr viel anfangen, er ist offenbar von einem Insider für Insider geschrieben, die im Beitrag enthaltenen Bezüge bleiben einem als Außenstehendem verschlossen. Aber vielleicht wäre das eine Gelegenheit, einmal den Niedergang des Mathematikunterrichts in Deutschland an sich zu diskutieren. In meiner eigenen Schulzeit (Abitur 1979) bestand der Mathematikunterricht tatsächlich noch aus Mathematik. Wir entwickelten damals im Unterricht noch grundlegend die zentralen Fachgebiete Geometrie, Trigonometrie, Analysis und Lineare Algebra. Natürlich hatte dieser Unterricht immer einen großen Anteil an Rechenaufgaben.

Aber bevor gerechnet wurde, haben wir die entscheidenden Kernbegriffe bspw. des Satz des Pythagoras, Sinus und Cosinus, Konvergenz, Stetigkeit, Vektorraum etc. logisch entwickelt und gelernt, wie man so etwas beweisen kann. Dieser Zauber der Mathematik hat jedenfalls mich nie wieder los gelassen. Als meine Tochter in den 2010er Jahren in Hamburg im Gymnasium war, ist davon wenig bis nichts übrig geblieben. Die Mathematikbücher glichen eher einer oberflächliche bunten Rallye durch die Fachgebiete. Im Unterricht lernten die Kinder nur noch das, was wir früher „Kochrezepte“ nannten:

„Ein Gärtner sollen in einem 20m * 5m großen Garten einen kreisrunden Teich mit 50cm Abstand zur Gartengrenze anlegen, die quadratischen Begrenzungssteine des Teichs haben einen Durchmesser von 10cm. Wie viele Steine braucht der Gärtner?“ Der völlig verkrampfte Versuch, der Mathematik so etwas wie Anwendungsbezug zu geben mag zu vielem beitragen. Man kann so vielleicht lernen, wie man als Schüler stumpf Formeln auswendig lernt, die einem im wirklichem Leben nie wieder begegnen (tatsächlich wird der Gärtner einen großen Sack Begrenzungssteine von seinem Lager mitnehmen und den nicht gebrauchten Rest zurücklegen).

Für die Lehrer ist es bei auch nicht schwer, diesen oberflächlichen Stoff zu entwickeln und Aufgaben zu variieren. Mit Mathematik haben diese Lehrbücher und die zugrundeliegenden Lehrpläne aber nicht mehr viel zu tun, Begeisterung für eigenständiges logischen Denken und die Entwicklung von vielseitig nutzbaren Lehrsätzen aus wenigen, einfach zu begreifenden Annahmen weckt man so nicht. Man sollte dieses Schulfach dann konsequenterweise auch wieder „Rechnen“ nennen. – Hans-Ronald Niehus

 


 

 

Leserbriefe zu „Im falschen Film“ von Mariam Lau

 

Mal ganz plakativ gesprochen. Der Fisch stinkt vom Kopf. Oft sind die Väter selbst ihren Kindern kein gutes Vorbild. Vertreten Sie doch tyrannische Gepflogenheiten, wenn sie den noch jungen Kindern mit der flachen Hand den Nacken rot und wund schlagen, wenn diese sich beispielsweise nicht hörig zeigen. Die eigene Ehefrau wird einfach übertönt und verbal entwürdigt, selbst wenn sie die besseren Argumente anführt. Für den kultivierten Bio-Deutschen mag das schrecklich anmuten, was es auch ist. Es ist für solche Migrantenfamilien aber normaler Alltag. Auch wenn es Gott behüte nicht in allen westasiatischen Zuwandererfamilien so zugeht, stellt dies dennoch auch ein Teil der Wahrheit dar.

In dysfunktionalen und beengten Familienverhältnissen, wo (Un)Werte gepredigt werden, die unseren hiesigen konträr entgegenlaufen, diese schlimmstenfalls sogar konterkarieren, herrschen oft eher undemokratische & paternalistische Ansichten. Hier ist es an der Tagesordnung, dass geschrien, geschimpft und mitunter auch geschlagen wird. Zusammen an einen Tisch kommen, um Streit und Konflikt im Gespräch zu lösen? Fehlanzeige.So können und dürfen Kinder nicht aufwachsen.

Es wäre daher nur folgerichtig, wenn der Staat dagegen etwas unternimmt. Andernfalls könnte sich das künftig rächen & ungemütlich werden, wenn wir zulassen, dass weiterhin neue Generationen von kriminellen Straftätern großgezogen werden. Schon heute haben jene für unser Grundgesetz und unsere Verfassung nichts außer Verachtung übrig. Wird sich das noch steigern? Was kommt morgen? Nächstes Silvester?

Ich selbst finde es beispielsweise nicht gut, wenn Migranten alle zuhauf in eine Wohnsiedlung gesteckt werden, wo sie teilweise keinen einzigen deutschen Nachbarn haben. Das sind keine guten Voraussetzungen dafür dass Inklusion gelingen kann. Vielmehr werden sich diese Menschen so von der Gesellschaft eher ausgegrenzt fühlen & ihr den Rücken kehren. Die Stigmatisierten, wir erschaffen sie uns selbst.

Das alles ist natürlich keine Entschuldigung für die Barbarei, die da in der Silvesternacht Einzug hielt. Da zog der Geist hunnischer Reiterscharen über das raue Berliner Banlieue. Dem Niemandsland Neukölln, wo scharf geschossen wird und ganz eigene Gesetze herrschen. Hier müssen Wandel und Reformen entstehen. Zum Besseren versteht sich. – Michael Ayten

 

Auch in Berlin-Neukölln gibt es keine einfachen Wahrheiten. Das zeigt der Einblick, den Mariam Lau mit ihrem interessanten Bericht gewährt, nur zu gut. Der Großteil der Bewohner dieses Stadtbezirks hat für die jugendlichen Gewalttäter sicherlich genauso wenig Verständnis übrig wie andere friedliebende Menschen, sie leiden auch unter ihnen.

Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey hat zwischenzeitlich ein ganzes Maßnahmenpaket angekündigt, um der Gewalt Einhalt zu gebieten. Die Zustände und die Probleme in Berlin-Neukölln sind ihr schon lange bekannt. Warum wurde nicht viel früher etwas getan? Die Rückbesinnung auf das Neuköllner Modell zur schnellen Strafverfolgung jugendlicher Gewalttäter ist richtig, lässt mich trotzdem leicht erschaudern, wenn ich an die Todesumstände der Jugendrichterin Kirsten Heisig denke, die dieses Modell entwickelt hatte, und dann doch scheiterte. Ihr Buch „Das Ende der Geduld“ habe ich schon vor längerer Zeit gelesen.

Speziell junge Männer, die überhaupt kein Unrechtsbewusstsein und keinen Respekt vor anderen haben, besonders auch Frauen gegenüber, wieder einzufangen, wird schwierig. Sie haben sich ihre eigenen Regeln gemacht. Politik, Justiz und auch die jetzt schon überlasteten Jugendämter müssen hier Hand in Hand arbeiten. Sozialarbeiterinnen in Stadtbezirke wie Neukölln zu schicken, die sich beleidigen lassen müssen, um überhaupt noch Kontakt zu ihren „kleinen Arschlöchern“ aufzubauen, lässt man hängen, überfordert sie, so dass sie dann fast nur noch eine Alibifunktion einnehmen.

Es ist befremdlich, dass einfach schon der Hinweis, mit der Integration könnte etwas schiefgelaufen sein, eine Rassismus-Debatte bewirkt. Dies löst nicht ein Problem, genauso wenig wie sprachliche Volten, wenn aus „Südländern“ „westasiatische Phänotypen“ werden. Folgt man der Denkweise derjenigen, die überall Rassismus unterstellen, kann man die Bezeichnung „westasiatische Phänotypen“ genauso gut als rassistisch einordnen. Den gewaltbereiten Jugendlichen dürfte eine solche Debatte ohnehin herzlich egal sein. Berlin-Neukölln ist kein Einzelfall. Viele andere Städte in Deutschland haben auch Probleme mit Parallelgesellschaften, und dabei spielt ein migrantischer Hintergrund auch aber nicht immer die Rolle. Zum Beispiel Leipzig, wo ganze Stadtteile von Rechts – oder Linksextremen beherrscht werden.

Ein Rechtsstaat kann sich das nicht leisten, will er das Vertrauen der Bevölkerung nicht verlieren. Die Lösung von Problemen beginnt mit ihrer Analyse und Ursachenforschung. Dazu gehört nun einmal auch, dass Integrationsprobleme, wenn es sie gibt, nicht geleugnet und als solche benannt werden. Das mag manch politisch Verantwortlichen nicht in ihr Weltbild passen, ändert aber die Realitäten nicht und hat nichts mit Rassismus zu tun. Ob die Berliner Franziska Giffey überhaupt als Regierende Bürgermeistern behalten wollen, werden die kommenden Wahlen ja bald zeigen. Sollte es so kommen, wird sie beweisen müssen, dass es ihr mit ihrem Maßnahmenpaket ernst ist und nicht nur „Spruch“ bleibt. – Regina Stock

 

Das Böller- und Raketenszenario mit bis zu 130, in Einzelfällen sogar bis zu (verbotenen) 180 Dezibel Lautstärke hat sich in den letzten Jahren zu einem großen Übel ausgeweitet. Wenn Feuerwehr, Sanitätskräfte, andere Menschen verletzt werden, ist dies absolut untragbar. Der Rechtsstaat muss hier mit aller gebotenen Härte vorgehen. Die Deutsche Gesellschaft für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie teilt mit, dass jährlich etwa 8.000 Menschen verletzt werden, ein Drittel davon schwer mit lebenslangen Dauerschäden!

Dabei wird oftmals ein weiterer Aspekt völlig übersehen: Für Wildtiere und sehr viele Haustiere ist Silvester die schlimmste Nacht des Jahres. Die Tiere werden in Aufruhr, Angst und Schrecken versetzt, rennen oft in größter Panik davon, erleiden — gar nicht so selten — einen Herzstillstand. Der Unsinn aus grauer Vorzeit sollte deshalb schleunigst beendet werden. – Josef Draxinger

 


 

 

Leserbriefe zu „Turmbau zu München“ von Kerstin Bund

 

155 Meter ist doch kein Wolkenkratzer. Und hohe Gebäude verschandeln nicht immer das Stadtbild, wie es das extrem hohe Empire State Building beweist. Sie sind, wenn herausragend schön gestaltet, eine Bereicherung und Besuchermagnet für eine Stadt. Anders diese in Schuhschachtel-Architektur aufgetürmten Etagen. Den Erbauern des Wunders Elb-Philharmonie fällt auch nichts mehr ein. Auf meinem Zeichenbrett ist soeben ein Wolkenkratzer entstanden, eine Vision, die für die ukrainische Hauptstadt Kiew angedacht ist.

476 Meter hoch, gebaut wäre es der höchste Wolkenkratzer Europas. Die Architektur weckt Assoziationen an gotische Türme, filigrane steinerne Streben und Glas verleihen ihm einen kristallinen Charakter. Es kommt überhaupt nicht darauf an, wie hoch ein Gebäude ist, sondern wie es gestaltet ist. Ich kann diese seelenlosen, computervisualisierten Schachtelbauten in Ihrer Zeitung nicht mehr sehen. Haben Sie auch mal etwas das Auge Erfreuendes, Herz und Seele Erbauendes oder immer nur Architektur von der Stange? – Axel Spellenberg

 

In ihrem Artikel «Turmbau zu München» in der ZEIT N°2 vom 5. Januar 2023 (Schweizer Ausgabe) geht es hauptsächlich um München, aber es werden auch die Architekten Herzog & De Meuron aus Basel vorgestellt und zwar als Baseler Architekten. Womit nicht nur diesen beiden Herren, sondern allen Einwohnern Basels ein Recht abgesprochen wird, das einen Absatz später den Münchnern erhalten bleibt: nämlich das Recht, als Personenbezeichnung das letztsilbige «e» des Ortsnamens zu verlieren.

Denn die Basler sind in der gesamten Deutschschweiz als solche bekannt, genauso wie es eben keine Münchener sind und das bekannte Grimm’sche Märchen nicht von den Bremener Stadtmusikanten handelt (diese dürfen sogar noch das «n» verlieren!). Zugegeben, der Duden lässt online beide Schreibweisen zu, gibt jedoch der Version Basler mit einer Häufigkeit von drei (versus nur zwei für Baseler) den quantitativen Vorzug, was eine Google-Anfrage bestätigt: 21,1 Mio. Resultate versus 1,2Mio.

Natürlich gibt es dringendere Probleme als ein penetrant nicht verschwinden wollendes «e»; z.B. die Frage, ob es sinnvoll ist, in den geplanten Münchener Hochhäusern zur Finanzierung der Sozialwohnungen die restlichen Wohnungen teuerer zu vermieten. Nichtsdestotrotz plädiere ich für den Wegfall des «e» in Basler: es ist Selbstbezeichnung, die häufiger verwendete Variante, sowie auch konsistenter bezüglich der deutschen Grammatik. Und es wäre einfacher zu lösen als so manch anderer Konflikt in diesen dunkelen Tagen. – Moritz Rudolf

 

Zwei 155 m hohe Hochaustürme sollen nach dem Willen der Investorengruppe Büschl das Stadtbild Münchens weithin und nachhaltig verändern. Die projektierten Bauten werden vom Investor als ‚Wahrzeichen des Fortschritts‘ bezeichnet, er sieht sich als Visionär, der den Bewohnern der Millionenstadt das verdiente Signature-Building beschert. Die Kritiker dieser Hybris werden so schnell in die Rolle rückschrittlicher Beharrungskräfte verwiesen.

Die im Artikel geäußerte Empfindung der Stadtbaurätin, das Alte Technische Rathaus sei das Wahrzeichen der Altstadt Münchens, mutet seltsam an. Es geht wohl fehl, an diesem unbedeutenden Bauwerk einen mit der Zeit unvermeidlich eintretenden Urteilswandel zum Besseren hin in der architektonischen Bewertung von Hochhäusern festzumachen. Mit seiner einfallslosen Rasterfassade und seinem kaum gegliederten Baukörper war dieses Haus zum Bauzeitpunkt eine Bausünde und ist auch heute – obwohl ‚Denkmal‘ – keine Bereicherung für das Stadtbild, immerhin aber kaum höher als die Nachbarbebauung.

Nein, hier soll nicht die vielgeschmähte ‚Kistenarchitektur‘ entstehen, sondern modische Hochhausnadeln mit dem unverzichtbaren Knick in der Optik und einer möglichst unregelhaften, das Auge irritierenden Fassadenoberfläche. Deren plastische Ausbildung ist von einer groben, wie ausgefransten Zellstruktur ohne erkennbare Sinnhaftigkeit geprägt. Die den Türmen beigestellen 155 m hohen Schrägaufzüge – konstruktiv fragiler dargestellt, als sie gebaut werden können, ästhetisch mißglückt und ohne erkennbaren Nutzen – künden von milder Sinnesverwirrung, der die Architekten Herzog de Meuron hier erlegen zu sein scheinen. Unsäglich auch die Anbiederung in Form des vorgeblich durch die Bauten dargestellten ‚M‘. Gestalttechnisch bietet der Entwurf genügend Provokationen, um als modern und ’catchy‘ – die Augen auf sich ziehend – zu gelten; den Gegnern des Vorhabens wird man natürlich Provinzialismus vorwerfen.

Alles nach dem Motto: ‚Immer noch als Millionendorf geschmäht, aber lange schon ein Metropole‘ – mein Projekt ist der Beweis dafür‘. Warum sind denn die Türme kein Kandidat für ein städtisches Wahrzeichen? Bei den ‚Twin-Towers‘, die hier in München ähnlich wie in Paris und Madrid als epigonale Imitate des New- Yorker Originals den Investoren Freude bereiten sollen, handelt es sich eben nicht um ein Ensemble, wie Herr Büschl suggeriert, sondern um ein erratisches, stadtbildsprengendes Duplikat, das die gewünschte Aufmerksamkeit in der Stadtsilhouette erregen soll. Und das auch im Übermaß tun wird.

Diese Bauten werden nicht wie ‚Akupunkturnadeln den Stadtkörper von Spannungen befreien‘, sondern brutal überdimensionierte Pflöcke in das Stadtpanorama treiben, das Stadtbild für immer seiner friedlichen Gelassenheit und maßvollen Gliederung berauben. Die leichte Neigung der Türme nimmt keineswegs – wie behauptet – den Schwung des benachbarten Paketposthallendaches auf, die Entwurfsbauten stehen vielmehr in frappierendem Gegensatz zu der klaren Architektur und dem eleganten Dachbogen der Pakethalle.

Als Bonbon wird dem Bürger gereicht: die Nutzung der umzubauenden Paketposthalle für ‚Konzerte, Sport, Märkte, Freizeit und Gastronomie‘. Das ist ein Freibrief – für wirtschaftliche Funktionen vielfältigster Art ohne Klarheit über Trägerschaft und Subventionsbedarf z.B. für den Konzertsaal im Souterrain mit 3 000 Plätzen und einer Kunstgalerie. Die Ankündigung, daß der Bürger über die folgekostenträchtigen Nutzungen entscheiden darf, wird sich schon deshalb nicht erfüllen, weil so etwas nicht wirtschaftlich darstellbar ist. Die politische Durchsetzbarkeit der beiden Gelddruck-Türme wird erzielt durch Bereitstellung von 550 Sozialbauwohnungen – die allerdings auch ohne Turmbauten an dieser Stelle hätten entstehen können.

Die zusätzlichen nichtgeförderten 550 Wohnungen werden mutmaßlich u.a. als Immoinvest für Superreiche dienen und dann zu einem großen Teil leerstehen. Wie das Projekt die Wohnungsnot lindern soll, bleibt unerfindlich. Vielleicht wird der Bauherr ja durch den Widerstand der Bürger gegen sein Vorhaben dazu animiert, die Zahl der Investorenwohnungen zu verdoppeln und den Bau noch zwei weiterer Türme für die Sozialbauwohnungen zu beantragen. Den Kapitalinteressen der Büschl-Gruppe würde es dienen. – Wolfgang Langen

 


 

 

Leserbriefe zu „Alle Tassen in den Schrank!“ von Mona Berner

 

In Ihrem Beitrag „Alle Tassen im Schrank“ berichten Sie, dass fast überall Kunden der To-go-Gastronomie auf Mehrwegverpackungen bestehen können. In der Folge berichten Sie aber gleichzeitig von einer Fülle von Ausnahmeregelungen. So drängt sich der Eindruck auf, dass es fast nirgends geht. Über die Ursache der komplizierten Regelung kann man sich unterschiedliche Gedanken machen: In Wirklichkeit wollte der Gesetzgeber nur bella figura und die To-go-Gastronomie schonen. Oder er hat es ernst gemeint und sich in zügelloser Regelungswut verrannt.

Oder er hat, wie es nicht unüblich erscheint, die Gesetzesvorlage von Lobbyisten schreiben lassen, die dann gleich für ausreichend viele und große Schlupflöcher gesorgt haben. Die Last der notwendig beschwerlichen Umsetzung wird der Exekutive aufgebürdet. Diese wird dann des Bürokratismus beschuldigt. Und es werden Ressourcen gebunden, die beispielsweise für die Digitalisierung der Verwaltung gebraucht werden. Und es werden die Ausführenden als Schlafmützen und Bremser beschimpft. Es fragt sich: Hatte der Gestzgeber alle Tassen im Schrank gehabt? – Fritz Haisch

 

Im Artikel “Alle Tassen in den Schrank” wird als Voraussetzung für die neue Pflicht eine Größe von min. 80qm und mehr als 5 Beschäftigte genannt. Es ist doch aber so, dass bereits nur eine der beiden Voraussetzungen genügt oder?! Hier wird suggeriert, wenn nur eine nicht erfüllt ist, das Unternehmen von der Pflicht ausgenommen ist. Vielleicht könnt ihr das klären. Eine andere Sache diesbezüglich:

Edeka schreibt zu seinem neuen System “Regood”, dass To-Go Becher vom Kunden gereinigt werden müssen. So steht es auf den Flyers und Ausstellern. Auch auf Nachfrage bei der Filialleitung wurde mir gesagt, dass ich die Becher zu reinigen habe. Das kann so jedoch nicht richtig sein und verleitet doch nur dazu wieder Einweg zu nehmen. Ich frage mich, ob das von Edeka gewollt ist um weiterhin die kostengünstigeren Einweg Becher abzusetzen. – Daniel Jacob

 


 

 

Leserbriefe zu „Wie lässt sich die Demokratie beleben?“ von Samiha Shafy

 

„Welch Schauspiel! Aber ach! ein Schauspiel nur!“ (Goethe: Faust) Bekanntlich reagierte Platon auf das skandalöse Todesurteil gegen Sokrates mit einem Schock. Er hielt die von Sokrates praktizierte Hebammenkunst (Mäeutik) der Meinungsbildung für gescheitert, misstraute fortan der Politik und ihrem Personal, verachtete die bloßen Meinungen der Leute und versuchte den Riss in der Welt dadurch zu heilen, dass er den schwankenden Grund der Ansichten durch das sichere Fundament ewiger Ideen ersetzte und die Herrschaft einem Philosophenkönig anvertrauen wollte.

Knapp zweieinhalbtausend Jahre später ist Hélène Landemore an einem ähnlichen Punkt der Geschichte angekommen. Sie will die vermeintlichen Defizite der Demokratie dadurch heilen, dass sie Wahlen und Politiker abschafft. Politikern wirft sie vor, sie liebten das Licht der Öffentlichkeit allzu sehr und seien zu häufig Narzissten und Psychopathen. Ist das noch Politiker-Bashing, oder ist das schon Wissenschaft?

Sie ersetzt Platons Philosophenkönig durch einen Algorithmus, der als neuer deus ex machina das ständig wechselnde Personal von Bürgerräten repräsentativ auswählt und für eine kurze Zeit auf die Bühne hebt. In der schönen modernen Welt ihrer open democracy wird die sichtbare politische Elite beseitigt. Dafür steht die tapfere Laienschar der Bürgerräte im Rampenlicht, während auf dem Schnürboden der Macht sich jene Obermaschinisten einfinden, die schon immer gerne im Verborgenen wirkten, wahlweise als graue Eminenzen, Strippenzieher oder Kulissenschieber.

Landemore will Wahlen abschaffen. Damit nimmt sie nicht nur den Bürgern ihre Stimme, sie misstraut offenbar auch deren Fähigkeit, geeignete Personen auszuwählen. Aber warum sollten die gleichen Bürger dann in der Lage sein, über Sachverhalte zu entscheiden? Wieviel Legitimität bleibt einer Demokratie noch, wenn die grundlegenden Bindungen zwischen Staatsvolk und Eliten gelöst werden? Die open democracy hat das Zeug zu einer hübschen kleinen Dystopie.

Bürgerräte verkörpern, wenn sie denn repräsentativ sind, zwangsläufig alle Meinungen, Irrtümer und Vorurteile, die im Umlauf sind. Sie treffen nicht allein deshalb schon „richtige“ Entscheidungen, weil sie repräsentativ ausgewählt wurden. Zuerst nur ein freischwebendes statistisches Konstrukt, können sie zu einer sozialen Gruppe werden, wenn sie einander zuhören und miteinander – nicht über-, durch- oder gegeneinander – reden; so lange, bis sie ihren Meinungen auf den Grund gegangen sind und einander schließlich verstehen.

Dann ist Vernunft dabei, und auf diesem Weg lassen sich gute Ergebnisse erzielen. Warum sollte das nicht auch in der Gesellschaft insgesamt gelingen? Die Demokratie lässt sich beleben, wenn und indem wir das dysfunktionale Modell unseres öffentlichen (v.a. digitalen) Gesprächs überwinden. Das mögen leidenschaftliche Anhänger des Twitterns oder Zwitscherns anders sehen, aber ein solcher neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit (Habermas) könnte Hoffnung wecken. Nach zweieinhalbtausend Jahren ist es höchste Zeit, sich wieder an Sokrates und seine Kunst des Gesprächs zu erinnern. – Walter Martin

 

Wie verführerisch: eine Demokratie nach Themen, nicht nach Köpfen, Kapitalen oder Institutionen! An kommunalen Fragen ist das sogar lange erprobt, im Rahmen der sogenannten Dienel’schen Planungszellen oder Bürgergutachten; sie produzieren anerkannt praktikable und akzeptierte Lösungen.

Aber ginge das denn auch in einer Königsdisziplin, etwa in der Außen- und Sicherheitspolitik? Kant sagt: „Ja!“ und nennt in seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“ gleich den Vorteil eines unmittelbar rückgekoppelten Schmerzes: „Wenn … die Zustimmung der Staatsbürger dazu erfordert wird, um zu beschließen, ob Krieg sein solle, so ist nichts natürlicher als dass, da sie alle Drangsale des Krieges selbst beschließen müssten, (als da sind …,) sie sich sehr bedenken werden, ein so schlimmes Spiel anzufangen.“

Das gegenteilige role model sind Parlamentarier vom Kaliber eines Dr. Schäuble, heute in seiner 14. Wahlperiode. Zu Beginn der Neunziger war er einer der profiliertesten Befürworter des Aufbruchs der Bundeswehr in die Ära von Auslandseinsätzen mit scharfem Schuss. Diese besondere Errungenschaft ist ungeachtet massiver Fehlschläge und vielfacher Verluste und Traumata bis heute nicht ernsthaft hinterfragt. – Dr. jur. Karl Ulrich Voss

 


 

 

Leserbriefe zu „Willst du mit mir gehen?“ von Charlotte Parnack

 

Die Textzeilen „There’s so much love / So many different kinds of love“ (zum Beispiel auch „friendship“) von Camp Cope (aus „Sing Your Heart Out“) passt ziemlich gut zu Ihrem Interview. Möge die Liebe / Freundschaft zwischen Ernie und Bert noch möglichst lange halten!

Ich weiß nicht, ob Georgia, Kelly und Thomo in ihrer Kindheit auch die Sesamstraße geguckt haben, könnte mir dies aber sehr gut vorstellen, weil sich die Band ebenfalls stark für Diversität einsetzt. Und die Sesamstraße war ja eine Vorreiterin dafür, lange bevor dieser Begriff in Mode kam. Die gestreiften Pullover von Ernie werden übrigens von Thomo und der Singer-Songwriterin Angie McMahon (ebenfalls aus Melbourne) aufgetragen.

Dass Ernie und Bert immer wieder Homosexualität nachgesagt wird, ist Quatsch! Wenn, dann sie die beiden doch wohl eher objektsexuell orientiert (Quietscheentchen, Büroklammern). Aber auch das ist Blödsinn, weil es sich, wie schon oft genug betont wurde, um Puppen handelt. Bei Marcie und Peppermint Patty von den Peanuts bin ich mir jedoch nicht sicher, ob sie nicht vielleicht doch lesbisch sind. Jedenfalls habe ich ein entsprechendes Gerücht gehört. Lustig sind diese Spekulationen auf jeden Fall, mehr aber auch nicht. – Thomas Manthey

 

Ich glaube, Ernie und Bert sind meine Eltern. Unterschiede ziehen sich vielleicht nicht deshalb an, weil die entstehende Spannung einen Reiz erzeugt, sondern weil man voneinander lernen kann. Meine Eltern sind seit 46 Jahren zusammen. Ähnlich wie die Lieblingshandpuppen meines kleinen Ichs. Mama strickt Pullover und Schals streng nach Anleitung, Papa kauft im letzten Jahr spontan einem Kumpel den alten Roller ab, um damit von Lübeck nach Paris zu rollern. Mama vermittelt mir eine Liebe zum gedruckten Wort, korrekte Kommasetzung und warum man in Bücher keine Eselsohren macht. Papa zeigt mir wie man spontan Fremde anspricht, Kartoffeln beim Nachbarn klaut und warum eine blutende Nase nach dem Schlittenfahren zum guten Ton gehört. Es sollte leicht zu erkennen sein wem ich welche Rolle zuschreibe.

Würden unsere Freunde aus der Sesamstraße zu einer Puppe fusionieren, entstünde eine fest im Leben stehende Durchschnittsperson, die selbst das Krümelmonster in Zeiten steigender Kekspreise nicht zu ängstigen vermag. Voilá! Die Ehe meiner Eltern. Ein Geben und Nehmen, ein Lernen und Wachsen. Mein Vater (Ernie) sorgt demnach dafür, dass meine Mutter begeisterungsfähig bleibt und meine Mutter (Bert) dafür, dass mein Vater eine vollständig ausgefüllte Grundsteuererklärung vorzuweisen hat. – Tessa Koop

 


 

 

Leserbriefe zu „Kann Amerikas Demokratie heilen?“ Streit von Fiona Hill und Yascha Mounk

 

Jahrzehntelang wurde die Leistungsfähigkeit des Staates runtergefahren: Schlanker Staat! Nur noch Kernaufgaben! Weniger Bürokratie! Mehr Privatwirtschaft! Ausgabenkürzung! Sparen! Schwarze Null! Mit diesen Parolen haben Parteien Wahlen gewonnen. Bürger, die nun auch unter den Leistungsdefiziten unseres Staates leiden, haben diese Parteien gewählt. Viele Bürger haben auch jene Parteien gewählt, die alle möglichen klimapolitischen Fortschritte konsequent blockiert haben. Will sagen: Wir haben es offenbar mehrheitlich so gewollt und müssen nun mit den Folgen leben. Oder eben andere Parteien wählen, die über ihre Arbeit in den demokratischen Institutionen einen leistungsfähigen Staat herbeiführen wollen.

Und auch die Digitalisierung ernsthaft vorantreiben wollen. Allerdings sollten wir uns nicht zu viel erhoffen: Als Kunden kennen wir die Entwicklung bereits, im Zuge der Digitalisierung immer mehr Aufgaben von den Unternehmen zu übernehmen, die sich aus Kostensenkungs- und Gewinnmaximierungsgründen von bisherigen Serviceaufgaben trennen. Kurz: Eine ambivalente Gemengelage, die meines Erachtens zivilen Ungehorsam beim Themenkomplex „Digitalisierung / Grundsteuer“ nicht zulässt. – Reinhard Koine

 

Zweifel am kulturellen Horizont unserer späten Moderne: Der rauschhafte wirtschaftlich-technische Erfolg nicht nur der der westlichen, sondern all der globalen Kulturen, die an diesem Wettlauf teilnehmen, ist aus ökonomisch-technologischer Perspektive ein fazinierendes Geschäftsmodell. Ob dieser Erfolg auch ein kultureller Erfolg ist, wage ich nicht nur zu bezweifeln. Ich fürchte vielmehr, dass diese technisch-wirtschaftliche Engführung dessen, was wir einst „Kultur“ nannten, die Kultiviertheit und Integrität unserer Kultur schon weitgehend untergraben hat.

Es ist vor allem der wirtschaftliche Rausch, der – vergleichbar mit dem alkoholischen – all die Kultiviertheit, die aus alten Zeiten noch in Erinnerung ist, in diesem Rausch untergehen lässt. So wie wir die ökologischen Risiken einer technologisch übersättigten Kultur erkannt haben, so wäre es an der Zeit, nicht nur die Umwelt, sondern auch die „Inwelt“, die „Seele“, die geistig-kulturelle Kultiviertheit unseres Gemeinwesens wieder in den Fokus unserer Achtsamkeit zu bekommen. – Karlheinz Gernbacher

 


 

 

Leserbriefe zu „Jetzt wird abgeräumt“ von Lennart Laberenz

 

Wenn ich mir das Bild so anschaue, könnte man glatt meinen, dass sich da vor einem das dunkle Land Mordor erstreckt. Vielleicht habe ich in letzter Zeit auch einfach zu oft den Kompositionen Howard Shores gelauscht. Aber nach einer gesunden Landschaft sieht das definitiv nicht aus. Soviel steht fest.

Irgendwo muss unsere Energie ja herkommen, Herr Ayten, würde mir der dickliche Generalsekretär von den Sozialdemokraten wahrscheinlich zurufen. Das ist natürlich richtig. Doch was wäre falsch daran, wenn wir alle dieser Maschinerie etwas entgegenwirken würden, indem wir unseren schrecklichen Konsum grundsätzlich mal drosseln? Ich sehe schon, wie die ersten die Tomaten und die faulen Eier aus den Taschen packen. Und Christian Lindner sitzt mir nun auch im Nacken. Auf dem linken Streifen. Mit seinem Porsche. Und huuuuuuupt. – Michael Ayten

 

„Wer dreht hier an der „Eskalationsschraube“? Deutschland, warum checkst du ́s nicht? Wir sind eines der modernsten Industrienationen dieser Erde und hätten alle Mittel, die grüne Transformation schneller voranzutreiben. Aber wir meinen ernsthaft, auch noch in 2023 ein Dorf wie Lützerath für Braunkohle räumen zu müssen. Die Überzeugungskünste, die RWE über Jahre auf deutschem Parkett entwickeln konnte, hätte ich gern. Man einigt sich in NRW auf einen Kompromiss mit dem Konzern, der längst der Vergangenheit angehören sollte. Man hofft, dass der frühzeitige Kohleausstieg bis 2030 die jetzt zusätzlich ausgestoßenen Emissionen durch die Räumung Lützeraths irgendwie wiedergutmachen werden.

Werden sie aber nicht. Entscheidend ist es, jetzt CO2 zu senken, nicht zuversichtlich in die Zukunft zu blicken! Wir sind die Generation, die irgendwie so anstrengend politisch geworden ist, die wie eine surrende Mücke die ganze Zeit um die Ampel kreist, aber nicht weiß, wie man den „Laden am laufen“ hält. Wir seien verzogen und kennen uns bei allem Aktivismus nicht mit Recht und Gesetz aus, wie es ein Marco Buschmann tut. Ich muss nicht Jura studiert haben, um zu verstehen, dass sich hier aktuell gewaltige andere Rechtsbrüche auftun und das Pariser Klimaabkommen droht, nichts weiter als ein Blatt Papier mit Eckpunkten zu sein.

Warum nutzt man unsere Zeit nicht viel umfassender und nimmt sich ein Beispiel an Ländern wie Dänemark, welches sich nicht täglich um seine politischen Authentizitätsprobleme kümmern muss, sondern den Wandel gestaltet? Um ein starkes Land zu bleiben, muss man jetzt aus der Kohle aussteigen. Noch heute hat Energieökonomin Claudia Kemfert im Fridays for Future-Webinar zu Lützerath bestätigt, dass die Förderung unter Lützerath und den dahinterliegenden Dörfern liegende Braunkohle nicht für unsere Energiesicherheit notwendig ist.

Jetzt die durch einen Krieg bedingte Energiekrise und dazu noch einkommensschwache Haushalte für die Profitinteressen eines RWE-Konzerns zu instrumentalisieren und zu suggerieren, es gäbe keinen anderen möglichen Weg, um Energie in den nächsten Jahren erschwinglich anzubieten, ist mehr als schwach. Lützerath zu erhalten heißt, bis zu 280 Millionen Tonnen CO2 einzusparen und international endlich das Zeichen zu setzen, das man auf weltweiten Klimakonferenzen von anderen Nationen verlangt. Die Sorge vor gefährlichen Zusammenstößen zwischen Aktivist:innen und der Polizei teile ich selbstverständlich, aber @Mona Neubaur, wer dreht hier bitte an der „Eskalationsschraube“? – Anna Margarete Stricker

 


 

 

Leserbriefe zu „Trocken ins neue Jahr?“ von Elisabeth Raether

 

Einfach super geschrieben! Gleich zu Beginn musste ich schon schmunzeln, bei so einem Satz wie „Um elf Uhr vormittags wird es schon wieder dunkel.“ Oder „Aberaberaber“ sowie „Januaristen“ zeugen von einem gewitzten Geist. Im Grunde genommen ist der ganze Beitrag von Elisabeth Raether herrlich amüsant zu lesen. Lieben Dank dafür, Frau Raether, dass Sie uns zum Dry January an Ihrem Esprit teilhaben lassen, der so wundervoll leichtfüßig und leger daherkommt. Ganz nüchtern und frei von Alkohol, darf ich doch annehmen? – Michael Ayten

 

Umfragen sind schwer in Mode, die „Zeit“ folgt fleissig dem Trend und führt eine Umfrage zum aktuellen Thema „Dry January“. Warum nicht? Alkoholkonsum belastet die Gesundheit der Einzelnen und die Krankenkassen, also ist das Thema wichtig. Die Frage allerdings, ob die Enthaltsamen es ernst meinen oder scheinheilig handeln, sagt mehr über die Fragenden als über die Antwortenden aus. Wen soll ich denn anlügen, wenn ich einen Monat lang auf den geliebten Rotwein verzichte? Meine Gesundheit? Mein Gewissen? Die Zeitredaktion? Ich trinke jetzt nicht, aber Hihi!

Das ist nur zum Schein! Wirklich ein absurder Gedanke. Im Gegensatz zum Rauchen schadet der – übermäßige – Konsum in der Regel lediglich mir selbst. Oder geht es um die 59%, die auf keinen Fall verzichten wollen und es deswegen vier Wochen trocken bleiben für Quatsch halten? Viel interessanter wäre zu erfahren, welche Erkenntnisse die Menschen, die dies praktizieren, daraus gewonnen haben, finde ich. Davon abgesehen ist doch jedes Glas – zu viel – weniger ein kleiner Sieg, oder? – Alain Sourrouille

 


 

 

Leserbrief zu „Wie romantisch muss Liebe sein?“ von Anna Mayr

 

In Anlehnung an das bekannte „Forum Alpbach“ in Tirol hatte die junge ÖVP im nahen Ort Längenfeld eine „sommerliche Kulturveranstaltung“ initiiert. Neben bekannten Persönlichkeiten wie Leopold Kohr („Small is beautiful“) und Prof. Robert Jungk, hielt ein Lehrer einen Vortrag zu diesem Thema. Er bekannte sich zu seiner freien Ehe, an der sich angeblich auch seine Frau freiwillig beteiligte. Monate später erhielt ich, wie andere Teilnehmer wieder daheim, eine höchst seltsame Pate, formal wie von einem Jugendlichen geschrieben und auch eher heiter illustriert: Sein Bruder war 16jährig beim Skifahren so auf eine Skikante gestürzt, dass er starb.

Ich glaube nicht an Zufälle. Lag nicht auf der Hand, dass der Sohn die Situation daheim nicht verkraftet hatte, ihr unbewusst so entfliehen wollte? Bald darauf begegnete ich eine Bekannte vom Sommer, die ebenso reagiert hatte wie ich. Es gibt auch einen Egoismus zu zweit. Was wir tun und lassen, ist eben nur so lange allein unsere Angelegenheit, als nicht auch andere davon betroffen sind, vor allem unsere Allernächsten. Wir sind immer verantwortlich. Niemand lebt in einer luftleeren Blase, sondern in mancherlei Beziehungen. Und zudem geben wir unausweichlich auch ein Beispiel, nicht immer ein gutes. – C. Preyer

 


 

 

Leserbrief zu „Wozu verpflichtet Reichtum?“ von Elisabeth Raether

 

Der Artikel vom 5.01.23 von Elisabeth Raether hat mich sehr amüsiert. Zu lesen wie eine schwerreiche Industrieerbin unter der Ungerechtigkeit des Steuersystems leidet – weil sie zu wenig Steuern abliefert bzw. abliefern wird, soll oder so. Zum Amüsement kommt – je länger ich mir den Artikel zugeführt habe – das blanke Entsetzen über dessen Naivität. Ist das Geld der Reichen dieser Welt in einem Tresor säuberlich gebündelt und weggesperrt? Ist das Vermögen von Jeff Bezos, Elon Musk oder Bernard Arnault für Vergnügungsreisen vorgesehen? Ich denke dem ist nicht so.

Solche Vermögen «ermöglichen» es Menschen mit hoher Intelligenz und Tatkraft ihre Vorstellungen umzusetzen. So ist die kapitalistische Welt in der wir leben. Ideen, die vom Publikum bevorzugt werden überleben. Ideen, die uns Vorteile bringen überleben. Ideen die unser Leben erleichtern überleben. Und in unserer Zeit überleben bevorzugt Ideen und Industrieverfahren, die günstiger, nachhaltiger und umweltschonender sind. Und damit sind wir wieder bei der Chemie, dem Ursprung von Frau Engelhorns Vermögen. Es steht allen Vermögenden frei, mangels Vorstellungskraft und Tatendrang das eigene Vermögen dem Finanzamt zu überweisen. Damit wird der Konsum von staatsabhängigen Institutionen und Menschen ein wenig angekurbelt. Das ist keine nachhaltige Investition.

Was mir hingegen anmassend erscheint, ist mangels Vorstellungskraft und Tatendrang andere Vermögende dazu anleiten zu wollen, sich dafür einzusetzen Ihre Vermögen vermehrt dem Staat zuzuführen. Der Artikel ist möglicherweise ein Anzeichen dafür, dass sich immer mehr Geld in den Händen von Menschen befindet, die damit nichts anzufangen wissen. Dazu sind aber wiederum die Banken da. Diese bieten trotz der vielen Negativbeispiele, die Plattform um Vermögen in den Blutkreislauf der Wirtschaft hinein zu pumpen. – Antonio L Adrover

 


 

 

Leserbrief zu „NETFLIX. Murder, Mystery und Milliardäre“ von Marie Serah Ebcinoglu

 

Frau Ebcinoglu schreibt in ihrer Woche-Kolumne, dass Glass Onion „kurz nach Streaming-Veröffentlichung rund 35 Millionen Zuschauende auf die Couch lockte.“ Gäbe es bei der Zeit noch ein Lektorat, dem Sprache und deren Bedeutung nicht dem Zeitgeist untergeordnet würde, wäre dieser Nonsens wohl wem aufgefallen: Wieso hätte man das Zielpublikum denn noch auf die Couch locken sollen, wenn es sich dabei eh schon „Zuschauende“ handelte. Lieber lerne ich alle paar Monate mit einem neuen Sonderzeichen zu gendern als dass Sprache schrittweise ihrer Bedeutung beraubt wird, damit alle Geschlechter sich (falsch!) angesprochen fühlen. – Thea Völk

 


 

 

Leserbrief zu „MENSCHENKENNTNIS AUS ALTPAPIER“ von Eberhard Rathgeb

 

Was sind das für seltsame Menschen, die erst Tagebücher führen, um sie dann einfach wegzuschmeißen? Und Leute, die Bücher ohne wichtigen Grund wegwerfen, wie zum Beispiel Schimmel, was mir leider schon einmal passiert ist, sind für mich Verbrecher. In Österreich gibt es doch garantiert auch Bücherschränke, wo die Bücher wenigstens noch weitergereicht werden können. Nicht nur Deutschland scheint es uns immer noch zu gut zu gehen (Stichwort: Leerpfand, sogar VOLLE Pfandflaschen werden einfach liegengelassen), in Österreich scheint das offenbar auch der Fall zu sein. – Thomas Manthey

 


 

 

Leserbrief zu „»Der Dornenkranz ist die Krone des Dichters«“ von Valerie Schönian

 

Eine erschütternde Reportage über den hohen Preis, den die Zivilbevölkerung und allen voran ihre politisch-oppositionell engagierten Bürger in einem imperialistischen Regime bezahlen müssen. Die Bitte von Artyom Kamardin „Bitte vergesst mich nicht“ soll uns Mahnung und Ansporn sein, die Aufmerksamkeit unserer freien Berichterstattung über eine einmalige Reportage hinausgehend auf jene tapfere Aktivisten zu richten und ihnen damit die solidarische Unterstützung zukommen zu lassen, auf die sie dringend angewiesen sind. Ich würde es begrüßen, wenn die ZEIT über Artyom Kamardin in regelmäßigen Abständen weiterberichten würde, bis hoffentlich eines Tages die Meldung „Entlassen aus dem Gefängnis“ publiziert werden kann. Selbiges gilt für andere Aktivisten wie z.B. den belarusichen Oppositions-Aktivisten Roman Protasewitsch. – Dr. David Müller

 


 

 

Leserbrief zu „»Sie gehörte zu unserer Riege«“ von Jil Sander

 

Frage: Was haben die Queen, Pele, Vivienne Westwood und noch zu guter Letzt Alt-Papst Benedikt wohl gemeinsam? Antwort: Ich muss jetzt lernen ohne diese „Fanta Vier“ auszukommen; „ewig schade“! Eine von den politischen Standpauken 2023, die vom Bundeskanzler, die hat mich dann doch völlig kalt erwischt, die Flucht davor, die war mir nur noch bedingt möglich! Jetzt heißt´s es daher für mich, stark bleiben, einige Male (maskenlos) durchatmen und den lieben Gott einfach nur einen guten Mann sein lassen! – Riggi Schwarz

 


 

 

Leserbrief zu „Spieglein, Spieglein auf dem Sand“ von Viola Kiel in ZEIT leo, die Seite für Kinder

 

Als 4-fache Oma habe ich Ihren Artikel mit großem Interesse gelesen. Vermutlich wollte die Autorin den jugendlichen Leserinnen nicht nur die Technik der Umwandlung der Sonnenstrahlen in elektrischen Strom erklären, sondern ihnen auch ihre Angst vor der ungesicherten Zukunft verringern. Aber es geht nicht nur um Deutschlands Heranwachsende. Die marokkanische Wüste ist „Privatbesitz“ der Nomaden, des marokanischen Volkes.

Während des Lesens ploppte bei mir der Spruch auf: „Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich!“. Mich beschlich die Befürchtung, dass in unserer jungen Generation die kolonialen Gedanken des reichen Norden neu belebt werden. Hoffentlich teilt Afrika seine Ressourcen friedlich mit uns. (Übrigens war das gleißende Licht an der Turmspitze des Kraftwerkes aus kilometerweiter Entfernung zu sehen. Stört es die Bewohner von Ouarzazate wirklich nicht?) – Gerda Maßmann

 


 

 

Leserbrief zu „Einfach weitermachen“ von Linda Tutmann

 

Ich finde den Artikel und die Haltung von Herrn Tielemann beeindruckend, aber mich wundert, dass der finanzielle Aspekt des Heimaufenthaltes überhaupt nicht erwähnt wird. Wenn mein Mann oder ich selbst ins Pflegeheim müssten, hätte der andere Partner sehr bald ein großes finanzielles Problem, denn die hohen Heimkosten würden sehr schnell unsere Ersparnisse auffressen und nicht nur der Pflegebedürftige selbst, sondern auch sein Partner würden rasch verarmen.

Der Partner müsste u. a. wahrscheinlich sehr bald in eine preiswertere Wohnung – wir wohnen zur Miete – umziehen, sofern sich eine solche heutzutage überhaupt noch finden lässt, und ihm bliebe zum Leben nur das Existenzminimum. Die gesetzliche Pflegeversicherung übernimmt ja bekanntlich nur einen geringen Teil der Heimkosten. Frau Tiedemann hat als Beamtin gearbeitet, vermutlich übernimmt der Staat bei ihr die verbleibenden Heimkosten vollständig. Bei Angestellten des Staates oder in der Privatwirtschaft tätig gewesenen Rentner*innen ist das allerdings nicht der Fall. – Dr. Ulrich Willmes

 


 

 

Leserbrief zum Titelthema „Zwölf Ideen für eine bessere Zukunft“ von Anant Agarwala et al.

 

Lese Ihre Aufmacherseite Ihrer Zeitung.“Zwölf Ideen für eine bessere Zukunft“. Bin entsetzt, dass dort ein Verweis auf FRIEDEN fehlt. Ohne Frieden ist alles andere Schrott. Wieso fehlt dieser Verweis auf der Aufmacherseite??? Oder wollen Sie Krieg? Habe die Zeit trotzdem gekauft. – Rehberg-Pawlowski

 


 

 

Leserbrief zu „Der Diktator hat sich verzockt“ von Yves Bellinghausen

 

Ein treffsicher Beispiel für die Steigerung von liberal < libertär < verblödet oder hirntot durch Geldgier. – H. Giller

 


 

 

Leserbrief zu „PROMINENT IGNORIERT. Sechs Richtige“ von HBK

 

Mich veranlasste die Randnotiz, PROMINENT IGNORIERT ,Sechs Richtige‘, ein wenig zum Schmunzeln. Der Lottogewinner, der seinen Gewinn nicht abgeholt hat, ist vor übermäßiger Freude vermutlich einem Herzinfarkt erlegen (und deshalb nicht konnte) und der Lottoschein von den Nachlass-Angehörigen unbeachtet im Papierkorb entsorgt worden. Eine mögliche Erklärung für dieses Pech. Was mich aber stutzig machte, war das Symbolfoto, immerhin einspaltig, des Fotografen Flavio Coelho von/für Getty Images:

Auf dem abgebildeten Ausschnitt ist zweimal die 36 zu sehen. Und wenn man sich das ganze Foto betrachtet, sind auch größere Zahlen als die 49 darauf. Hierzulande heißt es 6 aus 49. Also, mit einem leichten Lächeln: Liebe Fotoredaktion, als kleiner Aufmerksamkeits-Test gut gemacht! PS Können Sie aber auch ignorieren, es gibt ja immer wieder Leute, wie mich, die nach einem Haar in Suppe suchen. – Berndt Fischbeck

 


 

 

Leserbrief zu „Ideen für die Welt von morgen“ von Rudi Novotny

 

Danke für diese anregenden Ausblicke. Wirklich tröstlich, dass wir Menschen so viele Werkzeuge für ein neues Zusammenleben auf diesem Planeten eigentlich schon haben. Mir fehlt in Ihrem Spektrum aber ein wichtiges Element. Bitte thematisieren Sie, was wir alle für unser inneres Wohlergehen und unsere Friedensfähigkeit beitragen und entwickeln können. Schließlich ist ja auch unsere Seelenlage entscheidend, wie wir mit uns und der Welt umgehen. Meditation, Selbststärkung, Freude und Verbundenheit – all das braucht genauso viel Aufmerksamkeit wie technisches Knowhow. Da stehen viele Leute noch ganz am Anfang und sind in ihrer Egoblase eingesponnen. Und dann rettet uns auch nicht gut gemeinte Ingenieurskunst. Danke und viele Grüße an Ihre tollen Mitarbeiter*innen! – Gabriele Heise

 


 

 

Leserbrief zu „Können wir im Einklang mit der Natur leben?“ von Peter Neumann

 

Danke für den Hinweis auf die Philosophin Rosi Braidotti. Ich frage mich allerdings, was an ihrem Denken so neu ist. Für diesen Blick auf die Welt hat vor 30 Jahren schon Günter Altner mit seinem Buch „Naturvergessenheit. Grundlagen einer umfassenden Bioethik“ geworben. Und die Frage ist natürlich nicht, ob wir im Einklang mit der Natur leben können, sondern ob wir das wollen – anders wird es eh nicht gehen. Ich hoffe deshalb, Frau Braidotti kann zeigen, wie wir vom Wollen ins Handeln kommen! – Peter Stoltenberg

 


 

 

Leserbrief zu „Er schrieb mit Verstand und Herz“ von Gerhard Ludwig Müller

 

Obwohl ich Laie bin, und dann auch noch Nicht-Katholik, möchte ich doch erheblichen Zweifel an mindestens einer Formulierung des obersten Bekenntniswächters der katholischen Kirche anmelden – selbst wenn das nicht zu ihm durchdringen wird, und er mich wegen der „fehlenden Voraussetzungen“ ohnehin auch dann als nicht satisfaktionsfähig abtun würde. Über Bendedikt XVI. schreibt Müller u.a.: “Uns Jüngeren machte er klar: Es geht nicht um das Überleben der Kirche als Instution, sondern um ihren Dienst am Menschen, an seinem Heil und seiner Beziehung zu Gott …“ Wie so viele Andere habe ich das genaue Gegenteil davon bei Ratzinger und später Benedikt wahrgenommen, insbesondere, aber nicht nur, beim Thema Missbrauchsskandal. Im Hauptartikel, dem Nachruf von Evelyn Finger – vielen Dank dafür! – steht es doch glasklar:

„Sein Fehler war, dass er sich zu lange weniger um die Opfer sorgte als um seine Kirche.“ Und offenbar eben nicht um den „Dienst der Kirche am Menschen“, haben doch gerade Mitglieder des Klerus gegen Menschen, die ihrer Kirche vertrauen wollten, Gewalt ausgeübt, die dann zugunsten des scheinbaren Schutzes der Institution Kirche verheimlicht, verschwiegen, abgestritten wurde. Hauptsache, an der Kirche wird nichts gekratzt und bleibt nichts hängen. Die Formulierung „Dienst am Menschen“ wirkt so als blanker Zynismus, so müssen das auch die Missbrauchsopfer empfinden.

Bis heute ist mir unbegreiflich, wie lang es gedauert hat, bis die Institution Kirche mühsam anfing einzusehen und danach auch zu handeln, dass Vergehen oder Verbrechen ihrer Priester, bis ganz oben in der Hierarchie, eben nicht nur kirchenrechtlich zu beurteilen sind, sondern dass diese als Bürger dem zivilen BGB und dem Strafrecht genauso unterliegen wie jeder Andere in Deutschland.

In einem Artikel einer anderen Zeitschrift wird Ratzinger mit einer Einschätzung eines Buches oder eines langen Artikels zitiert: „Zutiefst religiös – aber nicht zutiefst römisch-katholisch“. Zeigt das nicht überdeutlich, dass es ihm genau um die Institution der katholischen Kirche ging, nicht um Christentum? Um „seine Kirche“, die allein die ewige Wahrheit zu besitzen behauptet, die mit ihrer Auslegung der Schrift und ihren eigenen Dogmen wichtiger genommen wird als der Bibeltext? Die allein definieren darf, was „Christ sein“ ist? Wie wäre sonst das Verdikt zu erklären, die lutherisch-protestantische Kirche sei „keine Kirche im wirklichen Sinn“?

Im Beitrag von Kardinal Müller steht auch, Ratzinger habe gelehrt: „Mit einer kosmetischen Modernisierung der Kirche ist es nicht getan. Erst wenn ihre Botschaft ankommt, dann wird auch die Kirche wieder interessant“. Es wäre interessant zu erfahren, welche nicht allein als kosmetisch abgetane Modernisierung der verstorbene Ex-Papst, und auch sein Apologet und Amtsnachfolger bei der Glaubenskongregation Müller, anerkannt hätten. Sind denn die Dinge, um die sich der „Synodale Weg“ so intensiv bemüht, nicht das genaue Gegenteil einer „kosmetischen Modernisierung“, sondern vielmehr der verzweifelte Versuch, die von Ratzinger und Müller beschworene Botschaft der Kirche wieder erlebbar zu machen?

Zum im Betreff angesprochenen Rechtschreibfehler: Kardinal Kaspers Beitrag liest sich glücklicherweise weniger weihevoll und menschlicher als der von Kardinal Müller. Allerdings hätte eine gute Schlussredaktion unbedingt finden müssen, dass das Rechtschreibprogramm „ … Katheter des Professors …“ hat durchgehen lassen (erster Absatz letzte Spalte), und das fünf Wörter, ehe dort richtig „ … Cathedra das Bischofs …“ steht … – Friedrich-Karl Bruhns

 


 

 

Leserbriefe zu „AM SCHMERZPUNKT“ von Jana Simon im ZEIT Magazin

 

Ein Buch der Schriftstellerin Juli Zeh habe ich noch nicht gelesen, aber was noch nicht war, das könnte ja mal noch werden! Mir gefällt besonders gut an ihr, dass sie diese Corona-Zwangsmaßnahmen kritisiert hat und auch gegen Waffenlieferungen an die Ukraine ist. Mit Waffen Frieden schaffen heißt da diese steile These der Ampel und sonstigen „Polit-Komiker“, die es nicht nur in Deutschland gibt, bzw. geben soll. Streitbare Streiterinnen ohne „schwere Waffen“, wie eben eine davon diese Juli Zeh ist, solche Menschen braucht es nicht nur in unserem Land, die bräuchte es auf der ganzen weltweiten Welt und zwar ganz dringlich! – Klaus P. Jaworek

 

Mit großem Interesse habe ich gelesen was Sie im Zeitmagazin Nr. 2 in diesem Jahr in Ihrem Artikel über Ihre Begegnungen mit Julia Zeh geschrieben haben. Jeder „Bericht“ über erlebte Begegnungen mit Personen beinhaltet die Gefahr zu subjektiver Färbung des Verfassers oder in diesem Fall der Verfasserin. Respekt – Ihr Bericht lässt viel Raum für eigene Empfindungen des Lesers. Bei Ihrem Bericht hat sich bei mir ein vermeintlich klareres Bild zu der Person Julia Zeh eröffnet.

In der Tat sind kritische Kommentare Dritter zu Ihrer Argumentation zum Krieg in der Ukraine wie „ zynisch“ etc. für mich nachvollziehbar. Einen sehr gut argumentativ formulierten Kommentar hat dazu Dr. Ernst Hillebrand (Leiter des Projekts European Economies of the East der Friedrich-Ebert-Stiftung in Budapest) hier veröffentlicht. https://www.ipg-journal.de/rubriken/aussen-und-sicherheitspolitik/artikel/kommentar-zum-zeit-appell-ukraine-6043/

Was Julia Zeh angeht, hat sich bei mir der Eindruck verfestigt, dass sie ein exorbitant rational orientiert denkender Mensch ist, der bei seiner Analyse der notwendigen Handlungsweise als aktuelle Konsequenz beim Krieg in der Ukraine ein Basiselement jeder Analyse – nämlich das Einbeziehen der emotionalen Betrachtungsweise und hier der Menschlichkeit unterschlägt. Ob bewusst oder unbewusst ist in diesem Fall gleichgültig, leider aufgrund ihrer Popularität aber öffentlich stark wirkend und damit meinungsbildend. – Klaus-Martin Braun-Leuwer

 

Juli Zeh zeigt sich emotional auffällig unbeteiligt. Sie scheint zu den Dingen dieser Welt den affektiv distanzierten Zugang einer hochbegabten Juristin zu haben -„nüchtern, analytisch, ergebnisorientiert“. „Mit dem Argument (Vorwurf?), sie nehme in Kauf, dass Menschen in der Ukraine sterben, kann sie nicht viel anfangen“. „Das ist ein Totschlagargument, das sachliches Diskutieren verhindern soll“. Der Moderator Elstermann zeigt sich bewegt. Er sagt zum offenen Brief bzgl. des Ukrainekrieges im April letzten Jahres, dass darin den Überfallenen, den Ukrainern, eine Verantwortung für den Friedensprozess zugeschrieben werde. Mit wem solle man Diplomatie machen? Mit Lawrow? Zeh antwortet, sie habe den Brief nicht mitformuliert.

Sie habe überhaupt etwas sagen wollen. Sie fragt, „wo soll das hinführen, was wir gerade machen“. Es entsteht eine kurze Pause (der Betroffenheit?). Elstermann erzählt sehr persönlich, wie tief ihn selbst dieser Krieg trifft, von seiner enttäuschten Liebe zu Russland. Zeh betrachtet ihn von der Seite, eine Hand in ihrem Haar. Es sieht aus, als könne sie nicht soviel damit anfangen. Für sie ist die wesentliche Frage, was zu tun sei. Sie findet, man darf mit Putin verhandeln. Als wäre das die entscheidende Frage: DARF man mit Putin verhandeln? Als gebe es da ein Verbot. Wer verkennt da die Situation in der Ukraine und im internationale Machtgefüge?

Wenn es um die Anerkennung und Durchsetzung des Völkerrechts in einem Angriffskrieg gegen einen souveränen Staat unter dauernder Missachtung der Menschenrechte geht. Wo war/ist Putin verhandlungsbereit? Nur wenn seine Bedingungen erfüllt werden! Kann man so überhaupt ergebnisoffen verhandeln? Zeh sagt dann etwas später in einem Interview mit dem Spiegel, sie glaube nicht, „dass Russland sich militärisch besiegen lässt“. Ist das nicht ein „Totschlagargument“. Darf man einen Verteidigungskampf mit einem „unbesiegbaren“ Autokraten führen, der sich über internationales Recht hinwegsetzt und seine Raketen wahllos ins Land und auf die Bevölkerung schießt. Muss man ihm unbedingt sofort entgegenkommen?

Jeder Krieg endet mit Verhandlungen. Klar. Und Russland als Supermacht wird nie völlig zu besiegen sein, so dass es militärisch und wirtschaftlich völlig am Boden liegt. Ok. Nur gibt es davor nicht noch andere Gesichtspunkte? Etwa dass das Verhältnis zwischen den einzusetzenden kriegerischen Mitteln und vor allem der „Manpower“ (auch so ein nüchtern abstrakter Begriff) und der realistischen Erfolgsaussicht (die für Putin zunehmend schwindet) aus der Balance gerät und damit glaubwürdige und ausgeglichene Erfolgschancen für beide Seiten entstehen? Findet sich da nicht ein überzeugendes Ziel für die Ukrainer, für das sie nach all ihren weit zurückreichenden, mühseligen und opfervollen Bemühungen um Souveränität in ihrer Geschichte kämpfen können und wollen?

Und dann stellt sich noch so eine Frage: Was gilt in einem öffentlichen Diskurs? Nur ein „sachliches“ Diskutieren? Ist die Äußerung von Betroffenheit kontraproduktiv? Auch wenn Frau Zeh das so vielleicht nicht sagen möchte, so klingt doch so eine Einstellung in ihrer Diktion und auch in ihrem nüchternen Auftreten immer wieder an. Sie kann auch nicht verstehen, dass jemand, der ihr eigentlich wohlgesonnen ist, wegen ihrer Unterschrift zu diesem „Ukrainebrief“ fassungslos wird. Einerseits ist es unverkennbar, dass sie mit ihren politischen aber auch allgemeinmenschlichen Statements so etwas wie das moralisch-ethische Empfinden vieler Menschen trifft, und das in einer Zeit einer sehr verbreiteten Orientierungssuche, andererseits ist sie darüber verwundert, wenn sie sich mit ihren Äußerungen bisweilen außerhalb dieser Erwartungen stellt und das Navi der Leser nicht eins zu eins bedient.

Prinzipiell ist es vielleicht ihr Bedürfnis, Erwartungen dieser Art eben nicht zu bedienen. Sie möchte schon, dass sich in einer Demokratie alle um eine eigene Meinungsbildung bemühen, möchte dann aber doch nicht sehen, dass sie Menschen, die sich bei ihr Orientierung versprechen, enttäuscht und damit vor den Kopf stößt (fassungslos macht). Ihre Art, Autoritäten jeglicher Art im öffentlichen Leben die Zunge rauszustrecken oder die Nase zu zeigen, kommt offensichtlich an und beschafft ihr Sympathien. Ist ja auch schön. Nur weigert sie sich dann, selbst zu einer Autorität zu werden und Orientierung anzubieten. Lieber zeigt sie auch solchen Menschen die Zunge und wundert sich, dass die dann fassungslos werden. Irgendetwas hat sie offensichtlich nicht kapiert in unserer Gesellschaft, die sich demokratisch nennt. – Gerd Schillmöller

 

Guten Tag, die ZEIT-Autorin stellt die Frage: „Warum ist die Schriftstellerin Juli Zeh so erfolgreich?“ Das habe ich mich auch gefragt. Ich will Jana Simon nicht auf die Zehen treten, aber ihre Überraschung über einige hundert „Andersdenkende“ bei den Veranstaltungen der Schriftstellerin ist entweder gespielt oder naiv. Die „Abweichler“ wollen, dass jemand, den sie für kompetent halten, ihre verqueren Ansichten „legitimiert“. Und bei den Anti-Corona-Demonstrationen maschieren Tausennde mit. Die Namensnennung von Juli Zeh in einem Atemzug mit Günter Gras und Heinrich Böll empfinde ich als vermessen und als Versuch auch DIE ZEIT als Plattform zu überhöhen.

Ich bin betrübt, dass zwischen mir und der ZEIT – nach über 60 Jahren durchaus wechselhafter Stimmungslagen – eine schleichende Entfremdung statt- findet. In ihrem Bemühen eine Streitkultur zu fördern, lässt sie immer mehr stark ich-zentrierte Autoren zu Wort kommen, deren Äußerungen und bewussten Provokationen mehr auf Eigenwrkung als auf Beitrag zur Vielfalt der Meinungen angelegt sind. Ich denke da an Juli Zeh, Thea Dorn, Maxim Biller, Andrea Petkovic, Anna Mayr, u.a. Nicht immer bürgt ein Name für QUALITÄT. – Sven Herfurth

 

Frau Zeh vergleicht in der Veranstaltung im Potsdamer Waschhaus im Juni 2022 den Krieg in der Ukraine mit den Jugoslawienkriegen und schlägt eine Vertragslösung auch mit Massenmördern vor. Nach den Verträgen von Dayton und Erdut im Jahre 1995 musste die NATO im Jahre 1999 Belgrad fast drei Monate bombardieren, um den Konflikt im Kosovo einzufrieren. Schlägt Frau Zeh also auch vor, dasselbe dann mit Moskau zu tun? Alles vom Ende her denken. Wenn die russische Armee nicht mehr kämpft, gibt es keinen Krieg mehr. Wenn die ukrainische Armee nicht mehr kämpft, gibt es keine Ukraine mehr. – Ulrich Beisl

 

Was für ein Beitrag in heutigen Zeiten, die Kritik zu gesellschaftlich schwierigen Themen kaum noch zulässt. Obwohl ich mir vorgenommen hatte, aus der Mitte der Gesellschaft unbequem zu bleiben, haben Reaktionen der Familie/Freunde mich vorsichtiger werden lassen. Gemeinsam mit den Autoren*innen des Buches „Zielverführung“ (2017) wurden wir rasch in rechten Ecken untergebracht, denn dann erübrigte sich eine faire Auseinandersetzung und die Deutungshoheit stand eh schon fest… Liebe Frau Zeh, Sie geben mir den Mut für`s Unbequeme zurück. Meinen Dank verbinde ich mit der Neugier auf „Zwischen Welten“. – Prof. Dr. Ines Heindl

 

Warum Frau Zeh so erfolgreich ist? Kunststück: Zur Hälfte etwa, weil sie von der ZEIT bzw. dem Zeitmagazin so – unverschämt – hofiert wird wie keine andere ihres Fachs, ja sogar wie keine anderen Künstler überhaupt, auch wenn ich jetzt dazu keine Statisitik geführt habe. Sie ist mir als Person völlig gleichgültig. Ob sie Erfolg hat oder nicht, wäre mir auch egal, wenn sie mit halbwegs gleichen Maßstäben gemessen und starten würde wie andere.

„Sie kann durch ihre intellektuelle Argumentationsweise …“, Verzeihung: Was ist daran intellektuell?? Möglicherweise komplex oder kompliziert und nicht auf Anhieb verständlich, ist aber nicht gleich intellektuell. Überhaupt kann ich mit dem Begriff „intellektuell“ nur wenig anfangen, weil Tausende andere Menschen hierzulande mindestens ebenso intelligent sind und doch – in Konsequenz fälschlicherweise – nicht als „intellektuell“ gelten. Was für eine Überheblichkeit! Möglicherwie sind sie nicht ganz so sprachbegabt, haben aber u. U. andere besondere geistige Talente.

Und mit den sog. Intellektuellen ist es so eine Sache. Sobald sie sich in andere Bereiche einmischen, in denen sie sich nicht so gut auskennen, reden sie meist mehr Unfug als Hans Müller von nebenan mit seinem normalen gesunden Menschenverstand und vor allem seinem Bezug zur Realität. Günter Grass ist mit das beste und wohl häufigste Fehlleistungsbeispiel der sog Intellektuellen.

Und Frau Zeh? Aha: Sie sei keine Militärberaterin, meint sie zum Ukraine-Krieg. Keine Ahnung, ja noch nicht einmal eine Vorstellung davon haben, was wäre, wenn nicht, aber mitschwätzen gerne. Das sind mir die liebsten Diskurs-Teilnehmer/innen. Wir wissen alle nicht, was wird mit der Fortsetzung des Krieges. Aber wir ahnen auf Grund der Entwicklung in den letzten 15 Jahren recht genau, was würde, wenn nicht. Will sie diese recht einfache Schlußfolgerung nicht ziehen, aus Sturheit oder Bosheit? Wozu hat sie ihren hellen Kopf, s. Günter Grass? Und bei solchen realitätsfremden Menschen wäre es besonders wichtig, daß sie vor Ort und nicht auf dem Sofa daheim erlebt hätten, was draußen in Kiew, Donezk oder Luhansk passiert.

Bei der Corona-Geschichte nicht viel anders: Über Freiheiten labyrinthartig reden und die wichtigste Form der Freiheit, die geistige und körperliche Freiheit von schweren Krankheiten übergehen bzw. das rudimentäre Wissen darüber unberücksichtigt lassen, paßt nicht zusammen. Fazit: Wenn Sie sich aber beide gemeinsam-gegenseitig hochschaukeln wollen im Bekanntheitsgrad durch solche Artikel, dieser Eindruck läßt sich nicht vermeiden, sagen Sie es bitte gleich. Dann kann man sofort weiterblättern oder die ZEIT „woanders“ lesen. – Rolf Heeger

 

Die Schmerzlosigkeit von Juli Zeh tut richtig weh. Das kann es doch nicht gewesen sein. Mangel an Empathie ist keine Meinung, also gibt es da auch keine Meinungsverschiedenheit. Meine Kritik gilt nicht Juli Zeh, sie muss mit ihrer Unfähigkeit zu trauern allein fertig werden, sondern der Redaktion, die so tut, als ob sie eine Meinung zur Diskussion stellte. – Elisabeth Kübler

 

Ich finde es unverantwortlich im Detail zu beschreiben wo diese mutige Frau wohnt!!!! – M. Stauss

 


 

 

Leserbriefe zu „Prüfers Töchter“ von Tillmann Prüfer im ZEIT Magazin

 

Dieser Beitrag vom Vater Prüfer soll zeigen,wie wichtig den Eltern ihre KInder sind. MIr zeigt es aber deutlich, wie abgedreht manche, hier dargestellte Eltern sind, ihre Kinder zu erziehen. In der Welt (sicher nicht in der Welt, in der die „Zeit“ gelesen wird), wird in großem Maße gehungert. Der Artikel bewegt sich aber in einer Welt, in der „Satt ist out“ gilt. Was bringt man jedoch den Kindern bei, dass endlich „Hunger ist out“ gilt? – Eckhard Behrendt

 

<<ich ess das nicht<< das sagt die15 jährige zu ihrem Vater.Peüfer kann machen,was er will. Greta will nicht essen.Einige Fachleute sagen,einen Klapps hinter die Ohren.Gegessen wird,was auf den Tisch kommt. Klappse sind hierzulande verboten. Prüfer schlägt seine Töchter nicht. Da würde der Boulevard jubeln.Eine fette Schlagzeile.“Prüfer schlägt Tochter Greta und lässt sie verhungern“ DIE ZEIT wäre wohl zurückhaltender. „Was ist bei Prüfer los?“ Das wird auch von Studenten gelesen ,mit ZEIT Abo. Auch von Med.izinstudenten. Die hätten einen fabulösen Job für Greta,als lebendes Sklett in der Anatomie.Und nicht diesen künstlichen Knochenmann,der sonst da herumsteht. – Hans-Emil Schuster

 


 

 

Leserbrief zu „UNTER UNS IRANERN“ von Mariam Lau und Annabel Wahba im ZEIT Magazin

 

Es erleichtert mich fast ein bisschen zu lesen, wie pauschal in diesem Beispiel eine Iranerin über Deutsche spricht. Ein No-Go wäre es anders herum, aber eben wahrscheinlich auch normal. „Manchmal gucke ich mir die Deutschen an…. Und denke: Wir haben denen so viel von unserer Kultur beigebracht…“. Die Klassiker-Fehler! Ich finde es ehrlich gesagt gar ich so schlimm. Es sind typische Beobachtungsfehler, die jedem passieren können. Aber ich würde im umgekehrten Fall eben auch um Milde bitten. – Andrea Beck