Lesezeichen
‹ Alle Einträge

09. März 2023 – Ausgabe 11

 

Leserbriefe zum Titelthema „Lieber etwas länger arbeiten?“ von Mark Schieritz und Jens Jessen

 

Erfüllung heißt: Tun, wozu man begabt ist. Gerade im Alter. Der Beitrag löst bei mir zwiespältige Gefühle im Urteil aus: Bravorufe und Stirnrunzeln Ich bin einer derjenigen, der sich mit 65 Jahren in der Pension aus seiner 40jährigen Partnerschaft gelöst hat. Mich hat der Satz sehr getroffen: „Der auf Freiersfüßen animiert wandelnde Pensionär ist geradezu der Inbegriff jenes Wahns, der sich ausgerechnet das Greisenalter als Moment des Neuanfangs imaginiert.“ Ich wähnte mich mit meiner Entscheidung nicht in einem Wahn. Greisenalter? Darauf gehe ich jetzt mal nicht ein. Ich wollte nur keine Fortsetzung bis zum Grab. Kann nicht das, was der Autor selbst so vollmundig „Erfüllung“ nennt auch darin liegen, frei von Jahrzehnte langem Verpflichtetsein als nützliches Glied in Privatem und der Gesellschaft zu sich selbst zu kommen bedeuten? Und kann dazu nicht auch die Erkenntnis gehören, dass alte Beziehungen mehr Belastung als Lebensquell sind? Das hat mit Neuanfang nichts zu tun, außer man betrachtet den Vorgang technisch. Psychologisch betrachtet gibt’s Neuanfänge sicher nicht in fortgeschrittenem Alter. Wer behauptet das als Betroffener? Das Glück des Alters könnte aber genau darin bestehen, sich frei zu machen von Vielem, was nicht dazu gehört und zu sich zu finden, was immer man da findet. – Axel Emmrich

 

Personalmangel und Rentner-Unverständnis häufig hausgemacht. Mit 66 Jahren in Altersrente gegangen, war ich bereit, in einem anderen Mangelberuf auszuhelfen: Als Busfahrer im Linienverkehr. Doch unfähige Führungskräfte verhinderten den Wechsel in Teilzeit, da der ständig wechselnde Früh- und Spätschichtdienst „auf die Knochen“ geht. Führungskräfte sind überwiegend damit beschäftigt, keine Fehler zu machen und damit entscheidungsunfreudig zu werden, Calls, Meetings abzuhalten, Intrigen zu spinnen und solche abzuwehren – Wertschätzung Null für die Stützen des Business, die Fahrer, die tagtäglich pro Linie Hunderte von Schulkindern und Berufstätige sicher, pünktlich und verantwortungsbewusst von A nach B bringen. Alles dies im DB Konzern-Bereich, dessen Führungskräftestruktur schon bei den Großkopfteren mit den abgehalfterten Politikern marode ist und sich desaströs in die lokalen Betriebe fortsetzt. Da will man sich als Ruheständler, der, wie ich, auf kein finanzielles Zubrot angewiesen ist, nicht tritzeln lassen, die DB verzichtet dann, nach mehrwöchiger kostenintensiver Ausbildung, auf wertvolle DB SeniorExperts, ein ökonomischer wie arbeitsmarktpolitischer Harakiri. By the way: Eine ordnungsgemäße Gehaltsabrechnung, die den Rentenbescheid berücksichtigt, der ausweist, dass eben keine Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung abzuführen sind, liegt bis heute nicht vor, noch nicht einmal einfachste Vorgänge klappen im Konzernbereich DB. – Edmund Haferbeck

 

Es ist an der Zeit, endlich an der starren Verrentungsformel zu rütteln. Ich bin mit 68 im Januar 2022 in Rente gegangen (habe mit 17 angefangen zu arbeiten, unterbrochen durch ein Studium auf dem 2. Bildungsweg). Ich hätte auch noch länger Vollzeit gearbeitet (aktuell nur noch Minijob), weil ich noch fit bin und der Fachkräftemangel auch in der Wirtschaftskanzlei, in der ich im 22. Jahr tätig bin, voll zuschlägt. Aber: Für jedes Jahr, das ich länger gearbeitet hätte, würde zusätzlich 1 % meiner Rente steuerpflichtig (aktuell sind es bei mir 81 % einer Rente am oberen Ende der Skala, da zahle ich nicht unerhebliche Steuern). Das hat mich nicht mehr motiviert (Steuerklasse 1). Alleine die zweieinhalb Jahre, die ich länger gearbeitet habe, habe ich der Rentenkasse ca. 60.000 Euro geschenkt. Zwar erhalte ich durch meine verlängerte Berufstätigkeit eine höhere Rente, als wenn ich bereits mein gesetzliches Renteneintrittsalter wahr genommen hätt, jedoch muss ich 20 Jahre Rente beziehen, bis sich dieser Betrag amortisiert hat. Da mache ich lieber nur noch einen Minijob und genieße ansonsten mein Dolce far niente, helfe ab und zu ehrenamtlich, lese viel, gehe ins Fitness, ins Kino und in Konzerte und mache ansonsten: NICHTS!

Wer erst mit 30 oder 35 anfängt zu arbeiten, kann nicht nach 35 Jahre die volle Rente beziehen, zumal die Menschen immer älter werden und entsprechend lange Rente beziehen werden. Das ist die Quadratur des Kreises! – Joseph Zenz

 

Ich (67 Jahre), gehöre zu den „mehr als ein Viertel der Ruheständler“, die sich mit weniger als 1000€ Nettoeinkommen, nämlich 835€, zufriedengeben sollen. Passenderweise hat Jens Jessen dies in einem Nebensatz direkt unter der Anekdote über den im Alter verarmten Sänger Lorenzo della Ponte erwähnt, mit dem ich – post mortem – aufgrund der dürftigen Altersbezüge mitfühle. Nein, ein Spaß ist Altersarmut nicht. 15 Jahre in Vollzeit als Masseurin und Ödemtherapeutin, sowie 30 Jahre als Altenpflegerin, haben mir neben der Freude an beiden Berufen und einem guten Karma, an – und abgerissene Sehnen und Bänder, Fibromyalgie, Burn-Out, zwei Covid19-Infektionen und Beifallklatschen vom Balkon eingebracht. Für einen unbeschwerten Ruhestand reicht die Rente allerdings nicht. Tatsächlich kann ich mir noch nicht einmal einen Umzug in eine kleinere Wohnung leisten, obwohl ich bei meinem früheren Arbeitgeber weiterhin auf Mini-Job-Basis arbeite. Sollte mich allerdings ein Schlaganfall oder Herzinfarkt ereilen, kann ich mich nur vom Balkon stürzen, denn leider gibt es immer noch keine Sterberäume für Freiwillige, die mir einen schönen letzten Trip ins Jenseits ermöglichen. Also ein in meinem Sinne würdevolles Lebensende. – Eva-Maria Fahl

 

aus Ihrem Titel spricht leider der pure Neid. Schade, dass wir Deutschen immer noch nicht den Gedanken der Solidarität leben können. Ein Blick nach Frankreich hilft – so geht das – Jung und Alt gemeinsam auf der Straße. – Gabriele Mahl

 

Die Organisation der Impfzentren hat in der Not des damaligen Zeitdrucks eine zukunftsweisende Idee entwickelt, wie man Rentnerinnen und Rentner sehr verlässlich reaktivieren kann: wir ÄrztInnen wurden mit dem Angebot eines etwas überhöhten Stundenhonorars und eines freien Mitarbeitervertrages von einem der Wohlfahrtsverbände (ASB, Johanniter,DRK) engagiert, mit einem per App anwählbaren Schichtdienstplan verbunden und konnten so Woche für Woche frei wählen, wann wir wieviel wo arbeiten wollten. Diese unbeschwerte Form war für uns Rentner, die wir uns im Ruhestand schon ein bisschen gelangweilt hatten, ideal! Ich könnte mir dieses Modell sehr gut auch für ErzieherInnen, LehrerInnen, AltenpflegerInnen und Krankenschwestern und -pfleger vorstellen. Dort, wo im Moment die Personalnot am größten ist. Organisieren könnten dies die Wohlfahrtsverbände. Die haben darin die beste Übung. – Hendrik Crasemann

 

Bei Artikeln zu dem Thema Rente bin ich versucht mich zu entschuldigen, dass ich nach Ende meine Lebensarbeitszeit (48 Jahre) noch weiterlebe und wohl eine künftige Belastung für die mir nachfolgende Generation sein werde. Was sind denn die Werte in unserer Gesellschaft? Anerkennung nur, wer ein nach bestimmten Maßstäben gemessenes erfülltes Leben führt? Und dies verhindert der Gesetzgeber, indem er leistungswilligen Menschen eine weitere Betätigung nicht ermöglicht? Ich frage mich, weshalb etliche meine Bewerbungen für eine Nebenbeschäftigung aufgrund meines Lebensalters (Ü60) erfolglos bleiben. Ist das nicht eher ein gesellschaftliches Problem? Die älteren sollen länger arbeiten – aber zu den Bedingungen der jungen.

 

Bei allen Diskussionen um das Renteneintrittsalter fehlt mir der Aspekt des Eintrittsalters in eine beitragspflichtige Beschäftigung. Seit der Zeit der Babyboomer verschiebt sich der Beginn einer Erwerbstätigkeit doch immer weiter nach hinten, wodurch ebenfalls Beitragszahler ausfallen. Wären da nicht Regelungen in Abhängigkeit der Lebensarbeitszeit passender als die Fixierung auf ein Lebensalter? Absolut stimme ich dem Vorschlag zu, eine niedrigere Wochenarbeitszeit mit höherer Lebensarbeitszeit zu kombinieren. Für Menschen nach längerer Erkrankung gibt es das Modell der stufenweisen Wiedereingliederung. Für Menschen im rentennahen Lebensalter könnte es die stufenweise Ausgliederung geben. Nach meiner Meinung würde das auch etliche Folgeprobleme durch die abrupte Veränderung der Lebensumstände abfedern.

Ich persönlich hatte das Glück, gegen Ende meines Arbeitslebens ins Homeoffice wechseln zu können und meine Tagesarbeitszeit flexibel gestalten zu dürfen (bei Bedarf lange Mittagspause). Dies schon hat mir das „Durchhalten“ bis zum Rentenbeginn und die Umstellung auf das „Zuhause bleiben“ sehr erleichtert. Dies würde ich vielen anderen wünschen. Und kann mir gut vorstellen, dass bei reduzierter Wochenarbeitszeit die Bereitschaft, im Betrieb zu bleiben, größer wird. – Beate Schuhmacher

 

Ja, man kann! Als Lösung bietet sich ein „Rundumschlag“ an: es gibt pro Person eine staatlich garantierte Mindestrente (auch für Menschen, die nicht in die Rentenkasse eingezahlt haben), die aber auch durch Einzahlungen bis zur vorgegebenen Höchstgrenze gesteigert werden kann. Nach Erreichen des Renteneintrittsalters wird freigestellt, ob noch weitere, altersgemässe Tätigkeiten gewünscht sind, die dann auch entsprechend entlohnt werden. Und die Unternehmen werden sich bei dem Fachkräftemangel schon einiges einfallen lassen, denn Arbeitskräfte werden dringend gebraucht. Die garantierte Rente wird eingefroren und nach späterem erneuten Renteneinstiegswunsch um den Betrag erhöht, der der Inflationsrate für diesen Zeitraum entspricht, womit die Kaufkraft erhalten bleibt. – Udo Bauer

 

Ich schreibe Ihnen auch im Namen der von Ihnen kurz erwähnten Flaschensammler, unter denen es wohl nur wenige ZEIT-Leser gibt. Meine Rente beträgt aktuell 775,- Euro, wovon ich als Wohnungsloser gut leben könnte, was ich aber gar nicht muss. Ich kann mir eine Einraumwohnung leisten, denn in meinen zwei Ehen hab ich acht Kinder großgezogen, die jetzt allesamt gute Jobs haben und mich unterstützen können, Gott sei Dank. So viel Glück hat nicht jeder. Womit wir bei den Flaschensammlern wären. Was in den beiden Texten, auf die ich mich beziehe, unerwähnt blieb: Künftig wird es nicht mehr so viele unglückliche Greise geben, die sich in einer kaum lebenswerten Lage befinden und ihr Leben gern endigen würden, dies aber bislang weder kundzutun noch illegale Abhilfe zu schaffen wagten. Mit dem Urteil des Bundeverfassungsgerichts vom Februar 2020 ist ein großes Tabu gebrochen: Man darf sterben wollen, und diesem Bedürfnis werden Institutionen geschaffen. Man darf sich ungeniert und legal um das eigene aktive Ableben kümmern, auch ohne letale Diagnose. Noch kostet das sehr viel Geld (bei der DGHS ca. 4000,- Euro), aber mit der konkreten Umsetzung dieses Urteils wird es gewiss erschwinglich. Ein großes Glück, nicht nur für diejenigen, denen ihr Alter eine allzu große Last ist, sondern auch für die Kranken- und Rentenkassen. Und für die Umwelt sowieso. – Martin Ahrends

 

Ich werde bald 68 Jahre und arbeite gern weiter. Da mich mein Beruf erfüllt, ist die Möglichkeit zu arbeiten für mich Lebensqualität. Und ich bin an meinem Arbeitsplatz gern gesehen. Ich möchte im Umfang von einer halben Stelle weiterarbeiten. Da ich in einem beamtenähnlichen Verhältnis tätig bin geht das nicht. Ich darf nur etwa 30% arbeiten. Alle darüber hinausgehende Einkünfte werden vollständig von der Pension abgezogen. Sonst tritt eine sogenannte „Überversorgung“ auf. Diesen juristischen Begriff gibt es wirklich. Also arbeite ich nur 30%. Aber so sind die Gesetze. Dass man gerne arbeitet ist für den Gestzgeber offenbar nicht vorstellbar. – Mario Lucchesi

 

Bei der Arbeitsagentur unerwünscht und die Jobsuche im Internet endet mit dem Besen in der Hand. Wer nicht das Glück hat in der alten Firma weiterbeschäftigt zu werden oder selbständig ist, guckt in die Röhre. Es geht nicht nur um die Aufbesserung der kleinen Rente, es geht auch verstärkt um die Nachfrage nach sinnvoller Tätigkeit. Und da ist Geld und nicht nur Ehre (Ehrenamt) das allgemeine Äquivalent für Anerkennung. Warum also nicht Servicepoints für Rentnerarbeit einrichten. Anlaufstelle für Vermittlung und Beratung! Perspektivisch geht es um „gute Arbeit“. Benötigt werden zumindest Leitlinien für Bezahlung und Arbeitsschutz, der über die risikoreiche Schwarzarbeit hinausgeht. Etwas Mut gehört schon dazu, so etwas zu beginnen und sich neuen Erfahrungen zu öffnen. Bei wachsendem Bedarf hilft Augen verschließen aber nicht. Und die Gewerkschaften kennen sich mit guter Arbeit doch aus. – Gunter Schwedhelm

 

Am 31.12.2022 wurde in der Frankfurter Rundschau ein Interview mit Frau Schnitzer, Mitglied des Sachverständigenrates, unter der Überschrift „Wir können uns das Rentensystem nicht mehr lange leisten“ veröffentlicht, dessen argumentative Armut wirklich beeindruckend war. Nun also ein Artikel in der Zeit von Mark Schieritz zum selben Thema mit Verweis auf Martin Werding, auch Mitglied im Sachverständigenrat und Rentenexperte. Und auch hier ist die Argumentation zumindest korrekturbedürftig (einige Punkte, alles andere würde den Raum sprengen). Um bei Herrn Werding zu bleiben: Warum wird nicht die Frage gestellt, warum so wenig Kinder geboren werden. Wir leben doch in der besten BRD aller Zeiten, so unser Bundespräsident vor einiger Zeit. Kann es sein, dass die Bewohner des Elfenbeinturmes (Frau Schnitzer, Herr Werding) Aussagen über ein Land machen, das es so nicht gibt? Warum werden nicht Faktoren wie Wertschöpfung in die Debatte einbezogen? Man könne Aktien kaufen! Wieviele Leute haben denn soviel Geld über und den nötigen Sachverstand, dass sie diese Anlageform wählen können? Was passiert beim nächsten Börsencrash? Wirklichkeitsfremd.

Herr Jessen schießt den Vogel ab mit seiner Aussage „ein wunderbarerweise vom Staat durchfinanziertes Sabbatical“. Seit wann gibt es eine Staatsrente? Die Renten werden vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer finanziert. Der Staat verwaltet lediglich die eingezahlten Beiträge. Man bekommt also sein eigenes Geld ausgezahlt. Die aufgeführten Beispiele aus Japan geben zur Frage Anlass, warum dort Menschen auf die Rentenzeit vorbereitet werden und bei uns nicht. Ehrenämter seien eine Lösung, ersetzen aber Arbeitsstellen, das bedeutet doch auch, dass der Arbeitnehmer, der diese Stelle eigentlich inne hätte, nicht ins Rentensystem einzahlt, d. h. viele Ehrenämter dieser Art verschärfen das Problem. Nein, es ist schon richtig länger zu arbeiten, es ist eine Wohltat, es schützt vor Altersdepression, was wieder die Krankenkassen entlastet. Allerdings habe ich das Gefühl, dass ich mich vor soviel Altruismus schützen muss. In drei Wochen bin ich Rentner. – Gerd-Rüdiger Erdmann

 

Will mir da jemand ein schlechtes Gewissen einreden? Ja auch ich habe vor etwa anderthalb Jahren mein aktives Berufsleben, mit 63 vorzeitig, beendet. Und ich habe mich sehr auf die, bisher ungewohnt reichliche, Freizeit gefreut. Auf die Frage meiner KollegInnen am letzten Arbeitstag, was ich denn nun geplant hätte, konnte ich guten Gewissens antworten, es gibt keinen Plan. Ich möchte einfach die Freiheit genießen, meinen Tag nach meinen Vorstellungen zu gestalten. Mein ganzes bisheriges Leben war geplant. Ich habe mit 18 Abitur gemacht, Chemie und Biologie im Lehramt studiert und stand mit 22 Jahren vor der Klasse und das 41 Jahre lang. Ohne Sabbatical oder andere Auszeiten zur Selbstfindung. Stimmt nicht ganz, ich war ein Jahr zur Betreuung meines kleinen Sohnes zu Hause. Über mehrere Jahre war ich alleinerziehend. Bin als Lehrerin in die Berufsbildung gewechselt und musste mich über lange Zeit stets neuen beruflichen Herausforderungen stellen. Dies hat mir bis zum Ende meist Freude bereitet. Mit zunehmendem Alter hätte ich mir schon manchmal mehr Zeit und Kraft für Familie, Freunde und die Dinge des Alltags gewünscht. Die finanzielle Freiheit zu haben, meine Arbeitszeit zu verkürzen um Hobbys nachzugehen. Ich arbeite auch jetzt regelmäßig ehrenamtlich. Nehme an Prüfungen teil, erstelle Prüfungsaufgaben. Ich betreue meine Enkelkinder, wenn gerade Kita und Hort mal wieder geschlossen haben, ich helfe Freunden und in der Familie. Habe nicht mehr das schlechte Gewissen, ich müsste mehr tun, schaffe es aber nicht aus Zeitmangel oder wegen der beruflichen Belastung. Vielen meiner Freunde und Bekannten geht es ähnlich. Nicht jeder hatte in seinem Berufsleben die Zeit und die Möglichkeit ein Buch zu schreiben und damit eigene Ansichten und Meinungen an viele andere Menschen weiter zu geben. Vielleicht war gerade das ein Lebenstraum, der sich nun erfüllt. Ihren Artikel sehe ich schon auch im Zusammenhang mit den vielen fehlenden Fachkräften. Ich ärgere mich ebenfalls, wenn ich auf den Handwerker ewig warten muss, weil der auch nur einen Tag mit 24 Stunden hat. Es fehlen LehrerInnen, KindergärtnerInnen und Pflegekräfte, nicht in allen Berufssparten ist der Mangel an Arbeits- und Fachkräften gefühlt so hoch. Auch darüber lohnt immer wieder mal das Nachdenken. Ich kann Sie beruhigen, einige wenige Rentner sehen fitter und jugendlicher aus, als sich die meisten fühlen. Und ein schlechtes Gewissen habe ich übrigens auch nicht. – Anne Altner

 

Die Beantwortung dieser Frage ist wohl eine sehr individuelle und persönliche, denn niemand wird sich seine Gefühle vorschreiben lassen. Für mich ist die Rente ein Traum, auf welchen ich knapp 44 Jahre hingearbeitet habe. Da ich mich in der passiven Phase meiner Altersteilzeit befinde, konnte ich nun schon über 2 Jahre „üben“, wie das Leben ohne Büro ist. Ich finde es toll, dass ich mich endlich mehr um meine Gesundheit kümmern kann, dass ich Zeit für meine Ehefrau habe, sie mehr zuhause unterstützen kann, indem wir uns den Haushalt teilen. Ich habe nicht den Bedarf, eine Fremdsprache zu erlernen oder durch die Welt zu reisen, denn die Zeit nach der Arbeitsphase ist nicht zum „Totschlagen“ oder mehr oder weniger hektischem Ausfüllen gedacht, sondern zum Geniessen. Indem ich sehe, wie meine Kinder im Beruf agieren bzw. ihrem Uni-Abschluss entgegen lernen, nehme ich teil an der Gegenwart; ich bringe meine Erfahrungen aus der Vergangenheit ein und spiegele sie an den Umständen des Heute. Ich bin so froh, dass ich mit den beruflichen Herausforderungen von heute nichts mehr zu tun habe; jetzt ist es Zeit, die nächsten Generationen im Beruf ihre Frau oder ihren Mann stehen zu lassen; da die Jungen es meist besser wissen als die Alten dürfen und sollen sie sich nun beweisen und dereinst vielleicht mal sagen, dass der ehemalige ältere Kollege doch Recht hatte. Zum Schluss: Ich war nie mit meiner Arbeit im Büro „verheiratet“; seit meiner Heirat und der Geburt meiner Kinder hatte sich der Schwerpunkt verändert. Ich kann nur dazu raten, während der Arbeitsphase das wahre Leben nicht aus dem Auge zu verlieren, denn nach Renteneintritt bricht es spätestens herein. – Erich Würth

 

Sehr gute Abhandlung beider Autoren. Das sind Denkanstöße, die so oder so zum Handeln „zwingen“, unabhängig von der Auskömmlichkeit oder Nichtauskömmlichkeit der Rentenhöhe!? „Ganz sicher“ weder das eine noch das Andere. Es „passiert einfach, d.h. das (Berufs) „Ende“ ist erreicht „und damit hat sich das „! Und was man mit dem Rentengeld und dann überhaupt anfängt, sollte jedem selbst überlassen bleiben. Man weiß doch, dass „die Alten“ gar nicht so erwünscht sind und wenn es nur darum geht, dass die nicht zu den Zwanzig- bis Fünfzigjährigen passen! 2009 hat „unser“ (nicht unbedingt mein) „40-Jähriges“ stattgefunden – 40 Jahre Schulentlassung aus der Realschule. Zwei Mitschüler sahen da schon ihrer Pension bzw. Rente entgegen, und zwar vor dem 65-67.igsten.

Angesichts dieses erhofften Ereignisses äußerte ich die „unfaßbare“ Feststellung: Wenn ihr in Rente geht, seid Ihr faktisch „tot“! Dies blieb unkommentiert! Ich will damit nur festhalten, dass lebenslanges Tun (und dazu gehört permanente Fortbildung) das einzig Wahre bleibt in der Rest-Lebenszeit. Geachtet der Probleme der Kinderlosigkeit, des Single-Daseins, des Fachkräftemangels, des Zuzuges Anderer nach Deutschland gibt es aufgrund der diffusen Lage des Errechnens des Bedarfes (BSP, damit zusammenhängende Zahlungen an die Rentenkasse) und Erfindung immer neuerer Rentenformeln nur eine Lösung:

Die Generierung von Kapital bzw. Geld von denen, die es „dicke haben“. Das wären besondere Kapitalsteuern von den Wirtschafts- und Börsengewinnern der letzten 30 Jahre, gerade in den Jahren nach der weltweiten Krise ab 2007 oder in der „Corona-Zeit“ 2021 /22 etc., nicht zuletzt eine differenziertere Besteuerung bei natürlichen Personen wegen des Kinderstatusses – und überhaupt ein gerechteres Steuersystem bzgl. der Mindereinkommen. Ganz sicher sind jetzt auch Jene aufgefordert, in die Renten- oder Pensionskasse einzuzahlen, die bisher es nicht brauchten wie Beamte uam. Ich denke, durch den Zuzug von Ausländern unabhängig vom Status, ob normal zugezogen oder geflüchtet, sollte keine Illusion bestehen: Dies braucht Zeit und noch mehr eine schlankere Gesetzgebung und emphatische Sachwalter. Es ist schon sehr verwunderlich, dass es hier schon seit Jahrzehnten ermangelt an einem glasklaren Einwanderungsgesetz. Nur ganz wenige würden sich wahrscheinlich kontraproduktiv zum Gesetz verhalten wie z.B. kriminell werden; die sollten dann das Land verlassen. – Rainer Rehfeldt

 

Es ist ein Skandal, auf der Titelseite eine Formulierung zu finden wie: „Was tun mit all den Jahren?“ Das ist eine Respektlosigkeit allen Rentnerinnen und Rentnern gegenüber. Was bitte erwartet die aktuell erwerbstätige Generation von uns Rentnern? Wie stellt ihr euch das vor? Dass man mit dem Bezug der Altersrente anfängt, tüttelich zu werden und dafür sorgt, dass man möglichst bald abtritt und euch nicht mehr auf der Tasche liegt? Was ich als Rentner mit meiner Zeit anfange, ist meine Sache! Dafür brauche ich keine Belehrungen und Ratschläge. Und das Titelbild: Mehr Klische geht nicht mehr – oder? Rentner reisen und fahren Motorroller mit einer blonden Frau auf dem Sozius. Wo bleibt hier das Niveau? In hier ist schon der Ansatz verkehrt das Anliegen kann nicht zielführend bearbeitet werden. – Reinhard Wick

 

Hand aufs Herz, ihre Artikelschreiber, Mark Schieritz und Jens Jessen kennen sich in Industriebetrieben wohl nicht so gut aus. Ansonsten hätten Sie auf viele klischeehafte Beschreibungen wohl verzichtet (Konstruktion eines Elektromotors mit 70 Jahren) Ich arbeite in einem mittelständischen Unternehmen, das weltweit agiert, als Konstrukteur, und dies bereits seit fast 36 Jahren. Habe also einen Bürojob und bin von körperlicher Tätigkeit weitestgehend verschont. Mit meinen fast 60 1/2- Jahren befinde ich mich an der Schwelle zum Renteneintritt, habe demnächst 45 Beitragsjahre erreicht (inklusive Ausbildung und Zivildienst). Die Berufswelt im Konstruktionswesen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten massiv geändert. Vom Zeichnen am Zeichenbrett, hin zur digitalen Umrüstung (2-D und 3-D- CAD), der Implementierung von elektronischer Datenverarbeitung wie Microsoft- Office (mit seinen verschiedenen Programmen wie Word, Excel und Power- Point) sowie SAP. Diese Systeme müssen alle beherrscht werden, um schnell und sicher Ergebnisse abzuliefern. Wer die digitale Welt kennt, weiß das alles immer im Fluss ist. Die Systeme werden ständig erneuert und (angeblich) verbessert. Ein permanentes Lernen und Beherrschen ist dazu erforderlich. Mit zunehmendem Alter wird das aber schwieriger. Eigentlich sehnt man sich zu einem Zustand, der mal länger als ein Jahr Bestand hat. Da ist es eigentlich nicht verwunderlich, wenn man sich tatsächlich auf die anstehende Rente freut. Dies erfolgt in meinem Fall auch nicht mit 63 Jahren, sondern später, da ich nicht im Jahr 1956 geboren bin, sondern erst 1962. Die Rente mit 63 Jahren erreicht niemand mehr, da der Gesetzgeber für jedes Jahr mehr als 1956, den Renteneintritt nach hinten verschiebt. Es sei denn man zahlt freiwillig einen bestimmten Beitrag in die Rentenkasse ein. Wie viele das machen ist unklar, die Regel wahrscheinlich nicht. An dieser Stelle erscheint mir die Berichterstellung immer verzehrt. Mein reguläres Renteneintrittsalter wäre z.B. ca. 65 Jahre. Zu dem Zeitpunkt hätte ich also ca. 49 Jahre Beiträge in die Rentenkasse geleistet. Gemäß Herrn Schieritz habe ich also statistisch nur noch 13,5 Jahre zu leben. Das erscheint mir nicht übermäßig viel. Kleine Frage: auf wie viele Beitragsjahre kommen Herrn Schieritz und Herr Jessen?

Gebe zu, ist leicht polemisch gefragt. Also, ich sehne mich nach dem Ruhestand. Nach meinem Dafürhalten ergeben sich für ein positives Rentnerdasein drei Faktoren: Gesundheit, finanzielle Ausstattung und reichhaltiges Interesse an Dingen des Lebens (Sport, Kultur usw.). Auch meine Enkelkinder werden möglicherweise davon profitieren. Wenn z.B. die Schulen mal wieder Unterricht ausfallen lassen, oder Hausaufgabenhilfe vonnöten ist, neben Fahrdiensten. Die Eltern werden dankbar sein. Mal abgesehen davon, dass sich mittlerweile eine ganze Industrie zu Aktivitäten von Rentnern gebildet hat. Der volkswirtschaftliche Effekt ist durchaus gegeben.

Sie erwähnen im Weiteren den Fachkräftemangel. Sind die Unternehmen nicht auch zu einem Großteil selbst schuld an der Misere? Vor gar nicht all zu langer Zeit waren Ausbildungsplätze Mangelware. Mag dies auch mit z.T. unqualifizierten Bewerbern begründet sein, so war es dennoch vielfach verbreitet eine möglichst geringe Beschäftigungsquote zu besitzen, da Mitarbeiter nur als Kostenfaktor angesehen wurden. Dazu kommen ja jetzt noch die Fehler der Politik in der Vergangenheit, die die Zuwanderung mangelhaft gestaltet hat. Hier soll jetzt also die Anhebung des Renteneintrittsalters die Lösung sein? Nein, für Unternehmen sind ältere Mitarbeiter eher lästig, da teuer, wegen der Lohnsteigerungen über die Jahrzehnte, und Ausfall wegen Krankheit. Auch die Leistungsfähigkeit verringert sich einfach. Da sind jüngere Arbeitnehmer, frisch von der Uni, doch erheblich günstiger. In meinem Unternehmen ist es der absolute Einzelfall, wenn ein Arbeitnehmer über 64 Jahre in Rente geht. Ich behaupte, die Steigerung der Beitragszahler wäre eher als Lösung geeignet. Daran sollte die Politik arbeiten. Im Übrigen, Herr Jessen, ich werde wohl kaum auf die Idee kommen mit 67 Jahren einen Oldtimer zu renovieren. Nach meiner Beobachtung ist das auch garantiert nicht die Regel. Ich kenne niemanden der solch abstruse Pläne verfolgt. Solche quatschigen Argumente haben Sie doch eigentlich gar nicht nötig, oder? Mit den Hinweisen zum Ehrenamt haben Sie allerdings den Nagel auf dem Kopf getroffen. Fazit: wer gerne länger arbeiten will soll dies gerne tun, wenn seine Lebenssinnhaftigkeit davon abhängt. Der Gesetzgeber sollte dies aber nicht zwingend auf alle älteren Arbeitnehmer übertragen. – Thomas Schicks

 

Wieder einmal wurde viel versprochen und wenig gehalten. Damit habe ich diesmal nicht die Pensionsversprechen der Politik gemeint, sondern die Bearbeitung des Rententhemas durch Ihre Redaktion. Es gäbe dabei so viel zu reflektieren:

  • Der volkswirtschaftliche Aspekt der Rentensicherung
  • Die Versprechungen des privaten Sektors bei Vorsorgekassen und Versicherungen
  • Der mangelnde persönliche Weitblick, der zu einer unzulänglichen, rechtzeitigen Vorsorge führt
  • Altersarmut und finanzielle Unsicherheiten
  • Die Vereinsamung, weil im leistungsorientierten System die sozialen Kontakte außerhalb der Berufswelt leiden
  • Die existentielle Unsicherheit, weil die Sinnfrage außerhalb des beruflichen Umfelds nicht gestellt wird
  • Das fehlende Angebot, um Menschen rechtzeitig Orientierung für diesen Lebensabschnitt zu geben
  • Zugang zu medizinischen und anderen Betreuungssystemen
  • Der internationale Vergleich zwischen Ländern/Gesellschaften mit der Frage, ob dies politisch oder anderweitig besser gelöst wird
  • Umfrageergebnisse zu diesem Thema: Wie geht es denn den Menschen bei all diesen Fragen ?
  • Usw, usw

Nach einigen, wenigen Minuten des Nachdenkens über dieses Thema muss man doch zum Schluss kommen, dass das Leben nach der Berufsphase ein weites Feld umfasst und ich frage mich, ob es in Ihrer Redaktion nicht auch erfahrene und/oder ambitionierte RedakteurInnen gibt, die sich seriös, umfassend und mit der hinreichenden Tiefe mit diesen Fragen beschäftigen können. Es ist nämlich enttäuschend, durch den Aufmacher eingeladen zu werden, wieder einmal die ZEIT zu erwerben und dann ernüchtert feststellen zu müssen, dass auf die Fragen des Aufmachers nicht wirklich eingegangen wird. Die proklamierte Qualität Ihres Mediums wird schmerzlich vermisst, wenn zum einen in zwei (anscheinend nicht abgestimmten und partiell redundanten) Beiträgen über ein paar Aspekte oberflächlich hinweggeflogen wird und zum anderen auch der bemühte Humor mehr verstimmt als erheitert. Zum Albtraum in der Rente kann vielleicht auch beitragen, dass man nichts Ordentliches mehr zu lesen bekommt. – Paul Kocher

 

Mein Hintergrund: Ich erwäge, nächstes Jahr in Rente zu gehen. Das will gut überlegt sein. Ihr vielschichtiger Artikel hat mir einige wertvolle Hinweise gegeben. – Markus Jantzer

 

Tun, wozu man begabt ist, fordert Jens Jessen. Dann sollte er seinen Stift umgehend niederlegen, bösartige Wortakrobaten wie er dürfen gern ein mehrjähriges Praktikum in einem „anspruchsvollen“ Beruf ausüben, um anschliessend die grundsätzlich richtige These über die Ausführung der Begabung erneut einzufordern, dann aber ohne solche Tresensprüche, wie “ der Körper ist im Alter oft fitter als der Geist“, oder Dauerarbeitslosen das Problem anzuheften, „Sie können sich zu nichts mehr aufraffen“. Herr Jessen mag belesen sein, aber vom Leben auf der Strasse hat er keine Ahnung, und allen die seine Kolumne bejahen, dürfen, nein, sie müssen Aufgaben übernehmen wie z.B. Reisegruppen von 50 Personen durch Europa führen, oder 140 Kunden am Tag als Paketzusteller/in anfahren, oder tgl. ganztätig 25 3 bis 6 jährige Kinder pädagogisch wertvoll zu begleiten oder oder oder … Der Alltag erfüllt mich, dass das im Alter fortwärt, ist eine Aufgabe, der ich mich voller Vorfreude stellen werde! – Thorsten Dörries

 

Samstag Abend, Zeit „DIE ZEIT“ zu lesen und ich habe Ihren Beitrag mit sehr viel Interesse gelesen. Danke für den historischen „Rentenexkurs“. „Arbeiten Jüngere und Ältere gut zusammen, dann entstehen die sog. Komplementäreffekte“, das ist so ein schöner Satz, der mir (64) aus der Seele spricht. Und wenn es Ihnen gelingen würde diese Aussage in die Köpfe der „Entscheider“ zu bringen, wäre die Finanzierung schon halb geschafft, der Generationenkonflikt kleiner und mehr Zufriedenheit in der Gesellschaft. Ja, es könnte ein „Zaubersatz“ sein, nur leider ist das auch von Ihnen benannte Problem der mangelnden Akzeptanz älterer Arbeitnehmer die große Hürde. Das sind sicher zum Einen langgepflegte Vorurteile, ein Quentchen Arroganz und die verlockende Möglichkeit weniger Geld an Berufsanfänger zu zahlen. Die Erfahrungen aus dem Umfeld sind einfach ernüchternd. Arbeitsverträge werden nach Erreichung des Rentenalters nicht verlängert und die Stellen neu ausgeschrieben. Nicht ohne ein Lamento über den Fachkräftemangel anzustimmen. Bekanntlich ist es schwer alteingetrete Gewohnheiten abzulegen und neue Wege zu gehen. Möge Ihr Beitrag von vielen Menschen gelesen werden, die bereit sind dies zu tun. – Marion Habekuß

 

Das eigentliche Problem unserer Rentenversicherung wird regelmäßig übersehen oder bewusst ausgeblendet: seit 66 Jahren werden die Renten nur von den Kindern der Rentner finanziert. Nur wer Kinder aufzieht, leistet etwas für seine zukünftige Rente. Das hat aber keinerlei Einfluss auf die Rentenansprüche: wer vier Kinder aufzieht, landet leicht in Altersarmut; wer sich ohne eigene Kinder auf seine Karriere, Geld verdienen und ungestörte Freizeit konzentriert, kann die höchste Rente erzielen. Das ist brutal ungerecht, und es hat fatale Folgen: zu wenig Nachwuchs in allen Bereichen der Wirtschaft, des Erziehungswesens und aller sozialen Dienste; und natürlich ein sinkendes Rentenniveau. – Es gibt keine vernünftige Begründung für unterschiedlich hohe Renten, insbesondere nicht das sogenannte Äquivalenzprinzip. Wir brauchen einheitliche steuerfinanzierte Renten. Und eine bedarfsgerechte Förderung der Familien mit Kindern. – Jürgen Schröder

 

Wenn Solidarität nicht nur Lippenbekenntnis, sondern gelebte Überzeugung sein soll; wenn wir – hoffentlich gesund – immer älter werden; wenn wir neben Millionen Asylbewerbern noch Millionen Arbeitskräfte aus dem Ausland aufnehmen sollen und unser Land in naher Zukunft kaum wiedererkennen werden – Immigranten werden übrigens auch alt und dann…? wenn alle Beitragszahler immer mehr Rentner stemmen müssen und damit überfordert werden: dann müssen wir über das derzeitige Renteneintrittsalter hinaus arbeiten, sofern gesundheitlich zumutbar; dann müssen Junge und Alte gemeinsam ein Pflichtjahr ableisten; dann sollte unser Nachwuchs statt einem drei Kinder bekommen! Statt nur noch Hobbies zu frönen, sollten (wir) Rentner Ehrenämter übernehmen, Kranken und Dementen stundenweise Gesellschaft leisten, um die (pflegenden) Angehörigen, mit (Enkel)Kindern spielen und lernen, um die Eltern zu ein wenig zu entlasten! „…fragt, was ihr für euer Land tun könnt!“ „ihr“ kennt keine Altersgrenze, wir alle sind gemeint! – Ulrich Pietsch

 

Wenn die ZEIT behauptet, von „Rentnerstudenten“ würden „die besten Plätze im Hörsaal belegt“ und diese wären „zu einem bekannten Albtraum der studierenden Jugend geworden“, dann ist das eine der ZEIT unwürdige Stimmungsmache und hat mit seriösem Journalismus nichts zu tun. Eine kurze Recherche bei Wikipedia hätte genügt, um festzustellen, dass an deutschen Hochschulen „die Aufnahme eines regulären Studiums in zulassungsbeschränkten Fächern im Alter … nur beschränkt möglich“ ist, „da jüngere Studenten den Vorrang haben“. – Michael Gathmann

 

Unabhängig von unserer persönlichen Rentenentscheidung werden wir als Generation eine Frage beantworten müssen: „Wie soll eine klimaneutrale, generationengerechte Medizin aussehen?“ Denn kommen werden sie, die Krankheiten. – Sigrid von Eckardstein

 

Auch heute sollen die Meckerrentner*innen von der Politik ruhig gestellt werden. Kein Unterschied zum Alten Rom! – Thomas Manthey

 

Während die Entstehungsgeschichte der Rente durchaus informativ und spannend ist, staune ich über einige überhebliche Aussagen des Autors. Die Beschreibung, nahezu alle würden ihre grossen Wünsche, Träume und Pläne auf die Rente verschieben, kenne ich so aus meinem Umfeld nicht. Ganz im Gegenteil, das Bewusstsein dafür, die Gegenwart zu nutzen und seine Pläne zu verwirklichen ist meiner Meinung nach derzeit so hoch wie nie zuvor. Krieg, Pandemie, und Klimawandel führen dazu, dass Träume eben nicht mehr auf die Zukunft verschoben werden – denn wer weiss aktuell schon, wie die Welt von übermorgen aussieht? Darüber hinaus wird der Artikel der Vielfältigkeit der Gesellschaft in keinster Weise gerecht. Bereits vor der Rente gibt es Menschen, die ihr Leben selbstorganisiert im Griff haben und voller Willensdrang sind und andere, denen es schwerer fällt, die vorgebene Strukturen brauchen und schätzen. Das hängt von verschiedensten Faktoren ab: Persönlichkeit, Erziehung, Bildungsgrad. Besonders die Aussage, Pensionäre hätten nach einigen Jahren oft dasselbe Problem wie Dauerarbeitslose ist an Einfältigkeit nicht zu übertreffen und wird viele Leserinnen und Leser der Zeit sicherlich gekränkt haben. Und: Ich hätte mich über jede Seniorin und jeden Senioren während meines Studiums gefreut und mich sehr gerne mit ihr oder ihm unterhalten! – Pascale-Catherine Kirklies

 

Jens Jessen schreibt: „Erfüllung besteht darin, das zu tun, wozu man begabt ist – auch im Alter.“ Wie recht er hat! Dann gehöre ich wohl zu den Glücklichen, die eben tatsächlich „im Meer der Möglichkeiten“ baden können. Ich werde 2024 siebzig Jahre alt, habe vor 50 Jahren mein „Hobby“ zum Beruf gemacht (ich bin Musikerin und Musikpädagogin) und freue mich, dass ich noch immer (nun nur noch an zwei Tagen) meine Freude an der Musik weitergeben kann und werde dies so lange tun, wie ich mich topfit und gebraucht fühle. „Daneben“ fotografiere ich seit meinem 18. Lebensjahr (habe seit 2017 vier Ausstellungen zusammengestellt und den Erlös teilweise für Organisationen wie das „Internationale Friedensdorf Oberhausen“ gespendet) und schreibe seit über 35 Jahren Lyrik und Prosa; nachdem ich nun endlich Zeit und Muse habe (seit drei Jahren im „Ruhestand“), die „ZEIT“ wirklich lesen zu können (wie vor fast 50 Jahren als Studentin) habe ich auch Freude, auf den ein oder anderen Artikel einen Leserbrief zu verfassen (wie z.B. jetzt), und finde es sehr anregend in einen Meinungsaustausch mit hochkarätigen Journalisten zu treten, meine Formulierungen zu schärfen und nicht nur allgemeines Blablabla von mir zu geben. Dass ich dies alles jetzt im Ruhestand viel entspannter tun kann als früher mit Vollzeit Beruf und Familie, macht mich sehr glücklich, zumal ich viel Verständnis und Unterstützung von meinem Mann (Jahrzehnte im Orchester tätig gewesen) und unserer Tochter (Proficellistin wie mein Mann) erfahre.

Und damit wäre ich auch schon beim Wesentlichen meiner Aussage: entscheidend ist am Ende doch: wer auch in jungen Jahren das Glück eines gelingenden Lebens hatte (mit harmonischem und erfüllendem Familien-, und Berufsleben), der wird in fortgeschrittenem Alter auch mit den Unbill des Alters (Verlust, Tod und Krankheit), besser zurechtkommen. Ich denke, jedes Schicksal will einzeln betrachtet und beurteilt sein um ihm gerecht zu werden. Und wir sollten viel mehr Wert darauf legen, dass Jung und Alt GEMEINSAM und FÜREINANDER fühlen, denken und handeln. Das braucht einen DIALOG zwischen Jung und Alt, Arm und Reich, zwischen den Kulturen, zwischen den Ethnien in unserer multikulturellen Gesellschaft. Für die Herausforderungen unserer Zeit (Klimawandel, Digitalisierung, Völkerwanderungen ect.) brauchen wir alle gesunden Köpfe und Hände, brauchen Solidarität, brauchen Humanität fernab von Egoismus, von Gewinnmaximierung, von Grenzen in und außerhalb der Herzen. Ich teile zu 100 Prozent die Auffassung des Autors Mark Schieritz, ob die Politik hierfür die Weichen zu stellen vermag, da habe ich größte Zweifel. Die Politik braucht endlich ein differenziertes, gerechtes und machbares Konzept für diese Jahrhundertaufgabe (wer zahlt in Zukunft die Rente und wie lange), damit weder die Jungen noch die Alten größere Benachteiligung erfahren. – Berta Walter-Hamza

 

Ich fange mal so an: Warum müssen immer junge Journalisten über die Rente schreiben? Weil sie keine Ahnung haben. Ihnen fehlen einfach die Lebenserfahrungen und Lebensleistungen. Zur Sache: Wir alle gehen auch für die spätere Rente arbeiten. Würde man einen monatlichen Beiträge (AG+AN) selbst anlegen, hätte man trotz Inflation genug Geld im Alter und müßte davon auch keine Steuern zahlen! Der AG-Anteil ist Bestandteil meines Lohnes und wird mir nicht geschenkt.

Rentner zahlen ihr ganzes Leben Steuern, wird nur nicht erwähnt und ist unter Herrn Schäuble noch perfektioniert wurden. Absetzen können Rentner weder Computer oder Smartphone, obwohl es ohne nicht mehr geht. Das Finanzamt will alles digital und per Lastschrift, sonderbar? Die Freigrenzen zur Absetzbarkeit (z.B. Gesundheit, außergewöhnliche Belastungen, u.a.) sind exorbitant hoch, daß sich das Sammeln von Quittungen nicht wirklich lohnt. Die GRV wurde in den letzten Jahren nicht nur um ca. 10% gekürzt, es wurden auch Teile aus ihr entfernt (z.B. Berufsunfähigkeit), dafür wurde der Rohrkrepierer „Riester“ mit überteuerten Verwaltungskosten zur Freude der privaten Versicherungswirtschaft eingeführt. Darüber hinaus wurde das Renteneintrittsalter erhöht.

Immer wieder wird von den Journalisten von Statistiken gesprochen, scheinbar von „toten“ Statistiken. Statistiken lügen ja nicht, sie bestehen immer aus Zahlen. In Talkshows wird uns seit Jahren erklärt, das die Österreicher ihr attraktiveres Rentensystem nicht durchhalten werden. Das Gegenteil ist der Fall. Im letzten 1/4 Jahr war ich auf 3 Begräbnissen, alle hatten Krebs und waren um die 70 Jahre. Die Nächsten warten schon oder wissen es noch nicht. Richtig und schön ist das wir immer älter werden, aber mit Einschränkungen, künstlichen Gelenken und technischen Hilfsmitteln über die keiner schreibt. Viele können aus medizinischen Gründen gar nicht mehr um die Welt fliegen. Viele Rentner, meistens Frauen, leben im Alters/Pflegeheim, da ist dann Endstation. Eine sehr gute Pflege ist von keinem Land auf dieser Welt finanzierbar, außer man übernimmt sie selbst. Bei vielen Rentnem ist die Rente nicht zu üppig, trotzdem werden Steuern, sogar im voraus erhoben.

Hinzuverdienst: Ich habe selbst den Versuch (. Osten) unternommen um in 18 Tagen einen Mini-Job bis 300,00 Euro, ja bis 300,00 Euro, zu finden. Ich fragte im Radladen, im Levis- Store, im Versicherungsbüro und im Lohnsteuerhilfeverein, u.ä. nach. Immer ohne Erfolg. Diese Woche laß ich in der Regionalpresse, das Schöffen händeringend gesucht werden, sie dürfen aber nicht älter als 70 Jahre sein. Jetzt schlägt die EU vor, das Personen ab 70 Jahren zum Führescheintest gehen müssen. Bitte sprechen Sie mit den Alten, gehen Sie ins Pflegeheim und machen sich ein Bild vor Ort und verbreiten Sie nicht so steile Thesen „Wer heute in Ruhestand geht, ist fit und jugendlich wie nie. Sie werden feststellen, keiner wird über seine Einschränkungen und/oder Medikamenteneinnahme mit Ihnen sprechen. Von den noch etwas Älteren werden Sie eher hören, sie möchten noch ein bisschen Leben um den Staat zu ärgern. – Jörg Hommerberg

 

Es ist immer wieder die gleiche Leier: Späterer Renteneintritt bei niedrigerem Rentenniveau, weil immer weniger Beitragszahler immer mehr Rentenbezieher finanzieren müssen. So oder ähnlich lautet das immer gleiche Narrativ zur Zukunft der Rente. Wie wäre es, die Basis der Beitagszahlungen zu verbreitern? Warum werden keine Rentenbeiträge auf alle Einkommensarten erhoben? Aktiengewinne (Dividenden und realisierte Kursgewinne), Mieteinnahmen, Besoldungen, Privatentnahmen aus Unternehmen, Ausschüttungen, Honorare usw. sollten ebenso wie die Löhne und Gehälter von abhängig Beschäftigten zur Abgabe von Rentenbeiträgen herangezogen werden. Dann könnte der Prozentsatz verringert werden, weil die Basis breiter geworden ist. Das gilt übrigens für alle Sozialabgaben. Und noch etwas: Vielleicht sollte der früheste Renteneintritt nach Beitragsjahren definiert werden? Frühester Rentenbezug nach 45 Beitragsjahren (ich erreiche diese) hieße für manche Langzeitstudierende, dass sie die ersten Rentenzahlungen nach ihrem 70ten Lebensjahr bekämen. 30 Jahre studieren, 30 Jahre arbeiten und 30 Jahre Rente beziehen bedeuten in der Tat ein Missverhältnis, das sich eine Gesellschaft kaum leisten kann. – Andreas Schmitt

 

Ich will nicht rechthaberisch sein, aber kaum waren die Rentenartikel erschienen, bricht die Silicon Valley Bank ein und die Börsen sind im Rückwärtsgang. Die Aussagen Werdings werden damit partiell ad absurdum geführt. Weiterhin, wenn die Berentung u .a. in die Depression führt, warum sind die Franzosen dann gegen die Erhöhung des Berentungsalters? – Gerd-Rüdiger Erdmann

 

Vielen Dank auch für diesen vielseitig erhellenden Artikel mit einigen tröstlichen und optimistischen, aber auch unbequemen, trotzdem leider realen Problemen und zur Auswahl stehenden oder eher alle zusammen nötigen Erfordernissen unserer demographischen Entwicklung! Wie Herr Ulrich mit seinem Artikel „Heiße Luft“ werden auch Sie sich nicht unbedingt beliebt machen und damit einen gewissen Mut gebraucht haben. Im Geiste höre ich schon die ganzen Gegenargumente, die z.T Illusionen oder pure Hoffnungen sind oder Verdrehungen oder extreme Beispiele als notwendige Folge an die Wand malen, die von niemand gewollt und auch nicht nötig sind. So das Bild vom Rollator schiebenden, der damit in die Fabrik geht, das Beispiel von den arbeitslosen, die dann nur eine abgesenkte, aber zum gleichen Zeitpunkt kommende Versorgung haben, oder die angeblich so viel bessere und doch zukunftsträchige Systematik in Österreich, oder wie „wohlverdient“ doch der Ruhestand nach einigen zig anstrengenden Arbeitsjahren ist, wie undankbar es wäre, denen, die „unseren Wohlstand aufgebaut“ haben, nun noch längere Arbeitstätigkeit „zuzumuten“ oder die erhoffte immer höhere Effizienz und teils der Ersatz der menschlichen Arbeit durch Digitalisierung, künstliche Intelligenz und Roboter. Schon in den 70er Jahren hörte ich das Argument „Wir brauchen uns keine Sorgen um die Renten machen. die werden künftig von den Maschinen bezahlt!“ Oder man will einfach viel mehr Migranten ins Land holen, in der Hoffnung, dass die dann als fertige und genau die benötigten Fachleute kommen, deren Kompetenz man nur schnell anerkennen müsse ohne komplizierte Überprüfungen, ohne Ergänzungs- oder Neuausbildung bei und durch uns und ohne Sprachschulung und Integration auch mit unserer Arbeit, ehe die hoffentlich einmal zur Arbeit und Steuerzahlungen unseres Landes beitragen. Eine weitere beliebte Lösung ist die Bezahlung durch höhere Besteuerung der Reichen, was wie anderes wohl in der Praxis nur einen Teil der Lösung ergeben wird, falls die betroffenen sich nicht durch Kapitalfluch in Steueroasen erfolgreich entziehen, wie das jetzt schon passiert; wobei die „Austrocknung“ der Steueroasen oder — Parasiten ein ganz besonders dickes Brett sein dürfte, welches zu bohren selbst im Idealfall Jahre erfordern dürfte.

Das Problem oder wie man heute nur noch sagen darf, die „Herausforderung“ ist inzwischen aber so groß geworden, dass ein Hebel allein kaum noch reichen wird es/sie zu managen, wenn dieser einzige Hebel nicht extrem belastend oder unpopulär sein soll. Vieles haben Sie ja schon geschrieben, was dem geforderten „Weiter-So“ entgegenzuhalten ist bzw. was das „Weiter-So“ zugunsten derjenigen, die die bisherigen Altersgrenzen überschreiten, für die anderen im Arbeitsleben tätigen und Steuern und Beiträge zahlenden (sei es heute oder bei Schulden in Zukunft, ggf. auch über Inflation) bedeuten würde. Diese würden es bei weiterer Steigerung ihrer Belastung kaum auf Dauer mitmachen sich großen Teils dafür dem täglichen Stress auszusetzen, dass andere, die dank der modernen Medizin noch relaitiv fit und gesund sind, durch die Welt reisen, und dabei mit Fernflügen noch das Klima kaputtmachen oder Hobbes pflegen wie Golf spielen oder sich anderen Vergnügungen widmen, während sie, die noch arbeitenden immer weniger Hoffnungen haben, dass es für sie selbst mit einer ähnlich großzügigen Rente noch klappen wird, egal welche gesetzlichen „Ansprüche“ dies formaljuristiscch „absichern“-

Und umgekehrt haben Sie auch gute Beispiele beschrieben, warum ein zumindest teilweises oder auf geringerem Stressniveau gestaltetes Arbeiten auch zwischen 67 und 70 durchaus kein schlimmes Opfer sein muss, sondern sogar bereichernd sein kann. Ich selbst wäre bei meiner Berentung mit fast 66 noch für bis zu einem Jahr bereits gewesen freiwillig weiter zu arbeiten aus drei Gründen: Weil ich zur Lösung der Demografie- und Fachkräfte-Problematik beitragen wollte, weil ich mir noch etwas Polster für die Folgezeit dazuverdient hätte und auch weil ich die Arbeit als großen Teils erfüllend und sinnvoll empfand. Allerdings war mein Arbeitgeber nicht interessiert, der das Glück hatte, gerade noch 2 jüngere kompetente Nachfolger gefunden zu haben, vielleicht auch, weil die Nachfolger erstmal „billiger“ waren und ich mich durch Anforderungen an die Qualität und Fleiß auch anderer nicht überall beliebt gemacht hatte. Ich habe mich dann mit unbezahlten Arbeiten engagiert, teils im Familien- und Bekanntenkreis, teils für politische Ziele, teils künstlerisch mit meinen Gedichten.

Als Beispiel für die Bereicherung durch sinnvolle und gemeinnützige Tätigkeit habe ich vor einigen Tagen einen Bericht im Sender Tagesschau 24 gesehen, wo einige alte Leute einige junge Flüchtlinge nicht nur unterbrachten, sondern auch Familienanschluss boten und diese vielfach für ihre Integration berieten und anleiteten. Es entwickelten sich daraus gute Erfolge im Sinne vielfach vorbildlicher Integration und bester persönlicher Beziehungen, erleichtert allerdings auch dadurch, dass es ich bei den gezeigten Flüchtlingen um vorbildlich bemühte, freundliche, lernwillige und gemeinsinnige Menschen handelte, von denen einer sogar eine Ausbildung und dann Mitarbeit in der freiwilligen Feuerwehr absolvierte. Die Alten Leute fühlten sich durch die Beziehung und das Engagement regelrecht verjüngt, die jugendlichen oder sehr jung erwachsenen Männer seien für sie wie früher ihre eigenen Kinder und so fühlten sie sich wie früher. Es war also eine Win-Win-Situation, und es wäre wohl fraglich gewesen, ob bei unseren überlasteten Ämtern eine auch nur halbwegs gleichwertige und erfolgreiche Betreuung möglich gewesen wäre. Ähnlich wird es auch etlichen anderen Menschen gehen, die sich auch noch im Rentenalter sozial oder gemeinsinnig engagieren, wie z.B. einem schon pensionierten in meiner Tageszeitung beschriebenen Polizisten, der immer noch Kinder in Schulen in sicherem und vorsichtigem Verhalten unterrichtet.

Ähnliches wäre ja sogar bezahlt möglich, indem ältere mit ihrer Erfahrung jüngere in Ausbildung oder am Beginn des Berufs ausbilden oder anleiten oder beraten, was alles nicht mir knochen-belastenden Schwerarbeiten verbunden sein muss. Dennoch, es mag sein, dass die Leistungsfähigkeit für Allgemeinheit oder Arbeitgeber nicht mehr bei allen, selbst wenn gesund, dem der jungen oder in der Mitte des Lebens gleicht. Ich selbst hatte sogar erwogen, dafür Arbeit zu einem etwas geringeren Gehalt anzubieten, was allerdings allgemein kaum akzeptiert werden dürfte und im Tarifsystem nicht vorgesehen ist. eher ist es so, dass die Gehälter mit steigendem Lebens- oder Berufsalter ansteigen. Das wäre evtl. ab einer gewissen Jahreszahl zu hinterfragen. Eine populärere Alternative könnte sein, dass ab Überschreitung einer zu definierenden Altersgrenze im Übergang zwar weiter gearbeitet wird, aber Staat oder Rentenversicherung einen angemessenen Teil des Gehalts übernehmen, im Gegenzug für schonendere und weniger stressige Arbeitsbedingungen. Ähnliches wird ja schon jetzt bei Behindertenarbeitsplätzen gemacht ohne Sonderzahlungen, die nur bei Verweigerung der Behindertenquote vom Arbeitgeber zu bezahlen ist.

Wie schon auch in der ZEIT einmal geschrieben, wir werden viele Hebel gleichzeitig brauchen, um das Problem noch irgendwie für alle beteiligten gerecht, zumutbar und funktionsfähig zu gestalten: Mehr Steuergeld für die Renten, höheres Renteneintrittsalter für alle, die noch können, Umschulungen für diejenigen, die nur zu einer bestimmten Tätigkeit nicht mehr in der Lage sind, höhere Beiträge, mehr Migranten, hoffentlich rechtzeitig, so dass die demnächst ausscheidenden Baby-Boomer sie noch ausbilden und integrieren können, etc.

Dabei ist auch wichtig, dass es ja gar nicht mehr nur um die Finanzierung der Renten und der Pflegebedürftigen geht, sondern inzwischen um die Machbarkeit vieler Aufgaben, die dringend mehr Arbeitskräfte als bisher oder zuletzt brauchen: Gesundheitssystem, Bildung, Familienhilfen, Klimaschutz und Klimaanpassung, Innere und äußere Sicherheit, Justiz, Digitalisierung etc. etc. Fast überall fehlen zunehmend mehr Fachkräfte und/oder arbeiten die noch vorhandenen „am Limit“, wenn sie denn verantwortungsvoll motiviert sind angesichts der Überlastung wenigstens ihr bestes zu tun. Ich fürchte sogar, diese ganzen wichtigen Tätigkeiten werden teilweise nur noch auf Kosten von Kräften in eher entbehrlichen oder gar schädlichen Branchen noch ausreichend Fachkräfte erhalten können. Allerdings hört man ja von fast jedem, dass sein eigenes Tätigkeitsfeld nun aber „völlig unentbehrlich“ und „systemrelevant“ ist und keinesfalls zugunsten von anderen beschnitten werden darf. Die meisten akzeptieren Lösungen nur auf Kosten von niemandem oder höchstens von anderen, am liebsten vom abstrakten „Staat“, ohne daran zu denken, dass der ja nur unter Einsatz von Geld oder Arbeit von Bürgern etwas tun kann, was bei Schulden nur verschleiert oder verschoben ist. Daher wird eine Priorisierung besonders der staatlichen Förderungen nicht gerade einfach demokratisch zu beschließen sein. Aber leider wird die Kapazität für absehbare Zeit nicht mehr für alles und jedes gewünschte ausreichen, weder finanziell noch seitens der Zahl der arbeitenden mit ausreichender Eignung. Daher fürchte ich auch, dass es schwierig sein wird, im Berufsleben stehenden noch deutlich mehr Freizeit zuzugestehen, wenn nicht noch mehr Aufgaben vernachlässigt werden sollen als jetzt schon. – Peter Selmke

 

Sehr geehrter Herr Schieritz, ich bin selbst Rentner und stimme Ihnen generell zu. Bitte gestatten Sie mir Anmerkungen/Fragen zu den Zahlen. Alter bei Start von Bezug der Rente, statistische Lebenserwartung und Rentenbezugsdauer, passen m. E. nicht so ganz zusammen und werfen Fragen auf. Sie nennen eine Rentenbezugsdauer von im Schnitt 20,5 Jahren. Im Beitrag Ihres Kollegen Jens Jesse zeigt eine Grafik 20,2 Jahre. Evtl. weil sie bei 2021 aufhört? Es wäre schön, wenn zu einem Thema mit gleichen Zahlen gearbeitet würde. Der genannten durchschnittlichen Lebenserwartung liegt sicher die der Gesamtbevölkerung zu Grunde, berücksichtigt auch die Bürger, die leider bereits vor Renteneintritt verstorben sind. In Kontext zur durchschnittlichen Rentenbezugsdauer sollte aber die Referenzgröße die tatsächliche Lebensdauer nur der Rentner (und nicht der Gesamtbevölkerung) sein. Die durchschnittliche Lebenserwartung nur der Rentner ist sicher höher als 78,5 bzw. 83,4 Jahre.

 

Sehr geehrter Herr Jessen, ich habe schon sehr viele gute Beiträge von Ihnen gelesen. Dieser gehört für mich leider nicht dazu. Ich bin selbst Rentner und stimme Ihnen zu, dass es viele Möglichkeiten gibt, ein glückliches, gelingendes Rentnerleben zu führen, oder ein belastendes, das nicht den Erwartungengerecht wird. Richtigerweise haben Sie vieles davon angesprochen. Aber was micht stört ist folgendes: „Ein wunderbarerweise von Staat durchfinanziertes Sabbatical..“ Manchmal ist es angemessen salopp zu formulieren. Aber so und hier? Diese Formulierung ist für mich ein Schlag ins Gesicht aller Beitragszahler (Unternehmen und Arbeitnehmer). Richtig ist, dass der Staat jedes Jahr viele Milliarden in die Rentenkasse zuschießen muss. Sabbatical steht von der Definition her u.a. zwar auch für Weiterbildung, wird aber nur benutzt in den Jahren von beruflicher, bezahlter Tätigkeit, die dadurch unterbrochen wird, in der Regel unter Verzicht auf einen Teil des Gehaltes. Die Aussage „Für die oberen drei Viertel eröffnen die Altersbezüge …. eine lange Freizeitphase des Lebens“. Wirklich? Freizeit ja, aber zu welchen Bedingungen? Sie wollen damit nicht ernsthaft sagen, dass alle Personen, die mehr als € 1000 netto monatliche Altersbezüge haben, ein sorgenfreies Rentnerleben führen können? 29,8 % der Frauen und 29,2, % der Männer erhalten Rente in Höhe von € 1.000 – 1.500 pro Monat. Das liegt immer noch deutlich unter der statistischen Standardrente. Je nach Wohnort, Lebensumständen etc. können die Meisten davon keine großen Sprünge machen. Bis zu 50 % der Rentnerinnen und Rentner stehen vor der Aufgabe sich mehr oder weniger stark einzuschränken, oder Möglichkeiten zu finden etwas dazu zu verdienen. Wen wollten Sie mit Ihrem Beitrag eigentlich alles erreichen? – Karl-Heinz Krösing

 

In Ihrem sehr informativen Artikel ist mir eine Sache aufgefallen, die m.E. nicht ganz stimmig ist: Sie ziehen bei der Betrachtung der Zahl der Rentner die allgemeine Lebenserwartung heran. Diese bezieht sich auf Neugeborene; bei hoher Kindersterblichkeit um 1890. Für die Aussage, wie viele Rentner es gab, wäre doch die Lebenserwartung Erwachsener sinnvoller, oder? (Einfaches Rechenbeispiel: Wenn von 100 Menschen 50 bei Geburt sterben und 50 100 Jahre alt werden, liegt die von Ihnen heran gezogene durchschnittliche Erwartung auch nur bei 50 Jahren, aber es gibt viele langjährige Rentner). Es war also sicherlich auch 1890 nicht ein ganz so außergewöhnliches Ereignis, das Rentenalter zu erreichen. – Carola Kamuff 

 

Ich habe 47 Jahre, die letzten 31 Jahre in einem Betrieb im Angestellten Verhältnis gearbeitet und, um es wie Herr Schieritz zu Beginn seines Artikels begonnen, die Römer als Kulisse nehmen, genau genommen die Galeere. So fühlte ich mich oft, als Galeerensklave, unten im Maschinenraum, an den Riemen, immer dem Takt der Leistungstrommel der Menschen auf der Brücke entsprechend, immer schneller, immer besser, immer mehr Profit, Punkte, Punkte, Punkte. Das Gehalt wurde viele Jahre unter Durschnitt gezahlt, dementsprechend die Rente. Im letzten Jahr habe ich die Galeere verlassen und kann kein Segelboot von der Leine lassen, keinen Oldtimer aufpolieren und die Weltreise wird wahrscheinlich auch nichts, trotzdem fehlt mir der von Herr Jessen beschriebene Ärger und das Trommeln des kapitalistischen Leistungsdruck nicht im Geringsten. Ganz im Gegenteil merkt man jetzt erst wie man diesem Leistungsdruck ein Leben lang ausgesetzt war und wie schwer sich manche damit tun, das zu realisieren. Viele junge Menschen sehen an ihren Eltern, den Babyboomern, die 50 bis 60 Stunden in der Woche gearbeitet haben und jetzt krank und ausgelaugt in Rente gehen, das sie das nicht machen möchten und leben die work life balance als Arbeitsziel aus, auch im Visier, das es vieles was wir hatten, wahrscheinlich nicht mehr geben wird, wie freies Reisen, Eigenheim im Grünen etc. Das Thema länger arbeiten passt da so gar nicht und wenn sich da mal einer auf eine Arbeitsgaleere verirrt wird sie auch schnell wieder verlassen. Ich habe dies selbst in den letzten Jahren erlebt. Das zum Thema Personalmangel. Ich finde es unzumutbar, jede Woche aus irgend einer anderen Wichtigtuerecke die Rente von Menschen, die dieses Land 45 Jahre und mehr zum Vorbild in Europa gemacht haben die wenigen Jahre in Freiheit ohne Druck, madig zu machen. Ich meinerseits werde meine Rente genießen ohne schlechtes Gewissen, und wenn mir nichts einfällt, mach ich es wie im Loriot Scetch, einfach mal nichts, GAR NICHTS, einfach leben. – Harald Gläser

 

Unfassbar, wie Jens Jessen (geb. 55 – mein Jahrgang) den Seniorennagel auf den Kopf trifft. Tatsächlich habe ich auch festgestellt, dass die Hoffnungsformel „Das mach ich dann im Ruhestand“ bei mir als ein hilfloser Weckruf wahrgenommen wird. Es ist wohl eher eine Beruhigungsformel für diejenigen, welche einen in den Ruhestand entlassen. „Das kannst Du dann alles endlich im Ruhestand machen“. 43 Jahre intensives Berufsleben in zwei grundsätzlich verschiedenen Gesellschaftssystemen, immer unter Dampf und Druck, stets mit vieler Verantwortung beladen und irgendwie trotzdem dankbar mit Freude. Insbesondere nach der deutschen Einheit ging es richtig ab. Immer an der Naht bei politischen Entscheidungsträgern organisatorisch Politik gestalten. Das hat mich total ausgefüllt. Das war mein Job. Dafür bin ich allen dankbar, welche mir das möglich gemacht haben. Und an aller erster Stelle danke ich dem lieben Gott und meiner Familie. Aber dann kam die Zeit, als ich merkte, nun wird’s anders. Meine Chefin war nicht mehr meine Chefin. Alles kämpfte um die Pool- Position. Ich wurde mit 65 plus 7 Monate Rentner. Wumms. Warum? Weil es so geregelt ist! Ich hoffte, ich durfte noch eins drauflegen. Und es gelang. Alles ordnete sich, alles bereitete wieder Freude – vor allem endlich wieder richtig Verantwortung übernehmen zu dürfen. Und das mit einem super Team und spannenden neuen Kolleginnen und Kollegen. Und dann kam der endgültige Doppel- Wumms. AUS! Rentner! Vorbei! Alleine schon der Titel „Rentner“ bereitete mir Schmerzen. Du schaffst das, schreibe Bücher und die Enkeleins und die Hobbys und überhaupt das Reisen. Mich fraß es auf, nicht mehr arbeiten zu dürfen. Mit einem Schlag verliert man einen großartigen Kollegenkreis, verliert seine Pendlerwohnung mit all den Gewohnheiten, aber auch einen sogenannten Freundeskreis. Meine wirklichen Freunde sehen es mir nach. Sorry. Wir bleiben Freunde. Und wie toll Jens Jessen das Ehrenamt beschreibt. Perfekt. Das kann keiner besser und treffsicherer als er. Glückwunsch. Und jeder Ruheständler hat die Chance es zu erleben. Nun gut, ich renne heute immer noch mit meinem Handy rum, habe mir zu Hause einen digitalen Arbeitsplatz geschaffen und versuche mit neuen Netzwerken mein anderes Leben in einem neuen Umfeld zu verstehen. Und nun kommt meine Freude. Ich freue mich den jüngeren Kolleginnen und Kollegen Platz gemacht zu haben. Und das ist gut so. So erlebte ich es damals bei meinem Start auch und hätte nie den Job so machen können, wie ich es durfte. Ich darf mir nicht einbilden, dass ich als Ruheständler nicht mehr gebraucht werde, auch wenn ich es manchmal so verspüre. Ruheständler zu sein ist halt auch eine Kopfsache. Dann setze ich mich mit einem Gläschen Port und den spannenden Artikel der ZEIT, auch gerne von Jens Jessen, an meinen Lesetisch und freue mich auf einen neuen Erkenntniszuwachs. – Ulf Leisner 

 

Der Artikel von Herrn Jessen ist durchaus unterhaltsam. Angesichts der steigenden Lebenserwartung sollte das Renteneintrittsalter in der Tat flexibler gestaltet werden und ein Ehrenamt kann erfüllend sein. Energisch widersprechen möchte ich aber seiner Polemik gegen studierende Rentner(innen). Rentnerstudenten belegen nicht „die besten Plätze im Hörsaal“. Sie studieren keine Fächer mit Numerus clausus oder Fächer, die gezielt auf ein lukratives Erwerbsleben vorbereiten sollen wie Jura, BWL oder Ingenieurwissenschaften, sondern meistens sogenannte „kleine Fächer“ oder Orchideenfächer wie Ägyptologie oder Ethnologie. Sie bilden auch nur eine kleine Minderheit, denn ein reguläres Studium ist durchaus anstrengend, das kann man nicht aus „Jux und Tollerei“ absolvieren, sondern nur aus wirklichem Interesse und echter Begeisterung. Ich studiere als Rentnerin Slavistik und weiß, dass ich kein „Alptraum der studierenden Jugend“ bin. Ich verstehe mich mit meinen jungen Kommilitonen und Kommilitoninnen sehr gut. In den kleinen Fächern sitzen in vielen Seminaren nur wenige Studierende und eine zusätzliche Person mit Interesse und auch etwas Lebenserfahrung ist eher eine Bereicherung. – Gabriele Meier

 

Es ist gut, das Thema Rente sozialpsychologisch regelmäßig zu betrachten. Ohne sozialpolitische Blendenöffnung bleibt die sozialpsychologische Perspektive leider getrübt. Mögliche Diagnose: sozialpolitisch grauer Star. Haben nur Rentner*innen ein verzögertes gerontologisches Albtraum -Phänomen? Lohnt sich dabei der Blick auf die Pensionäre nicht? Möglicherweise deshalb, weil Rentner*innen ein Drittel bis 50 % weniger Rente beziehen als Pensionäre Pension – wenn man mit den Zahlen von Merkur 2.2.2023 spielt – und deshalb auch weniger Chancen haben, dem gerontologischen Albtraum zu entkommen, dh Rentner*innen haben weniger materielle Chancen, ihr Alter angemessen kreativ zu gestalten. Geht man mal davon aus, dass Beamte nicht zu viel, sondern Rentner zu wenig bekommen, tritt bei entsprechender Behandlung des „grauen Stars“ die Finanzierung in den Fokus. Dann dürfen die gegenwärtig rund 70 Milliarden für ca 1,5 Millionen Pensionäre auf Bund/Länder-Ebene (ohne Kommunalbeamte) im Verhältnis zu 100 Milliarden Bundeszuschuss für 21 Millionen Rentner*innen nicht übersehen werden. Es darf dann auch nicht übersehen werden, dass nach Spiegelberechnungen aus 2020 in den nächsten 40 Jahren über 2 Billionen Euro zu sichern sind für Pensionsverpflichtungen. Solange Beamte nicht auf angemessene Weise an der Finanzierung ihrer Altersvorsorge beteiligt werden, werden die öffentlichen Haushalte nicht genug Spielraum haben, um passende Weg zu finden, den Lebensmut und das kreative Potenzial der Rentner*innen „traumhaft“ zu unterstützen. – Helmut Schwehm

 

Unser Rentensystem ist nicht finanzierbar und erdrückt die Jungen. Dabei wäre es doch so einfach: Jeder Arbeitnehmer ist verpflichtet 40 Jahre (verhandelbar) ab Ausbildungsabschluss (Lehre oder Studium) zu arbeiten und in die Rentenversicherung einzuzahlen. Zur sozialen Ausgestaltung: Erziehungsjahre u.ä. werden zum Abzug gebracht. Damit wären auch die Einwände jener, die bis über 30 studiert haben, und sich Sorgen über den 70-jährigen Dachdecker machen, erledigt. Bezeichnenderweise ist das Modell „Weltreise-nach-Ausstieg-mit-55“ besonders bei Akademikern beliebt. – Bernhard Frölich

 

In dem Artikel über die Situation der Rentner und der Rentenversicherung stößt man leider auf mehrere Fehler. So heißt es dort, „heute wird die Rente mit 65 ausgezahlt“. Falsch, weil die Angehörigen des Jahrgangs 1957 erst mit 65 Jahren und elf Monaten die volle Rente erhalten. Das Renteneintrittsalter wurde schon seit Jahren auf über 65 angehoben. Dann heißt es, „demnächst gehen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente“. Wieder falsch. Denn die geburtenstärksten Jahrgänge aller Zeit waren die Jahrgänge von 1955 bis 1964 – der Höhepunkt mit mehr als einer Million neu geborener Kinder. Von diesen ersten Jahrgängen sind bereits seit drei Jahren die meisten in Rente. Bitte mehr Sachkenntnis. – André Maßmann

 

Vielen Dank für Ihren Beitrag, der die Probleme des „Komfortruhestandes“ ziemlich gut auf den Punkt bringt. Dass das Ehrenamt eine zentrale Rolle hinsichtlich Lebenszufriedenheit und Aufrechterhaltung geistig-körperlicher Fähigkeiten spielt, gilt zudem als empirisch belegt. Nur sieht die Realität hier leider ganz anders aus, wenn man als Ruheständler beabsichtigt, seine Erfahrungen und Kenntnisse weiterhin einzusetzen. Dass, was wir als Ehrenamt definieren, hat überwiegend mit Hilfstätigkeiten zu tun, ohne diese diskreditieren zu wollen. So habe ich als Psychologe einer ganzen Reihe von Sozial- und Hilfsorganisationen angeboten, zum Beispiel in der psychosozialen Beratung einen Tag pro Woche zur Verfügung zu stehen. Die Resonanz war exakt Null. Entweder meldeten sich die Organisationen erst gar nicht, oder es blieb bei einem Kennenlerngespräch und anschließender Funkstille. In einem Fall erklärte mir man dann nonchalant, dass meine angebotene Tätigkeit ausschließlich dem hauptamtlichen Personal vorbehalten sei – hier gab es wohl ausreichend Ressourcen. Wir müssen den Übergang in den Ruhestand, und das gilt nicht nur für mein Berufsfeld, gänzlich umdenken! Angesichts des Fachkräftemangels wird den Firmen und Organisationen gar nichts anderes übrigbleiben, fließendere Übergänge und die Möglichkeit von Teil-Weiterbeschäftigungen (sei es entgeltlich oder ehrenamtlich) zu schaffen. Sonst widmen sich die vielen rüstigen Rentner zukünftig eben rein privaten Aktivitäten und sind für die Gesellschaft verloren. – Till Buchmann

 


 

 

Leserbriefe zum Titelthema „Ziemlich heiße Luft“ von Bernd Ulrich

 

Eine recht zutreffende Analyse in vielerlei Hinsicht. Insbesondere, was die Effektivität der „Linken“ in der Koalition betrifft. Aber ein wesentlicher Faktor der Probleme der Grünen ist nicht etwa die fehlende Traute, sondern der falsche Koalitionspartner. Mit der SPD gingen viele Projekte sehr viel leichter durch. Diese ist den Grünen nun allemal näher, als die FDP. Deren „Sperrminorität“ bewirkt nicht nur gesellschaftlich sondern eben auch in der grün affinen Gesellschaft Verdruss. Und das wirkt sich auch auf das Wählerverhalten aus. Es kann aber auch sein, dass bei diesem Poker der FDP der Schuss für diese nach hinten los geht. Schaun mer mal. – Wolf Döhner

 

Herr Ulrich beklagt „die Verlogenheit der Gesellschaft“, die im Spannungsfeld zwischen Klimaschutz und Ökonomie nicht zu wirklichen Opfern bereit sei. Es ist klar, der Karren ist verfahren – der lächerliche Windmühlen-Zubau wird nicht annährend genug CO2-frei-produtierete Energie bereitstellen können. So gesehen war der Ausstieg aus der Kernenergie ein Desaster! Das wissen heute auch viele Grüne, aber kaum einer bekennt sich dazu. Verlogenheit? Auch die Grünen haben viele Ausreden. Wenn man keine Windräder bauen kann – muss man Kernkraftwerke bauen! – Dieter Wurm

 

Bernd Ulrich adelt die Mission der Grünen zu einer Art ökologischem Dogma und hält den Zweiflern und Antagonisten Konzeptlosigkeit vor. Wenn das so wäre, war die grüne Partei offenbar nicht überzeugend genug ,übrigens auch in der Wahlurne. Auf der politischen Bühne zählt aber nicht selbstgefälliges Schulterklopfen, sondern die Mehrheit. Und die stößt sich an deren inneren Widersprüchen. (Frackinggas und Atom sind zwar Teufelszeug, aber nicht auf dem Importweg. Ziele bei der EMobilität oder der Heizung werden, wie im luftleeren Raum definiert ohne Gewissheit über Infrastrukturausbau oder Energieverfügbarkeit. Quasi der 2. Schritt vor dem ersten. Das Publikum durchschaut auch die Wohlstandsverluste etwa durch künstlich verteuerte Energie Verbrenneraus oder Heizungsdiktat. Die Erinnerung an Trittins Spritpreis von 5 DM wird lebendig. Schließlich die Attitüde des Vorreiters. Dabei sind die höchsten Energiepreise bei miserabler Klimabilanz hierzulande eher abschreckendes Beispiel.) Das Spiel haben die meisten durchschaut, es zieht nicht mehr. Der Zauber der grünen Ersatzreligion verblasst, beschleunigt durch Klimakleber und selbsternannte Propheten der reinen Lehre. Die Mehrheit will den Umbau, aber nicht mit der Brechstange. Was ohnehin in einer globalisierten Welt sinnlos ist, die meist andere Prioritäten hat als saubere Energie. – Christoph Schönberger

 

„Ziemlich heiße Luft“ Nach Verfassung des Berichtes Urlaub auf Bali? – Bernhard Jung

 

Es grünt so grün, wenn Habecks Pläne verglühen. Die DNA der Grünen, also der Grundplan und/oder Bauplan für das grüne Individuum ist mächtig ins Wanken und/oder Scheitern geraten. Was kann zur Rettung der Öko-, Anti Atom- und Friedenspartei beitragen und die Wirtschaft und das Klima retten? Die Koalitionsvereinbarung der Ampelregierung (Mehr Fortschritt wagen) umsetzen: „Naturschutz, Biodiversität, Natürlicher Klimaschutz, Meeresschutz, Klimaanpassung, Wasserschutz, Luftreinhaltung und Bodenschutz!“ All diese Schlagworte mit Leben füllen und politisch konsequent umsetzen. Viele schöne Worte und lauwarme Ankündigungen ohne Wumms bringen die Ideen und Projekte der Grünen nicht recht vorwärts. Ganz im Gegenteil. Den Grünen, der Ampel, ja auch der FDP, läuft für die Rettung des Klimas und die Erreichung des 1,5 Grad-Ziels der Erderwärmung, der Erhaltung der Artenvielfalt und des Schutzes der Meere und ihrer Bewohner die Zeit davon. Ohne die Einsichten auf notwendige persönliche Einschränkungen und gesellschaftliche Rücksichtnahmen wird eine Veränderung und Zielerreichung eher nicht möglich sein. Bei zu erwartender und entsprechender Kritik an unpopulären Maßnahmen (Verzicht auf Verbrenner-Motoren, Abschaffung der Heizungen mit fossiler Energie, schonender Umgang mit Strom, Gas, Öl und Holzverbrauch, Tempolimit auf Autobahnen und so weiter) wird es notwendig neben den „Jungen Leuten“ auch die sogenannte Mitte der Bevölkerung die „Breite Masse“ mitzunehmen. Dies indem sie durch Argumente und nachzuvollziehende Maßnahmen angeregt werden mitzumachen. Das geschieht nicht durch Verbote, sondern durch Überzeugung und natürlich auch durch finanzielle Angebote und Ausgleichsmaßnahmen die für alle Betroffenen fair und transparent sein müssen. Mit philosophischen Sonntagsreden und Erklärungen auf kindgerechter „Hier kommt die Maus-Niveau“ ist es nicht getan. Zur Zielerreichung, nicht nur der Klimaziele, müssen alle Ampelparteien sich nochmals den „Ampelvertrag“ durchlesen, verinnerlichen und umgehend auch danach handeln. Im Sinne der Sache vielleicht mal miteinander und nicht gegeneinander zielgerichtet an Lösungen arbeiten. Ohne immer wieder auf die nächste Wahl und das eigene Parteivolk zu schielen. Die letzten Wahlergebnisse der drei in der Ampelkoalition vertretenen Parteien zeigen, dass die Wähler mit der Ampelpolitik sowie bisher nicht einverstanden sind. – Felix Bicker

 

Vielen Dank für die Auflistung der Fehler der Grünen und den Hinweis auf die Tatsache, dass die Gesellschaft Veränderungen will, aber zugleich diese scheut. Das ist wohl das typische Dilemma: Was man macht, macht man falsch, zu- mindest gibt es immer genügend Kritiker. Ich habe keine Lösung, die alle befriedigt, aber 2 Dinge kann ich mit Sicherheit sagen:

– Ohne die Grünen wäre Deutschland noch im „klimapolitischen Mittelalter“

– Der sich entfaltenden Klimakatastrophe ist es vollkommen egal, wie lange wir diskutieren und zaudern; sie wird unentwegt Fakten schaffen, die wir dann hinnehmen müssen, bis wir nur noch Getriebene sind. Deshalb ist das Gerede über „heiße Luft“ eine sehr sportliche Einstellung; seien wir froh und dankbar, dass wir noch in der Lage sind, über Optionen zu diskutieren. – Erich Würth

 

Weiß dieser grüne Bundeswirtschaftsminister Habeck, wo die ganzen Rohstoffe herkommen, damit diese Energiewende überhaupt gelingen kann? Ja, genau, viele kommen höre und staune, auch wieder aus den Lieblings-Ländern der Grünen, wie Russland und China! Sind das nicht diese Länder, die ständig von westlichen (grünen) Sanktionen heimgesucht werden? Falls Russland und China wirklich nichts mehr in die EU liefern sollten, dann dürfte es ganz schnell bei uns hier richtig tief schattig, pechrabenschwarz oder total zappenduster werden. Am Fall Habeck sieht man ganz (un)deutlich, wo der „Grüne Hammer“ bei dieser „Alles-kleinklein-Vorschreibe-Partei“ hängt. „Je mehr Verbote und Beschränkungen das Reich hat, desto mehr verarmt das Volk.“ (Laotse, vermutlich 6 Jahrhundert vor Christus, chinesischer Philosoph) – Riggi Schwarz

 

Ich muss Bernd Ulrich widersprechen, wenn er von der „Verlogenheit einer Gesellschaft, die abstrakt ganz doll für den Klimaschutz ist“, schreibt und dabei die Grünen nicht mit einbezieht. Ich denke, es gibt keine andere deutsche Partei, die größere Unterschiede zwischen den politischen Ansprüchen und dem Verhalten ihrer Wähler, Sympathisanten und Mitgliedern aufweist als die Grünen: Grüne Wähler besitzen prozentual die meisten SUVs (Focus). Grüne Parlamentarier sind die größten Vielflieger im Deutschen Bundestag (Focus). Grüne Wähler fliegen sehr oft, halten allerdings die Flugpreise für zu niedrig, was sie sich auch leisten können, da sie oft überdurchschnittlich verdienen. Und was soll das ganze Theater, wenn grüne Politiker öffentlichkeitswirksam Fahrrad fahren, aber erst kurz vorher aus dem Auto aussteigen? – Rolf Schikorr

 

Interessiert lese ich grade Ihren Leitartikel. Darin schreiben Sie, dass die Grünen eigentlich alles richtig machen, aber um erfolgreicher zu sein auf ihren Standpunkten mehr beharren müssten. Wie es in der Politik so ist, bin ich da ganz anderer Meinung. Dazu aber mal ein paar Punkte, die mir jedenfalls sehr stark zu denken geben und aus meiner Sicht eine Erklärung für die weiter grassierende Politikverdrossenheit sein dürften:

Letzte Woche war ich beim Kreisbauerntag des BBV Ortsverbands Pfaffenhofen, zu dem als Redner Herr Hartmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen im bayerischen Landtag, kam. Herr Hartman hielt einen gar nicht so schlechten Impulsvortrag, da wäre ich noch bei einigen Punkten der selben Meinung gewesen. Leider versäumte er es im Anschluss auch nur auf eine der gestellten Fragen ‚echt‘ zu antworten. Er antwortete stets ausweichend und mit Einbringung einer grünen ideologischen Position, auch wenn er darauf konkret hingewiesen wurde. Ziemlich alle anwesenden Landwirte haben meiner Meinung nach schnell erkannt, dass es mit Wissen zur Landwirtschaft, das über die Grünen Parolen hinausgeht (und bitter notwendig wäre bei den Grünen) leider nicht weit her ist. Und genau hier liegt meiner Meinung nach der Hase im Pfeffer: als Politiker sollte man ehrlich bleiben. Entweder habe ich als Politiker wen an meiner Seite, der bei Detailfragen, zu denen ich die Fakten nicht kenne übernimmt oder ich arbeite mich selbst in die Thematik tief ein. Mit kleinen Einschränkungen hat dies z. B. die bayerische Landwirtschaftsministerin, Frau Kaniber, eindrucksvoll geschafft und schon vielfach bewiesen. Bei den Grünen vermisse ich das vollends, weder der Bundeslandwirtschaftsminister noch die Bundesumweltministerin (die ja sogar Agrarwissenschaften studiert hat) legen hier irgendwelche Ambitionen an den Tag sich mit der Thematik echt auseinanderzusetzen.

Und leider kann man dies auch für die Medien (und da sind leider alle außer manche Fachzeitschrift dabei) so konstatieren. Bei grundlegenden Zusammenhängen, die jeder Landwirt kennt, werden gravierende Fehleinschätzung getroffen. Und bei der aktuellen Fülle an Falschdarstellungen bin ich mit nicht mehr sicher, ob das deswegen ist, weil jeder beim anderen ungeprüft abschreibt oder weil nur noch Ideologen am Werk sind.

Daher wäre an allen Stellen der Gesellschaft landwirtschaftlicher Sachverstand, mehr Ehrlichkeit (insbesondere was die häufig bestehenden Zielkonflikte angeht) und mehr Demut und Fehlerkultur notwendig. So wie der aktuell von der Regierung und der EU eingeschlagene Weg für die Landwirtschaft gezeichnet ist, kommen wir auf alle Fälle meilenweit vom Ziel entfernt an. Weder tun wir was für das Tierwohl, noch senken wir die THG-Emissionen und schaffen es dabei viel Wissen auf den Höfen für immer samt den Höfen selbst zu vernichten. Darum bitte ich inständig darum, dass wenigstens der Qualitätsjournalismus endlich anfängt die Zusammenhänge und vielfachen Zielkonflikte darzustellen und den Politikern (und da sind die Grünen leider nicht allein, aber schon an vorderster Ideologiefront) den Spiegel vorhält. In der Wissenschaft werden diese Dinge wesentlich differenzierter diskutiert und dargestellt. Ein bißchen mehr Komplexität kann man sowohl den Politikern als auch dem Medien und der Gesellschaft zumuten. Daher würde mich eine ausgewogene Berichterstattung über die Landwirtschaft und Umwelt sehr erfreuen! – Stefan Thurner

 

Vielen Dank für diesen Artikel, mit dem Sie den Finger einmal — eigentlich zum wiederholten Mal — in die entscheidende Wunde gelegt bzw. den entscheidenden Nagel auf den Kopf getroffen haben! Außerdem kann ich Ihnen besonderen Respekt ausdrücken für Ihren Mut, ein paar Dinge zu sagen, die zwar wahr und wichtig, aber vielleicht genau deshalb bei vielen unerwünscht zu lesen oder hören sind, nicht nur bei Wählern der Parteien, sondern auch bei vielen Lesern einer Zeitschrift, die ja auch von Abonnenten und Werbeeinnahmen abhängig ist.

Leider allerdings ist nicht gerade nur die „Öko-Partei“ in der Krise, sondern das Klima und damit die Zukunft unserer und der Menschheit Kinder und Enkel! Es gehört zu den abscheulichsten Verdrehungen und Irreführungen, viele der nötigen Maßnahmen als allein im „ideologischen“ Interesse oder dem Gefallen der Grünen oder der „Fridays vor Future“ oder der „letzten Generation“ begründet darzustellen oder gar als ihr „Luftschloss“! Auch ist es sehr wahr, dass die „antigrünen“, damit leider nicht nur, aber auch Anti-Klimaschutz-Kampagnen Wirkung zeigen. Aber leider ist es auch sehr wahr, dass beide Flügel der Grünen zwar verständliche, aber tragische Fehler machen, allerdings harmlos im Vergleich zu den Fehlern, Illusionen, der Hybris oder (Generations- und Gruppen-)Egoismen der anderen Parteien. Und auch wieder völlig richtig, dass ihre Krise und im Vergleich zum nötigen Niederlagen vor allem an dem liegt, was sie zumindest für die Zukunft und die dann noch lebenden richtig machen. Lediglich ist es ihre „Schuld“, dass sie Umwelt und Atmosphäre auch nicht sauber gewaschen kriegen, ohne dabei viele nass zu machen, dass auch sie nicht die Quadratur des Kreises können und dazu, dass sie das nicht schlicht und ehrlich sagen und damit die „Kaiser ohne Kleider“ der anderen ansprechen. Diese Anderen behaupten ja vielfach immer noch, sie könnten das, z.B. über E-Fuels, Biosprit oder -gas, oder über erhoffte neue Supertechnologien ohne viel mehr Windparks, ohne Verzichte aller Art, ohne mehr Arbeit, ohne sonstige unbequeme Änderungen, ohne höhere Steuern, Preise oder Abgaben, sogar mit weiter steigenden Autozahlen und mit weiter steigenden Fernflugreise-zahlen, etc. etc. und das sogar noch rechtzeitig vor den Kippunkten des Klimas, falls sie diese überhaupt schon kennen und ernst nehmen. Diese ganzen „Chancen“, Hoffnungen oder gar als sichere Problemlösung prognostizierten Forderungen und Vorschläge sind genau das, was man den Grünen gern vorwirft: „Luftschlösser“, Rechnungen ohne ausreichende Grundlagen, ohne Berücksichtigung der nur noch kurzen Zeit oder ohne Berücksichtigung der Kosten an Geld und Arbeit, wenn sie denn noch rechtzeitig kommen sollen. Für weltweit inzwischen Millionen Opfer der bisherigen noch begrenzten Klimakatastrophen ist es ja schon bisher zu spät gewesen. Wenn die ganzen bequemen Vorschläge so gut und leicht funktionieren, warum haben die sie propagierenden die in ihren Regierungs- und Amtszeiten nicht längst umgesetzt?! Die Wohlstand-über-alles-Parteien haben allerdings insofern Recht, dass vieles an Grünen Ideen nicht geht, wenn man den Anspruch auf alle Besitzstände, Gewohnheiten, Bequemlichkeiten, weiteres materielles Wachstum, alle bisherigen „Freiheiten“ etc. anerkennt und unangetastet lassen will.

Sie haben so Recht mit der Feststellung der Verlogenheit, vielleicht teils auch Traumtänzerei nicht nur „der Politik“, die von vielen Seiten als bequemer Sündenbock gescholten wird, sondern genauso großer Teile unserer Gesellschaft, wenn sie „ganz doll für Kilmaschutz ist, aber nur, wenn er ohne konkrete Friktionen, herbe Anstrengungen, und ohne identitätspolitischen Muskelkater auskommt“, und die Beifall klatscht, wenn (nicht nur Herrn Söders) „innerer Schweinehund bellt“. In der „Heuteshow wurde es einmal so ausgedrückt: „Rettet das Klima, aber so, dass ich nichts davon merke!“

Aber leider haben Sie auch völlig Recht im „gemütlichen Teil“ des Artikels mit den „Standardfehlern“ der Grünen selbst im Umgang mit der „zögerlichen Gesellschaft in schnellen Krisen“: Die einen machen immer mehr Abstriche bei den „eigenen“ Zielen und Forderungen, selbst wenn diese eigentlich Forderungen des Klimas, der Wissenschaft oder der Zukunft sind. Beim Faktor Zeit ist auch noch schwer zu sagen, ob ihr nötiges Tempo auch als Entgegenkommen an die ganzen Ansprüche geopfert wird oder die Dringlichkeit von den „Realos“ selbst nicht so hoch gewichtet wird im Vergleich zur Akzeptanz bei größeren Mehrheiten der Wählerstimmen. Und die anderen, meist „Linken“ oder „Fundis“ meinen, Klima und Zukunft nur retten zu können oder dürfen, wenn damit gleichzeitig mit gleicher Priorität auch alle sonstigen sozialen Mängel und Ungerechtigkeiten behoben werden oder gar gleichzeitig eine grün-soziale „ideale — zumindest bessere — Gesellschaft“ geschaffen wird. „Man muss das zusammendenken“ wird dann gesagt. Beidem liegen natürlich nicht nur Ideale zugrunde, sondern auch Wunsch oder Notwendigkeiten „die Menschen mitzunehmen“ und damit genügend Wählerstimmen zu gewinnen und zu erhalten. Wenn aber „die Menschen“ sich nur mitnehmen lassen wollen, wenn alles sauber gewaschen wird, ohne sie auch nur ein wenig nass zu machen, und auch keine entgegenstehenden Argumente hören wollen, dann gibt es leider ein großes Problem.

Ich sehe immer wieder den bildlichen Vergleich der Klimakrise und des drohenden noch weit größeren Klimaschadens mit der Situation auf einem Passagierschiff ohne andere Schiffe in der Nähe, das durch ein schon großes Leck untergangsbedroht ist, auf dem es aber eine Reihe schwieriger Reaktionen bei Mannschaft und Passagieren gibt: die einen verlangen, dass die Reparaturen auf keinen Fall ihre „gebuchten und zustehenden“ Wohlfühlstandards beeinträchtigen dürfen, die sie auch für die sehr knappen Plätze auf den Rettungsbooten beanspruchen. Einige meinen sogar, das Ganze sei nur ein Problem des Kapitäns und des Bordingenieurs, die das ganze gefälligst ohne irgendwelche Mithilfe-Arbeit der Passagiere oder Comfort-Abstriche zu bewältigen haben wie etwa die Räumung einiger anderweitig gebrauchter oder gefährdeter Kabinen oder wegen knapp werdender Energie Verzicht auf einige Luxus-Nahrungsmittel und Grad Kabinenheizung. Andere wiederum verlangen vor Beginn der Reparaturen müsse erst einmal die gerechtere Bezahlung der Niedriglöhner*innen in der Crew geklärt werden: Auch sollen alle Schlicht-Kabinen-Nutzer und sogar alle blinden Passagiere ab sofort die gleichen Standards genießen wie die Suiten-Passagiere. Einige wollen sogar erst einmal die ganzen Handbücher gendern, wofür ein Teil der Crew reserviert werden soll etc. etc. Absurd? Natürlich, aber genauso absurd kommen mir immer wieder einige Forderungen und Bedingungen zur Rettung des Klimas und der bedrohten Arten vor, zu denen am Ende auch unsere eigene Spezies gehören könnte, mindestens aber große Teile von ihr.

Ich habe die ganze Wut und Frustration über diese Phänomene vor einigen Monaten im folgenden Gedicht zum Ausdruck gebracht:

An die Heuchler, Greenwasher u. Trittbrettfahrer der Zukunftsverantwortung

Ihr brüstet euch, die Welt zum bess’ren Ort zu machen,

zu mehr’n nicht den Profit, die Macht, nein, aller Herzenssachen.

Ihr liebt’s zu helfen, doch mit Gütern, die nicht eure,

die ihr von ignorierten und zukünft’gen nehmt, dass man euch fei’re

für das, was gut, doch heimlich bleibt der Preis, der Rechnung Säure.

Ihr bietet sogenannte „Lösungen“ für Groß-Gefahr’n, Probleme

Die so bequem und billig sind, dass man sie nehme

als zu schön, falsch zu sein, und Euch Macht und Profit gewährt,

Und denkt, mehr tun, Verzicht sei doch verkehrt,

derweil ihr heimlich baut Luxus-Fluchtburgen, vor nah’ndem Unheil

auf fernen Inseln, vermeintlich sicher vor Durst, Hunger, Hitze,

und all‘n, die gleiches woll‘n, von restlich Lebensraum ihr Teil,

dass Nahrung, Wasser, Kühle, Überleben sei auch in ihr’m Besitze.

 

Ihr wollt vor Protest-Taten Kunstwerke beschützen,

zerstört dabei das größte, den blau’n und grün‘ Planet

Mit allen Mitteln, die der Macht, dem Wohlstand nützen,

dass alles, was begehrt, bequem, gewohnt so weiter geht.

Oh ja, gefragt sagt ihr, ihr wollt ihn auch bewahren,

doch die Bedingungen, der Preis sind Euch zu viel,

Stadtpanzer, Fleischberg, Fernflug, all‘ die gewohnten Waren

Wollt ihr noch mehr bewahr’n, vor all’m den Lebensstil.

Ihr liebt es Honig aus Volkszorn zu saugen,

ihr wollt den Splitter zieh’n aus deren Augen,

die mit Verzweiflungs-Wut, sich fest an Straßen, Plätze kleben,

und Euch damit doch, ach zu sehr, den Vorwand geben

zu überseh’n, verleugnen Balken in der eignen Sicht,

der Euer Herz, Gewissen, Pflicht lässt seh’n und fühlen nicht.

 

Ihr wollt, dass Tun und Lassen vor all’m dem Jetzt-Wohl dienen

und schadet und beraubt nicht nur Eisbären, Wald und Bienen.

Ihr raubt, zerstört auch Zukunft unsrer Kinder, wie Euch lehrten

Verfassungsrichter, Wissenschaft, wo nicht die Tunnelblick‘ verwehrten

Bewusstsein der Verantwortung für die, die leben ferne u. in Zukunft,

die Not, die kommt, erklärt ihr weg mit Eurer Jetzt-Vernunft,

die euch lässt blicken nur auf Sorgen groß und klein der Gegenwart,

für die wollt ihr, dass man jetzt Wohlstand mehrt, Vorsorge spart,

wollt Euren Wählern, Kunden, Klientel gefall’n, und Leuten,

für die bequem‘ Gewohnheit, Luxus auch die Welt bedeuten.

 

Ihr gelobt Bess‘rung immer wieder und versprecht

Rücksicht auf Zukunft und Natur, wobei ihr brecht

schon die bisherigen Zusagen, wie Kinder Euch anklagen, glaubt,

„Wenn möglich“ ist für Euch nur das, was noch erlaubt

viel dicke Autos, Tempo, Fleisch in Massen, schnelle Mode, längste Flüge

all das, glaubt ihr, geht weiter mit „Kompensation“, die große Lüge,

Gewissen, Ängste, zu betäuben, einzuschläfern, glauben

dass mehr „Genie“ und Technik reicht um nicht Zukunft zu rauben,

so dass man wie gewohnt stets weiter sich vergnüge,

und niemals drohen euch und Euren Klientel Entzüge

von eurem altgewohnten Anspruch, Glanz, Besitzstand,

den man doch nie in Völkerrecht, Verfassung fand,

zumal er bringt das Klima, Zukunft, Menschheit an den Rand.

 

Die Welt ist wie ein Wald in Brand, und ihr steht schon am Rand

Und spritzt mit Schläuchen Flüssigkeit hinein,

das einz’ge Mittel für die Not, das euch bekannt

Doch ist’s nicht Wasser, nein, Benzin allein,

denn nur das soll dem Wohlstand dienlich sein.

 

Was tun, wenn ihr nicht umkehr’n wollt, noch woll’n die vielen,

die Eure Propaganda lesen, hör’n, um nachzulaufen alten Zielen?

Seht endlich den Planet in seinem Elends-fieber,

getröst’t vom ält‘ren Bruder, der ihm sagt, „mein Lieber,

fass‘ Mut, du hast nur Homo sapiens, das geht vorüber,

nicht dauerhaft sind deine Krankheitskeime,

denn sie zerstör’n auch ihrer Enkel Lebens Heime.

Und sie vererben in ´nem abgelegenem Gebiet,

noch eine Blackbox, damit spät‘re Zivilisation mal sieht,

vielleicht, was ist geschehen und was sie gemacht,

so dass die besser auf sich selbst und andre haben Acht“.

 

Wollt ihr das wirklich, sein solch‘ Keime?

Die Kinder fleh’n euch an, bewahrt für sie die Lebensräume!

(geschrieben 03.12.22, modifiziert bis 5.12.2)

Ich habe aber trotz all dem nicht resigniert, obwohl ich die Chancen angesichts des Verhaltens der Mehrheitsmenschen nur noch gering sehe, sogar obwohl noch erschwerend die Unsicherheit hinzu kommt, ob alle Mühen und Kosten, wenn in Deutschland oder gar Europa doch erbracht, am Ende vergeblich sein werden, wenn die restlichen über 90% der Welt ihre dortigen Emissionen weiter fortsetzen oder gar mitsamt der Waldzerstörungen noch steigern. Das hat schon viele zur Resignation geführt. Aber diese Resignation kann auch eine self-fullfilling prophecy werden, da sie genauso lähmt wie leichtfertiger Über-Optimismus. Deshalb ist es auch unsere Aufgabe, nicht zuletzt auch in den Medien, alle Hebel der Kommunikation, der Aufklärung, der Werbung, der Diplomatie, des Handels, der Anreize und wo nötig Druck zu nutzen, damit Deutschland und auch Europa nicht allein bleiben. Selbst bei wenigen % Chancen würde ich lieber weiter appellieren, argumentieren, kämpfen und arbeiten, gegen die Kräfte der Resignation, des Zynismus, des Kopf-in-den-Sand und des Trittbrettfahrertums, in der Hoffnung vielleicht doch noch genug Menschen mit zu gewinnen, zumindest von denen, denen das künftige Schicksal auch ihrer Kinder und Enkel nicht egal ist. Wenn dann nur ein Teil der überzeugten wieder andere überzeugt, dann gibt es eine Chance, dass ein positiver gesellschaftlicher Kippunkt noch rechtzeitig und eher kommt als die gefürchteten Klima-Kipppunkte.

Diese Resthoffnung und Dennoch-Entschlossenheit habe ich im folgenden Gedicht (hier gekürzt) zum Ausdruck gebracht:

Traum oder Zukunft, wir – Menschen – entscheiden es

Man sagte mir, es sei ein Traum,

die Menschheit möge sehend werden,

und aus Vernunft bewahr’n den Lebensraum,

entgeh‘n dem Klima-Abgrund hier auf Erden.

Es sei unmöglich Welt und Mensch zu ändern,

schon gar nicht in den meisten andern Ländern,

gar mit Verzicht auf Wachstum ihrer Zahlen,

sonst wo sich klein’ren Wohlstand auszumalen,

‘s sei aussichtslos, dass sie Glück suchen ohne

des Konsumenten Glanz- und Comfort-Zone

mit häufig neuer Billig-Mode Hülle,

ohn’ Berge Fleisch, weit Fliegen, Konsums Über-Fülle.

 

Ich wusste nicht, meint’s nur Traumtänzerei

Oder Vision, Kampf-Ziel, des Kosten einerlei,

Ich weiß, die Chance ist klein, wenn wir bedenken

wie viel verlor’ne Jahr zum Abgrund lenken,

wie viele Chancen, die man wollt‘ verschenken.

 

Doch kann ich, dürfen alle nicht aufgeben,

die auch voraussehn künftiges Erleben,

nicht „Greta“ und die vielen im Stich lassen,

nichts tun, als ob wir ihre Zukunft hassen:

 die jetzt und künftig leben, sind betroffen,

selbst handeln und auf Fairness, Hilfe hoffen,

dass wir doch noch die Chance halten offen,

nicht länger weitermachen wie besoffen,

doch noch die Kurve zu guter Zukunft kriegen

System und inn‘re Schweinehunde, Ignoranz besiegen

 

Wir all‘ entscheiden, ob das bleibt ein Wunsch-Traum,

ob Wende dieser Welt hat zeitnah, Raum

ob Zivilisation soll länger leben auf der Erde

ob unser Planen, Handeln, sie retten werde.

 

Lasst uns trotz allem träumen, mehr noch, leben,

kämpfen für den Traum, niemals aufgeben,

und endlich doch den Kindern Zukunft geben,

mit Arbeit, Worten, Kunst, mit unserm Leben:

. . . 

dass fordernde sich fragen leise,

ob ihr Begehr’n ‘ne Quadratur der Kreise

oder auch waschen ohne nass zu machen

und and‘re nur mit Zaubern geh’nde Sachen.

 

(Nur) Dann heißt’s voller Hoffnung, zuversichtlich sein

Dass auch in 1000 Jahr‘n Menschen sich freu’n,

an Liebe, Neugier, Welt für Groß und Klein,

und auch Gemeinwohls Quelle wollen sein,

für aller Leben, Freiheit, Schönheit, Spiel,

denn Quell‘n des Lebensglücks gibt es so viel,

auch ohne Gier und Glanz im Lebensstil,

. . .

Nur Tropfen scheint‘s auf heißen, großen Stein,

was jeder uns’rer Zukunft tun und antun kann,

doch lasst sie achten, nicht gleichgültig sein,

denn viele Tropfen geben einen Ozean!

 

Traum oder Zukunft? Freud‘ oder Leiden?

Wir, tun und lassen, solln‘s entscheiden;

Abwarten, Grübeln werden‘s nicht ergründen

das schafft nur unser Tun, in global‘n Bünden.

 (geschrieben 04.03.202)Peter Selmke

 

Dieser Leitartikel suggeriert mit dem „Faktor Zeit“ wie gewohnt die Vorstellung, dass die Rettung des Welttklimas entscheidend von der deutschen Politik abhängt. Erklärtermaßen sehen die bevölkerungsreichsten Staaten der Erde – Indien und China – die Dringlichkeit längst nicht so wie der Leitartikler (ganz zu schweigen von Rußland). Dass die Mehrheit der US-amerikanischen Bevölkerung es eilig hat mit der Änderung ihrer Lebensweise – nun, das mag man glauben, denn der Glaube versetzt bekanntlich Berge, warum nicht auch das Weltklima. Der selten hinterfragte Konsens, dass am deutschen Wesen die Welt genesen werde, hat schon etwas Rührendes . . . – Friedrich Schweikert

 

Ich denke, wer die Grünen wählt, wählt sie zumeist aus grundsätzlichen Erwägungen heraus und lässt sich von Forderungen eines Teils der Grünen, die über den Klima-, Natur-, Arten- und Umweltschutz hinausgehen, nicht so leicht beirren. Das Hauptproblem dürfte wirklich sein, dass (fast) alle jene Wähler*innen, die davon ausgehen, dass sie selbst die schlimmsten Auswirkungen der Klimakatastrophe nicht mehr erleben werden – und das sind offenbar mindestens 80 Prozent der Wähler*innen -, nicht bereit sind, schmerzhaft spürbare Abstriche/Änderungen bezüglich Wohlstand oder auch nur Bequemlichkeit und Gewohnheiten hinzunehmen. Die Politiker*innen wollen (wieder)gewählt werden und reagieren auf den Verzichts- und Veränderungsunwillen, indem sie – in der Regel wohl wider eigenes besseres Wissen – versprechen, der technische Fortschritt werde alles noch rechtzeitig richten – z. B. bald die Entfernung von CO2 aus der Luft in großem Umfang zu vertretbaren Kosten möglich machen -, weshalb niemand in Deutschland jetzt etwas oder gar sich selbst ändern müsse. Und so wird es in Deutschland wohl erst gravierende Änderungen geben, wenn die Katastrophe wirklich allen sichtbar vor Augen steht und es zu spät ist, sie noch aufzuhalten. Überflutungen, Dürren, Hitzetote, Waldbrände und schwere Unwetter reichen offenbar in Deutschland bislang noch nicht aus, um eine Bereitschaft zu gravierenden Veränderungen zu bewirken. Gut, dass ich schon 63 bin. – Ulrich Willmes

 

Vielen Dank für ihren klaren & unterhaltsamen Leitartikel in der aktuellen Ausgabe der ZEIT. Die Formulierung „… Enteignung von Wohnungsbesitzern …“ empfinde ich als wirklich sehr unfair. Die Formulierung suggeriert, es würde in der Initiative auf, die Sie anspielen, darum gehen, private Besitzer von Eigentumswohnungen ihr Eigentum wegzunehmen, um anschließend aus Radikalitätslust eine Art sozialistische Misswirtschaft zu errichten. Laut Antrag geht es jedoch um die Vergesellschaftung von Unternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen. Diese sollen in eine Anstalt des öffentlichen Rechts überführt werden. Was für uns als Gesellschaft bedeutet, wieder etwas mehr demokratischen Zugriff auf die Gestaltung der Wohnsituation in unserer Stadt zu erhalten. Was mittelfristig nicht nur positive Auswirkungen für die unmittelbar betroffenen Bewohner hätte, sondern auch Impulse für den Vergleichsmietspiegel ausstrahlen würde.

Börsennotierte Wohnungsgesellschaften, wie die titelgebende Deutsche Wohnen sind naturgemäß stark auf Gewinnmaximierung ausgerichtet. Das macht aus ihrer Sicht auch Sinn. Das ist der Grund ihres Daseins. Kein Investor ist daran interessiert, ob die Leute sich in seinen Immobilien wohl fühlen, sondern dass sich der Einsatz maximal rentiert. Eine Konstellation in der immer jemand verliert: Der Investor oder die Mieter. Nun ist wohnen aber ein sensibles Grundbedürfnis. Ich kenne mehrere Familien, die in einer Wohnung der Deutsche Wohnen leben. Das ist ein Wohnen in stetiger Anspannung. Vor allem finanziell.

Ich weiß nicht, wie ihre soziale Situation aussieht und wie Sie wohnen. Es ist sicherlich nicht übertrieben, dass in Berlin in vielen Schichten zu diesem Thema eine ständige Atmosphäre der Bedrohung und Unsicherheit herrscht. Ich habe in meinem Umfeld mehrere Verkäufe von Mietshäusern an Investoren erlebt. Und den darauffolgenden Druck, Entmietung und Umwandlung in Eigentumswohnungen mitbekommen. Diese Häuser sind für immer (?) der sozialen Wohn-und Mietengestaltung der öffentlichen Gesellschaft entzogen. Da werden nie wieder Leute mit einem niedrigen sozialen Standard wohnen.

Der Volksentscheid bekam bei der Abstimmung eine Zustimmung von 59%. Das sind über 1 Million aktive Stimmen. Ihnen ist doch wohl klar, dass es sich damit nicht um ein Randphänomen von einzelnen radikalen Selbstdarstellern handelt, die Radikalität aus Gesinnung betreiben. Das betrifft unglaublich viele Menschen und ist in der Stadt ein sehr sensibles Thema. Es geht um das Grundbedürfnis den Wohnungsmarkt wieder mehr der gesellschaftlichen Gestaltung zugänglich zu machen. Und um die Frage, wer wo wohnen darf. Die städtischen Wohnungsgesellschaften sind natürlich nicht immer faire Mietpartner. Aber die Gestaltungsmöglichkeit ist größer. Und für die betroffenen Bewohner, kann es kaum noch schlimmer kommen. Über die spricht interessanterweise selten jemand. Wie in Ihrer Bemerkung geht es um diejenigen, welche die Immobilien besitzen und wie sehr ihnen geschadet werden soll. Allein die „Deutsche Wohnen“ hält 110 000 Wohnungen. Dass die darin lebenden Menschen mittelfristig wirtschaftlich und mental entlastet werden, spielt fast nie eine Rolle.

Das war schon während des Mietendeckels zu beobachten. Die Verluste der Investoren wurden thematisiert. Aber welche wirtschaftlichen Impulse (wenn einem das so wichtig ist) die Mieter mit dem gesparten Geld setzen könnten, wurde nie diskutiert. Die psychische und finanzielle Entlastung von über 110 000 Menschen scheint nichts wert zu sein.

Mein Onkel besitzt ein enggedrängtes Einfamilienhaus in Berlin Bohnsdorf. Er ist natürlich auch leidenschaftlich gegen die Vergesellschaftung, weil er irgendwie das Gefühl hat, dass er dann als nächstes dran ist. Das dem kleinen Mann sein Häuschen weggenommen werden kann. Eine Assoziation, die ja auch ihre Formulierung weiterträgt und unterstützt. Vielleicht haben sie eine ähnliche Motivation. Aus meiner Sicht geht es aber um Verantwortung und wie wir als Bewohner die Stadt gestalten in der wir leben (wollen).

Mir ist vollkommen klar, dass es auch ganz andere Vorstellungen und Perspektiven zu diesem Thema gibt. Ich würde mir nur von Leuten wie Ihnen wünschen, die immerhin Aufmacher-Artikel in der Zeit schreiben, auch einmal die Perspektive zu wechseln, anstatt mit suggerierenden unfairen Verkürzungen Angst (Naja, das ist jetzt vielleicht etwas übertrieben) zu verbreiten. Bei der Betrachtung der Grünen hat das ja auch ganz gut geklappt. – Andreas Hartung

 

Das Problem liegt nicht am mangelnden Willen der Menschen, den Klimawandel umzusetzen, die meisten wären bereit dazu, wenn die Politik hier die richtigen Regeln einführen würde. Eigentlich wäre es wirklich einfach. Im Grunde wissen alle, was zu tun ist. Das Problem liegt daran, dass dies die Grünen vorschlagen und auch vormachen, wie Sie auch schreiben. Doch was passiert dann. Die Umfragewerte und Beliebtheitswerte der Grünen steigen und die der anderen Parteien fallen. Da hetzt man doch lieber die Bevölkerung auf mit „Grüne sind Verbotspartei“. Würden alle Parteien das gleiche behaupten und somit in Gesetzesform bringen: nämlich: weniger Fleisch, weniger Verkehr, weniger Energieverbrauch, dann würden alle Menschen mitmachen, ja, sogar mitmachen müssen, denn sicher braucht es Zwang. Doch lieber redet man den Leuten ein, dass sie weiter wie die Brontosaurier Porsche- und SUVs fahren und das tägliche Steak verzehren können. Hinzu kommt, dass die die BILD Zeitung und andre von der Hetze leben und den letzten alten weißen Alleinernährern und Grillexperten einreden, dass alles so bleiben könnte wie bisher. Wohl wissend, dass der Saurier Veganer war. Und selbst Söder war ja schon Baumumarmer. Aber vermutlich fürchtet er 5 % Stimmenverlust. Da küsst man doch lieber die Ummantelung eines Atomkraftwerks nach dem Motto: Nach mir die Sintflut. Echt verstrahlt. – Karl Giggenbach

 

Die letzten drei Sätze verstören mich ein wenig. Höre ich da ein Bedauern des Schreibers heraus, dass die Grünen nicht die Regierung stellen. Herr Ulrich, graut’s Ihnen vor Gar nichts? Mit dem Bildungsstand, der mangelnden Lebenserfahrung und dem fehlenden Anstand dieses Personals ernten wir ja jetzt schon Gelächter aus dem Ausland. Projekte – und das weiß jeder der im Berufsleben leitend tätig ist, müssen in Ruhe analysiert und abgewogen werden, Ist- und Sollzustände definiert werden und die Budgets vorgegeben und deren Einhaltung kontrolliert werden. Die Zeit brennt uns auf den Nägeln, das sehe ich auch so. Aber wir brauchen eine „Expertenregierung“, die um diese Vorgehensweise weiß. Schlecht geplante und durchgeführte Projekte können am Ende mehr Schaden bringen. – Und dafür haben keine Zeit! – Klaus Prinz

 

Gedanklich stimme ich hundertprozentig mit Bernd Ulrich überein. Wenn ich doch bloß so gut schreiben könnte! – Sven Herfurth

 

Einer sollte klare Klimaschutzrichtlinien bestimmen: der Kanzler! Doch, wie üblich, zögert und zaudert er; früher nannte man das „Aussitzen“! Kann gelingen bei unbedeutenden Problemen; bei der Klimaerwärmung ist es verantwortungslose Zeitvergeudung! Der Zukunftsblick des Kanzlers reicht, mit Glück, bis zum Ende der Legislaturperiode. Danach wird er das tun, was abgewählte Kanzler gern tun: die neue Regierung kritisieren für etwas, das er selbst versäumt hat! Die steigende Erderwärmung ist ein Weltproblem, das von allen Nationen solidarisch gelöst werden muss! Doch nicht einmal unsere Drei-Parteien-Koalition ist sich einig und zieht an einem Strang! Die Grünen streben die einschneidendste Lösung an; doch gibt es in ihrer Partei zahlreiche Quertreiber, die radikalen Klimaschutz verknüpfen mit ebenso radikalen wie überflüssigen und unsinnigen Forderungen! Damit reiben sie sich intern auf, werden für immer mehr Bürger nicht mehr wählbar und sich allmählich zurückentwickeln zur Splitterpartei ihrer Anfangsjahre! Der Kiebitz wird’s verschmerzen! So scheint es fast unausweichlich, daß nur noch eine Naturkatastrophe die Überhitzung der Erde bremsen kann: ein gewaltiger Vulkanausbruch, der über lange Zeit die Atmosphäre der Erde verdüstert und abkühlt! Das gliche einer Teufelsaustreibung durch Beelzebub! Wollen wir etwa darauf warten, vielleicht gar hoffen? – Ulrich Pietsch

 

Veronika Grimm und Bernd Ulrich betrachten ein merkwürdiges Phänomen von zwei Seiten, das koalitionsinterne Tamtam um den notwendigen Klimaschutz. Grimm hält den Streit für unnötig, Ulrich für ein Ablenkungsmanöver („ach, die Welt ist voller Probleme“). Das Ganze ist deshalb so bizarr, als allen bewusst ist, dass uns die Zeit davonrennt. E-Fuels wären technisch möglich, aber ihr Großeinsatz würde die effizienteren Einsatzmöglichkeiten von erneuerbarem Strom ausbremsen, neue Kapazitäten von PV oder Windkraft fallen nirgendwo vom Himmel und können nicht zweimal genutzt werden. Grimms Vorschlag einer drastischen Erhöhung des CO2-Preises bis 2025 durch einen flächendeckenden europäischen Emissionshandel, der Heizöl, Gas und Kraftstoffe so teuer machte wie E-Fuels, wäre eine Rosskur, tödlich für die Industrie und katastrophal für die Verbraucher. Aber er macht das Zeitproblem deutlich. Weniger Beachtung findet eine andere Grenze. Uns fehlen die intellektuellen Ressourcen für den Umbau unserer Gesellschaft. Söders Schweinehundegebell ist nur ein trauriges Symptom dafür. Der Streit zwischen grünen Realos und Linken ist da schon schmerzlicher. Besonders tragisch ist der in allen politischen Lagern gepflegte Hang zur Denkfaulheit, so das Gerede von der Technologieoffenheit; es suggeriert unbegrenzte personelle und finanzielle Möglichkeiten, um im Zauberwald der Technik flugs die rettenden Wunder zu ernten. Dabei fehlt es schon an Fachkräften, um die real verfügbaren Techniken zügig auszubauen. Hinweise auf „Zukunftstechnologien“ zeigen, wie sehr magisches Denken unser gesellschaftliches Handeln bestimmt. Das Motto, wir können weiterhin unser gewohntes Leben führen; lasst die Ingenieure nur machen. Ulrich weist auf diese Strategie der Parteien hin. Man wünscht sich, dass er das zorniger geißelte. – Hermann Pütter

 


 

 

Leserbriefe zu „Wer steckt dahinter?“ von Holger Stark

 

Dass die Ukraine in der Opferrolle ist, macht den millionenschweren Selenskyj noch lange nicht zum Ehrenmann. Es gab schon vorher miese politische Tricks wie den Angriff auf polnisches Grenzgebiet, um die Partner zu manipulieren. Seriöse Politik sieht anders aus. Der Anschlag auf Nordstream – völlig vorbei an einer ahnungslosen Regierung in Kiew? Wie naiv muss man sein. Ganz zu schweigen von der mafiösen, korrupten Politiker- und Oligarchenführung dieses Landes. Und dem Wunsch nach dem Einsatz von Streumunition und Phosphorwaffen. Wären nicht die humanitäre Verpflichtung und die Notwendigkeit, Putin klare Grenzen aufzuzeigen, man könnte seitens der EU die Ukraine nicht mal mit der Zange anfassen. – Renate Claudia Hirschmann

 

Aha, der erste Hinweis kam in den Tagen nach dem Anschlag. Warum schreibt dann auch DIE ZEIT in der Nr.41 2022, dass niemand an der russischen Urheberschaft für die Pipeline Lecks zweifelt? Nun, 6 Monate später, sollen 6 Personen mit Verbindungen in die Ukraine, mit professionell gefälschten Pässen eine solche gefährliche terroristische Operation durchgeführt haben. Es müssen Profis gewesen sein. Wer sind die Auftraggeber? Und diese Profis hinterlassen Sprengstoffreste auf der Tischplatte. Stimmen diese Reste chemisch mit dem Sprengstoff überein, der für die Sprengung der Pipelines verwendet wurde? Weiß man das nicht? Kaum zu glauben.

Wem nutzen diese Halbinformationen? Welcher Eindruck soll befördert und was soll verschleiert werden? Und warum jetzt, ein halbes Jahr später? Herr Podolyak behauptet, wen wundert es, natürlich immer noch, dass es nur die Russen gewesen sein können. Gibt es eine unabhängige Untersuchung? Ich glaube in dieser Sache gar nichts mehr, schon gar nicht der offiziellen Presse. Aber diese Informationspolitik öffnet die Türen für jede Art von Verschwörungstheorien. – Petra Harink

 

Wie fühlt man sich eigentlich als angeblich seriöses Blatt, wenn man gezwungen wird, solche hanebüchenen Geschichten abzudrucken? Dass Nordstream vom US-Militär zerstört wurde, liegt wohl auf der Hand, zumal es Präsident Biden selbst angekündigt hat. Recherchieren Sie besser, warum sich Kanzler Scholz so etwas widerspruchslos bieten lässt. – Bert Ehgartner

 

Die präzise Planung und die professionelle Ausführung lassen nur eine Lösung zu: die OLSENBANDE hat wieder zugeschlagen. Sprengstoff im Arztkoffer, Yvonne war auch mit dabei und Dynamit Harry sorgte für den richtigen Rumms. Wahrscheinlich geht Egon bald wieder in den Knast. – Hannes Bezouska-Strozyk

 

Mich erinnert dieser Fall sehr an den Versuch der Nazis, dem „angeheuerten“ halbblinden holländischen Arbeitslosen van der Lubbe den Reichstagsbrand anzudichten, obwohl alle Indizien darauf hinwiesen, dass es die Nazis selbst waren, die das Feuer legten. Jetzt müssen die armen Ukrainer herhalten für einen ruchlosen Sabotageakt, der bereits während einer Pressekonferenz im Weißen Haus in Washington am. 7.2.2022 von US-Präsident Biden in Anwesenheit von Bundeskanzler Scholz klar und unmißverständlich angekündigt worden ist: „Sollten die Russen in der Ukraine einmarschieren, ist das das Ende von Nord Stream 2. – We will bring an end to it!“ und auf Nachfrage: „I promise you, we are able to do it!“

Und jetzt will man der Öffentlichkeit erzählen, auf einer kleinen Yacht seien 2 Tonnen Sprengstoff transportiert worden etc. Das Boot wäre mit dieser Fracht sofort gesunken! Was will man vertuschen? Dass US-Marineschiffe wenige Wochen zuvor in dem Gebiet während einer NATO-Marineübung kreuzten, konnte man seinerzeit sogar in der Zeitung lesen. Das war gar kein Geheimnis. Für wie blöd hält man uns? – Björn Luley

 

Wie kann man nur die Ukraine verdächtigen? Selenskyj & Co. das sind die Gutmenschen (fast schon im Heiligenstand) in einem Land, wo die Korruption einen hohen Stellenwert hat, wo Oligarchen das sagen haben, da gibt es so etwas Böses einfach nicht. Allein schon der Gedanke daran, „das, wenn aber doch“, der ist niederträchtig, ziemlich kaltschnäuzig, frevelhaft und mega unsolidarisch. Es kann und darf eigentlich nur der (korrupte) Russe gewesen sein, der sich mit aller Macht und Gewalt fast schon zwanghaft selbst schädigen will und muss. – Klaus P. Jaworek

 

Chapeau! Rhetorisch geschickt führen Sie uns in dem Artikel vor Augen, wie Manipulation funktioniert. Wer nur die Überschrift liest der kommt zu einem anderem Ergebnis als derjenige der Ihren sehr ausführlich im Text durcharbeitet. Besser kann man nicht vor Augen führen wie etwas um 180 Grad verdreht werden kann. Danke für die sachliche Berichterstattung. – Timon Gruber

 

Ein „europäischer Geheimdienst“ lanciert die Info, wonach ein 6-Personen-Team eine Jacht anmietete, damit in die Ostsee aufbrach und die Nord-Stream-Pipeline sprengte. Wenn ein Geheimdienst etwas an die Öffentlichkeit lanciert, dann verfolgt er damit einen Zweck und bei den bedienten Journalisten müssten eigentlich alle Alarmglocken schrillen. Diese Story, die jedem informierten Laien als unrealistisch erscheint, wird von der Zeit groß aufgearbeitet. Auf dieser kleinen Nußschale transportierten die Saboteure ihr gesamtes Equipment nebst ca. einen halben Tonne Sprengstoff! Zwei Taucher sind dann mal schnell in 80 Meter Tiefe abgetaucht und haben den Sprengstoff an den Röhren befestigt. Chapeau! Weil auf dem Bötchen kein Platz für eine Druckkammer war, hat man eine Ärztin mitgenommen. Über die Täter ist nichts weiter bekannt, aber man weiß, dass die medizinische Versorgung der Crew von einer Ärztin geleistet wurde. Sie hat wohl ihr Stethoskop nebst Monatsbinde an Bord vergessen. Lt. Bericht standen die professionellen Saboteure ja unter Zeitdruck und waren dann so dilettantisch, die Jacht zurückzugeben, ohne vorher ihre Spuren zu verwischen, sodass sogar noch Sprengstoffreste auf dem Kabinentisch gesichert werden konnten. Der brisante Bericht von Seymour Hersh, einer Koryphäe des investigativen Journalismus, wonach die USA für die Sprengung der Pipeline verantwortlich sind, wurde von den meisten Medien als unglaubwürdig abgetan. Nun aber wird eine Story präsentiert, die allenfalls den Stoff für einen schrägen „Ostsee-Tatort“ der ARD liefern könnte. – Edmund Scheuern

 

Faszinierende Räuberpistole, die die westlichen Geheimdienste da erfunden haben, um von den eigentlichen Hintermännern abzulenken. Dann läßt man die Geschichte noch tröpfchenweise durchsickern, damit sich alle Medien draufstürzen. Jetzt geistert das ganze zwei oder drei Wochen durch die Medienlandschaft und dann hören wir nie wieder davon. Nur der guten Ordnung halber niemand schleppt 500kg Sprengstoff und eine tonnenschwere Spezialausrüstung bestehend u.a. aus Taucheranzügen, Flaschen, Kompressor, spezielles Luft-/Gasgemisch, welches man für Tauchgänge in ca. 100 m Tiefe braucht, mal so eben durch den Yachthafen Hohe Düne auf eine Bavaria 50, ohne daß irgendwer davon etwas mitbekommt. Da schaut jeder Stegnachbar dreimal hin. Charteryachten werden dazu üblicherweise nach jedem Chartertörn endgereinigt. In der Ostsee finden sich auch im Oktober noch diverse Segelgäste für dieses Schiff. Die Bavaria 50 ist nach dem besagten Törn also mutmaßlich vier- bis fünfmal endgereinigt worden. Da ist mehr als fraglich, wie man dann im Januar noch Sprengstoffspuren am Tisch findet. Schließlich hat die Yacht angeblich Zwischenstation in Wiek auf Rügen gemacht und nicht in Wieck. – Volker v. Moers

 

Interessanterweise finden Sie überhaupt nichts anrüchiges darin, wenn sich ein der reinen Wahrheit verpflichteter Generalbundesanwalt (Judikative) eng mit der Bundesregierung (Exekutive) abstimmt. Aber kommt da nicht die Gewaltenteilung auf höchster Ebene unter die politische Wünschbarkeitsknute? Und wo bleibt dann der Souverän, das Volk? Den von Ihnen erwähnten „belastbaren Zwischenstand“ können die Leser wohl kaum nachvollziehen, denn selbst die von Ihnen skizzierte Hypothese weist ja riesige Informationslücken auf:

Warum fragen Sie nicht, weshalb die Täter den längst möglichen, mehrere Tage dauernden, Weg von Rostock aus genutzt haben – und nicht einen der nur viertelt so langen anderen Wege von Nord, West oder Süd? Die mindestens 3 Tatorte liegen sicher nicht „in der Nähe von Wirtschaftszonen“, sondern in jeweils genau einer derselben. Höchst interessant, dass sich (m.E.) kein Staat eindeutig als „in meiner EEZ“ oder „in meinem SAR-Gebiet gelegen“ zuständig erklärte. In gleicher Weise sollte es verwundern, dass die auf Dänemarks Fähigkeiten basierende NATO- Überwachung ostwärts Christiansö, also in der historischen Haupt-Annäherungsrichtung der Baltischen Flotte, soo lückenhaft gewesen sein soll – und dies zu einem Zeitpunkt, zu dem es dort vor Schiffen und Booten nur so wimmelte…. und ein ganzes Dutzend Radargeräte aktiv waren.

Falls die vierte Röhre „aus Zufall“ nicht zerstört wurde, müsste ja die Ladung inkl. Zünder und Auslösemechanismus geborgen worden und seitens des BGA ausgewertet sein. Dann aber ist der Zündmechanismus keineswegs „unklar“. Umgekehrt: Falls der Mechanismus tatsächlich unklar ist, weil eben die vierte Röhre gar nicht angegriffen wurde, stellt sich die Frage nach der darin enthaltenen Botschaft, sowie „Von wem an wen“? Und wenn Spuren von Sprengstoff gefunden wurden: Hatte die professionelle Schwimmtaucher-Gruppe mit professionell gefälschten Pässen (und Segelscheinen?) nun auch professionellen Sprengstoff – und welchen? Und warum stellen Sie angesichts der umfassenden Professionalität den Staatsterrorismus noch in Frage? Vielleicht gehen Sie in der nächsten Ausgabe ja mal dem von Ihnen diskreditierten false-flag-Szenarion nach: die Täter stammten vielleicht nicht aus der Ukraine, sondern kamen über die Grenzregion Ukraine – Polen? Es wird Ihnen nicht entgangen sein, dass andere Journalisten (vor Ihnen) zu anderen Ergebnissen gekommen sind. – Franz Berger

 

Ich halte das Sprengen der Nord-Stream-Pipelines für eine False Flag-Operation. Die Russen wollten Deniability für das Zudrehen des Gashahns nach Deutschland schaffen. – Charles Atkinson

 

Toller Bericht „Wer steckt dahinter“? Als ehemaliger Segler habe ich mich gefragt, wer die Yacht über den Hafen von Wieck am Darß getragen hat. Auch kann man die dort liegenden Zeesenboote bewundern. Aber Yachten wie sie im TV gezeigt wurden gibt es dort nicht. Der Hafen von Wieck hat eine Wassertiefe von 1,40 Meter. Die Yacht im TV hat aber 1,85 Meter Tiefgang. Auch das Befahren des Bodstedter Boddens mit einer solchen Yacht ist mehr als fraglich. – Dieter Gehrken 

 

Warum soll eine von Putin/Russland veranlasste fals flag-Operation ausgesprochen unwahrscheinlich sein? Herr Putin kommt aus dem Geheimdienst und hat sich wohl schon mehrfach solcher Täuschungsmanöver bedient. Ich denke da an die Sprengstoffanschläge auf Wohnhäuser in Russland, die angeblich tschetschenische Terroristen verübt haben sollen, in Wahrheit aber wohl der russische Geheimdienst FSB verübt hat (Quellen: u. a. https://taz.de/Ex-Geheimdienstler-ueber-Anschlaege-von-1999/!5156001/ und auch https://www.zeit.de/2006/49/Der_Terror_von_oben/komplettansicht) und an die „Grünen Männchen“ im russischen Eroberungskrieg gegen die Ukraine (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Gr%C3%BCne_M%C3%A4nnchen). – Ulrich Willmes

 

Ich schreibe ihnen zu den Ergebnissen Ihrer Recherche, gemeinsam mit der ARD, zu den Sprengstoffanschlägen auf die Gaspipelines Nordstream 2 in der Ostsee. Haben Sie eigentlich ihre Erkenntnisse mal einem Marine/ Tauchexperten vorgelegt? Wissen Sie nicht, dass bei Tauchgängen in ca. 80 m Tiefe für die Taucher Dekompressionsmaßnahmen beim Auftauchen erforderlich sind in einer speziellen Druckkammer notwendig sind? Haben Sie sich mal erkundigt, wie viel Sprengstoff für diese ausgeführten großen Zerstörungen an den Gasleitungen notwendig sind? Wir reden von Stahlrohren mit 4,5 cm Wanddicke, die mit Beton ummantelt sind.

Wollen Sie uns allen Ernstes weiß machen, dass Material, Technik und Taucher und Helfer mit einer Segeljacht von Rostock aus losfuhren um dann diese Sprengung auszuführen? Herr Lorenzo, Ihre Zeitschrift gilt offiziell als Teil der „Leitmedien“. Meinen Sie wirklich, Sie kommen mit Ihren Redakteuren der Verpflichtung zu einer unparteiischen, unabhängigen Information der Bürger nach? Ich könnte mir gut vorstellen, was Ihnen Helmut Schmidt hinter verschlossener Tür zu einer solchen Veröffentlichung gesagt hätte. Ich sage dazu „Stümperei“. Zu meinen Vermutungen zu einer solchen Berichterstattung äußere ich mich hier nicht. Ich ziehe mich auf eine Aussage von Ihnen in der letzten „3 nach neun“ Talkshow zurück: „Das kann man auch anderst sehen…“, als Ihr Gast sofortige Friedensverhandlungen und Waffenstillstand im Ukraine Krieg forderte. Ich erwarte von der „alten“ SPD nahen Zeitschrift, dass Sie sich auf das zurück besinnen, was dieses Blatt mal beliebt und geschätzt gemacht hat. – H. J. Rübsamen

 

Einige Tage vor Herausgabe dieser Ausgabe der „Die Zeit“ wurde in großer Aufmachung in Tagesschau und Tagesthemen der ARD die „neuen“ Erkenntnisse zu den Hintergründen der Sprengungen an den Nord-Stream-Pipelines berichtet. Mich irritiert nun, dass in „Die Zeit“ vom 9.3.2023 zum einen der Artikel nicht einen prominenten Platz auf der Titelseite gefunden hat, sondern mit kleinem Verweis auf S. 6 angekündigt wird, und dass in dem Artikel überhaupt keine konkreteren oder weitergehenden Untersuchungsergebnisse berichtet werden. Die Quellenangaben bleiben äußerst vage und diffus und die Plausibilität und Glaubwürdigkeit der einzelnen berichteten Ereignisse und Ergebnisse wird nicht hinterfragt, ebensowenig deren Sinnfälligkeit oder Logik. Schade. Von „Die Zeit“ hätte ich hier deutlich mehr journalistische Leistung erwartet. Beispielsweise wird darauf hingewiesen, dass die polnische Firma, über die das Mieten der Rostocker Segelyacht erfolgt sein soll, zwei ukrainische Eigentümer hat. Weitere konkrete Hinweise auf die Ukraine scheint es jedoch nicht zu geben – zwei angeblich auf- gefundene „professionell gefälschte“ Reisepässe dienen jedenfalls nicht zu einer Eingrenzung auf Mitglieder einer bestimmten Nation. Dennoch ist in der Unter- Überschrift sowie im weiteren Text die Rede davon, dass „das Kommando OFFENBAR Kontakte in die Ukraine hatte“ bzw. die Spuren „in Richtung Ukraine“ führen – woher diese OOffenbarung?Und die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei der beschriebenen Theorie um eine „false flag“-Operation gehandelt haben könnte, sei „ausgesprochen gering“ (worauf beruht diese Schlussfolgerung?).

Es ist für die Öffentlichkeit nicht bewertbar, ob die in „Die Zeit“ beschriebenen Abläufe der Wahrheit nahekommen können – weshalb sollten nach Monaten noch Sprengstoffspuren auf dem Tisch vorliegen, für die jedoch nirgends angeführt wird, dass sie identisch mit den Untersuchungsergebnissen aus Schweden an Schadteilen der Pipeline sind? Es muss sich bei dem Umfang der Schäden um mehrere 100 kg Sprengstoff gehandelt haben, dieser wird sicherlich nicht auf einem „Küchentisch“ an Bord einer Segelyacht zerkleinert oder präpariert. Oder es müsste dann auch auf dem Boden, an der Reling oder Deckoberfläche Spuren von Sprengstoff geben. Welche Zeit würden nur zwei (auch noch mit dem Tauchen und Arbeiten in großen Wassertiefen von 70-80 m vertraute) Taucher benötigen, um an drei (oder vier?) Pipelinerohren über mehrere 100 m Länge – die ja auch (NordStream 1 und 2) einigen Abstand voneinander haben – die für den entstandenen Schaden erforderliche Menge an Sprengstoff sicher und zuverlässig anzubringen? Das ist wohl in keinem Fall eine Arbeit für wenige Stunden, eher für etliche Tage. Und wo finden sich in der Darstellung Ergebnisse aus den pathologischen Untersuchungen des schwedischen Labors oder aus den Untersuchungen dänischer Ermittler? Leider komplette Fehlanzeige.

Irritierend für mich, ist, dass andere – früher publizierte – potenzielle Szenarien in Ihrer Darstellung überhaupt nicht erwähnt werden oder gar ein Vergleich gezogen wird. Und irritierend sind für mich die zeitlichen Abfolgen von der UN-Sicherheits- Konferenz (bei der China und Rußland eine rasche Aufklärung der Pipeline-Attacken gefordert haben), zwei Wochen danach der Blitzbesuch von Olaf Scholz im Weißen Haus bei Präsident Biden (ohne dass Einzelheiten über dieses kurzfristig anberaumte Gespräch veröffentlicht worden wären) und wenige Tage später dann die ausführliche, von ARD, SWR3, Die Zeit und NYT groß aufgemachte und berichtete Theorie. Ihr fehlen im übrigen – wie auch bei Seymour Hersch – jegliche konkret benannte Quellen für die einzelnen als Fakten dargestellten Ereignisse. Gerne erwarte ich in Bälde weitere, konkretere und plausiblere Szenarienbeschreibungen für die Ereignisse im Zusammenhang mit den Pipelinesprengungen, auch und gerade von Ihrer Redaktion. – Wolfgang Ißler

 

Eine gute Verschwörungstheorie hat drei Merkmale. Erstens: Nichts ist, wie es scheint. Zweitens: Alles ist miteinander verbunden. Drittens: Es gibt keine Zufälle. In diesem Sinn eine gute Verschwörungstheorie ist zum Beispiel die zum Ende des ersten Weltkrieges durch einen Dolchstoß von hinten. Die neuste, breit in den Medien gestreute Geschichte zu den Anschlägen auf die Nord-Stream-Pipelines hat keines dieser Merkmale. Sie ist ein reißerisch aufgemachter Erklärungsansatz, unglaubwürdig inszeniert, lückenhaft erzählt ohne Bezug zum Schadensbild. Die Vermutung liegt nahe, dass hier bewusst Information verwoben wird mit Desinformation und Verkürzungen, die vom Täter ablenken sollen durch Verwirrung. – Joachim Fröhlich

 


 

 

Leserbriefe zu „Ein bisschen Frieden“ von Maxim Biller

 

Ein bisschen Frieden. Warum klingen die Worte unserer Intellektuellen über den Krieg oft so daneben ? Der Untertitel der Glosse von Maxim Biller mahnt an, dass Worte von Intellektuellen -und er darf sich selber ruhig dazu rechnen- nicht ‚daneben klingen‘ mögen, sondern einen Ton treffen, der zutrifft. Sein Text wird diesem Anspruch nicht gerecht. Ich beschränke mich nur auf seine Anmerkungen zur jüngsten Friedensschrift des „ältesten deutschen Philosophen“, den er in seinen Rundumschlag einbezieht. Jürgen Habermas hat einen argumentativen Text vorgelegt, keinen polemischen. Er verlangt, auf die dargelegten Argumente einzugehen. Statt dessen stellt Biller Mutmaßungen über die Person an, deren Argumente er übergeht. Vielleicht hegt diese Person einen Amerikahass ?

Nun, Peter Neumann hat in seiner ansonsten kritischen Kommentierung des Habermas-Texes (in der ZEIT vom 23.2.23) zutreffend festgestellt, Habermas sei „immer ein emphatischer Verteidiger der freiheitlichen Ideen des Westens gewesen“.

Vielleicht kämpft diese Person dafür, dass sich „die Ukrainer endlich den Russen ergeben“, weil sie sich lieber ins Studierzimmer zurückziehen und „wieder in Ruhe ihren Heidegger, ihren Carl Schmitt, ihren Luhmann lesen“ möchte ? Hier wird, die Erwähnung von Heidegger und Carl Schmitt betreffend, ein Weihrauchgeruch von Faschismus in das Studierzimmer von Jürgen Habermas imaginiert. Nichts liegt seinem Denken ferner. Abgesehen davon gibt es in Deutschland wenige Intellektuelle, auf die der Vorwurf, sie zögen sich am liebsten in ihr Studierzimmer zurück, weniger zutrifft als auf Jürgen Habermas. So dumm kann Maxim Biller gar nicht sein, dass er -mit Blick auf Jürgen Habermas- glauben könnte, was er da schreibt. Es geht um pure Verächtlichmachung. – Heinz Burghardt

 

Mein lieber Maxim, Du bist noch jung, Du hast nicht in Luftschutzkellern gesessen während über dir deine Stadt dem Erdboden gleichgemacht wurde. Die Friedenidioten, wie Du sie nennst, wollen nicht vor Putin kapitulieren, sie wollen nur dass endlich verhandelt wird! Denn: Selbst wenn die Ukraine diesen Krieg gewinnen sollte, wird sie doch der Verlierer sein! Denn ihre Städte werden am Ende zertrümmert sein, nicht die russischen! Und sehr viele der besten jungen Männer werden nicht mehr nach Hause kommen zu ihren Frauen und Kindern! – Rolf Wittig

 

Ich bin keine Intellektuelle, würde aber gerne was dazu sagen: Die „Friedensidioten“ reden Putin nach dem Mund, haben vielleicht ein Rubel Konto, M. B. ist krank und liegt im Bett. Alle Deutschen wollen den Krieg beenden, obwohl er nicht unserer ist!? Viele Ukrainer, viele zu Russen wollen den Krieg beenden, obwohl er ihrer ist. Alle „kleinen Leute“ leiden unter dem Krieg. Die Männer „fallen“ und kehren heim, versehrt an Leib und Seele, darum ist es nötig einen Waffenstillstand zu versuchen. Ich weiß dass Putin der Aggressor ist, und ich will nicht dass sich Selenskyj und 34 Millionen Ukrainer sich den Russen ergeben. Aber wir sind die Dritten, für uns wird dieser Krieg geführt wir unterstützten -oder sind es die Kriegsgewinnler die ihre Wirtschaft ankurbeln wollen. An die Verliere denkt keiner, die werde beerdigt und man denkt an sie. Für Heldenfriedhöfe sammeln wir. Vielleicht ist es ja was uns der Sport lehrt: Sieger sind großzügig und Verlierer nur nachtragend wenn man sie beschämt. – Renate Hahnenkamm

 

In dem Artikel wird die Irritation Billers über Intellektuelle und ihre Aussagen zum Krieg artikuliert, was sich schon aus dem Untertitel ergibt „…so daneben“. Billers Irritation irritiert mich. Was bedeutet den Intellektueller? Nun, das hat ja wohl vordergründig mit Intellekt zu tun oder auch damit, dass jemand sein Geld mit Denken verdient. Deutlich formulierte es Descartes mit cogito ergo sum, der erwähnte Habermas würde es intelligibel nennen, Parin/ Morgenthalers Dogon meinte schon einschränkend, dass die Weißen zu viel denken und auch Sigmund Freud hatte da so seine Probleme damit, wenn er meinte, dass wir „nicht Herren im eigenen Haus“ seien. Woher kommt die von Biller erwähnte Idiotie? Sicherlich nicht aus der Romantik, wenn dann aus dem Idealismus. Nein, die Spur führt zu Schuld, (Amerika-) Hass oder dem Bedürfnis nach Unterwerfung, was alles nichts mit dem Intellekt zu tun hat, sondern mit Gefühlen und (unbewußten) „Mustern“. Das Phänomen der „Daneben-Worte“ kann nicht über Intellekt/ Intellektualität erklärt werden, d. h. der sehr deutschen Überbetonung des Intellekts bzw. des Verstandes, sondern nur über die „Unterbetonung“ des Emotionalen und, damit verbunden, einer Wertediffusion. Um es griffig zu formulieren: Keine intellektuelle Idiotie sondern emotionale Legasthenie. – Gerd-Rüdiger Erdmann

 

Eine Frage: Wenn Sie, Maxim Biller, selbst vor der Wahl stünden, entweder persönlich einen einzigen Menschen zu töten oder persönlich mit Putin zu verhandeln…? – Johanna Grieger

 

Lieber Maxim Biller, natürlich sind Sie nicht verantwortlich für die Friedensbeschimpfungen, die Ihnen Ihr Hirn im Fieberzustand vorgaukelt. Sie sollten den Vorgang aber ernst nehmen und gegensteuern. Ich denke, was Ihr Gehirn jetzt braucht, um wieder klar denken zu können, ist eine gehörige Portion politische Bildung. Ihr Gehirn muss trainieren zwischen Ideologie und Realität zu unterscheiden. Um das zu können braucht Ihr Gehirn eine fundierte politische Basisbildung. Sie brauchen jemanden, der Ihnen den Unterschied zwischen Ideologie und politischer Realität so erklärt, dass Ihr Gehirn in der Lage ist zu erkennen was Ideologie und was Realität ist. In der westlichen Ideologie geht es bei Kriegen um Dinge wie Freiheit, Selbstbestimmung, Menschenrechte usw. in der Realität geht es um geostrategische Vorteile und die Aneignung von Ressourcen. Wenn man den Unterschied einmal begriffen hat, ist es nicht mehr so schwer herauszufinden was Ideologie und was Realität ist. Wichtig ist die Fähigkeit das zuordnen zu können, um zu vermeiden als Kanonenfutter für die Durchsetzung der Interessen anderer einflußreicher Player zu enden. Man ist dann war kein Friedensidiot, aber sehr schnell Kriegsopfer. Kleiner Tipp zum Schluss: es hilft meistens die Entstehung eines Konflikts zu verstehen und es ist in der Realität so gut wie nie der Fall dass ein superböses Monster liebe friedfertige Bürger überfällt (das ist Ideologie). In der Realität haben sich zwei einflußreiche Player so ineinander verbissen, dass der, der als erster die Nerven verlierrt mit Waffen angreift. Dass der dann offensichtlich der Bösewicht ist, steht zwar fest, aber das heißt nicht, dass der Kontrahent völlig unschuldig an der Kriegssituation ist. Alles etwas komplex – aber man kann lernen solche Situationen zu durchschauen. Viel Erfolg! – Birgit Moeller

 

Die Stellungnahmen pro Waffenlieferungen versus pro Friedensverhandlungen sind inzwischen Legion. Alles ist gesagt. Doch die fröhlich- arrogante Gewissheit, mit der sich Biller über die „Friedensidioten“ hermacht, ist schon bemerkenswert und nötigt zu einer Schlussfolgerung, nämlich, die Moral als untadeligen Kompass für die richtige Politik als blankes Geschwafel zu enttarnen.

Legion sind dieser Tage auch politische Aussagen, Forderungen, Gesetzesvorhaben und Gesetze, die moralisch begründet werden. Alles soll sich zum moralisch Guten wenden. Dabei wird in dem Schwunge der moralischen Überlegenheit gern und vollständig übersehen, dass es sich bei der Moral in der Regel um ein tagesaktuelles, modisches Glaubensbekenntnis handelt. „Frieden schaffen ohne Waffen“, das war die stabile und unumstößliche Moral gestern, felsenfest mit Argumenten untermauert. Heute ist moralisch Solidarität angesagt, die es gebietet, Waffen aller Art und in jeder Menge zu liefern, bis zum Sieg der guten Sache. Die Moral von Stalingrad lässt grüßen. Keiner kann im Sinne einer höheren, absoluten Wahrheit sagen, was die blanke Wahrheit und was der blanke Unverstand ist. Aber über eines sollte man sich immer wieder im Klaren sein, Moral ist ein wetterwendisches Gebilde, untauglich, dauerhaft vernünftige Entscheidungen zu treffen. – Lutz Bauermeister

 

In der Diskussion über den weiteren Verlauf des Krieges in der Ukraine, die Waffenlieferungen aus Deutschland sowie Wege zum Frieden ist die deutsche Bevölkerung gespalten, wie dies lange nicht mehr der Fall gewesen ist. Beide „Seiten“ entwickeln ihre eigenen argumentativen Plausibilitäten, beide glauben, im Recht zu sein und den einzig möglichen und richtigen Weg zu vertreten. Als jahrzehntelanger Leser der ZEIT erwarte ich sachliche – dabei durchaus gegensätzliche – Artikel, aber ohne Verunglimpfungen der jeweils Andersdenkenden.

Bereits im Titel „Ein bisschen Frieden“ werden Menschen – hier „unsere Intellektuellen“ – subtil abgewertet, allein weil sie sich für den Frieden, eben nicht „für ein bisschen“, aussprechen. Die rhetorischen Umschreibungen sowie die Wahl der sprachlichen Bilder: z. B. „die gelehrige Frau von Oskar Lafontaine“, „keifend und bellend wie ein Dämon“ -, aber auch die Bezeichnung des russischen Krieges als „Dschingis-Khan-Krieg“, zeigen leider das Sprachniveau anderer Pressorgane. Die Bezeichnung von Habermas – in gezielter Assoziation zu den sog. „Coronaleugnern“ – als fantasierenden „Querdenker“ setzt diese Niveaulosigkeit fort. Die weiteren vorgeschobenen, damit indirekten, also formal nicht von Biller stammenden Wertungen und die Kategorisierung eines Menschen als „der zackige, ewig nervöse Büchnerpreisträger“ (Warum nennt Biller hier nicht den Namen?), der „wie ein romantischer Zombie“ durch Billers Kopf geistert und letztlich die Unterstellung – von einem Freund vorgetragen -, vermutliche Putin-Unterstützer besäßen ein „heimliches Rubel-Konto“, führen diese Form der Sprache leider weiter. Billers Text trägt zur weiteren Verhärtung des Diskurses, der Verrohung des Meinungsaustausches und damit der Spaltung unserer Gesellschaft bei und desavouiert das von mir viele Jahre geschätze journalistische Niveau der ZEIT. – Karl H. Schneider

 

Nun hat uns Hr. Biller aufgeklärt, dass alle, die bezüglich des Kriegs in der Ukraine Waffenruhe und Verhandlungen zur Beendigung des Krieges fordern, „Friedensidioten“ bzw. „Biedermänner“ sind. Dazu zählen jetzt also auch Ex-Brigadegeneral Erich Vad, der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr General a.D. Harald Kujat und die IPPNW, um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Ach ja, und die Mehrzahl von uns Deutschen, die keine Waffenlieferungen an die Ukraine wollen, gehören auch zu dieser Kategorie.

Weiß Hr. Biller, dass der „militärische Komplex“ und Krieg wesentlich zum Klimawandel beitragen? Und weiß er, dass der CO2- Ausstoß des Militärs weder im Kyoto-Protokoll noch im Pariser Klimaabkommen berücksichtigt worden ist (auf Druck der entsprechend Interessierten). „Rheinmetall“ freut sich und saugt die finanziellen Ressourcen zur Bekämpfung der Klimakatastrophe ab (Rüstungsausgaben in 2019 global 1.917 Billionen US-Dollar).

Gleichzeitig berichtet „Die Zeit“ regelmäßig von der humanen, sozialen Not auf unserem Globus (z.B. bekommen die Rohingyas noch weniger Hilfe, weil die UN noch weniger Hilfsgelder bekommt). Ist Hr. Biller zu keiner Synopsis fähig? Jeder Krieg und jede Investition in Rüstung verschlimmert die globale Krise des Klimawandels und der Not. Seit mehr als einem Jahrzehnt teilt Russland dem Westen mit, was es als Bedrohung seiner nationalen Sicherheit empfindet. Die Reaktion der Westens, d.h. Europas und der USA, ist gleich Null. Es ist propagandistische Angstmacherei in unserer Öffentlichkeit, Russland das Aufrollen des Westens zu unterstellen. Es hat seine Kriegsziele deutlich definiert, während Hr. Selenskyi mit seinen Verhandlungsforderungen träumt. Die deutsche Friedensbewegung ist nicht „naiv“, wie Hr. Biller meint, sondern hat aus der Vergangenheit gelernt. Mit harter Fronterfahrung würde Hr. Biller vermutlich einen anderen Kommentar schreiben. – Maria Macht

 

Denke ich an deutsche „Intellektuelle“ in der Nacht, bin ich wie Maxim Biller um den Schlaf gebracht. Allerdings passiert mir das nicht so häufig. Herr Biller hat ein paar sehr kluge Freunde. Immerhin. – Thomas Manthey

 

Samstag Vormittag, das Wetter war katastrophal, aber ich saß gemütlich und warm in meinem Lieblingscafé in Berlin Mitte und las die Nachrichten. 1100 tote Soldaten innerhalb einer Woche in Bachmut werden gemeldet, lediglich auf einer Seite wohlgemerkt. Ich fühlte mich auf einmal ganz elend und rief in meiner Verzweiflung einen Freund an. “Mir ist da ein hässliches, ungenaues Wort eingefallen, das mir einfach nicht mehr aus dem Kopf geht”, sagte ich. “Aber findest Du nicht auch, man könnte Leute, die das tausendfache Schlachten in der Ukraine alleine durch die Lieferung immer neuer Waffen stoppen wollen und die jede andere Initiative, jede andere Sicht als Putin-hörig diskreditieren, als Kriegsidioten bezeichnen?” “Interessant”, sagte mein Freund, “Idioten waren früher, in Griechenland, die Leute, die sich nur um ihre eigenen Sachen kümmerten, denen Politik, Demokratie, Krieg egal waren. Antike Biedermänner sozusagen.” “Also ja?” “Ja.” – Jens von Larcher

 

Maxim Biller trifft mit seinem Beitrag genau die Gedanken, die ich mir immer wieder stelle, denn wie kommen die „sogenannten“ Intellektuellen dazu, ihren Standpunkt in puncto Waffenlieferungen an die Ukraine als den allein gültigen zu betrachten ? Belästigt der Krieg ihre Seelenruhe und fühlen sie sich gestört in ihrer heilen Welt und Sicherheit ? Sie wollen der Ukraine das Existenzrecht als eigenständige Nation absprechen ! Sie soll sich der Gewalt beugen, denn Putin ist nicht zu Verhandlungen bereit. Der einzige Weg, ihn zum Verhandeln zu bringen, ist die militärische Gegenwehr. Er führt einen Zermürbungskrieg mit Mord und Terror. Was würden diese Pseudo Pazifisten wohl sagen, wenn die Russen plötzlich überfallmässig vor ihrer Haustür stehen ? Mir unbegreiflich, dass es hier auch einige Russland-Deutsche gibt, die pro russisch und für Putins Propaganda sind, Europa für immer sowjetisch ist. – H. Justin

 

Der Leserbriefschreiber RvM war 1968 Wehrdienstverweigerer im Bewusstsein seiner Mitbeteiligung an einer friedlicheren Welt? „Frieden jedoch ist die Abwesenheit von Krieg!“ Wenn es denn so ist, dass die vernichtenden Kriege der Weltmächte (und Ideologien) nicht bisher stattfanden, so hat dies die Abschreckung durch die Atombomben bewirkt – und keine andere zusätzliche Besichtigbarkeit kann dem widersprechen: der Mensch ist und bleibt ein aggressives Tier, und somit nur oberflächlich domestiziert, waffenstarrend kollektiv zum Angriff und der Verteidigung bereit… Warum also geht Maxim Biller in seiner geschilderten Fieberkurve der Begriff „Friedensidioten“ nicht aus dem Kopf – und vor allem zu diesem Thema, dass er die Sarah Wagenknecht zu einer Talkshow (wie er dies in DIE ZEIT beschreibt): „als keifend und bellend wie eine Dämonin“ in Erinnerung behält. Zu seinem 60. Geburtstag ertönt seine Meinung über dieses Deutschland öffentlich: „Die meisten Deutschen tun links und fühlen rechts. Ja, sie sind durch ihre ganze traurige Untertanen-Geschichte dazu verdammt, linksrechts zu sein, das heisst: unterdrückt, aber nicht wirklich frei zu sein und darum die Freiheit anderer zu verachten.“ Der maximale Maxim erkennt das kraft seines cosmopoliten Durchblicks und lebt dennoch freiheitlich in diesem Land der unfreien deutschen Untertanenmentalität – dat icke nich laut gackere bei all dem nestfremden unerwarteten Zynismus!

In diesem Deutschland kann man sich frei äußern und zwar auch mit oder ohne Zivilcourage (warum wohl kommen Millionen Migranten und Flüchtlinge hierher: der Kultur, des Versorgtseins wegen, um der Freiheit willen…?) – gleichwohl sind daher die „Friedensidioten“ sicherlich keine entrückten Verrückten, die so angeprangert werden sollten: auch wenn zudem der doch (wahlweise) optimistische Maxim Biller sich dieser eigenartigen Festlegung innerlich anschließt… Doch vor allem – sind das garantiert keine Mitmenschen, die „Putin nach dem Mund reden“, und auch nicht dafür oder deswegen mit „Rubelchen“ (in Devisen) bezahlt werden! Und wenn Maxim Biller (andere Meinungen geschickt in sein Be-Denken mit einflicht) dabei erkannt haben will: dass ja Habermas, Kluge, Schwarzer, Walser ect. mit (ihrem) Amerikahass aufgewachsen seien – muss doch geantwortet werden: dass es gegen die USAmerikanische Kriegspolitik in Nord-Vietnam, dem Irak, Libyen (ect.) keine weltweiten Sanktionen (wie jetzt gegen Russland) gab, sondern nur die international bewussten zivilen „Friedensidioten“ zu/mit ihren Protesten letztlich diesen Krieg in Vietnam (moralisch) stoppten… Das mag Maxim Biller zur genauen Kenntnis nehmen, wenn er als russisch-jüdischer in Prag Geborener und „Eingedeutschter“: mit großer Kanone öffentlich (diffamierend?) gegen die „Friedensidioten schießt… Warum überhaupt schmeißen nicht alle Soldaten auf beiden Seiten ihre Waffen weg –und schluss wäre es mit dem mörderischen Gemetzel gegeneinander!

In der jüngeren geschichtlichen Wirklichkeit hatten zwei politische Gewaltverbrecher in ihren brutalen Systemen sich gegenseitig mit Verträgen eine Art von „Friedensabkommen“ (Nichtangriffspakt) ausgehandelt und gleichzeitig in einem Zusatzgeheimvertrag bereits Polen aufgeteilt… Der dadurch erweiterte Krieg war somit auch von der Sowjetunion vertraglich sanktioniert worden, und Adolf Hitler nahm diese russisch-sowjetische Offerte zum Anlass, Polen mit seinem Krieg zu überfallen bis hin zur Teilung – auch hierbei gab es „Friedensidioten“ (ebenso höchste Offiziere in der Wehrmacht), die diesen Diktator und Kriegsbesessenen Adolf Hitler ausschalten wollten! Stalin aber hatte die faschistische Bestie von der (durchaus sowjetischen) Leine oder Kette losgelassen – und später dann haben sich die beiden verbrecherischen Systeme und diese Diktatoren des Machtwahns gegeneinander bekämpft: was doch vorhersehbar war und selbstverständlich die Sowjetunion nicht in einer Erstarrung (wie das Kaninchen vor der Schlange) verharren ließ, sondern alles auf eine Hochrüstung hinauslief, um irgendwann selbst gegen das faschistische System den Krieg zu beginnen! Letztlich hatte dieser Wahnsinnige Hitler gegen den Wahnsinnigen Stalin in einem (so muss man es auch benennen) Präventivkrieg zuvorkommen wollen… Hitler wusste genau, dass in einigen Jahren die Kriegsmaschinerie der Sowjetunion dem faschistischen Deutschland weit überlegen sein müsste, sowieso die extreme Überanzahl der vielen Millionen an sowjetischen Soldaten, die deutschen Landser in der Unterzahl in den Weiten Russlands verbluten lassen würde! Außerdem wäre eine (illusionistische) Weltherrschaft evtl. gedanklich noch vorstellbar gewesen, da doch mit relativ „konventionellen“ Waffen gekämpft wurde – und erst die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki dieses Weltherrschaftsdenken für immer (durch das Atomwaffenaufrüsten der Großmächte) zerstörten! Nochmals auf den vermeintlichen Amerika-Hass von Walser, Schwarzer, Kluge und Habermas (ect.) zu kommen – nein: es war und ist nicht der Hass auf Amerika, sondern aus Vernunftgründen die geistige, philosophische Aversion und Aggression gegen den Turbo-Kapitalismus, den dieses politische (und kriegerische) Amerika (USA) der Welt aufzwingen will und dies weiterhin forciert! Und es ist doch geradezu anachronistischl, wenn Maxim Biller Telefongespräche textlich mit einfügt, die u.a. beinhalten: „…es ist der Hass der romantischen Deutschen, gebildet oder nicht, auf die Freiheit, was sonst! Die sehnen sich, so wie der dekadente, depressive Typ in diesem einen Christian-Kracht-Roman, nach völliger Unterwerfung, nach dem Verlust des eigenen Willens, nach Ordnung und Obrigkeit.“ Das scheint eher ein undifferenziertes, posaunendes Feuilleton-Argument des Schriftstellers und Journalisten Maxim Biller, der doch in Berlin abgesichert auch durch das Waffenarsenal der NATO dort seine aggressiven Befriedungen durch die Kriegsfortsetzung mit allen Mitteln in der Ukraine, stabilisieren will – ansonsten es lt. seinem Statement „… auch einen Durchmarsch der Russen von Bachmut bis nach Berlin?“ geben könnte…

Was sollen diese Angstszenarien in einem Deutschland, dass sich als das mit friedlichste Land (dieser abmessbaren Größe) in der Welt aufgezeigt hat – und ein damaliger Bundeskanzler Gerhard Schröder die Mitbeteiligung deutscher Soldaten im kriegerischen Überfall auf den Irak, strikt ablehnte: wobei er von anderer politischer Seite im Ausland und im Lande auch als eine Art Feind und Landesverräter mit bezeichnet wurde… Daran sollten wir uns erinnern, wenn wir das (martiale-materielle) Schlachtross aufzäumen in diesem Krieg gegen ein Russland unter Putin – und ich bin mir sicher, dass die Mehrheit der russischen Bevölkerung diesen Krieg gegen die Ukraine nicht befürwortet, endlich Frieden sich herbeisehnt! Doch der Diktator Putin hat scheinbar eine unfassbare Machtstellung im Kreml und ihm wird devot von den mitmächtigen Claqueren die Unterstützung dargereicht! Was aber bezweckt dieser vielfache Milliardär Putin mit diesem/seinem Krieg – will er sich mit seinen 70 Jahren einen Hochsitz in der Geschichte einvernehmen, wenn ansonsten er in der Bedeutungslosigkeit verschwinden würde als eben nur ein Hasardeur hin zur obersten Spitze in diesem korrupten System…

Erinnern wir uns aber dennoch: Ohne die damalige Sowjetunion, ohne Russland – wäre eine Wiedervereinigung oder Zusammenführung die beiden Deutschlands „vorerst“ nicht zustande gekommen! Auch das war sicherlich mit ein zu erkennender Untergang des Sowjet-Imperiums, zeigte die tiefere Schwäche des Sowjet-Systems mit auf! Und so besehen gab es eine auch moralische Verpflichtung, russlandfreundlich in der deutschen Politik zu sein – aber das kann man der Angela Merkel zu ihrer Kanzlerin-Zeit nicht anlasten: obwohl sie auf beiden Augen sehr eingetrübt war gegenüber dem immer diktatorisch mächtiger werdenden Herrscher/Zar Putin! Hat diese deutsche „Devotheit“ vielleicht zu diesem Kriegsbeginn Putins gegen die Ukraine: mit beigetragen? – andererseits: wird ein zerfallenes -Sowjet-Imperium nicht einfach in der netten Versenkung verschwinden, sondern sich hierbei Gegenkräfte zur Wehr setzen, die frühere Machtvollkommenheiten wieder zurückerobern wollen, und das betrifft auch geographische Ansprüche, wie z.B. die einst russische Krim und Gebiete um Russland herum bis in die Ukraine hinein… Warum wurden nicht diese zwangsläufigen politischen Gefahrenherde eines diesbezüglichen Unfriedens zuvor auch international besprochen und möglichst aus der Welt geschaffen – auch mit evtl. Gebietsverlust durch die Ukraine, indem z.B. die Krim wieder an Russland zurück-„überwiesen“ worden wäre… Eine schwierige „Geste“, aber doch wohl auch nachvollziehbar für den Frieden zwischen den beiden Ländern. Oder täuscht sich da der Leserbriefschreiber zu sehr gegenüber den beiden Brüder-Schwester-Völkern mit einer doch identischen Sprache und Religion und den grenzüberschreitenden Verwandtschaften…

Angenehmer zu lesen ist in dem persönlichen Text des Maxim Biller weit „Über den Linden“: „Danke, es geht mir inzwischen wieder besser. Ich schlafe gut und lasse mich nachts nicht von bösen deutschen Mittelmacht-Geistern verwirren. Und ich kann auch wieder spazieren…“ Und desweiteren wird ihm deutlich: „Was für ein Glück, dass hier (u.a. in s/einem queeren Ocelot-Buchladen) noch keine russische Rakete eingeschlagen hat, hoffentlich bleibt es so.“ Jawoll, Herr Biller – es wird so voraussichtlich dabei bleiben: auch wenn die deutsche Politik Panzer, Abwehrraketen, jede Menge Waffen und Munition an/in die Ukraine liefert, ukrainische Soldaten in Deutschland an technisch-komplizierten Kriegs-Geräten ausbildet werden… Können Sie dann weiterhin beruhigt schlafen außerhalb ihrer Fieberträume und sicher sein, dass dies die wahre richtige deutsche Politik für den Krieg und den darauffolgenden Frieden sei? Oder kennen Sie eine dritte (unwiderrufliche) friedensbewirkende Wegweisung gegen das doch insgesamt aggressive Menschsein? Der Leserbriefschreiber RvM ist weder gegen die „Friedensidioten“ noch für die Waffenlieferungen: sondern für ein sofortiges gemeinsames Welttreffen der entscheidenden PolitikerInnen, wobei sich auch ein Wladimir Putin nicht ausschließen könnte: für die Beendigung des Krieges (unter russischer und ukrainischer „Gesichtsbewahrung“), für einen dauerhaften FRIEDEN ohne „friedensstiftende“ internationale Waffen-(Lieferungen)!

„Si vis pacem para bellum“ – trifft leider zu in einer aggressiven Menschenwelt! Und nicht das Verstehen im Verständnis für die Botschaft eines friedvollen Jesus von Nazareth, der da wohl inhaltsschwer verlautbarte: „Ich aber sage Euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin. Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel.“ Sollte so oder ähnlich auch ein russisch-jüdisch geborener Maxim Biller im jetzigen Deutschland diesbezüglich (friedenssolidarisch?) mißverstanden werden – oder will er (antizyklisch) ein Deutschland, dass militärisch hochgerüstet und mit Atomwaffen vollgepackt evtl. dann wieder in Versuchung kommen könnte: als gerüstete Weltmacht sich mächtig aufzuspielen… Dann doch lieber die „Friedensidioten“ weltweit und vor allem auch in diesem Deutschland mit dessen furchtbarer Vergangenheit von 1933 bis 1945. „Ein bisschen Frieden“ – hört sich an: wie „ein bisschen Freiheit“! Nein: auch die Gedanken sind nicht frei und befreien keine Unterdrückungen zu diesem Menschendaseins – ausschließlich daraus folgernde Taten sind maßgeblich!

Maxim(al) Biller androhte im März 2022: dass er seine Schriftstellertätigkeit aufgeben wolle oder würde, da ihm das Schreiben angesichts des Krieges sinnlos erscheine… Howgh – ich habe gesprochen! Doch das fällt ihm aber sehr spät ein mit seinen knapp 63 Jahren – wo es doch zuvor schon echt verlogene Kriege der (von ihm nicht gehassten) Amerikaner z.B. gegen den angeblich giftwaffenstarrenden Irak gegeben hatte – zu diesem Krieg in den tödlichen Schätzungen: über 500.000 bis zu einer Million irakische Soldaten und Opfer verreckten, zumeist durch Bombenangriffe aus der Luft; wobei etwa 5000 Soldaten der westlichen „Koalition der Willigen“ durch diesen Krieg ebenfalls verreckten… Und jetzt nochmals Maxim Biller im schriftlichen Originalton: „Und schon war das hässliche, ungenaue, verbotene Wort „Friedensidioten“ wieder da – und die Frage, warum so viele deutsche Intellektuelle so fanatisch und verzweifelt oft mit bewusst unklaren, ihre wahren Absichten verdeckenden Worten und Sätzen, dafür kämpften, dass sich Saluschnyj, Selenskyj und 34 Millionen andere Ukrainer endlich den Russen ergeben…“ Heureka – Maxim Biller: schreiben Sie doch dem Machtinhaber Wladimir Putin einen offenen- öffentlichen Brief als ihre letzte schriftstellerische Großtat und erklären Sie ihm wortwörtlich: dass von deutschem Boden nie wieder ein (verlorener) Krieg ausgehen wird! Das verbleibt garantiert als rationalste Friedensbotschaft und friedvolle Welttrompete – denn die unterwürfigen Deutschen haben die Schnauze voll von ihren früheren Aggressionen und ihren kriegerischen Atavismen! Das wäre doch weltweit beispielhaft und bedeutet in/mit dieser befriedeten Konsequenz, jene hinzubeteiligte und unweigerliche germanische: Conditio sine qua non! – Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld

 

Endkampf: Wenn Maxim Biller so versessen ist, auf die militärische Endlösung in der Ukraine, warum fordert er dann nicht das militärische Eingreifen der BRD, der EU oder gar der Nato? Es geht schließlich um unsere Freiheit. So jedenfalls der öffentlich verbreitete Tenor der Leitmedien. Auch über 60-Jährigen Schreibtischkrieger – einschließlich Biller – sollten sich dann am Endkampf beteiligen. – Hartmut Bernecker

 

Warum klingen die Worte eines Maxim Biller über deutsche Intellektuelle, die sich für den Frieden und für Verhandlungen stark machen, „so daneben?“ Vielleicht sollte der Mann einmal das Buch „Im Westen nichts Neues“ lesen, damit er, wenn auch nur ansatzweise, nachvollziehen kann, durch welche Hölle ein Soldat in einem Schützengraben geht. Und es sterben jeden Tag tausende auf beiden Seiten. – Ursula Bechtle

 


 

 

Leserbriefe zu „Stell dir vor: Es ist Krieg“ von Peter Dausend

 

Herr Dausend, Was haben Sie darüber geschrieben, als die Russen den Krim 2014 überfallen und danach annektiert haben? – Thomas Walter

 

Der Umbau von Herrn Mützenichs Weltbild, wie Sie ihn beschreiben, ist in Wirklichkeit eine Art erzwungene Verhaltens- und Meinungsänderung eines Menschen, der zu lange die Augen vor der traurigen Realität verschlossen hatte. Deutschland war als Bündnispartner in der unvermeidbaren Neuausrichtung der Politik gegenüber Russland und China zu unverlässlich, ja sogar zum ‚Problem‘ geworden. Dass kurz vor Herrn Mützenichs Besuch Kanzler Scholz zum Gespräch unter Topführungskräften nach Washington gebeten wurde, war gewiss kein Zufall. Körpersprache und Auftreten von Herrn Mützenich in Kiew sprechen Bände, da kroch ein ernsthaft angezählter Politiker unter Aufsicht seines Chefs, dem SPD-Vorsitzenden zu Kreuze. Hätte Mützenich das nicht mitgemacht, hätte er in den kommenden drei bis fünf Monaten – vermutlich nach der Aussprache des Vertrauens durch den Kanzler – zurücktreten müssen. So ehrrührig Pazifismus ist, Herr Mützenich und andere Gleichgesinnte haben unserem Land und Europa einen Bärendienst erwiesen. – Johannes Warbeck 

 

Ein einfühlsamer Artikel, der sich wohltuend vom publizistischen Mainstream abhebt. Nahezu alle Journalisten forderten Rolf Mützenich wieder und wieder auf, er solle doch endlich das Büßerhemd überstreifen und bekennen, dass er mit seinem Eintreten für eine dialogbereite Ostpolitik einem todbringenden Irrtum aufgesessen sei, für den die Ukraine nun einen hohen Preis zu zahlen habe. Die Penetranz, mit der Mützenich zum Eingeständnis seiner „Schuld“ geradezu genötigt wurde, verrät sehr vieles über den deutschen Medienbetrieb. Sie ist ein untrügliches Zeichen für den sozialpsychologischen Wirkmechanismus einer Projektion: indem man jemandem die Rolle eines Sündenbocks zuweist, lenkt man herrlich ab von den eigenen, eigentlich doch offensichtlichen Fehleinschätzungen. – Rüdiger Paul

 

Also wenigstens einer in der gebeutelten SPD, hier Fraktionschef Rolf Mützenich, der einräumt, in Putins Essay vom 12.Juli 2021 die politische Brisanz nicht erkannt zu haben. Putin verkündete dort, die Transformation der alten UDSSR in das neue Russland, von Gorbatschow und Jelzin betrieben, rückgängig machen zu wollen. Das war ein paar Monate vor dem Ende der Kanzlerschaft Angelika Merkels (CDU) mit Außenminister Heiko Maas (SPD). Kein führender Politiker, weder in der Regierung noch in den Parteien erkannte, oder wollte einfach nicht wahrhaben, welch hochgiftiges politisches Gewächs mit Putin da in Russland schon wucherte. Die Versäumnisse der Ära Merkel und ihres Vorgängers Schröder (SPD) fallen heute auf das politische Deutschland zurück. Jetzt wird zu Recht ihre politische Fahrlässigkeit bzw. Gutgläubigkeit gegenüber Putin kritisiert die zur Folge hatten, dass man für den Bedarf von Erdgas und Öl in Putins Russland nur noch den geschätzten wirtschaftlichen Partner sah. Für den späteren Ex-Kanzler Schröder das ideale Geschäftsmodell um als Putins Mann für Deutschland für die politische Gutwetterperiode zu sorgen -seine Anhänger in der SPD folgten ihm willig. Auch andere Führungsfiguren der SPD wie der frühere Außenminister Steinmeier oder Wirtschaftsminister Gabriel waren Politiker mit engen Beziehungen zu Schröder.

Und hier fängt die Tragik der SPD und eben auch ihres Fraktionschefs Mützenich an, die begannen, sich gegenüber dem Regime Putin mit seinen brutalen Übergriffen (Tschetschenien, Georgien und Ukraine) zu entpolitisieren und dabei sogar den historischen Blick auf Russland in die hehre Welt der Gefühle verschoben. Möglich, dass die Katastrophe des Zweiten Weltkrieges, gerade mit den verheerenden Folgen für Russland, und das späte Glück der deutschen Wiedervereinigung durch Gorbatschow, bei Mützenich und den politischen Eliten Deutschlands ein Schuld- und Dankbarkeitsgefühl entstehen ließen die einen so gefährlichen Politiker wie Putin verharmlosten. In ihren Augen betrieb Putin doch nur eine „kleine“ Wiedervereinigung der ehemaligen UDSSR indem er die Ukraine zurückholt! Und danach vielleicht Georgien! Auch fällt bei Mützenich auf, dass er anscheinend zu wenig seinen politischen Verstand einsetzt, um die Mittel Diplomatie und Verteidigungskrieg nebeneinander auf die raue politische Wirklichkeit zu beziehen. Im Fall Ukraine hat sich bisher gezeigt, dass Diktator Putin immer noch glaubt mit einem Vernichtungskrieg das Schlachtfeld als Sieger einer verwüsteten Ukraine zu verlassen. – Klaus Reisdorf

 

Stell dir vor es ist Krieg in der Ukraine und Rolf Mützenich und Lars Klingbeil (beide SPD) fahren hin, nein nicht um dort mit zu kämpfen, sondern um Wladimir Klitschko zu besuchen. Jetzt können auch diese beiden deutschen Politiker endlich damit wuchern, auch im ukrainischen Kriegsgebiet gewesen zu sein; anschließend geht wahrscheinlich schleunigst wieder nach zu Hause zurück! Jeder gute Politiker muss einfach mal dort gewesen sein! – Riggi Schwarz

 

Brasilien hat gleich mehrmals den Krieg gegen die Ukraine in der UN-Vollversammlung verurteilt. Das müsste in Ihrem ansonsten interessanten Artikel korrigiert werden. – Marc Jütten

 

Holger Afflerbach schreibt zum Ersten Weltkrieg: „Die Internationale der Kriegsverlängerer lebte von einer Chimäre, einem Konzept des Sieges, von dem die Lösung politischer Probleme erwartet wurde, von denen viele erst durch den Krieg entstanden waren und die sich durch ihn fortlaufend verschärften. Doch dies ist nicht nur ein Element des Ersten Weltkriegs, sondern des Kriegs generell, und auch in mancher Auseinandersetzung unserer Zeit zu beobachten.“ (9, S. 521)

Das Zitat passt hervorragend auf Ihren Artikel, der offenbar gar nicht den Anspruch einer sachlichen Analyse hat: „SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich stand wie kaum einer für Abrüstung und Ausgleich mit Russland. Nun versucht er sein Weltbild neu zusammenzusetzen – und fährt nach Kiew“ „1991 promovierte er über „Atomwaffenfreie Zonen und internationale Politik“, glaubte stets an die zivilisierende Kraft internationaler Abkommen, […] und sah in einer atomwaffenfreien Welt keine Utopie, sondern ein realistisches Ziel.“ Hier wäre ein Hinweis auf den 2017 in New York beschlossenen Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) angebracht gewesen. Der AVV ist seit 2021 rechtskräftig. Das Weltbild des SPD-Fraktionschefs wird von einer deutlichen Mehrheit bei der UNO geteilt. ICAN erhielt dafür 2017 den Friedensnobelpreis.

„Und Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Mützenichs Ampelverbündete von der FDP, erkannte in ihm „das Sinnbild aller zentralen Verfehlungen deutscher Außenpolitik“. Nomen est omen: Eines der bedeutendsten Sinnbilder für Verfehlungen deutscher Außenpolitik war die Zimmermann-Depesche im Ersten Weltkrieg. Weder das Ende des Zweiten Weltkriegs noch das Ende des Kalten Krieges brachten ein Ende des Krieges in Europa:

Zypern 1974

Jugoslawien 1991 – 1999

„Vor dem Denkmal für die rund 100 Opfer, die durch die Niederschlagung der proeuropäischen Protestbewegung 2014 starben, lässt Klitschko eine Spitze in Richtung Berlin los.“ So simpel ist die Welt eben nicht. Die ukrainische Justiz hat bis heute keine Aufklärung geleistet. Dafür gibt es die Aussagen der leitenden Ärztin des Maidan-eigenen Rettungsdienstes Olga Bogomolez, dass in den Körpern von Polizisten und Demonstranten identische Geschosse gefunden wurden. Sehr zeitig war bekannt, dass aus dem Hotel „Kiew“ geschossen wurde, das seit Anfang Dezember 2013 unter Kontrolle von Maidanaktivisten stand. (20, S. 97 ff). Iwan Katchanovski veröffentlichte im Oktober 2014 die Studie „The Snipers` Massacre on the Maidan in Ukraine“. Er kommt zum Ergebnis, dass aus zwölf von Maidan-Aktivisten besetzten Gebäuden geschossen wurde. Bekannt ist auch ein Video mit Mitgliedern des Rechten Sektors, die Behälter für Musikinstrumente aus dem Hotel Dnjepr in einen Bus tragen. (22, S. 64 ff Die offizielle Scharfschützen-These kommt ins Wanken)

In der gleichen Ausgabe der ZEIT erschien ein Artikel, der die Auswirkungen des Konflikts mit Russland auf Europa zeigt. Papst Franziskus reagiert auf die finanzielle Lage des Vatikans mit drastischen Maßnahmen. Für Wohnungen des Vatikans werden Marktpreise verlangt. Der Vatikan hat den AVV übrigens schon am 20. September 2017 ratifiziert. Das Heimatland des Papstes hat ebenso wie Algerien und der Iran 2022 die Aufnahme in das Staatenbündnis BRICS beantragt. Brasilien und Argentinien wollen eine gemeinsame Währung aufbauen.

Sie schreiben, dass Rolf Mützenich verlangt, auf bevölkerungsstarke Länder wie Indien, China und Brasilien zuzugehen. Das ergibt sich nicht nur aus dem Ukraine-Krieg. Die Entscheidungen zu diesem Krieg werden nicht nur in Kiew getroffen. Jörg Kronauer liefert eine ausführliche Analyse zu den Hintergründen. Diese erinnert sehr deutlich an die Zimmermann-Depesche. Am deutlichsten zeigt sich die Irrationalität der westlichen Welt im Veto gegen die Resolutionsentwürfe zur Ächtung von Uranwaffen, die seit 2007 bei der UNO eingereicht wurden. Die Medien haben eine wichtige Funktion in der Gesellschaft. Aus Ihrer Berichterstattung ist leider nicht erkennbar, dass diese Verantwortung erkannt und wahrgenommen wird. – Hendrik Raith

 

Wahrscheinlich wäre den Ukrainern viel Leid erspart geblieben, wenn es mehr Muetzenichs gegeben hätte, wenn der Westen in den 1990-er und frühen 2000-er Jahren statt der Konfrontation eine Politik des Ausgleichs mit Russland betrieben, Russland “in die europäische Sicherheitsarchitektur und die NATO eingebunden” (Zitat Navid Kermani, Die Zeit, 24. Februar 2022) hätte. – Hermann Weigmann

 

Es wird langsam einsam um Herr Dr. Mützenich, er erinnert mir mittlerweile an dem „Ritter der traurigen Gestalt“. Er hat ein paar Mal versucht Willi Brandt einzubeziehen. Er hat aber vergessen, dass Brandt als Presseoffizier, was einige „Hardcore CDUer“ (z.B. Dregger) nie vergaß, gegen ein verbrecherischen Staat gekämpft hat. Es ist gut, dass er Pazifist, und gegen jede kriegerische Tätigkeit, nur als Fraktionschef ist es katastrophal. Da hat er mitgewirkt, dass die Ukraine viel zu spät genügend geeignete Waffen/Ausbildung bekommen haben. Die Personen, die dies verzögert haben und schon beim Wort Atom „Schiß in der Bücks“ bekamen müssen sehr viele Tote Ukrainer auf ihre Kappe nehmen. Für diese „Angsthasentum“ habe ich nur diese Erklärung, Deutschland ist das einzige europäische Land das seit Jahrzehnten nur im Ausland überfallen wurde, sie haben keine Ahnung wie es ist von Ausland überfallen und okkupiert zu werden! – Stein-Erik Greter

 

Auch ich konnte mir nach 1991, nach Glasnost und Perestroika, einen neuerlichen barbarischen Krieg in Europa so wenig vorstellen wie viele andere Menschen in Deutschland auch. Wer Rolf Mützenich deswegen beschimpft, beschimpft auch alle diese Menschen. Auch „ich bin traurig darüber, dass es uns nicht gelungen ist, eine bessere Welt zu schaffen.“ Dennoch muss man sich jetzt entscheiden. Die Fehler, die von den Westmächten vor Beginn des zweiten Weltkriegs gegenüber Hitler gemacht wurden, dürfen sich nicht wiederholen. Auf einen nicht zur Mäßigung bereiten Diktator kann man nicht mäßigend einwirken. – Wolfgang Hachtel

 

Rolf Mützenich bekam von heute auf morgen einen Teil seines Weltbildes herausoperiert. Kein Wunder, dass er jetzt vorsichtig lernen muss, ohne das fehlende Stück zu leben. Ich schätze es sehr, dass er dabei bei sich bleibt. Er springt nicht einfach in ein anderes heiles Weltbild hinein, versucht sich nicht über alte Werte hinwegzusetzen, sondern setzt sich mit jenen auseinander. Die Motivation Mützenichs, an etwas Festes glauben zu wollen, ist der schöne Gedanke an etwas Höherem, wo ein Bruchstück einer Kriegswaffe nicht für das Ganze stehen kann. Das hat für mich etwas sehr Pastorales. – Jonas Heinrich Nölle

 


 

 

Leserbriefe zu „Über das Verhältnis von Eltern und Kindern“ von Harald Martenstein im ZEIT Magazin

 

Merci für diesen einfühlsamen Text. Ich zitiere Ihre Mutter: „Alle Achtung. Gut gemacht.“ – Kurt Eimers

 

Ihre Kolumne von heute hat mich tief erreicht. Ich bin in einer komplett ähnlichen Situation mit meiner Mutter wie Sie die ihre beschreiben. Das Gute im jetzigen Stadium ist: Sie kann uns nicht mehr verletzen! Das ist mir erst seit ein paar Tagen klar. Damit haben wir das Schlimmste überstanden! Ihnen alles Gute! Es werden heftige Leserbriefe kommen, aber das kennen Sie ja. – Christina Alfaenger-Hartmann

 

Alle Achtung , Herr Martenstein. Was tun, wenn die eigene Mutter gewindelt werden muss? Sie haben die Gefühlslage sehr offen beschrieben – so wie ich sie selbst erlebt habe. Ein „moderner“ Konflikt. Noch nie wurden Menschen so alt wie in jetzigen Zeiten. Manche „zu alt“! Nein, ich selbst möchte niemals von meinem Sohn oder meiner Tochter „gewindelt“ werden. Schön, wenn es an mir einen „Knopf“ gäbe, mit dem ich mich zur „ríchtigen“ Zeit ausschalten könnte. Das löst den „real existierenden“ Gefühlskonflikt eines Abkömmlings nicht, ich weiß. Danke für Ihren Artikel. – Friedrich Schweikert

 

Martenstein ganz anders. Offen, gefühlvoll, ehrlich, nachdenklich, zärtlich sensibel – und hilflos. Ein beeindruckender Blick in sein Seelenleben. Alle, die die gleiche Erfahrung gemacht haben, können bei diesem „Geständnis“ mitfühlen. Die größte Herausforderung der Kinder gegenüber ihren alt gewordenen Eltern ist, die Würde der Hilfsbedürftigen nie aus dem Auge zu verlieren. Der Martenstein-Text hilft, das zu verstehen. Danke dafür. – Dirk Hartwich

 

Dies ist mein erster Leserbrief, den ich in meinen über 71 Lebensjahren schreibe. Sie haben mich mit Ihrer Kolumne diese Woche sehr beeindruckt. Respekt! Nicht nur, weil Sie offen gestanden, dass Sie sich schämten. Auch wegen des Mutes, dieses Erlebnis so zu berichten. Ich selbst war über Jahrzehnte in der Pflege tätig, und ich weiß genau, wovon Sie sprechen und dass es genau so zugeht. Dies aber als Sohn so offen zu berichten, auch die Beziehung zu Ihrer Mutter ungeschönt offenzulegen, finde ich ehrlich. Dann die Veränderung dieser Beziehung durch Alter und Krankheit Ihrer Mutter darzustellen, das hat mich sehr berührt. Ich hatte jetzt einfach das Bedürfnis, Ihnen das zu schreiben. – Helene Liebel-Schermer

 

Martin Fengels ergänzenden, seismographischen insgesamten Illustrationen – auch zu diesem Martenstein-Text „Über das Verhältnis von Eltern und Kindern“: bezwingt die Situation des Augenblicks der unausweichlichen Gegenwarten, die sich über die vielen Jahre der Kindheits-Gefangenschaften hinwegziehen und aus denen es kaum ein Entrinnen gibt… Es ist tragisch, wie eingefangen das Kind, die Kinder in der Abhängigkeit zu den „elterlichen“ Erwachsenen – die sich Vater und Mutter benennen – versklavt sind, dennoch als Papi und Mami zu den Verpflichtungen des kindlichen Daseins so unterwürfig benannt werden müssen: selbst dann noch in der permanenten Angst vor Demütigungen und Schlägen oder deren Androhungen sich hinter dieser Papi-Mami-Fassade zu verstecken, nur um innerlich und äußerlich irgendwie überleben zu können… Warum wohl verlieren sich die Kinder in Scheinwelten, in jenen Verstecktheiten vor diesen zumeist doch herrschsüchtigen Erziehungsberechtigten – die oft ohne jede geistige und ethische Bildung sich Kind und Kinder „zulegen“, um jene Angekommenen: (auch unbewusst) nach ihrem primitiven Dasein und den peinlichen Vorhandenheiten zu verformen und zu drangsalieren… Zu oft, wenn ich diese derartigen „Familien“ daherkommen sehe – wie sie sich miteinander/gegeneinander aufzeigen: wird mir innerlich nicht nur schlecht, sondern ich bedaure diese unfreiwillig miteinbedrängten Kinder, deren (weiteres) Leben geprägt wird durch solche (letztlich doch) unerträglichen Bedingungen in eine (dadurch) kaum aushaltbare Zukunft… Relative Armut (auch im trügerischen Kapitalismus) bedeutet nicht: geistig-ethisch arm sein zu müssen! „Eltern“ werden ist nicht schwer – Eltern sein dagegen sehr! Zum Autofahren benötigt man zumindest einen gesetzlichen Führerschein – das allgemeine Kinderkriegen aber wird ohne Lizenz zur Massenproduktion „freigegeben“: egal mit und zu welchen Voraussetzungen im jeweiligen Lebensdasein. Eigentlich sind WIR die „Kaninchen“!

Man soll den RvM nicht falsch verstehen – wir sind keine Menschen-Tiere für den alltäglichen „Gebrauch“ einer elitären Gruppierung, die sich der „herangezüchteten“ Primitiv(st)en millionenfach bedient, dies alles bewusst vom System und Staat so permanent eingeplant: Massenmenschenware für den Massenbetrieb der organisierten Funktionalitäten. Ich muss das leider so zeitnah sehen – und das antike Athen in seiner so genannten „Hoch-Zeit“ des 5. Jahrhunderts verfügte über 130.000 Sklaven, die dieser Bürger-Schein-Demokratie (auch zur Perikles-Zeit) lebenslang (in steter persönlicher Todesgefahr) unterwürfigst zu dienen hatten… Doch dieses Athen sei weiterhin ein Vorbild unserer zubereiteten „Demokratie?“ – Sklaven waren in dieser griechischen Antike nurmehr beseelte Werkzeuge! Wir heutigen industrialisierten Menschen sind verhuschte, devote – vor dem Arbeitgeber zu den Arbeitsplätzen kuschende Abhängige in diesem System des legalisierten Machtprinzips der Ausbeutungen! Wir können die Geschichte der Menschheit jederzeit so rekapitulieren und uns bis in die jüngste deutsche Vergangenheit des manipuliert eingehämmerten „Herren-Menschentums“ besichtigbar aufzeigen… Adolf Hitler wollte eine Rasse der „optischen Herrschaft“ begründen – kollektive Gleichmacherei auch besonders in der scheinbar überschaubaren äußeren Unverwechselbarkeit! Faschistische NSDAP- Marionetten!

Ähnlichkeiten… Schönheit? Häßlichkeit? Unbeachtetheit? Austauschbarkeit? Fast jeder Mensch kann Kinder machen und es wird nicht selbst reflektiert, welche optischen (geistigen?) Vererbungen schon aus dieser Besichtigung heraus: dem Kind dann die lebenslangen Nachteile aufbürden – lassen wir einmal die unansehnliche vererbte Hässlichkeit im (kaum zu verdrängenden) Hintergrund, und hinzu kommt hierbei noch der treffliche-treffende Ausruf: „Wie aus dem Gesicht geschnitten!“ Welch eine dramatische Verlogenheit in der Betrachtung, dies nun als ein Kompliment in der Gegenbespiegelung zu der Erzeugerschaft zu vermitteln – sind wir denn zudem so psychisch blind, um hierbei nicht die unansehnliche Verwandtschaft zumindest nicht mit Worten äußerlich protokollieren zu wollen… In welchem Umfeld sich das alles abspielt – die schlichtesten (geistigen) bildungsfernen Verhältnisse bestimmen zumeist auch die räumliche Umgebung und das banale Verhalten zu dieser Primitivität: und das Kind, die Kinder haben darunter zu leiden, ja: lebenslang zu erleiden – selbstverständlich wird auch unterbewusst einem Kind dieser Zustand vermittelbar, sobald auch die Zusammenkunft mit anderen (sozial entfernten) Kindern dies aufzeigen muss: schon im Kindergarten und in der Schule… „Einigkeit und Recht und Freiheit“ – sind doch nur Floskeln zu einer nummerierten Massengesellschaft ohne die Hinwendung zum umworbenen Kind mit aller möglichen Gleichberechtigung (nicht Gleichschaltung!) an wesentlicher gefühlt-gebildeter Mitbeteiligung im persönlichen Leben einer erweiterten Kindheits- Anbindung… Alles nur staatlicher Lug und Trug/Betrug ohne Beglaubigung zur (vermeidbaren?) Entwirklichung – das System braucht die Massenhaftigkeit der ungebildeten Massenmenschen: dafür wird das Kindsein bereits eingefügt in diesen Verbrauch an funktionierender Lebenszeit für den Massenbetrieb der Ausbeutungen der „Sklaven der Moderne“… Das ich nicht schmerzvoll lache: „Brüderlich mit Herz und Hand?“ – und wo bleibt da das „schwesterlich“ im Textanteil der deutschen Nationalhymne… Herr Bundespräsident, Herr Bundeskanzler, ebenso an die Damen und Herren Bundestagsabgeordnetheiten des ungleichrangigen Volkes…: Walten Sie zumindest hierbei zu ihrer datierten vereinheitlichten Geschlechtergleichstellung zum Gesangkonzept der ausgegrenzten Menschen einer fragwürdigen Nation.

Doch im Moment intensiver mit dem wesentlichen Kerntext des Harald Martenstein sich tiefsinnig beschäftigend – der dies Lesende RvM hat hierbei geweint und war menschlichst berührt: wie sich der (alternde) Sohn Harald in eine Selbst-„Verachtung“ und Selbstanklage hineinbegeben hatte – nicht das Tun zu können, was die diesbezügliche Situation von ihm erfordert haben könnte, nämlich: den Mensch Mutter in seine Arme zu nehmen und ihr menschlich nahest schlichtweg die Windeln zu wechseln, deren alte tragische Anwesenheit so wahrzunehmen, sie nackt und bloß und „verschissen“ zu säubern und in eine frische Windel zu verpacken… Welch eine Tragik der Wirklichkeit: in diesem Zusammenhang seine Mutter in diesem hilflosen (auch geistigen) Zustand zu erleben – und das dies eine Verbindung sei zu dem (göttlichen) unfassbaren Menschsein in solch einer Unerträglichkeit auf beiden Seiten des jeweiligen Erleben-müssens… (Welch „ein Gott“ muss das sein, der seine Menschen dann so dahinvegetieren lässt!) – Die herbeigerufene Pflegerin hat dann im Beisein des Sohnes routiniert die Mutter gereinigt und neu gewindelt. Harald Martenstein beschreibt dies fast schon (trauernd) selbstverachtend: „Ich schämte mich aus zwei Gründen. Erstens wie ein Kind, weil ich etwas Verbotenes gesehen hatte. Das hätte mir meine Mutter noch vor ein paar Jahren niemals erlaubt. Zweitens wie ein Erwachsener, wegen des Gefühls, eine Lebensprüfung nicht bestanden zu haben. Wie viele Hunderte Male mochte sie mir wohl eine Windel gewechselt und dabei sich schmutzig gemacht haben? Zurückgegeben habe ich bei der vielleicht einzigen Gelegenheit nichts. Ein bisschen geekelt habe ich mich in Wahrheit ja doch. Kinder sind süß, Alte nicht, so hat die Natur es eingerichtet.“

In Martensteins Erlebnis-Zusammenhang erinnere ich mich an meine Großmutter, die in einem anthroposophischen Seniorenheim vor sich (späterhin) hindämmerte mit den Alzheimer Symptomen. Der Leserbriefschreiber (RvM) kam die Großmutter besuchen – und sie saß am Tisch ihres Raumes dort, erkannte den Enkel nicht: und hinzu kam plötzlich nackt eine Heimbewohnerin, setzte sich mit auf die Couch und erzählte vom Schweinebraten mit Klößen, ihrem Lieblingsessen… Eine Pflegerin eilte unaufgeregt hinzu zu dieser Situation und führte die nackte alte Frau zurück in ihre eigene Räumlichkeit… Meine (schlesische) Großmutter sah dabei aus dem Fenster in den großen Garten und fragte mich: „Kommst Du mit nach Schlesien!“, schaute durch mich hindurch in ihrer inneren Ferne ohne einen erkennbaren Bezug zum/im Hier und Jetzt! Mein Großvater, der Ehemann dieser (geliebten) Großmutter aber starb (Jahre zuvor) auf der Krankenhaus-Toilette, durch die Krebskrankheit abgemagert auf etwa 40 Kilogramm – der einstige hohe Offizier (Jahrgang 1893), versehen mit einer Generalmajors-Pension, zum verkrebsten Siechtum verurteilt… Und bis zuletzt in seinem Sterbemoment hat er sich gezwungen mit letzter Kraft noch auf die Toilette zu kommen, wollte dem Krankenhauspersonal (und sich) nicht zumuten, ihn derart zu versorgen oder windeln zu müssen… Er hatte seiner Frau Ella „befohlen“, wenn es mit ihm zu Ende ginge, dass er im Jägeranzug (seiner erweiterten Uniform) beerdigt werden solle… – Meine Großmutter brachte (heimlich) den Jägeranzug ins Krankenhaus und „versteckte“ ihn im Kleiderschrank des Krebskranken in seinem Krankenzimmer… Mein Großvater Hugo entdeckte wohl diesen Endstadiums-Anzug und erkannte als alter Soldat somit: es wird nun Zeit sich aus dem Dasein zu verabschieden. Und starb dann auch in seiner doch noch eingeordneten Disziplin „soldatisch“ auf dem Klo! Harald Martenstein schreibt in seinem „Bericht“ weiterhin bedrückend: „Als die Schwester meiner Oma ins Heim sollte, hat sie sich eine Pistole besorgt und in den Mund geschossen. Meine Mutter sagte damals: „Alle Achtung. Gut gemacht.“ Sie war etwa 40.“ – Mein Offiziers-Großvater jedoch hatte nicht den „soldatischen“ Endzeit-Mut, sich eine Abschieds- Kugel in den krebskranken Körper und Kopf zu schießen!“

In diesen gegenbesichtigbaren Zeit-Abläufen zu nahen Menschen hin, wird einem Nochlebenden bewusst: wie auch philosophisch und religiös sinnentleert dieses letztgültige Altern und Altsein sich in den Wahnsinn einer Unmenschlichkeit verwandelt, jedwede Würde dann verloren geht bis hin in die Verdämmerung des Verlustes der eigenen Person und Persönlichkeit… Das Sterben ist die Vorhandenheit an persönlicher Endzeit – doch das Zuvor bis dahin, wird oftmals zu einer unerträglichen Offenbarung der vorhandenen Tragik, hierbei immer noch Mensch sein zu müssen in all der doch unerträglichen Hilflosigkeit. Dass dann fremde Menschen vorhanden sind, die den Unbeholfenen in diesen Zeiten helfen – da wir erwachsenen Kinder nicht fähig oder willens sind diese endliche Lebensanteiligkeit der nahesten Verwandten zu übernehmen…: dafür müss(t)en wir uns bei fremden helfenden Menschen BEDANKEN, uns allesamt unausweichlich schämen und eine eigene Bilanz der Unverantwortlichkeit und Untreue mit einbeziehen. In welchem Staat und System aber leben wir: dass es zu einer solchen inneren Kälte des Menschseins kommen kann und konnte – zudem wir doch wissen sollten, dass es uns höchstwahrscheinlich ebenfalls betreffen wird, wir aufs Abstellgleis von den Nachgeborenen dann abgeschoben werden… Nein: dieses System verführt und manipuliert geradezu zu diesen herzlosen Unmenschlichkeiten! – was nur ist aus UNS geworden!

Harald Martenstein hat in seinen geschriebenen (sicher für ihn schwerwiegenden) Worten im Klartext diese Selbstbezichtigung dann mit auf UNS übertragen – und ich kann ihm nur verinnerlicht beipflichten, sich in dieser Selbstbezichtigung dahingehend konkret in/an die Öffentlichkeit gewandt zu haben: an uns Verdrängende, Wegschauende und Erkalteten in unserer hierbei vom System antrainierten Unmenschlichkeit. Harald Martenstein sinniert wesentlich weiterführend: „Sogar die schlechten Eltern haben meistens etwas gegeben, das Leben sowieso, das Windelnwechseln, Verzicht auf dies oder jenes, die Nerven, die man in vielen Situationen braucht, Geld, vielleicht sogar ein bisschen Liebe hin und wieder. Es ist aber kein Tauschgeschäft, von den Kindern bekommt man vermutlich nur selten etwas Gleichwertiges zurück. Das sollte man nicht erwarten.“ Eines aber bleibt jedem einzelnen Menschen vorbehalten: Kind oder Kinder muss man nicht zeugen oder gebären. Das ist eine jeweilige Freiwilligkeit – und bedeutet dann aber gleichzeitig auch: dass ich diese Nachkommenschaft in den Tod verurteile und ebenso (je nach Gegebenheit) in das Siechtum bis hin zum Exitus. Der Leserbriefschreiber als naher Todeskandidat hat in seiner Lebenszeit als nun 74-Jähriger ganz bewusst in seinem Mann-Dasein auf Kind und Kinder „verzichtet“ – auch in nachdenklichem Bezug auf jene philosophische Erkennbarkeit: „Beweint nicht die Verstorbenen, sondern weint um die Kinder die geboren werden!“ – Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld

 

Vielen Dank für diese tolle Kolumne. Sie machen uns deutlich, dass wir achtsamer für all jene sein müssen, die im „Mainstream“ unserer Konsum-, Spaß-, und Leistungsgesellschaft nicht mitgedacht werden. Nur mit einer inklusiveren, Minderheiten, Hilfsbedürftige, Schwache und Ausgegrenzte mitdenkenden Gesellschaft können wir auf ein bis zum Ende humanes Leben hoffen. Die Welt ist so viel mehr und könnte uns so viel mehr geben, wenn es uns gelänge, ähnlich feinfühlig zu beobachten und darüber zu schreiben, wie Sie es können. Leider dominieren zu oft die Möchtegern-Alpha-Männchen den öffentlichen Diskurs. Bitte bleiben Sie dazu ein wichtiges Gegengewicht! – Klaus Siersch 

 


 

 

Leserbriefe zu „Wollen auch arme Leute das Beste für ihre Kinder?“ von Anna Mayr

 

Ach Gott, ein Artikel so populistisch eindimensional wie „sozial schwach+Geld=Tabak&Alkohol“. Was spricht denn dagegen, dass das Notwendigste und Grundlegendste wie analoge&digitale Schulmittel, Verpflegung, Schwimmunterricht etc. vom Staat direkt gestellt werden? Das kann doch nicht ehrenrührig sein und läuft auch nicht diametral zu Erkenntnissen von Schulen, KiTas und nichtstaatlichen sozialen Einrichtungen. – Stefan Niebuhr

 

Ich teile die Analyse weitestgehend. Allerdings ist es m.E. eher eine Frage der Bildung als des Geldes. Wahrscheinlich sind zwar arme Menschen auch weniger gebildet, aber nicht zwingend. Auf Studenten treffen Ihre Aussagen bzgl. Ernährung, Gesundheit u.ä. trotz deren realer Armut wohl eher nicht zu. – Gunnar Millow

 

Ich habe ihren Artikel gelesen und bin natürlich der Meinung, damals auch die meisten „armen“ Leute das Beste für ihr Kind wollen, ABER…. Es ist nun mal im Haushalt von Familien so, dass man gezwungen ist, zuerst an den Dingen zu sparen, die verzichtbar sind. Das sind dann meist Freizeitaktivitäten, gefolgt von gutem Essen. Ich betreue seit letztem Jahr eine Ukrainerin (auch mit allen behördlichen Dingen) und weiß, wie wenig Geld da zur Verfügung steht. Wenn da was schiefläuft, wie kaputte Schuhe, kaputter Kühlschrank etc., da muss schnell Geld her und das nimmt man auch ganz ohne Alkoholproblem von dort wo welches da ist. Selbst wir (obere Mittelstufe) haben es schon erlebt, das am Ende des Monates Geld knapp ist. Unsere Kinder öffnen dann ganz freiwillig ihre Spardosen, wie jedes Kind auf der Welt es wohl tun würde, wenn die Eltern Hilfe brauchen. Bei uns ist klar, dass es zurück gegeben wird, bei vielen anderen ist es schlichtweg nicht möglich.

Es ist weltfremd zu glauben, dass sich 13 Jährige dazu entscheiden, sich zu beschweren, wenn sie kein Taschengeld bekommen, das tut ein kleiner Bruchteil (bin selbst ein derartiges Alkoholikerkind gewesen) und der Rest fällt hinten runter. Ich hätte mich beschwert, sowas von, aber ich weiß aus meinen Kontakten, ich wäre eine von wenigen gewesen. Wenn wir wollen, dass Kinder gleiche Chancen bekommen, dann sollten alle die gleichen Basics ermöglicht werden. Kein Schulgeld (auch nicht an freien Schulen), keine Kosten für jedwedes Schulmaterial (Füller, Arbeitshefte, Bücher, Blöcke), keine Kindergartengebühren, aber unbedingt freie Mittagessenversorgung und im bestenfalls noch ein kleines Obstfrühstück. Und wenn dann immer noch Geld frei ist: freier Zutritt bis zu einem bestimmten Alter in Schwimmbäder und eine bessere Finanzierung von Jugendhilfeprojekten. – Doreen Liebsch

 

Mit Staunen habe ich gelesen, dass es mal wieder die „Freiheitspartei“ FDP ist, die sich aus Misstrauen gegenüber armen Rabeneltern bei der Kindergrundsicherung für ein paternalistisches Sachleistungsmodell ausspricht. Aber ist nicht die FDP auch jene pharisäerhafte Truppe, die angesichts von Cem Özdemirs Plänen, an Kinder gerichtete Werbung für Süßigkeiten einzuschränken beklagt, hier werde die Hoheit der Eltern beschnitten!? Was für eine widerwertige Doppelmoral diese Partei doch vertritt! Es ist wirklich abstoßend. – Erika S. Becker

 

Sie verfallen in Ihrem Artikel auf immer dieselbe Kausalumkehr der Gleichung „Wer Geld hat, verhält sich gesünder“. Ist es nicht eher so, dass diejenigen, die bewusst und verantwortungsvoll leben, mehr Wert auf Gesundheit und Bildung legen und damit letztlich auch besser bezahlte Arbeitsstellen erreichen? Und dass die Gleichung eher lauten müsste „Wer sich gesünder verhält, hat mehr Geld“? – Helmut-Martin Felbel

 

Sehr lustig! Da wittert der finanzpolitische Sprecher der FDP Herbrand mal wieder „spätrömische Dekadenz“ und beschwert sich darüber, dass die Kindergrundsicherung von den Eltern für Alkohol und Tabak ausgegeben werden könnte. Welche Partei hat noch mal zur Bundestagswahl 2017 15.000 Euro von der Tabakmafia eingestrichen? (https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/nichtraucherschutz-kein-verbot-fuer-zigarettenwerbung-dank-tabaklobby-und-politik).

Beim Alkohol wird es kaum anders aussehen. Ich erinnere mal an Detlef Kleinerts peinliche Bundestagslallrede von 1994. Ich hoffe, Kleinert fuhr danach nicht mit einem Porsche durch die Gegend. Wolfgang Kubicki ist ja bekennender Weinsäufer, äh, -„liebhaber“ (https://www.abendblatt.de/podcast/vier-flaschen/article228495967/weinpodcast-vier-flaschen-wolfgang-kubicki-bundestagsvizepraesident-alkohol.html).

Aber die Alkoholsucht ist nicht nur ein Problem unter FDP-Politiker*innen („Hol mir ma ’ne Flasche Bier!“). Würde mich schon mal interessieren, ob Herr Herbrand abstinent lebt und ob er Nichtraucher ist. Wünschen würde ich es mir jedenfalls. Ich finde die Summen (okay, jährlich, aber gerade zu einer wichtigen Wahl hätte ich mehr erwartet) eigentlich erstaunlich niedrig. So leicht lassen sich hierzulande Politiker*innen kaufen? Da sind die Dimensionen in den USA ganz andere. Es scheint aber auch noch Schlupflöcher zu geben, die nicht offiziell angegeben werden müssen. Dass das Geld auch für Süßigkeiten draufgehen könnte, sagt dieser Mövenpickparteivertreter lieber nicht. Wäre ja kontraproduktiv. Genau wie ein Werbeverbot zu bestimmten Uhrzeiten, bei denen Kinder vor der Flimmerkiste sitzen könnten. – Thomas Manthey

 

Das schon einmal vorweg: Natürlich wollen auch arme Leute das Beste für Ihre Kinder – die Frage ist eher: „reicht das“? Wenn das Geld sowieso nicht bis zum Monatsende reicht und Eltern vor der Frage stehen „bezahle ich die Stromrechnung oder kaufe ich Bio-Lebensmittel für mein Kind?“ wird die Entscheidung eher nicht für die Bio-Lebensmittel fallen. Auch wenn 90% des Geldes (was ich bezweifle) direkt bei den Kindern landete, hielte ich es für gerechtfertigt, das Geld in Sachleistungen wie ein gesundes Mittagessen an Schulen und Kitas, in Bildungsförderung und Teilhabe zu investieren. Davon hätten nämlich auch jene angenommenen 10% der Kinder etwas, deren Eltern sich lieber Tabak kaufen als mit ihren Kindern in den Zoo zu gehen und die es deshalb am allernötigsten hätten. Mit dieser Art „Bevormundung“ sollten auch jene 90% leben können, die das Geld gewissenhaft und zweckgebunden verwenden. Jene, die „Entmündigung“ schreien sind doch meistens gar nicht betroffen und wenn sie indirekt davon profitieren, weil sich das Schulessen qualitativ verbessert, sollten sie ihre Energie lieber darauf verwenden die Verteilstrukturen wie Fördervereine zu stärken als sich lautstark zu beschweren. Der Staat macht es sich mit der Zahlung einfach, weil Geldleistungen viel einfacher zu organisieren sind als ein System, dass die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kinder (Ernährung, schulische Unterstützung, Sport, Teilhabe) erkennt und lenkt. Dabei existieren diese Strukturen in Form von Fördervereinen längst. Mit der Beweislastumkehr macht es sich das Familienministerium zu leicht. Das System muss geändert werden – nicht die Eltern sollten beantragen müssen, sondern die Sozialarbeiter, Erzieher und Lehrer an Kitas und Schulen sollten als „Bedarfsermittler“ und Schnittstelle fungieren und die benötigte Hilfe schnell und unbürokratisch über z.B. Fördervereine den Kindern zukommen lassen und die benötigte Hilfe vermitteln. Einer 13-jährigen zuzumuten sich gegen die eigene Familie „ans Amt“ zu wenden halte ich für weniger Zielführend, als wenn ihr vom schulischen Förderverein Bildung und Teilhabe finanziert wird, so dass sie sich wenigstens an dieser Stelle mit ihren bessergestellten Mitschülern auf Augenhöhe fühlen kann. – Julia Thömen

 


 

 

Leserbriefe zu „»Der Preis wird das regeln«“. Gespräch mit Veronika Grimm geführt von Petra Pinzler

 

Allein auf die verhaltensverändernde Wirkung des Preises zu vertrauen, ist aufgrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit blauäugig, zumal Veronika Grimm selbst unbeabsichtigt ein schlagendes Gegenargument liefert – den Tankrabatt. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, welch öffentlichen Aufschrei die massive Verteuerung von Benzin und Diesel provozieren würde: eine populistische Kampagne von Springer-Presse, Boulevard-Sendern, Fossil-Lobby und Oppositionsparteien, in gespielter Sorge um den sozialen Frieden im Lande. Diesem Druck dann standzuhalten, liefe auf politischen Selbstmord hinaus; die Regierung knickte vermutlich kleinlaut ein (Beispiel: Gaspreisumlage), verlöre aber dennoch in der Wählergunst – eine klimapolitische Bankrotterklärung. Konsequente Verbote und eindeutige Vorgaben sind zwar ähnlich unpopulär, werden vermutlich ebenso vom Wähler abgestraft, sorgen aber für die nötige Planungssicherheit und leisten noch am ehesten einen Beitrag zur Einhaltung der Klimaziele. – Rüdiger Paul

 

Das Resümee im letzten Satz im Interview vernachlässigt einen entscheidenden Fakt bei e-fuels. Was den Einsatz beim Pkw (Massenmobilität) betrifft. Dieses „künstlich“ hergestellte Benzin verbrennt leider wie üblicher Treibstoff aus fossilen Rohstoffen. Es braucht die gleiche aufwendige und bisweilen eben unzureichende Abgasreinigung. Motorschutz? Temperaturfenster? Die Autoindustrie ist bereits jetzt gegen die Euro 7 Norm und damit technisch bestmögliche Abgasreinigung. Sprich ganz unabhängig vom wichtigen Thema Klimaerwärmung, würden e-fuels im Pkw weiterhin Lärm, Dreck und Schadstoffe emittieren. Alle reden über saubere Luft in den Städten. E-fuels würden dieses auch sehr wichtige Thema konterkarieren. Man würde nach derzeitigem technischen Stadt mit 5x mehr Energiebedarf (gegenüber E-Auto) etwas erzeugen, was dann eben nicht schadstofffrei verbrennt. Dieser sehr wichtige Fakt wird leider in den Medien sträflich vernachlässigt. Zur Umwelt gehört nicht nur der Klimawandel, sondern auch eine saubere Luft für Mensch und Natur. Ich freue mich, wenn Politiker*innen und Journalist*innen diesen feine Ergänzung berücksichtigen. – Andreas

 

„Die Politik kann die Ziele vorgeben, nicht aber den Weg dahin. Den besten zu finden, muss den Ingenieuren und Naturwissenschaftlern überlassen bleiben.“ Das ist die jahrzehntealte Quintessenz eines qualifizierten Technikwissenschaftlers, dem nichts hinzuzufügen ist, allenfalls der Hinweis, dass damit selbstverständlich auch die Wissenschaftlerinnen und Ingenieurinnen gemeint waren und sind. – Gerd Wenner

 

Frau Grimm formuliert zum Tankrabatt treffend: „Der Staat kommt einer Klientel, die sehr, sehr, sehr stark an der klimaschädlichen Individualmobilität hängt, durch Subventionen und durch Vergünstigungen entgegen.“ Die bittere Wahrheit dahinter: Es ist eigentlich nicht der Staat, der das will, sondern nur eine elfeinhalb-Prozent-Partei. Und die führt sich auf wie der Elefant im Porzellanladen. Beim Tempolimit ist es ähnlich, denn noch nie waren die Rahmenbedingungen so geschickt, um dieses Thema endlich abzuräumen. Hier agiert die Klientel-Partei eher wie die drei Affen von Nikko: nichts sehen, nichts hören und nichts (Vernünftiges) sagen. – Berthold Hanfstein

 

Endlich Argumente, die den Klimaschutz ökonomisch zu Ende denken, statt Scheindebatten über Verbote zu führen. – Thomas Baum

 

Herzlichen Dank für diese schlüssige Argumentation gegen ein Verbot von Verbrennern: Lass doch die Leute entscheiden, wie sie lieber CO2-neutral von A nach B kommen wollen! Es ist an der Politik, den Rahmen dafür zu setzen. Dafür müssen zum Beispiel fossile Kraftstoffe deutlich teurer werden als E-Fuels. Außerdem sollten an den Tankstellen schnellstmöglich nur noch zu 100% E-Fuels aus den Zapfpistolen laufen dürfen. Bekanntermaßen laufen ja auch alte Verbrennermotoren bestens mit E-Fuels im Tank. So kommt man auch zügig runter von den mehr als 90 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr, die allein der deutsche Bestand an Verbrenner-PKW in die Luft pustet, vom CO2-Ausstoß der weltweit mehr als 1 Milliarde Verbrenner-PKW ganz zu schweigen.

Übrigens:

1) Das Wirkungsgradargument gegen Verbrenner mit E-Fuels im Tank und zugunsten von E-Autos zieht nicht, wenn letztere mit regenerativem Strom betrieben werden sollen, der fern der deutschen Landesgrenzen geerntet wird, wie zum Beispiel in Südamerika oder Australien. Mit Kabeln bekommt man diese elektrische Energie nicht ins deutsche Stromnetz. Es bedarf der elektrochemischen Zwischenspeicherung wie zum Beispiel in der Form von Wasserstoff oder Methanol.

2) Allein die Haru-Oni-Anlage in Patagonien (SIEMENS-Energy und Porsche) soll ab Mitte der zweiten Hälfte des Jahrzehnts 550 Millionen Liter E-Benzin pro Jahr produzieren, genug für eine halbe Million PKW

3) Wenn aus allen Zapfpistolen nur noch 100% E-Fuels laufen, besteht keine Betrugsgefahr.

4) In der Vergangenheit ist es auch gelungen, verbleites Benzin aus den Tankstellen zu verbannen.

5) Die Infrastruktur für E-Fuels ist flächendeckend vorhanden: Tankstellen. – Franz Ulrich Häusler

 

Dahinter steht auch ein Streit zwischen Arm und Reich. Einen Benziner kann man für 20.000 € kaufen, das E-Mobil kostet mindestens doppelt so viel. Auch eine neue Gasheizung kostet nur die Hälfte einer Wärmepumpe mit der notwendigen Dämmung. Reiche können sich das leisten, Arme eher nicht. Interessant finde ich auch, dass die Verteuerung der Mobilität, besonders Flugreisen und Kreuzfahrten nur am Rande erwähnt wird. Sozialhilfeempfänger trifft man dort eher weniger. – Peter Pielmeier

 


 

 

Leserbriefe zu „Land im Lokdown“ Streit von Katja Burkard et.al.

 

Der Bahnhof Heidelberg befindet sich nicht an der Riedbahn, wie die Aussage von Herrn Peterson suggeriert und von Frau Frank bestätigt wird, sondern 18km östlich von Mannheim am südlichen Ende der Main-Neckar-Bahn, auch „Bergstraße“ genannt, die von Frankfurt über Darmstadt und Weinheim verläuft. Die (2024 gesperrte) Riedbahn führt direkt von Mannheim nach Norden, entlang des Rheins über Biblis und Groß Gerau nach Frankfurt. Zur Zeit ist wieder ein Teil der Riedbahn direkt nach dem Mannheimer Hauptbahnhof gesperrt und viele Züge, die Mannheim nicht anfahren können, halten dafür in Heidelberg. Der Bahnhof Heidelberg wird beispielsweise dann nicht angefahren, wenn ein Zug, meist IC vom Rheinland nach Süddeutschland, durch Umleitung über die direkt verbindende Schnellfahrstrecke Mannheim – Stuttgart die Verspätung wieder hereinholen kann. Dann müssen die Fahrgäste nach Heidelberg mit der S-Bahn fahren. Das ist ärgerlich, lässt aber in Stuttgart und Ulm viele andere Passagiere ihre Anschlüsse noch erreichen… – Holm Tutzschke

 

Das war nun wirklich kein Streitgespräch sondern ein nettes Plaudern von Enttäuschungen, etwas Frust und beruhigendem Bessermachenwollens. Die Fakten sind anders: Geplant war ein Urlaub in der Bretagne mit Bahnanreise Bielefeld – Vannes. 9:21 Reisestunden zu einem akzeptablen Preis verbunden mit einem Umstieg in Essen (8 Min.), Köln (6 Min.), in Aachen in den TGV und Bahnhofswechsel in Paris (40 Min.). Und ganz ehrlich, die Umstiegszeiten in Deutschland haben wir der Bahn nicht zugetraut. Also Anreise einen Tag vorher bis Aachen (Zustieg zum TGV), Übernachtung im Hotel und nichts mehr mit 9:21 Stunden Reisezeit. Wir sind mit dem Auto gefahren, haben mitten in Frankreich gemütlich übernachtet und gecheckt, ob die ideale Bahnverbindung geklappt hätte. Hat sie – nicht. Schon beim ersten Umstieg in Essen wäre die Reise vorerst zu Ende gewesen. Wie und ob die Bahn ihre Probleme löst ist mir – mit Verlaub – piepegal. Mein Problem ist es, den Fahrpreis aufzutreiben. Gelöst! Das Problem der Bahn ist es, den Beförderungsvertrag einzuhalten. Ungelöst! – Wolfgang Siedler

 

Für längere Strecken nehme ich gerne die Bahn, auch beruflich. Das ist entspannend, wenn alles klappt, daran hapert es leider aber viel zu oft. Verspätungen sind an der Tagesordnung und für mich nicht einmal das größte Übel. Ausfälle, überfüllte Züge, nicht angehängte Waggons (Sitzplatzreservierung ade), knappe Umsteigezeiten, Änderung der Wagenreihung in letzter Minute, kaputte Toiletten, die ganze Chaos-Chorographie habe ich auch schon erlebt. Und das nicht nur bei mehren Zugfahrten zusammen, sondern auch auf einer einzigen! Das fordert selbst dem gutwilligsten Reisenden heraus, Geduld und schnelles Reaktionsvermögen sind hier gefragt. Ältere oder unerfahrene Reisende tun mir dann immer leid. Ohne die Bahn-App würde ich mich gar nicht mehr aus Gleis wagen und die geplante erweiterte App, die alternative Reiserouten anbieten kann, ist mir sehr willkommen.

Bestätigen kann ich, dass die Reisebegleiterinnen und Reisebegleiter einen guten Job machen. Sie müssen häufig den Frust der Fahrgäste ausbaden, obwohl sie nicht für das Bahnchaos verantwortlich sind. Die Bahn wurde jahrelang vernachlässigt, irgendwann rächt sich das. Ich wünsche Herrn Peterson viel Erfolg dabei, dass Sorgenkind wieder zu einem zuverlässigen Reisepartner zu machen. Dann muss ich auch nicht mehr über die putzige Bahnwerbung im TV schmunzeln, die perfekte Züge und glückliche Reisende zeigt. – Regina Stock

 

Frau Burkard muss sich nicht entschuldigen, wenn sie die Bahn als „beschissen“ bezeichnet. Erst recht beleidigt man dadurch nicht die Mitarbeiter. Es ist ja das Gesamt-Unternehmen gemeint. Und einige – nicht alle – Mitarbeiter passen tatsächlich zum Gesamtbild, das der Konzern abgibt: Nachdenken scheint in den Dienstplänen mancher „Service“-Mitarbeiter nicht vorgesehen zu sein. Vor allem die besten Kunden werden von der Bahn wie besonders lästige Störenfriede behandelt. Neuester Ausdruck dieser Haltung ist die x-te Neuregelung des Zugangs zu den DB-Lounges: Inzwischen muss man zusätzlich zu den sonstigen, immer strengeren Voraussetzungen ein aktuelles Fernverkehrsticket vorzeigen, um dort des hervorragenden Kaffees teilhaftig zu werden. Angeblich weil zu viel „Missbrauch“ mit dem Lounge-Zugang getrieben worden war. Mir war nicht bekannt, dass es bisher verboten war, auch vom Nah- oder Regionalverkehr aus in die DB-Lounge umzusteigen. „Missbrauch“ der Zugangsberechtigung heißt vom Bahn-Jargon übersetzt einfach: Inanspruchnahme. Besser kann man nicht klarmachen, dass man die Vielfahrer verachtet, weil diese aus Klimagründen sowieso an Bord bleiben, auch wenn sie allen Grund hätten, dem Konzern den Rücken zu kehren. – Tilman Lucke

 

Mit allem, was Sie schreiben, hat sich die Stuttgarter Montagsdemo fürs Obenbleiben und gegen Stgt. 21 seit weit über zehn Jahren intensiv beschäftigt und viel Expertenwissen in Sachen Bahn aufgebaut. Bis heute musste sie keine ihrer Voraussagen zurücknehmen. Alles trifft Tag für Tag genau so (oder noch schlimmer) ein wie prognostiziert. Immer mehr Fahrgäste regen sich zunehmend über die Bahn auf – aber auch die, die im Fall Stgt. 21 genau Bescheid wussten, es aber wider besseres Wissen und vor allem entgegen jeglichem „gesunden Menschenverstand“ mit aller Macht durchboxten. Soviel Heuchelei, fahrlässige Unverantwortlichkeit, getrickste EU-Gelder-Erschleichung und einen Bundestag, der laufend wegschaute, incl. inkompetenten Verkehrsministern, habe ich in der Politik noch gar nie erlebt … Meine Konsequenz: Ich gehe überhaupt nicht mehr wählen. Ja, wen denn noch? – Eberhard Rapp

 

Kaum hat Herr Petersen, der Fernverkehrs-Chef der Bahn, aufgezählt, was bei der Bahn alles gut läuft, da schaltet er sich bei der Frage an alle Diskussionsteilnehmer sofort wieder ein, und erteilt der Bahn 8 von 10 Negativpunkten. Fishing for Compliments? Wenn der Bahnchef selbst schon so eine verheerende Meinung hat – ist die Bahn denn überhaupt noch existent? Und was bei dem langen „Proseminar Bahn“, wie es eine Diskussionsteilnehmerin treffend bezeichnete, gänzlich unerwähnt blieb – Scheuer, Wissing. Haben wir das Menetekel nicht zu einem großen Teil jenen Auspuffministern, die ihren in mehrerlei Hinsicht verantwortungsvollen Posten gegen ihr persönliches Hobby abwägen, zu verdanken? Das 9-Euro-Ticket, das uns trotz mancher Geduldsprobe einen heiteren Sommer bescherte, wurde – so darf man annehmen – in erster Linie von den Grünen durchgesetzt. Jetzt herrscht am Bahnsteig wieder schwarz-gelb perpetuiertes Grau. – Christian Schlender

 

Ja, alle Klagen sind berechtigt. Seit zwanzig Jahren als Pendlerin im ICE unterwegs habe alles erlebt: Feuer im Nachtzug, Schüsse auf den Zug im Bahnhof, filmreifes Stürmen eines Wagons durch eine Sondereinheit, monatelange Streckensperrung wegen Tunneleinbruchs und all die kleinen und großen Ärgernisse, die alle anderen ebenso treffen. Ich erlebe aber auch: Zeit zum Vorlesungvorbereiten, Zeit zum Gutachtenschreiben, Gedankenschweifen, Ideengenerieren und Abstandgewinnen. Das alles ohne Stau, ohne aggressive Raser und oft pünktlich: Gewonnene Zeit im Zug versus verlorene Zeit im Auto. Und was wäre Pendeln ohne „Wagen 3“, unsere legendäre Pendlerclique aus dem ICE? „Wagen 3“ gehört eindeutig in die Kategorie: Was mein Leben reicher macht. – Ulrike Wallrabe

 


 

 

Leserbriefe zu „Das Lager der Vergessenen“ von Moritz Aisslinger

 

Die Lage dieser Vergessenen zerreißt das Herz. Da sitzt ein Volk zwischen zwei Völkern, die es nicht wollen, und hat keine Perspektive. Wir in unserem Land brauchen Arbeitskräfte, dringend, und da kommt mir die möglicherweise naive Idee: Warum kann man nicht zwischen diesen beiden Problemen einen Ausgleich schaffen? Die Rohingyas haben Kinder, viele Kinder. Kinder haben die instinktive Fähigkeit, leicht eine Sprache, auch eine neue, erlernen zu können. Und die Erwachsenen? Als in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die „Gastarbaita“ zu uns kamen, konnten sie kein Deutsch, haben aber nichtdestotrotz unseren Wohlstand mitgeschaffen, und ihre Kinder und Enkel besitzen inzwischen gutgehende Eisdielen und Läden oder sind Notar* innen und Ärzt* innen geworden. Bevor wir also anderen Ländern die dort dringend benötigten Fachkräfte abluchsen, unser Arbeitsminister in Ghana unter Student* innen um Zuwanderung nach Deutschland wirbt, warum fragen wir nicht in diesem Limbus der Hölle, ob da nicht Menschen bereit sind, ihren Kulturkreis zu verlassen, um sich und ihren Kindern in unserem Land eine Perspektive zu geben? – Ursel Heinz

 

Einen großen Dank für diese erschütternde Dokumentation! Es ist wirklich des Bemerkens wert, wie schnell wir das Elend der Menschheit vergessen, wenn es nur weit genug weg ist – und uns bestimmt nicht auf die Pelle rücken kann. – Gabriele Schiff

 

Danke für den Artikel über die Rohingya. Absolut ergreifend. Man wird sich bewusst, was für ein Leben manche Menschen auf der Erde leben müssen. Warum kommt solch ein Thema nicht mal auf die Titelseite? – Julian Zander

 

Haben Sie vielen Dank für die Veröffentlichung dieses bewegenden Porträts der Rohinga. Nur vermisse ich eine Stellungnahme, nämlich die der Muslim-Liga – Was leisten die islamischen Staaten für ihr Glaubens Brüder? – Helmut Staudt

 

Beim Lesen des Artikels fiel mir eine Geschichte ein, die ich so ums Jahr 1950 im Salzburger Bauernkalender gelesen habe. Sie geht etwa so: Der Pfarrer will den Hiasn-Bauern besuchen, trifft ihn nicht an und fragt den kleinen Hansl. Der antwortet, der Bauer wäre gerade in der Lederhose, was dem Hansl eine Ohrfeige einbringt. Doch Hansl hatte Recht. Ein Neben-Anwesen trug seit der planmässigen Protestantenvertreibung 1731/1732 den besagten Namen, weil der ursprüngliche Besitzer, ein Protestant, seinen Hof für eine Lederhose hergeben musste, mangels eines besseren Angebots. Damals zogen viele der Protestanten bis nach Ostpreussen und ihre Nachkommen mussten 1945 froh sein, wenn sie bei der Flucht mit dem Leben davonkamen. Käufer für ihre Anwesen gab es keine.

Wenn auch diese Vertreibung ähnlich hart war, wie die Vertreibung der Rohingyas, so ist doch das langfristige Schicksal der Rohingyas ungleich härter. Dies vor allem auch wegen der fehlenden Perspektiven. Im Gegensatz dazu fanden die 1731/1732 und 1945 Vertriebenen menschenwürdige Perspektiven vor. Ansonsten gibt’s auch eine wichtige weitere Parallele. Die Aufnahme der Vertriebenen erfolgte durch Menschen aus derselben Kultur und Religion. Die Relation der Einwohnerzahl des Aufnahmelandes zur Zahl der Vertriebenen ist bei der aktuellen Vertreibung eher günstiger. Bangladesch hat ca. 169 Millionen Einwohner also 169-mal mehr als die Zahl der Vertriebenen. Deutschland nahm allein auf Grund der «Westverschiebung Polens» 5 Millionen auf. Der relevante Unterschied besteht darin, dass Bangladesch weit dichter besiedelt ist als Deutschland. Daher hat Bangladesch kaum Freiräume, die Glaubensgenossen aufzunehmen.

Angesichts der Situation der Rohingyas geht es nicht nur darum, Myanmar zu verurteilen, die Rohingyas zu bedauern und die Situation im Lager zu verbessern. Es ist auch notwendig, sich um die langfristigen Perspektiven der Lagerbewohner zu kümmern. Da gibt es zwei Alternativen. Die eine beruht auf den Erfahrungen der Palästinenser etwa im Gaza-Streifen. Dort verschlechtert eine hohe Geburtenrate die Situation entscheidend. Etwas Ähnliches ist auch im Interesse der «selbsternannten Befreiungsarmee der Rohingya», kurz ARSA ist. Die Zahl der jungen Männer ohne Perspektiven wird anwachsen und möglicherweise Basis für ein Terror-Regime werden, was geeignet wäre, die Region zu destabilisieren. Die andere Alternative könnte darauf beruhen, dass man die Erfahrungen von Bangladesch nutzt. Dort sank die Geburtenrate in den letzten Jahrzehnten von 7 auf 2. Eine ähnliche Entwicklung im «Lager der Vergessenen» hätte viele Vorteile. Einmal würde der Aufwand zur Unterstützung des Lagers nicht unaufhaltsam steigen. Die Bereitschaft Flüchtlinge aufzunehmen würde weniger gebremst durch die Furcht vor Überfremdung. Das gilt sogar in Bezug auf eine mögliche Bereitschaft Myanmars – eventuell auch nach Druck von Aussen – eine Rückwanderung zu ermöglichen. Es würde auch das langfristige Zusammenleben in Myanmar stabilisieren.

Es ist klar, dass die letztere Lösung schwierig durchzusetzen ist und auch wieder dem Interesse an einer «Bestrafung» der Urheber der Vertreibung zuwider läuft. Ein Grund ist auch die Perspektivlosigkeit im Lager. Denn zumindest eine verbliebene Perspektive besteht im Beitragen zum Erhöhen der Geburtenzahl. Zur Problemlösung beitragen müsste das Bereitstellen von Ersatz-Perspektiven (Bildung, Selbstbestimmung der Frauen, Verwaltung und Gesundheit) und auch das möglichst drastische Darstellen der Vor- und Nachteile der genannten zwei Alternativen.

Ein grundsätzliches Problem ist, dass dem Thema Demographie beim Zukunfts-Problem der Menschheit zu wenig Beachtung geschenkt wird. Wir sind nur Gast auf diesem schönen Planeten und müssen somit dafür sorgen, dass dieser Planeten unseren Nachkommen unversehrt übergeben werden kann. Das betrifft Demographie, Ökonomie und Ökologie. – Gernot Gwehenberger

 

Das war wirklich ein richtig informativer und exzellent geschriebener Artikel. Absolute klasse, vielen Dank! – Dominik Göhmann

 

Nach diesem Bericht über die Rohingyar und angesichts auch der Gesamtsituation auf dieser eigentlich so lebenswerten Welt komme ich zu dem Schluß, dass wir sie ja gar nicht verdient haben. Weil uns schon die Grundvoraussetzung, nämlich “ Menschlichkeit“ fehlt. Dann lassen wir sie doch untergehen. Selber dran schuld. – Geelke Braun

 


 

 

Leserbriefe zu „Wir gegen sie“ von Carla Neuhaus

 

Der öffentliche Dienst kann qualifiziertes Personal nur gewinnen und an sich binden, wenn er es entsprechend entlohnt. 360.000 Stellen sind im öffentlichen Dienst nicht besetzt, überall herrscht Fachkräftemangel. Den öffentlichen Arbeitgebern ist das sicherlich bewusst, genauso ist ihnen mittlerweile klar, dass ein gut funktionierendes Gemeinwesen einen entsprechend leistungsfähigen öffentlichen Dienst voraussetzt.

Wie will man beispielsweise ausgebildete Bauingenieure ködern, wenn sie in der Wirtschaft ein Vielfaches mehr verdienen können? Damit zu argumentieren, dass untere Lohngruppen nicht stärker angehoben werden könnten, weil dadurch der Abstand zu höheren Lohngruppen sinke, finde ich zynisch. Bei jeder Tarifverhandlung im öffentlichen Dienst müssen sich die Beschäftigten von ihren Arbeitgebern vorrechnen lassen, wie sehr Lohnerhöhungen die Kassen zusätzlich belasten. Jetzt kommt auch noch hinzu, dass viele Kommunen mit der Aufnahme von Flüchtlingen, der Unterstützung von Kliniken etc. bereits überfordert sind. Das mag alles stimmen, soll den Erzieherinnen, den Müllwerkern, den Busfahrerinnen und Busfahrern damit ein schlechtes Gewissen gemacht werden, um weniger zu fordern? Das wäre sehr unrühmlich. Frau Welge steht hier im Dilemma, das kann ich sehr gut nachvollziehen, dennoch kann man dieses nicht auf dem Rücken der eigenen Beschäftigten austragen. Im „Ernstfall“ muss der Bund mit mehr Transferleistungen die Kommunen finanziell unterstützen, er verlangt ihnen ja auch einiges ab.

Verdi fordert eine Lohnerhöhung von 10,5 %. Das wird die Gewerkschaft vermutlich nicht herausholen können. Zumindest müssen die Lohnerhöhungen aber die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten abgefangen können plus Zusatzzahlungen, denn die meisten Beschäftigten im öffentlichen Dienst gehören nicht zu den Großverdienern. Das ist auch eine Frage der Wertschätzung der eigenen Arbeitnehmer. Diese Wertschätzung wird in anderen Zusammenhängen von politisch Verantwortlichen gerne thematisiert. Dabei geht es dann aber nicht ums Geld. – Regina Stock

 

Mit Interesse habe ich Ihren Artikel zum aktuelle Tarifstreit im öffentlichen Dienst und hier insbesondere über die Verhandlungsführerin der Arbeitgeber gelesen. So weit so gut. Nur, leider, vergleichen auch Sie Äpfel mit Birnen. Verdi fordert 10,5 Prozent für ein Jahr. Die Arbeitgeber bieten 3 Prozent für ein Jahr und weitere 2 Prozent im nächsten Jahr, stimmt macht 5 % aber auf eben zwei Jahre! also 2,5 Prozent pro Jahr (wenn diese Vereinfachung der Zinsrechnung hier einmal zulässig ist) so wie Sie es in Ihrem Blickfang-Bild auf der oberen Hälfte ihrer Wirtschaftsseite darstellen.

DAS ist sicherlich kein faires Angebot für all die wertgeschätzten, beklatschten, gelobten, Systemrelevanten, unverzichtbaren, staatstragenden, … Mitarbeiter im öffentlichen Dienst. Mein großer Aufreger in diesem Zusammenhang ist aber tatsächlich das Sie und übrigens auch die Tageschau oder die heute Nachrichten in ihren kurzen Meldungen den Eindruck vermitteln das der Forderung von Verdi (10,5 Prozent) ein echtes Angebot von (5 Prozent) mit gleicher Laufzeit gegenübersteht. Dem ist, wie sie in Ihrem Artikel (immerhin schon am Ende der zweiten Textspalte) erläutern jedoch leider nicht so. In der Bevölkerung kommt aber in unserer „Überschriftengesellschaft“ aber leider oftmals nur die Botschaft 10,5 gegen 5 Prozent an.

Hier und gerade hier habe ich von der Zeit, von Ihnen mehr, erwartet. Damit wir uns richtig verstehen 10,5 Prozent, die sind (so gerne ich sie auch hätte) nicht finanzierbar. Nun, hier gibt es sicherlich intelligente Lösungen 10 Prozent in den unteren, 7,5 in den mittleren und 5 Prozent in den oberen Gruppen. Einmalzahlungen sind übrigens aus meiner Sicht keine Lösung, ja sie helfen akut aber eben nicht dauerhaft, da die Preise sicherlich nicht auf das Niveau von 2019 zurückgehen. Stichwort, Deflation, im weitesten Sinne.

Daher ist der voraussichtliche Post Abschluss 1020 € sofort, dann jeden Monat 180 € bis März 2024 und erst dann der Sockelbetrag von 340 € über alle Gruppen hinweg für mich nur schwer nachvollziehbar. Auch wenn er für die unteren Gruppen sicherlich eine, späte, deutliche Steigerung beutet. Letztendlich wenn schon heute 360.000 Stellen, somit rund 15 Prozent, der Stellen im öffentlichen Dienst nicht besetzt sind ist dies sicherlich auch der nicht gerade überbordenden Bezahlung im öffentlichen Sektor geschuldet. Daher, wir werden erleben, wie intensiv und lange der Arbeitskampf in dieser Runde wird. – Heinrich Jopen

 

Setzt ver.di 10,5 % Lohnerhöhung durch, dann würden die öffentlichen Haushalte jährlich mit insgesamt 16,8 Mrd. Euro zusätzlich belastet (DIE ZEIT vom 17. d.M., S. 17). Bei dieser Berechnung bleibt allerdings, wie häufig, außer Acht, dass sich die öffentliche Hand nicht nur über die Lohnsteuer, sondern auch über vielfältige Verbrauchsteuern sowie die Sozialversicherungsabgaben einen erheblichen Anteil von den 10,5 % wieder zurückholt. Das gelingt sonst keinem Arbeitgeber. – Ludwig Henkel

 

SoSo – Gewerkschaft ver.di gegen Verantwortungsträger der SPD – das ist ja in politischer Dimension eine eher ungewöhnliche Schlachtordnung! Wobei Frau Welge wirklich nicht zu beneiden ist, haben doch ihre SPD- Altvorderen mit zwei Mal WUMMS mittels Machtwort eines einzelnen Herrn die hier maximal geforderten 17 Mrd € für 2,5 Mio Beschäftigte zu „Peanuts“ degradiert, und das Delta von ca 1 Mrd sowieso…. Wobei verschärfend hinzukommt, dass von den 100 Mrd Sondervermögen für die Streitkraefte schon mal vorab 40 Mrd € für ein halbfertiges Nuklearwaffenträgerflugzeug (das die Deutschen NIE als solches einsetzen werden) in die USA sowie 7 Mrd € an die israelische Konkurrenz von Rheinmetall gehen – also nach ausserhalb der EU geleitet werden, aber die Bundeswehr auf 40 Jahre hinaus an die beiden Produzenten ausliefern, und zu Frankreich inkompatibel machen. Gibt es noch irgendeinen Grund, weshalb sich VER.DI bescheiden sollte?

Wollen wir mal abwarten, ob diese Tarifrunde nun eine „feministische“ Tarifpolitik mit gänzlich neuem, jedenfalls anderem Ergebnis wird. Bei 10% Inflation ist ja ein Zahlungsziel in 2024 zwar nominal 100%, aber real schon mal 10% weniger… Insofern sitzen ja nicht nur die SPD- Obersten, sondern auch die Grünen mit Frau Baerbock (begrifflich) mit am Tisch! – Franz Berger

 

Obwohl im Sozial- und Erziehungsdiens und im Pflegebereicht, insbesondere bei der Arbeit mit jüngeren Kindern, weit mehr Frauen tätig sind als Männer, suggeriert Ihre Sprache die männliche Dominanz. In diesen, wie in den Pflegeberufen, geht es neben einer angemessenen Bezahlung immer auch um Würde, Wenn hier eine Frau, die, wie aus dem Artikel hervorgeht, in wenigstens zwei Aufsichtsräten sitzt und als „erste Frau überhaupt“ zu Präsidentin, selbstverständlich in ein frauengerechtes glamouröses Ehrenamt innehat ist sie Ausnahme und privilegiert. Wenn selbige dann auch noch meint, durch prozentuale Lohnerhöhungen würden Beschäftigte zu Führungspositionen motiviert, trägt dies zum weiteren Auseinanderklaffen der Gesellschaft, vor allem in den bekannten Einkommensunterschieden zwischen Männern und Frauen bei. Wie vielen Funktionären:innen, die Tarifverhandlungen führen, nützt dies auch ihr selbst. Bei dieser Betrachtung scheint mir das Tarifergebnis der Post zwar gering dür die Beschäftigten, doch richtungsweisend. Richtungweisend in ihren Beiträgen scheint mir auch eine klare Benennung der Geschlechter. Ich bitte darum. – Rolf Scheyer

 

Dass diese Streiks jetzt nach Corona ausufern, wie ich meine, wundert mich nicht. Denn gewundert habe ich mich in der Coronazeit über die ständigen Rufe nach „dem Staat“, der dies gebieten, das verbieten sollte, nach vielem, was der Bürger allein hätte regeln können, wenn er denn eine Mitverantwortung zur Lösung des Problems übernommen hätte. Immer häufiger fragte ich mich: Ja sind wir denn in der DDR, wo der Strom aus der Leitung kam – bis er denn ausging? Wie wäre es, wenn jeder einen Takt schneller, konzentrierter arbeitete? Das würde vielleicht den Facharbeitermangel um 1/4 reduzieren! Beispiele: Jede Straßenbaustelle (kilometerweit abgesperrt) ist mit mindestens 3Mann besetzt. Der Baggerführer fährt langsam hin- und her, zwei Mann schauen zu, rauchen. Unsere Straße wurde 2x wieder aufgerissen, bis das Siel saniert war, 1 Jahr Baustelle. Antrag beim Grünflächenamt am 1.November 22, einen Pflegeschnitt (!) an einer mittelgroßen Buche durchführen zu dürfen. Trotz Erinnerung, dass im März nicht mehr beschnitten werden darf, liegt bis heute keine Genehmigung vor. Antrag im September 22 an die Stelle, die für Straßenbegleitgrün zuständig ist, Büsche, die den Gehweg zunehmend einengen zu beschneiden. Der zuständige Mitarbeiter hat 2x Zeit zu plaudern – beschnitten ist nichts. Das Bauordnungsamt macht bei einer Baugenehmigung Auflagen, die die Bauherrin nicht einhält. Eine Nachbarin beschwert sich: „Wir machen die Auflagen, kontrollieren aber nicht, ob sie eingehalten werden“. Ein Staat ohne funktionierende Exekutive wird in die Knie gehen. Im Handwerk Ähnliches, auch in der bemitleideten Pflege unkonzentrierte Handlungsabläufe. Natürlich gibt es die, die ihren Job gut machen, doch sie fallen mir immer seltener auf. – Ursula Augener

 


 

 

Leserbriefe zu „Es schwingt in unserem Kopf“. Gespräch mit Wolf Singer geführt von Andreas Sentker und Ulrich Schnabel

 

Wie schön, das sich endlich ein Neuro-Wissenschaftler mit den Phänomenen des Gehirns aus einander setzt, wie sie Danah Zohar in ihrem Buch „The Quantum Self“ schon 1990 so verständlich beschrieben hat. Die Erkenntnisse von Herrn Singer sind also nicht vollständig neu. Es würde mich freuen, wenn Danah Zohar endlich die Aufmerksamkeit für ihre Arbeit erfahren würde, die sie verdient hat. – Erdmann Pfuhl

 

In Ihrer Ausgabe vom 09.03.2023 hatten Sie ein Interview mit Herrn Wolf Singer, das ich sehr interessant fand, obwohl ich nur einen Bruchteil verstand. Leider hat er seine Erfahrung nach seinem misslungenen „Gloria-Gesang“, in dem er Gott mit einem Streik aufforderte, zu zeigen, dass er auf ihn aufpasst, nicht mitgeteilt. Da wir oft in ähnlichen Situationen auf eine Antwort warten, wäre ich Ihnen dankbar, zu erfahren, wie Herr Singer tatsächlich reagiert hat. – Berthold Senzig

 

Das Gehirn ist eine „Bibliothek “ meines Wissens, das erlebte im objektiven und subjektiven Sinn, der Lebenswirklichkeit. Das ICH im Selbst-Bewusstsein entscheidet und handelt. Der -freie Wille – ist eine aktive „Zwischenstufe“ von neuronalen unbewussten Prozessen, notwendig um die Handlungsfähigkeit möglich zu machen. Der Wille des Menschen ist immer unvollkommen und nicht absolut befreit von inneren und äußeren Einflüssen. – Thomas Bartsch Hauschild

 

«Das Gehirn – was für eine Wundermaschine! Wolf Singer hat sie ein Leben lange erforscht. Bis heute fragt er sich: Was ist Bewusstsein? Und wie entsteht das Ich?» Bemerkenswert ist, dass wir auch auf einfachere Fragen keine Antwort haben. Etwa auf die Frage, wie die Empfindung (nicht das Sehen) einer Farbe z.B. «rot» zustande kommt. Oder wie eine evolutionäre Vorstufe von Bewusstsein aussehen könnte und wie dann der Sprung zum eigentlichen Bewusstsein funktionieren könnte.

Die Komplexität des Gehirns muss Bewunderung für die Wirkung der Evolution bewirken. Diese Komplexität hat auch den technischen Fortschritt ermöglicht. Dies allerdings mit der Folge, dass das Fortbestehen der Menschheit bedroht ist. Das Problem ist, dass der Fortschritt der Menschheit erlaubte, die Grenzen zu beseitigen, die die Natur ihren Geschöpfen zu deren Wohl setzt. Zudem hat der Fortschritt die demographischen und ökonomischen Gräben verursacht, die das gemeinsame Lösen des Zukunfts-Problems nahezu verunmöglichen. Die Folge der Grenzbeseitigung lässt sich dem Stichworten «Tragik der Allmend» charakterisieren.

Eine interessante Frage ist, ob die Wundermaschine Gehirn da nicht doch einen Ausweg finden kann. Das Weltall ist ein so grossartiges Gebilde, dass es schade wäre, wenn niemand mehr da wäre, es zu bewundern. Und unser alles Streben ist doch sinnlos, wenn es letzten Endes unser Fortbestehen verhindert. Singer stellt dazu optimistisch fest: «Kollektive Erfahrungen und wissenschaftlich begründete Einsichten sollten ausreichen, um uns so einzurichten, dass wenigstens ein Teil unserer Hoffnungen erfüllt sind.» Aber warum haben kollektive Erfahrungen bisher nicht genügt, das aktuelle Schlamassel zu verhindern? Und warum konnte die Wissenschaft die Gefahr exponentiellen Wachstums nicht ausreichend aufzeigen: Vor der letzten möglichen Verdoppelung ist alles in trügerischer Sicherheit, danach ist Sense.

Nach Singer sind Demokratien besser geeignet als Diktaturen, den Ausweg zu finden. Aber beide kommen wohl nicht aus ohne Rationierung. Es geht darum Kopfzahl und Konsum an die Ressourcen anzupassen und dafür ist Zwang nötig. Das belegen «kollektive Erfahrungen» wie die folgenden: Gesellschaftlichen Zwang gab’s z.B. auf der Insel Tikopia (vgl. das Buch «Kollaps»), aber auch in buddhistischen Dörfern (vgl. Buch «Das alte Ladakh»). Dort durfte nur der älteste Sohn Kinder haben. Ähnliches gab’s in weiten Teilen Europas, wo die Geschwister des Hoferbens kinderlose Dienstboten wurden oder ins Kloster gingen (vgl. das Buch «Die Technik reicht nicht»). Die tiefen Geburtenraten in Industrie-Staaten beruhen ebenfalls auf Zwang durch die Konkurrenz bei Bildung und Beruf. Der Zwang ist so stark, dass z.B. in Südkorea Nachhilfeunterricht nach 22 Uhr verboten ist, um Gesundheitsschäden vorzubeugen.

Zum Thema Zwang noch folgendes Beispiel: Einerseits kann unser Weltbild von jungen (und auch älteren) Männern fordern, unter Einsatze ihres Lebens, eben diese Weltbilder zu verteidigen. Dies ist die Grundlage für die Ausreisesperre aus der Ukraine. Andererseits ist es nach diesem Weltbild nicht zumutbar, von allen Menschen weltweit zu verlangen, diejenigen Grenzen einzuhalten bezüglich Geburtenraten und Konsumverhalten, die notwendig sind, damit unsere Spezies langfristig fortbestehen kann. Dies obwohl das Einhalten der Grenzen nicht den Einsatz des Lebens verlangt. Singers Hoffnung auf Selbstorganisation reicht anscheinend nicht. Es hat zumindest bisher nicht geklappt, die folgende notwendige Forderung zu erfüllen: Wir sind nur Gast auf diesem schönen Planeten und müssen somit dafür sorgen (sehr direkt), dass dieser Planeten unseren Nachkommen unversehrt übergeben werden kann. Das betrifft Demographie, Ökonomie und Ökologie. – Gernot Gwehenberger

 

Ein kurze Frage: Wozu arbeiten wir am Quantenrechner wenn doch schon jeder von uns einen im Hirn hat der schon bei Zimmertemperatur arbeitet? – Siegfried Perotti

 

Besten Dank für dieses Interview mit Prof. Singer. Sehr verständlich und doch unglaublich, nein, bestens „glaubhaft“, die Tiefe der Information. Früher überflog ich weitere Zeilen, sobald Schrödingers Katze auftauchte. Diesmal konnte ich mit großem Vergnügen und erstaunlichem Verständnis diesem umfassenden und stringenten Wissensfluss bis zum spannendem Ende folgen. Eine „Reise in den Kopf“, mit einem erfreulicher Ausblick in eine doch mögliche menschliche Zukunft, an der man in diesen irren Zeiten sonst oft zweifeln möchte. – Alois Wismeth

 


 

 

Leserbriefe zu „»Welch eine verkehrte Welt«“ von Zeruya Shalev

 

Da ich im Oktober des letzten Jahres in Israel gewesen bin, kann ich diese ungeheuerlichen Veränderungen sehr gut nachvollziehen. Wenn ich mir vorstelle, dass ich mit meiner Tochter und meiner Enkelin jetzt in Ihrem Land wäre, kann ich Ihre Empfindungen unmittelbar verstehen. Ihr Verweis auf die historischen Beispiele der Selbstzerstörung des israelischen Staates lösen Bedenken aus; gleichzeitig verweisen Sie auf die weiterentwickelte Kultur des Landes. Ich hoffe und wünsche mir sehr, dass die jungen und alten Menschen mit demokratischem Bewusstsein bei ihrer Haltung und ihrem Auftreten bleiben. Jetzt hat auch Ihr Staatspräsident, Herr Herzog, endlich die notwendige Position eingenommen. Es wird nötig sein, dass er unmissverständlich hinter der Rechtsstaatlichkeit Israels steht. Beide Gegenbewegungen, die von den Bürgern auf der Straße und die des Staatsoberhauptes, sollten gemeinsam verhindern, was die Regierung vorhat, um den Staat zu schwächen. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich als Ausländer, und gerade als Deutscher, mehr als nur diesen Brief zu schreiben unternehmen kann. Gerne greife ich eine Antwort von Ihnen auf und bedanke mich schon im Voraus dafür. – Michael Berger

 

Bei aller verständlichen Kritik der israelischen Schriftstellerin Zeruya Shalev an der „religiösesten, rassistischsten und rechtesten Regierung, die es in Israel je gab“ vermisse ich bei ihr und den Hundertausenden gegen diese Regierung demonstrierenden Israelis auch nur einen Funken Kritik am brutalen israelischen Besatzungsregime im palästinensischen Westjordanland, an den völkerrechtswidrigen Siedlungen und dem permanenten Landraub dort. Dieses Hauptproblem, das die israelische Gesellschaft spaltet und letztendlich zerstören wird, bleibt bei den Massenprotesten völlig ausgespart und wird geflissentlich verdrängt. Israel ist wirklich – wie Shalev sagt – „eine verkehrte Welt. Eine Welt der Lügen“. Man könnte es auch Selbstbetrug nennen. – Björn Luley

 

Über die aktuelle rechtsradikale Regierung, die die Isarelis sich gewählt haben, braucht man eigentlich keinen weiteren Kommentar abzugeben- ihre Politik spricht ja über sie selbst längst das Urteil. Dass aber das permanente Unrecht, das die Besatzungsmacht Israel gegenüber den Opfern dieser Besatzung seit Jahren, ja, seit Jahrzehnten an den Tag legt, mit völkerrechtswidrigen Akten wie dem illegalen Siedlungsbau, mit dem Vorenthalten elementarer Grundrechte usw, dass dies im Bewusstsein der Autorin, einer „Intellektuellen“ und in ihrem Artikel so gut wie gar nicht vorkommt, dafür umso mehr natürlich die „Sicherheit“ Isarels, umgeben von sie bedrohenden Feinden, das ist ein ernüchterndes Armutszeugnis und zerschlägt alle Hoffnung, die man hier auf die israelische Zivilgesellschaft und ihre „geistige Elite“ setzen könnte von vornherein. Die Nennung im Text von Gleichberechtigung und Menschenrechten als „Grundwerte der israelischen Gesellschaft“ klingt angesichts dieser Realität wie Hohn.

Fazit: es wird bleiben, wie es schon lange ist. Niemand auf internationaler politischer Ebene wagt es dem Aggressor in den Arm zu fallen, und so macht er mit seiner menschenverachtenden Politik einfach ungestört weiter. Sollte die Regierung Netanjahu stürzen, wird sie durch eine andere ersetzt werden, die genau diese Politik weiterbetreibt, das ist doch seit mindestens 30 Jahren (der Tod Rabins) so! – Karl-Heinz Grau

 

Wenn man die beiden oben genannten Artikel miteinander verknüpft, dann ergibt sich daraus die ganze Tragödie des jüdischen Staates dass von Anfang an auf Unrecht gegründet ist und einen Menschenschlag hervorgebracht hat, welcher die Wahrheit und dass Recht bis zur Unkenntlichkeit verdreht. So jedenfalls hört sich das an was aus Israel berichtet wird, und was man den dümmlichen, intellektuell verbrämten Fieberträumen von M.B. entnehmen kann. Wer das Land den Palästinensern weggenommen hat und sie seit fünfundsiebzig Jahren schikaniert, sie als Menschen zweiter Klasse behandelt und hinter einer 700 km langen Mauer einsperrt, der kann auch kein Mitgefühl mit der Not der Ukraine zeigen und der sagt unseren Intellektuellen nach dass ihre Worte so oft daneben liegen. Dieser Herr liegt schon seit einigen Jahren mit seinen Worten daneben, ebenso wie der Staat Israel, das gelobte Land, wo man gegebene Versprechen (Camp David ) nicht einhält und das Recht mit Füssen getreten wird.

Wer seinen Beitrag mit < Ein bisschen Frieden < überschreibt der ist fürwahr mitten im Krieg ein Friedensidiot, der nicht verstanden hat dass es nicht ein bisschen Frieden gibt und auch nicht ein bisschen Krieg, sondern Krieg oder Frieden. Es werden Fakten verdreht, und honorable Personen werden so ganz nebenbei im Übereifer denunziert. Und genauso wie Wladimir Putin mit seinem Krieg im Unrecht ist, so ist es der wegen Bestechlichkeit, Betrug und Untreu in zwei Fällen beschuldigte Premierminister des Unrechtsstaates Israel. Beide sind ewig gestrige deren Zeit hoffentlich bald zu Ende geht. – Gert Besner

 


 

 

Leserbriefe zu „Möchten Sie hier wohnen?“ von Andreas Englisch

 

Sehr geehrte Damen und Herren, mit großem Interesse und Erstaunen las ich den oben genannten Artikel. Während sich in Deutschland der Synodale Weg um Entscheidungen des Papstes müht, geht dieser wieso oft publikumswirksame Wege der scheinbaren Kirchenerneuerung, Neidinstinkte aktivierend. Es klingt natürlich großartig, dass mächtige Kirchenfürsten entsprechende Mieten zahlen sollen . Aber die Unfähigkeit der Kardinäle, diese Mieten zu zahlen, liegt auf der Hand angesichts der bekannten Einkommens. Werden also im Hintergrund Menschen mit Interesse an ganz bestimmte Richtungen in der Kirchenentwicklung die Zahlungen übernehmen und so Intransparenz befördern? Oder werden sehr reiche Menschen mit möglicherweise zweifelhafter Provenienz ihres Reichtums in diesen Traum -Wohnungen residieren dürfen und was bedeutet die Unterbringung von Vatikan- Mitarbeitern an der Peripherie, etwa für die Effizienz der Kurien-Verwaltung? Verdrängen Kardinale andere Römer? Außerdem sorgt dieses Thema wohl auch dafür, dass die Kirche sich mit sich selbst und nicht mit ihrem Auftrag beschäftigt. – Bernhardine Büscher- Kahl

 

Zu Ihrem Artikel „Möchten Sie hier wohnen?“ wäre auch die Information interessant, welche Immobilie Franz-Peter Tebartz-van Elst als „Kurienbischof in Rom und Apostolischer Delegat im Dikasterium für die Evangelisierung“ bezogen hat. – Georg Hüsing

 

Die Beschreibung des Immobilienbesitzes im Vatikan mit den äußerst großzügigen Mietbedingungen für Bischöfe etc. zeigt sehr deutlich, welche Möglichkeiten die katholische Kirche hat, ihre christlichen Werte zu leben und z. B. Flüchtlingen und Obdachlosen zu helfen. – Michael Weber

 

Schön zu hören, dass auch reiche Kleriker im Vatikan jetzt Miete zahlen müssen, und es für sie keinen Hummer im Laden um die Ecke mehr gibt. Dass der Papst sich bei der Zuweisung von (Luxus-) Wohnungen nicht an bestehende Regeln hält – wen wundert‘s angesichts der feudalistischen Struktur der kath. Kirche. Solche Hofberichterstattung aus dem Vatikan bedeutet allerdings gleichzeitig ein ohrenbetäubendes Schweigen zum festen Willen Roms, die Strukturen nicht zu anzutasten, die ständig zu einer (gegenüber dem Rest der Gesellschaft) erhöhten Rate von sexuellen Misshandlungen von Kindern führen: die durch das Zwangszölibat angestrebte Asexualität der Priester, ihre unumschränkte Macht im Apparat, und dass die Täter von der Kirche häufig vor staatlicher Strafverfolgung geschützt werden. Ich bitte um angemessenere Berichterstattung zur kath. Kirche! Und falls es da frustrierend wenig zu berichten gibt, was ja durchaus sein kann, angesichts der Macht der kath. Kirche – es gibt ja auch noch evangelische Christ*Innen und Muslim*Innen, die glauben und zweifeln! – Eberhard Schmiedeke

 


 

 

Leserbriefe zu „Wie viel Zauber braucht der Wald?“ von Johannes Mitterer

 

Der jährliche Waldzustandsbericht in Deutschland zeigt, daß die Waldschäden nicht allein der Borkenkäfer verursacht, der Klimawandel , die Dürre und Stürme vernichten die Baumbestände erheblich. Die Selbstheilungskräfte des Waldes stößt an seine Grenzen. Wir haben nicht nur einen Erholungswald, sondern ca 50% sind ein Wirtschaftsgut der Waldbesitzer um daraus ein Einkommen zu erzielen. Der Wald kann nicht zaubern, um zu überleben, er braucht den Menschen, um zu überleben. Der Mythos Wald gehört den vielen Kinder -Märchen längst der Vergangenheit an. – Thomas Bartsch Hauschild

 

Der Autor schneidet kurz eine Frage an, die ich mir seit einiger Zeit stelle: Ob der (deutsche) Wald all den an ihn gestellten Anforderungen gerecht werden kann. Förster Scheel bejaht das mal eben so – und für seinen eigenen Wald mag er vielleicht Recht haben. Ob das auch übergeordnet stimmt, darüber hat bestimmt schon mal jemand geforscht, dazu würde ich gerne etwas bei Ihnen lesen: Einerseits wollen wir Holz verstärkt nutzen, andererseits kämpft der Wald vielerorts wegen des Klimawandels ums Überleben. Die vielerorts nicht dem örtlichen Klima angepassten Nachkriegs-Fichtenplantagen fallen dem Borkenkäfer zum Opfer und Waldbrände dezimieren ihn. Solange wir die Fichten (zwangsweise) abernten, haben wir eine Menge Holz – aber wenn sie z. B. durch eher dem Standort angepasste Buchen ersetzt sind? Wie kann die Holz-Bilanz langfristig aussehen? Sind wir zur Zeit Netto-Importeur oder -Exporteur und wie wird sich das voraussichtlich entwickeln? Sollen wir möglichst viel Holz verbauen, um das Gebundene CO2 dem Kreislauf zu entziehen, oder können wir uns das nicht leisten? – Joachim Schneider

 

In Ihrem Artikel beschreiben Sie einen Betrieb, der einzelne Bäume erntet und keine Kahlschläge durchführt, der mit Pferden und nicht mit rießigen Maschinen, die den Boden verdichten, arbeitet, der Bäume unter Schirm und nicht auf Kahlschläge in der prallen Sonne pflanzt und der klimangepasst Baumarten und keine Fichtenmonokulturen pflanzt. Aber leider ist das bei weitem noch kein Standard, es gibt viele Betriebe die ganz anders wirtschaften. Deshalb ist die Arbeit von Herrn Wohlleben so wertvoll, der in der Bevölkerung ein Bewusstsein dafür schafft, wie eine nachhaltige Forstwirtschaft funktioniert. Des weiteren geht es keineswegs darum, den Wald komplett still zu legen. Holz ist ein wichtiger Rohstoff für die klimaneutrale Zukunft. Aber man sollte ihn nicht zu stark nutzen und dem Wald auch Flächen geben, in denen er nicht bewirtschaftet wird. Wenn man bedenkt, dass wir von Brasilien fordern, einen Großteil der Landesfläche nicht zu nutzen, sollte es in Deutschland möglich sein, z.B. 10 % der Fläche der Natur zu überlassen. – Andreas Euba

 

Mit Interesse habe ich Ihren Artikel gelesen, auch Ihre Kritik an dem SPIEGEL-Bestseller DAS GEHEIME LEBEN DER BÄUME von Peter Wohlleben. Man kann ja gespannt sein, wenn DIE ZEIT so etwas kritisiert. Ich hatte vorher diesen Seller gelesen, nichtsahnend. Zum Glück gibt es ja DIE ZEIT! Vorhin habe ich nun das Kapitel DIE SPRACHE DER BÄUME auf seine Quellenangaben studiert – oh Graus!! Es sind ja 6!!! Quellen für die Aussagen von Peter Wohlleben angegeben. Im gesamten Buch sind 58 Quellen angegeben Vielleicht tun Sie das, Herr Mitterer. Einer einzigen von Wohllebens Aussagen und Quellen zu Vorhandensein und Funktion des Pilze-Netzwerkes widersprechen Sie – in Ihrer Darstellungsweise wirken alle anderen auch zweifelhaft. Über andere Quellen schreiben Sie nichts. Ich werde Wohllebens Quellen aber nicht auf ihre Stichhaltigkeit prüfen, da ich kein Biologe oder ähnliches bin. Vielleicht tun Sie das, Herr Mitterer. Die „Vermenschlichung“ der Bäume ist von Wohlleben ja wohl nur benutzt, um das Beziehungsgefüge im Wald verständlich zu machen. – Walther Moser

 


 

 

Leserbriefe zum Reisespezial

 

Schöne Idee, die Erinnerungen an eine erste große Reise. Und wieder mal sind Westdeutsche unter sich und traulich vereint. Weil ja offenbar die Ostdeutschen ohnehin nicht reisen konnten – und wenn, dann bestenfalls mit dem FDGB an die Ostsee oder mit Intourist in „Freundesland“ oder was sich sonst noch hartnäckig als ostdeutsches Klischee halten mag. In Wirklichkeit aber sind die schönen wie die gruseligen Reiseerfahrungen von Ostdeutschen vor und nach 1989 noch lange nicht auserzählt und ein durchaus spannendes Sujet. Wenn man sie denn – die Erfahrungen wie die Ostdeutschen gleichermaßen – auf dem Schirm hat und immer auch mitdenkt. In der Wahrnehmung der journalistischen Realität indes obsiegt denn leider auch im Qualitätsblatt aus Hamburg zumeist eine Optik, in der der ostdeutsche Leser so etwas wie westdeutsche Alltagsarroganz zu erkennen meint. Nicht etwa als Vorwurf von Böswilligkeit, sondern ganz einfach als die Wiederkehr einer seit Generationen gelebten und bewährten Weltsicht, die nach 1989 mal kurzzeitig etwas durcheinander geraten war. Wie ja selbst die Tagesschau jüngst allen Ernstes behauptete, Frauen hätten „in Deutschland“ bis 1977 nur mit Zustimmung des Partners arbeiten durften: Selten so gelacht! – Thomas Bickelhaupt

 

Selten habe ich mich beim Lesen so amüsiert, wie bei Ihrer Beilage “ Weisst du noch…“

Herzlichen Dank – Joachim Krainz

 

Puh! Da ich die ZEIT immer komplett lese, muss ich mich jetzt noch durch Ihr völlig überflüssiges Reisespezial kämpfen. Ich bin wirklich froh, dass es fast zur Hälfte aus Anzeigen besteht. Eventuell ist der Greyhound-Artikel noch zu irgendetwas nutze. Flugscham alleine reicht nicht. Die Menschheit sollte lieber eine Reisescham entwickeln.

Aber bald ist ja wieder Buchmesse in Leipzig. Dazu gibt es dann hoffentlich wieder eine Ihrer wesentlich interessanteren Literaturbeilagen. Per Buch kann man viel einfacher reisen: Nicht nur rund um die Welt, sondern auch durch alle Epochen, selbst zukünftige.

Wer ansonsten keine Probleme hat: Beim Reisen wird er gut damit versorgt. Ehemalige Freunde auf irgendwelchen klitzekleinen Pazifikinseln aufspüren, sich mit Leuten auf Hindi „unterhalten“ und dabei sein Leben im lärmenden indischen Straßenverkehr aufs Spiel setzen. Das größte Abenteuer überhaupt: Die Deutsche Bahn! Von einem US-Polizisten beinahe erschossen werden. (Wozu führt man eigentlich ein Tagebuch, wenn das den Erinnerungen auch nicht mehr auf die Sprünge hilft? Coca-Cola veranstaltet übrigens auch in Deutschland Tage der offenen Tür, wo man die Produkte umsonst genießen kann, dafür muss ich nicht extra nach Atlanta fliegen. Die speziellen US-Sorten müsste es mittlerweile auch per Netz zu bestellen geben.) Von belarussischen Grenzsoldaten beinahe erschossen werden. (Das „Unbekannte“ erwartet einen manchmal schon im Nachbardorf, nicht nur im Baltikum.) Als Kontrast dazu dann eine völlig ereignislose Reise nach Sardinien.

London kenne ich selber. Meine einzige Auslandsreise (abgesehen von einem kurzen Butterreisenaufenthalt mit meinen Eltern aus steuerrechtlichen Gründen in Dänemark). Notgedrungen. Leistungskurs Englisch. Unter anderem Carnaby Street: Damals schon völlig überteuert, heute garantiert noch viel heftiger. Rave gab es damals noch nicht oder nur in Ansätzen, hätte mich aber auch nicht interessiert, selbst wenn dafür genügend Zeit gewesen wäre. Die Disco in Margate, wo wir stationiert waren, war schlimm genug. Vor Nagelbombern hätte ich keine Angst, eher vor Messer- und Säureattacken.

Viel Spaß auch in Finnland an der Grenze zu Russland! Der Schutzwall gegen Putins Sowjetfaschisten muss ja erst noch errichtet werden. Barcelona? Die Hitzerekorde in Deutschland reichen wohl nicht aus? Nee, wozu der ganze Quatsch? Brauch ich alles nicht. Kann ich gut drauf verzichten. – Thomas Manthey

 


 

 

Leserbriefe zu „Es brennt!“ von Martin Nejezchleba

 

Was bei dieser causa wundert, ist das der „Tatort“, das Finanzamt in Ribnitz-dammgarten ist. Nach solider Auskunft von Steuerberatern in Mecklenburg-Vorpommern ist dieses Amt bekannt für seine „Pingeligkeit“, wenn es um Steuererklärungen der Bürger geht. Das gerade da ein „geistiger Blackout“ vorgekommen ist, das ist höchst wundersam. – Detlef Rilling

 

Warum sendet man eine ausgedruckte Steuerklärung mit der Bitte von der Schenkungssteuer aus Klimaschutzgründen befreit zu werden an das Finanzamt? Das Klima würde sich über eine elektronisch übermittelte Steuererklärungen freuen!” – Oliver Wedlich

 

Das kann doch wohl nicht wahr sein! Eine Steuerbeamtin verbrennt versehentlich Steuererklärungen!! Und wo bitte sind die geschrieben worden? Und gespeichert worden? Die muss man doch jederzeit bei dem abrufen können, der die Erklärung abgegeben hat. Aber auch beim Finanzamt müsste diese noch als Datei vorhanden sein, da die meisten, insbesondere die wichigsten Steuererklärungen gleich nach Eingang gescannt oder schon mit dem Einreichen per USB-Stick oder SD-Karte abgegeben werden! Das Verbrennen würde daher nichts nützen! Oder will man die Erklärung gar nicht haben! – Wolf Günther 

 


 

 

Leserbriefe zu „Mit dem ersten Schrei“ von Martin Spiewak

 

In diesem wissenschaftlich anmutenden Artikel heißt es: „Sicher spielen unsere Erbanlagen eine bedeutende Rolle … Als ebenso einflussreich zeigen sich die Verhältnisse in denen Kinder aufwachsen – und zwar umso mehr, wenn diese von Armut, fehlender Anregung oder gar Vernachlässigung geprägt sind.“ Das bedeutet, die Gene reicherer Kinder haben weniger Einfluss, als die von ärmeren Kindern? Da fragt man sich sofort, woher die Gene das wissen und ob sich die Gene verändern bei einem Wechsel von Armut zu Reichtum oder umgekehrt. Des Weiteren drängt sich die Frage auf, weshalb Eltern ärmerer Kinder diesen Vorteil nicht nutzen und ihre Kinder zum Lernen, Denken und Sprechen anregen. – Constanze Lenk

 

Reich sein ist auch nicht leicht. Was ist eigentlich reich? Eine halbe Million oder eine oder zwei zu besitzen? Ich bin nicht reich reich, doch wohlhabend und gebildet genug, um einen entsprechenden Habitus ausstrahlen zu können. Das ist selbstredend nicht nur eine Lust, sondern allzu oft auch eine Last. Mein Leben ist derartig perfekt und diszipliniert organisiert, dass von anderen Milieus nicht nur neidische Blicke dahergesegelt kommen, sondern auch bemitleidende. Ich bin von morgens bis abends mit sinnvollen, nachhaltigen, gesundheitsfördernden Handlungen beschäftigt. Ich bemühe mich darum, ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft zu sein. Und das ist anstrengend.

Es ist äußerst ungerecht. Mein Bemühen, diese tägliche Anstrengung, seit meiner frühesten Kindheit wird im besten Fall nicht anerkannt, im schlechtesten Fall mir einfach abgesprochen, wegen meiner wohlhabenden, gebildeten Eltern Ein Geschenk quasi. Ha, sehr witzig! Jeder Mensch wird von jeglicher Eigenverantwortung erlöst. Wer wohin gelangt ist eben Elternhaussache und die Individuen können da nur wenig tun. Menschen haben eben Glück oder Pech. Das zieht sich über alle Lebensbereiche von Bildung und Erziehung zu Ernährung und Fitness, über Gesundheit, Beruf, Beziehungen und Freizeit. Kein Mensch würde darauf kommen mich für meine vorbildliche Lebensweise zu loben. Dabei hätte ich das wirklich verdient. Natürlich ernähre ich mich vorbildlich gesund. Fleisch zu essen verbietet sich, da das nicht nur tierverachtend ist, sondern auch massiv klimaschädlich. Und Fleisch braucht kein Mensch. Ein paar andere Lebensmittel habe ich ebenso komplett von familiären Speiseplan gestrichen: Süßigkeiten, Fast Food, Fertiggerichte und Alkohol (nur zu extrem besonderen Anlässen). Ja, würde ich auch gerne mal essen, so ein kleines Stück Schokolade oder eine Tüte Chips. Ein Bier zum Feierabend. Gibt’s nicht! Mein Körper ist mein Tempel und ist es wert, mit den bestmöglichen Nahrungsmitteln versorgt zu werden. Kein Bad Food. Niemals nie.

Meine Nachbarn, wie auch immer die es in meine Wohngegen geschafft haben, stopfen alles was einen kurzen Genuss verspricht und möglichst fett- und kalorien- oder alkoholhaltig ist in sich hinein und sagen auf mein Stirnrunzeln: „Wir genießen das Leben und uns ist es egal, ob wir dafür ein paar Jahre kürzer leben.“ Na toll, aber wer bezahlt die Krankenhausrechnungen zuvor? „Riskante Lebensstile haben kurzfristig positive, verstärkende Wirkung von Genuss und Spaß und erzeugen positive Gefühle, die sozial geteilt werden“, so Ines Heindl in „Ernährung, Gesundheit und soziale Ungleichheit“, ein Text herausgegeben der Bundeszentrale Politische Bildung. Und weiter: „Weltweit scheinen Lebensstilanalysen zu bestätigen, dass Armut, niedriger Sozialstatus und Bildungsstand die Gesundheit der Menschen negativ beeinflussen.“ So ist es nicht weiter verwunderlich, dass wohlhabende Menschen etwa 5 Jahre länger leben. Ein Grund dafür dürfte sein, dass Reiche mehr Sport treiben und gesünder essen.

Mein Körper ist ein Tempel und braucht nicht nur das perfekte Input an Nahrung, sondern auch Bewegung, um fit und einigermaßen gut auszusehen. Fitness ist eigentlich wichtiger als Schönheit oder anderes ausgedrückt, ein trainierter Körper ist fast immer schön und hat eine starke selbstsichere Ausstrahlung. Das braucht Zeit, Energie, Willenskraft. Ich jogge durch Regen, Schneesturm und in der prallen Sonne. Wenn ich damit anfangen würde nach Witterung zu joggen, würde ich schnell aufhören. Außerdem mache ich Yoga, spiele Tennis und gehe schwimmen.

Einen kurzfristigen Nachteil auf sich zu nehmen, um langfristig Vorteile zu erwirken benötigt Disziplin. Und ich weiß es: Es macht nicht immer Spaß. Es gibt ein psychologisches Experiment aus dem Jahre 1972: Den Marshmallow-Test von Walter Mischel. Heute kann man sich diesen im Werbefernsehen anschauen. Mischel wollte ursprünglich herausfinden, welche Strategien Kinder verwenden, um eine Wartezeit zu überbrücken. Kinder sollten mit einer Süßigkeit vor der Nase warten und würden dann zwei davon bekommen, wenn sie es eine Zeitlang schafften. Und dann hat er entdeckt: Je länger die Kinder warten konnten, desto besser waren später die Kompetenzen im sozialen und schulischem Bereich und sie konnten gut mit Frustrationen umgehen.

Zu den Ergebnissen sagte der Studienleiter Dr. Mischel: “Wenn Sie mit Ihren Impulsen umgehen können, können Sie für den SAT lernen, anstatt fernzusehen, und Sie können mehr Geld für den Ruhestand sparen. Es geht nicht nur um Marshmallows.” Inzwischen muss mein Sohn Paul ständig irgendwo herumsitzen und auf irgendetwas warten. Gut für ihn und gut für mich. So ähnlich habe ich es auch gelernt. Man kann das übrigens auch mit Erwachsenen machen: Einfach mit einem 20,00 Euro Schein vor der Nase herumwedeln und sagen: „Nimm ihn jetzt gleich, oder du bekommst in einem halben Jahr 50,00 Euro.“

Beim Joggen kommt auch meine Jogginghose zum Einsatz, was ansonsten ein Tabu ist. Ich finde bequeme Kleidung auch bequem, doch möchte ich meinen Mitmenschen das nicht zumuten. Sie sind es wert, ein adrettes und gepflegtes Äußeres zu betrachten, deshalb stehe ich früh auf, mache mich zurecht. Während andere Mütter auf dem Spielplatz auf ihre Handys starren und sich damit begnügen ab und zu quer über den Platz Anweisungen oder Drohungen im Kasernenton zu brüllen, hocke ich neben meinem Kind im Sand, spüre den Bedürfnissen von Paul sensibel nach, wieviel Abstand, wieviel Nähe benötigt wird, unterstütze bei der Kommunikation und bei Konflikten um leuchtend rote Schaufelbagger, erkläre nebenbei ein paar physikalische Gesetzmäßigkeiten zur Schwerkraft und spende einen Teil unseres Trinkwassers für lehrreiche Sand-Wasser-Gemisch Experimente. Wir reden über Vergangenes und Zukünftiges sowie imaginierte Vorstellungen. Ich rede, nicht nur mit Paul, sondern beziehe auch andere Kinder mit ein, deren Mütter in weiter Ferne Tetris spielen, weil ich natürlich auch in sozialer Hinsicht ein Vorbild bin. Mit Schwierigkeit unterdrücke ich den Wunsch anschließend bei den Frauen und sehr wenigen Männern mit einem Hut rumzugehen, weil sie meine Bildungseinheit für deren Kinder, wenn sie die schon nicht mit Worten würden, wenigstens dafür bezahlen sollten. Ich bin keineswegs überbehütend. Ich ziehe mich selbstverständlich auch zurück und beobachte die Situation weiter aus der Ferne. Alle möglichen weiteren Aktivitäten bauen auf diese wertvollen Beobachtungen auf. Was kann mein Sohn? Wie löst er Probleme? Was bereitet ihm noch Schwierigkeiten? All das sind wertvolle Informationen, um ihn zielgerechtet unterstützen zu können. Vor allen Dingen reden wir. Wir benennen das, was wir sehen, fühlen oder hören, verbalisieren Gefühle und Bedürfnisse.

Eltern bildungsferner Milieus sprechen mit ihren Kindern 616 Wörter in der Stunde. Bei der oberen Mittelschicht sind es 2153 Wörter. (Nach Betty Hart und Todd Risley. Sie haben 1995 in den USA eine bis heute wegweisende Langzeitstudie zur Eltern-Kind-Kommunikation vorgelegt). Hochgerechnet bedeutet dies: Im Alter von drei Jahren haben Kinder in bildungsfernen Familien bis zu 30 Millionen Wörter weniger gehört als Gleichaltrige aus sozial besser gestellten Familien. Auch ihr aktiver Wortschatz ist mitunter nur halb so groß. Das hat Folgen, die das für das ganze weitere Leben Auswirkungen haben. Eine Kindergartenstudie mit 550 Kindern aus 97 Kindergärten in Bayern und Hessen gezeigt, dass sprachlich gut entwickelte Kinder als Spielpartner begehrter sind als andere, dass sie sich weniger aggressiv gegenüber den anderen Kindern verhalten. Sie beruhigen sich auch schneller wieder, wenn sie nicht bekommen, was sie gerne möchten.

Also rede ich ständig mit Paul und Paul mit mir. Wir fahren mit dem Bus und reden, wir bereiten das Abendessen zu und reden, wir putzen uns die Zähne und reden. Es ist anstrengend, aber ich weiß, dass dies ein entscheidender Schlüssel zum Erfolg im Leben ist. Natürlich besucht Paul einen Kindergarten. Zum einen, weil ich arbeite, zum anderen weil es sinnvoll ist, dass Paul verschiedene Menschen, Kindern und Erwachsenen kennenlernt und sich auf sie einlassen muss, Freundschaften schießen kann, sich mit anderen Regelsystemen, Werten und Gepflogenheiten auseinandersetzt. Gleichzeitig ist der Kindergartenbesuch ein Balanceakt. Die Erzieher*innen haben in der Regel ein niedrigeres Bildungsniveau als ich. Und auch nicht alle anderen Kinder stammen aus wohlhabenden, bildungsnahen Familien. In fast ganz Europa sind die Frühpädagog*innen akademisch gebildet. In diesem Land nicht. Schade. Davon würden klar alle Kinder profitieren.

Bei allem Gewinn, den der Kindergarten bringt ist der Besuch auch mit unschönen Nebenwirkungen verbunden, was bedeutet, Paul bloß nicht zu lange, nicht zu viele Stunden im Kindergarten lassen. Ausdrücke, deren Bedeutung von den Kindern noch gar nicht erschlossen werden und nur wegen ihrer Wirkung verwendet werden, destruktive Formen der Konfliktlösung, unakzeptables Verhalten beim Essen, werden vom Kindergarten in unsere heile Familienwelt mitgebracht und ich habe allerlei zu tun um das wieder auszubügeln.

Jede Alltagshandlung, ganz gleich ob Kindergartenbesuch, Mahlzeiten, Freizeitgestaltung … Immer bespreche ich alles mit Paul und beziehe ihn so gut es geht in Entscheidungen ein, die wir nach Möglichkeit gemeinsam treffen. Da kann eine Diskussion um Schuhwerk schon mal gute 20 Minuten dauern. Und es kommt vor, dass ich mich darauf einlasse, dass er mit den luftigen Sommersneakers im Schneesturm vor die Tür geht, unter der Bedingung, dass wir die Winterstiefel und ein paar Ersatzsocken zusätzlich mitnehmen. Weil so etwas wichtig ist und immer passieren kann, kalkuliere ich immer jeden Morgen 20 Minuten Zeitpuffere ein. Ich will nicht aus Zeitdruck Paul zu etwas zwingen. Also stehe ich 20 Minuten früher auf.

Während man in Mittelschichtfamilien einen Wandel vom permissiven zum autoritativen Erziehungsstil beobachten kann, sind in Familien aus der Unterschicht zwei Stile vorherrschend: ein autoritärer und einer, den Maccoby/Martin (1983, S. 39) als »neglecting, ignoring, indifferent, univolved« (vernachlässigend) bezeichnen. Jeder Mensch ist gleich viel wert, da jeder Mensch, einfach weil er ein Mensch ist, von Anfang an Menschenwürde besitzt. Das gilt für alle Menschen und kann niemanden genommen werden. Es gilt für Kinder, für Menschen mit einer Beeinträchtigung, für Verbrecher und Diktatoren und sogar für den alten weißen Mann.

Gleichzeitig sind die Menschen nicht gleich. Es gibt Unterschiede in Größe, Geschlecht, Intelligenz, Vorlieben, Kompetenzen und vieles mehr. Außerdem verändern sich manche dieser Merkmale auch. Meistens ist es so, dass Menschen, die mehr Kompetenzen und Wissen haben in Berufen arbeiten, in denen sie mehr Verantwortung tragen und deshalb mehr Geld verdienen. Wer über mehr Kompetenzen und Wissen verfügt, hat in der Regel mehr Zeit, Energie und oft auch Geld investiert, um dies zu erlangen. Oft wird davon gesprochen, das Geld sollte gerechter verteilt werden. Sollte also ein Chirurg das Gleiche verdienen, wie ein Krankenpfleger? Die Managerin eines Automobilkonzerns das Gleiche wie eine Arbeiterin am Band? Sind Gehaltsunterschiede gar nicht gerecht, da es psychosoziale Gründe gibt, die hier eine Rolle spielen? Wer schlecht in der Schule ist oder war, kann offenbar selber gar nichts dafür, da vielleicht das Elternhaus nicht in der Lage war oder ist zu fördern, vielleicht sind auch die Gene nicht pfiffig genug.

Eigenverantwortung wird grundsätzlich abgelehnt. Reichtum oder Armut haben offenbar nichts mehr damit zu tun und dies entspringt dem Zufall. Die Nationale Armutskonferenz, ein Zusammenschluss der fünf großen Wohlfahrts-Verbände Deutschlands und der Gewerkschaft, bezeichnete den Begriff „bildungsfern“ als diskriminierend, da er die Schuld den Betroffenen zuschiebe. Man solle lieber von „vom Bildungswesen nicht erreichten Personen“. Aber spricht man diesen Menschen so nicht gleichzeitig ab, dass sie selber in der Lage sind sich ein besseres Leben zu schaffen? Wer ist also für die vom Bildungswesen nicht erreichten Personen verantwortlich zu machen? Die Gene oder die Umwelt?

Wissenschaftlich sind klaren Trennungen zwischen genetischen und Umweltfaktoren längst überholt, da sich beides gegenseitig beeinflusst. Und dort gibt es auch noch den 3. Faktor: Die Selbststeuerung. Es gibt immer wieder Menschen, die sich einfach nicht im Sinne ihrer Gene oder ihrer Umweltfaktoren verhalten möchten. Selbststeuerung bezeichnet alle Kräfte, mit denen das Individuum als aktives Wesen von sich aus Entwicklungsprozesse herbeiführt und seine Entwicklung beeinflusst.

Ömer Bekar meint, Menschen mit der Fähigkeit der Selbststeuerung haben die Möglichkeit, Emotionen nicht nur zu erfassen, sondern auch bewusst und differenziert wahrzunehmen, können sich selbst aus einem objektiven Blickwinkel heraus betrachten, können ihr eigenes Verhalten an gestellten Zielen ausrichten, haben die innere Gelassenheit, auch in Krisen- und Stresssituationen gelassen und überlegt zu agieren. Kann man das lernen? Ja, habe ich mühsam gelernt. Und Paul lernt es auch. Laut Hansjörg Neubert, ehemals Professor an der Freien Universität Berlin, sind für den Schulerfolg folgende Faktoren bestimmend: 40 %: Intelligenz, 30 %: Ausdauer und Fleiß, 20 %: Qualität des Unterrichts, 10 %: übrige Faktoren, neben dem Elternhaus zählen dazu auch die Belastbarkeit und sogar das Aussehen.

Freizeit. Freizeit? Über Zeit verfügen, mit der man anstellen kann, was man möchte. Lustig! Das gibt es in meinem Leben nicht. Das Bemühen körperlich, sozial und geistig fit zu bleiben nimmt neben all den anderen Habituserhaltungsmaßnahmen einen großen Platz ein. Vor dem Computer mit Netflix-Serien abhängen und sich nebenbei Tiefkühlpizza reinpfeifen? Gibt es nicht. Ein Fußballspiel besuchen mit einer Dose Bier in der Hand? Gibt es nicht. Am Handy rumdaddeln und sinnfreie Spiele spielen oder ebensolche Kurzvideos anschauen? Niemals.

Stattdessen geht es in meiner Freizeit um Bildung im Sinne von Wilhelm von Humboldt, Philosoph und Reformer des Bildungswesens im Sinne des Neuhumanismus, so um 1800. „Bildung bedeutet die Anregung aller Kräfte eines Menschen, damit diese sich über die Aneignung der Welt in wechselseitiger Ver- und Beschränkung harmonisch-proportionierlich entfalten und zu einer sich selbst bestimmenden Individualität oder Persönlichkeit führen, die in ihrer Idealität und Einzigartigkeit die Menschheit bereichert.“ Jede Minute wird sorgfältig genutzt. Kompetenzen werden erhalten und erweitert. Das Bedeutet: Aktuelle Bücher zu aktuellen Themen oder Bildungsklassiker lesen, sich keinesfalls auf Schmalspurinformationen aus dem Netz verlassen. Und aktuelle kulturelle Veranstaltungen besuchen. Das ist nicht nur wichtig, um sich gründlich über die aktuellen Themen dieser Welt zu informieren, sondern auch, um als kompetente Gesprächspartnerin auftreten zu können. Ein Musikinstrument spielen. Dies ist eine Maßnahme der Psychohygiene. Es lässt den Stresslevel sinken und stimuliert gleichzeitig das Hirn. Soziale Kontakte zu pflegen, dient nicht nur kommunikativen Bedürfnissen und den Bedürfnissen nach Nähe und Mitmenschlichkeit, es hilft auch dabei den eigenen Standpunkt zu verorten und gegebenenfalls zu korrigieren. Außerdem ergibt sich so ein Training sozialer Kompetenzen: Zuhören, Hilfe leisten, Empathie,

Das klappt nur mit sorgfältig ausgewählten Kontakten und einem gewissen Bemühen für einen sinnvollen Verlauf der Beziehung und jedes einzelnen Treffens. Dazu gibt es noch ehrenamtliche Tätigkeiten. Im Moment kann ich mir nur eine leisten, doch das ist mir wichtig: Ich bin Leselernhelferin und unterstütze ein Kind einmal in der Woche beim Lesen und Sprechen. Es fühlt sich nicht nur sinnvoll an, ich möchte auch einen Beitrag leisten, damit die Gesellschaft eine bessere wird. Warum nur sind es hauptsächlich wohlhabende Menschen, die ehrenamtlich tätig sind?

Mit Sport, Aufenthalten in der Natur und aktiver Entspannung wird der Rest aufgefüllt. Jede Minute, jede Stunde, jeden Tag, jeden Monat. In der Freizeit geht es nicht um Spaß, es geht um nachhaltige Persönlichkeitsentwicklung. Wer gut verdient, ist außerhalb des Jobs deutlich aktiver – auch ehrenamtlich. Ärmere Leute ruhen sich öfter aus. Häufig ist das passiver Medienkonsum. Die BAT-Stiftung für Zukunftsfragen in ihrem „Freizeit-Monitor 2015“. „Wohlhabende treiben auch mehr Sport und engagieren sich häufiger ehrenamtlich und haben auch öfter Sex.“

So sieht mein Leben aus. Wer möchte mit mir tauschen? Niemand? Okay. Habe ich mir gedacht, aber gebt mir wenigstens ein wenig Anerkennung. Doch … und ich schließe mit Humboldt: „… gewiß ist es fast noch wichtiger, wie der Mensch das Schicksal nimmt, als wie sein Schicksal ist.“ – Bettina-Christin Lemke

 

Artikel wie diese vermitteln den Anschein, dass Eltern, die sich nicht bereits unmittelbar nach der Geburt bei allerlei Spezialärzten um die kognitiven Leistungen ihres Kindes bemühen, demselbigen die Zukunft verbauen. Grundlage dieses Gedankenprozesses ist die Annahme eines stetigen Wettbewerbs, der sich nun auch auf die Jüngsten unserer Gesellschaft ausweitet und sie dem Leistungsgesetz verpflichtet. Unreflektiert wird davon ausgegangen, dass es das Beste für jedes Kind sei, bereits möglichst früh bewertet, kategorisiert und gezielt gefördert zu werden, um anschließend bessere Leistungen erzielen zu können. Als Gesellschaft müssen wir uns dringend die Frage stellen, nach welchen Werten wir die zukünftigen Generationen erziehen möchten. – Florian Modrow

 


 

 

Leserbriefe zu „»Der Zwischenwirt wurde längst gegessen«“. Gespräch mit Fabian Leendertz geführt von Harro Albrecht

 

Ich habe schon vor längerer Zeit ein Buch einer Dame namens Aina Chan (The Search for the Origin of COVID-19) gelesen, das sich sehr ausführlich mit den verschiedenen Theorien zum Ursprung des Coronavirus befasst. Chan schreibt dort unter anderem, dass ausgerechnet der Leiter der WHO-Untersuchungskommission, deren Mitglied Ihr Interviewpartner war, auch Leiter eines großen Programms zur Erforschung des Pandemiepotenzials von Coronaviren war, das auch Arbeiten des fraglichen Labors in Wuhan förderte. Ich würde mir wünschen, dass die ZEIT angesichts der Tragweite der Ereignisse auch solche Aspekte recherchiert und vor allem in einem solchen Interview mit einem Mitglied dieser Kommission zumindest einmal nachfragt. Das ganze Thema schreit geradezu nach einer Untersuchung von Interessenskonflikten bei der Aufarbeitung. Wäre das Virus wirklich aus einem Labor entwichen, stünde nicht nur der Ruf Chinas auf dem Spiel, sondern auch gewaltige Forschungsgelder und Karrieren, und zwar eben nicht nur in den USA. Die Möglichkeit, dass bei einem Großteil der Untersuchungen der Bock zum Gärtner gemacht wurde, ist also zumindest nicht ganz unplausibel. – Michael Molter

 

Mehrere Forscher haben erklärt, daß Sars-CoV-2 eine genetischen Re-Kombination des Coronavirus des Malaiischen Schuppentiers mit RaTG13 und seinem nächsten Verwandten- einer Fledermaus sei. Beide Wirtsarten leben aber Tausende Kilometer voneinander getrennt, so daß man sich zurecht fragt, wie die zusammengekommen sind…. Sars-CoV-2 wurde in freier Wildbahn noch nicht gefunden, – Fritz Junghans

 

Herr Leendertz sagt, dass „wir Menschen nicht gut mit Wahrscheinlichkeiten umgehen können.“ Ich denke, da sollte er sich selbst aber nicht ausnehmen. Er hält die Labortheorie für die am wenigsten wahrscheinliche. Ich frage mich aber, warum ein Coronavirus, welches seiner These nach überall auf der Welt auf den Menschen überspringen kann, sich ausgerechnet trotzdem gerade einen extrem seltenen Ort dafür aussucht, an dem sich ganz zufällig ein seltenes Labor befindet, welches seltenerweise ganz zufällig genau mit diesem Virus arbeitet. Also, wie wahrscheinlich ist das denn? – Martin Krivacek

 


 

 

Leserbriefe zu „CASUS KNACKSUS“ von Anna Mayr im ZEIT Magazin

 

Liebe Frau Mayr, wenn ich Sie richtig verstehe, ist die Kaufkraft heute im Vergleich zu den Neunzigerjahren um 20 bis 30 Prozent gestiegen. Die Menschen könnten sich also mehr leisten, als früher. Aber sie tun es nicht, weil „da Kosten dranhängen, die nicht auf dem Preisschild stehen, Kohlendioxid, Artensterben, Kolonialismus.“ Oder anders ausgedrückt: Man schränkt sich ein, weil sonst das Gewissen plagt. Sollte das tatsächlich der Fall sein, hätte ich einen pragmatischen Lösungsvorschlag:

Die jungen Leute geben weniger für neue Turnschuhe, T-Shirts, Cheeseburger oder Reisen aus, dafür stecken sie das Geld in einen Bausparvertrag, eine Lebensversicherung, einen Aktienfond oder die Tilgung eines Baudarlehens. Das müssen sie sich dann nicht (wie die Eltern und Großeltern) „vom Munde absparen“, sondern können guten Gewissens umschichten vom Konsum in Investition. Angenehmer Nebeneffekt: Sie schaffen bleibende Werte (Haus, Wohnung) und haben auch noch was zu vererben.

Und noch eine Anmerkung: „Die Reichen“ gab es schon immer. Und deren Lebensstandard (besser Protz) gab es auch schon immer. Wenn schon die Unerreichbarkeit dieses Niveaus genügt, um zu demotivieren, nach dem Motto, eine Villa in München oder ein Loft in Hamburg plus Feriendomizil in Saint Tropez schaffe ich sowieso nicht, so klingt das wie eine wohlfeile Ausrede. Denn, wie Sie selbst schreiben: „Mit einem guten Einkommen ist eine Immobilie heute eigentlich leistbarer als noch vor 20 Jahren.“ Na dann mal los! Bei striktem Verzicht auf Kreuzfahrten, Städtetrips, trendige Sneakers oder Netflix-Abos ist der Kredit in 30 Jahren getilgt. Vielen Dank für den informativen Artikel, er könnte eine Motivation sein, Ihr Buch zu lesen. – Thomas Meichle

 

Danke, dass es endlich jemand ausspricht oder in diesen Fall treffender: schreibt. „Der Graben verläuft nicht zwischen den Generationen, sondern zwischen Arm und Reich.“ Und als Ergänzung der Hinweis darauf, das Vermögen kein Zufall, sondern politisch gewollt ist. Besser könnte man es kaum zusammenfassen. Die Idee, dass es „Wohlstand um jeden Preis“ heute nicht mehr geben sollte, macht Hoffnung auf die Zukunft. – Karola Nestele

 

Guten Abend Frau Mayr, wie Sie zu dem Schluss gelangt sind, die starken Boomergeneration hätte zum Berufseinstieg hervorragende Gehälter bekommen, haben Sie leider nicht erläutert. Das ist schon deshalb falsch, weil es eine pauschale Behauptung ist, es ist auch sachlich falsch und widerspricht vollkommen den Tatsachen. Hätten Sie auf der Webseite des Wirtschaftsministeriums einen Blick auf die Arbeitslosenzahlen der 80er-Jahre geworfen, dann wüssten Sie, dass wir damals 10% Arbeitslosigkeit hatten. Unter diesen Bedingungen wird wohl kaum jemand mit einem «hervorragenden Gehalt» eingestellt. Vermutlich haben Sie das mit der aktuellen Situation auf dem Arbeitsmarkt verwechselt. Mein letztes Lehrlingsgehalt betrug 832 Mark, mein Anfangsgehalt danach 1362 Mark. Was daran hervorragend sein soll, erschliesst sich mir nicht, wir waren alle nur froh, überhaupt eine Arbeit zu haben.

Tatsache ist, dass die meisten meiner damaligen Berufsschulkollegen Mitte der 80er-Jahre auch ein halbes Jahr vor dem Ende unserer Lehre noch nicht mal wussten, ob wir vom Lehrbetrieb überhaupt übernommen werden würden, und das galt für einige Folgejahrgänge genauso. Ich selbst musste dann ein halbes Jahr lang in der Leiterplatten-Fertigung im Akkord löten, obwohl ich ausgezeichnete Abschlussnoten hatte. Während der anschliessenden Wehrpflichtzeit beim Bund (die heute auch keiner mehr machen muss) hatte ich mir vorgenommen, alles zu tun, um von dort wegzukommen. Ich hatte auf meinen Rucksackreisen in Südamerika immer ca. 500 beidseitig bedruckte Seiten mit Informatik-Wissen zum Lesen dabei. Meine Jugendfreunde und auch jetzigen Arbeitskollegen haben nach Hauptschulabschluss und Schreinerlehre oder Ausbildung bei der Post die Hochschulreife nachgeholt, studiert und sich ebenso fortgebildet. Und auch heute noch sitze ich in der S-Bahn und bilde mich weiter, indem ich z.B. die „Zeit“ lese, anstatt auf dem Standard-Spielzeug der jüngeren Generationen die neueste Netflix-Serie zu schauen oder den neuesten Schminktipp der angesagtesten Influencer.

Wir hatten damals weder Fernsehen noch Telefon zuhause noch Handy noch Computer noch Internet. Wir Bauernkinder aus einem Dorf am Bodensee hatten nur den Willen, etwas aus uns zu machen, und dafür mussten wir uns wegen der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt ziemlich anstrengen. Vom Kuhstall in die Schaltzentralen des Internets: ich hab’s geschafft, viele andere meiner damaligen Freunde und Kollegen auch. Aber geschenkt bekommen hat keiner von uns etwas. – Andi Pfaff

 


 

 

Leserbriefe zu „Wie viel Champagner ist angemessen?“ von Anna-Lena Scholz

 

Der Artikel geht weit über den sachlichen Hintergrund hinaus und ist deshalb dankenswerterweise von einer zentralen Aussage. Er verweist auf die besondere Auseinandersetzung der „Geisteselite der Republik“ mit den politischen und gesellschaftlichen Repräsentanten. Dabei ist es kein Zufall, sondern eine zentrale Absicht dieses Zirkels, als „klandestine Gemeinschaft“ aufzutreten und wahrgenommen zu werden. Die errungene Exklusivität schützt sie vor berechtigtem Zweifel und Anpassungspflichten, weil weder in der Politik noch die Gesellschaft die Fähigkeit besitzen und deshalb auch kein Wille besteht, persönliche und institutionelle Überprüfungen vorzunehmen. Ganz perfide und dramatisch inflationär und dem „Champagnerclub“ dienlich ist die Entsorgung politischer Themen in staatlich geförderte Institutionen, auch weil sie damit aus elementaren politischen Handlungspflichten entlassen sind. Es bedarf schon eines „Betriebsunfalls“, die Scheinheiligkeit dieser Kaste und den Überfluss an vornehmlich akademischer Anmaßung zu enttarnen. Längst bedarf es unzähliger politischer Untersuchungsausschüsse, die Fragwürdigkeit und Zweifelhaftigkeit dieser politischen und wissenschaftlichen Scharlatanerie aufzuklären. Mein Gott, welches parteipolitische und akademische Gemetzel wäre da zu erwarten. – Jürgen Dressler 

 

In der Sub-Headline wird gefragt „Was ist passiert?“. Als Antwort erhält man die Mitteilung, dass der amtierende Geschäftsführer Marcel Lepper entlassen worden sei. Er wird beschrieben als „ehrgeizig, scharfsinnig, integer“, „auch als arrogant und ‘etwas schwierig‘“. Man hat sich also getrennt, und beide Seiten haben, wie üblich, ihre eigene Version darüber. Der Artikel endet mit dem Wunsch der Autorin, der abgelöste Geschäftsführer möge durch eine „überzeugende Führungspersönlichkeit“ abgelöst werden, was auch die Auffassung der Stiftung zu sein scheint, die Lepper „schlechtes Führungsverhalten“ als Grund für die Trennung vorhält.

Wo ist da die Story? Es ist normal, dass sich zwei Seiten nicht zusammen raufen können – dann trennt man sich halt. Allerdings stößt man bei der Suche nach der Story auf ein Hintergrunds-Geraune, dessen Ziel zu sein scheint, eine bei der Siemens-Stiftung „im Hintergrund … <ragende> braune Vergangenheit“ hervortreten zu lassen – also ein ganz anderes Thema. Der Stiftungsleiter seit 1964 Armin Mohler habe geplant, der Waffen-SS beizutreten, habe aber zugunsten eines Studiums davon abgesehen. In seiner Stiftungs-Amtszeit sei die Stiftung aus Sicht mancher Experten als „Kaderschmiede der Neuen Rechten“ zu verstehen. Als Leser versteht man unterm Strich, dass sich Mohler politisch rechts der virtuellen Mitte ansiedelte, man findet aber keinen Ansatz, der in irgend einer Weise den Begriff „braune Vergangenheit der Stiftung“ belegen würde.

Mohlers Nachfolger seit 1985, Heinrich Meier, sei „hochgebildet“ und „ausgezeichnet“ als Bücherschreiber, der „über die Jahre ein illustres Netzwerk“ erschaffen habe. Er scheint also ein Glücksgriff gewesen zu sein. Trotzdem unterstellt man ihm eine „rechte Vergangenheit“, weil er als Schüler in einer Schülerzeitung gegen den „linken und liberalen Zeitgeist“ geschrieben habe. Also immer noch kein Ansatz einer Story mit eigener Substanz. Es werden Stichworte wie „braun“ oder „SS“ oder „rechts-extrem“ in den Ring geworfen, die sich selbst in Luft auflösen, deren Odium aber konnotativ in der Luft bleibt. Kann so etwas ungewollt sein?

Dass in Stiftungen oder sonstwo Honorare bar ausgezahlt werden und gelegentlich Champagner getrunken wird, ist normal. Wichtig ist die Abrechnung gegenüber dem Finanzamt. Auch „Annehmlichkeiten“ sind dabei nicht verboten – wären „Unannehmlichkeiten“ wünschenswerter? Worum geht es also? Was ist denn nun die Story? Am Ende tendiert man zum Schluss, dass der Artikel dem Blasen-Narrativ derer folgt, die die Definitions-Hoheit darüber beanspruchen, was heute „höchste ethische und moralische Standards“ zu sein hätten, und dies möglichst breit in die Gesellschaft penetrieren wollen – auch in eine Stiftung wie die Siemens-Stiftung, die (zieht man Raunendes und Unterstellendes ab) nach Aussagen des Artikels recht gut zu funktionieren scheint. Man könne die Stiftung „professionalisieren“ und „evaluieren“ lassen. Dies kann sicherlich sinnvoll sein, wenn es nicht dazu führt, dass der Wasserkopf größer wird als die Substanz. Aber ist dies eine Story?

Im subtilen Sinne des Wortes vielleicht schon, sei angefügt. Denn nach solchen Artikeln setzen sich typischerweise die Betroffenen zusammen, und oft kommt als Ergebnis eine Appeasement-Strategie heraus. Man müsse manches anders darstellen und beispielsweise die Pressearbeit professionalisieren. Die meisten werden es als Ausdruck des zeittypischen Hangs nach Peripherie empfinden und hoffen, dass dabei die substantielle Qualität der Stiftung nicht leidet. Aber solche Leute sterben aus und über die Jahre oder Jahrzehnte kann es gut sein, dass die Gesellschaft uniform durchgetaktet ist – insofern läuft die Zeit für die Gesinnung der Autorin. – Kurt Schäfer

 


 

 

Leserbriefe zu „Was ich gern früher gewusst hätte“ von Sibylle Berg im ZEIT Magazin

 

Jetzt war die neue Serie „Was ich gern früher gewusst hätte“, schon mehrmals erschienen und die Probezeit ist vorbei. Es irritiert mich, dass die Antworten auf die Frage „Was hätten Sie gerne früher gewusst“ oft als Ratschläge formuliert sind. Beispielweise antwortet Sibylle Berg auf die Frage „Was hätten Sie gerne früher gewusst“ mit „Meide Massen“. Das passt nicht zusammen. Es geht eigentlich bei der Frage um Lebenserfahrungen und mit der Formulierung als Ratschlag wird die dahinterstehende Erfahrung nicht ausgedrückt. Überhaupt bringt mir diese neue Reihe nicht viel. Die Aussagen sind oft banal oder nichtssagend. Auch dass die Befragten Prominente sind, macht die Aussagen schwer verwertbar, weil sie doch in einer anderen Welt leben als ich. – Andreas Matt

 

!00 % getroffen, saugut, mir aus dem Herzen und der Seele geschrieben … ich bin 67 Jahre jetzt! Ich hab’ so gelebt – und tue es noch – es ist sau-anstrengend und wunderschön – cool …krass. DANKE! – Penny Kallmorgen

 


 

 

Leserbrief zu „Zweimal Vanille, bitte!“ von Marie Serah Ebcinoglu

 

Bitte nicht – wem wird hier etwas aufgezwungen? Hier wird ein zeitgemäßer Trend aufgezeigt, der ganz sicher nichts Rassistisches beinhaltet. Aber warum fühlen Sie sich (etwa) ausgegrenzt? Wenn ich farbenfrohe, bunte Mustermix Styles sehe, die mir mega gefallen, mir blassem Etwas aber nicht gut zu Gesichte stehen, muss ich das auch akzeptieren und auch, wenn ich wollte, steht mir nicht jedes Make Up, besonders kein zu dunkles, noch knalliger Lippenstift. Na und, die Welt ist bunt und es ist fast alles erlaubt, von impressionistisch bis expressionistisch. Aber das nehme ich doch bitte nicht persönlich. Oder? – Sybil Pollack

 


 

 

Leserbrief zu „Huhu, Ronnie!“ von Tuvia Tenenbom

 

Der Erkenntnisgewinn nach der Lektüre dieses überlangen Artikels ist wohl eher mäßig. Ron DeSantis scheut den direkten Kontakt mit der Presse, wird vor Kritikern abgeschirmt, Kamala Harris, so erfahren wir, wohl ebenso. Bei genauerer Betrachtung enthält der harmlos daherkommende, im Plauderton gehaltene Erfahrungsbericht eine durchaus problematische Botschaft. En passant wirft der Autor den Kritikern des Gouverneurs vor, ohne genaue Kenntnis der besonderen Umstände gegen eine konkrete Maßnahme – hier das Verbot des Schulfachs African American Studies – mobil zu machen. Dass DeSantis generell einen regelrechten Kreuzzug führt gegen all jene, die den institutionellen und strukturellen Rassismus sichtbar machen und aktiv bekämpfen wollen, verschweigt der Artikel. DeSantis´ vielfältige Initiativen gelten nicht etwa nur einigen überschießenden, durchaus problematischen Formen sogenannter „Wokeness“, sondern stehen für einen grundlegenden Kulturwandel, ganz im Sinne evangelikaler Fundamentalisten. Allzu oft wird in den Feuilletons das Gespenst einer „cancel culture“ beschworen – und damit der Blick abgelenkt von einer machtvollen reaktionären Gegenbewegung, die durchaus das Potential hat, die amerikanische Demokratie nachhaltig zu zerstören. – Rüdiger Paul

 


 

 

Leserbrief zu „Junge, Junge“ von Simone Buchholz

 

Der von Simone Buchholz beschriebene „Anachronismus“ ist durchaus folgerichtig, wenn man(n) bedenkt, dass Frauen im Allgemeinen eine höhere Lebenserwartung haben. Und, welches sich liebende Paar möchte denn nicht möglichst lange zusammen alt werden?! Ein Skandal – zumal in unserem aufgeklärten Zeitalter – wäre/ist für mich ohnehin die Liebe, die nicht gelebt und geliebt werden darf. – Matthias Bartsch

 


 

 

Leserbrief zu „Die Position: Wir brauchen eine neue Oberstufe“ von Cornelia von Ilsemann

 

Ich stimme Frau v. Ilsemann zu, wenn sie neu gedachten, geöffneten, Kreativität fördernden und an Standards orientierten Unterricht für zum Abitur führende Kurse befürwortet. Bei der gerade aktuellen Neugestaltung der Abiturvorgaben erkennt die KMK nicht, dass und warum ihr Vorgehen dieser Wunschvorstellung widerspricht. In diesem Zusammenhang ist die Lektüre von Daniel Kahnemanns Buch „Noise“ erhellend. Ihm folgend kann man eine Vereinheitlichung von Prüfungsleistungen entweder durch Setzen von Standards erreichen (die die KMK bereits für viele Fächer vorgelegt hat – dies durchaus in angemessener Gestalt) oder durch Regeln (die die KMK mit dem Wunsch rechtssicherer Prüfungsdurchführung in Form von so genannten Eckpunkten festgelegt hat). Eine Lenkung durch Standards ermöglicht offene Unterrichtsgestaltung und gibt Schulen viele der erwünschten Freiheiten. Allerdings lässt sich Prüfungserfolg mit diesem Instrument nur durch lokal und in Kenntnis des individuellen Unterrichts vorgenommene Würdigung der Prüfungsleistungen messen. Die von der KMK im Nachgang zu den Standards verabschiedeten formalen Regeln und inhaltlichen Eckpunkte zielen statt dessen auf detaillierte zentrale Aufgabenstellungen und machen bis ins Detail jeder Teilaufgabe gehende Vorgaben für die Bewertung. Ich folge Kahnemann in der Ansicht, dass beide Ansätze geeignet sind, einander aber ausschließen. Wenn man, wie es die KMK offenbar mehrheitlich sieht, mit einheitlichen Aufgaben und peniblen Vorgaben („Regeln“) Prüfungen organisieren möchte, um Rechtssicherheit herzustellen verzichtet man damit weitgehend auf die Möglichkeit zu freier Gestaltung des Unterrichts. Man wird sich entscheiden müssen! Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Vereinheitlichung der Abiturprüfung durchaus formuliert hat, dass es nicht nur den regel-setzenden Ansatz zur Erfüllung seiner Forderungen gebe. Mehr Mut beim Übertragen von an Standards gebundener Bewertungs-Verantwortung auf die Schulen wäre danach sehr wohl erlaubt gewesen. – Michael Rode

 


 

 

Leserbrief zu „Auch das noch! Verschwendete Jugend“ von Jeannette Otto

 

bei den vielen Analysen mit bedenklichen Antworten zu den Ausbildungsdefiziten unserer Jugendlichen und besonders derer mit Migrationsgeschichte oder Migrationshintergrund vermisse ich einen anderer Ansatz. Wo ist die Studie darüber wie es Migrant*innen und deren Nachkommen, wie auch Abkömmlinge aus „sozial schwachen Familien“ es geschafft haben, einen hohen Bildungsabschluss zu erlangen und/oder beruflich erfolgreich zu sein. Erfolgreiche Menschen mit Migrationshintergrund sehen wir täglich in den Medien, auch die Kriegs- und Flüchtlingskinder aus den 50` er Jahren hatten vor ihrem Aufstieg häufig auch ein schwieriges Umfeld. Gibt es keine Studien zu den erfolgreichen Aufsteigern? – Rolf Holbe

 


 

 

Leserbrief zu „Randalieren, profitieren“ von Daniel Haas

 

Was kann an einem Hoodie für 100 Euro wohl falsch sein? Vielleicht der Preis? Als Funktionsjackenträger kann ich natürlich gut daherreden. Wenigstens hat ein Hoodie im Gegensatz zu den meisten (Funktions-)Jacken eine vernünftige Kapuze, aber 100 Euro halte ich eher bei einer Jacke für (gerade noch) angemessen. Das Guerilla-Marketing tritt offenbar in eine neue Phase über. Hausfrauenrangeleien an den Wühltischen zum Auftakt des Sommerschlussverkaufs reichen nicht mehr aus. Dazu passend auch der Werbespruch in der Anzeige auf Seite 33: „Bilde Banden!“ Rheinmetall stellt demnächst Munition zur Verfügung. Der Panthersprung gegen Puma steht unmittelbar bevor! Im Gegenzug bekommt die Bundeswehr nicht nur warme Socken, sondern auch Hoodies in modischen Tarnfarben. Vor einem Botticelli dürfen nur Klimaaktivist(inn)en ausrasten. – Thomas Manthey

 


 

 

Leserbrief zu „Endlich wieder normal“ von Kristina Läsker

 

Der Artikel ist leider sachlich falsch bzw. unvollständig, dafür aber publikumswirksam: Die Autorin schreibt korrekt von Gewinn vor Steuern und Zinsen, nennt dann aber in der Grafik die gleichen Zahlen als “Gewinn”, was auf den ersten Blick des Lesers immer Gewinn nach Steuern bedeutet. Noch schlimmer die Aussagen, die Aktionäre “erhielten/zustehen ” x % vom Gewinn vor Steuern und Zinsen. Richtig ist, dass Aktionären x % von möglichen Dividenden erhalten, die natürlich nur aus Gewinn NACH Steuern und Zinsen anfallen können und daher viel niedriger sind (wenn überhaupt etwas ausgeschüttet wird). Hier werden in publikumswirksamer Weise Äpfel mit Birnen verglichen. Warum lässt die Redaktion so etwas durchgehen? Dies ist bestenfalls BILD-Niveau! Wann wird öffentlich berichtigt? – H. Peter Krebs

 


 

 

Leserbrief zu „Fabrik an der Front“ von Hauke Friederichs

 

Danke für diesen Beitrag! Er hat mir die Augen geöffnet, wieso die „Grünen“, eine ehemals pazifistische Partei, so sehr einen „Siegfrieden“ propagieren: In der Ukraine findet gar kein Krieg statt; es ist nur ein Spiel, das mit „Game-Changern“ und anderem Spielzeug von Rheinmetall gewonnen werden soll. Naja, dann! Und wenn es auch noch der deutschen Wirtschaft dient! Riesige Gewinne des Rüstungsunternehmens sichern Arbeitsplätze und bringen Steuern; da machen deutsche, freilich auch andere siegesgewisse Politiker doch einen guten Job, oder nicht? Dass das Spielgerät nicht von den Spielern, sondern von Steuergeldern bezahlt wird, steht auf einer anderen Rechnung. Die Mehrheit der Deutschen stimmt in Umfragen für Waffenlieferungen an die Ukraine, steht auch im Beitrag. Soso. Wurde in diesen Umfragen denn auch gesagt, dass sie und ihre Kinder dafür zahlen müssen? – Giorgio Zankl

 


 

 

Leserbrief zu „»110.000 Euro, damit ich die Klappe halte«“. Gespräch mit Birte Meier geführt von Nataly Bleuel

 

Laut statistischem Bundesamt darf der bereinigte Gender-pay-gap (aktuell 7%) nicht mit Verdienstdiskriminierung gleich gesetzt werden, da er lediglich ein theoretisches Maximum bezeichnet. Der tatsächliche Wert liegt laut statistischem Bundesamt niedriger, um wieviel ist ungewiss. Z.b. wird der Verdienstausfall durch Elternzeiten, die derzeit überwiegend von Müttern in Anspruch genommen werden, nicht berücksichtigt, was den Wert zu Ungunsten der Frauen verzerrt. Dennoch präsentieren auch seriöse Medien diesen Wert in großen Lettern als das, was er ausdrücklich nicht ist. Das ist ungut. – Christian Voll

 


 

 

Leserbrief zu „Der letzte Außenseiter“ von Wolfgang Bauer

 

Ein schöner Artikel über Jimmy Carter, dem nun endlich Respekt als ein guter Präsident gezollt wird. Eine Sache hätte man aber noch erwähnen können. Wie zuletzt in dem Film „Der Rock & Roll Präsident“ gezeigt wurde, war Jimmy Carter nicht nur ein außerordentlicher Musikliebhaber, sondern Bands wie die Allman Brothers und Lynyrd Skynyrd, die Mitte der 70er Jahre weitaus populärer waren als er selbst, haben damals nicht unwesentlich zu seiner erfolgreichen Präsidentschaftskampagne beigetragen. – Thorsten Krüger

 


 

 

Leserbrief zu „Viele Tote, wenig Stadt“ von Olivia Kortas

 

„Ein guter Befehlshaber sichert sich stets den Weg nach hinten.“ (Jozef Ignancy Kraszewski, 1812-1887, polnischer Schriftsteller)

Krieg ist immer grausam, nicht nur der in der Ukraine! Im Krieg da werden reihenweise Menschen umgebracht, aber nur weil es die Kriegstreiber so wollen und angeordnet haben. Die Dummen sind immer die Menschen, die freiwillig oder unfreiwillig ihren Kopf für deren Sache hinhalten.

Die obersten Kriegsherren halten sich stets feige im Hintergrund auf!

„Politiker an die Front, dann gibt´s keine Kriege mehr.“(deutsches Sprichwort) – Riggi Schwarz, 

 


 

 

Leserbrief zu „PROMINENT IGNORIERT. Pizza Madrid“ von USTO

 

In dem Artikel in der Rubrik „Prominent ignoriert“ wird von den Studienergebnissen des Königlichen Elcano-Instituts Madrid berichtet und dass den Spaniern das typisch deutsche Essen wie Pizza, Döner, Burger und Gyros nicht schmecken. Tatsächlich ist ja nicht eines der Gerichte typisch deutsch, was ist mit dem Schnitzel, der Bratwurst, dem Eisbein oder den Bratkartoffeln? – Christiane Schulze

 


 

 

Leserbrief zu „Ein Stück Glückseligkeit“ von Michael Thumann

 

Keine Bange, dem türkischen Sultan werden noch genügend schmutzige Tricks einfallen, damit er und seine Vettern an der Macht bleiben. – Thomas Manthey