Lesezeichen
‹ Alle Einträge

14. September 2023 – Ausgabe 39

 

Leserbriefe zu „BRUDER AIWANGER“ von Maxim Biller

Maxim Biller nennt Martin Walser einen schwäbelnden Asphaltliteraten – weiß er, weiß die Redaktion, dass Asphaltliterat ein nationalsozialistischer Schmähbegriff ist? fragt
Jürgen Engler

Das Klassenfoto, das Aiwanger als billige „Chaplin“-Kopie zeigt, ist echt!? Ich habe das bei „extra 3“ gesehen und gedacht, dass das ein schlechter Photoshopversuch war, weil das dort so aussah, als ob man ihn vor einer Kulisse eingefügt hatte. Ihre Ungeziefervergleiche finde ich gegenüber Nazis völlig angemessen. Bei Ihnen sind es Termiten, die sich am Fundament der Demokratie, der Liberalität und des Rechtsstaats zu schaffen machen, bei Chumbawamba („The Day The Nazi Died“) sind es Maden, die aus dem Gebälk kriechen. Sie haben auch die richtigen Namen genannt. Helmut Kohl und seinen Besuch an den SS-Gräbern in Bitburg hätten Sie auch noch erwähnen können, aber da gab es wohl keinen bemerkenswerten schmutzigen Oneliner.

Ich kann mich an ein Deutschland erinnern, in dem die Nazis noch nicht ganz so laut ihr dreckiges Maul aufgerissen haben. Das ist in etwa 40 Jahre her. (Startpunkt war die Gründung der Republikaner durch zwei Abtrünnige der CSU. Aber natürlich gab es auch schon davor Alt- und Neunazis: NPD, die Kampagne gegen die „Holocaust“-Serie samt Anschlägen auf den SWF und den WDR, der Anschlag auf das jüdische Altersheim in München, wobei es hier ziemlich egal ist, ob das rechte, linke oder palästinensische Menschenhasser – wie beim Olympiaattentat – waren, das Oktoberfestattentat) Es wird Zeit, dass wir uns dieses Land zurückerobern!

Laut Wikipedia hat Thomas Mann Hitler in seinem „Bruder-Hitler“-Essay als „Dauer-Asylist“ bezeichnet. Das passt zu meiner These vom ewig wandernden Nazi. Der Bohemien Hitler wusste nach dem Ersten Weltkrieg jedenfalls noch nicht so genau, zu welcher Seite er tendieren sollte. Und auch Mussolini hat mal linksdraußen angefangen. Eine pseudolinke Politikerin, der in Ihrer aktuellen Ausgabe sehr viel Raum gegeben wird, fängt jetzt auch an, dahin zu wandern, wo sie eigentlich hingehört. Bin mal gespannt, wann Boris Palmer (S. 6) dann auch noch seine eigene Egopartei gründet … Ihr Hinweis, dass Nazis nicht nur Juden- (aber natürlich hauptsächlich), sondern generell Menschenfeinde sind, fand ich wichtig und richtig. Kämpfen Sie (und wir alle) bitte weiter für das Schöne, Wahre, Gute, also den Humanismus! Und zeigen wir allen, die uns deswegen als „Gutmenschen“ beschimpfen, den Mittelfinger oder besser noch: die Faust oder den Vorschlaghammer! And we′ll never rest again / Until every Nazi dies!
Thomas Manthey

Ich bin Deutsche, Jahrgang 1937. Und ich bin gern Deutsche – aus einem einzigen Grund: weil wir – Bürgerinnen und Bürger, führende Politikerinnen und Politiker, die Regierungen in Deutschland- die furchtbare Vergangenheit der Shoa nicht unter den Teppich kehren, weil wir, auch als „Nachgeborene“, zur Schuld von Menschen einer Generation vor uns stehen, auch heute noch und, so bin ich sicher, auch unter dem Eindruck des Flugblattes. (Es ist, das muss gesagt sein, keine Jugendsünde, sondern erschreckend, wenn Jugendliche so etwas schreiben, antisemitisch, ein Hinweis auf Verrohung und Menschenverachtung. Ein Warnzeichen!)

Aber nun erfahre ich vom Maxim Biller, dass ich, wenn’s hoch kommt, eine der „wenigen Gerechten“ bin, die in „kurzen, kraftlosen Gegenoffensiven“ den toxischen Debatten anheimfällt, mit denen mich „Umerzieher und Wächter des Antifaschismus im befreiten Deutschland“ schachmatt setzen wollen- mich und alle anderen (durchaus nicht „wenigen“!), die sich denen entgegenstellen, die  hetzen, die Demokratie leugnen und bekämpfen. Und das, obwohl ich „leider nicht mehr von den Alliierten besetzt“ bin und ob meiner richtigen Einstellung überprüft werden kann, obwohl ich „wieder machen kann, was ich will“.

Und zum Schluss belehrt mich Maxim Biller noch eines Allerschlechtesten: dass ich, nach Thomas Mann, vermutlich in meinem Innersten „Hitler bin“, wie „alle Deutschen“.  Oder, so klingt’s für mich durch die Titel- Schlagzeile, klammheimlich mit Hubert Aiwanger verbrüdert.  Sehr geehrter Maxim Biller, ich hätte einen Beitrag begrüßt, der mit der gebotenen Sachlichkeit und Ernsthaftigkeit vor den gefährlichen Kräften dieser Zeit warnt, die so agieren, wie Sie es zu Recht anprangern wollen. Ihr Rundumschlag jedoch: mich empört er.
Gertrud Binder

Ja, was soll man sagen zum Herrn Biller: schreiben kann er nicht, aber für die literarische Schießbude reichts immer. Damit er auch trifft, hat ihm die ZEIT liebenswürdigerweise eine Schrotflinte in Form des Feuilleton-Aufmachers zur Verfügung gestellt. Und wenn die der Herr B. mal eingeschossen hat auf die deutschen Nazis, also alle, die den deutschen Rummelplatz bevölkern, dann bleibt kein Auge trocken, keine Behauptung zu falsch. Da wird dann Martin Walser zum Asphaltliteraten und Günter Grass zum Verfasser eines Stammtischzitats, dessen Romane eh keiner kennt. An dieser Stelle hab ich dann aufgehört zu lesen, das geb ich zu. Und deshalb kann dieser Text eigentlich auch gar nicht bei den Leserbriefen stehen. Falls er es doch tun sollte eine Bitte: geben Sie mir doch Bescheid, falls es der Herr B. ja vielleicht doch geschafft haben sollte etwas Gescheites zum Thema Aiwanger zu sagen. Ich bin da ja offen. Nein, war nicht? Nur das, was er immer und zu jedem Thema schreibt? Hab ich mir gedacht.
Achim Hauck

Journalistische Stilformen hin oder her – Herrn Billers Beitrag „Bruder Aiwanger“ im Feuilleton Ihrer aktuellen Ausgabe entspricht meiner Meinung nach nicht einmal ansatzweise dem journalistischen Niveau, das ich von Ihrer Zeitung gewohnt bin. Bedauerlich.
Jakob Kessler

„Si tacuisses…!“ möchte man dem Herrn Biller ja schon seit Jahren zurufen, um ihm (und uns) seine fortgesetzten Peinlichkeiten in der ZEIT zu ersparen- aber es wäre zweifellos vergeblich. Hat er doch seine vollmundige Ankündigung nach dem Beginn des Ukraine- Kriegs, nie mehr etwas zu schreiben, schon nach kurzer Zeit widerrufen und ist seitdem aktiver denn je. Die aktuelle Causa Aiwanger braucht natürlich auch den Senf aus seiner Feder. Dass er dabei wie immer sein Weltbild verabsolutiert und alle „Abweichler“ abstraft, überrascht kaum. Dies geht mit offenkundigen Lügen einher (die „dunkeldeutschen Linken und Liberalen“ a la Günter Grass erbosten sich keineswegs über die Gründung des Staates Israel, sondern über die seit Jahrzehnten und bis heute  praktizierte menschenrechts- und völkerrechtsverachtende  Unterdrückungspolitik gegen das dort seit Jahrhunderten ansässige Volk-  das aber ist für einen Herrn Biller natürlich kein Thema, und auch kein  Problem).

Den „Geschichtsrevisionismus“, den er einem M. Walser und anderen unterstellt, demonstriert er selber in seinem Artikel perfekt! Die Millionen von Sudetendeutschen, die nach dem Krieg vertrieben wurden, falls sie nicht vorher totgeschlagen wurden, das sind also allesamt „Täter“ gewesen, nicht etwa Opfer! Nur so kann man die unflätige, geschichtsvergessene und denunziatorische Formulierung des „schuldigen, aber lieben Sudeten-Opa“ interpretieren. Kurzum: Herr Biller hat im Grunde gar keine Ahnung, wovon er eigentlich spricht- er sollte also am besten schweigen, das wäre ein Segen in den aktuellen wirklich wichtigen Diskursthemen.
Karl-Heinz Grau

Absolut brillanter Artikel. Faschismus liegt in dem Blut der deutschen Rasse, incl Thomas Mann.

Die Deutschen kann nicht, immer, davon weggehen. Als Rasse.

Please forward to Maxim!
Lars Jönsson

Wo sich die Öffentlichkeit an Aiwanger abarbeitet, wendet sich Maxim Biller den eifrig Abarbeitenden zu: Es ist eine bekannte Entlastungsstrategie, eigene ungeliebte Anteile im Anderen zu erkennen und dort zu bekämpfen, um das gewünschte Selbstbild zu retten, um sich reinzuwaschen. Eine Steigerung ist der inquisitorische Impuls, den „Sünder“ zur Einsicht in seine Verfehlung und zu öffentlicher Reue zu bewegen. Dieser Einwurf von Maxim Biller ist ein notwendiger kritischer Reflex auf die bisher viel zu selbstgerechte „Debatte“. Zugleich ist es ein gewagter Beitrag, der das Risiko eingeht, Aiwanger durch die generalisierende Phänomenologisierung als „Bruder Aiwanger“ zu verharmlosen. Und indem Maxim Biller die Kritiker kritisiert, bietet sich das oberflächliche Missverständnis bzw. der falsche Umkehrschluss an, dass der Autor Aiwanger in Schutz nimmt. Tut er aber nicht. In der Tragikomödie „Wir sind Aiwanger“, die Maxim Biller inszeniert, ist Aiwanger eine Karikatur und wir alle sind ambivalent beteiligt, auch der Autor selbst. – So können wir etwas aus der Geschichte lernen.
Reinhard Koine

WIE BITTE?: „ Seit Deutschland LEIDER nicht mehr von den Alliierten besetzt ist und die Deutschen machen können, was sie wollen, kümmern sie sich auch noch selbst um ihre Entnazifizierung.“ — Was soll das? Brauchen wir etwa Nationen wie die chauvinistischen Amerikaner, Franzosen oder Briten, um uns Aufsicht und Nachhilfe in Gesellschaftsmoral oder demokratischer Lebensweise zu geben? Von Nationen, die Trump gewählt, den Brexit durchgesetzt oder benachteiligte Ausländergetthos in großen französischen Städten haben? NEIN! Ich möchte nicht von den Amerikanern bevormundet und beaufsichtigt werden. Die können es nämlich auch nicht besser und beweisen weltweit eine manchmal unerträgliche Übergriffigkeit.

Man/frau denke bitte nur an die Kommunismusphobie der Nachkriegsjahre in den USA mit all ihren z.T. schlimmen Ungerechtigkeiten, die dort geschehen sind oder der ständige Versuch Europa und die Welt wirtschaftlich und kulturell zu dominieren bzw. uns vorzuschreiben zu wollen, wie wir zu leben haben. Siehe zum Beispiel Irak-Krieg, TTIP, die Debatten um genetisch verändertes Saatgut, Glyphosat und Fracking etc. etc. JA! Wir haben unsere Probleme mit dem Nazismus — aber nicht mehr als andere Nationen auch. Und JA! wir müssen uns verbessern in der Bekämpfung und Wachsamkeit. Aber das wollen wir bitte schön selber machen! Dafür haben wir ja auch Menschen wie Sie hier, die beständige Rufer im Streit sind. Und das ist gut so! Wir haben als Deutsche meines Erachtens nicht das Problem, dass „alle Deutschen … Hitler sind, …“, sondern das Problem des schweigenden, leisetretenden Mitläufertums, was extremistischen Auswüchsen das Feld überlässt.

Zuletzt Herr Biller: 1.: „… denn ich kämpfe hier gerade für das Gute, Wahre, Schöne“. und 2.: „ Von mir, dem ewigen Befreiungssoldaten und Presseoffizier, hätte der schwach leugnende Delinquent stattdessen natürlich lebenslängliches Politikverbot bekommen“. Was für eine Hybris! Was haben Sie denn für ein Selbstbild? Das ist schon starker Tobak. Ja, ich finde auch, dass Sie auf der richtigen Seite sind, und bin an Ihrer Seite. Aber, welcher intellektuelle, selbstkritische Mensch kann denn für sich so einen absoluten Anspruch erheben? Außerdem klingt das nicht gerade sehr demokratisch und für Meinungsfreiheit. Zusammenfassend: Grundsätzlich finde ich Ihren Artikel gut, und mir gefällt besonders z.B. das ausdrückliche Differenzieren zwischen Antisemitismus und Nazismus. Aber das oben Genannte sind schon sehr grobe Keile, die Sie da schlagen.
Christian Gebhardt

Die Zeit befasst sich in dieser Ausgabe ausführlich mit Hubert Aiwanger: Zum einen im Feuilleton, zum anderen im Zeit-Magazin. Beide Artikel sind sehr spannend und auch kontrovers. Maxim Biller klagt in zynischem Ton „die Deutschen“ an als immer weniger verkappte Nazis und Scheindemokraten. Aiwanger gerät zu einem Synonym für diese „Brüder“. Harald Martenstein dagegen fasst sich an die eigene Nase: Mit seiner linksradikalen Jugendzeit hat er ein ähnliches Päckchen zu tragen gehabt und weiß um die Unzulänglichkeit der eigenen Erinnerung und Urteilskraft. Mit Selbstironie und verhaltenem Spott skizziert er diverse öffentlich aufgetretene Protagonisten. Er verurteilt weder diese noch Aiwanger. Recht hat er. Und das gefällt mir an der ZEIT: Sie bezieht Position, aber durchaus nicht einseitig. Sie ist eben keine „Plattform“, sondern ein „Medium“; sie macht keine Politik, sondern hilft dem Leser bei der Urteilsfindung. Denn auch hier gilt der Rechtsgrundsatz: „Audiatur et altera pars“ – auch die andere Seite soll gehört werden.
Wolfgang Philipps

Eingehen möchte ich nur auf 3 Ausführungen: 1.) Keines der angeführten Zitate gibt objektiv das her, was Herr Biller hineininterpretiert. 2.) Mit der Arroganz das Rechtschaffende zu vertreten und die Anderen mit Totschlag-Fratzen-Ungeziefer gleichzusetzen, hat schon Putin den Ukrainekrieg vorbereitet! 3.) In dem Bild sehe ich nur das weiche Gesicht eines Jünglings, der mit einem Bärtchen etwas Männlichkeit tanken möchte! Wenn Herr Biller einen Hitlerbart sehen möchte, soll er sich die Stummfilme mit Laurel und Hardy ansehen. Was ich dem Herrn Aiwanger heute vorwerfe, ist seine Rückradlosigkeit sich nicht total und aus voller Überzeugung zu distanzieren vom Inhalt jenes unmenschlichen Flugblattes, das bei ihm gefunden wurde. — Wäre er mutiert vom Saulus zum Paulus, würde ich ihm vergeben. Jeder muss alles dafür tun, eine 2. Chance zu bekommen. Dann und nur dann darf und muss diese ihm gewährt werden. Vielleicht fällt Herrn Biller seine Selbstgefälligkeit selber auf.
Erfried Steen

Recht haben Sie Herr Biller: Alles Nazis, Mitläufer, stille Abnicker, Opportunisten, Idioten! Bedauerlicherweise werden Sie nur einen geringen Teil der Masse der bösen Deutschen in der Leserschaft der Zeit finden. Ich verbitte mir höflich dieses ausgekotzte Statement zur deutschen Seele… und werde jetzt mein sonntäglich normalerweise mit Freude gelesenes Feuilleton stinksauer in die Tonne kloppen.
Kai Scheuermann

Herrn Biller sei angeraten, weniger auf möglichst grelle und möglichst verletzende Effekte zu setzen, sich dafür aber mehr auf die Stichhaltigkeit seiner Argumentationslinien, Anspielungen und Aussagen zu konzentrieren. Ob alt oder jung, links oder rechts, dumm oder nicht ganz so dumm, laut Herrn Billers Ausführungen erscheint die überwiegende Mehrheit der Deutschen hinsichtlich ihrer Grundhaltungen nach wie vor dem unbelehrbaren Tätervolk von verkappten Hitlerverehrern anzugehören. Die Technik, die der Autor anwendet, besteht dabei zu großen Teilen darin, einen fraglos beklagenswerten Sachverhalt, den Umgang mit Aiwangers Flugblatt, zu einem durchaus aggressiven Rundumschlag gegen „die Deutschen“ zu benutzen, wobei unterschiedliche Theorien, Werke und Reaktionen eine stets in die gleiche Richtung zielende Deutung erfahren und in einen Zusammenhang gebracht werden, der in der gewählten Form nicht existiert.

Beispielsweise lässt sich aus Noltes umstrittener Aussage zum Gulag und Auschwitz keinesfalls herauslesen, dass die Juden an ihrem Schicksal selbst schuld gewesen sein. Ist das in Deutschland eine weit verbreitete Meinung? Meine Vorfahren mütterlicherseits haben als Deutsche im Stalinismus die wahrlich grauenhaftesten Dinge erlebt. Relativiert das den Holocaust? Kein mit soliden Geistesgaben gesegneter Mensch würde in diese Richtung argumentieren. Weiterhin, um auf ein anderes Beispiel von arg plakativem Journalismus einzugehen, ist mir im offensichtlichen Gegensatz zu Herrn Biller in den Kreisen, in denen ich verkehre, keine belesene Persönlichkeit bekannt, die Günter Grass – den man nicht lieben muss – auf die im Artikel genannte Schrift reduzieren würde.

Kann sich Herr Biller zudem vorstellen, dass es auch eine beträchtliche Anzahl von unschuldigen „Sudeten-Opas“ gab, die letztlich auch nur unter den Diktaturen des 20. Jahrhunderts gelitten haben? Maxim Biller beklagt, dass Deutschland „leider“ nicht mehr von den Alliierten besetzt sei. Hier geht es ihm offensichtlich nur darum, provokativ „dick aufzutragen“. Doch welchen Sinn soll das haben? Sollen freiheitsliebende, demokratisch gesinnte Menschen, deren Existenz sich ja wohl kaum leugnen lässt, mal so richtig beleidigt werden?

Als ein schon etwas älterer Mensch (Jahrgang 1955), der sich nach entsprechender Sozialisation – wie viele andere seiner Generation auch – zeit seines Lebens in einem Lehrberuf und im täglichen Leben in kleinen, geduldigen Schritten für Verständigung, Versöhnung, Information und Weltoffenheit eingesetzt hat und sich dabei sicher nicht als Kämpfer für das „Wahre und Schöne“ geriert hat, wie das Herr Biller bemerkenswert selbstherrlich tut, halte ich den Artikel an prominenter Stelle im Feuilleton der ZEIT für ein kritikwürdiges, in Teilen ärgerliches Produkt.
Robert Hartung

Trotz Wut – Sorge und Bedrücktheit über die Rechte – Entwicklung in unserem Lande, blieb ich nach dem Lesen des Artikels von Maxim Biller mit dem spontanen Gedanken zurück; –“  man kann auch so schnell schießen, dass  man nicht erkennt woher der Schuss kam und wohin er ging.
Gisela Rasch

Maxim Billers Kommentar beginnt mit dem Satz: „Die schmutzigsten Einzeiler unserer Nachkriegsgeschichte stammen fast immer von stolzen, aber unterdrückten Deutschen“. Ich habe mich verlesen, ich las „Einzeller“. Eine freudsche Fehlleistung. Der Satz stimmt auch dann noch. Rein vorsorglich: Einzeilige Aussagen von Einzellern sind nie Entschuldigung für fehlende Geistesleistung.
Katrin Hellwege

Superb articles! Congratulating Die Zeit! Supporting me as a Swedish Rentner, in Aachen, after 32 years of international (nur English) work in German Pharma Industries, to grasp why Germans (exaggeration) do interact so differently within a collective vs individual context. Frightening,
Lars Jönsson

„Bruder Aiwanger“ – gleichbedeutend (?) in der übertragbaren Zeitlosigkeit zur geistig konfrontativen Verinnerlichung eines ART-verwandten „Bruder Hitler“ („mitverkuppelt“ als das Phänomen Hitler) zu dem Essay des emigrierten Thomas Mann aus dem Jahr 1938. Wie aber kann ein kluger literarisch gebildeter Maxim Biller nur so sehr selbstentgeistert: diese „selbstanklagende“ Analyse von Thomas Mann zu dem verführenden „Volkstribunen“ Hitler für sich fälschlich auslegen wollen und aus den angestauten Hassgefühlen heraus, rigoros uminterpretieren zu einer scheinbar mitfühlenden Thomas-Mann-Verwandtschaftlichkeit…

Wer aber rührt (mit welcher Beharrlichkeit und „geschäftstüchtiger“ (?) Obsession) die gestrige braune Sauce der Vergangenheit immer wieder aufs Neue an mit Schuldzuweisungen bis ins letzte Glied – unterstellt den anteiligen Deutschen oder dem deutschen mitbeteiligten (Rückbe)-Denken: die angeblich weiterhin legendäre Sympathie zu diesem österreichischen VerFührer und dessen Ideologie bis in die Jetztzeit (und für alle Zeiten?). Maxim Biller ist monolithisch kein deutscher sogenannter „Nestbeschmutzer“, das zehnjährige Kind russisch-jüdischer Eltern, in Prag 1960 geboren, kam (sicherlich kindhaft „unfreiwillig“ mit/durch Vater und Mutter) im April 1971 nach Westdeutschland/Hamburg – erlangte dort das Abitur, studierte Literaturwissenschaften, schrieb seine Magisterarbeit über das Bild der Juden im Frühwerk des Schriftstellers (und Literatur-Nobelpreisträgers) Thomas Mann, hatte des weiteren seine Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule in München…

Es ist oder war also die Ausreise oder Flucht (der Eltern mit abhängigem Kind) aus der (nach dem „Prager Frühling“: extrem sowjetisch-diktatorischen) Tschechoslowakei in das Land der (einstigen) Mörder – nicht etwa nun nach Ostdeutschland in das kommunistische-sozialistische Bündnisland (das sich scheinbar frei von Nazis offerierte), sondern in das kapitalistische Westdeutschland und (auffühlbar gleichwohl jüdische) Feindesland (mit jenen alten Nazis bis auch in höchste Staatsämter) hinter/vor dem Eisernen Vorhang (wie man das auch jeweils politisch zu besichtigen bedachte) in den eigenartigen-diesbezüglichen Un/Freiwilligkeiten der Systeme, des auch oberflächlich noch nicht überwundenen Faschismus… Dieses erweiterte Westdeutschland (nach der BRD-kapitalistischen Aneignung 1989/90 der ehemaligen DDR zu einer so genannten Wiedervereinigung): dann späterhin (bewusster?) von dem doch wohl etablierten Juden, Journalisten, Schriftsteller und Feuilletonisten zu seinem inneren „Feindesland“ observiert und inventarisiert wurde? – er überall (noch) die Nazis bzw. deren überlieferte Couleur erkennt und offenlegt in Schriften und in Büchern, in Interviews und Lesungen usw. … Eine deutsche „Entschuldung“ war und ist auch mit noch so viel Geld nicht erdenkbar – und eine mögliche „Wiedergutmachung“ als Endgültigkeit des Vergebens und Vergessens: entspricht schon dem Wortlaut nach nicht den historischen Tatsachen des unvorstellbaren Holocaust… Und es trifft doch dennoch zu: die damalige breite deutsche Öffentlichkeit, das Volk: wusste nichts von diesem unvorstellbaren massenmörderischen Wahnsinn des Himmlerschen Vernichtungswillens zu der Befehlsstruktur dieses irrsinnigen, bestialischen Diktators Adolf Hitler.

Maxim Biller (der über Th.M. sagt: „Es muss mir gelingen, ihn zu zerstören“) kennt seinen Thomas Mann aus Uni-Zeiten, hat über ihn seine Magisterarbeit geschrieben – und beschreibt diesen (vor den Nazis) emigrierten Schriftsteller (eigenartig) knappest in dem Text „Bruder Aiwanger“ in DIE ZEIT: „Apropos Weltkrieg. Ich muss in diesen Wochen immer wieder an seinen sehr berühmten Essay eines sehr berühmten deutschen Schriftstellers denken, der als knallharter Antisemit und Kaisertreuer begann, aber als überzeugter Demokrat aufhörte – Thomas Mann, natürlich. Der Essay heißt „Bruder Hitler“, und der zeitweilige Praeceptor Germaniae beschreibt darin – es ist das Jahr 1938 – seinen Abscheu gegenüber der Nummer eins des „Dritten Reichs“, aber auch die Empathie, die er für dieses böse „Genie“ hat, und seinen Wunsch, seine „Bereitschaft zur Selbstvereinigung mit dem Hassenswerten“. Kurzum, er erkennt sich im schon bald größten Mörder der Weltgeschichte selbstkritisch wieder, er schaut literarisch in den Spiegel, sieht einen anderen Kerl mit einem Schnurrbart – und mag ihn irgendwie doch. Auch so eine deutschen Schmierenkomödie.“ Bei dieser Biller-Interpretation zur Rezeption dieses Essays: schleicht sich doch unübersehbar das Negativbild eines Thomas Mann in den scheinbar zu beschauenden Spiegel als Deutscher – hier die zur Unfähigkeit der Nazi-Distanzierung vorhandenen Deutschen, dort deren nationalsozialistischer Bruder, der kaum einen Hass vorfindet, vielmehr seine Faszination weiterhin im Volk vorfindet: all das scheinbar beweisend übertragbar in der Auseinandersetzung vom Künstler Thomas Mann mit dem akademisch abgewiesenen Künstler „Bruder Hitler“ – und wie die Zusammenhänge seiner Abweisungen sich bezogen auf den weiteren Werdegang zu dessen unfassbaren Karriere bis hin zum Diktator, Kriegsantreiber und Massenmörder…

Nur: soweit war es damals noch nicht im Jahre 1938, als dieser Essay entstand – Hitler war da zum mehrheitlich beliebten, umjubelten Führer Großdeutschlands geworden! Und wie dies schon von Historikern erwähnt wurde: Wäre Hitler seinerzeit einem Attentat erlegen, hätten die Deutschen ihn zu einem ihrer größten Politiker hochgejubelt. So ist das auch zu besichtigen – und nicht die Billersche Variante die letztgültige Besichtigbarkeit auf diesem Planeten aus seiner (uns Deutschen?) hier in Deutschland „verdeutlichten“ jüdischen Enklave heraus in diesem jetzigen Deutschland seines Unmuts und seiner Antipathie gegenüber dem (doch intensivst bereinigten gestrigen) Deutschtums. Wodurch ist eigentlich dieser Maxim Biller so sakrosankt in dem Feuilleton DIE ZEIT inventarisiert ohne Gegenentwürfe – nicht nur durch seine Kolumnen, sondern in dem ZEIT-Text „Bruder Aiwanger“ und gleichbedeutend wiederum in seinem fast grotesk halluzinativen Gegenwartsbild eines Deutschlands, in dem er (der Maxim Biller) doch maximal Schalten und Walten kann nach seinem geistigen Belieben: freiheitlicher und freier geht’s doch wirklich nicht mehr! Man nehme das aber nicht als Doppeldeutigkeit im hintersinnigen Bedenken der Wortefindungen: Nicht nur die Gedanken sind frei – und treffen dadurch auch unterschiedlich unzutreffend… Denn dann wird da ein Jugendbildchen von Hubert Aiwanger abgebildet – aufscheinend irgendwie dem frühen Hitler „ähnlich“ anverhaftet und in der Unterüberschrift in DIE ZEIT ist zu lesen: „Deutschland guckt in den Spiegel und sieht einen Mann mit kleinem dunklem Bart.“ Maxim Biller bezeichnet die Söderschen 25 Fragestellungen an seinen Vice Hubert Aiwanger und dessen nebulösen „Beantwortungen“ wie folgt: „Herrlich, dieser postfaschistische Komödienstadl.“ Mehr entgeisterte Billersche Infrastruktur-Besichtigung zu „in partibus infidelium“ des „Nazitums“ im jetzigen Deutschland – kann nicht überboten werden!

Maxim Biller ist zudem auch ein Schauspieler, weiß die Öffentlichkeit mit seiner Anwesenheit als personalisierter Jude mit einzubeziehen in seine Öffentlichkeitspropaganda zu den Buchverkäufen und seiner hochstimulierten Einbildung als bewusst provozieren wollende, selbst auferlegte „persona non grata“… All das gehört mit zu seiner auch propagandistischen Kunst als Künstler – ohne diese Selbstvermarktung keine Resonanz zu seinen Strategien: und wenn´s denn auch der Freiheitlichkeit in der so genannten Demokratie förderlich sein sollte: her mit dem maximalen Biller und seinem persönlichen Leiden als Leidenschaftsausbrüche mit der deutschen Ungenauigkeit im Sein und Dasein. Er nennt sich einen deutschen Schriftsteller – und nicht etwa einen europäischen Schriftsteller oder be-schreibenden Weltbürger… Warum als Jude mit diesen Konflikten gegenüber dem Deutschland: sich mit dem Land in die komplizierte, komplexe Verbindung bringen – warum zählt er nicht sein Prag und das Tschechische zu seinem Ursprungsland, ob nun dieser Sprache mächtig oder auch nicht…? Zählen der Geburtsort und das frühe Aufwachsen als Jugendlicher nicht etwa zu einer Identifikation mit einer Verbundenheit des verinnerlichten Gleichklangs? Und die jüdisch-russischen Eltern – sind wir etwa als kluge Menschen innerlich an ein Land gebunden, dessen angestammten Menschen wir (nicht nur historisch) letztlich nicht mögen können aus den bekannten furchtbaren Tatsachen jener Nazi-Vergangenheit… Der RvM-Leserbriefschreiber ist in der Mitte der 60iger Jahre in Israel gewesen – wo ihm dortige deutsche Juden kompromisslos sagten: In dem Deutschland der Mörder könnte ich niemals leben wollen!

Maxim Biller befindet sich geisteswandelnd im Zentrum Berlins – von dorther werden seine Kolumnen eingefangen und veröffentlicht. Und in der jetzigen DIE ZEIT-Nr. 39 weiß er sehr persönlich und/oder wesentlich zu offerieren: „Ernst Nolte, der Historiker mit der verkrüppelten Hand und dem schlechten Gewissen eines von der Wehrmacht ausgemusterten Zivilisten, drückte es etwas komplizierter und verdruckster aus, als er 1986 rhetorisch fragte: „War nicht der Archipel Gulag ursprünglicher als Auschwitz?“ Übersetzt hieß das: Ohne Trotzki und Rosa Luxemburg keinen Hitler, ohne den jüdischen Weltbolschewismus keine von Deutschen erstickten Juden, und überhaupt sind die immer selbst schuld an ihrem Unglück.“ Was sollen diese Billerschen Mutmaßungen zu Nolte „mit der verkrüppelten Hand“ – und der zudem erweiterten Vorstellbarkeit, dass dieser Historiker eigentlich drastischer dadurch gemeint habe: dass es ohne Trotzki und Rosa Luxemburg keinen Hitler gegeben hätte, und ohne den Weltbolschewismus auch (keine Nazis und) keine Judenvernichtungen… Um es nochmals zu verdeutlichen:  Maxim Biller mutmaßt weiterhin zu Ernst Noltes vorgeblichen „Verstecktheiten“ zwischen den Zeilen böswillig aufgelistet dessen Resümee: „Und überhaupt sind d i e immer selbst schuld an ihrem Unglück.“ Man könnte die heutigen öffentlichen Biller-Angriffe umsortieren in dessen Boxkampf zur ewigen deutschen Gegnerschaft: „Sort of a dope on the ropes, letting (Biller) swing away but, like in the picture, hit nothing but air.“ Aber anders tragisch entnervter formuliert: Maxim Billers Treffer sind historische furchtbare Wirklichkeit und betreffen und treffen uns Deutsche weiterhin bis in die konfrontierende Unausweichlichkeit! Und die Frage der ver/bleibenden historisch-moralischen Schuldanteiligkeit auch zu den zukünftigen Generationen: sollten UNS die internationalen Philosophen und Philosophinnen neutral endlich beantworten – von der deutschen Politik, den PolitikerInnen bekommen wir hier als Volk keine zeitbewertende (entlastende?) Gegenwartsantwort in die Zukunft!

Maxim Biller legt sich das also alles nach seinem Ermessen und seinen Einschätzungen sehr maximal un/sachlich auf die ungeeichte Waagschale – zudem er dann auch noch zum Rundumschlag ausholt, in DIE ZEIT seine geistige Inhaltlichkeit mit rabiatem-rabulistischem Verve präsentiert: „Genauso passiv-aggressiv ging es dann immer weiter. 1998 schwäbelte der Asphaltliterat Martin Walser in die Mikrofone der Frankfurter Paulskirche: „Auschwitz eignet sich nicht dafür, Drohroutine zu werden.“ Womit Walser jedem Nazi, Ex-Nazi und Neonazi aus dem Herzen sprach – aber auch allen dunkeldeutschen Linken und Liberalen, für die die Gründung des Staates Israel ein ähnlicher Skandal war wie für ihre Vorfahren der Vertrag von Versailles. Was dann auch schon direkt zu Günter Grass führt, dem sozialdemokratischsten Literatur-Nobelpreisträger aller Zeiten. „Was gesagt werden muss“, überschrieb er 2012 polternd und evergreenhaft ein Anti-Israel-Pamphlet, das heute am Feuilleton-Stammtisch bekannter ist als alle seine Romane. Und was ist der Zitat-Klassiker aus der deutschen Serie „Bereuen ohne Reue“ im Jahr 2023? Er stammt von einem Provinzpolitiker namens Hubert Aiwanger und lautet: „Ich habe keine Hitlerreden vor dem Spiegel einstudiert…“

Und wenn dann Maxim Biller weiterhin feststellt: „Dass Aiwangers wankelmütiger, berechnender Chef (RvM: Söder ist damit gemeint) mit dem bohrenden Franz-von Papen-Blick nach dem Lesen von Aiwangers Entnazifizierungsbogen, der genauso blank war wie bestimmt auch schon der seines Opas und vieler Millionen anderer Deutscher, ihn als harmlosen Mitläufer einstufte, gehörte so gesehen voll und ganz in die Kategorie „Wir Deutschen müssen zusammenhalten“- Besonders mehrmals hat der RvM-Leserbriefschreiber die Worte des Maxim Biller einverdaut: „Und heute? Seit Deutschland leider nicht mehr von den Alliierten besetzt ist und die Deutschen wieder machen können, was sie wollen, kümmern sie sich auch noch selbst um ihre Entnazifizierung…“ Seien wir also dankbar, dass hier in Deutschland ein zugewanderter Maxim Biller den betroffenen Bio-Deutschen den wahrhaftigsten Spiegel aller bewahrenden Bespiegelungen vors (camouflierende) Gesicht hält, zudem in ihre (hellbraunen bis dunkelbraunen) Seelen schauen kann – und somit sich besonders mitbefugt fühlt zu seines Mitbruder Heinrich/Harry Heines Befinden über das Land der Deutschen: „Denk‘ ich an Deutschland in der Nacht/ Dann bin ich um den Schlaf gebracht…“

PS.: Mag sein, dass des RvM-Leserbriefschreibers persönliche Meinung hier (als unreligiöser, gottloser Mensch) nur als ein individuelles Tacheles-Reden/Schreiben unwesentlich subsumiert würde – dennoch: Hiermit schreibe ich es auf – ich kann nicht anders! Mea culpa – aber nicht schuldig (im Sinne einer persönlichen Mitschuld) an der deutschen Nazi-Vergangenheit! Entsetzt bin ich darüber, dass unsere Menschenart zu solchen bestialischen Vernichtungen von Menschenleben programmiert sein kann – welche Götter oder welcher Gott sind für diese Menschenkreationen verantwortlich… Hierbei noch glauben zu können – widerspricht jeder vernunftvollen, moralischen, ethischen, kulturellen Vorstellung! Warum nur wurde ich in dieses Menschendasein des Wahnsinns hineingeboren! „Sein oder Nichtsein“ – ist hierbei nur noch die unbeantwortbare, sinnentleerte Gegenfrage der unfreiwilligen, persönlichen Anwesenheit auf diesem Planeten des Fressen-und-Gefressenwerdens, des Mordens und des kollektiven Todes. Und Nietzsche philosophierte: „Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld

„Küsst die Faschisten wo ihr sie trefft“ ist eine Zeile aus dem Gedicht „Rosen auf den Weg gestreut“ von Kurt Tucholsky. Aus dem Jahr 1931. Die Verzweiflung Tucholskys über den heraufziehenden Nazi-Faschismus kommt darin zum Ausdruck. Die Ironie dieses Textes verstehe ich. Sie hat auch heute ihre Berechtigung. Doch zweifele ich, ob man den in der Wolle gefärbten braunen Ideologieträgern mit Ironie beikommen kann? Das wäre ja, als wolle man der AfD- und den „Freien Wählern“ und ihren 30 und mehr Prozent Spießgesellen die Frackschöße abschneiden. (Wie einst die Marx-Brothers).

Würden denn die Aiwanger-Versteher sich küssen lassen? Und er selbst? Würde sich als Kussopfer stilisieren und laut „sexual harrasment“ schreiend durch die Gegend laufen, der Arme. Wer glaubt, einen aufrechten Volksdeutschen, der kämpfend seine Demokratie der schweigenden Massen zurückerobern will (meine Demokratie ist nicht die deine), mit Knutscherei auf den Teppich zu kriegen, irrt. In der Adoleszenz gestörte Männer, deren Empathie nicht weiter als bis zum Inhalt ihrer Aktentasche reicht, in der etwas verbotenes entdeckt wurde, sind nicht erschüttert über die Bedeutung dessen, was da gefunden wurde. Sie würden nie denjenigen „verpfeifen“, der ihnen so bös mitgespielt und schlimme Dinge untergejubelt hat… und schon gar nicht den eigenen Bruder. Das widerspräche deutscher Ehre.

Im Nichtverpfeifen kennen Gauner und Moraljongleure sich besonders gut aus. Deshalb wissen sie ja auch von der großen Gefahr die angeblich von „Clans“ ausgeht. „La famiglia prima di tutto“. Wenn sie was zu befürchten haben zeigen sie mit „haltet den Dieb“ auf andere, von denen sie sicher sein können, daß auch die gleichgesinnten Volksgenossen diese als Verpfeifer, Schmierlinge und hinterhältige Schmutzler, kurz „Nichtwiewirdemokraten“, betrachten. Früher kam solch Gesindel ins Gefängnis, da wurde ihm das Maul gestopft. So denken rechte radikale reaktionäre Populisten immer. Aber nein, Herr Vizeministerpräsident, so denken Sie selbstredend überhaupt nicht. Ein Schelm, der sie so missversteht. Und der Herr Söder steht ja auch ganz auf ihrer Seite. Dann ist doch alles gut. Kein Problem, alles gut. Machens gut – und nix für ungut. Noch ein Busserl zur Nacht. Entschuldigung, war nicht so gemeint. Auf ein Neues. Prost allerseits.

Aber Halt: Geht es denn wirklich um Antisemitismus, was in der derzeitigen Aufgeregtheit dem Aiwanger vorgeworfen wird? Zumal man nicht mal weiß, wofür er sich entschuldigt hat. Für nix? Die Verharmlosung der Naziverbrechen? Wenn dieser ungeheuerliche, menschenverachtende Mördertext aus seiner Schultasche das Produkt einer kalten, zynischen Nazi-Phantasie ist, die nicht seine war, warum ist er dem dann nicht entsetzt nachgegangen, der die Flugblätter in seiner Schultasche „versteckt“ hat? Warum ist die Schulleitung dem nicht weiter nachgegangen, als dem „bösen Buben“ ein Zwangsreferat aufzuerlegen? Mit dem die „Sache“ dann erledigt und entnazifiziert war.

1987 war der gängige Spruch, etwas „bis zur Vergasung“ zu betreiben schon ein bisschen von den Stammtischen und aus dem allgemeinen unüberlegten Sprachgebrauch entfernt. So was sagte man nicht mehr. Auch Arbeitslosen mit dem Zitat „Arbeit macht frei“ oder „Jedem das Seine“ zu begegnen gehörte dazu. Kommt das alles wieder?

Geht es denn um „Semiten“ in dem Text? Nein, es geht um Menschen wie dich und mich, denen als Wettbewerbsgewinner die scheußlichen Preise in Aussicht gestellt werden. Kann die zynische Gewinnausschreibung des Erschießens und Verbrennens bei lebendigem Leib als Anstiftung zum Mord verstanden werden? Nun ja… derart bedroht zu werden kann ich nur als Androhung meines Todes verstehen. Und wird sowas nicht gerichtlich verfolgt? Kann man Aiwangers Bruder deswegen noch anzeigen. Er hat sich ja zu dem Text bekannt. Oder ist das nur eine landsmannschaftliche Humorverschärfung. Aiwanger und mit ihm viele braun grundierte Geistesverwandte sollten wegen ihrer offensichtlichen Persönlichkeitsstörung zur Ordnung gerufen werden. Nicht die Jugendblödheit sollte man vorwerfen, sondern sein gegen- und widerwärtiges Verhalten.

Der Versuch, sich Mangels Reife, Reflexionsfähigkeit und Empathie aus der Geschichte herauszuwinden und mit dem Vorschieben anderer Personen und Verletzungen von Fehlern abzulenken, macht Figuren wie Herrn Aiwanger für ein hohes politisches Amt und als Vorbild untauglich. Der Zustimmungszuwachs zu den autoritäts-fixierten Ausgrenzern auf der rechts der christlichen Parteien angesiedelten Fliegenschiss-Seite ist erschreckend. Das ist das Elend mit den faschistisch geprägten Volksdeutschen vor denen Tucholsky in seinem Gedicht „Rosen auf den Weg gestreut“ warnt.
Manfred Kramer

Den Beitrag von Maxim Biller habe ich mit großer Zufriedenheit gelesen. Er gibt eine Vorstellung davon, wie sich die Deutschen jüdischen Glaubens in einem Deutschland fühlen müssen, in dem vor allem von Seiten der CDU/CSU immer mehr Protagonisten – ihre Vorsitzenden stramm voraus – ihr Heil(!) weiterhin darin suchen, sich an die so genannte „Alternative für Deutschland“ ranzuwanzen. Nachdem die de facto nie wirklich existiert habende „Brandmauer gegen rechts“ längst kein Thema mehr ist und die letzten Ruinenstücke niedergetrampelt wurden, wird es gruselig-spannend sein mitzuerleben, wie sich CDU/CSU der Illusion hingeben, sie könnten Leute vom Kaliber eines B. Höcke „einrahmen“, um aus Ihrem Artikel „Das Land der ungewollten Revolutionen“ in derselben Ausgabe zu zitieren. In diesem Sinne wünsche ich mir viel mehr Beiträge von Maxim Biller!
Susanne Göttker

Wäre ich Abonnent der „Zeit“, hätte ich dieses nach Lektüre des maßlosen, völlig unqualifizierten Artikels „Bruder Aiwanger“ von Maxim Biller sofort gekündigt. Es ist mir unverständlich, dass eine sich seriös gebende Zeitung diesen fast hetzerisch zu nennenden höheren Blödsinn veröffentlicht. Nur als Beispiel: Biller lässt sich über den „bohrenden Franz-von-Papen-Blick“ Söders aus, was offenbar ein von Biller neu eingeführtes Erkennungsmerkmal für Rechtsradikalismus sein soll. Nun weiß man, dass Franz von Papen einer der Steigbügelhalter Hitlers war. Will Biller insinuieren, dass Söder/Franz von Papen einem neuen Aiwanger/Hitler in den Sattel helfen will. Der Versuch einer solchen historischen Analogie mutet geradezu schwachsinnig an. Und dass Söder oder Aiwanger einen Weltkrieg in den Sand setzten oder dies beabsichtigen, ist mir bisher nicht aufgefallen.  Was Zitate angeht (Nolte, Walser), so sollte sich Biller an folgenden Spruch (vielleicht von Groucho Marx) erinnern: Ich glaube Zitate nur, wenn ich diese selbst erfunden oder aus dem Zusammenhang gerissen habe. Der Biller-Artikel: Ein Tiefpunkt des deutschen Meinungsjournalismus; ich vermute, dass Herr Biller eine Therapie braucht.
Hubert Kolb

Die Lektüre des Artikels hinterlässt mich ein bissl ratlos, weil ich nicht habe ergründen können, was der Autor eigentlich aussagen will. Zwar weist der Artikel einige sehr schöne Passagen auf, z. B., wenn er die stereotypen Reaktionsweisen der dt. Medien kritisiert. Aber davon abgesehen, ist der Artikel ein ziemliches Gemenge: Schönhuber, Nolte, Walser, Grass, Wehrsportgruppe Hoffmann, Thomas Mann, Söder usw. Besonders verstörend empfinde ich, dass der Autor sich selbst legitimierend (Gute, Wahre, Schöne) und sich auf die Aufklärungen beziehend, von Asphaltliteraten und von Termiten spricht, waren es nicht vor vielen Jahren „Läuse“, und damit die Aufklärung, auf die er sich beruft, verhöhnt. Nein, es sind Menschen und die haben eine Würde, die nicht veräußerlich ist, egal, was für einen Bockmist sie machen oder äußern. Deutschland sei von den Alliierten besetzt gewesen, sagt Biller. Unabhängig davon, ob das so stimmt (s. R. v. Weizsäcker), wird sich Frau Weidel freuen, wenn sie das liest.

Zudem verteidigt der Autor das deutsche Reinheitsgebot: Einmal Nazi, immer Nazi, wobei er aber immerhin Thomas Mann zugesteht, dass er sich geändert hat (Demokrat). Warum sollte das anderen nicht gelingen? Da Biller auf Chaplin verweist, hätte er auch eine andere Herangehensweise wählen können, nämlich Nietzsches „Lachen tötet“ (neben Chaplin u. Nietzsche wären zu nennen Arendt, Brecht, Hasenclever, Hilsenrath). Neben den gerade genannten problematischen Abschnitten weist der Artikel historische (Nazifizierung/ Entnazifizierung) und psychologische (der sudetendeutsche Großvater) Detaillücken auf, die den Aussagewert weiter reduzieren. Heinrich Heine sagte, nicht gedacht, soll seiner werden. Trifft das nicht auch auf Aiwanger zu? Warum diese Reaktion, die leider in ihrer Stereotypie, den von Biller kritisierten Medienreaktionen ähnelt?
Gerd- Rüdiger Erdmann

Warum ist nicht Maxim Billers großer Text zur Aiwanger-Affäre auf der Titelseite der Zeit? Stattdessen die zwei dünnen Texte ‚Die Weltordnung ist multipolar (und zwischen zwei geopolitischen Modellen nimmt man zwischendurch keine Struktur war) – a.k.a. ‚schlechte Hausarbeit im Politikstudium ca. 2003‘) und ‚Fußball-Nationalmannschaft stell Dich nicht so an (andere Sportarten haben sich auch durchgebissen, hab ich zufällig Sonntagnachmittag im ZDF gelernt)‘. Schade, dass eine vertane Chance auf Relevanz und mal wieder die Frage, warum dafür jemand 6,80 € die Woche zahlen sollte, selbst wenn dieser jemand vom Wert einer Wochenzeitung eigentlich überzeugt ist.
Christoph Adam

Hubert Aiwangers Verhalten als 14jähriger Gymnasiast (1985) zu seinem Mitwirken an einem Flugblatt im Zusammenhang mit seinen fadenscheinigen Erklärungen, lässt sich nicht entschuldigen. Die Gefahr besteht, da jeder von uns Jugendsünden mit sich herumträgt und dadurch leichtfertig Nachsicht walten lässt. Nicht die Jugendsünde ist das eigentliche Problem, sondern der Umgang damit im erwachsenen Alter. Und damit hat sich Herr Aiwanger als Politiker, ganz klar diskreditiert. Max Biller müssen wir dankbar sein für seine vielschichtige Analyse (schuldzuweisen, verdrängen, wegschauen, in Ruhe gelassen werden) zum Faschismus in unserer Gesellschaft. Warum wollen wir auf dem Auge blind sein? Lassen Sie uns wachsam sein, damit das „Fundament unseres schönen demokratischen Hauses“ nicht zerstört wird. „Wehret den Anfängen: In Wahrheit sind wir schon mitten drin!“
Ulrich Schuberth

In dem Artikel „Bruder Aiwanger“ schreibt Herr Biller u.a. „Seit Deutschland leider nicht mehr von den Alliierten besetzt ist“ und die Deutschen wieder machen können was sie wollen u. U. auch die Entnazifizierung. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass es besser wäre, die Alliierten kämen zurück; auch die Russen würden wieder einmarschieren. Für mich hat Herr Biller jede Legimitation verloren weiter als freier Journalist zu arbeiten; er sollte sich an sein Versprechen halten, nach dem Einmarsch in der Ukraine nicht mehr schriftstellerisch zu arbeiten. Bitte stellen sie auch seine Kolumne „Über den Linden“ ein. Wenn er so über Deutschland denkt, soll er nach Israel auswandern. Dort hat er viel zu kritisieren.
Gerhard Eggert

Maxim Bieler schreibt: „Seit Deutschland leider nicht mehr von den Alliierten besetzt ist, und die Deutschen wieder machen können, was sie wollen …“ Recht hat er! Auch ich mache, was ich will, erspare mir solche Beleidigungen und kaufe bis auf weiteres keine ZEIT mehr. Wie können Sie nur eine solche pauschale Herabsetzung veröffentlichen?

Hans-Peter Kipfmüller

Ein Meisterwerk! Jedem Bayern und Deutschen zur Selbstreflexion empfohlen. Doch was wollten Söder und Aiwanger mit dem Spektakel bewirken? Sie wollten die geradezu kindlich anmutende bayerische Obrigkeitshörigkeit – psychologische Grundlage für jede rechte Denkweise – in den Köpfen der Wähler festigen. Der LandesVATER rügt das “pubertierend Familienmitglied”. Der bayerische Wähler hat seit weit über 60 Jahren keinen echten politischen Wandel mehr herbeigeführt. Der stete Wandel ist aber das wesentlichste Element einer funktionierenden Demokratie. Sie und ihre Vielfalt zu erhalten, ist oberste Aufgabe des Wählers.

Bezogen auf den demokratischen Wandel sind Bayern und Bremen die absoluten Schlusslichter unter den deutschen Bundesländern und das hat mittlerweile spürbare Auswirkungen auf beide. Nationalbewusstsein ist ein Mangel an Selbstbewusstsein. Und diese Lücke im Selbstbewusstsein wird von rechten, also konservativen Parteien gerne mit völkisch bayerischem zugemüllt. Das schafft Identifikation mit rechts und bewirkt, dass der Wähler sich nicht als Souverän der Politik, sondern als Untertan begreift. Der (Landes-)Vater rügt den Sohn (den kleinen Aiwanger) und mit dem kann man sich nun auch noch als wählender Untertan identifizieren. Die CSU verliert zwar ein paar Stimmen, aber sie bleiben ja in der (rechten) Familie. Und acht Wochen später ärgert sich, der in der landespolitischen Wirklichkeit aufwachende Wahlbürger über die konservative rückwärtsgewandte Inhalts- und Phantasielosigkeit, wie bei fast jeder Wahl seit über 60 Jahren in Bayern. Doch zu den Größten, der größten Partei zu gehören, stärkt dann doch wieder das unterwürfige Wähler-Selbstbewusstein und alles Inhaltliche bestimmt so oder so der Größte, der Landesvater. Liebe bayerische Frauen, bitte wacht auf, seid selbstbewusst und stellt diesen bayerischen Biergarten-Brunftton ab. Nur Mut, ihr seid die meisten, ihr könnt das.
Uwe Jansen

Wie gewohnt, stilisiert sich Herr Biller wiederum als der einsame (jüdische) Kämpfer gegen jeglichen vermuteten und tatsächlichen Neo-Nazismus in Deutschland. In diesem Zusammenhang aber Martin Walser (über den man durchaus unterschiedlicher Meinung sein kann) mit dem infamen Nazi-Schlagwort „ASPHALTLITERAT“ zu bezeichnen, disqualifiziert den Verfasser in seiner Pose.
Hans-Peter Lochocki

«Deutschland guckt in den Spiegel und sieht einen Mann mit kleinem dunklem Bart» behauptet Maxim Biller. Das kann man als Anlass sehen, selbst in den Spiegel zu gucken. Nun, es gibt eine ganze Reihe von Dingen, die ich nicht verstehe. Ich meine, dass der Mann mit dem kleinen dunklen Bart und überhaupt die Nazipartei das grösste denkbare Unglück über Deutschland gebracht haben. Zu diesem Unglück zählt vor allem die Schuld für die verübten ungeheuren Verbrechen. Auch meine ich, dass es im nationalen Interesse ist, Begriffe, ja auch Ideen, die damals genutzt wurden, heute nicht oder nur mit grosser Vorsicht zu nutzen. Das schliesst nicht aus, dass es trotzdem kein Redeverbot geben darf, bei Themen, die besprochen werden müssen. Auch bin ich der Meinung, dass man bei einer Lösung des Konflikts um Palästina und Israel das Thema Demographie berücksichtigen sollte. Es geht etwa  ums Vergleichen der Zahl der aus Ländern Afrikas und des Nahen Ostens vertriebenen Juden mit der Zahl der Palästinenser, die Israel verlassen mussten. Zudem geht es auch darum, dass die miserablen Lebensbedingungen etwa im Gaza-Streifen auch eine Folge der hohen Geburtenrate ist.

Unmittelbarer Anlass für diesen Brief ist allerdings ein Satz aus einem Artikel der heutigen Basler Zeitung (20.9.2023) «Alijew will Berg-Karabach in die Knie zwingen». Dieser Satz lautet «Zudem berichteten Medien über zahlreiche Frachtflüge aus der Türkei und Israel nach Aserbeidschan – vermutet wurden Waffenlieferungen der beiden Verbündeten Aserbeidschans.» Nun habe ich ein gewisses Verständnis dafür, dass Aserbeidschan 2020 grosse Gebiete zurückerobert hat, die mit Unterstützung Russlands 1992 bis 1994 von Armenien erobert wurden (im Nachhinein – was die genannten Gebiete betrifft – ein Bärendienst). Hingegen fehlt mir das Verständnis fürs Unterstützen einer militärischen Endlösung im Falle Berg-Karabach. Notwendig ist internationaler Druck, eine politische Lösung zu finden, die nicht zu einer Vertreibung führt. Israel als Verbündeter Aserbeidschans könnte dabei eine Rolle spielen. Allerdings kommt diese Meinung vielleicht auch daher, dass man – als Erbe einer grossen Schuld – trotzdem oder gerade deswegen von Israel mehr erwartet als von anderen Nationen.
Gernot Gwehenberger

Ihren sehr von Einäugigkeit geprägten Ausführungen kann man nur die Beilage der ZEIT Nr. 39 vom 14.09.23 empfehlen. Darin wird sehr objektiv über Jugendsünden im Allgemeinen und im politischen berichtet, wir alle sind davon nicht ausgenommen, auch ein Herr Aiwanger nicht. Was ich aber erstaunlich finde, ist die Tatsache, dass für Sie offenbar die Jugendsünden der Politiker der heutigen Partei „Die Linken“ und „Bündnis 90“ nicht zu existieren scheinen. Die nach folge Organisation der HJ.- die FDJ- hat wird von Ihnen überhaupt nicht erwähnt, geschweige denn, deren daraus hervor gegangenen Politiker. Mir einigen dieser rechtsradikalen, stalinistischen Faschisten koaliert die SPD heute, ja sogar mit ehemaligen Mitarbeitern der SED-Gestapo, der Stasi. Offensichtlich ist dies für Sie aber in Ordnung, vielleicht sollten Sie selbst einmal Ihre demokratische Grundeinstellung überprüfen.
Georg Sittig

Ihr sich selbst berauschender Furor ähnelt bedenklich dem des Männchens mit dem Stummelbart. Hat sich der Aufreger für Ihre psychologische Gesundheit gelohnt? Die Diffamierung von Millionen, die Sie nicht kennen, sehe ich sehr, SEHR eng. Wäre ich Jurist würde ich mir überlegen, eine Klage gegen Sie anzustrengen. Strafsumme: einen Euro, zu zahlen an mehrere Millionen Deutsche. Zu spenden an Institutionen, die für ein friedliches Miteinander von Menschen verschiedenen Ursprungs kämpfen.
Christa Figge


Leserbriefe zu „Müssen Kinder siegen lernen?“ Streit von Konstantin Kuhle und Heike Ackermannm, moderiert von Peter Dausend und Mark Schieritz

Für mich waren Bundesjugendspiele ein Gräuel. Mein Bruder (sel.)  sammelte Urkunden – ich nicht. Einem Sportlehrer sollte ich mal sagen:  „Schade, dass Arminia (Bielefeld) verloren hat“. Die Ohrfeige vergesse ich bis heute nicht. Ich war reingelegt worden. Mit einem sportlichen Mitschüler hatte ich mich befreundet, um nicht bei der Mannschaftsaufstellung nach der Methode Pisspott der letzte Aufgerufene zu sein (die beiden Sportstars gingen Fuß auf Fuß aufeinander zu – der letzte passende Fuß hatte die Erstwahl). Diese Freundschaft entwickelte sich. Ich konnte ihm in Mathe u. Physik helfen: Ich 2 er 4. Er ist später ein prominenter Physik-Prof in Kassel (u. im Beirat) in Sachen Nano-Physik geworden. Ein bisschen Ehrgeiz habe ich beim Schwimmen entwickelt -bis zu DLRG-Schein. Aber das war nicht gegeneinander, sondern miteinander, mit anderen Bewerbern.  Die sportlichste Zeit war in der Zeit bei der Bundeswehr, viel frische Luft, Absolvierung der „Beamtenlaufbahn“ (gerade so, Hindernisstrecke), Manöver in der Natur, Vermessung der Zielgenauigkeit der Honst-John-Raken in der Lüneburger Heide. Später war ein Mitbewohner BW-Arzt und konnte auf dem Sportplatz einer nahen Kaserne laufen – er zehn Runden, ich drei. Später Wandern ja – Sport nein.  Die Motivation von Kindern auf Fuß- oder Handballstars find ich falsch.  Die Imagination, Medaillen dienten der Reputation Deutschlands, halte ich für eine Variante des Nationalismus.
Gerhard Schroeder

Was trägt bei und was schafft die Voraussetzungen zur Leistungsbereitschaft? Das ist sicher nicht der Misserfolg. Daraus resultiert, dass beim Sport bei denjenigen, die dafür talentiert sind, natürlich Leidenschaft und Freude dominieren, wenn sie in der ersten Reihe stehen. Es sei ihnen von Herzen vergönnt. Wie fühlen sich diejenigen, die mit Mühe und wachsender Mutlosigkeit versuchen auch so weit oder so hoch zu springen und dennoch immer ganz hinten aufschließen? Motivation wächst dort nicht. Ich kenne das aus meiner eigenen Schulzeit. Ich bewege mich heute im 70-sten Lebensjahr noch mit Begeisterung mit Fahrrad oder Bergstiefeln bergauf und bergab – 1000 Höhenmeter sind eine schöne Herausforderung und ein alpiner Klettersteig der Schwierigkeit D oder E löst Vorfreunde aus. Nur: Der Sportunterricht mit Stoppuhr und Meterstab hat zu dieser Leidenschaft nicht das Geringste beigetragen – die Freude an der Bewegung habe ich trotz Sportunterricht und nicht auf Grund des Sportunterrichts. Alle klassischen Disziplinen waren nie mein Ding.

Leistung wird möglich, wenn diese überwiegend Freude macht und dort gefordert wird, wo persönliche Stärken liegen. Leistung im Beruf lässt sich meist nicht an so klaren Messwerten wie im Sport messen. D.h. es gehört auch eine ganz anders geartete Motivation dazu. Der Erfolg misst sich z.B. daran, Kunden fair zu behandeln und damit zu gewinnen, überzeugend und motivierend Unterricht gestalten zu können, mit Kollegen auch in Konfliktsituationen gut zu kooperieren und strukturiert denken zu können, Fachkunde stets aktuell zu halten, konsequent auch „dicke Bretter zu bohren“ und nicht zu verzagen, wenn mitunter ein Misserfolg alle Mühen zunichte macht. Ich spreche aus der Erfahrung als ehem. leitender Angestellter in einem Großbetrieb. Wir brauchen keine Siegertreppe, um bei Schülern ein Gefühl für Leistung zu entwickeln. Die Montessori-Pädagogik hat sehr gute Erfahrung damit, dass sich Schüler selbst einschätzen – das Selbsturteil ist meist identisch mit dem des Lehrers oder sehr nahe dabei. Die Fähigkeit zu einer realistischen Selbsteinschätzung ist viel wichtiger als ein (pseudo-)objektives Messystem, das oftmals nicht überzeugen kann.
Tilmann Wolf

Als FDP-Fraktions-Vorstand, Jurist und Berufspolitiker vertritt Herr Kuhle den gängigen Kapitalismus-Kodifizierter. Es fehlt die soziale Kompetenz!
Werner Glos

Müssen Kinder siegen lernen? Natürlich nicht. Sie müssen lernen, mit Sieg oder Niederlage entweder demütig oder souverän umzugehen. Neulich kam ich an einem Bolzplatz vorbei. Grundschulkinder beim Fußball. Spielfreude und Kampf um den Ball. Torjubel und Ärger. Geweint hat niemand. Fazit: Aufm Platz ist kein Platz für Pillepalle-Pädagogik.
Kurt Eimers

Wissenserwerb als Wettkampf gegen die Mitschüler, was für eine kranke Idee. Der Maßstab ist doch das Einmaleins und nicht, wie die Mitschüler damit umgehen. Die Thermodynamikklausur besteht im Kampf mit der Aufgabe, nicht im Vergleich mit den Kommilitonen. Dafür wäre auch gar keine Hirnwindung frei. Hätte der Studienerfolg darin bestanden, die anderen auszustechen, hätte ich es mir verkneifen müssen ihnen Tipps für die Konstruktionsaufgabe zu geben. Was wäre ich denn für ein Mensch, wenn ich so dächte?
Hans List

Selbstverständlich spricht sich Konstantin von Kuhle gegen neue Regeln bei den Bundesjugendspielen aus, die das Leistungsprinzip einhegen sollen und somit bei wahrscheinlich vielen Grundschulkindern den Spaß an Spiel und Bewegung vergrößern. Anerkennung soll dasjenige Kind bekommen, das im Schulsport herausragt, am schnellsten rennt, am weitesten wirft. In der Vorstellung von Politikern der FDP darf es eines nämlich nicht geben: eine Welt ohne Individuen, die „ganz oben“ sind. Läge man falsch, wenn man unterstellt, das von Kuhle bei ebenjener Anerkennung bereits die Leistungsbelohnung durch Spitzengehälter im späteren Leben mitdenkt? Er macht sich Sorgen, ob die Wertschätzung und Anerkennung von Spitzenleistungen noch so seien, wie sich das die Menschen wünschen. Aber wünschen sich die Menschen nicht eher, dass Spitzenleistungen nicht zu vulgärem Reichtum führen, also quasi, dass sie etwas weniger anerkannt werden? Egal, die geäußerte Sorge soll sein Engagement bei der Bewahrung bestehender Verhältnisse begründen. Gewinner und Verlierer soll es weiterhin geben, auch in der Grundschule.
Benjamin Klimaschewski

Die Bewertung der Leistungen in der Schule, im Studium mit Noten boten mir die Möglichkeit der Standortbestimmung. Sie waren Grundlage für eine kritische Selbsteinschätzung und persönliche Entscheidungen über künftige Schwerpunkte meiner Arbeit. Nicht selten erleben Schüler und Schülerinnen, die nie selbst Entscheidungen treffen mussten, ein Trauma, wenn sie sich für den weiteren Bildungsweg, für einen Beruf entscheiden müssen. Diese Probleme werden ohne fortlaufende Bewertung der Leistungen durch Noten zunehmen. Experimente mit Kindern, Schülern, Studenten halte ich für unverantwortlich gegenüber den Betroffenen.
R. Reiger

Das Gerede der FDP und der CDU von der mangelnden Leistungsbereitschaft nervt einfach nur. Das ist doch nur populistisches Geschwätz von denjenigen die sich für die Leistungsträger dieser Gesellschaft halten. Was ist denn Leistung? Leistung lässt sich nicht nur in Einkommen, Medaillen oder Karriere messen.
Olaf Goldschmidt

Allein schon die Leistung zu verwässern, indem man nicht genau misst, ist schon schlecht. Gute Schüler könnten dadurch „keinen Bock“ mehr haben und beim Weitsprung Scherzsprünge machen, statt ihre beste Leistung zu zeigen.  Um die Argumente von Fr Ackermann zu berücksichtigen mein Vorschlag: neben der nicht wegzulassenden genauen Individualwertung andere Teamwertungen einführen, z.B. Klassen gegeneinander. Das stärkt das Teamgefühl und die weniger guten haben die Chance im Team eine bessere Bewertung zu bekommen. Leistungsschwache würden dann auch von ihren Teamkollegen angefeuert, um die eigene Teamleistung zu verbessern, und sie könnten sich im Team auch anders profilieren, indem sie sich bei anderen Begleitaufgaben mehr engagieren (Aufräumen, Getränke holen, usw.)

Im Sport gilt seit Jahrtausenden: Körper und Geist zu stärken und bei Wettbewerben die Leistung nach vorher festgelegten Kriterien zu messen. Das hat sich bewährt. Spaß an der Bewegung zu vermitteln ist nicht die Aufgabe des Wettbewerbs, sondern die Voraussetzung, die z.B. im Schulunterricht (nicht nur Sportunterricht) und im Elternhaus vermittelt werden soll. Weil sich das bei einer bildungsfernen Minderheit problematisch gestalten kann, darf doch nicht deswegen das ganze System abgeschwächt werden! Da sind dann ggf gezielte Fördermaßnahmen notwendig, die auch Geld kosten können. In diesem Zusammenhang ist zu überlegen, wie wir unser Geld verteilen wollen. Stichwort: für 2024 plant der Bund 127 Mrd. EUR für Rentenversicherung und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, was knapp 30% des gesamten Bundeshaushalts entspricht. Und das, obwohl die meisten Rentner arbeitsfähig wären und Arbeitskräftemangel herrscht.
Christian Voss

Beim Gespräch über die Bundesjugendspiele zeigt Konstantin Kuhle als stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion im Bundestag exemplarisch auf, dass seine FDP eine Partei der Ich-linge ist, die für das Wir nur Müssens- und Solltens-Perspektiven übrig hat. Selbst der letzte Punkt „gehört“ offensichtlich ihm. Seine Beiträge starten:

Ich…

Wenn ich…

Dann müssen wir…

Ich…

Ich…

Ich…

Meine Mutter… Ich… Ich… Ich…

Wir sollten…

Noten sind…

Ich…

Das gilt…

Ich…

Mein Punkt…

Ich wünsche ihm alles Gute für seinen nächsten Schritt zur Menschlichkeitsentwicklung, bei der auch Mitgefühl und Mitmenschlichkeit einen Raum haben.
Lars Anken

So wie ich es auf Grund meiner Erfahrung aus meiner Schulzeit verstehe, besteht der Sinn der Bundesjugendspiele darin durchzumessen, wie schnell die Schüler laufen, wie weit sie werfen und wie weit sie springen können. Meistens kam ich damals auf (insgesamt) 17 Punkte, das war nicht viel. Ich bin auch in den neun Jahren am Gymnasium nicht besser geworden, und ich hatte mich ziemlich schnell damit abgefunden, dass ich mit meinen körperlichen Veranlagungen eben Pech gehabt hatte. Ich weiß bis heute noch nicht, was mein Sprungbein ist, vermutlich habe ich keins. Im Laufe der Zeit hatte ich akzeptiert, dass ich sportlich eine Flasche bin. Durch diese Erkenntnis waren die Bundesjugendspiele eher kein Problem für mich. Irgendeinen Ehrgeiz, im Sport besser zu werden, hatte ich damals nicht entwickelt, denn den Frust und die Blamagen, die ich mir trotz Anstrengungen vormittags im Sportunterricht einholte, wollte ich nicht auch noch in meiner Freizeit zum Beispiel in einem Sportverein erleben. (Wenn man nicht singen kann, geht man ja auch nicht in einen Chor.) Für das Selbstwertgefühl war das natürlich eine harte Herausforderung.

Übrigens lebe ich ziemlich gesund, ohne nach dem Abitur jemals wieder Sport betrieben zu haben (welche Sportart auch immer?), während ich in meinem Bekanntenkreis viele kenne, die durch ihren Sport Knie oder Hüfte oder Fußgelenke überstrapaziert haben und deshalb kein Tennis oder Fußball mehr spielen können. Man muss wirklich nicht unbedingt Sport betreiben, um gesund zu leben. Wenn der Sinn des Sportunterrichtes darin bestehen soll, dass die Schüler Freude an der sportlichen Betätigung finden, hätte der Sportunterricht damals ganz anders aufgezogen werden müssen. Wie soll man Spaß an einem 1000m-Lauf gewinnen, wenn man sich danach hundeelend fühlt? Wie soll man Spaß haben, wenn man sich mit seinen Sprung- und Wurfweiten nur lächerlich macht?

Ich finde, bevor man über den Sinn der Bundesjugendspiele nachdenkt, sollte man zuerst klären, wie der Sportunterricht mit den sogenannten unsportlichen Schülern umgehen soll. Ich finde, da liegt auch heute noch einiges sehr im Argen. Eine Sportlehrerin sagte einmal zu mir, dieser Schüler wird nie Spaß am Sport haben. Damit war für sie der Fall erledigt. Und eine andere Lehrerin hatte einmal bei den Bundesjugendspielen einem Jungen nach dem 100m-Lauf hinterhergerufen: „Du läufst wie ein Mädchen!“ – So verletzend können Bundesjugendspiele sein.

Eine Bemerkung noch zu Herrn Kuhles Schlussbemerkung. Für ihn scheint der gesellschaftliche Bereich ein dauernder Wettkampf zu sein unter dem Motto: wer bringt die besseren Leistungen. Was ist dann aber mit den Menschen, die bei diesem Wettkampf nicht mithalten können? Ich hatte für mich damals als Schüler keine Möglichkeit gesehen, zu sportlichen Leistungen zu kommen, und hatte auf der ganzen Linie resigniert, und mir hat keiner geholfen, am wenigsten der Sportlehrer. Wo ist in Herrn Kuhles Weltbild Platz für solche Schüler?
Felix Schumacher

Zur Abschaffung der Bundesjugendspiele haben auch die körperlichen Defizite der Kinder geführt, die sich verständlicherweise frustriert abgewendet haben. Ausgelöst werden die Leistungseinbrüche durch Übergewicht und Bewegungsmangel. Um diese Mängel zu bekämpfen, müsste man z.B. eine Zuckersteuer und ein Verbot von Werbung für gesundheitsgefährdende Lebensmittel, das der Landwirtschaftsminister fordert, durchsetzen. Doch wer verhindert das? Die FDP. Ein kaum zu lösendes Problem stellt der hohe Medienkonsum dar, der zu weniger Bewegungserfahrungen führt – vor allem bei Kindern aus prekären Verhältnissen. Interessante Alternativen zu bieten, kostet viel Geld. Zumindest für diese Gruppe verhindert die FDP-Linderungen, z.B. bei der Kindergrundsicherung! Höhere sportliche Leistungen zu fordern, aber die Voraussetzungen dafür zu blockieren, das geht nicht, Herr Kuhle.
Christian Tanzmann

Was mich fassungslos macht?: Eine Diskutantin, Frau Ackermann, ihres Zeichens Gewerkschafterin (GEW) und Lehrerin, die sich gegen leistungsorientierte Bundesjugendspiele in Stellung bringt und dabei unreflektierte Behauptungen von sich gibt sowie Widersprüche propagiert. In offensichtlicher Unkenntnis dessen, was eine Traumatisierung für wirklich betroffene Menschen an Leid bedeutet, behauptet Frau A., dass Kinder „mit dem Druck, gewinnen zu wollen oder vielleicht sogar zu müssen, und nicht verlieren zu dürfen,“ … „regelrechte Traumata“ erleben. Diese Aussage zeugt von peinlicher Unwissenheit der pädagogischen sowie klinischen Traumatologie und verachtet in ihrer Lapidarität alle Menschen, die tatsächlich Traumata erlitten haben und in nicht geringer Zahl den Sport – und auch den, der sich vergleicht – als heilsame Ressource gefunden haben! Viele Menschen haben aktuell genau diese heilsame Komponente des Leistungsvergleichs in einem breit rezipierten Sportereignis, den ‚Invictus Games‘ in Düsseldorf, öffentlich bewundert.

Heike Ackermann bekennt sich drei Spalten zuvor zur „Leistungsgesellschaft“ und konstatiert: … „und die Kinder bringen jeden Tag ihre Leistung und werden auch jeden Tag von uns, den Lehrerinnen und Lehrern, dafür wertgeschätzt“. Abgesehen davon, dass Wertschätzung für Leistung in der Schule ein anderes Thema ist, das gänzlich neu diskutiert werden müsste, frage ich mich, ob Frau A. eigentlich merkt, wie widersprüchlich sie auftritt: Ausgerechnet im Sportunterricht soll das Erbringen von vergleichbaren Leistungen nicht mehr gelten, da es dort nur noch um „Spaß und Freude an der Bewegung“ gehen soll?

Klinische Evidenzen sowie Studien zur Wirksamkeit von Sport stellen sich sehr anders dar: Gerade Kinder, die sich – durch sportliche Regeln normiert – körperlich messen (dürfen!), erleben besonders im sportlichen Wettstreit mit anderen ihre Kraft, ihre Selbstbehauptung, ihre Selbstwirksamkeit, sie entwickeln Teamgeist, lernen Fairness und Regeln, miteinander und – ja, auch gegen (!) andere zu kämpfen. Sie können leiblich erfassen, dass es Spaß macht, sich anzustrengen, dafür Applaus zu erhalten – und zu zeigen: Ich kann was! Das Akzeptieren von übergeordneten Regeln, die eine fair ausgehandelte Rangordnung erlauben, hilft genau den Kindern, die Frau Ackermann adressiert: denen, die aus sozial schwächeren Milieus kommen! Es wird aber auch erlernt, was es bedeutet, Frustrationstoleranz zu entwickeln!

Die Fülle an Plattitüden, die Frau Ackermann sonst noch von sich gibt, ließe sich trefflich fortführen. Nur diese noch: Kinder, die schlecht in Mathe seien, seien dies „in der Realität“ auch im Sport. Wie bitte? In welcher Realität hält sich Frau Ackermann auf? Der Mit-Diskutant, Konstantin Kuhle, seines Zeichens Jurist und FDP-Vertreter, erscheint mir persönlich zu wenig konfrontativ und bricht wirklich keine Lanze für das, was Kinder (auch) brauchen: die Leidenschaft und Leistungsbereitschaft zur emotionalen und sozialen Kompetenzsteigerung – auch mit körperlichen Mitteln!
Sabine Trautmann-Voigt

Mit dem Vertreter der FDP eröffnete und beendeten Herr Dausend und Herr Schieritz das Gespräch der beiden Protagonisten. Warum? Sollte damit bereits eine Richtung angegeben werden? Frau Ackermann hatte gute Argumente, kam aber nicht so recht durch. Leider. Wo Sieger sind, gibt es auch immer Verlierer. Fast 50.000 Schulabbrecher, also Verlierer, erzeugt unser Bildungssystem jedes Jahr. Oft finden sie keinen Ausbildungsplatz mehr und sind auch meistens nicht motiviert, Bildungsabschlüsse nachzuholen, was unseren Staat viel Geld kostet.

Im Sportunterricht wird ja nicht für Wettbewerbe trainiert, sondern es geht um das Kennenlernen und die Nutzung vielfältiger sportlicher Aktivitäten, Bodenturnen, Leichtathletik, Ballsportarten, Tischtennis, Tennis, Geräteturnen, Schwimmen uvm. In erster Linie ist das Ziel Freude an der Bewegung und an Mannschaftsspielen zu wecken und einen Ausgleich für einen Unterricht zu schaffen, der in den meisten Schulen leider immer noch durch Bewegungsmangel gekennzeichnet ist. Gute SportlehrerInnen empfehlen talentierte SchülerInnen an Vereine, wo sie in einer Sportart gefördert werden. Auch bieten Ganztagsschulen Leistungskurse und AGs an. Einerseits kann die Schule zusätzliche Angebote machen z.B. in Zusammenarbeit mit den Sportvereinen, aber auch   eine gute Zusammenarbeit mit den Eltern hilft, so sie ihr Kind außerschulisch fördern können.

Sportfeste können selbstverständlich den Kindern, die sich messen wollen, Angebote machen im Laufen, Werfen usw. Alle SchülerInnen sollten aber selber eine Wahl treffen, in welcher Sportart sie ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen möchten. Zusätzlich regen Spiel- , Spaß- und Bewegungsangebote dazu an, sich mit Freude und Begeisterung  zu beteiligen, ohne dass die individuelle Leistung in den Vergleich zu anderen gesetzt wird. Gerade in jungen Jahren werden Kinder mit frühen Verlierer-Erfahrungen unnötigerweise zu Leistungsverweigerern auf unterschiedlichen Ebenen. Und es sollte doch die Aufgabe der Schule sein, jedes Kind zu ermutigen, sein Bestes zu geben, ohne dass es für eine vergleichsweise schwache, aber persönliche gute Leistung diskriminiert zu werden. Sport ist auch ein Teil der Gesundheitserziehung.

Verlieren lernen kann man von mir aus bei Mensch-ärgere-Dich-nicht-Spielen, da hat Siegen und Verlieren etwas mit Glück zu tun, aber sich daran zu gewöhnen, dass man immer bei den Letzten in der Schule ist, kann nicht das Ziel sein. Es wirkt leider nachweislich auch nicht motivationssteigernd. In der heutigen Pädagogik – übrigens nicht nur an deutschen Schulen, sondern auch an internationalen Schulen – geht man davon aus, dass die individuellen Leistungen und Talente gesehen und gefördert werden müssen. Das wusste der FDP-Politiker wahrscheinlich noch nicht. Wir brauchen diese vielfältigen Ressourcen für unsere Gesellschaft und gut ausgebildete Menschen, die im Laufe ihrer Schulzeit ein gesundes Selbstbewusstsein entwickelt haben und in guter Balance mit ihren Stärken und Schwächen leben, und dann auch in der Lage sind, ihren beruflichen Weg zu finden. Sie brauchen auf diesem Weg weder Siegen noch Verlieren lernen. Wer für etwas brennt, wird auch ohne dieses Feedback erfolgreich sein, wenn man ihn/ sie nicht frühzeitig niedergemacht hat.

Marie-Liesel von Korff


Leserbriefe zu „»Jetzt weiß ich, wo du wohnst«“ Gespräch mit Constantin Schreiber geführt von Giovanni di Lorenzo

Bei der Lektüre des vom Chefredakteur geführten Interviews könnte man meinen, er hätte liebend gerne den Zucker für die Torte beigesteuert. Ist es das, was die ZEIT unter Kultur (siehe Titelblatt), Debatte und Meinungsfreiheit versteht? Das war ein Angriff auf unsere demokratischen Werte und unsere Debattenkultur, da hätten ein paar solidarische Worte für Ihren offensichtlich eingeschüchterten und frustrierten Kollegen Schreiber sicher nicht geschadet
René Klauer

In Tübingen erinnern sich viele an beeindruckende Veranstaltung mit Constantin Schreiber, der die Texte Raif Badawis herausgegeben hat. Sein Rückzug ist ein großer Verlust für die seriöse Islamdiskussion. Fremdschämen für den Thalia-Vertreter. Schade, dass keiner der Anwesenden dem feigen Tortenwerfer ein Bein stellte.
Max Steinacher

Constantin Schreiber hat sich nicht den Schneid abkaufen lassen! Wieviel Bedrohungen und Beleidigungen ein Mensch aushalten kann, ist eine höchst individuelle Angelegenheit. Wie es sich anfühlt, so behandelt zu werden, können ohnehin nur die Betroffenen sagen, niemand anderer! Studentische Aktivisten, die lieber mit Torten werfen, oder anderweit Veranstaltungen stören oder verhindern wollen, grenzen sich selbst von einem Diskurs aus. Sie spucken auf die Meinungsfreiheit und feiern sich auch noch dabei. Den Schneid haben sich die Veranstalter in Jena abkaufen lassen.

Statt sich schützend vor ihren Gast zu stellen und sich mit ihm zu solidarisieren, haben sie sich lieber um den Tortenwerfer gesorgt und sich für den Weg des geringsten Widerstands entschieden. Den Weg, den offenbar auch einige Leute aus Schreibers beruflichen Umfeld gehen. Unter diesen Umständen finde ich seinen Entschluss, sich nicht mehr zum Islam zu äußern, nachvollziehbar. Zu denken geben sollte dieser Entschluss all denjenigen, denen Meinungsfreiheit noch etwas wert ist, die aber nicht bereit sind, dafür auch in den Ring zu steigen.

Universitäten sollten ein Ort der Bildung sein (auch der menschlichen) und kein Ort für militante Studierende, die bestimmen wollen, was gesagt werden darf oder wer geduldet wird oder auch nicht. Auf so eine akademische Elite freue ich mich nicht. Die Tortenattacke auf Schreiber war eine tätliche Beleidigung (kein tätlicher Angriff) mit dem einzigen Ziel, ihn mundtot zu machen und der Lächerlichkeit preiszugeben. Ekelhaft.
Regina Stock

„Der Islam zeigt sein wahres Gesicht! Aufwachen, wenn wir unsere Kultur und den Frieden in unserer Gesellschaft erhalten wollen!“
Christa Hahn

War die Torte wenigstens halal? Der selbsternannten undogmatischen radikalen sowie allen anderen deutschen Linken sei gesagt: Jede Religion, die Menschen, die ihr nicht angehören, als Ungläubige bezeichnet, betreibt Ausgrenzung. Erst mit Worten, dann mit Taten, dann mit Untaten. Dies lehrt uns die Geschichte – bis auf den heutigen Tag.  Bitte versichern Sie Konstantin Schreiber meines tiefen Respektes.
Kurt Eimers

Der Journalist und Nachrichtensprecher Constantin Schreiber ist einer der wenigen deutschen Journalisten, die fließend Arabisch sprechen. Das hat es ihm ermöglicht, einem größeren Publikum tiefe Einblicke in Realitäten des Islam in Deutschland zu geben. Nun zieht er sich von seiner Rolle als Mittler zwischen der arabischen und deutschen Welt zurück; die Sicherheit seiner Person und seiner Familie gehen verständlicherweise vor. Der Vorgang wirft ein trübes Licht auf den Stand der Meinungs- und Pressefreiheit in Deutschland. Schlimm genug, dass Schreiber von einem offenbar muslimischen Taxifahrer mit dem Satz „Jetzt weiß ich, wo du wohnst“ bedroht wurde.

Noch beschämender finde ich das Verhalten des deutschen Umfeldes: Deutsche Aktivisten ertragen eine kritische Auseinandersetzung mit dem Islam nicht und attackieren den Vortragenden, halb toleriert vom universitären Veranstalter. Von Solidarität mit dem Angegriffenen ist wenig zu spüren. Was soll man davon halten? Wo führt das hin? Der politische Islam will die westliche Meinungs- und Pressefreiheit zu seinem Vorteil zurückdrängen. Er braucht es nicht einmal selbst zu tun, denn auf seine deutschen Helfershelfer mit ihrer „woken“ Ideologie ist Verlass.
Günter Herrmann

Journalisten, die sich nicht trauen alles zu sagen, gibt es offenbar nicht nur in Russland. Dass Constantin Schreiber seine islambezogene Selbstzensur offen zugibt und Konsequenzen zieht, ist ehrlich. Ich hielte es für falsch, ihn als einen überängstlichen Fernsehmann und Buchautor abzutun, der sich zu leicht den Schneid abkaufen lässt. Andere, denen es ähnlich geht, halten sich lieber bedeckt. Für mich gibt es wenig Zweifel, dass der Islam in Deutschland von vielen Medien geschont wird. Das gilt beispielsweise für den islamische Antisemitismus, der fast gänzlich verschwiegen wird, und die oft verschleiernde Berichterstattung bei Anschlägen von islamischen Tätern. Einen Grund dafür kennen wir jetzt – Angst.
Hans Peter Basler

Islamfeindlich? In der ZEIT (Nr. 39, S. 20) findet sich das Bekenntnis: Ich halte mich aus allen Fragen zum Islam heraus. Das erklärt der Journalist und ARD-Nachrichtensprecher Constantin Schreiber. Bekannt geworden ist er mit Berichten über hiesige Moscheen, in denen beim Freitagsgebet die deutsche Gesellschaft, der westliche Lebensstil und alles Europäisch-Westliche verächtlich gemacht worden ist. Er war und ist ein Kenner des Islam, war viele Jahre in jenen Ländern und meinte, mit einem offenen und kritischen Blick auf das Freitagsgeschehen der Gesellschaft hier einen positiven Impuls zu verleihen. Denkste!

Er ist nicht nur von den konservativ bis reaktionär geprägten Islamverbänden wie DITIB oder Milli Görüs hart angegangen worden, was irgendwie verständlich ist, sondern auch von der links- bis linksliberalen Szene. Das wiederum scheint verwunderlich. Denn hier schlägt bekanntlich das empathische Herz, das mitleidet mit den unterdrückten Frauen, das eben die Frauenemanzipation auf ihre Fahnen geschrieben hat, das die Feinde der Demokratie überall am Werke sieht und allenthalben für Toleranz und Völkerverständigung streitet. Aber das täuscht: Tief steckt ein struktureller Antisemitismus im Linksmilieu, und Frauendiskriminierung verliert seinen Schrecken, wenn er antiwestlich verkleidet ist. Demokratie wird dabei nur so lange goutiert, wie sie die eigene Bewegungsmöglichkeiten eröffnet, ansonsten weiß man schon um die Gewalt, die aus den Gewehrläufen kommt.

Constantin Schreiber hat Wahrheiten ausgesprochen, die den Islam heute in relevanten Teilen als untauglich für unsere Demokratie und offene Gesellschaft markieren. Dies festzustellen ist kein Ausweis von „Islamfeindlichkeit“. Denn es gab eine Zeit, in der „der Islam“ eine Religion voller Toleranz, Diversität und Kreativität war, wo die Wissenschaften genauso geblüht hatten wie die Kenntnisse der Antike mit ihren mannigfaltigen Philosophen. Diese Zeit – sie fällt in unser Mittelalter – ist leider vorbei. Aber sie gibt Hoffnung. Ja, der Islam gehört – mittlerweile – zu Deutschland, aber nicht bedingungslos. Er muss demokratietauglich werden, also in eine plurale Gesellschaft passen, das weltliche Recht als das Recht für alle akzeptieren und die Frauendiskriminierung beenden. Dann hat der Islam auch in Deutschland eine Zukunft. Es gibt schon zahlreiche kundige Menschen, die diesen Weg beschreiten. Unterstützen wir sie!
Wolfgang Philipps 

Es ist weder ausreichend noch fair, den bedauerlichen Rückzug von Constantin Schreiber von dem Thema, das er wie kaum ein zweiter beherrscht, nämlich den politischen Islam, als individuelles Versagen anzuprangern. Was jetzt fällig ist, ist ein sauber recherchierter Report zum Thema „Wir lassen uns einschüchtern “. Journalisten, Hochschullehrer, Politiker, Polizisten und Justizbeamte, um nur diese zu nennen, sind zu überprüfen. Wie weit lassen sie sich vom politischen Islam in ihrem Handeln einschüchtern und gefährden damit die Grundlagen der offenen Gesellschaft?
Henning von Vieregge

Dieses Gespräch interessierte mich außerordentlich. Habe ich doch fünf Jahre in einer Erstaufnahme für Asylbewerber und Zuwanderer ehrenamtlich Deutsch für interessierte Angekommene unterrichtet und viele davon persönlich kennen gelernt. Seither beschäftigte ich mich mit der arabischen Zivilisation/Kultur und mit der Weltanschauung des Islam. Dabei stieß ich auf eine Vielzahl kritischer Perspektiven von Insidern des Islam in Ägypten, Libanon, Syrien, Algerien auf diese Religion und so auch auf Herrn Constantin Schreiber.

Der Anschlag auf Herrn Schreiber war ein Faustschlag in das Gesicht von Seyran Ateš, Necla Kelek, Kamel Daoud, den Imam Mark A. Gabriel (Pseudonym), Abdel-Hakim Ourghim, Chardortt Djavann, Nasr Hand Abu Zaid und vieler anderer in den vom Islam beherrschten Ländern. Das Gespräch mit Herrn Schreiber offenbart, wie es um unsere verfassungsrechtlich garantierten Grundrechte, insbesondere um das Recht auf Meinungsfreiheit bestellt ist. Wo bleibt der Aufschrei der Medien angesichts des Gesinnungsterrors, fälschlicher Weise verharmlosend als „cancel cultur“ bezeichnet. Mit Kultur hat dieses Verhalten nun wirklich nichts zu tun. Hat hierzu jemals einer der vielen Kommentatoren im Blätterwald Stellung genommen, eine sachliche Debatte über Tatsachen angestoßen?
R. Reiger

Mit Torten wirft man nicht, erstens aus Respekt vor Nahrungsmitteln, zweitens aus Respekt vor der Person, die die Torte gebacken hat, und drittens aus Respekt vor demjenigen oder wahrscheinlicher derjenigen, die hinterher die Schweinerei saubermachen muss. Schon gar nicht wirft man mit Torten auf Menschen, auch das ist eine Form der Gewaltausübung. Dennoch macht die Tatsache, dass jemand Constantin Schreiber mit einer Torte beworfen hat, aus seinem fiktionalen Buch „Die Kandidatin“ keinen großen Wurf. So richtig friedlich kann ich es auch nicht finden:

Auf Seite 152 begeht der Tagesschausprecher als Buchautor einen fiktionalen Mordanschlag auf den interreligiösen Dialog, indem auf die Hauptfigur in einem Berliner „interreligiösen Gotteshaus“ (wer sich auskennt, weiß, welches Haus gemeint ist) geschossen wird. Als Pfarrer veranstalte ich regelmäßig interreligiöse Veranstaltungen an der Evangelischen Stadtakademie Düsseldorf. Meinungsverschiedenheiten wurden bisher immer friedlich ausgetragen, allenfalls erregte Diskussionen kamen vor, geschossen wurde noch nie.

Warum in diesem Buch, dem es für einen Roman an einer Entwicklung und für eine Satire an Humor fehlt? Wem dient diese Fiktion? Ich habe mich sehr bemüht, festzustellen, was man (außer einer Bestätigung islamfeindlicher Vorurteile) an dem Buch finden könnte, vgl. meine Besprechung https://himmelsleiter.evdus.de/weder-roman-noch-satire/ Gefunden habe ich: Nichts. Ich fand es zum Einschlafen langweilig. Dennoch plädiere ich dafür, Torten zu Hause zu lassen und dort im Mund verschwinden zu lassen.
Uwe Gerrens

Ja, Du liebe ZEIT! Spontan war ich durch den Artikel motiviert, das Buch zu kaufen. Wie die anderen Bücher mit dem gleichen Tenor, die ich schon habe (u.a. Houellebecq – Die Unterwerfung, Tania Kambouri – Deutschland im Blaulicht/Notruf einer Polizistin). Da ich diese aber dann doch nicht gelesen habe, wollte ich meiner Sammlung kein weiteres hinzufügen, das ungelesen im Regal verstaubt. Allerdings aus folgendem Grund: „Thilo Sarrazin – Deutschland schafft sich ab“ habe ich gelesen. Und mich so darüber aufgeregt, dass ich die anderen Bücher (s.o.) im besten Falle angelesen habe.

Und zwar, weil ich es nicht ertragen konnte -wie im Erfahrungsbericht der deutschen Polizistin zu lesen- wie uns insbesondere muslimischer „Akteure“ aufgrund der von oben verordneten unangebrachten Rücksichtnahme ungestraft auf der Nase herumtanzen. Wie wir unsere westliche Kultur, unsere Werte und Errungenschaften bereitwillig verleugnen aus falschem „Respektverständnis“ vor dem Islam (umgekehrt wird uns derartiges allerdings nicht entgegengebracht, im Gegenteil) oder blind für die Signalwirkung, die uns ungebremst von jedweden ernsthaften „Roten Linien“, ständig weiter zurückweichen lässt, weil unsere Politik entweder zu feige und/oder sonstwie motiviert die Probleme stur weiter verleugnet, die vor unserer Haustür und in unserer Gesellschaft wachsen und wachsen. Man muss kein Prophet (nicht beabsichtigter Wortwitz) sein, um zu ahnen, wohin das führt. Nur ein, allerdings wesentliches Beispiel: Die Interpretation von Kriminalitätszahlen. Offiziell sind zugewanderte „Ausländer“ (jung, männlich, „südosteuropäisch/nordafrikanisch“) weiniger an Straftaten beteiligt als Ursprungs- bzw. Ausweisdeutsche (irgendwo muss man Statistik ja festmachen, ich verweise auf die Einteilungskriterien der Kriminalstatistik). Die Statistik muss man allerdings richtig lesen können – und wollen.

Die Interpretationen sind falsch. Auf Grundlage der aktuellen PKS (Polizeikriminalstatistik) 2022, Seite 12, Ziffer 4.1 Tatverdächtige ergeben sich: Tatverdächtige Gesamt 2.093.782 aus der Gesamtbevölkerung und dann wird uns vorgerechnet: Deutsche Tatverdächtige 1.309.115, nichtdeutsche (=ausländische) Tatverdächtige: 783.876 (darin enthalten 310.062 „Zuwanderer“) Tendenz zu 2021 deutlich steigend! Ausländeranteil an den Tatverdächtigen der Gesamtbevölkerung also „nur“ 33,8%. Na, das geht ja noch, da sind die „Deutschen“ (notabene: Deutscher Pass) ja doch noch viel krimineller. Puh, Schwein gehabt. Oder? Leider nein, das „Ergebnis“ ist „schöngerechnet“ oder besser gesagt: Eine Lüge. Die richtige Rechnung wäre nämlich: Ausländeranteil Gesamtbevölkerung: Gesamt 84,4 Mio. davon 14% Ausländer=11,8 Mio. davon Ausländische Tatverdächtige 783.876 = 6,64% und zum Vergleich: Deutscher Bevölkerungsanteil 72,6 Mio. (84,4-11,8) und deutsche Tatverdächtige 1,309 Mio. = 1,80% Ausländer begehen also fast viermal so viele Straftaten wie Deutsche!

Und so wird mit allem umgegangen, was uns dies bezüglich im Namen des Respekts, der Rücksichtnahme, der Verleugnung und der Unterordnung untergejubelt wird. Die damit täglich konfrontiert sind wissen es und die zu entscheiden haben tun nichts. Was soll ich dazu noch mehr sagen bzw. schreiben?
Frank Hiller

Es wird immer schlimmer. Konstantin Schreiber bekommt einen Kuchen ins Gesicht geworfen und wird bedroht, weil er aufdeckt, was in deutschen Moscheen gepredigt wird.  Der Aufklärer Hamed Abdel-Samad lebt unter Polizeischutz und Boris Palmer wird angeschrien und bedroht, obwohl er zeigt, wie man den Klimawandel mit pragmatischen Lösungen angehen kann. Der Jude Maxim Biller darf in der Zeit regelmäßig die Deutschen beschimpfen und nährt damit den Antisemitismus. Wer gegen eine unregulierte Einwanderung ist und sich als Deutscher nicht länger beschimpfen lassen will, wählt die AFD. Das kann man verhindern, indem man die Zuwanderung einschränkt, den Bürgern dieses Landes ihre Würde zurückgibt und anerkennt, was zu Gunsten der „Schutzsuchenden“ bereits geleistet wurde. Wir brauchen einen sachlich geführten und zivilisierten Meinungsaustausch in unserem Land.
Sinda Dimroth

Kann sich noch jemand an die Zeit erinnern, als es noch kein Internet und keine Smartphones gab? Ich wünschte mir schon oft, für einen Tag die Geschichte der Welt ändern zu können. Mit dem heutigen Wissen würde ich das Internet mit all seinen negativen Auswirkungen abschaffen und neu gestalten. Klare Regeln, klare Sanktionen und vor allem ein Mindestmaß für die Qualität und ein Internet- Führerschein für alle User. Danach könnten wir dann aushandeln, auf welchen Wertevorstellungen und gegenseitigen Wertschätzungen das Internet wieder etabliert werden könnte. Könnte!! Heute werden mehr und mehr Minderheitsmeinungen zu Mehrheitsmeinungen gemacht. Kritiken werden immer seltener klar geäußert, aus der Angst heraus, negative „Likes“ zu erhalten.

Das eigene, digitale Erscheinungsbild ist wichtiger als das reale, analoge Leben geworden. Kontroverse Debatten sind oft nicht mehr möglich, weil sie nicht gewünscht (Passen nicht in die eigene ideologische Blase) oder zu gefährlich (Jetzt weiß, wo do wohnst) geworden sind. Gleichzeitig ist zu allen Themen und Bereichen eine deutliche und individuelle Empfindlichkeit und Verletzlichkeit entstanden. Jeder fühlt sich gleich „angepisst“ und reagiert darauf entsprechend mit unverhältnismäßigen Posts. Wo soll das hinführen? Die künstliche Intelligenz lauert schon und wartet auf ihren Einsatz. Keine guten Vorzeichen für eine besseren Umgang mit den modernen Medien.
Andreas Löbbers


Leserbriefe zum Titelthema „Das Rätsel Wagenknecht“ „Draußen sein ist ihr Zuhause von Bernd Ulrich

Die Neugründung der Partei hätte als Nebeneffekt das endgültige Aus für eine künftige Regierungsbeteiligung der Grünen, da Wagenknecht nun in einer Reihe steht mit CDU/CSU. Das schmälert zwar kaum deren Wählergunst, macht sie aber immer mehr, nicht zu Parias wie die AfD, aber zu Außenseitern. Grüne Bündnisse sind dann nur noch mit der SPD und – unter Ächzen – mit der FDP, sofern über der 5 %, vorstellbar, jedenfalls ohne Regierungsämter.  Das wäre übrigens auch der Schlussstrich unter die Merkel-Ära. Eine fast historische Zäsur, wer hätte das gedacht?
Christoph Schönberger

Ich frage mich, was Sie wohl geraucht haben, als Sie diesen Artikel verfasst haben. Frau Wagenknecht – bis ins Mark intellektuell? Wer das Gendern und das ganze woke Reden und Denken als den Sündenfall begreift, hat das politische Anliegen dahinter offensichtlich nicht verstanden. Die Hegel und-Faust-Leserin Wagenknecht? Das müssen Sie aus Wikipedia haben. Sie hat ihre mehrfachen Versuche Philosophie zu studieren, zuletzt an der HU Berlin abgebrochen. Prof. Christof Rapp, der heute an der LMU in München lehrt, hat Sie nach eigenen Angaben nie in einer Vorlesung gesehen. Wie Sie Faust und Hegel zusammenbringen, wird wohl ihr Geheimnis bleiben. Sara Wagenknecht ist bestenfalls ein Paradiesvogel der deutschen Gegenwartspolitik, was Sie mit Putins Hofnarren Schröder und dem Polit-Kläffer von der Saar gemeinsam hat.
Bruno Fey

Verstehe nicht, warum es Frau Wagenknecht, egal wie oft sie etwas verkündet, oder gar von der Ankündigung wieder Abstand nimmt, gelingt, von der Presse, sogar durch „Die Zeit“ begleitet zu werden. Der letzte Versuch, den ich noch in lebhafter Erinnerung habe, nicht etwa, weil es erfolgreich gewesen wäre, sondern wegen der medialen Begleitung, nämlich die „Bewegung“ „Aufstehen“ ist doch nach einer relativ kurzen Zeitspanne, von nicht einmal einem Jahr, schon wieder beendet gewesen. Indem Frau Wagenknecht den Verein verlassen hat. Ich mutmaße, weil er, der Verein, nicht den gewünschten Zulauf hatte. Es hat den Anschein als würden die Medien immer mehr in Frau Wagenknecht sehen, als die Realität anbietet. Sie ist eben keine Menschenfängerin. Vielleicht ahnt sie es selbst ja schon, weshalb die Gründung der SWP(!) auch noch nicht vollständig geklärt ist. Das lässt die Möglichkeit des Zurückkehrens in die Gemeinschaft der Linken, die es ja bisher leider nicht geschafft hat, Frau Wagenknecht ihr ambivalentes Verhalten zu spiegeln. Es gibt viel mehr spannende Frauen in der Politik über die es sich zu berichten lohnt.
Claudia Schüßler

Aus dem Artikel geht hervor, dass der tumbe Michel einfach fressen soll, was ihm vorgesetzt wird und die Veränderungen einfach akzeptieren muss. Dabei wird ein entscheidender Punkt vergessen: die Ausgestaltung ist nicht gottgegeben. Das Heizungsgesetz wurde nicht auf dem Berg Sinai in Steintafeln diktiert. Das Gendern auch nicht. Für alle prinzipiell notwendigen Veränderungen gibt es zig Varianten der Gestaltung, die allesamt politisch (und ideologisch) entschieden werden.
René Klauer

Auch unabhängig von der Person Sarah Wagenknecht ist die Analyse des Autors, dass wir es beim Erstarken der Zustimmung für populistische Akteure mit einem Aufstand zur Verteidigung der Normalität zu tun haben, sehr weise und als Einsicht dringend notwendig. Die voranschreitende De-Globalisierung, die sinkende Wettbewerbsfähigkeit Europas und die für den Erhalt eines lebenswerten Planeten notwendige Abkehr von fossilen Brennstoffen und Kohlenstoffquellen sind harte Einschläge auf unseren gewohnten Lebensstandard. Dieser modernen Herausforderung mit populistischen Reflexen aus der Vergangenheit zu begegnen, wird uns nicht voranbringen. Wir werden uns an die unbequeme neue Situation gewöhnen müssen.
Torben Adermann

So rätselhaft erscheint mir Frau Wagenknecht gar nicht. Ihre Positionen, wirtschafts- und sozialpolitisch links und gesellschaftspolitisch eher liberal als auch etwas konservativ mit einem Blick für erreichbare Ziele, bspw. in der Zuwanderungspolitik. Wie sie wiederholt in Interviews erklärte, sei sie zwar für gleiche Rechte, bspw. bei Genderfragen, nur werde für sie dieser Aspekt, im Verhältnis zu sozialpolitischen Fragestellungen und Antworten sowohl von vielen Grünen als auch zahlreichen Funktionsträgern aus der eigenen Partei überbetont. Im Gegensatz zu Friedrich Merz‘ CDU, könnte eine „Wagenknecht-Partei“ möglicherweise tatsächlich die AfD halbieren, bzw. deren Wahlergebnisse nennenswert reduzieren. Umfragen zufolge hätte eine entsprechende Partei bei Antritt Aussichten aus dem Stand eine beachtliche Kraft im Bund und in Länderparlamenten zu werden. Offensichtlich könnte sie damit eine große Repräsentationslücke füllen, was in einer Demokratie doch eigentlich begrüßenswert sein sollte.
Reiner Gorning

Das Rätsel Wagenknecht ist kein Rätsel mehr. Sie steht lebensgroß für ein Neues Komplementäres Denken, dessen die akademische Mittelschicht und ihre Gallionsfiguren noch nicht mächtig sind. Neues Denken: Das Unvereinbare denken, jenseits von Oppositionen, mit Ideen jenseits der Ideologien, ein großes Tertium Datur. Polyperspektivität, eine neue Integration, out-of-box. Sie hat Mut und Rigorosität. Sie sieht auf das akademische deutsche Nachkriegs-Establishment etwa so, wie die Neue Physik der Quanten auf die Klassische Physik sieht. Sie weiß, es dauert noch eine Generation, mindestens, bis jene Mittelschichten, die bis jetzt den Ton angeben, dorthin gelangen. Das ist ihre Chance. Es könnte ein großer Aufbruch werden, wenn sie es richtig macht.
Uwe Hinrichs

Das (sorry) hätten Sie sich sparen können. Es bietet keinen Unterhaltungswert. Dieses vor Selbstgerechtigkeit triefende Wort „Arbeiteri:innen“ können Sie sich ausschneiden, ans Knie nageln und es durch die Berliner Nachtclubszene spazieren tragen. Als Mahnmal, wie eine Gruppe von Meinungsmachern und Meinungsinhabern vor lauter Verbohrtheit und Besserwisserei ein Fünftel der Bevölkerung dazu bringen kann, mit Rechtspopulisten und Faschisten zu sympathisieren. Vielen Dank Ihnen und Ihren KolleGEN. Versuchen Sie es doch mit diesem Gag „(sorry)“ bei der „Titanic“. Vielleicht können die was daraus machen.
Boris Bogunovic

Sahra Wagenknecht bleibt gar nichts anderes übrig, als eine eigene Partei zu gründen. Ihr Verhältnis zur Linkspartei ist mittlerweile so zerrüttet, dass sie in dieser Partei politisch nichts mehr bewirken kann. Links und konservativ, das eine schließt das andere nicht aus, mit ihrem Buch „Die Selbstgerechten“ hat Sahra Wagenknecht deutlich gemacht, was sie den sogenannten Lifestyle-Linken vorwirft. Bernd Ulrich beschreibt es anders; womit die akademische Mittelschicht den anderen auf den Wecker geht. Das geht mir manchmal auch nicht anders. Wagenknechts Stärke ist tatsächlich, dass sie sich nicht korrumpieren lässt. Das kommt an und ein Stimmenpotential von 20 % bestätigt, dass sie dazu gar nicht den feinen Zwirn abzulegen braucht, um in die Latzhose zu steigen. Niemand würde ihr den Kumpel abnehmen.

Die Linken waren jahrzehntelang identitätsstiftend für viele Menschen aus den östlichen Bundesländern, als Sprachrohr der „kleinen Leute“ sozusagen. Diese Position hat jetzt die AfD eingenommen und wie wenig die Parteispitze der Linken diesen Umschwung verstanden hat, zeigt letztlich ihre die Nominierung von Carola Rackete für die Europawahlen. Es ist bemerkenswert, wie nervös die etablierten Parteien auf die potentielle Gründung einer Partei durch Wagenknecht reagieren. Das wundert mich nicht, der Kampf um jede Wählerstimme würde für sie damit schwerer. Politisch folge ich Sahra Wagenknecht gar nicht, dennoch hoffe ich, dass sie der AfD möglichst viele Stimmen abjagen könnte. Ich finde, es ist ein Fehler, sich über sie lustig zu machen und die Rolle der alten Herren Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder so zu überschätzen, wie Herr Ulrich es tut.
Regina Stock

In dem Artikel wird – zumindest nach meinem Verständnis – suggeriert, dass Gendern von die Leut (also fast alle) praktiziert wird. Das ist falsch! Das Gendern wird von min. 80% der Bevölkerung abgelehnt. Das zu Recht, da es nur Makulatur ist. Wenn die innere Haltung nicht stimmt, nutzt das Überpinseln gar nichts! Arbeitsamt – Bundesagentur für Arbeit. Was ist durch die Änderung des Namens besser geworden? Die Haltung wird durch die Eltern, Schule und Gesellschaft erzeugt, da gilt es, Verbesserungen auf den Weg zu bringen!
Hubert Haller

Ob Frau Wagenknecht wirklich so beliebt ist, lässt sich schwer sagen, solange die Kriterien dafür nicht benannt werden. Was man aber sagen kann ist, dass ihre Erscheinung einen Typ darstellt, nach dem sich anscheinend viele Menschen sehnen: Sie wirkt fest in sich ruhend und geerdet und strahlt das auch ohne Allüren aus. Anders gesagt wirkt sie nicht wie eine Märchenkönigin, eher wie ein weiblicher König. Da ist also etwas Neues, Seltenes im Spektrum der Persönlichkeiten, und das zieht Aufmerksamkeiten an. Und wer muss sie fürchten? Hauptsächlich sollte sie sich gelegentlich vor sich selbst fürchten, denn mit solchen Attributen, wie sie nun mal –erfreulicherweise – zu ihr gehören, muss man aufpassen, dass man sich nicht auch mal überschätzt.
Christoph Müller-Luckwald

Das von Bernd Ulrich aufgeworfene „Rätsel“ um eine mögliche „Wagenknecht-Partei“ stellt sich bei näherer Betrachtung als wenig rätselhaft dar. Dafür müsste allerdings weniger auf persönliche Dispositionen der „Heldin“ der Story geblickt werden und mehr auf die Verhältnisse politischer Repräsentation. Die in der Politikwissenschaft breit diskutierte Repräsentationslücke des gegenwärtigen Parteiensystems bietet eine gute Erklärung für die positiven Erfolgsaussichten einer solchen Partei. So mag das Segment der wirtschaftspolitisch linken aber gesellschaftspolitisch eher konservativen Wähler, nennen wir sie „Traditionssozialdemokraten“, zwar schrumpfen, verschwunden ist es aber nicht. Diese Wähler machen ihr Kreuz derzeit mit wenig Begeisterung noch bei der SPD (im Osten auch bei der Linken), geben mit Bauchschmerzen der AfD ihre Stimme oder gehen überhaupt nicht mehr wählen. Eine „Wagenknecht-Partei“ würde dieser Gruppe ein viel stärker ihren Präferenzen entsprechendes Angebot machen. Wenn Wagenknecht das Organisationsproblem löst, stehen die Chancen ihrer Partei sicherlich nicht schlecht.
Dr. Jörg Kemmerzell

Warum bekommt diese Frau so viel Aufmerksamkeit und sogar eine Titelgeschichte in der ZEIT? Sie meint, sie wäre wichtig, ist es aber nicht – in den Augen vieler! Sie hält sich für unverzichtbar, dabei bestehen ihre angeblich sozialen Argumente zu einem Großteil aus arrogantem Geschwätz. Sie gehört wie ihr derzeitiger Ehemann Oskar Lafontaine zu denjenigen, wo Wasser predigen und Wein trinken. Soll sie doch ruhig eine neue Partei gründen: Es wäre nicht das erste Mal, dass sie an einer Partei scheitert oder die Partei an ihr! Danach wird sie in die wohlverdiente Vergessenheit geraten wie schon zahlreiche andere vorher. Merke: Hochmut kommt vor dem Fall. Wie sagte doch vor ca.20 Jahren Lafontaine zu seinen damaligen sozialdemokratischen Genossinnen & Genossen: „Manche tragen die Nase so hoch, dass es hineinregnet“
Geert Engelken


Leserbriefe zu „Über Jugendsünden“ von Harald Martenstein

Mich würde mal interessieren, ob Herr Martenstein seine Kunstlehrerin auch wie Hubert Aiwanger mit Säure bespritzt hat. Schon erstaunlich, wie über diese „Jugendsünde“ (was für ein unangemessener Euphemismus und was für ein Kontrast zu dem Biller-Artikel im Hauptteil) in den meisten Medien hinweggegangen wird.
Thomas Manthey

Was für eine ZEIT-, Zeit- und Platzverschwendung! Der Autor beansprucht eine ganze Seite, um einen einzigen Satz zu umschreiben: „Man tut Aiwanger Unrecht!“ (Oder, etwas ausführlicher:  „Aiwanger hat eine weiße Weste und ist das Opfer einer Schmutzkampagne!“)  Die ganze Reinwäscherei wird gekrönt durch ein Martenstein-typisches, schiefes Bild vom Langstreckenlauf und der Zielgeraden. Ist dem Autor bekannt, dass man z.B. beim Marathonlauf erst nach ca.  42 km auf die Zielgerade einbiegt? Will er uns sagen, dass man gern sein Leben lang der Diktatur das Wort geredet haben darf, wenn man sich nur mit aufrechter demokratischer Haltung aufs Sterbebett legt? Es ist ebenfalls typisch für den schwer SPD-traumatisierten Martenstein, dass ihm als für den Fall Aiwanger entlastende Beispiele nur der SPD-Politiker Schiller und der SPD-Sympathisant Grass ein- fallen.

Als treuer ZEIT-Leser darf man sich Woche für Woche darüber ärgern, dass man mit seinem Abo-Scherflein auch die besserwisserischen, einseitigen, oft läppischen und peinlich selbstgefälligen und –referentiellen Beiträge des Herrn Martenstein mitfinanzieren muss. Noch schlimmer trifft es allerdings die Leser der WamS, die jedes Wochenende die Verachtung des Autors für das Land, in dem er offenbar sehr auskömmlich lebt, vorgesetzt bekommen. Liest Martenstein die ZEIT? Dann ist ihm der Artikel von Maxim Biller in derselben Ausgabe auf Seite 43 zu empfehlen. Aber die Hoffnung ist gering, dass er die lange Strecke seiner Vorurteile im Endspurt auch nur ein wenig hinterfragen und damit sein Stammtisch- oder Bierzelt-Geschäftsmodell „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen!“ beschädigen würde.
Wolf-Rüdiger Heilmann

Zum ‚Fall Aiwanger‘ hat Harald Martenstein das Notwendige gesagt. Man kann eine Nation beobachten, deren Meinungsführer auf dem hohen Ross sitzen und nicht überlegen, was für links- oder rechtsextreme Ideen sie vielleicht mit 17 Jahren propagierten – die sie inzwischen längst hinter sich ließen und daher weitgehend vergessen haben.
Christine Harder

In Ihrer Jugend werden Sie womöglich auch behauptet haben, die gewählten Parlamente spiegelten nicht den wahren Volkswillen. Diesen zu vertreten, nehmen nämlich Linksradikale und Linksextremisten sowie Rechtsradikale und Rechtsextremisten gleichermaßen für sich in Anspruch. Sollten Sie heute noch meinen, den wahren Volkswillen zu kennen und zu vertreten, dann hätten Sie ein Problem. Jener Politiker, dessen Namen Sie in Ihrem Artikel nicht nennen, hält sich für den Vertreter der „schweigenden Mehrheit“.
Torsten Berndt

Harald Martenstein bringt es – wie so oft – als einer der wenigen noch konsequent antiwoken „Zeit“-Autoren auf den Punkt: Jugendsünden werden sehr unterschiedlich bewertet, je nach politischer Provenienz. Darüber hinaus gilt: Der eigentliche Skandal besteht im (strafbewehrten) Bruch des Dienstgeheimnisses durch den pensionierten Lehrer. Schule verstand sich in den 80er Jahren als Erziehungs- und darum auch Schutzraum für Heranwachsende, die zur Not auch vor sich selbst geschützt werden sollten und auch mussten. Diese Konvention war die Vertrauensgrundlage zwischen Eltern und Schule und für die Interaktionen von Schülern und Lehrern, auch und gerade bei Aufmüpfigkeiten und Reibungen. Schulinterna hatten Schulinterna zu bleiben.

Was hier in der Causa Aiwanger passiert ist, dass diese Konvention (und damit die Vertrauensgrundlage) im Nachhinein geändert wird, ohne dass hier irgend jemand von offizieller Seite Einspruch erhebt. Für das Eltern-Schüler-Schule-Vertrauensverhältnis könnte das fataler nicht sein! Man muss sich das klar machen: Eltern und Kinder müssen ab jetzt damit rechnen, dass schlechte Aktionen von Minderjährigen jederzeit von der Schule nach draußen getragen und wie Aktionen von Erwachsenen justitiabel behandelt werden können. Damit ist der Schutzraum Schule zerstört. Die dadurch entstandene Rechtsunsicherheit kann nur dadurch kompensiert werden, dass Eltern für ihre Kinder mit der Schule eine eigene, ausdrückliche Schweigepflichtvereinbarung mit Klageoption auf Lebenszeit abschließen. Der Lehrer, der geglaubt hat, es sei eine gute Idee, mit diesem unsäglichen Flugblatt an die Öffentlichkeit zu gehen, hat keine Ahnung, was er mit dieser Aktion angerichtet hat!
Marcel Haldenwang

Es ist einerseits sicher sehr begrüßenswert, dass ein Meinungsmacher wie Sie sich selbst so komplett herunterspielt und sein Heranwachsen voller Gelassenheit als verhältnismäßig kontingent und kulturrelativ darstellen kann, denn mit der Hervorhebung persönlicher Heldentaten und überragender Meinungsstärke werden wir heute ja oft genug genervt. Da wirkt ein Satz wie der Ihre, „… das Denken hat bei mir erst mit etwa zwanzig eingesetzt. Vorher bin ich einfach den Meinungsführern in meiner Umgebung gefolgt“, erfrischend unprätentiös und scheinbar auch selbstkritisch. Mit der Nonchalance eines Älteren nehmen Sie hier Druck aus der Debatte um Hubert Aiwanger, wie Sie es in den letzten Jahren in anderen Fällen auch schon getan haben, und ich kann, glaube ich, sagen, dass ich zu denen gehöre, die dem Drehmoment dieses gelegentlich etwas obsessiv erscheinenden Relativismus immer noch etwas abgewinnen konnten.

Aber apropos Drehmoment: Westfälische Handwerker kennen den schönen, dialektischen Satz: „Nach fest kommt los.“ Und so verhält es sich auch mit dem Relativismus. Macht er sich blind für notwendige Unterscheidungen, wird er dogmatisch oder radikal. Bei aller Nachvollziehbarkeit von manchen Vergleichen zwischen rechtem und linkem jugendlichen Radikalismus lassen Sie deren konkrete Begleitumstände völlig außer Acht. Einem Philosophieprofessor verdanke ich die Einsicht, dass Zynismus ein Extremismus der Wahrheit sei. Der kann manchmal notwendig sein, um Positionen zu klären, ist also unter Bürgern nicht unbedingt eine schlimme Untugend. Aber Zynismus, der von Mächtigen ausgeht, ist fatal. Und genauso verhält es sich mit Ihrer Apologie Aiwangers. Jeder, der in den 70er oder 80er Jahren radikal linke Positionen vertreten hat, auch wenn er eher ein Mitläufer war wie vorgeblich Sie, ging Risiken ein und musste sich gegen seine Lehrer und die Obrigkeit stellen. In der Flugblattsache haben die Aiwangers behauptet, aus Trotz gegen eine „linke Lehrerschaft“ überreagiert zu haben. Das erscheint mir völlig unglaubwürdig schon angesichts des Umstands, dass damals niemand auch nur Aufklärung verlangt hat. Linke Lehrer in Bayern? Wer’s glaubt. Hätten die Aiwangers solche gehabt, es wäre ihnen schlecht ergangen.

In meiner erfahrungsgesättigten Fantasie sehe ich eher Lehrer und Behördenvertreter, die voll „klammheimlicher Freude“ (um auch mal einen Vergleich zu machen) einen Schüler davonkommen lassen, der ihnen angesichts der Präsidentenrede von Deutschlands „Befreiung 1945“ aus der Seele spricht. Nicht ohne Grund greift die AfD das Thema ja gerade wieder auf. Und noch mal: Ist es nicht ein Unterschied ums Ganze, wenn der vermeintliche Eigensinn eines Schülers mit der finsteren Macht kollaboriert, statt mit den Menschen in seiner Umgebung? Die „Jugendsünden“ gleichen sich also keineswegs. Aiwanger gibt sich als Rächer gegen angeblich verräterische Demokraten. Und anders als Sie in Ihrem Text oder beispielsweise ein Joschka Fischer in einer langen, überzeugenden Rede vor dem Deutschen Bundestag (von einem Politiker kann man das anders als von einem Kolumnisten auch verlangen), versagt er der Öffentlichkeit Jahrzehnte danach jeglichen Einblick in womöglich seither gewonnenes Bewusstsein. Und dahinter verbirgt sich nichts anderes als politisches, noch immer augenscheinlich antidemokratisches Kalkül. Das Verächtlichmachen von keineswegs linken Medien wie der ZEIT inklusive.

Ich glaube, Sie haben zudem unrecht, dass Linksradikalismus später „milder beurteilt wird als andere Verirrungen“. (Ist das nicht einfach ein rechtes oder mindestens Linken-Selbstbezichtigungs-Narrativ?) Ich selbst bin Jahrgang 1962, auch an meiner Schule gab es schon Berufsverbote. Wir waren nicht „links“ in dem politfixierten Sinn der 68er; die einstigen Vorbilder aus den höheren Schulklassen, mitunter auch schon unsere Lehrer, die großen Brüder und Schwestern redeten zunehmend wirr. Meiner Generation der Hausbesetzer und Punks erschien die Logik der Linken oft absurd selbstreferentiell und streitfixiert. Aber während der Rasterfahndungen wurden auch wir mit 17 ständig schikaniert. Und als Wehrdienstverweigerer habe ich in drei Verhandlungen gegen den Staat den Zynismus von eigentlich bereits pensionierten Rechtsvertretern erfahren („Herr Schulte, ich sage es offen, wir haben dieses Jahr zu viele Verweigerer.“)

Der Bundeskanzler persönlich drohte unserer Generation eine geistig-moralische Wende an, ein Roll-Back von Korruption und Männerbündelei, wie wir meinten. Und nie bot ein linkes Umfeld etwa an den Hochschulen demgegenüber Geborgenheit, wie es bei Ihnen anklingt, denn vielen Linken zufolge war man ja entweder Teil der Lösung oder Teil des Problems. Der Vergleich Ihrer Jugend mit der Aiwangers ist, im K-Gruppen-Sprech, jedenfalls auch unhistorisch. Für 1970 mögen Ihre Beobachtungen mehr als individuelle sein, zu Aiwangers Zeit, 1987, aber auch schon in meinem 17er-Jahr 1979 hatten wir bereits „Holocaust“ in der Schule und in den Familien besprochen, und die Lehrerschaft diskutierte darüber, ob man uns „Hitler, eine Karriere“ von J. C. Fest zeigen dürfe – denn das sei zu sehr auf die Person Hitlers fixiert und verharmlose den politischen Hintergrund (die Konservativen setzten sich durch, wir durften). 1980 konnte man folglich nicht mehr völlig unpolitisch aufwachsen. Ein Aiwanger wäre bei uns mit seinem Bärtchen ein ressentimentvergifteter, provokanter Weirdo gewesen, der deshalb keinen Sex bekommt, kein „CDU-Nazi“.

Und mit Kohls Kampfansage erübrigte sich auch die Frage, ob man ebenso gut CDU-Fan hätte gewesen sein können. Denn wir waren zwar auch vielfältig formbar und zufällig vor Ort, aber für die CDU war es zu spät. Unsere Mütter ließen sich scheiden und bejubelten den stern-Titel „Wir haben abgetrieben“. Und ja, das ist auch heute noch gut so und lässt sich nicht gegen irgendwelche anderen Ideen völkischer Populisten aufrechnen. Lieber Herr Martenstein, Sie machen es sich sehr leicht. Eine selbstkritische Auseinandersetzung mit linker Geschichte ist notwendig, wir Nachgeborenen der 68er hatten keine Nazis, sondern verstörte Kriegskinder als Eltern. Das stimmte uns vielleicht auch milder gegen sie und verursachte wohl nicht so viele irrationale Gegenreaktionen (wie man sie bei Götz Aly nachlesen kann). Selbstkritik der (ehemals) Linken also, warum nicht. Aber Ihr formaler Relativismus diese Woche wirkt etwas mutlos, wenn ich das so sagen darf. Vielleicht ist die Sprach- und Mutlosigkeit, die Sie in den 17-jährigen Harald projizieren, sogar ein Abbild einer heutigen. Mit Nonchalance kommen wir nur auch im Sinne unserer Kinder nicht mehr durch. Die Aiwangers neigen nicht zur Selbstkritik. Da relativiert sich nie etwas. Und deshalb ist Gerechtigkeit manchmal keine Frage der Gleichbehandlung, und Wahrheitsliebe darf auch ruhig mal radikaler daherkommen. Wie auch immer. Danke für Ihre Aufmerksamkeit! Ach, ja: Biller war gut diesmal.
Ralf Schulte

Ich möchte den Schlusssatz von Harald Martensteins Plädoyer für Hubert Aiwanger dahingehend korrigieren, dass es nicht immer wichtiger ist wie man auf der Zielgerade einbiegt. Wenn man am Start geschummelt und auf der Strecke und der Zielgeraden versucht hat, seine Konkurrenten zu rempeln und aus der Bahn zu werfen, wird im Ziel disqualifiziert.
Sven Herfurth

Ihr Plädoyer für Herrn Aiwanger scheint auf den ersten Blick nachvollziehbar, bei näherer Betrachtung kann ich Ihnen jedoch in einigen Punkten nicht folgen.

Sie vergleichen den Linksradikalismus der 68er mit dem Rechtsradikalismus in Form von Antisemitismus und Hitlerverherrlichung. Hinter dem Linksradikalismus stand damals die Revolte u.a. gegen das Establishment, in welchem sich ehemalige Nazikollaborateure eingenistet haben. Es war ein Aufbegehren gegen verkrustete autoritäre Strukturen. Massenmörder waren nicht die Vorbilder der radikalen Linken. Die RAF als Zelle bildete sich zwar aus der radikalen Linken, was aber nicht bedeutet, dass sie ihre Unterstützung genoss. Der Rechtsradikalismus in Deutschland jedoch bezieht sich im Allgemeinen immer auf die Person Hitler und auf den Antisemitismus. Die Nazi-Verbrechen werden geleugnet oder verharmlost.

Wenn Sie Günther Grass und Karl Schiller mit Hubert Aiwanger vergleichen, dann bedenken Sie bitte eine wichtige Tatsache. Die Verirrungen der beiden Erstgenannten passierten mitten in der Zeit, als ein falsches Wort einen das Leben kosten konnte! Wer damals mutig war, lebte sehr gefährlich! Aiwanger dagegen genoss 40 Jahre nach dem Sieg über den Naziterror gymnasialen Geschichtsunterricht, die Verbrechen waren aufgearbeitet und in ihrer Entsetzlichkeit bekannt! Er lebte in einem demokratischen Rechtsstaat, behütet und im Wohlstand. Der Inhalt des Pamphlets zeugt davon, dass dem Autor das alles sehr wohl bekannt war. Aiwanger soll aber darüber hinaus auch ein Verhalten in der Schule an den Tag gelegt haben, welches in vollem Umfang rechtsradikale Züge beinhaltet. Das hat er nicht geleugnet!

Ich persönlich kann einem Joschka Fischer die Schlägerei mit der Polizei eher als Jugendsünde durchgehen lassen, als einem Hubert Aiwanger seine damalige Sympathie mit einem Massenmörder und Judenhasser!
Martin Krivacek

Früher (vor ca. 10 Jahren) habe ich ihre Kolumne gerne gelesen. Ich fand sie unterhaltsam, es gab die verschiedensten Themen und sie beleuchteten diese mit einem ungewöhnlichen Blickwinkel. Aber leider empfinde ich es so, dass sich ihre Sichtweise extrem verkleinert hat. Heute muss ich nur die ersten zwei Zeilen der Kolumne oder die Überschrift lesen und ich kann mir meist sicher sein, was kommt. Und das ist langweilig. Ich lese die Überschrift „Über Jugendsünden“ und weiß was kommt. Nicht dass ich eine komplett andere Meinung habe als Sie, aber es ist so erwartbar und leider auch flach, was sie schreiben. Wenn es drei Themen in einer Woche zur Auswahl gäbe: 1. Ein Verlag gendert alte Kinderbücher, 2. Die Wohnung von Herrn Scholz wird farbig gestrichen und, 3. ein blindes Huhn wird in der Uckermark überfahren, dann ist heute zu 90% sicher, dass Sie Thema 1 wählen, obwohl das Thema in 10 anderen Artikeln in der Woche Thema wäre. Früher hätten sie zu 60% zum dritten Thema geschrieben und irgendwie einen guten Blick darauf mit aktuellem Bezug gefunden.

Warum läuft Ihre Kolumne nicht aus, wenn sie langweilig ist. Ganz einfach, weil sich die Zeit vermutlich sonst vorhalten lassen müssten, dass sie den „letzten“ konservativen Kolumnisten rausgeschmissen hätten. Klassische Opferrolle, denn wer würde schon glauben, dass der Verlag die Serie auslaufen lassen würden, weil sie schlechter wurde, oder weil man neuen Leuten eine Chance geben will, so wie bei anderen Rubriken im ZEITmagazin üblich. Und Sie selbst haben auch offensichtlich keine Ambitionen, abzutreten. Nicht dass ich Sie loswerden will, aber ich möchte die Kolumne wieder gerne lesen. Werden Sie wieder kreativ, es gibt so viele interessante unbeachtete Themen, seien es Trendfarben bei Autos, aktuelle Hits im Radio, die Breite der Stühle in der Schule, Glückslose für alle.
Bernd Schwitzgebel

Mit 17 hat man noch Alp-Träume! Ausgenommen natürlich unsere politischen und journalistischen Moralapostel, die hinter ihrer blütenweißen Weste ihre schwarze Seele geschickt verbergen können! Dafür sezieren sie akribisch die dunklen Flecken, die sie bei ihren Gegnern immer zur passenden Zeit entdecken! Deshalb bekenne ich lieber freiwillig meine Jugendsünden: mit 15 habe ich mich, nein ich wurde von meinen Mitschüler(inne)n bei einem klasseninternen Fastnachtsfest während eines Landschulheimaufenthalts als Adolf Hitler verkleidet. Man zog mir einen scharfen rechten Scheitel und malte mir eine kleine schwarze Rotzbremse auf die Oberlippe! Weit entfernt von rechtsextremer Gesinnung wollten wir nur unseren Altnazi-Klassenlehrer überraschen und provozieren! Ihm hat ’s wohl gefallen, soweit ich mich nach mehr als 60 Jahren noch erinnern kann, denn rausgeschmissen hat er mich nicht! Als junger Student sympathisierte ich kurzzeitig mit dem linksradikalen SDS. Doch nach der Niederschlagung des Prager Frühlings, an der sich auch Deutsche (DDR-Truppen) beteiligten, erkaltete diese Beziehung und erlosch spätestens nach den Baader-Meinhof-Terroranschlägen.

Bei meiner ersten Wahl – damals war man erst mit 21 volljährig – gab ich Willy Brandt meine Stimme, dann Helmut Kohl, dann der FDP. Angela lag mir nicht, besonders nach ihrem von der Hybris diktierten Aufruf: wir schaffen das!, wobei es egal war, ob das 1., 2. oder 3. Wort betont wurde! Und jetzt…? Ich rate allen angehenden Politikern, meinem Beispiel zu folgen! So trocknet man den Schnüffler- und Denunziantensumpf aus! Die Bekenntnisse sollten von einer unabhängigen (Ethik)Kommission überprüft, aber nicht bewertet werden! Die Entscheidung, ob ein Politiker trotz seiner Jugendsünden wählbar ist, überlässt man den Bürgern! Auf sie können die Moralwächter nach einer Wahl gern eindreschen; gerade jetzt in der Ampel-Ära haben sie ein besonders dickes Fell!
Ulrich Pietsch

Früher war der Beitrag von Harald Martenstein immer das erste, was ich las, wenn ich die neue Ausgabe der Zeit bekommen habe. Es war fast immer abwechslungsreich und witzig. Leider ist das schon länger nicht mehr so. Die Artikel sind berechenbar- wenn es auch nur ansatzweise einen Anlass gibt sich über gendern oder über junge Menschen, die sich für Umweltschutz einsetzen auszulassen- Herr Martenstein tut es. Das wird mit der Zeit ein bisschen langweilig. Ich hätte darauf wetten können, dass er jetzt auch Herrn Aiwanger in Schutz nimmt! Mich konnte er nicht einmal ansatzweise überzeugen! Wenn ich mit 15 wegen eines antisemitischen Flugblatts zur Schulleitung zitiert worden wäre, hätte ich das nicht vergessen und, Herr Martenstein, ich glaube Ihnen nicht, dass Sie das vergessen hätten! Und ist es doch höchst fragwürdig, dass Aiwanger zuerst geleugnet hat und dann, seinen Bruder (der laut Aussagen der Klassenkameraden eher ein linker war) dafür gewonnen hat die Schuld zu übernehmen. Und jetzt will er auch noch eine Kampagne gegen sich erkennen! Ich lese die Artikel von Herrn Martenstein noch immer jede Woche- leider hat die Qualität meines Erachtens nachgelassen. Schade!
Andreas Dill


Leserbriefe zu „Jetzt mal langsam“ von Anna Mayr

„Man hätte einfach nur die schwäbische Hausfrau fragen sollen. Sie hätte uns eine Lebensweisheit gesagt: Man kann nicht auf Dauer über seine Verhältnisse leben.“ sagte Angela Merkel 2008 auf dem CDU-Parteitag in Stuttgart. Am 12. Juni 2009 stimmte dann der Bundesrat der Grundgesetzänderung zu, die die Schuldenbremse verankerte. Die schwäbische Hausfrau hatte Einzug gefunden in unser wichtigstes Gesetzeswerk. Diese Erkenntnisse sind tief in unserem Bewusstsein verankert. Man braucht kein Studium der Wirtschaftswissenschaften, um diese Thesen voll und ganz zu unterstützen. Ohne Blick in das Alte Testament, erkennen wir die Bedeutung des elften Gebotes: „Du sollst nicht über Deine Verhältnisse leben!“ Wer sich politisch nicht an diese Regel hält, wird von den Parteien, die sich ganz besonderer wirtschaftspolitischer Kompetenz rühmen, an den Pranger gestellt.

Bei näherer Betrachtung erkennen wir aber, dass der Vergleich zwischen der schwäbischen Hausfrau und dem Staatshaushalt ein wenig hinkt. Wenn wir als Gesellschaft nicht über unsere Verhältnisse leben wollen, dann ist der Staat nur ein Teil dieser Gesellschaft. Die schwäbische Hausfrau ist die schwäbische Hausfrau. Diese erkennt, dass sie über ihre Verhältnisse gelebt hat an ihrem Konto, das plötzlich überzogen ist. Doch wie ist das bei uns als Gesellschaft. Woran erkennen wir, ob wir über oder unsere Verhältnisse leben? Die Antwort ist doch ganz einfach. Wenn wir als Gesellschaft weniger Güter und Dienstleistungen erzeugen als verbrauchen, dann leben wir über unsere Verhältnisse. Erzeugen wir mehr als wir verbrauchen, dann ist das umgekehrt.

Wir leben unter unseren Verhältnissen. Doch der Maßstab dafür ist nicht der Staatshaushalt bzw. die Verschuldung dessen. Der Staatshaushalt ist nur ein Teil von uns. Der Maßstab ist die Leistungsbilanz. Eine positive Leistungsbilanz bedeutet, dass unser Export größer war als der Import. Das ist nur möglich, wenn wir eben mehr erzeugt als verbraucht haben. Woher sollte sonst der Überschuss kommen? Mit Ausnahme der frühen 90er Jahre hatten wir seit Beginn der Bundesrepublik stets einen Leistungsbilanz Überschuss. Kumuliert seit den 90er Jahren in Höhe von rd. € 4.000 Mrd. Doch wo ist denn das ganze Geld gelandet? Bei mir nicht. Bei Ihnen? Bei der alleinerziehenden Mutter oder dem Familienvater/Familienmutter, der/die 2 Jobs braucht, um die Familie durchzubringen sicher auch nicht. Die Erlöse für unsere Leistung werden nach Verteilungsschlüsseln in unserer Gesellschaft verteilt. Die Verteilungsschlüssel sind in der Regel Verträge (z.B. Tarifverträge) und Gesetze (z.B. Steuergesetze). Wenn nun an einer Stelle Geld gebraucht wird, das dort nach Anwendung der Verteilungsschlüssel nicht vorhanden ist, dann werden Schulden gemacht. Bezogen auf die gesamte Gesellschaft bedeutet das nicht, dass wir dabei über unsere Verhältnisse gelebt haben.

Wenn wir uns über Staatsschulden Gedanken machen und gleichzeitig weit unter unseren Verhältnissen leben, dann sollten wir doch darüber nachdenken, ob die Verteilungsschlüsse angemessen sind. Der Begriff „Umverteilung“ ist ein wenig unglücklich gewählt. Er suggeriert doch, dass es eine originäre (gerechte?) Verteilung gibt, die dann im Zuge einer Umverteilung (ungerecht?) angepasst wird. Wenn wir das vom Anfang her denken, dann sollten wir über die Verteilungsschlüssel nachdenken. Wir sollten dabei die Frage vor Augen haben, wie Leistung bei der Zuteilung bedacht wird und in welchem Maße Money for nothing privilegiert wird. Doch damit kommen wir in ein anderes, angrenzendes, aber sehr großes Feld (Beispiel: Die großen Erben „money for nothing“ werden in der Realität kaum besteuert. Money for nothing aus Geldanlagen wird pauschal mit 25% versteuert. Die Erlöse von berufstätigen Ehepartnern/-innen werden Dank der Splittingtabelle durch Steuer und Sozialabgaben bis etwa 75% belastet.)

Zusammenfassend erkennen wir, dass wir seit Beginn der Bundesrepublik (fast) niemals über unsere Verhältnisse gelebt haben. Wenn man von dieser Stelle zu denken beginnt, dann ergeben sich ungeahnte Möglichkeiten.
Heinrich Ollendiek

Ihr Beitrag ist so ziemlich das Intelligenteste, was ich in letzter Zeit, – auch in der ZEIT – dazu gelesen habe. Und dennoch ist ein Aspekt dabei unberücksichtigt. Der alberne Glaube, dass alle Probleme dieser Welt in erster Linie ein Geldproblem seien, scheint unausrottbar. Mehr Geld für die Beseitigung von Kinderarmut, überhaupt sozialer Ungleichheit, für Industriestrom und Kulturschaffende, oder was auch immer geht an Kern der Probleme vorbei, solange man nicht die Effizienz von Finanzen durch andere, flankierende oder sogar wichtigere Maßnahmen und Entscheidungen durchdenkt.

Macht es Sinn, mehr Wohnungsbau zu fordern und ihn gleichzeitig durch flankierende Bestimmungen zu verhindern, von der Leistungsfähigkeit der Bauwirtschaft und der Zinslandschaft mal abgesehen, macht es Sinn, den Altbaubestand für sanierungsunwürdig zu erklären und durch Neubau zu ersetzen, etc. Macht es Sinn, Milliarden zum Abbau der Kinderarmut zu fordern, ohne halbwegs erklären zu können, wie die Milliarden effektiv wirken sollen. Mehr Geld für Bildung, natürlich. Aber schafft mehr Geld auch wirklich mehr Bildung? Oder wirkt Geld auch mal kontraproduktiv? Fragen dieser Art lassen sich reichlich stellen, gerade weil alle, die Großindustrie voran in erster Linie unisono mit der Sozialpolitik, den Umwelt- und Klimaschützern mehr Geld für die Lösung ihrer Probleme halten?

Wer nur mehr Geld und mehr Gesetze von einem Staat fordert, der sich durch seine Gesetzgebung ständig selbst überfordert, fordert im Grunde seine Entmündigung und Enteignung. An genau dieser Schnittlinie verletzt sich die jetzige Regierungskonstellation selbst. Weit davon entfernt, eine optimale Lösung zu haben glaube ich, eine Geld- und Regelungsdiät würde dieser Regierung, der Wirtschaft und den Steuerzahlern nicht schaden. Die Schuldenbremse mag nicht der optimale Weg sein. Aber grundsätzlich falsch ist sie nicht.
J. Stempfle

Die Schuldenbremse kam nicht über Nacht und reflektiert die Erfahrungen jahrzehntelanger, strauchelnder Fiskalpolitik. Sie ist wesentlich restriktiver als die Maastricht-Norm (max. 3 %) und deshalb ambivalent. Haushaltspolitik ist in der EU zunächst autonome Ländersache. Doch am Beispiel Griechenland war zu besichtigen, dass eine aus den Fugen geratene Verschuldung weit ausstrahlt und das ganze Projekt Euro gefährden kann. Das Land wurde gerettet mit hunderten Mrd. Gemeinschaftsgeldern, das no bail out Mantra in übergeordnetem Interesse geopfert. So etwas kann sich wiederholen. Gefordert wären dann diejenigen, die noch solide dastehen und Schuldendumping betrieben haben, allen voran Deutschland nach dem Motto: ihr habt’s ja. Der erste Sündenfall war ja bereits der Corona Fonds mit über 700 Mrd. Dies ist kein Plädoyer, anderen Schuldenkönigen nachzueifern, doch kann eine allzu restriktive Fiskalpolitik am Ende teuer werden, weil sie Begehrlichkeiten weckt, die in übergeordnetem Interesse bedient werden müssten.
Christoph Schönberger

Seit die Geldquellen mit dem Ende der lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) im Juli 2022 versiegt sind, steht die im Grundgesetz 2009 verankerte Schuldenbremse bei Ökonomen und Politikern im Mittelpunkt eines Kulturkampfes. Denn die strittige Frage lautet: Wieviel neue Schulden sind noch möglich, nachdem die EZB gerade erst zum zehnten Mal in Folge den Leitzins im Euroraum auf die Rekordhöhe von 4,5 Prozent angehoben hat, um die anhaltend hohe Inflation von über 5 Prozent in der Eurozone (Deutschland: 6,1 Prozent) in den Griff zu bekommen. Je höher der Zins, desto negativer sind die Auswirkungen auf die Schuldenquote. Während der englische Wirtschaftshistoriker Adam Tooze kritisiert, dass die Schuldenquote nie in die Verfassung hätte geschrieben werden dürfen und mehr Geld für Investitionen forderte, erwiderte die Wirtschaftsweise Veronika Grimm, dass er wegen der Schuldenbremse an einem „Lindner-Komplex“ leide.

Denn es ist noch in unguter Erinnerung, als Adam Tooze und Joseph Stiglitz im Herbst 2021 in einem Zeit-Artikel Christian Lindner die Eignung als Finanzminister absprachen und auf die Fortsetzung der expansiven Finanzpolitik drangen. Schon damals widersprachen Clemens Fuest (Ifo-Institut München) und der englische Historikerkollege Harold James Adam Tooze heftig. Deutschland brauche einen Kassenwart, der das Geld in einer Welt zusammenhält, in der die politische Unterstützung für laxere Finanzregeln dominiert, aber pauschal höhere Verschuldungsräume nicht gebraucht werden. Und Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) begibt sich mit seiner Forderung auf Aussetzung der Schuldenbremse für fünf weitere Jahre in scharfen Gegensatz zu seiner Bundespartei. Er sollte im hoch verschuldeten Land Berlin mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, dass finanzielle Stabilität eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiches Wirtschaften ist.

Wegner sollte auch berücksichtigen, dass die Fortsetzung der expansiven Finanzpolitik die restriktive Geldpolitik der EZB bei der dringend notwendigen Inflationsbekämpfung konterkariert und Berlin Gefahr läuft, von den Ratingagenturen herabgestuft zu werden, was die zukünftige Staatsverschuldung weiter verteuert. Und ihm sollte die Zukunft der jungen Generation am Herzen liegen, die für unser „Weiter so“ ständig belastet wird. Sein Gegenargument, „wenn wir jetzt nicht investieren und unsere Infrastruktur auf Verschleiß fahren, bezahlen das nachfolgende Generationen doppelt“, ist zwar gewichtig, macht jedoch auch deutlich, dass Zukunftsentscheidungen zwischen Not und Elend getroffen werden. Anna Mayrs ausführliche Darstellung der Historie der Schuldenbremse hat diesen Zwiespalt noch einmal sehr deutlich werden lassen.
Hans-Henning Koch

Nun schreibt Anna Mayr auch noch über die Schuldenbremse. Dabei mit Patzern, wie sie in ihren Artikeln regelmäßig vorkommen. Es stehen „Paragraphen“ im Grundgesetz, da soll „ein Gesetz in die Verfassung kommen“. Da gibt es wieder einmal eine abstruse Behauptung: die Schuldenbremse nach Art.109, 115 sei „nicht wirklich ein Gebot“, denn „was da steht, ist aus Zufällen entstanden“. Es fehlt nicht der typische Anna-Mayr-Sound. „Töröö…Mjam…Uff“. Was soll diese infantile Sprache?
Karl-Heinz Eckert

„Die genaue Höhe der Schulden, da sind sich Experten einig, ist am Ende schnuppe“ Ein, durch die Autorin, selbstgefundenes Fazit auf einen Artikel, das widersprüchlich ist. Darüber hinaus werden offensichtlich nur meinungsgenehme Experten berücksichtigt. Nach Lektüre des Artikels bleibt der Eindruck, Anna Mayr möchte die Schuldengrenze für eigene, politisch bevorzugte Bereiche aufheben, deshalb ist offensichtlich die Höhe der Schulden „schnuppe“. Wenn das so wäre, dann könnte sie, die Schuldenbremse, ja auch verschärft werden.

Das Wohlergehen des Staates und damit jedes Einzelnen ist kurzfristig in unserer politischen Werteordnung mit Geld sehr schnell und einfach zu verbessern und bequemer zu machen. Da allerdings die Wege zum Wohlfahrtsstaat, zur gesunden Wirtschaft, zur gesunden Umwelt Ressourcen, sprich Geld, kosten und diese Ressourcen begrenzt sind, ist die Lenkungsfunktion der Schuldenbremse für „ausgabewillige Politiker“, deren Aufgabe es ist, gerade diese Wege zu bauen, alternativlos. Politik ist nicht „schnuppe“, sondern manchmal anstrengend, die Debatte dazu kommt oft zu kurz und wird durch rhetorische Redewendungen geprägt. Folgerichtig und ehrlicherweise hätte das Fazit lauten müssen: Politische Haushaltsberatungen sind, gemäß den von mir bevorzugten Experten, schnuppe. Geld ist immer genügend vorhanden!
Tilmann Kempf

Vielen Dank für diesen erhellenden Artikel, durch den selbst ich als immer politisch Interessierter noch einiges neue gelernt habe.  Gleichwohl sehe ich einige Aspekte, die ich noch gern ergänzen möchte: So kann man die früher maßgebende „Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts“ inzwischen ja fast immer konstatieren, zumindest behaupten und schwer widerlegen, zumal auch viele (nicht nur von Regierungen) selbstverschuldete oder durch Anspruchshaltungen ergebene oder dauerhafte Probleme leicht als solche zu erklären oder manchmal zu verdrehen sind. Wir leben in einer Zeit, wo eine Krise die andere ablöst oder sogar mit Gleichzeitigkeit dazukommt, besonders wenn alles, was das Leben einer Gesellschaft unbequemer oder schwieriger oder teurer macht als gewohnt oder gar nur als erwartet oder verlangt, als „Krise“  oder gar „Notstand“ deklariert wird, vielleicht auch dafür die Aufnahme neuer Schulden zu rechtfertigen, statt etwa  wieder etwas mehr oder länger zu arbeiten, Steuern zu zahlen  oder Ansprüche zurückzuschrauben, was ja regelmäßig mehr Wählerstimmen oder gute Pressenoten kostet als etwas von dem genannten.

Es gibt natürlich Gründe und Situationen, welche neue Schulden tatsächlich rechtfertigen, z.B. als geringeres Übel im Vergleich zu andernfalls eintretenden katastrophalen Zuständen wie durch eine globale dauerhaft werdende Klimakatastrophe, oder aber insbesondere, wenn neue Werte geschaffen werden, die – wirklich – die einnahmen danach vermehren und sich so selbst bezahlt machen, und zwar real wertige Einnahmen und nicht nur nominale inflationsbedingte Mehreinnahmen. Solche werden aber vielfach als Argument herangezogen um auch alles mögliche andere zu finanzieren  wie eine Aufrechterhaltung des Lebensstandards  trotz abgenommener Leistung und Produktion von Wohlstand, z. B durch Fachkräftemangel, Bedarf eines zunehmenden Teils des erarbeiteten für erwerbsunfähige oder Rentner, Verlust eines zunehmenden Teils des Wohlstands ins Ausland durch  höhere Energieimport-Preise oder durch Abschreibungen von Gütern wegen Katastrophen oder auch zwecks deren Verhinderung.

Viel davon muss wohl zwecks Überbrückung bis zur Anpassung aller Prozesse zunächst mit Schulden ermöglicht werden. Die große Preisfrage ist aber nicht nur ob überhaupt, sondern für wie lange bis zur Tilgung.  Hiervon ist leider regelmäßig keine Rede, sondern diese wird regelmäßig offen gelassen. Man macht glauben es werde getilgt, wenn alles wieder besser wird. Nur leider tritt dieses Besser nie ein oder es wird nicht erkannt und schon gar nicht die Konsequenz einer Tilgung der Schulden gezogen, denn es gibt immer neue teils anspruchsbedingte oder durch neue Wahlgeschenke bedingte „Notwendigkeiten“, die seit Jahrzehnten eine nennenswerte Reduktion der Schulden verhindern.   Wo sie dann doch zumindest als Anteil vom BIP stattfand wie im letzten Jahrzehnt, wurde sie finanziert durch Anhäufung anderer Schulden, nämlich durch Vernachlässigung der Infrastruktur und des Klimaschutzes bzw.  „Sparen“ an den Investitionen, die allein zur Vermeidung einer Verschlechterung der Infrastruktur nötig gewesen wären.

Da aber Sparen dort, wo es unmittelbar bei Wählern spürbar wird wie bei fossilen Subventionen und genauso Steuererhöhungen für Parlamentsmehrheiten wie auch Wählermehrheiten seit langem quasi tabu sind, wurde immer mehr eine ganz falsche Alternative von nur zwei Möglichkeiten an die Wand gemalt:  Entweder Sparen an Infrastruktur, an Klimaschutz oder an der Prävention sonstiger künftiger Katastrophen, oder als zweite Alternative neue Schulden. Dabei wird von vielen Beteiligten bewusst oder unbewusst ausgeblendet, dass es auch andere Alternativen gäbe: Mehr Steuern insbesondere für viel verdienende oder vermögende, weniger Subventionen,  für gleiches Einkommen (wieder etwas, in der Woche oder im Leben) mehr arbeiten  oder lernen und damit mehr Wachstum und Wohlstandsproduktion ermöglichen, oder schließlich  Einschränkungen von sehr wenig produktiven oder eher Wohlstand vernichtenden Tätigkeiten  wie wir sie regelmäßig durch Kriminalität erleben, manchmal sogar (halb-)legale wie bei Glücksspielen, Alkohol oder wie im Entwicklungsvorfeld der Finanzkrise und bei anderen Schneeball-Systemen oder Blasen.   Auf diese ganz falsche Alternative ist aus meiner Sicht auch die Fridays for Future- Bewegung hereingefallen:

Es mag für unsere Nachkommen besser sein einen Riesenschuldenberg zu erben als nur noch kaputte Infrastruktur, Systeme und Planeten, aber es wäre zynisch, ihnen und ihren jetzigen Fürsprechern nur die Wahl zwischen diesen beiden Katastrophen zu lassen. Ein weiteres Opfer von Schulden können alle von Inflation betroffenen sein, besonders wenn die Leistungen gar nicht vermehrt werden, sondern nur anderen Nachfragenden entzogen werden können, z.B. weil für mehr Leistung oder Wertschöpfung die Fachkräfte fehlen. Auf diesen beiden Gruppen werden in Wirklichkeit die Zumutungen abgewälzt, die viele Redner, Schreiber und „Visionäre“ sich selbst oder ihrer Klientel unbedingt ersparen können.

Wenn ich ein Haus gekauft habe oder im Wert verbessere, werden Kredite dafür durch Sachwerte aufgewogen/kompensiert. Wenn ich aber für Reparaturen oder Instandhaltungen „investiere“, vermeide ich nur eine Wertverschlechterung oder gar Zusammenbruch des Hauses. Wenn ich solches auch immer wieder durch neue Kredite „finanziere“, werden die bald größer als der Wert, und meine Erben müssen das Erbe ausschlagen. Unsere Kinder und Enkel als Erben unseres Landes und der Welt haben diese Möglichkeit des „Ausschlagens“ aber nicht; höchstens können sie die Gläubiger leer ausgehen lassen, z.B. teils durch Inflation/Wertabnahme der Kredite oder indem sie der Verursacher-Generation die Renten kürzen. Auch der ökologische Umbau ist keine Wertverbessernde Investition, denn dafür werden andere fossile Anlagen entwertet oder ersetzt. Wir haben die Welt bekanntlich nur „von unseren Kindern geliehen“ und die Verantwortung sie ohne Verschlechterung wieder weiterzugeben, auch ohne auf sie einseitig die Rechnung für die Erhaltung abzuwälzen.

Ich sehe oft die Tendenz Kredite als das Wundermittel zu verkaufen, mit dem praktisch unbegrenzt Leistungen erzeugt werden könnten ohne irgendwen durch mehr Arbeit, Zahlungen oder — Vorsicht, Unwort — „Verzichte“ oder „Verbote“ zu belasten, wo es kaum noch untätiger Fachkräfte mit ausreichender Kompetenz gibt, erscheint mir genauso eine Hybris wie die alten Forschungen nach der Methode Gold aus billigem zu produzieren oder ein Perpetuum mobile zu basteln, aus dem man ja auch dauerhaft Leistungen herausholen wollte, ohne etwas hineinzustecken. Und der Grund ist oft schlicht und einfach der mangelnde Mut oder die mangelnde Bereitschaft, irgendwem aus der jetzigen Generation der Wähler irgendetwas „zuzumuten“, auch wenn es nur ein winziger Bruchteil dessen wäre, was man alternativ den (künftigen) Opfern von Klimakrise, Inflation, Gesundheits-Systemmängeln, Bildungsmängeln oder Ungerechtigkeiten zumutet.

Dass ein Argument vielfach wie oft vorgeworfen von „neoliberalen“ oder „konservativen“ angeführt wird ist logisch kein Beweis für ihre Falschheit. Manche mathematischen Fakten sind 2 Jahrtausende alt und dennoch nicht „überholt“ oder „unmodern“ und unabhängig von „progressiv oder konservativ“. Die auch oft argumentativ angeführten Vermögenszuwächse bei Gläubigern des Staates sind nur so viel wert, wie der Staat zuverlässig zurückzahlen kann oder bereit ist. In der Wirklichkeit wird aber immer mehr „getilgt“, indem dafür neue Schulden aufgenommen werden. Das wird immer mehr zu einem Pyramiden- oder Schneeball-System, das nicht auf Dauer gut gehen kann, wie auch Griechenland gezeigt hat. Das konnte noch halbwegs gerettet werden, teils auch schon durch Leer Ausgehen von Gläubigern. Von wem aber sollten wir eine Rettung von Deutschland oder ganz Europa erwarten? Vielleicht von der „digitalen Erschaffung“ von Geld, was früher Druckerpresse war? Dass wäre eine Art Steuer auf alle Inflationsopfer.

Natürlich wird der Konflikt irgendwann einer innerhalb der nächsten Generation, statt zwischen den Generationen, z. B. zwischen dem dann vorhandenen Staat und seinen Steuerzahlern und seinen Gläubigern, die sich z.B. bei ihrer Altersvorsorge und Alters-Sicherung auf den Wert der Staats-Papiere verlassen haben. Insgesamt wird es dann aber unter den folgen aller heutigen Vernachlässigungen viel weniger zu verteilen und viel weniger Leistungen und Güter zu erübrigen, geben als heutzutage. Es wäre also schlicht generationsegoistisch uns heute die Konflikte zu ersparen und sie auf die nächsten Generationen abzuwälzen, damit heute niemand sich ärgern muss, dass er wegen Steuern vielleicht mit etwas bescheidenerem Auto fahren, weniger in Urlaub fliegen, eine kleinere Yacht kaufen oder weniger Frei- oder Renten- oder Internet-Surf-zeit genießen kann.
Peter Selmke

Die Schuldenbremse bzw. die fixe Idee der „schwarzen Null“ ist schuld an den Sanierungsmaßnahmen bei Bahn und Brücken, bei Schulen und Kitas. Überall wurde trotz der „Boomjahre“ gekürzt und verschoben, heute haben wir einen Investitionsrückstand von hunderten Milliarden, auch eine Form von Schulden. »Unter Schulden leiden zukünftige Generationen.«? Unter keinen Schulden noch mehr.
Lutz Reder

Ihr informativer und erhellender Artikel über die Einführung der Schuldenbremse war anregend. Die Kürzungen im Sparhaushalt 2024 (z.B. beim Bundesfreiwilligendienst) werden sich in der Gesellschaft gravierend bemerkbar machen – schon in guten Konjunkturlagen konnten die bundespolitischen Aufgaben nicht erfüllt werden. Steuererhöhungen oder Kürzungen klimaschädlicher Subventionen, um den finanziellen Spielraum zu steigern, sind von der Ampel nicht geplant. Bleibt nur – die in Ausnahmesituationen erlaubte – Bildung von intransparenten Sonder“vermögen“. Von diesen existieren derzeit 29!  mit einem Gesamtwert von 869 MRD Euro und einem Verschuldungspotenzial von 522 MRD Euro. Wer kontrolliert die Höhe der Inanspruchnahme, Zinslasten, Umwidmung etc.?
M. Linder

Die Diskussion um die Schuldenbremse ist doch rein theoretisch: Wie jeder weiß, gibt es das bewährte Instrument der Neben- und Nachtragshaushalte, mit dem man jede Bremse ausbremsen kann.
Peter Pielmeier


Leserbriefe zu „Sinn und Verstand“ „Welche Superkräfte retten die Zukunft?“ von William MacAskill

Als Jezabels-Fan ist mir der Nachname MacAskill geläufig. Hat der Philosoph William etwas mit dem Mountainbiker Danny zu tun, der zwei seiner Videos mit Musik von den Jezabels unterlegt hat? So ganz selten scheint der Name ja nicht zu sein. Die englische Wikipedia hat dazu einen eigenen Artikel.
Thomas Manthey

Tut mir leid, aber ich finde den Artikel nur trivial. Das Bild inmitten des Artikels ist schön, kann die recht flachen Ausführungen aber nicht nennenswert aufwerten. Es mag ja sein, dass der 36-jährige MacAskill einer der einflussreichsten Philosophen seiner Generation ist, aber ich kann mich der Vermutung nicht erwehren, dass es in seiner Generation wohl nicht arg viele Philosophen gibt.
Reinhold Schmidt

der denkansatz von william mac askill ist sicher nach tiefem nachdenken und unter einer humanistischen denkweise entstanden, aber meiner meinung nach nicht zu ende gedacht!  solange wir und ungehemmt vermehren und dann meistens noch die triebgesteuerten, hat die gesellschaft keine chance!  solange diese menschheit sich immer noch jedweder religion zuwendet und dadurch durch angst und nicht durch vernunft gesteuert wird, wird das nichts mit uns!  warum macht sich die wissenschaft nicht mal daran, das „machthabenwollengen“ aus unserem genom zu mendeln!  wäre einen nobelpreis wert!!!!  es gibt nur eine lösung, vorsicht blanker zynismus:  wir haben die möglichkeit diese weltbevölkerung mit einem atomaren krieg innerhalb von stunden auf die hälfte oder weniger zu reduzieren. und wenn der entwicklungsstand ohne das o.a. gen auf die zeitenwende bc/ad zurückfallen würde, müssten wir auch nicht mehr die ki befürchten!  zynismus ende!
klaus j clemens

DIE ZEIT schreibt: „Der 36-jährige Schotte William MacAskill ist einer der einflussreichsten Philosophen seiner Generation. Er gehört zu den Begründern des „Effektiven Altruismus“, eines vom Utilitarismus beeinflussten Denkens, das aufgrund seiner Nähe zum Silicon Valley sehr umstritten ist…“ Sein neuestes Buch er/trägt den Titel: „Was wir der Zukunft schulden“.

Und dann meint der RvM-Leserbriefschreiber beim Durchforsten dieses ganzseitigen Artikels, erkannt zu haben: dass letztlich nichts Neues an Verhaltensstrukturen zur Errettung der Welt (der Menschen und Mitgeschöpfe), der Natur, hierbei aufgezeigt wird – alles nurmehr wichtige und unumgängliche Wiederholungen des bereits Erkannten und Veröffentlichten aus den verschiedensten sinnvollen Bedenkungsquellen, somit: zwar wahrlich keine Verpuffung des MacAskill-Textes, aber für einen als in DIE ZEIT ausgewiesenen „einflussreichsten Philosophen seiner Generation“: hätte man in der leserischen Erwartungshaltung jetzt und nun das ganz große Ergebnis seiner essentiellen Überdachtheit zu den menschgemachten Problemen, erwarten wollen! Dem aber ist nicht so: „ …dass die Eisschilde schmelzen und in 10.000 Jahren der Meeresspiegel zehn bis zwanzig Meter höher liegt als heute, Hanoi, Shanghai, Tokio und New York dann größtenteils unter Meeresniveau lägen…“ – ist auch kein neuester Wissensstand! Und wenn schon von Professor MacAskill diese Zukunfts-Wasserstandsmeldungen mit eingebracht werden mussten, und er Deutschland so vorrangig als Musterbeispiel für die effiziente Vorreiterrolle zum Umweltschutz darstellt, sollte in dem Artikel auch auf das Absaufen von Hamburg, Bremen, der Nord-und-Ostseeküsten-Regionen mit erwähnt worden sein!

Das erschreckt nämlich besonders die Deutschen bzw. die deutschen Leser von DIE ZEIT. Was am nahesten beschrieben wird, schreckt auf und enttarnt zumindest im Moment die anteilige Erkenntnis der eigenen, persönlichen falschen Verhaltensstrukturen: etwa 2 Millionen mitbeteiligte DIE ZEIT-LeserInnen (nicht KäuferInnen) könn(t)en hierbei eine beträchtliche positive Beteiligung am Umweltschutz mit beitragen – vielleicht und hoffentlich auch nach diesem verallgemeinernden, dennoch deutlichen Text von William MacAskill (in der Übersetzung von Michael Adrian). DIE ZEIT-LeserInnen leben wahrscheinlich nicht ungerne im Wohlstand bzw. auch dem anteiligen Luxus (ihres zudem wohl gebildeten Daseins) – cum grano salis.

Immerhin wird hierbei textlich sehr (oder zu zuversichtlich) menschenfreundlich von Altruismus (Uneigennützigkeit, Selbstlosigkeit) und Utilitarismus (dem Sinn nach: die eigenen Handlungen nach dem Nutzen für die Allgemeinheit zu beleben) geschrieben und das Demographische fast komplett ausgeblendet, ja geradezu verheimlicht! Zitat zu Beginn des Textes: „Zukünftige Menschen zählen. Es wird womöglich sehr viele von ihnen geben. Und wir können ihnen zu einem besseren Leben verhelfen. Das sind drei einfache Erwägungen, die meines Wissens nicht besonders strittig sind. Sie jedoch ernst zu nehmen, läuft auf eine moralische Revolution hinaus – eine Revolution, die weitreichende Folgen dafür hat, wie Aktivisten, Forscher, Politiker und tatsächlich wir alle denken und handeln sollten. Diese Erwägungen liefern die Gründe für eine ethische Position, die ich als Longtermism, als langfristiges Denken, bezeichne.

Damit ist die Auffassung gemeint, dass wir uns als Gesellschaft viel mehr anstrengen sollten, um die Interessen künftiger Generationen zu schützen, als wir es derzeit tun.“ Sorry Mister MacAskill (und dies Ihnen auch als Philosoph zugerufen): das sind doch schon im Start des Textes nurmehr Allgemeinplätze und hinzukommend noch von Ihnen allgemein-gefährlich (unüberlegt?) hinzugefügt! Denn, am allergefährlichsten für das Überleben auf diesem Planeten Erde: ist doch die extrem wachsende Population weltweit von uns Menschentieren – dass bis ins Jahr 2050 voraussichtlich über 10 Milliarden Menschen diese Erde überbevölkern… Sich vorzustellen, dass auf dem nordamerikanischen „Kontinent“ vor den Zeiten der „europäischen Okkupation“ (als „Entdeckung Amerikas“ deklariert) etwa 1 Million Ureinwohner dort lebten – und heute die USA ca. 340 Millionen Bewohner aufzeigt. Im Jahr 1900 die Weltbevölkerung 1,65 Milliarden Menschen aufwies und wir in der jetzigen Population weltweit auf über 8,12 Milliarden Menschen angewachsen sind…

Ergo – „Welche Superkräfte retten die Zukunft“ – und schon diese Befragung „Zukunft“ wird von dem Philosophen MacAskill augenscheinlich so zeiteng verwaltet, indem er am Schluss seines Artikels für DIE ZEIT summa summarum aufführt: „Wenn wir wohlerwogene Maßnahmen ergreifen, die die effektivsten Lösungsansätze unterstützen, können wir eine Welt schaffen, für die uns die Enkelkinder unserer Enkelkinder dankbar sein werden.“ Mit und zu welchem Zeitfenster jongliert der Philosoph MacAskill – wenn er „die Enkelkinder unserer Enkelkinder“ zeitlich vor Augen habe – also gerade mal einige vorbedachte Generationen „seiner“ deklarierten Zukünftigkeit vorerst mit einbezieht! Obwohl doch in Dimensionen von mindestens 100.000 Jahren bedacht werden sollte – oder darüber zeitlich weit(er) hinaus… Doch wenn WIR Menschen insgesamt nicht das Problem der Überbevölkerung weltweit irgendwie lösen können (durch global vorstellbare vernunftvolle Empfängnisverhütung)  – werden wir (in Europa, in den USA) uns auf immense Völkerwanderungen aus der Armutsrealität in die entsprechenden (noch) „lebensgenehmeren“ Länder extrem vorbereiten müssen; wird es hoffentlich nicht zu militärischen Abschreckungen kommen, sind Ausgrenzungen durch konsequente Grenzziehungen in diesem Zusammenhang nicht mehr auszuschließen…

Nichts, aber auch Garnichts kann hungernde Menschen aufhalten, die auch für ihrer Kinder Zukunft sich (bis in höchste Gefahren) einsetzen werden: das ist schon das unumgängliche Naturprinzip des Überlebens von uns Menschen! Doch wiederum philosophiert William MacAskill mit dem Altruismus und Utilitarismus, wenn er uns Individuen anspricht, nett Einforderungen erwirken möchte: „Und wir können viel tun. Obwohl jedes dieser Probleme zu gewaltig erscheint, als dass eine Einzelperson merklich etwas dagegen ausrichten könnte, können Individuen in Wirklichkeit einen enormen Unterschied bewirken. Jeder und jede von uns kann Geld und Zeit beisteuern. Von unserem Geld können wir an hochwirksame Organisationen spenden, die zur Lösung dieser Probleme beitragen. Unsere Fähigkeit zu spenden verleiht uns gleichsam eine Superkraft: Sie erlaubt uns, die Arbeit jener Gruppen zu unterstützen, die am effektivsten Fortschritte bei den Problemen erzielen, die wir angehen wollen.“

Elon Musk beruft sich anteilig auf den Philosophen William MacAskill – welch eine Ironie im Sinne des Kapitalismus, wenn der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben oder vertrieben werden soll: dieser Elon Musk der Antreiber des Turbo-Kapitalismus ist und der nette Philosoph ihm sprichwörtlich zu Diensten scheint mit seiner Philosophiererei im/zum Erwägen des guten Menschenwillens… Nein: vor allem muss dieser Turbokapitalismus zum Teufel gejagt werden, weg mit diesem globalen System der Ausbeutungen (von Natur und Menschen), der Vernichtungen von der Umwelt, dem Verbrauch der Ressourcen, dem Bewerben von immer mehr Verbrauchen und Gebrauchen… Wiederum schreibt hier MacAskill treu-brav in der Orientierung des Vorhandenen ohne sich weit Hinauszulehnen: „Aber wir können nicht nur unser Geld, sondern auch unsere Zeit beisteuern. Besonders für diejenigen, die am Beginn ihres Berufswegs stehen oder einen Jobwechsel erwägen, gibt es eine hervorragende Gelegenheit, Gutes zu tun, indem sie sich einer besonders wirkungsvollen Tätigkeit widmen.“  Es ist unfassbar, diese Angebote des Philosophen lesen zu müssen – abseits jeder Realität in dem ZEIT-Text uns weismachen zu wollen, dass wir uns alle doch einer wirkungsvollen Tätigkeit widmen sollten…

Der RvM-Leserbriefschreiber antwortet daraufhin intuitiv: Absolute Priorität muss global die Entwöhnung aller „unserer“ Gott-Götter-Religionen bewirken, jedwedes vorgegaukelte Religionstheater aus der geistigen Vernunft heraus sich insgesamt ad absurdum stellen… Des Weiteren: 1.) weg mit dem Kapitalismus! – (doch welche Ideologie soll nun herhalten? 2.) kein Kindergeld seitens des Staates mehr auszahlen! 3.) für jedes Ehe-Paar, dass keine Kinder zeugt und gebiert: eine entsprechende staatliche Jahresprämie auszahlen! 4.) Die Entwicklungsgelder an die Länder der sogenannten Dritten Welt dann nicht bezahlen: wenn diese Regierungen ihre Populationsprobleme nicht entsprechend regulieren… 5.) Eine allgemeine Steuer für die Rettung der Erde – dieses Geld dann umgesetzt wird in die Rettung der Natur! Z.B.: keine Abholzungen von Regenwäldern, Wäldern, Rodungen etcetera. 6.) Den absoluten Vegetarismus auf unserem Planeten für die Menschheit propagieren und auch festschreiben… 7.) Auf alle Konsummittel, die nicht zur Gesundheit beitragen: eine entsprechende Steuer erheben! 8.) Die Automobilindustrie weltweit zwingen: nur noch Personenkleinwagen herzustellen! 9.) Absolute Geschwindigkeitsbegrenzung auf den Autobahnen von 110 Kilometern pro Stunde! 10.) Konsequentes Tabak-Verbot für alle Rauch-„waren“ – Verbot der Tabakindustrie insgesamt! 11.) Durch den weltweiten Vegetarismus wird die Umwelt mit renaturiert – und es gibt kein Morden und Massenmorden mehr an unseren (dafür gezüchteten) Mitgeschöpfen. 12.) In den Schulen diesen vorlebbaren Altruismus und Utilitarismus, den Vegetarismus menschenfreundlich lehren und damit die kommenden Generationen zur allgemeinen Friedlichkeit freiwillig und verständlich „erziehen“! 13.) Dann werden durch diesen inneren und äußeren Menschenfrieden auch keine Militärs und keine Waffen mehr notwendig sein! 14.) Die freie Liebe ohne jedwede Anknebelungen durch irgendwelche negativen Gesetze und Einforderungen! Damit fallen dann auch die Ehen und Ehescheidungen weg und die daraus entstandenen Dramen zuvor und gegenwärtig. 15.) Beleben wir die Kultur unserer jeweiligen Gegenwart – und lasst alle Menschen in ihrer inneren Bedeutung: irgendwie Künstler und Künstlerinnen sein! 16.) Durch die Verminderung der zu hohen Lebensansprüche des Verbrauchens und Gebrauchens: können die Arbeiten sich vermindern – wird durch die stetig reduzierte „natürliche“ Menschenverminderung und durch die vernunftvolle Geburtenbeteiligung: das Leben auf diesem kleinen Planeten wesentlich überschaubarer sein, und vor allem: evtl. das Konkurrenzverhalten sich gleichzeitig dadurch mit in den Hintergrund stellen ließe… Wunschbilder sind schließlich auch zuvorderste Denkansätze!

Damit könnten wir eine weltweite Zukunft miteinander und füreinander aufbauen – jenseits jeder menschengefährdenden Ideologien und Rassenunterschiedlichkeiten, Traditionen, sowie Mentalitäten und anderweitiger Überlieferungen aus den auszusortierenden Vergangenheiten… Eines aber wird leider auf ewig vorhanden bleiben: Das Geistreiche, Kluge und ästhetisch Schöne wird immer von der Masse der Menschen nur langfristig vielleicht umgesetzt und anerkannt werden können: zu unterschiedlich wird die Natur durch die Gene und die Vererbungen den/die Menschen gestalten und wir Menschen dementsprechend uns jeweils anerkannt oder unerkannt empfinden. Wie kann man: die Eitelkeit, die jeweilige Ichbezogenheit an optischen und geistigen Vorteilen, die Sucht und Gier nach Menschen für die persönliche Befriedigung der Sexualität, das Habenwollen – aus der Menschenwelt befreien oder kontinuierlich entfernen? Wenn also aller „Reichtum“ gleichmäßig zur Auskömmlichkeit verteilt wäre – bliebe dennoch immer die Ungleichheit des anderen Daseins im Unverständnis der jeweiligen Mitmenschen ohne Mitmenschlichkeit…

Freiheit entsteht erst dann, wenn alle Menschen sich in ihrer menschenverwandten Vorhandenheit so anerkennen wollten, wie sie ihr optisches und jeweils erreichbares Sein in einer Gemeinsamkeit definieren könnten: das optimale für das Gemeinwohl dadurch auffinden mögen… Letztlich aber bleibt der Tod und die Erkenntnis: „Omnia mea mecum porto!“ Ob das möglicherweise eine Verdeutlichung wäre, um diese ganzen Anstrengungen und Ichbezogenheiten an Habenwollen und Verbrauchen und Gebrauchen: endgültig nicht nur philosophisch loszuwerden? Ganz im Hier und Jetzt ohne all diese unnötigen Aufregungen… Könnten wir uns den Himmel auf Erden schaffen? – und nicht nur das abgebildete ZEIT-Photo imaginieren mit der netten Unterschreibung: „Damit unsere Bäume auch in Zukunft in den Himmel wachsen.“ Der RvM will kein Salon-Prediger sein, sondern nur im Gedankenwirrwarr versuchen: nicht in dieser Welt absolut durchgeknallt existieren zu müssen.
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld

Wunderbar! Jetzt hat die Philosophie die Erkenntnisse zu Klimawandel und -schutz erlangt, die von den Naturwissenschaften bereits vor einem halben Jahrhundert publiziert und seither immer wieder ergänzt worden sind. Die zu erwartenden Klimaänderungen sind immer wieder dargestellt worden. Langfristige Vorsorge und effektives Handeln sind schon lange sowohl ökologisch, sozial und kommerziell dringende Forderungen auf allen Ebenen: regional-, national- europäisch-, global-solidarisch.
Hjalmar Thiel

Viele Ihrer Argumente teile ich als mittlerweile „alter weißer Mann“ mit jahrzehntelanger Erfahrung in „Umwelt-, Ressourcen- und Energiepolitik“. Bei Ihrem Spendenaufruf zugunsten „hochwirksamer Organisationen“ bekam jedoch ich ernste Bedenken angesichts der fachlichen (In-)Kompetenz bspw. des „Thinktanks AGORA Energiewende“[1] (recht dürftig) und der Diskussionsbereitschaft von FFF in Deutschland, welche eine für FFF gefertigte Studie eines „tiefgrünen“ Forschungsinstituts niemals in „unerwünschten“ Aspekten zu H2 diskutierte, sondern diese schlicht vernebelte. Und worin liegt die Fachkompetenz der „letzten Generation“ zum sofortigen weltweiten Abschalten aller fossil betriebenen Kraftwerke, Autos, Schiffe, etc. Faktisch sehe ich weniger Interesse und Engagement für schwierige und langfristig funktionierende Konzepte, sondern eher ein kindisches „Wünsch Dir etwas!“ Um Ihnen die Dimension der bald anstehenden Probleme (weltweit und in jedem Land) zu verdeutlichen, schicke ich Ihnen eine Info „Fundmentales zur Klimapolitik“. [1] Der Leiter von AGORA Energiewende, (Ex-Staatsekretär) Herr Dr. Graichen hat zwar 2006 eher polit-ökonomisch zu Umweltthemen promoviert, kann aber nicht ernsthaft als TOP-Energieexperte eingestuft werden. Er wäre mir in dem „kleinen Club“ der deutschsprachigen Energieexperten (10 – 12; von 1995 bis 2015) sicherlich aufgefallen: Ich selbst war ab 10-2005 bis 12–2014 der erste Berater der BNetzA (the German „FERC“) für Energiewirtschaft, neben je einem EN-Ingenieur und EN-Juristen.
Wolfgang Ströbele

Bei der Überschrift dachte ich zuerst „wieder so eine „Vision“, die uns weismacht, es gehe ohne jegliche Anstrengungen durch mehr Arbeit, Zahlungen und Verzichte, sondern allein durch die Auswahl einer „genialen“ Technologie oder eines „genialen“ Systems / einer „genialen“ Regierung“.  Schon beim Lebens- und Tätigkeitshintergrund von Ihnen als Autor merkte ich dann aber, dass noch mehr dazukommt, wie auch in der Neben-Überschrift angedeutet ist: „Revolution des Denkens: es muss viel langfristiger werden“.  Und die Psychologie sagt ja auch, dass mit dem Denken (und Handeln) sich dann auch die Gefühle ändern.  Bei den Resultaten sind dann neue technologische Forschungen und Anwendungen auch ein wichtiger Anteil, allerdings keinesfalls der einzige, wie von Ihnen und auch in meinem ersten Satz schon angedeutet.

Die Technologien und das Wissen sind ja kaum noch das Problem, sondern die Zahlungen und Arbeiten, die auch die „genialsten“ bisher in großem Umfang erfordern, dazu der Vorrang solcher Gelder und Arbeiten vor manch anderen Wünschen und oft nur vermeintlichen Bedürfnissen, von Verschwendungen und Luxus ganz zu schweigen.

Natürlich haben Sie Recht, dass vom globalen Süden Opfer am ohnehin oft kaum zum Überleben reichenden Lebensstandard kaum zumutbar und noch weniger realistisch sind.  Eine ganz andere Frage wäre aber, ob auch alle Gewohnheiten und Praktiken den Lebensführung dort  zu den Menschengrundrechten und zur Gerechtigkeit gehören:  So die vor allem in Afrika noch übliche starke Bevölkerungs-Zunahme bis auf das mehrfache in einer Generation,  was nicht nur wirtschaftliches Wachstum oft blockiert oder  „auffrisst“,  da 4% BSP-Wachstum bei gleichzeitig 4%  Zunahme der Menschen wieder das gleiche pro Kopf ergibt.  Dazu kommt die Ernährung, die derzeit immer noch kaum ohne ein Mehr an Fläche und/oder an Energie z. B. für Mechanisierung und Dünger auskommt. Selbst bei herkömmlichem Lebensstandard geht diese Flächenausweitung allzu oft auf Kosten von Biodiversität im Meer oder von Wäldern und Mooren, was für das Klima zusätzlich verheerend ist.  Dazu kommt, dass ein beträchtlicher Anteil der Kinder kein Ergebnis freien Entschlusses (auch) der Frauen und werdenden Müttern ist,  sondern diesen durch Denken und Handeln der Männer oder Zugangsmangel zu Verhütungsmittel quasi aufgezwungen werden.

Es bleiben also unterschiedliche Aufgaben für die materiell besser ausgestatteten Länder (nicht nur der globale Norden incl Australien und Neuseeland, sondern auch die Öl-Exporteure), aber auch für den globalen Süden:

Die ersteren müssen nicht nur Anstrengungen auf sich nehmen für die baldigst mögliche Klimaneutralität bei sich selbst, sondern auch für Entschädigungen und Klimaschutz-Hilfen für den globalen Süden.  Letzterer muss aber auch tun, was er kann und auch (andere) Denk- und Verhaltensweisen in Frage stellen: Bei Klima-relevantem Verhalten und Technologien, bei der Familienplanung, bei der Gleichberechtigung der Frauen, bei der Bekämpfung von Korruption insbesondere bei der Verwendung von Hilfs- und Entschädigungsgeldern und bei der bisher allzu oft kriegerisch ausgetragenen Regelung von Konflikten und Machtkämpfen.

Beide Seiten des Nord-Süd-Grabens haben nur dann eine Chance für eine gute Zukunft auch ihrer Enkel und für die dafür nötigen Maßnahmen bei der jeweils anderen Seite, wenn sie auch selbst das ihnen jeweils mögliche tun. Und die Maßstäbe für das, was möglich ist, sind hier ganz neu zu überdenken und bestimmen:

Was möglich ist, darf nicht mehr heißen:  Nur wenn es ohne mehr Steuern, Arbeit oder Kosten geht, nur wenn es erlaubt genauso dicke SUVs wie bisher zu kaufen und bauen, nur wenn es (im glob. Norden) erlaubt genau so bequem zu leben, so viele und große Fleischberge zu essen oder weg zu schmeißen, genauso viele und weite Fernflugreisen zu machen, genauso häufig und viel die Billigmode aus Raubbau an Natur und Menschengesundheit zu konsumieren etc. etc. Den politisch agierenden kann man Bedingungen diktieren, für gute Presse-Zensuren oder Wahlstimmen, das Klima aber lässt nicht mit sich handeln und sich keine Bedingungen stellen, um unsere Lebensräume zu verschonen.  Natürlich braucht es gute Politik, aber wie wir beim Heizungsgesetz erlebt haben, brauchen wir auch Medien, Koalitions-parteien und Wähler, die gute Politik erkennen und akzeptieren, ohne die Quadratur der Kreise zu verlangen oder das berüchtigte „Waschen ohne den Pelz nass zu machen“, sei es bei Steuerzahlern, Konsumenten, Hausbesitzern oder Lobbys.  Und zu verlangen das Klima zu retten, aber im gemütlichen, billigen Schneckentempo, und völlig fehlerfrei, das wäre auch so eine Quadratur des Kreises.

Wenigstens als Klimaschützer im globalen Norden müssen wir nicht nur die Frage stellen, was gefällt und nützt uns und unseren Wählern, sondern – in Balance damit – auch die Frage, „was muten wir bei mangelndem oder nur greenwashenden oder illusionären Handeln der Zukunft unserer Kinder und Enkel schon in 10 – 30 Jahren zu  und was wird für die dann im Rückblick  „populär“  oder aber verfluchungswürdig sein.  Werden die Kosten und sogenannten „Zumutungen“ für die geringer, gleich, oder ein viel-faches derer sein, die manche Redner und Schreiber sich oder ihrer Klientel auf jeden Fall ersparen wollen?  Auch das gehört zum Gemeinwohl, wie sogar das BVG geurteilt hat, nicht nur der Komfort und schon gar nicht die Konsummenge der Jetzt-Generation und ihrer Steuerzahler.“

Zusätzlich danken möchte ich Ihnen für die Hinweise,  dass die Zukunft besonders unserer Enkel gar nicht allein durch die Klimakrise bedroht ist, wozu man noch einiges zufügen könnte,  wie die Entwicklung von  Verschwörungs-Erzählungen, schlimmen Denkfehlern  Bildungsmängeln und aggressiven Imperien, sowie die Neigung  Geldmängel durch immer neue Schulden  — einseitig — auf künftige Generationen und Inflationsopfer abzuwälzen, die sich weniger wehren (können) als viele andere, die die Belastungen eigentlich besser tragen könnten. Teile des Denkens und einer Lebensphilosophie, die alles Nötige vielleicht doch noch möglich machen könnte, habe ich in einem Gedicht zusammengefasst, das ich im Post Scriptum anfüge.
Peter Selmke

Den Artikel von William Macaskill habe ich mit Interesse gelesen. Ich habe allerdings keinen neuen Gedanken gefunden. Die dort aufgeführten Vorstellungen sind alle lange bekannt. Die Frage ist nur, wie diese Erkenntnisse umgesetzt werden sollen.
Walter Engel

Der vom Autor propagierte „Longtermism“, also die Ethik des langfristigen Denkens, stellt meiner Ansicht nach keine „moralische Revolution“ dar. Zentral für die Moralphilosophie der christlichen Kirchen ist die Nächstenliebe. Im Zusammenhang mit den Spendenaktionen „Misereor“ und „Brot für die Welt“ spricht man auch von „Fernstenliebe“. Diese ist in der räumlichen Gleichzeitigkeit gedacht. Wenn Herr MacAskill den Schutz der „Interessen künftiger Generationen“ als moralische Richtschnur fordert, verlegt er die Nächstenliebe lediglich in die Dimension der Nachzeitigkeit. Dass „auf unseren Schultern … eine enorme Verantwortung“ lastet, hat uns der Philosoph Hans Jonas mit dem „Prinzip Verantwortung“ schon 1979 ins Stammbuch geschrieben.

Problematischer als die revolutionäre Apostrophierung erscheint mir aber der Aufruf an die Opferbereitschaft des „wir“ in den westlichen Industrieländern: „Jeder und jede von uns kann Geld und Zeit beisteuern. Von unserem Geld können wir an hochwirksame Organisationen spenden, die zur Lösung dieser Probleme [die Folgen des Klimawandels; V.R.] beitragen.“ Unsere Spendenbereitschaft wird sogar als „Superkraft“ bezeichnet. Herr MacAskill nimmt damit die gleiche Umkehrung der Verantwortung für globale Krisen und ihre Lösung vor, die uns die Energieriesen seit den „Grenzen des Wachstums“ (Club of Rome, 1972) andienen: Wenn nur jeder Einzelne einsichtig wäre und seine umweltbelastenden Gewohnheiten änderte, könne die gefährliche Entwicklung aufgehalten werden.

Dass die Hauptverantwortung für die Klimakrise jedoch anderswo zu suchen ist als bei „jedem Einzelnen“, zeigt der Autor anschaulich selbst am Schicksal der deutschen Solarenergietechnik im letzten Jahrzehnt. Indem ab 2009 die damalige CDU/FDP-Regierung die Unterstützung der Sonnenenergie durch die rot-grüne Vorgängerregierung zurückfuhr, „war das verheerend für die deutschen Solarunternehmen“. Die schwarz-gelbe Koalition folgte bereitwillig den Interessen der Öl- und Gas-Industrie bzw. deren Lobby, die erst seit dem Aus des russischen Gases anfängt umzudenken. Die Bahnen, in denen „wir“ heizen, reisen und konsumieren, werden nicht von „uns“ gestaltet, sondern von global agierenden Konzernen, die ausschließlich ihren Renditen verpflichtet sind. An diese sollte sich Herr MacAskill mit seinem Aufruf wenden.
Viktor Rintelen

«Welche Superkräfte retten die Zukunft?» fragt der Philosoph William MacAskill. Die Frage ist berechtigt. Denn die bisher genutzten Superkräfte haben uns in die Irre geführt. Der technische Fortschritt hat die Menschheit aus primitiven Anfängen ins Schlamassel geführt. Darum ist es nötig, nach einer Ergänzung zu suchen. Fündig wird man bei den Schneeeulen in Sibirien. Um ihr langfristiges Fortbestehen zu sichern, richten sie ohne Superkräfte Zahl und Grösse ihrer Bruten nach der Verfügbarkeit ihrer Hauptnahrung (75 %) der Lemminge.

Die Menschheit hingegen konnte, dank dem technologischen Fortschritt, lange Zeit ein exponentielles Wachsen von Kopfzahl und Konsum hinlegen. Doch ein solches wird irgendwann gestoppt, da die Ressourcen nicht unendlich sind. Ein Bild von der Plötzlichkeit der Entwicklung bietet die Story von den Seerosen, die sich auf einem See ausbreiten und dabei die genutzte Fläche jedes Jahr verdoppeln. Vor der letzten Verdoppelung ist noch der halbe See verfügbar, danach nichts mehr. Wenn man Schwierigkeiten hat, diese Story nachzuvollziehen, dann kann das auch mit der geringen biologischen Realitätsnähe zu tun haben. Das Verdoppeln der Seerosen kann nur dadurch geschehen, dass sich jede einzelne Pflanze verdoppelt. Das ist aber nur am Rand der Seerosen-Fläche möglich. Jede innere Pflanze muss das Verdoppeln beenden oder am Wachstum ersticken. Eine ähnliche Schranke hat wohl auch bewirkt, dass es so lange dauerte, bis die Zahl der Menschen auf 2 Milliarden angewachsen ist. Inzwischen ist sie innerhalb einer Lebenszeit auf 8 Milliarden angewachsen. Die Globalisierung hat die genannte Schranke beseitigt. Das aber bewirkt, dass die Ressourcen sich weltweit erschöpfen und nicht nur irgendwelche lokalen Ressourcen. Alarmsignale sind die Klimakrise und die rasant anwachsende Migration.

Gerade das Angewiesensein auf die lokalen Ressourcen war lange Zeit das wirksame Mittel gegen den Weg ins Schlamassel. Daher kann Europa nicht wirksam die Rolle des globalen Heilsbringers übernehmen. Europa kann nicht die Haupt-Verantwortung übernehmen fürs Bewältigen der Folgen des exponentiellen Wachstums und für dessen Fortführung. Das gilt insbesondere in Bezug auf die Demographie. Dazu ein Beispiel. Afrikas Anteil an der Weltbevölkerung ist von etwa 8.9 Prozent im Jahre 1950 auf etwa 17.9 Prozent im Jahre 2022 gestiegen. Der Anteil Europas ist von etwa 20.7 Prozent im Jahre 1950 auf etwa 9.5 Prozent im Jahre 2021 gesunken. 1950 gab’s rund 2,7 Milliarden Menschen, ca. 240 Millionen in Afrika und ca. 560 Millionen in Europa. Heute sind es ca. 8 Milliarden Menschen, davon ca. 1.43 Milliarden in Afrika und 760 Millionen in Europa. Hätte sich die Weltbevölkerung seit 1950 vermehrt wie die Bevölkerung Europas gäb’s heute knapp 3.7 Milliarden Menschen. Hätte sich die Weltbevölkerung im gleichen Zeitraum vermehrt wie die Bevölkerung Afrikas, gäb’s heute 16 Milliarden Menschen. Das Stoppen dieser sich fortsetzenden Entwicklung allein durch Wohlstandstransfer und Industrialisierung kann nicht gelingen, nicht nur wegen der begrenzten Ressourcen (Klima-Krise). Anpassen an die lokal verfügbaren Ressourcen ist unabdingbar. In meinem Buch «Die Technik reicht nicht» (BoD 2016) wird beschrieben, wie in Europa dieses Anpassen durch gesellschaftlichen Zwang gefördert wurde und so das Wachstum begrenzt wurde.

Notwendig sind gemeinsame Bemühungen, das exponentielle Wachstum von Kopfzahl und Konsum zu beenden und dafür zunächst mal Vorschläge zu entwickeln. Eine wichtige Rolle spielen die Perspektiven. In der Bibel steht geschrieben «Der Mensch lebt nicht von Brot allein». Er braucht auch Perspektiven und die sucht er dort, wo sie zu finden sind, entweder im Bereich der Demographie (Folge hohe Geburtenraten) oder im Bereich der Ökonomie (Folge zu hoher Konsum). Die unterschiedlich vorhandenen Möglichkeiten bewirkten die demographischen und ökonomischen Gräben, die das Lösen der Probleme zusätzlich erschweren. Dennoch: Es gibt keine Alternative zu einer Lösung, die dem Verhalten der Schneeeulen entspricht: Nötig ist das entsprechende Zuteilen der Verantwortung. Der technische Fortschritt kann helfen, Zeit zu gewinnen, aber er reicht bei weitem nicht.
Gernot Gwehenberger


Leserbriefe zu „Ein deutsches Ehrenwort“ von Wolfgang Bauer

Deutschland hat nach der Machtübernahme bereits 30000 Schutzbefohlenen und Ortskräften Zuflucht geboten zzgl.  Zehntausender, die es auf eigene Faust geschafft haben. Der Vorwurf mangelnder Hilfsbereitschaft grenzt an Masochismus.  Nach Medienberichten hat sich die Sicherheitslage deutlich entspannt, Anschläge sind selten geworden. Auch scheinen die Taliban zu ihrer Amnestiezusage gegenüber ehemaligen „Kollaborateuren“ zu stehen. Ob unter diesen Umständen noch „Rettungsaktionen“ geboten sind, mag eher interessengesteuert zu sein.  Deutschland nimmt bereits die meisten Flüchtlinge auf aus Afghanistan, die Kommunen sind an der Belastungsgrenze. Larmoyanz ist fehl am Platz.
Christoph Schönberger

Der Autor schreibt, dass wir Hunderttausende in Afghanistan zurückgelassen hätten — hätten diese Hunderttausende gegen die Taliban gekämpft, wäre die Lage in diesem Land wohl eine andere. Warum müssen immer wir uns rechtfertigen, aber nie die, die ihr eigenes Land nicht verteidigt haben!?
Volker Passing

Wer solche Freunde hat, bräuchte keine Feinde mehr. Die bedrohten Afghan*innen haben aber auch die noch, leider. Sie werden von ihnen gequält, ihrer Chancen und Hoffnungen beraubt, vielleicht getötet. Wenn die Rettung von Menschen zwischen Ressorts hin- und hergeschoben, gar wegen arbeitsrechtlicher Hindernisse innerhalb der Ministerialapparate de facto ausbleibt, schäme ich mich als deutscher Staatsbürger dafür. So machen wir Werteorientierung und Feminismus in unseren Außenbeziehungen zum Gespött. Wir bedienen bereitwillig das Narrativ von westlicher Doppelmoral.

Für die Betroffenen dürfte zweitrangig sein, ob dies Kalkül entspringt oder schlichter Unfähigkeit.
Ulrich Gehring,

Diesen Leserbrief schreibe ich, um Ihnen, Herr Bauer, für Ihren Artikel zu danken. Ich habe den Artikel mit angehaltenem Atem gelesen. An die fürchterlichen Bilder von dem chaotischen Abzug der Truppen aus Kabul erinnere ich mich noch immer mit Schaudern. Ich habe damals einen wütenden Brief an Heiko Maas geschrieben; wer diesen Brief im Außenministerium in den Papierkorb werfen würde, war mir egal, ich brauchte das Schreiben, denn ich empfand die Rechtfertigung, von dem Einzug der Taliban nichts gewusst zu haben, nichts anderes denn als Lüge und peinlichste Heuchelei. Als sich dann ein „Patenschaftsnetzwerk afghanische Ortskräfte“ hervortat, habe ich dem Verein einen kleinen symbolischen Beitrag überwiesen. Denn da nahm jemand die Sache in die Hand, da hatte jemand den Mut, auf das Problem aufmerksam zu machen und Hilfe einzufordern.

Dass auf diese Forderung keine staatliche Zusage folgte, merkte ich erst beim zweiten Hinsehen, denn, immerhin, diese Zusage kam ja, das Versprechen des Staates, alles tun zu wollen, um die, die da zurückgelassen waren, doch noch zu holen, sogar mit dem Zusatz, dass diese Ortskräfte, die an den Deutschen Staat besondere Ansprüche hätten, nicht das übliche Verfahren für Asylant* innen durchlaufen müssten, sondern gleich Anrecht auf Integration hätten. Ich war erleichtert. Hinterher las ich dann manchmal, dass es um die Anerkennung dieser besonderen Ansprüche die peinlichsten Klein- Klein – Untersuchungen gab. Aber da war ich schon bereit, der Version zu glauben, das seien betrübliche Einzelfälle und man sei ja dabei, diesen Einzelfällen nachzugehen.

Nun, und da setzt das Problem ein, weswegen ich Ihnen, Herr Bauer, schreibe und Ihnen danke. Denn da begann ich das zu tun, was, scheint‘ s, viele Menschen in dieser Situation getan haben: Ich begann zu vergessen. Denn, nun ja, da gibt es einen Krieg in Europa, der fürchterliche Bilder von toten Menschen und kaputten Häusern produziert und über den man diskutieren muss; und, nun ja, da gibt es einen Klimawandel, der sich dem Kipp-Punkt nähert und der ebenfalls fürchterliche Bilder von Bränden und Überschwemmungen produziert und über den man auch reden muss; und, nun ja, da gibt es ein Flüchtlingsproblem, das ganz fürchterliche Bilder produziert von Leichen, die an den Strand gespült werden, von hilfesuchenden Menschen, die an den Grenzen unserer friedlichen Staaten geschlagen und zurück gedrängt werden, worüber man erst recht reden muss. Und da das menschliche Gehirn so ausgerichtet ist, dass es Mühe hat, mehrere Anliegen gleichzeitig zu verfolgen, tat ich das, was, scheint‘ s, die meisten Menschen taten: Ich vergaß nur zu gern.

Danke, Herr Bauer, dass Sie mir helfen nicht zu vergessen. Denn ich bin Teil dieses Staates und habe an dessen Unrecht teil. Denn es ist Unrecht, wenn Versprechen gebrochen werden und Menschen die Hilfe, die ihnen zusteht, nicht erhalten.  Danke, Herr Bauer, dass Sie an das Ehrenwort erinnern, das diesen Menschen gegeben wurde und das ihnen ihr Recht auf Hilfe zuspricht. Ich denke an diese gefährdeten Menschen, ich denke aber auch an mich selbst und an uns alle. Ein Staat, der sein als Ehrenwort deklariertes Versprechen bricht, verliert ein Stück seiner Identität. Und ich möchte an einen Staat glauben, dem Versprechen wichtig sind, der als Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht gegenüber den von ihm Beschäftigten nicht in Frage stellt, und dem es undenkbar ist, die Menschen, die loyal waren, wegzuschmeißen, wenn man sie nicht mehr braucht.
Ursel Heinz

Ihre Betrachtung der gegenwärtigen Situation in Afghanistan habe ich mit Interesse gelesen. Ein Wechsel der Perspektive sei hier erlaubt, um alle Aspekte des Problems zu erfassen. Die Frage, wie lange die deutsche Gesellschaft allen Menschen, die im Widerspruch zu den mehrheitlich von der Bevölkerung ihres Landes geduldeten, politischen Machthaber stehen, aufnehmen können? Wer wird die gesellschaftliche Auseinandersetzung in diesen Ländern führen? Führt der Exodus der Opposition zur Stabilisierung der jeweiligen politischen Herrschaft.
R. Reiger

Circa 420.000 Menschen aus Afghanistan leben in Deutschland (Stand: 31.12.2022). Die meisten von ihnen sind als Flüchtlinge gekommen. Zum Stichtag 31.12.2022 lebten in Deutschland rund 286.000 Schutzsuchende aus Afghanistan. Rund 211.000 von ihnen sind anerkannte Flüchtlinge. Afghanen und Afghaninnen bilden die zweitgrößte Gruppe von Geflüchteten in Deutschland nach Syrern und Syrerinnen. Rund ein Drittel von ihnen sind minderjährig. Quelle Statistisches Bundesamt https://www-genesis.destatis.de/genesis//online?operation=table&code=12531-0008&bypass=true&levelindex=0&levelid=1689775279280#abreadcrumb
Wolfgang Ahrens


Leserbriefe zu „Glanz und Elend“ von Christof Siemes


 

Danke für den zeitgerechten Artikel und dafür, dass er auf Seite 1 erschien.

Zum Rudern lässt Herr Siemes anklingen, die Weltmeisterschaften seien fast ein Erfolg gewesen. Leider hat er nicht genug recherchiert: Deutschlands Abschneiden war eins der schlechtesten in der Vergangenheit. 8. in der Nationenwertung mit nur einer Medaille in den olympischen Wettbewerben, im Achter nur 5. Platz und im Einer nur minimaler Vorsprung (also mitnichten “ selten gesehener Vorsprung”), zum Glück aber verdiente Goldmedaille. Leider also fast dasselbe Desaster wie in der Leichtathletik. Ein Blick des Autors in https://eur06.safelinks.protection.outlook.com/url=http%3A%2F%2Fwww.rudern.de%2F&data=05%7C01%7Cleserbriefe%40zeit.de%7C20693b713c474a5102ec08dbb49b2b43%7Cf6fef55b9aba48ae9c6d7ee8872bd9ed%7C0%7C0%7C638302351098379636%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C2000%7C%7C%7C&sdata=1tXg5AsOI7I4XLKbfnKz92GK14DIO52qzWrMXprnhzk%3D&reserved=0 hätte für mehr Klarheit/Wahrheit genügt. Schade!
H. Peter Krebs

Unterkomplex: In seiner Entstehungsgeschichte hat sich der Sport dem gesellschaftlich bestimmten Phänomen (Hoch-)Leistung überwiegend aus der Förderung seiner biologischen Grundlagen genähert. Über Jahrzehnte stellte die ihn analysierende Sportwissenschaft primär den Körper und seine zu trainierenden, konditionell-athletischen Komponenten in den Fokus ihrer leistungsdiagnostischen Arbeit. In Analogie zum arbeitsteiligen Leistungsverständnis der industriezeitlichen Epoche sollten dann immer neue wissenschaftliche Disziplinen (Sport-Psychologie) ihre Erkenntnisse zur Entstehung von Erfolg beisteuern. Entsprechend „analytisch=zergliedernd“ ausgebildet stehen Bundestrainer:innen mittlerweile vor den Rätseln eines untrennbar vernetzten Zusammenwirkens biologischer, psychischer und sozialer Prozesse bei der Entstehung von Hoch-Leistung! Sprich: Menschenbild und Leistungsverständnis entstammen einer längst vergangenen Zeit und ein derart unterkomplexes Arbeiten lässt sich auch durch oberflächlich gewonnene Datenvielfalt schon lange nicht mehr kompensieren.
Wolfgang Klöckner

Das DBB-Team ist Weltmeister. Und das völlig zu recht. Denn diese Mannschaft hat neben ihrem Können genau die Leidenschaft und Zielstrebigkeit gezeigt, die es (neben dem allenthalben nötigen Quäntchen Glück) nun mal braucht, um erfolgreich zu sein. Qualitäten, die Deutschland seit geraumer Zeit, mitnichten nur beim Fußball, sondern in unglaublich vielen Bereichen sehr vermissen lässt.
Matthias Bartsch

Können, Willen, Mannschaftsdienliches Spiel, Einsatz und Leistungsbereitschaft bis zum Spielende waren die Grundlage der deutschen Basketballspieler, ohne eine Niederlage, Weltmeister 2023 zu werden. Diese Grundtugenden fehlen seit geraumer Zeit den deutschen Profifußballern in der deutschen Nationalmannschaft. Das ist nicht allein das Problem des Trainers, sondern vor allem der erkennbaren Überheblichkeit einiger Protagonisten auf dem Platz. Überbezahlte Einkommensmillionäre, die in ihren Vereinsmannschaften ohne Leistung zu zeigen nicht spielen dürfen und so ihren Marktwert reduzieren. Also dort in der Vereinsmannschaft entsprechende Leistungen abrufen. Es drängt sich der Eindruck auf, dass einige der aktuellen Nationalspieler überbewertet und/oder mit dem Adler auf der Brust „Spielgehemmt“ sind. Kinder und Jugendliche sollen im Sportbereich nicht mehr gewinnorientiert Fußballspielen lernen.

Was soll dieser, auch gesellschaftlich, falsche Ansatz des DFB? Oder geht die Fußballnationalmannschaft schon mit gutem Beispiel voran? War das Spiel gegen Frankreich nur ein Ausrutscher? Fußball kann man in der DFB-Zentrale und dem dazugehörigen Campus denken. Aber der Sinn Fußball zu spielen hat als Ziel das jeweilige Spiel zu gewinnen. Über das Spiel und das Toreschießen nachzudenken, schießt eben für sich allein keine Tore. Der DFB ist steuerrechtlich, bis auf die Jahre 2014 und 2015, gemeinnützig? Der DFB hat eine eigene „Sportgerichtsbarkeit“? Insgesamt hat der DFB große Macht. Macht korrumpiert; absolute Macht korrumpiert absolut (siehe: FIFA). Der Fußball ist leider bis in die unteren Ligen zu einem Geschäft geworden („verkommen“). Der Fußball als schönste Nebensache der Welt ist ein Narrativ, dass durch den DFB, die DFL und vor allem durch die FIFA konterkariert und ad absurdum geführt wird. Der Ball ist rund und Geld ist der Antrieb!
Felix Bicker

„Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt“, an diese inzwischen verpönte Strophe in der deutschen Nationalhymne muss man zwangsläufig denken, wenn man die Lobtiraden hört, die jetzt mit dem Weltmeistertitel der deutschen Männer-Basketballmannschaft verbunden werden. Kaum vorstellbar, welche Resonanz es in den deutschen Medien gegeben hätte, wenn die deutschen Fußballfrauen oder gar die Fußballmänner ähnlich erfolgreich gewesen wären.

Hat eine gesteigerte Identifikation mit der eigenen Nation nicht auch bedenkliche Seiten? Gerade im Wettkampfsport ist das abzulesen. Noch nicht vergessen sollte sein, wie die Russen bei der Olympiade in Sotchi mit äußerst bedenklichen Dopingpraktiken ihre Nationenbewertung aufbessern wollten und aufgebessert haben. Und dienten die olympischen Spiele 1936 nicht dazu, einem menschenverachtenden Regierungssystem national und international die angestrebte Geltung zu verschaffen?

Sport kann, wie es Heike Ackermann einige Seiten später auf den Punkt bringt, auch Freude und Spaß machen. Aber Freude und Spaß für alle, unabhängig von einer Konkurrenzorientierung, die sich nur an Spitzenleistungen orientiert. Die Diskussionen um die Verringerung des Leistungsdrucks in den Bundesjugendspielen und im Kinderfußball sind aus meiner Sicht ein kleiner Fortschritt.
Helmut Gattermann


Leserbriefe zu „Da muss man angstfrei mit dem Papst reden“ von Evelyn Finger

Hm Frau Finger, muss man Journalist*nnen ihres Schlages verstehen? Oder darüber hinaus noch ernst nehmen? Was für wichtige und interessante Informationen erwarten Sie von einem Herr Bätzing, der gerne anders katholisch sein will? Ihre Fragen sind Allgemeinplätze schlimmster Sorte, eben Allerweltsfragen von ausgesuchter Langeweile! Zum Themenkomplex „Missbrauch“ hätten Sie doch mal das Stichwort > Karin Weißenfels< geben müssen. Aber nein, sowas macht man nicht. Ihr Interview hatte NULLL Informationsgehalt. Gute Nacht Marie!
Eric Sandtler

Einen schöneren Blumenstrauß hätte Ihnen niemand überreichen können: Bischof Bätzing hat also Ihnen gegenüber öffentlich erklärt, dass die kirchenseits so oft gescholtenen Journalisten an dem Missbrauchsskandal nicht “schuld” sind, sondern ganz im Gegenteil Dank verdienen! Ich gratuliere Ihnen und Ihren Kollegen und freue mich sehr für Sie! Überhaupt finde ich das ganze Interview grandios. Es hat mir einen Eindruck von der Persönlichkeit Bätzings vermittelt, den ich so noch nicht hatte. Was für ein mutiger, redlicher Mensch!!! Wir haben Glück, dass er nicht aufgibt.

Dies muss ich Ihnen nun doch noch schreiben, obwohl die Häufigkeit und Länge meiner Einlassungen, wie Ihnen vielleicht schon aufgefallen ist, seit längerem drastisch abgenommen hat. Nicht, dass ich nicht mehr in Ihrer Fankurve stünde! Aber meine Kraft lässt nach. Ich bin jetzt 91 (und abonniere DIE ZEIT seit den 60er Jahren). Wenn Sie irgendwann rein gar nichts mehr von mir hören, bin ich einfach tot. Mit Dank für so viele Jahre voll interessanter Beiträge.
Thelma von Freymann 

Angstfrei? Dass der Klerus das Geschäft mit der Angst immer noch formidabel beherrscht, verrät das ZEIT-Interview mit Georg Bätzing, dem Chef der Deutschen Bischofskonferenz, in der Ausgabe vom 14. September 2023. Bätzings Aussage „Darüber muss man angstfrei mit dem Papst reden“ spricht Bände.
Karl Rupp

Mir stellt sich bereits beim Lesen der ersten Zeilen des Artikels die folgende Frage: Welche Rolle die Angst in der Institutionalisierung von Religion, abgestrahlt vom Machtzentrum der Kirche, wohl spielen könnte. Eine elementare Bedeutung – vermute ich. Da Herr Bätzing im Interview nicht explizit auf Angstszenarien in der Kirche eingeht, gebe ich mir selbst eine Antwort darauf.

Angst und Ängstigung sind, blicken wir bis in das tiefste Mittelalter und noch viel weiter zurück, ein mächtiges und archaisches Instrument. Ein erbarmungsloser Wirkhebel, um damit gläubige Menschen wie dumme Schäflein zu indoktrinieren. Wer daran glaubt, er sei in Schuld geboren und führe ein Leben in Schuld und Sünde (was für manche Menschen unwissentlich durchaus zutreffen könnte), ist gezeichnet, bevor er ein Bewusstsein überhaupt entwickelt kann. Wem schon in die Wiege hinein Schuld und Sünde als Willkommensgeschenk gelegt werden, dem wird im Laufe seines Lebens ja durchaus vergeben, wenn er sich denn als Sünder bekennt. Und alles wird ihm vergeben sein – wie erleichternd das scheint – wie befremdend das ist. Das mag dem Sünder helfen, nicht aber den Opfern von sexueller Gewalt, nicht den an Indoktrination und Unterdrückung durch den Kirchenstaat Leidenden.

Die Kirche braucht keine Reform, sie benötigt einen finalen Neustart. Ein Machtzentrum, das sich vor sich selbst in hierarchischer Finsternis versteckt; ein von aufgestiegenen Kirchenmenschen gewähltes heiliges (quasi gottgewolltes) und unfehlbares Oberhaupt präsentierend, führt nicht vom Dunkel ins Licht. Der Glaube an Gott, sei es ein Naturgott, sei es das Universum selbst oder die Reinheit einer Quelle, die irgendwo entspringt, ist ein Urbedürfnis, welches sich unbeeinflusst und ohne Lenkung entwickeln können sollte. Als ich vor einigen Jahren aus der Kirche austrat, verlor ich nicht meinen Glauben. Im Gegenteil, ich gewann die Freiheit, an das Eine zu glauben, was mich auf den Weg bringt, um nicht von Angst geprägt auf die Erleuchtung warten zu müssen.
Bernhard W. Rahe

In diesem Interview hat Frau Finger in wohltuender Sachlichkeit, jedwede Häme vermeidend, ein Gespräch mit dem Limburger Bischof Bätzing geführt, der die Lage des fußkranken Katholizismus in Deutschland wie auch in Rom schonungslos offenlegte. Da ist kein Platz für ein Wenn oder Aber und keinerlei Kleinrederei. Der Journalistin und dem Bischof sei Dank für dieses erfrischend offene Gespräch. P.S. Mit dem Herrn Bischof würde ich sehr gerne einmal ein gesegnetes Bierchen trinken.
W. Oberholz


Leserbriefe zu „AAAARRRGH!“ von Francesco Giammarco

Wenn man als allererste Lektüre beim Eintreffen der neuesten ZEIT-Ausgabe die Seite 59 auswählt, dann muss es einen wahrhaft guten Grund haben: Allein die kurzen Zeilen der Ankündigung dieses Artikels „AAAARRRGH“ (das allein schon ist genial!!) machte einen so unwiderstehlichen Reiz auf mich. Da spricht einer etwas an und aus, das einfach so bekannt und erlebt ist. Woher kennen Sie mich so genau?! Und wahrlich, diese tolle absolut nachfühlbare und so zutreffende emotionale Schilderung von ach so häufigen großkalibrigen Alltags-Katastrophen, die alle Weltkatastrophen nur in den Schatten stellen, einfach großartig! Ein echtes Lese-Highlight, das ich unbedingt meiner Frau zu lesen gebe. Auch wenn sie mich trotzdem nicht verstehen wird. Könnten wir eine Selbsthilfegruppe gründen???
Sebastian Sonntag

Vielen Dank für diesen hinreißenden Artikel. Ich sitze da ahnungslos auf der Terrasse in der Spätsommersonne, ‚arbeite‘ Die Zeit durch und stoße auf Ihren unterhaltsamen und doch auch spannenden Artikel. Meine Frau bestand darauf mehr zu erfahren, warum ich mir in Abständen die Lachtränen aus den Augen wische und ich hab’s ihr nochmals komplett vorgelesen. Bei den Passagen mit Sternchen natürlich mit leicht unterdrückter Stimme damit sich die Nachbarn nicht erschrecken. Wunderbar wie Sie die grausamen Nichtigkeiten des Alltags abhandeln. Das hat richtig gutgetan.
Eckart Wunsch

Was mein Leben reicher macht … die Lektüre des Artikels ARGGGGH.
Doris Hoefer

Dort steht nach den einleitenden Absätzen: Sie denken wahrscheinlich, dass ich mich über Kleinigkeiten aufrege. Damit haben Sie …

NEIN, verehrter Herr Giammarco, mein spontaner Gedanke war, hier ärgert sich der Autor über seine eigene Unfähigkeit, um nicht zu sagen seine eigene Dummheit, nach Kenntnis der Vorgeschichte eine geeignete, dem vorgesehenen Zweck dienliche Leuchte gekauft zu haben. Nicht die Leuchte ist der Anlass des Ärgers, der Mensch steckt dahinter, der sie gekauft hat. Eher keine Kleinigkeit!
Henning Roeder


Leserbriefe zu „»Da ist bei mir eine Sicherung durchgebrannt«“. Gespräch mit Boris Palmer geführt von Mark Schieritz

In Ihrem Artikel über/mit Boris Palmer von Mark Schieritz machen Sie das, was Journalisten eigentlich nicht machen sollen. Sie machen Meinung und Stimmung in eine vom Journalisten entschiedene Richtung.  Warum versuchen Sie mit Boris Palmer alte Kamellen aufzuwärmen – wo Sie doch genau wissen, dass Herr Palmer nie Rassist war und sein wird – ganz im Gegenteil! Warum zwingen Sie ihn mit vielen Fragen sich zu rechtfertigen? Weil das ‚klicks‘ bringt?  Sie hätten kurz fragen können, was Herr Palmer aus den Vorgängen der Vergangenheit gelernt hat. Dann hätten Sie das machen sollen, was Medien wirklich machen müssen. Über Ideen, Lösungsansätze, unabhängig berichten. Boris Palmer sieht auf viele Probleme von einem ganz anderen Blickwinkel als ‚normale‘ Politiker. Sie hätten diese hinterfragen können und damit der Zukunft dienen. Anstelle wertvolle Zeit und Platz in der Zeitung zu verschwenden, auf alten Dingen herumzureiten die nicht den geringsten Effekt haben an der Gestaltung unserer Gesellschaft.

Es sieht für mich so aus, als ob Sie, die Medien der Richter sein wollen. Eine Anklage erheben oder aufrechtzuerhalten. Wer kontrolliert Sie denn? Wundern Sie sich, wenn sich viele Leute gar nicht mehr für in der Vergangenheit grundsolide Medien wie Die Zeit interessieren. Das ist auch auf ihren Stil zurückzuführen. Ich hoffe Sie reden / reflektieren darüber. Wie wäre es, wenn Sie sich an den öffentlichen Pranger stellen, wie Boris Palmer von allen Medien dahingestellt wurde? Könnten Sie das aushalten? Haben Sie genug Mut und ‚balls‘?! Dieser Artikel gibt mir wieder zu denken ob es noch richtig ist Die Zeit nach jetzt 35 Jahren vielleicht doch nicht mehr zu lesen.
Andrej Suske

Das ist ein offenes Gespräch und eine ehrliche Stellungnahme von Boris Palmer. Das Verhalten der jungen Aktivisten/Provokateure wird offenbar als Selbstverständlichkeit hingenommen. Die Cancel Culture verstößt m. E. gegen die Grundregeln der Demokratie und gegen das Grundgesetz. Eine öffentliche Debatte darüber bleibt weitend aus – leider.
R. Reiger.

Ich bin empört über Ihren Umgang mit Herrn Palmer! Inquisitorisch, übergriffig und respektlos, so empfinde ich Ihr Interview mit Herrn Palmer. Wenn ein erfolgreicher Bürgermeister von Studenten provoziert und bedrängt wird, einen Fehler macht und sich danach für einige Zeit aus der Politik zurückzieht, um zu überdenken, wie er weitermachen kann, dann verdient das erstmal Anerkennung und Respekt. Es ist unerträglich, wie Sie mit einem Menschen umgehen, der sein Fehlverhalten einsieht, erklärt, sich dafür entschuldigt, Reue zeigt, der sich aus diesem Grund eine Auszeit nimmt, um zu reflektieren, Hilfe in Anspruch nimmt, Einsicht zeigt, sein Verhalten ändert.

Er macht alles, was ein vernünftiger, engagierter und sehr verantwortungsvoller Mensch tut, um seine dringlichen Aufgaben in Tübingen weiter gut zu erfüllen. Er leistet dort hervorragende Arbeit. Wenn ein Politiker nach einem Fehlverhalten so in sich geht, Reue zeigt, sich entschuldigt und seinen Weg und Umgang ädert, dann hat er alles für einen verantwortungsvollen Neuanfang getan. Er hat die Flinte nicht ins Korn geworfen, sondern er stellt sich weiter seinem einflussreichen Amt zur Verfügung, Gott sei Dank! Er ist ein guter, intelligenter, reflektierter Politiker, von denen ich gerne viel mehr hätte. (Übrigens auch unter den Journalisten). Ich hab größte Hochachtung für Herrn Palmer!
Elisabeth Dietz

Einmal mehr eine Rechtfertigung für meine häufige Antwort auf die an mich gerichtete Frage, warum ich DIE ZEIT abonniert habe – … weil, besser: obgleich sie allzu häufig derart SCHLECHT ist. Kann Herr Schieritz eigentlich erklären, was er damit bezweckt, jemanden, der sich für seine Mitbürger einzusetzen versucht, derart öffentlich bloßzustellen/vorzuführen? Im Angelsächsischen gibt es den Spruch: „You don’t kick a man when he is down…“ In unserer Kultur ist es noch tief verankert, dass wir Mickerlinge uns nur an die heranwagen, die (vermeintlich) schwächer sind als wir.

Herrn PALMER selbst allerdings gilt die Frage, warum er bei der Wahl seiner Gesprächspartner nicht etwas selektiver vorginge; und ferner die Empfehlung, die sich an so viele solcher sich öffentlich äußernden Personen richtet: „…warum schließen Sie nicht von vornherein jede SUGGESTIVE Frage aus, bzw. verweigern eindeutig die Antwort – (wenn diese – die Antwort – derart rücksichtslos bereits in den Mund gelegt wird – gilt übrigens auch für die Fragen, oder die Form der Fragestellung, auf die es nur eine „falsche“ Antwort geben kann – alleine, weil man in unserer heutigen Cancel Culture allein einer solchen Antwort wegen zerlegt wird à vulgo: shit storm).

Recht eindeutig lässt Herr Palmer erkennen, wie sehr er sich seiner Dünnhäutigkeit bewusst ist. Solche Schwächen lassen sich nicht mittels eines Schalters zu- oder abschalten; das erfordert gewaltige Training. – Nur sollte man sich in solchen exponierten Aufgaben auch immer wieder mal der Verantwortung seinen Mitbürgern gegenüberstellen – statt der Selbst-Profilierung, Selbst-Beauftragung, oder Selbst-Rechtfertigung.
Hans von Schack


Leserbriefe zum Wochenmarkt „Einfach leicht“ von Elisabeth Raether im ZEIT Magazin

„große Freude, wenig Ehrgeiz“ bzw. vielleicht auch „größere Freude, weniger Ehrgeiz“ klingt nach dem neuen Motto für die Bundesjugendspiele. Da waren Sie der Zeit weit voraus. Wolfram Siebeck war natürlich eine Institution, kam aber manchmal auch ein bisschen elitär herüber. Da sind mir Ihre Minimalgerichte dann doch lieber. Radieschen in Butter würde ich mir gerade noch zutrauen, bei den Schokoladenfeigen würde ich allerdings die Meersalzflocken weglassen. Unnötiges Chichi! Wenigstens bekommt man bei Ihnen normalerweise ALLE Zutaten in JEDEM Supermarkt und muss nicht erst noch irgendwelche Spezialgeschäfte oder das Internet bemühen.
Thomas Manthey

Drei Zutaten für die Herstellung von Schokoladen-Feigen entsprechen wahrscheinlich auch keinem Rezept im Sinne des unvergessenen Wolfram Siebeck, welcher 2011 Ihr erstes ZEITmagazin-Rezept „Radieschen mit Butter“ per Telefon monierte, wie Sie schreiben. Und wenn schon! Aus gerade eben gemachter Erfahrung kann ich nur bestätigen: Ihr 657. Rezept ist einfach und leicht nachzumachen und ergibt eine Köstlichkeit, nach der sich manche:r die Finger schlecken wird.

Gestern gelesen. Heute bei einem der Schweizer Großverteiler in Genf frische Feigen gekauft. Eine ausgesucht fürs Experiment. Dunkle Schokolade 72%. Eine klitzekleine Prise Fleur de sel aus der Camargue. Kühlschrank. Und schon war die Schokoladen-Feige verschwunden. Morgen geht’s weiter. Danke!! Gleich geht das Rezept weiter an die Töchter bei Grenoble und bei Belfort, an die Enkelin in Fribourg im Uechtland (CH), den Enkel in Toulouse und seinen Bruder in Belfort. Alle werden die Schoko-Feigen himmlisch finden – da bin ich mir absolut sicher – und ihrerseits das Rezept weiterverbreiten…..
Ulla Chabrier Möllers

Schon lange nicht mehr ärgerlich, möchte ich kurz feststellen: es ist nicht „normal geworden, dass im ZEITmagazin eine Kolumnistin mit großer Freude und wenig Ehrgeiz kocht“ (Magazin No. 39 vom 14.09., Wochenmarkt) Mittlerweile erwarte ich die „Nicht-Rezepte“ von Frau Räther jede Woche mit Spannung, die Erwartungshaltung wird kaum je enttäuscht. Für Menschen, die gerne wirklich kochen, bleibt diese Kolumne eine Niederlage.
Margarethe Herber

Wolfram Siebeck hat in jahrelanger Arbeit ein Bewusstsein für gutes Essen aufgebaut, Sie bauen es wieder ab. Als langjährige ZEIT-Leserin besitze ich einen Schatz inspirierender Rezepte, auch aus dem Zeitraum, in dem Sie die Seite übernommen hatten. Aber seit einiger Zeit geht es rapide bergab und Sie scheinen stolz darauf zu sein, dass Anspruchslosigkeit normal geworden ist.  Sie haben damals schon die Rezepte, die Sie aus Kochbüchern usw. übernommen haben, eigenmächtig vereinfacht. Warum überlassen Sie das nicht den Leserinnen und Lesern, falls ihnen das Rezept zu kompliziert ist? Ich möchte nicht bevormundet werden.  Meine Kritik beschränkt sich aber nicht auf die Wochenmarktseite. Das ZEIT Magazin war einmal ein tolles Heft, inzwischen ist es weitgehend zum Werbemedium für Luxusgüter verkommen. Früher habe ich die Hefte gesammelt, heute wandert es nach einem kurzen Durchblättern in den Müll.  Sie sind ja nicht nur für das Rezept zuständig, sondern für mehr. Seit Jahren beobachte ich mit Sorge eine Entwicklung der ZEIT in Richtung Boulevard. Es kommt mir immer wieder der Gedanke, mein Abonnement nach über 40 Jahren treuer Leserschaft zu kündigen. Absolut brillante Artikel, die ich auch finde, halten mich bisher noch davon ab.
Renate Bachschuster-Greßmann


Leserbriefe zu „Wie bei der Wolfserwartung“ von Anne Hähnig et al.

Die Beliebtheit einer Frau Wagenknechts liegt darin, dass sie sagt, was dem kleinen Mann auf der Seele brennt. Und da kommt an Unzufriedenheit einiges zusammen in diesem Land, was nicht vom Himmel gefallen ist. Die Angst vor Rechts schwindet in einer Gesellschaft, wenn all zu Rechtspopulisten abgetan werden, die nicht zu allem Ja und Amen sagen.
Wolfgang Bolinski

Warten auf den Wolf im Schafspelz – die Parteigründung mit einer Leitfigur -„Sarah Wagenknecht an der Spitze als einzige Hoffnungsträgerin? Ein fast unkalkulierbares Risiko bei einem vorhandenen Parteienspektrum das bereits fast alles abdeckt. Woher soll also das dafür passende Wählerpotenzial kommen und es auch in den Bundestag schaffen über die 5 % Hürde zu kommen? Es steht viel auf dem Spiel für die Person Sarah Wagenknecht und das bisher erreichte Image in der medialen Welt hoher Aufmerksamkeit und Beliebtheit. Was fehlt ist ein Partei- Programm- mit vielen tausend Mitgliedern als solides Fundament.
Thomas Bartsch Hauschild

Sahra Wagenknecht schwimmt auf einer Welle der Sympathie und Popularität die -wie so oft bei Politikern- wenig mit Inhalt und Richtung einer Politik zu tun hat deren Unschärfe und Belanglosigkeiten leider kaum wahrgenommen werden. Was vertritt sie denn eigentlich politisch? Eine Neugeburt der dahinsiechenden Linkspartei, garniert mit einem Sahnehäubchen, bestehend aus pseudopopulären Strömungen wie Gendern, einem kleinen antiwestlicher Drall und eine verschämte Sympathie für den furchtbaren Putin. Hier horcht man auf, wenn bekannt wird, dass Ex-Kanzler Schröder und eingeschworener Putin-Freund, eine Versöhnung mit dem Ex-SPD Vorsitzenden Lafontaine suchte, dem Ehemann von Sahra Wagenknecht. Ein schmackhafteres Menü für unsere so bedeutsam gewordenen Talkshows kann man sich kaum vorstellen. Auch wenn da leider politisch mehr Muckefuck als echter Bohnenkaffee angeboten wird.

Wagenknechts politische Stoßrichtung als linkskonservativ einzuordnen, so wie man den französischen Melenchon positioniert, ist zu weit hergeholt. Melenchon, der radikale Linke, der sich sogar linker als die französischen Kommunisten gebärdet und dessen demagogisches Talent zuweilen abstoßend wirkt, landet bei den nächsten Wahlen in Frankreich mit Sicherheit wieder nur auf den hinteren Rängen. Das die AfD die Neugründung einer linken Partei nicht fürchten muss liegt auf der Hand. Fürchten müssen sich die Alt- und Mittelaltparteien CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne. Falls nämlich Wagenknechts Parteigründung klappt, können dann 2 Parteien den etablierten Parteien die Wähler wegschnappen. Die AfD um die 20 % und die neue „Linke“ -ja wieviel? Wie manchmal zu lesen war, soll die neue „Linke“ das Wunderheilmittel sein, um die AfD kleinzukriegen! CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP könnten sich beruhigt von der ungeliebten Pflicht zurückziehen die AfD zu bekämpfen -welche Illusion! Was bleibt also übrig für die kommende Bundestagswahl, vielleicht erst 2025? Gar nicht so unwahrscheinlich, dass, um den Deutschen politisches Ungemach zu ersparen, zum wiederholten Mal wieder eine große Koalition aus CDU/CSU und einer stark geschrumpften SPD die einzig vernünftige Lösung bleibt.
Klaus Reisdorf


Leserbriefe zu „Die Helfer zahlen Mautgebühr“ von Mohamed Amjahid

Im Artikel werden Mutmaßungen geäußert über die Motive der marokkanischen Regierung, angesichts der schrecklichen Erdbebenkatastrophe nicht alle erdenkliche Hilfe aus dem Ausland anzufordern. Ich habe nach der Tsunami-Katastrophe von 2005 im östlichen Indien eine Evaluierung der seinerzeit erfolgten internationalen Hilfe durchgeführt – mit deprimie­ren­dem Ergebnis: Die von zahllosen Hilfsorganisationen aus aller Welt bereit gestellten Millionenbeträge, Sachspenden und wohlmeinenden, aber oft unfähigen Helfer haben nämlich die anfangs – wie jetzt in Marokko – bewunderns­werte Solidarität und Selbsthilfe aller Schichten der indischen Gesellschaft regelrecht erstickt. Die ausländischen Geber überboten sich unkoordiniert mit teilweise unsinnigen Hilfsmaßnahmen und richteten – in Unkenntnis der lokalen Verhältnisse, Gepflogenheiten und Mentalitäten – ein regelrechtes Chaos und nicht selten zusätzlichen Schaden an. Ich könnte mir vorstellen, dass die Verantwortlichen in Marokko an solche Erfahrungen denken, wenn sie nach dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ ausländische Organisationen nur gezielt als Ergänzung zu eigenen Anstrengungen anfordern.
Wolfgang Fischer

Ist es ein Zufall, dass mit Ausnahme Spaniens nur vom Islam beherrschte Länder um Hilfe gebeten wurden? Haben diese Länder angesichts der Größe der Schwere des Erdbebens ausreichend Kapazitäten für die Hilfe vor Ort?
R. Reiger

Stellen Sie sich eine ähnliche Situation vor bei uns, in Deutschland. Helfer wollen von München nach Berlin, gern auch umgekehrt, mit Dem Wagen über die Autobahn zur Hilfe eilen. Glauben Sie wirklich, dass die hier keine Maut zahlen müssen?  Ich nicht, und deshalb ist der Titel hier nicht ganz so angebracht, zumal er wohl eine fragwürdige Situation darstellen soll.
Manfred Mengewein


Leserbriefe zu „Die Kinder von Gruppe 12“ von Stella Schalamon

Der perfekte Text für den ersten Sommertag, dessen Morgen sich schon nach Herbst anfühlt (11 Grad). Aber noch ist es Sommer, noch ist alles möglich. Danke fürs schöne Gefühl (Troop Zero-esque)
Polina Dekarz

Guten Tag, ich fühlte mich an das Sommer-Zeltlager am Kellersee 1947 erinnert. In meinen Erinnerungen an unsere spannende Kriegs- und Nachkriegsjugend, die ich zurzeit auf Drängen unserer Kinder und Enkel in kurzen Geschichten aufgeschrieben habe, nehmen die Erlebnisse von etwa 80 Scharbeutzer Kindern im gleichen Alter wie im Dossier den größten Raum ein. Wir waren in Gruppen von jeweils zehn Kindern aufgeteilt, die die Nummern der acht Wehrmachtszelte trugen, in denen wir schliefen. Ich konnte aus einem Originaltagebuch zitieren, das mehrere Teilnehmer (überwiegend Teilnehmerinnen) nach den Sommerferien verfasst hatten. Es ist in meinem Besitz, weil mein jugendbewegter Lehrer-Vater der Initiator und Organisator des Camps in der Holsteinischen Schweiz war.

Das wichtigste Thema war damals das Essen, das in jedem Beitrag vorkommt. Es gab sechs statt drei Scheiben Brot am Tag, von der roten Mehrfruchtmarmelade so viel man wollte, und von den dicken Eintöpfen mit Einlage gab es manchmal sogar einander Nachschlag. Mir sind die sportlichen Wettbewerbe, zu denen neben Leichtathletik auf der Seepromenade und Schwimmen auch Völkerball gehörte, die Liederabende am Lagerfeuer und die Zeltwettbewerbe in besonders schöner Erinnerung. Nicht so gut schneidet die die anstrengende 20 km Wanderung zum Bungsberg mit Besichtigung der historischen Backsteinkirche in Kirchnüchel ab.  Ein kurzer Auszug aus meinem Zeltlager-Kapitel mit Originaltext des Tagebuchs – insbesondere die Beschreibung der Preise des Verschönerungswettbewerbs – vermittelt einen „zeitgeschichtlichen“ Eindruck und beschreibt die Begeisterung über das  Lagerleben am Kellersee.

Auszug aus den „Geschichten meiner Jugend in den Kriegs- und Nachkriegsjahren“ mit Texten aus dem Tagebuch (kursiv) von Schülern der Mittelschule Scharbeutz über das Zeltlager am Kellersee 1947: Der Einfallsreichtum beim Verschönern und Schmücken der Zelte kannte keine Grenzen und die gesamte Schilderung würde den Rahmen sprengen.

Um 10 Uhr fand die Zeltbesichtigung statt. Es gab 4 Preise. …Zuletzt kamen der Lagerleiter Herr Kirmsee und die beiden Lehrer zusammen und entschieden die Preise. Den ersten Preis erhielt Zelt III, „Sperlingslust“. Die Mädchen des Zeltes wurden von Herrn Herfurth am Abend zu einem Glas Brause in die „Alte Kalkhütte“ eingeladen. Den 2. Preis erhielt Zelt I. Jeder Zeltbewohner erhielt ein Stück Schokolade. 3. Preis erhielt Zelt IV. Alle Mädchen des Zeltes bekamen bei Schokoladensuppe einen ordentlichen Nachschlag. Zelt V erhielt den 4. Preis. Die Bewohner durften bis zum nächsten Sonntag beim Essenholen als erste antreten.“

Wie unterhaltsam der Abend mit Herrn Herfurth war und wie die Brause geschmeckt hat ist nicht überliefert. Ich erinnere mich gut an den Abschiedsabend am Lagerfeuer. Erst einmal satt zu essen, dann Volkstanz unter Leitung der jugendbewegten (ex-BDM) Frau Hoffmann; aber vor allem Singen, was die die Kehle hergab. Es gibt keinen Brunnen und keine Linde, die nicht besungen wurden. Aber auch so geistreiche Lieder wie „In einen Harung jung und schlank, zwo-drei-vier …“ wurden mit großer Begeisterung und lautstark gesungen. Alles Weitere erzählen die Originalberichte viel besser.

Sven Herfurth

Ein ganz wunderbar geschriebener Artikel, toll auch das Konzept, die Kinder via Steckbrief zu Wort kommen zu lassen. Der Text hat mich, die selbst vor ca. 30 Jahren viel Zeit bei der evangelischen Jugend (nicht in Stuttgart) und bei den Pfadfindern verbracht hat, zu Tränen gerührt und mir auch ein bisschen Hoffnung gegeben: Kinder können heute noch Kinder sein, mit denselben schönen und weniger schönen Dynamiken wie in meiner Jugend. Allerdings muss man etwas nachhelfen und z.B. die Handys wegpacken….
Bettina Lindner-Zietan


Leserbriefe zu „»Lauterbach hat bei uns abgeguckt«“ Gespräch mit Robert Möller, geführt von Hanna Grabbe und Carla Neuhaus

So sieht Evolution in der Medizin aus. Ursprünglich Patient wurde dieser im Laufe Zeit zum Kunden

und ist nun vollends zur Ware mutiert. Geht man (schließlich ist ja noch von einem Feierabend die Rede und der Patient nachmittags wieder zu Hause?) von einem Zwölf-Stunden Tag aus, bedeuten 50 ambulante Operationen pro Tag einen Wechsel alle 15 Minuten. Da ist schon sehr hilfreich, wenn man so etwas nur anordnet und nicht selbst umsetzen muss, steril sollte solch ein Eingriff möglicherweise auch noch sein. Das Schöne an Helios ist aber ja, dass Nichtstun auch produktiv ist, schließlich hat der Konzern bei einem 5-6 % igen Marktanteil 7-8 % der Coronahilfen abkassiert (740 Millionen Euro, die Zeit 12.05. 2021). Noch so ein paar Möllers und der neuerdings wieder kranke Mann Deutschland kann seiner Genesung sicher sein.
Alfons Fleig

Die Krankenhausreform zielt auf Besserungen gegen eine chronische Unterfinanzierung. Das ist gut so. Aber wenn Herr Müller behauptet, dass nur reine Staatsmedizin ohne Innovationen übrigbleibt, wenn es in Zukunft nicht möglich ist, Gewinne zu machen, zeigt dies, welcher Geist hier weht. Als ob in den nicht-gewinnorientiert wirtschaftenden frei-gemeinnützigen Krankenhäusern innovationsfeindliche „Staatsmedizin“ betrieben würde! Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Gemeinnützigkeit und unabhängige Fachlichkeit müssen im Sinn gerechter, gemeinwohlorientierter Gesundheit gestärkt werden.

Die Krankenhausreform und das geplante Gesetz in Bezug auf Medizinische Versorgungszentren können nur ein Anfang sein. Denn Forschungen etwa der Hans-Böckler-Stiftung haben gezeigt: Der Augias-Stall, der in vorderster Linie ausgemistet werden muss, das sind Einrichtungen, die von Kapitalgesellschaften betrieben werden. Sie zielen eindeutig auf reine Renditemedizin, zu Lasten von Beschäftigten, Patientinnen und Patienten und der sozialen Sicherungssysteme. Diese Forschungen muss Lauterbach dringend abgucken. Auch will Herr Möller nicht kommentieren, dass Ärzte kündigten, weil sie wegen Personalmangels ihren medizinischen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden konnten. Und gefragt nach der hohen Personalfluktuation verweist er ebenfalls auf Personalmangel und den Branchendurchschnitt.

Das ist aber häufig hausgemacht. Personal wurde für Effizienzsteigerungen eingespart, statt fachlich gebotene Personalschlüssel anzustreben. Dann vergraulten schlechte Arbeitsbedingungen das Personal. Inzwischen ist die Krankenhausversorgung für Kinder und Jugendliche in einigen Regionen ganz zusammengebrochen. Dies belegen die Zahlen einer aktuellen Regierungskommission für die Krankenhausreform. Ein Schlag ins Gesicht für das Menschenrecht auf Gesundheit. Und für unsere verlässliche Daseinsvorsorge die Frage, ob sie in Händen von Konzernen wie Helios, hinter denen eine Aktiengesellschaft steht, überhaupt gut aufgehoben ist.
Petra Schmidt-Wiborg

Ein sehr interessantes Interview, welches viel über die notwendige Mentalität der Krankenhausmanager aussagt, welche im Gesundheitswesen erfolgreich sein wollen. Sie haben durch gute Fragen Herrn Möller den Zahn gezogen. Natürlich ist die Überlebensrate nach einer Knie-OP kein Kriterium zur Qualitätsprüfung! Das weiß Herr Möller ganz genau! Mit diesem Trick arbeiten alle Studien, die die Überlebenswahrscheinlichkeit mit untersuchen. Die Intensivmedizin kann einen Sterbeprozess lange genug hinauszögern, bis der Beobachtungszeitraum überschritten ist. Bei der schlechten Bezahlung der ambulanten Eingriffe lohnen sie sich nur in einem ambulanten Zentrum, in dem massiv gespart wird! Nämlich am Ausbildungsstandard der Angestellten, an der Hygiene, am Material und an personeller Besetzung. Stichwort Parallelnarkosen, Assistenz bei OP, usw. Ein ambulanter Saal kann auch mal bis Mitternacht laufen, weil es auf die Schlagzahl ankommt. Da sind Tarifverträge ein Hindernis! Das alles verschweigt Herr Möller natürlich!

Unser Gesundheitssystem fördert diese Art von Management. Aber ein Patient ist kein Stück Holz, das man nur bearbeiten muss, und die Angestellten im Gesundheitswesen sind keine Maschinen. Für ein erfolgreiches Management in dieser Branche muss ein Manager aber zu diesem gedanklichen Spagat fähig sein, sonst läuft es nicht.
Martin Krivacek


Leserbriefe zu „Klima Einfach anders“ von Iris Mainka

Ich bin Vater eines Sohnes mit ADHS und eines Sohnes mit Asperger-Autismus. Vielen Dank für den Artikel, den ich genau jetzt benötige in der Diskussion mit der Berufsschule. Sie beschreiben eine Situation der möglichen Hilfe, die es vor 10 – 15 Jahren nicht gab und m.E. im Moment auch intensiv nicht gibt. Sie beschreiben mit den Ambulanzen an den Universitäten eine Randerscheinung, die nur einem geringen Anteil der betroffenen Kinder überhaupt zur Verfügung steht. Für die Austestung des Autisten haben wir Monate auf einen Diagnose-Termin warten müssen. Auch änderte die Diagnose nichts: vor und natürlich auch nach dem Termin ist eine Zeit der Diskriminierung für das Kind, den Jugendlichen und den Erwachsenen und die begleitenden Eltern. Dieser Teil hat mir in Ihrem Artikel gefehlt.

Es ist beruhigend zu wissen, dass das Kind in Ihrem Artikel Abitur macht. Wir hatten damit zu tun, neben der gesellschaftlichen Ausgrenzung überhaupt an den Schulen – Grund- und Regelschule – bestehen zu können, da selbst mit Diagnosen und unseren, im Übrigen intensiv ignorierten, Hilfsangeboten das grundsätzliche Verständnis null ist, besonders wenn, wie im 3. Absatz des Artikels geschrieben, man das dem Kind nicht ansieht. Verständnis, bestehende Information, Annahme der angebotenen Informationen geschweige denn Schulungsmöglichkeiten für die Lehrer, Nachteilsausgleich – Fehlanzeige. Der Vorwurf der falschen Erziehung und des Unwillens des Kindes folgt aber gnadenlos von allen Seiten der Gesellschaft. Die passen halt nicht, also stör mich nicht und verschwinde aus meinem (Lehrer-)Leben. Man erfährt eine Einstufung, aus der man nie mehr herauskommt, die soweit führt, auf Hilfsschulen abgeschoben zu werden, wenn man sich nicht wehrt.

Die von Ihnen beschriebene neue Sensibilität hilft da auch nicht weiter. Im Gegenteil: weil jetzt „jedes“ Kind ADHS oder autistische Züge hat, wird es noch schwieriger. Eine Mode, die die Probleme der Betroffenen nur verstärkt. Sie schreiben in Ihrem Artikel, dass die Zahlen nicht ansteigen. Aber wir sehen im Umfeld, dass das Modebedürfnis, das Kind so „eingestuft“ zu bekommen, wächst. Nach allen unseren persönlichen Erfahrungen ist das sehr verletzend.

Zum Schluss nochmal allgemein zum Abitur. Ich habe kürzlich gelesen, dass die Zahl der Abiturienten zunimmt, die Zahl der Abschlüsse in den Ausbildungsberufen rückläufig ist, die letzteren aber stark gebraucht werden. Wie auch überall zu lesen und zu merken. Eigentlich schließen 30 % mit dem Abitur, 30 % mit dem Regelschul-, 30 % mit dem Hauptschulabschluss und 10 % ohne Schulabschluss ab. Wenn alle Abitur machen wollen / müssen – finde den Fehler, wenn man immer nur über die Abiturienten schreibt. Prüfung müssen alle 3 Schulformen ablegen, um den Abschluss zu erhalten. Aber zu Corona ging es nur um die Abiturienten. Inklusion sollte in der Regelschule stattfinden, aber vorher werden die Regelschüler von den Abiturienten getrennt, damit diese die Abiturienten im Lernerfolg nicht stören. Das Zitat dazu zur PISA-Studie aus 2018: „Die Förderung schwächerer Schülerinnen und Schüler, und die breite Förderung von allen Jugendlichen ist immer noch eine zentrale Aufgabe, die gezielt Aufmerksamkeit erfordert“, schreibt Pisa-Koordinatorin Reiss.
Steffen Kunstmann

Frau Mainka stellt mit großer Sachlichkeit neue Erkenntnisse bezüglich der Autismus Diagnose vor, präsentiert diese mit höchster empathischer Note. Angst schwindet dahin bei Betroffenen und Begleitinstanzen; stattdessen entstehen Freiräume zum effizienten Handeln. Gratulation und Dank!
Georges Heck

Oft kommt in diesem Artikel das Wort „Therapie“ vor. Als ich um 1980 zum ersten mal im Radio einen Beitrag über Asperger-Autismus hörte, erkannte ich mich ziemlich erstaunt darin wieder. Zum Schluss des Beitrags ging es auch um Therapiemöglichkeiten und dann brach es sofort spontan aus mir heraus. „Wir wollen nicht therapiert werden! Lasst und doch einfach nur in Ruhe!“ Soviel zu unseren eigenen Wünschen. Und „nicht heilbar“ hört sich furchteinflößend an, lasst diesen Quatsch! Rüdiger Kuhnke, München
Rüdiger Kuhnke


Leserbriefe zu „Anna Mayr entdeckt: Entschuldigungsyoga“

Hubert Aiwanger hat „Witze“ gemacht? Was meinen Sie denn damit? Das antisemitische Flugblatt hat er abgestritten und das war nun auch nicht besonders „witzig“. Bleibt ja nur noch das Säureattentat auf die Kunstlehrerin übrig (und vielleicht noch eine Menge anderer „Jugendsünden“, die man ihm zutrauen kann). Seltsame Art von „Humor“ … Und wann wird sich Friedrich Merz eigentlich für seinen „Witz“ mit der „Brandmauer“ entschuldigen?
Thomas Manthey

Danke, Frau Mayr köstlich, mehr davon bitte!
Charlotte Bossinger

Ihre „Entdeckungen“ und die Ihrer Mitentdecker(innen), Martensteins Kolumnen und Dausends Prozente sind Erfrischungen für die von manch schwerverdaulichen oder überlangen DIE ZEIT-Artikeln ermatteten grauen Zellen! „Errare humanum est“ – gilt das nicht mehr für Politiker? Sollen sie so unfehlbar sein wie der Papst? Müssen sie sich von einer Entschuldigung zur nächsten hangeln? Auch für ihre Jugendsünden beichten und Asche auf ihr Haupt streuen, bevor sie ihre Karriere beginnen (können)? Unsere moralischen (journalistischen) Spürhunde lechzen nach jedem falschen Zungenschlag, drehen ihnen gern die Worte im Munde um, so dass sich Politiker lieber gleich eine Goldwaage auf die Lippen legen, die nur noch inhaltsleere Worthülsen durchlässt, die nirgendwo anecken! Auf der Strecke bleiben Spontaneität, klare, allgemeinverständliche Sprache und Emotionen!

Wenigstens der Aiwanger Hubert traut sich noch, seine Landsleute in deftigem Bayerisch anzusprechen, das leider außerhalb der Landesgrenze nur schwer verständlich wirkt, und hat damit Erfolg! Wenn er sich „die Demokratie zurückholen“ will, dann mag das für ihn bedeuten: sie von ihren derzeitigen Auswüchsen zu befreien, die schwer auf den Bürgern lasten, und sich allein am Auftrag des Amtseids zu orientieren! Die (Entschuldigungs)Yogamatte empfehle ich allen Schnüfflern und selbstermächtigten Moralwächtern! Man gebe ihnen dort Ihre „Entdeckungen“ und die Beiträge der eingangs erwähnten DIE ZEIT-Autoren, über die sie einmal meditieren sollen! Und siehe da, bald wird sich ein heiteres Lächeln auf ihr zuvor verkrampftes Gesicht legen!
Ulrich Pietsch


Leserbriefe zu „Chaos als Chance“ von Anna Sauerbrey

Ich lese die Leitartikel der Zeit immer sehr gerne, auch um mich daran zu erfreuen, dass es noch Zeitungen gibt mit sprachlichem Witz und Anspruch. Leider fällt mir, nicht nur in Ihrem Artikel, sondern auch im Sprachgebrauch in diversen TV-Formaten auf, dass das reflexive Verb erinnern, falsch eingesetzt wird. Man kann das Jahr 2023 nicht erinnern, man kann sich an das Jahr 2023 erinnern. Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn das in Ihrer Zeitung mit Anspruch wieder richtig verwendet werden würde. Nur weil viele aktuell etwas machen, muss es noch lange nicht richtig sein. https://www.duden.de/sprachwissen/sprachratgeber/Die-korrekte-Verwendung-des-Verbs-erinnern-an
Andreas Mayer

Anscheinend hatten wir uns in der über 40 Jahre währenden Phase des Kalten Krieges daran gewöhnt, dass sich zwei Machtblöcke gegenüberstehen. Das hat ein Gefühl einer vermeintlichen Übersichtlichkeit erzeugt. Wenn der russische Außenminister Lawrow vom Westen spricht, erkennt man noch diese alte Sichtweise. Aber diese Eindeutigkeit hat es nie gegeben. Die USA und die Sowjetunion haben versucht Länder zu beeinflussen. Dennoch gab es die sogenannten Blockfreien Staaten. Es gab und es gibt für jedes Land auch eigene Interessen, die nicht mit denen der USA und der damaligen Sowjetunion, oder dem heutigen Russland übereinstimmen müssen. Es erzeugt eben ein Zugehörigkeitsgefühl, an das auch Putin anknüpfen möchte. Die USA muß sich endlich daran gewöhnen, dass sie nicht mehr der Anführer der freien Welt ist. Ohne Kooperation wird es in einer Welt mit 193 Ländern nicht gehen.
Olaf Goldschmidt


Leserbriefe zu „Viel zu schultern“ von Tillmann Prüfer im ZEIT Magazin

Immer mehr unnötige mode im heft und fragwürdige beiträge. und dann noch der satz von tillmann prüfer „weil männer heute gerne bis in s hohe alter ihre vitalität beweisen wollen, haben sie sich dr krawatte erledigt. vielleicht war das die dümmste idee seit der gründung des patriachats“. ich glaube eher,das ist der blödeste satz, den ich seit langer zeit gelesen habe, kravatte kann man schon mal tragen – ausnahmsweise – aber sie steht für establishment und macht. vitalität steht für beweglichkeit und gute ernährung und keinen machtanspruch. vielleicht sollte sich tillmann prüfer neu sortieren
georg seyfarth

Ja, es macht Spaß, dem bedingungslosen Hedonismus dieser Zeit nachzujagen und Pop-Größen in abgefahrener Mode zu zeigen. Diese kann sich zwar fast niemand leisten, aber allein schon die damit verbundenen Foto-Shootings waren klimaschädlicher als ein Dorf, das ein ganzes Jahr mit Öl heizt. Noch mehr Klimaschaden entstehen durch die Käufer*innen dieser Mode und deren Eifer, auch an die „Original Locations“ dieser Shootings zu fahren.  Sie sind Redakteure, Chefredakteure und Creative-Direktor eines meinungsbildenden bildungsbürgerlichen Blattes, aber Ihnen fällt nichts anderes ein als verbal und nonverbal durch diese beiden ego-satten Hefte zu signalisieren:

BÜRGER*INNEN, MACHT EUCH KEINE SORGEN, IHR DÜRFT WEITER PRASSEN, FLIEGEN UND VERBRAUCHEN WIE IHR WOLLT. NIEMAND UND NICHTS DARF EUCH DARAN HINDERN UND ÜBER DIE KONSEQUENZEN EURES TUNS BRAUCHT IHR AUCH NICHT NACHZUDENKEN. VERANTWORTUNG, MORAL UND ANSTAND GEGENÜBER DEM GLOBALEN SÜDEN ODER KÜNFTIGE GENERATIONEN IST NICHT EUER DING, DASS MÜSSEN ANDERE FÜR EUCH LÖSEN.

Indem Sie unaufhörlich den individuellen Konsum Ihrer Kund*innen hochjubeln, deren und Ihr Verlangen nach Kommerz, Profit und maximale Selbstverwirklichung anpeitschen drängen Sie die immer offensichtlicher werdende Klimakatastrophe an den Rand des Wahrnehmungs Horizontes. Warnende Tatsachen werden zum Spezialthema „Klimawandel“ degradiert, obwohl Zehntausende Wissenschaftler, UNO, EU und selbst der Papst zur dringenden sofortigen Umkehr aufrufen. https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2023-09/planetare-grenzen-kipppunkte-klimakrise-artensterben

https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2023-08/schmetterlinge-nabu-wenig-insektensommer

https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2023-09/waldbraende-klimawandel-studie-hohe-emissionen

Ist Ihnen bewusst, dass Sie damit Ihre Leser*innen in die Arme der AFD treiben? Denn die AFD setzt aggressiv, verbal und politisch fort, was der nonverbalen Grundhaltung und Ihrer Gestaltung und Themenwahl des Zeitmagazins entspricht? Herr Baum hat recht: Die Bürger wollen den „Klimawandel“ vergessen, halten diesen für ein Randthema und geben nur zu gern linken, grünen oder ausländischen Randgruppen die Schuld an allem, was in der Welt schiefgeht. Dass Ihr eigenes – unser aller Handeln – darüber entscheidet ob dem globalen Süden und unseren Kindern eine lebbare Erde bleibt, dass blenden Ihre Magazine und die AFD nur allzu gerne aus: https://www.zeit.de/politik/2023-09/gerhard-baum-afd-rechtsextremismus-rechtsruck Bitte setzen Sie diesen beiden Heften jeweils drei Hefte über „die Klimakatastrophe und was jeder von uns dagegen tun kann“, gegenüber!
Klaus Siersch


 

Leserbriefe zu „Auf dem Mittelweg“ von Kolja Rudzio

Aus dem Beitrag wird deutlich, dass derzeit das volkswirtschaftliche Lehrbuchwissen nicht weiter hilft: Der „Kern“ der Inflation ist nicht die „Kerninflation“, d.h. der Preisanstieg kommt nicht von einer Überhitzung des Wirtschaftskreislaufs (Deutschland stagniert!), sondern die direkten und indirekten Inflationstreiber sind im Kern die Energiepreise: Statt billig aus Russland kaufen wir Gas um ein vielfaches teurer in USA und anderswo. Mehrkosten pro Jahr mehr als 100 Mrd. Euro. Und ja, es stimmt daher auch: Die Inflation “ ist bisher vor allem deshalb zurück gegangen, weil Öl und Gas nicht mehr teurer geworden sind“. Die Zinserhöhungen hingegen sind bezüglich der Inflation fast wirkungslos, haben aber vor allem zwei Auswirkungen: Die Zinsspannen und Gewinne der Banken explodieren und die Bauwirtschaft und das Bauhandwerk gehen vor die Hunde.  In einer stagnierenden Wirtschaft die Zinsen zu erhöhen, ist falsch, unverantwortlich und völlig daneben. Die EZB ist nicht „auf dem Mittelweg“, sondern auf dem Holzweg.
Ralph Bürk

Als Laie in Fragen der Zinspolitik, verstehe ich schon lange nicht mehr, weshalb hohe Zinsen zu einer Minderung der Preissteigerungen führen sollen, wie mir ständig gesagt wird. Auch Sie schreiben: „…Die Phase, in der die Bekämpfung der Inflation vergleichsweise einfach war – weil Zinserhöhungen offenkundig nötig waren …“. Soweit ich mich erinnere, haben steigende Zinsen nie zu Preissenkungen geführt, ich meine sogar, dass es den angenommenen Zusammenhang gar nicht gibt. Wir haben gerade eine Zeit extrem niederer Zinsen hinter uns, begleitet von sehr niederen Inflationsraten. Dann erfolgten sehr schnell Preissteigerungen, mit denen die EZB (und auch Sie) Zinserhöhungen begründete.

Die Preise sind aber nicht gestiegen, weil die Zinsen zu niedrig gewesen wären, sondern weil die Güter, deren Preise der Inflationsrate zugrunde liegen, unerwartet knapp wurden, was nach Marktgesetzen zu steigenden Preisen führen muss. Diese Knappheit war nicht in niederen Zinsen begründet, sondern in den erheblichen Lieferschwierigkeiten, die mit der Blockade des Suezkanals anfingen und mit den Folgen von Corona noch zugenommen hatten. China hatte ganze Produktionslinien eingestellt, Seecontainer wurden nicht verschifft – Bauteile und Rohstoffe fehlten, was sie verteuern musste. Dazu kam der OPEC-Beschluss, die Ölförderung zu drosseln und außerdem die Sanktionen gegen den Ölproduzenten Russland wegen des Überfalls auf die Ukraine.

Nichts davon lässt sich durch Zinserhöhungen bekämpfen. Eher müsste man Investitionen fördern, die uns von China und Russland unabhängiger machen würden. Das wird durch Zinssteigerungen erschwert oder sogar verhindert. Auch steigende Mieten haben eine Ursache in der Knappheit des Angebots, dem man mit Wohnungsbau begegnen müsste. Dieser ist aber tatsächlich zusammengebrochen, und die gestiegenen Zinsen haben einen nicht geringen Anteil an dieser schädlichen Entwicklung. Wem nützen die hohen Zinsen? Sie nützen denen, die keine Kredite aufnehmen müssen, weil sie genug eigenes Vermögen haben. Sie schaden denen, die, kreditfinanziert, etwas wagen wollen und so den finanziell unabhängigen Platzhirschen Konkurrenz machen könnten. Hohe Zinsen nützen dem Verbraucher nichts, und es gibt meines Wissens auch kein Beispiel dafür, dass die Preise jemals gesunken wären, nachdem die Zinsen erhöht wurden. Wer glaubt, dass die Brötchen wieder so billig werden, wie vor Corona und dem Krieg, wird das Gegenteil erleben. Und der zu erwartende Rückgang der Zinsen wird daran nichts ändern, weil die Zinsen nicht das geeignete Instrument sind.
Manfred Blöth


Leserbriefe zur Infografik „Diese Kurve müssen wir kriegen“ von Nora Coenenberg (Infografik) und Stefan Schmitt (Recherche)

Gratuliere zu der ausgezeichneten Darstellung zum Klima etc. Alle ihre Graphiken sind sehr eingänglich und stellen verständlich komplexe Zusammenhänge dar.
Timon Gruber

Sehr vielen Dank für Ihren statischen Überblick zum Klimawandel in der letzten Zeit (39/2023). Es tut Not und ist sehr schön, dass sie sich die Mühe gemacht haben, zusammen mit Frau Coenenberg diese Zahlen übersichtlich zusammenzustellen. Die Graphiken sind auch sehr gut!! Zum Wachrütteln ist vor allem die letzte Statistik, obwohl man die apokalyptischen Daten mit 2,7 Grad ohne massive Veränderungen ja kennt. Was ich aber nicht wusste: dass wir in Deutschland  schon bei 1,6 Grad Erwärmung sein sollten. Leider war ich nicht in der Lage dieses Datum aus den von Ihnen genannten Quellen zu bestätigen.

Deswegen habe ich etwas googled und bin auf folgenden Artikel gestoßen: https://de.wikipedia.org/wiki/Zeitreihe_der_Lufttemperatur_in_Deutschland Dort findet man einen Hinweis dazu, warum es sehr schwer ist Daten für Deutschland seit Beginn der industriellen Revolution zusammen zu tragen: Es gab vor 1881 schlicht keine Wetterstationen in ausreichender Anzahl. Aber selbst wenn man erst 1881 beginnt, bekommt man im zehnjährigen Mittel (1881/90 bis 2011/20) 2,20, im dreißigjährigen Mittel (CLINO, 1882/1910 bis 1991/2020) 1,420. Nun ist das leider nicht ganz konsistent – deswegen würde ich gerne Ihre Quelle für die 1,6 Grad finden. können Sie mir dabei helfen?

Gerhard Roland

 


Leserbrief zu „Was diese drei Leute miteinander zu tun haben“ von Kai Biermann et al.

Es ist unerheblich, ob und welchen Einfluss Böhmermanns Sendung auf die Absetzung Schönbohms hatte. Faehser hätte schon aus Gründen politischer Opportunität und Fürsorge dem bloßen Eindruck eines Zusammenhangs widerstehen müssen. Durch ihre vorschnelle, überstürzte Entscheidung ist sie genau in diese Falle getappt. Ein untrügliches Zeichen mangelnden Instinktes und fehlender Professionalität. Hätte sie sich Zeit genommen und dem Delinquenten rechtliches Gehör geschenkt – gerade im Verfassungsministerium ein Muss – stünde sie nicht wie der begossene Pudel da, den die Affäre fast 1 Jahr später wieder einholt. Auch ihre Weigerung, den Abgeordneten im Innenausschuss Rede und Antwort zu stehen, ist kein Ausweis von Respekt und Souveränität.
Christoph Schönberger


Leserbrief zu „Ich sah Freiheit, Mut und Einigkeit“ von Farangiss Bayat

Solange die Demonstrierenden im Iran nicht deutlich sagen, dass es nicht um die Spaltung in Religiöse einerseits und Säkulare andererseits geht, sondern dass das Mullah Regime standardisierte Auffassungen vertritt, die mit Religion nun wirklich nichts zu tun haben, deren Sinn und Wesen sogar widerspricht, wird es die gesamtgesellschaftliche Neuorientierung schwer haben. Ja, die Mullahs lassen diesbezüglich nicht mit sich reden, dann müssen sie eben auf andere Weise mit ihrem Unsinn konfrontiert werden.
Christoph Müller-Luckwald


Leserbrief zu „Blicke, die ins Leere gehen“ von Volker Weidermann

Ich weiß, dass ich nicht alles lesen muss, was in der ZEIT steht, die Inhalte sich nicht nur an mich richten und es Leser gibt, die sich für Fußball wirklich interessieren. Ich gehöre nicht zu dieser Zielgruppe und habe noch nie verstanden, was an einer Sportart dermaßen wichtig ist, dass sie so breite Aufmerksamkeit beanspruchen kann. Ich verkneife mir jetzt mal Hinweise darauf, was in dieser Welt wirklich wichtig ist, und wo es richtig dramatisch schlecht läuft. Das weiss jeder. Fußball gehört nicht dazu. Das ist bloß ein Riesengeschäft für sehr korrupte und habgierige alte Männer, die sich auf unfassbar ekelhafte Weise bereichern an den Träumen und Sehnsüchten sehr junger Sportler:innen und ein paar Millionen Fans, die für ihre Hingabe und Unterstützung betrogen werden. Und, lieber Herr Weidermann, schreiben Sie bitte nicht „Deutschland“, wenn Sie in Wirklichkeit etwas anderes meinen. Bei „Deutschland“ denke ich immer, es ginge irgendwie auch um mich. Dabei geht es nur um habgierige, korrupte Funktionäre, denen der Rest der Welt egal ist.
Anne-Katrin von der Heydt


Leserbrief zu „Die Position: Nehmt endlich die Welt in den Blick!“ von Joel Glasman und Marcia C. Schenck

Die Stellungnahme von Marcia C. Schenck und Joel Glasman spricht eine nicht nur für die Geschichtswissenschaft, sondern auch weit in die Gesellschaft hineinreichende Frage an. Unsere immer noch vorhandene und dominierende eurozentrische Perspektive prägt, zwar gelegentlich reflektiert, aber kaum konterkariert, immer noch unsere Haltung gegenüber dem Rest der Welt. Im Bereich der Medien kann man das gut an den – ansonsten erfreulich zahlreichen – historischen Fernsehsendungen beobachten. Das universitäre Problem setzt sich, unterschwellig urteilbildend, folgenreich im sekundären Bildungswesen fort. Neben einer größeren Breite an Information über die Geschichte anderer Länder kann neben der politisch-kulturellen auch eine menschenzentrierte Sichtweise hilfreich sein und zu einem kulturverbindenden Verständnis beitragen: Zu allen Zeiten und in allen Kulturen standen die Menschen vor den gleichen Problemen mit sich, der umgebenden Gesellschaft, mit der Natur, nur wurden jeweils andere Lösungen gefunden. Sie in den Blick zu nehmen und zu würdigen wäre zugleich ein Beitrag zur Friedenserziehung.
Peter Lautzas


Leserbrief zu den Artikeln Feuilleton, Seite 44 von Katja Nicodemus, Antonia Baum, Götz Hamann, Peter Kümmel

Zeit mal wieder für einen Rundumschlag! Ich fange mal links unten an und gehe dann gegen den Uhrzeiger weiter: Stuckrad-Barres Roman gibt es so kurz nach Erscheinen schon als Theaterstück!? Wann kommt endlich das Musical? Walter Isaacson schreibt gute Bücher. Ich habe seine Einstein- und da-Vinci-Biografien gelesen, aber 38 Euro für ein, wenn auch sehr umfangreiches, Buch?! Das geht schon sehr in Richtung ZEIT Shop des modernen Reichtums und Elon Musk scheint mir auch nicht gerade das allerinteressanteste Thema zu sein. Bestenfalls das Taschenbuch oder das E-Book könnte ich mir als Lektüre vorstellen, aber nur wenn da nicht mehr als 25 Euro überschritten werden.

Nicht die ARD hat die Ampel-Doku inszeniert, sondern Herr Lamby und Dokumentationen müssen nicht mehr so behäbig-langweilig wie in den „Kleinen Fernsehspielen“ der 70er-Jahre daherkommen. Und was ich immer schon sagen wollte (eigentlich in Versalien, aber das sieht dann doch etwas blöde aus): Léa, ich will ein Kind von dir! (Also eigentlich möchte ich eins von Carla Bruni, aber das würde wohl nicht mehr klappen und man möge das jetzt auch nicht allzu wörtlich nehmen, weil ich ja generell die Überbevölkerung der Welt für das dringendste Problem überhaupt halte, aber solche Frauen, die nicht nur natürlich – vermutlich jedenfalls – schön aussehen, sondern auch musikalisch und / oder schauspielerisch etwas drauf haben, begeistern mich. Gerade Frankreich hat in der Hinsicht keinen Mangel zu verzeichnen.)
Thomas Manthey


Leserbrief zu „Diverser geht’s nun wirklich nicht“ von Tobias Timm

Kann mir der Zeit-Autor Herr Timm erklären, was die Steigerung von divers („diverser geht’s nun …“) und die von offen („das offenste Museum…“) bedeuteten und bedient der Autor nicht ein gängiges antisemitisches Klischee, wenn er den Mehrheitsbesitzer der im Tacheles integrierten Fotografiska als Erbe eines jüdischen Immobilienunternehmers kennzeichnet? Die woke Linke in Berlin hat doch durchgesetzt, dass die Erwähnung der Herkunft, Religionszugehörigkeit z.B. bei Straftätern diskriminierend ist? Im Tagesspiegel vom 14.9.2023 wird die Fotografika beworben mit dem Aussage, dass über 200 Werke zusammengetragen wurden „von 30 Künsterler:innen mit weiblicher Identität“. Verstehe ich leider auch nicht.
Udo Brückner


Leserbrief zu „Wo kommen die Pantoffeln her?“ von Kristina Ratsch

Na, prima. Da geben sich die (Ant)arktisforscher*innen, wie man von Ihrer Kinderseite weiß, jegliche Mühe, unnötigen Müll zu vermeiden (wenn ich mich richtig erinnere, wird sogar der Urin bei Expeditionen in Flaschen gesammelt und wieder auf die Station gebracht; immer war das allerdings nicht der Fall: https://www.spektrum.de/news/umweltverschmutzung-forschungsstationen-verunreinigen-die-antarktis/2177175) und dann liest man das hier. Alles für die Katz!
Thomas Manthey


Leserbrief zu „Fragen Sie Ella“ „Wie werde ich das Kruzifix meiner Großeltern los?“

Ein Jesus mit nur einem Bein ist wirklich arm dran. Jeder nur drei Nägel!
Thomas Manthey


Leserbrief zu „Wie Habecks Haus eine Beratungsfirma glücklich macht“ von Ingo Malcher und Marc Widmann

„So haben alle etwas davon.“ Ist das Sinn und Ziel unserer Gesetzgebung? Unglaublich: Unsere Regierung macht Gesetze, die eine der größten (und ich dachte auch besten) Verwaltungen dieser Welt nicht umsetzen kann. Und dann macht man den Gärtner zum Bock! Quo vadis Deutschland? Vielen Dank für den Artikel.
Horst Weinläder


Leserbrief zu „Im Fahrtwind der Freiheit“ von Adam Soboczynski

als Zeitgenosse des Autors habe ich den Auszug aus dem Buch von Adam Soboczynski mit großem Interesse gelesen. Ich wurde nicht enttäuscht. Die Betrachtungsweise des Autors teile ich. Daher war die Lektüre erfrischend wie das Wiedersehen mit einem nahstehenden langjährigen Freund.
R. Reiger


Leserbrief zu „Komponieren ohne Partitur“ von Hannah Schmidt

Danke Frau Schmidt für den Artikel und viel Erfolg wünsche ich Frau Rilling in Donaueschingen, …. obwohl John Cage war der Meinung …die Musik muss aufgeschrieben sein…mal sehen; apropos Musik aufschreiben, Adam Minkoff …in NY I believe, programmiert alle Musik von Gentle Giant, eine Englische prog rock band vom 1970 im Computer…jeden Ton von allen Mitspielern, schon eine unglaubliche Leistung finde ich !
Brian Agro


Leserbrief zu „Genau in den richtigen Händen“ von Florian Zinnecker

Danke fuer den Artikel Herr Zinnecker. Die neue Aufnahme hab ich noch nicht gehört, aber R Schumann hat mich beeinflusst sicherlich, allerdings wenn ich sagen darf, bevorzuge ich die Musik von dem SchuLman Brüdern aus Schottland…Ray, Derek und Philip… mit Partnern.
Brian Agro


Leserbrief zu „»Knapp gewinnen ist eine Kunst«“. Gespräch mit Holger Geschwindner, geführt von Cathrin Gilbert

Wie groß mag die Ahnung von Kanzler Scholz in punkto Basketball sein? Immerhin hat Olaf Scholz den Basketballern sofort zum Titelgewinn „Weltmeister“ gratuliert. Es gibt sie also doch noch, die Erfolgsgeschichte in Deutschland. Von den nationalen Rasenkickern und von der Berliner Ampel könnte man das nicht gerade mehr behaupten. Hansi Flick (jetzt Ex-Bundestrainer) wurde in die Wüste geschickt, aber die Ampel, die bleibt stur am Ruder und schippert Deutschland bewusst in die falsche Richtung. Sport mache ich mache lieber selbst, aber Sport im Flimmerkasten, den schaue ich selten bis nie. Ich verstehe zwar auch nicht viel vom Basketball, trotzdem gratuliere auch ich den Spielern zum Titelgewinn!
Klaus P. Jaworek


Leserbrief zu „»Mir und meiner Familie ist das auch passiert«“. Gespräch mit Sandra Ciesek geführt von Jan Schweizer

Da krieg ich doch gleich die Krise, wenn ich so ein Interview mit der Direktorin des Instituts für klinische Virologie Sandra Ciesek in Frankfurt lese. Erstens sind wir ständig von Viren und Bakterien umzingelt, aber das Hauptproblem für mache Mediziner scheint nur noch das Coronavirus und ihre Varianten zu sein. Haben diese Damen, hier Sandra Ciesek und Herren, wie ein Karl Lauterbach eigentlich keine anderen Probleme mehr. Frau Ciesek ist x-fach gegen Corona geimpft, wie sie im Interview zugegeben hat, hat sich trotzdem infiziert, und empfiehlt aber weiterhin die Impfung mit einem jetzt angeblich angepassten Impfstoff. Kaum ist die neue Variante da, schwuppdiwupp, schon gibt es einen neuen Impfstoff! Wie ist das nur möglich?

In der Preußischen Allgemeinen Zeitung gibt Ex-RKI-Chef und Tierarzt Lothar Wieler vor dem Brandenburger Corona-Ausschuss zu, dass der PCR-Test sehr mangelhafte Ergebnisse, in Hinsicht, ob jemand überhaupt infektiös sei, liefert. Der PCR-Test erbringt nur den Nachweis, dass eine Virenlast im Körper ist, daraufhin hat auch der Erfinder dieses PCR-Test Kary Mullis immer wieder hingewiesen! Welche Viren das sind und ob diese Viren für der Menschen eine Gefahr darstellen, dieser Nachweis wird durch den PCR-Test nicht erbracht. Vielmehr durfte oder konnte Lothar Wieler zu der Affäre Corona, wegen Tragen eines „Maulkorbs“, nicht zur Sache sagen. (nachzulesen in der Preußischen Allgemeinen Zeitung Nr. 37 vom 15.9.2023 auf Seite 2) Da frage ich mich ganz ernsthaft, wer hat denn nun in den Corona-Jahren mehr geschwurbelt, die Mitarbeiter des RKI, die Politiker, die Wissenschaftler, Teile der Ärzteschaft usw. oder die so als Schwurbler bezeichneten Schwurbler selbst.
Klaus P. Jaworek


Leserbrief zu „Hundsgemein“ von Tom Kroll in ZEIT leo, die Seite für Kinder

Es geht um die Frage, ob man Haustiere mit in den Bundestag bringen darf. Der Titel „Hundsgemein“ lässt auf Hunde schließen, aber nein es geht um Haustiere. Natürlich nicht ins Plenum sondern ins Büro. Ein Hund im Büro ist schon schwierig. Der Köter will bewegt werden und muss ja auch mal pullern. Eine Katze hat zwar ein Katzenklo, aber das ganze Zimmer riecht nach Pipi. Die Besitzer und Besitzerinnen der Tiere müssen sich dauernd um ihre Lieblinge kümmern, anstatt zu arbeiten. Man stelle sich vor einen Minister schleicht durch die Gänge, um mal zu sehen was seine Referenten da so treiben. Ist es der Finanzminister wird er genau schauen ob die Hunde eine Steuermarke um den Hals tragen. Wenn nicht gibt es Ärger und der Referent hat seinen Job verloren. Ich habe in einem Tierpark einen Beo gekannt, der konnte perfekt „Arschloch“ sagen. Wenn der Besitzer seinen indischen Exoten mit in den Bundestag bringt kann Freude auf kommen. Der Besitzer hat einen Mitarbeiter im Zimmer, um einige Fragen zu klären. Als der Mitarbeiter das Büro verlasst schreit der Beo „Arschloch“. Es soll auch Leute geben, die sprechen mit ihren Pflanzen. Mitbürger, es reicht. Weder Fauna noch Flora gehören in den Bundestag. Sonst schreit der Beo „Wahltag ist Zahltag“
Hans-Emil Schuster


Leserbrief zu „Meine Songs sind meine Kinder“ von Christoph Dallach und Emilia Smechowski im ZEIT Magazin

Noch ein Tipp für Dolly Parton Fans: Der Film „Das schönste Freudenhaus in Texas“ von 1982 mit Burt Reynolds. Vorsicht: der Film ist frauenfeindlich und sexistisch, geht aber, wie immer bei Ms. Parton, gut aus. Außerdem enthält er das schönste schwule Ballett der Filmgeschichte.
Peter Pielmeier


Leserbrief zu „Mitgehört“ von Lena Niethammer im ZEIT Magazin

„Federmäppchen“? Wer sagt denn so etwas heutzutage noch? Damit wäre bewiesen, dass Kreuzberg nicht zu Deutschland gehört.
Thomas Manthey