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2. November 2023 – Ausgabe 46

 

Leserbriefe zu „Einsames Land“ von Jan Ross

Rödder hat Recht, dass die Resolution der UN-Generalversammlung eine bemerkenswerte Entwicklung ist. Sie zeigt, dass die internationalen Beziehungen im Nahen Osten komplexer sind als in anderen Teilen der Welt. Während die meisten westlichen Länder Israels Recht auf Selbstverteidigung gegen die Hamas anerkennen, ist dies in vielen anderen Teilen der Welt nicht der Fall. Rödder ist auch richtig, dass die israelische Regierung und die Öffentlichkeit des Westens sich nicht von dieser Stimmung einschüchtern lassen sollten. Israel ist ein wichtiger Verbündeter der westlichen Welt, und es ist wichtig, dass diese Beziehung gepflegt wird. Allerdings ist es auch wichtig, die israelische Militäraktion im Gazastreifen kritisch zu betrachten. Israel hat zwar das Recht auf Selbstverteidigung, aber es muss auch dafür sorgen, dass die Zivilbevölkerung im Gazastreifen geschützt wird. Die israelische Regierung muss sich dafür einsetzen, dass die humanitäre Lage im Gazastreifen verbessert wird und dass eine politische Lösung des Konflikts gefunden wird.
Stefan Pachmayr

Die Tragik: es wird am Ende nur Verlierer geben und vor allem keine Zukunft. Israel wird zu Recht die Hamas ausschalten, aber mit einem hohen Blutzoll. Der Küstenstreifen ist dann erheblich zerstört und unbewohnbar geworden. Aber keiner der arabischen Nachbarn oder Verbündeten bietet sich als Zufluchtsort an. Sie wissen, warum. Dass der Westen sich darüber in die Defensive drängen lässt, zeugt von wenig Standing. Es wäre doch folgerichtig, die Sympathisanten der Hamas in der muslimischen Welt in die Pflicht zu nehmen. Ein humanes Investment für Erdogan oder die vagabundierenden Öldollars.
Christoph Schönberger

das Verhalten gegenüber den schrecklichen Ereignissen in Israel und Palästina muss nicht durch einen Gegensatz bestimmt werden. Das gilt auch für das deutsche Abstimmungsverhalten bei der von Ihnen genannten Resolution der Vereinten Nationen. Dieser war kein „Fehler“. Die Maßnahmen zur Befreiung der Geiseln und zur Deeskalation des Nahostkonflikts widersprechen sich nicht. Das priorisierte Ziel scheint jedoch die Zerstörung der Hamas zu sein, auch wenn dadurch Geiseln in Gefahr gebracht werden, und auch wenn dadurch die Lebensgrundlage der gesamten Bevölkerung des Gazastreifens zerstört wird. Der „Blick“ auf die massiven Bombardierungen und ihre konkreten Folgen für über zwei Mio. Menschen „lenkt“ nicht ab vom Terrorismus der Hamas. Für eine informierte Öffentlichkeit ist das kein Gegensatz, sondern Voraussetzung. Es kann ihr zugemutet werden.
Samer Schaat

Ein sehr guter Text von Jan Ross, fürwahr. Das, was sich unsere Bundesrepublik Deutschland bei der UN-Resolution geleistet hat, war Unentschlossenheit. Unentschlossenheit ist jedoch gerade jetzt, wo wir so fleißig unsere Solidarität mit Israel bekunden, wo wir großtönende und gestenreiche Bekenntnisse ablegen, fehl am Platz. Entschlossenheit wäre hier angemessen gewesen. Doch was nun beschlossen wurde, wird sich nicht mehr ungeschehen machen lassen. Da ist es nur ein Lichtblick, dass der deutsche Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck in der gestern veröffentlichten Ansprache an die Nation eine rhetorisch starke und entschlossene Rede hält, die den demokratischen Geist in uns beschwört und zum solidarischen Unterhaken inspiriert.
Es ist wichtig, den politischen Diskurs hierzulande nicht an Antidemokraten und Antisemiten zu verlieren. Wenn die Mehrheit schweigt, obsiegt die laute Minderheit. Und irgendwann wird so oft und so laut Free Palestine und From River To The Sea / Palestine Will Be Free gerufen worden sein, dass alle Welt dann glauben wird, dass es sich bei den Palästinensern um die wahren Opfer handelt. Dass sie die Verdammten dieser Erde sind.
Ohne Frage sind diese menschlichen Tragödien, die sich derzeit im Gazastreifen abspielen nur schlimm. Und jeder Tote ist einer zu viel. Doch sollten wir nicht vergessen, wer diesen Krieg am 7. Oktober 2023 vom Zaun gebrochen hat. Wer sich jetzt feige in den unterirdischen Tunnelsystemen verschanzt hat. Wer darin Geiseln hält. Wer seine eigene Bevölkerung als menschlichen Schutzschild missbraucht. Wer Krieg und Terror will. Und wer Frieden. Wer für den Tod kämpft. Und wer für das Leben.
Michael Ayten

Symbolpolitik statt mehr europäische Geschlossenheit? Resolutionen der UN-Generalversammlung benötigen eine 2/3 Mehrheit der teilnehmenden Staaten. Für die Resolution vom 27.10.23 (A/ES-10/L.25) zum aktuellen Krieg um Gaza mit einem Abstimmungsergebnis von 120 zu 59 heist dies: 1 Stimme Wechsel von Pro zu Enthaltung (oder Nein) und die Resolution wäre schlicht gescheitert.
Nicht, dass man das Scheitern der humanitären Anstrengungen wünschen sollte. Aber eine Verurteilung der Hamas (wie durch das ebenfalls behandelte kanadische Amendment A/ES-10/L.26) schon. Das hätte bedeutet, dass die EU vorab geschlossen mit der Drohung eines Scheiterns der Ausgangsresolution hätte auftreten müssen, wenn der Inhalt des Amendments nicht berücksichtigt wird. Realpolitik zur klaren Unterstützung Israels nennt man so etwas. Frankreich (!), Spanien, Belgien, Portugal, Irland, Slowenien und Luxemburg (ganz nebenbei auch die Schweiz und Liechtenstein) haben dies mit ihrem Ausscheren aus der breiteren europäischen Position letztlich wohl verhindert. Darum geht es im Kern, nicht um reine Symbolpolitik rund um das deutsche Votum. Ergänzend: Zum französischen Votum: https://onu.delegfrance.org/france-voted-in-favor-of-the-resolution-presented-on-behalf-of-the-arab-group
P.S.: Herr Ross befindet sich zwar aktuell mit den Herren Gauck und Laschet in „guter Gesellschaft“, hat politisch aus meiner Sicht aber trotzdem unrecht.
Martin Hommel

Ist die alttestamentarische Vorstellung von einem „gelobten Land“ eine theokratische Idee „vom besseren Dasein“ oder ein konkreter geografischer Bezug? … Nach dem Alten Testament verlor das jüdische Volk mehrmals den geografischen Bezug wegen Gottvergessenheit; es waren immer wieder Propheten, die an den Gottesbezug erinnerten. Gibt es heute noch einen Gottesbezug? … Im Zeitablauf gesehen leben wir gegenwärtig zwischen zwei Schöpfungsquellen aus dem Nichts: dem Ursprung vom Werden in der Vergangenheit und Geldschöpfung durch Zukunftserwartungen. Das sind zweierlei Schöpfungsquellen, die jeweils ein Akkumulationssystem gewähren. Beide Akkumulationssystem unterscheiden sich im Zahlenraum, Zielsetzung und gesamtgesellschaftlichen Nutzen. Da unsere axiomatische Wirtschaftstheorie nur ortsbezogen monetäre Transfers gewährt, spalten wir beide Schöpfungsquellen in Gütermarkt und Finanzmarkt. Durch die Abspaltung vom Finanzmarkt realisieren wir ein monetäres Akkumulationssystem, was naturwissenschaftlichen Einsichten widerspricht, laut jüngsten ICCP-Berichts, die Existenzgrundlagen von mehreren Hundert Millionen Menschen bedroht, ein nächstes globales Artensterben auslöst und alttestamentarische Todsünden, bspw. Gier, als Navigationshilfe fördert.
Realpolitisch wandeln unsere chemisch-physikalische Transfer-Entscheidungen, bspw. Kohlenstoffemissionen, ein lebensfreundliches Holozän zum menschenverursachten Anthropozän. Sofern wir nicht in unserem globalen Güterumschlag inhärente Kipppunkte in der Natur berücksichtigen, wird der Evolutionsdruck auf alle biologischen Arten, d. h. inkl. Mensch sukzessiv steigen. D. h. die evolutionäre Abwärtsspirale wird sich zunehmend schneller drehen! Evolutionstheoretisch haben wir drei denkbare Zukunftsszenarien: Wir passen unser Wirtschaftssystem der Realwirtschaft an; und lernen Marktwirtschaft mit chemisch-physikalischen Transfers, um den Güterumschlag durch Steuerprogression zu lenken. Wir reduzieren die Art, da 1 fehlt und 3 verhindert werden soll. Wir sterben aus, da das planetarische Ökosystem kollabiert. Quo vadis; Mensch? …
Naturwissenschaftlich ist das Wort Gott als Axiom für einen unerklärbaren Anfang vom Werden zu verstehen. Staatsrechtlich repräsentiert Gott den Satzungsgeber von Zeit & Raum. Der Mensch übt durch chemisch-physikalische Transfer-Entscheidungen die Exekutive aus. Und die Judikative akkumuliert alle Transfer-Entscheidungen zu einem kollektiven Willen im Gütermarkt! Wenn wir die 9/11 Piloten als Gotteskrieger akzeptiert hätten, hätten wir den Anschlag als Beginn der Apokalypse im Sinne der Offenbarungen an Johannes NT verstanden. Das „Warum“ als Motivation wäre das Klimarisiko. Danach hätte ein geistiges Ringen einsetzen können, um ein chemisch-physikalisches Akkumulationssystem zu formulieren. Danach können wir auch unsere fehlerhafte axiomatische Wirtschaftstheorie der Wirklichkeit anpassen. Machtpolitisch geht das gegen die USA, die als Währungshegemon an ihrem US-militärgestützten Währungssystem festhält. … Aber; die USA ist nicht Gott!
Matthias Losert

Mit so einseitigen Stellungnahmen wie von Herrn Ross kommen wir einem Friedensprozess im Nahen Osten kein Stück näher. Er fokussiert auf den letzten zu verabscheuenden Terrorakt der Hamas. Stellen Sie sich mal vor als Palästinenser in Gaza oder im Westjordanland zu leben, wären Sie da zufrieden? Kein Mensch will eingesperrt und überwacht leben!!!Natürlich wäre es dem israelischen Militär zu wünschen, die Hamas zu besiegen. Aber es werden neue Terrorgruppen entstehen, wenn nicht die Lage der palästinensischen Bevölkerung in Gaza und im Westjordanland entschieden verbessert wird. Israel braucht einen neuen Jitzchak Rabin.!!!
Gundi Fröhlich

Mit einigem Unverständnis habe ich Ihre Position im aktuellen Nahostkonflikt zwischen Israel und Palästina zur Kenntnis genommen. Die von Ihnen kritisierten Worte des UN-Generalsekretärs Antonio Guterres („die Terrorakte der Hamas seien ’nicht in einem Vakuum geschehen'“) treffen meines Erachtens historisch völlig korrekt die Ereignisse im Nahen Osten in den letzten 30 Jahren. In der menschengemachten Geschichte gibt es kein Vakuum. Und die israelische Politik eines Benjamin Netanjahu hat in diesen Jahren entscheidend dazu beigetragen, dass ein gerechter Ausgleich zwischen beiden Seiten in immer weitere Fernen gerückt ist. Natürlich war der grausame und unselige Angriff der Hamas vom 7.Oktober auf Israel pure Barbarei. Aber: Was ist mit den israelischen Vergeltungsschlägen im Gaza-Streifen?
Sind hier die vielleicht tausendfachen palästinensischen Todesopfer gerechtfertigt, um Israels „Sicherheit wiederherzustellen“? Wird hier nicht mit zweierlei Maß gemessen? Und wie soll sich das kleine Deutschland zu diesem Pulverfass Naher Osten verhalten? Deutschland hat sich beim Votum über die Gaza-Resolution enthalten und nicht mit Nein gestimmt. Für mich eine sinnvolle Entscheidung. Es war für unsere mit ihrer historischen Schuld belastete Bundesrepublik die einzige Möglichkeit, vor der versammelten Weltgemeinschaft zum Ausdruck zu bringen, dass schon genug Blut auf beiden Seiten vergossen wurde. Auch wir Europäer müssen aussprechen können, dass die Sicherheit Israels nicht auf dem Schlachtfeld erreichbar ist und eine andere Politik erforderlich wäre, um dafür Chancen zu eröffnen. Genug der Schlächterei.
Gerhard Jelinek

Der Leitartikel wird dem Gegenstand nicht gerecht. Ein Waffenstillstand dient dazu, eine militärische Zerstörung (von Mensch und Material) zu unterbrechen, um Raum für andere Maßnahmen zu schaffen.  Fragen nach Solidarität, Sympathie, oder danach, wer der „eigentliche Aggressor“ sei, sind hier irrelevant. Statt zu versuchen, die Institution UN und ihren Generalsekretär moralisch zu diskreditieren, oder dem globalen Süden ein nicht vorhandenes Weltgewissen zu attestieren, könnte der „westlichen Wertegemeinschaft“ die Frage gestellt werden, wie sie mit dem NATO-Partner Türkei, für dessen Präsident die HAMAS eine Befreiungsorganisation ist, im gemeinsamen „Kampf gegen den Terror“ weiter vorgehen will. Wer humanitären Fragen erst nimmt, muss sich auch mal über all die konstruierten und vermuteten „Schuldverschiebungen“ hinwegsetzen können und nicht versuchen, selbst noch welche hinzuzufügen.
Jürgen Pilz

Von Der Zeit hätte ich mir einen differenzierteren Artikel gewünscht als „Einsames Land“. Ich schätze da meine anderen Quellen, die das Einseitige ein bisschen ausgleichen: https://www.counterpunch.org/2023/11/03/israel-wants-either-an-apartheid-state-or-an-ethnic-cleansing-process-both-crimes-under-international-law/ https://www.politico.com/news/2023/11/02/democrat-israel-gaza-crisis-00125150Vielleicht könnte auch mal einer Ihrer Mitarbeiter die Toten auf beiden Seiten zählen, und zwar über die letzten Jahrzehnte hinweg. Und die Bedeutung des Wortes „Apartheid“ nochmal auffrischen. Auf jeden Fall bin ich heute nicht mehr ganz so enthusiastisch über meine Zeit.
S. Fleschutz

Wenngleich ich allen Ihren Feststellungen bezüglich der klaren Verurteilung des Terroraktes durch die Hamas zustimme, so ergeben sich -nach meiner Meinung – keinesfalls die von Ihnen gezogenen logischen Konsequenzen. Es war doch bereits vor dem Beginn der Bodenoffensive vollständig klar, dass Israels „Recht auf Selbstverteidigung“, quantitativ gesprochen vor allen Dingen den Tod von Zivilisten verursachen würde. Obwohl auch Sie dies wissen müssen, kommen Sie zu dem Schluss, niemand dürfe im Augenblick das Recht Israels auf „Selbstverteidigung“ in Fragestellen. Dann sollten Sie in Ihrem Artikel ganz klar und öffentlich sagen, dass die Zahl der zivilen Opfer als Kollateralschaden hinzunehmen ist.
Allerdings sollte man in Betracht ziehen, dass diese toten Zivilisten, womöglich so wenig mit den Zielen der Hamas übereinstimmen wie Sie und ich. Weshalb müssen sie also sterben? Folgt man Ihrer Argumentation, so sterben diese Menschen wegen Israels „Recht auf Selbstverteidigung“, eines abstrakten Prinzips. Das scheint mir reichlich inhuman – und mir ist unklar, auf welcher moralischen Basis Sie dies propagieren.(Natürlich kann und müsste man noch viel mehr ansprechen; manches können Sie – falls Sie das noch nicht getan haben – dem Podcast mit Eva Menasse entnehmen.)Ich kann nur hoffen, dass meine oberflächlichen Einlassungen dazu taugen, dass Sie das (Über-)Lebensrecht von unschuldigen Zivilisten (ich meine alle, aber eben auch Israelis und Palästinenser) vielleicht in Zukunft nicht einfach argumentativ ausklammern.
Johann Siemon

Ich empfinde es als zutiefst unmenschlich von Herrn Ross sowie der Zeit Redaktion, einen solchen Artikel auf die erste Seite zu drucken. Der Artikel geht mit einem solch gefälligen Selbstverständnis davon aus, dass „der Westen“ klar auf der Seite Israels stünde und dass das, was Israel gerade in Gaza tut, notwendig im Sinne der Selbstverteidigung wäre, dass mir die Worte fehlen. Ich frage mich, welche Schuld hier angeblich verschoben wird. Wo beginnt laut Herrn Ross diese Schuld und inwiefern tragen sie die mittlerweile 9.000 Toten und 22.000 Verletzten in Gaza – ganz zu schweigen von den nun Obdachlosen, Geflüchteten, Traumatisierten? Von einem Medium wie der Zeit hätte ich mir erwartet, weiter zu denken als Staatsräson. Es ist mir unerklärlich.
Paul Kliesch

Gratulation an Sie alle, die sie sich zusammenfanden zu analytischer Bestandsaufnahme rund um den Palästina-Konflikt! Glücklicherweise geht wohl niemand von Ihnen am Stock, da sie nicht, wie Geistliche und Politiker, mit dem Erkenntnis-Engel rangen um die passenden Worte, das Dunkel zu erhellen. Niemand in der westlichen Welt, auch nicht Atheisten und Säkulare, ist frei von jahrhundertelanger Infiltration jüdisch-christlich-mohammedanischer Werte und Unwerte, eingebettet in weltliche Gewalt, deren Gehalt umso mehr beeinflusst, je weiter hergeholt die Geschichten sind. Auch gilt es als ausgemacht, die Bedeutungsphantasmen von Beobachtern (Augenzeugen) authentischer zu werten als die Erzählungen Beteiligter und Betroffener. Das ist zwar, unserem Hang zu Legenden und Schauermärchen geschuldet, verständlich, aber gewiss kein Ruhmesblatt menschlicher Intelligenz, transportiert über Herz und Sinn in Forschung und Lehre mit autoritärem Anwendungszwang.
Sind doch fast alle Überlieferungen, unabhängig von der Verlierer-Ausschussware, die von allen Siegern, besonders den Fanatisierten, entsorgt wurde, so fundiert wie „Stille Post“-Ausschmückungen, womit selbst viele Historiker zu teilwissenden Wortakrobaten aus Glaubensüberzeugung werden. Wie schwer es unter diesen begehrlichen Begebenheiten ist, besonders in Akutphasen psychisch-emotionaler Erregung die Spreu vom Weizen zu trennen, mit größtmöglicher Distanzierung von eigener Berührtheit den richtigen Ton zu treffen, verdient für Sie, die Akteure der ZEIT, Hochachtung! Hier ein Beispiel vergessener Geschichte aus nebulöser Vergangenheit, wie es eventuell gewesen sein mag: „Mutti, ich glaube, ich bin schwanger“. „Jesses Maria! Ja, Nein oder Vielleicht? Von Wem? Noch weiß es doch hoffentlich niemand?“ „Er ist keiner von uns. Er lebt in Samaria, Erstgeborener einer hoch angesehenen Familie“. „Beim Barte des Propheten Jesaja! Lass es blos nicht Vati wissen! Danke für dein Vertrauen, Maria. Gemeinsam werden wir das Kind schon schaukeln.

Du begibst dich baldigst auf Studienreise nach Ägypten. Dein Freund sollte nach Jerusalem gehen und sich von den Schriftgelehrten in jüdische Gepflogenheiten einweisen lassen. Anders braucht ihr euch keiner Illusion hinzugeben, hier im Dorf gelitten zu sein“.
Gesagt, getan. Joseph, inzwischen der neuen Sprache, des Hebräischen, mächtiger als alle Galiläer und im Verhältnis zu den Nazarenern geradezu weltmännisch, nahm Quartier in Nazareth und richtete eine hochmoderne Zimmermanns-Werkstatt ein. Als Maria, sichtbar hochschwanger, heimkehrte, begehrten sie sich wundersamerweise wie Liebe auf den ersten Blick. Er stieg in der Achtung der Dörfler noch höher, als er sich generös bereiterklärte, Maria zu seiner Gefährtin zu erkiesen. Maria gebar ihren ersten Sohn, uns allen bestens verinnerlicht über die über Jahrhunderte hinweg ausgeschmückten Weihnachtsgeschichten. Da Maria mütterlicherseits vom Urvater Jesse abstammte, musste für Joseph eine adäquate Genealogie her. Mit Geld und guten Worten ließ der Rabbiner Nazareths seinen Stammbaum bis zu Davids Kebsweibern rückverfolgen und, den Römern Rechnung tragend (man beachte die Latinisierungs-Umbenennung, nachdem die urchristlich jüdischen Sektierer, brüskiert ob Paulus verächtlichmachend intriganter Ignoranz zu ihren Rabbinern zurückkehrten), den Stammhalter im Rahmen der rituellen Beschneidung auf den Namen Jesus segnen. (Der Malus unehelicher Begattung (Selbstbefruchtung endete in alten Kulturen entweder mit Vergöttlichung oder ritueller Hinrichtung), wurde, gewiss erst im Mittelalter über Engelsbefruchtung ohne Samen zur Jungfrauengeburt, die es in früheren Notzeiten wohl tatsächlich gab, zum göttlichen Sohnes-Bonus. In dieser geradezu drögen Erzählung fehlt der Esprit propagandistischer Mutter/Kind-Emphase ebenso wie Riesen und Zwerge, allgegenwärtig eingebettet in Vertrauen und Verrat, Heimlichem und Unheimlichem unter Verlust von Heimeligkeit.
Die Chancenlosigkeit gegenüber „Es begab sich aber zu der Zeit…“ ist mit Händen greifbar – und ein Paradebeispiel für Informationen, die zu Geschichten und irgendwann zu Geschichte werden, nicht anders als heutzutage das, was Gazetten berichten, ein jeder verstehend und deutend seinen Senf dazugibt zu einer Bildcollage, dessen Wahrheitsgehalt mit der Ursprungsskizze nur noch wenig gemein hat. Rund tausend Jahre benötigten unsere religiösen Lehrmeister, den Gläubigen fanatisches Glaubensbeharren einzuimpfen. Im Zweifelsfall musste der Zauber des „Es steht geschrieben…“, „Es ist gewisslich wahr!“ als Abkanzelung genügen, wobei Hartgesottene erst Fegefeuer- und die profanen Foltermethoden-Androhungen bejahend machte. Wie scheinbar spielerisch Klatsch und Tratsch an Wichtigkeit gewinnen oder verlieren, wenn Aktuelles spannender dünkt, beglückt auch uns viel schnelllebigere Heutige, wobei Nonsens-Anklänge größeren Verbreitungsreiz besitzen als alltägliche, mitunter ernüchternde Begebnisse. Die eigene Lebenslegende möchte in diesem Zusammenhang wohl niemand von uns genauester Prüfung aussetzen, das mühsam erstellte Bild zerkratzen lassen… Nun zur Annäherung an Aktuelles: Unter Gerechtigkeitsaspekten hat jede Person das Recht auf Entfaltung und Selbstverteidigung gemäß persönlicher Freiheiten, die die Freiheiten des Gegenübers gefälligst nicht schmälern sollten.
Unter anderen verleiten uns Rechthaberei und Neidbegehren, Unrechtes zu tun – in Erfahrung klug, wie prächtig Unrecht Gut gedeiht. Zwar ein langer Weg, aber das Selbstbestimmungsrecht der Völker, respektive Nationen und ihre Binnen-Patrioten in völkischer- bis ideologischer Überhöhung, diverse Zugereiste möglichst so lange fern und außen vor zu halten, bis sie eine Integrität erreicht haben, bei dessen Prüfung die Einheimischen reihenweise durchfallen würden (siehe Führerschein und Erste Hilfe-Fähigkeit, erworben anno dazumal), zeigt er doch auf, mit wieviel Widersinn Nationen-Willkür nebst nationalem Dünkel überbewertet ist. Um dieser Überfrachtung entgegenzuwirken, gibt es die Klüngel von Vereinen, Verbänden und Parteien, ihre eigene Kuratel ausübend…Auch zu Ihrer Erinnerung: Es war im Zuge des Sieges über die Osmanen der Druck der teilweise tyrannischen Migranten mosaischen Glaubens, der zur Balfour-Deklaration führte (wobei die Briten in ihrem diplomatischen Eiertanz des wechselseitigen Ausspielens arabischer Interessen wiederum von ihren Busenfreunden gelinkt wurden, indem die ihnen die Gebiete rund um die Ölquellen abluchsten, (mit den verbleibenden Mandatsgebieten Jordanien und Palästina war kein Blumentopf zu gewinnen, war der Ärger vorprogrammiert! (siehe auch den legendenumrankten Dreifach-Agenten Lawrence…)) aus denen die heutigen arabischen Staaten wurden und in der Staatsgründung Israels 1948 gipfelte.
Wie Dünkel-Recht mit Hilfe aggressiver Methoden selbst Bauernschläue aussticht (Verkauf weit unter Wert, Zwangsenteignung und -Zuteilung) gedeiht, folglich nicht-Gewappnete zu Verlierern, geradezu Deppen macht, zeigen uns geschichtliche Ereignisse zuhauf. Die arabische Urbevölkerung hatte mit ihren Zwillen ab den dreißiger Jahren den Gewehren der gut organisierten Neusiedler nichts entgegenzusetzen, zumal der Pioniergeist Willenskräfte freisetzte, die die Dörfler Staunen machte. (Wie wir es heute unter anderen Voraussetzungen bei den Armuts- und Verfolgungsmigranten erleben, hält kein Kontingentierungsversuch Zuzugswillige davon ab, zu versuchen, ihr Glück zu zwingen!). Diese über Gewalt zu Gewalten über Nationalstaatliches gemachten Führungskader legalisierend in den Kreis der Völkergemeinschaft aufzunehmen, hat zumindest bittersüße Geschmäckle. Im besonderen Fall Nahost war keine Region Niemandsland! Es musste angekauft oder gestohlen werden – was sich wohl niemand von uns Würde-Bedachten ohne massivsten Protest gefallen ließe! Zudem war aus der Zeit Weißer Allmachtsdominanz nationalstaatlichen Abschottungs- und Maximierungsdenkens, nebst starrer Grenzziehungen Verzicht aufs Kopieren die große Ausnahme.
Blicken wir in die Vergangenheit, dann führten Regelungen von oben herab immer zu oft generationenlangen Misshelligkeiten. Demgemäß hätte es den UN-Beschluss 1948, dem einen das Recht auf Heimat im alten, von Jahwe persönlich zugesprochenen Kanaan (Dein Name soll Israel heißen…) gegen das angestammte Recht der dort seit 1800 Jahren ansässigen Araber in dieser Form nie geben dürfen. Denn der Rechtfertigungsvergleich mit Begleitumständen früherer Völkerwanderungen hinkt ebenso gewaltig wie die weit hergeholten Konstruktionen der Zionisten! Wer anders denkt, möge sich die reaktiven Phänomene innerhalb einer Gruppe vergegenwärtigen, wenn Personen mit „falschem Stallgeruch“ dazustoßen. Wohl der Gemeinschaft, die sich zeitig genug ihrer Friedensapostel entsinnt und mit deren Einfluss die Feuerteufel ultimativ zwingen kann, ihre fehlgeleiteten Energien umzuwidmen, das zu löschen, was sie in Brand setzten. Denn die Moral von der Geschichte ist: Misch dich nie in Streitigkeiten nicht – es sei denn, dein Einfluss ist so unbeirrbar wie deine Position unangreifbar ist. Wer das beherzigt, diskreditiert sich nicht als Persönlichkeit, sondern wertet sich auf zum Friedensengel ohne parteiliche Positionierung. Allerdings: Was nicht zusammengehört, mit dem nicht gut Kirschen essen ist, hält gerade mal so lange, wie es eine Notsituation erfordert. Anschließend sollte jedem die Freiheit gelassen werden, sein Bündel zu schnüren.
Sollte Nachdruck erforderlich sein (siehe Gastrechts-Missbrauch), weil Läuse im Pelz Nissen nach sich ziehen, dann geht am Kammerjäger kein Weg vorbei. Heikel wird es allerdings, sich zu sehr auf andere zu verlassen: Hängen sich zu viele an das Tau mit dem roten Faden (wie im Falle der vielen US-Partnerschaften als Nachfolger britisch-imperialer Macht), achten mithin die Qualitäten anderer Seiler gering, reißt irgendwann das überlastete Tau. Die Freundschaftsbande zerfasern in Vorteilsnahme-Ansprüchen zu einer Disharmonie, vergleichbar mit einem „Alles oder Nichts-Spiel“, wenn der Pechvogel alles auf eine Karte setzt. (Den unsäglichen „Ewige Schuld“-Blankoscheck Merkel-deutscher Staatsräson gegenüber Israel können sich nur Hasardeure ausgedacht haben, denen noch nie Überlastungs-Verantwortung auf die eigenen Füße gefallen ist!). Ja, Liebe Hamburger: Solange ich denkend nachdenke, bin ich. Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen: Der notwendige Schritt ist Distanzwahrung statt Parteinahme, denn irgendwann fehlt jeder Feuersbrunst die Nahrung – und sei es über Sauerstoff-Entzug. Es sei denn, jemand besäße die Macht eines Engels, den sinnbildlichen Jakob lähmend zu läutern.
Es geht ja die Rede: „Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte“. Sollte es sich dabei um einen intriganten, spaltenden und zündelnden Vorteilsnehmer handeln, ist allseits wünschenswert („Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht“), dass er sich die Finger verbrennt und ihm das hämische Feuerteufel-Lachen im Halse stecken bleibt. Das Gros der Menschheit will, typbedingt und vor allem altersgemäß, nach jeder Erregung seine Ruhepause. Dieses Bedürfnis, in Frieden gelassen zu werden, verstärkt sich spätestens nach der Menopause, respektiv abnehmenden Testosterons. Aber bitte nicht eintönig. Ein bisschen Spaß und Abwechslung hält Geist und Seele zusammen und verhindert so manches Zipperlein. Denn bei zu viel „toter Hose“ kommen wir, altersunabhängig, auf dumme Gedanken. Die „durch den Wind“-Höhenflüge und Horrortrips, also zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt, belebt und erschüttert uns um die Jahre der Adoleszenz – den einen mehr, den anderen weniger. Herausforderungen verkürzen den Reifeprozess und in Watte packen verhindert oft lebenslang ernstzunehmendes Persönlichkeitsbild. Welchem menschlichen Reifegrad gilt es demnach, Vertrauen und die größte Verantwortung zu geben?
In ominöser Zwölfer-Gruppe finden sich alle Charaktere der Typenlehren irgendwie wieder. Dabei werden Feinheiten zwischen unterwürfig und unterwerfen, zwischen herrisch und herrschend, eines Forderns statt Förderns und Weisheit gegenüber Wissen selbst von Unsensiblen wahrgenommen.  Somit sollte es Ehrensache sein, wie ein Prinzipal verbindlich-souverän und nicht wie ein Tyrann durchtrieben-hintertreibend zu beeinflussen, was Beflissene zu Tat und Untat auf den Plan ruft. Betrachten wir die überlappenden Poligkeiten, so fällt uns auf, dass der „ruhende Pol-Sonderling“ ebenso selbstverständlich genommen wird wie der, der den Laden zusammenhält. Dieser Erdungs-Normalität stehen die Sonderlinge Aufmerksamkeitsheischer, die da wären Unglücksraben und quertreibende Stinkstiefel nicht nur diametral entgegen, sondern sie suhlen sich förmlich darin, im ungünstigsten Moment negativ aufzufallen. Auch auf das Risiko hin, die Zwölf zu sprengen, eigenes Martyrium geradezu herausfordernd, somit allen Egotrip-Zwischenstufen die lange Nase zeigend, kommen sie am liebsten wie ein Orkan aus heiterem Himmel über die anderen und sind, zu Hochform auflaufend und etliche Zeitgenossen mitreißend, als eine teuflische Gottesgeißel besonders zerstörerisch, wenn sie sich, fanatisiert und rechtgläubig berufen fühlen, den Laden aufzumischen, komme, was da wolle.
Innerhalb der latinisierten Jünger Jesu (Joshuas) sorgten Andreas und Jakobus der Ältere für Wogenglättung, die Petrus und Judas mit Spaß an der Freude aufrührten. Innerhalb Deutschlands (das Konstrukt der EU ist sowieso nur mit Ungerechtigkeiten händelbar), begeben wir uns regelmäßig des Gleichgewichts der Kräfte, weil wir den Aufmerksamkeitsheischern, den Tätern des Wortes, die sich wie Hydra-Arme vervielfältigen, aus parteilichen Verbindungen heraus wichtigtuen (und sei es ein Maulwurf-Schutzverein), zu viel Entfaltungsraum geben. In weltweit betrachteter Polarisierungs-Affinität von geradezu genial segensreichen bis zu gnadenlos egozentrischen Herrscherallüren, kommt keine Mischvolk-Gruppierung der amerikanischen Mischpoche gleich (In der Hinterhand stets die mit Friedenstauben bestückten Kanonenboote), – wobei en Detail mosaisch-konnotierte Mischpoche, mit Allüren zwischen Hoffart und Kriechertum (geradezu sprichwörtlich bei den Galizischen Chassiden), vielfach anmutet wie der Igel im Märchen. Dieser lange Nachspann – oder Grundrauschen, das jedes Gemüt bewegt, scheint mir notwendig, um die uns bewegenden Aufreger/Erreger-Ereignisse, vom Tauwetter zur Eiszeit, begleitet von Corona-, Ukraine- und Palästina-Horror-Trips, die nicht nur alle Headlines dominieren (obwohl die übrigen Zehn des Dutzends dieser Wirrwarr der Agitations-Sonderlinge am Arm vorbeigehen sollte), wird hoffentlich bald in einer alles entspannenden Coda enden.
Denn ein jeder Hype, mag auch er gelegentlich nerven, ist besser als Hieronymus Boschs „Todesreiter“, die zum Veitstanz zwingen! Leider gehört zu unseren menschlichen Eigenheiten auch der Umstand, dass wir, aufmerkend spontan-erregt der Basis des Momentums folgen, wobei die länger zurückliegenden Ursachen verblassen und oft völlig negiert werden. Denn, ähnlich wie bei der Ukraine, hat es, das Israel der Antike betreffend, lediglich gegen Ende der Babylon-Herrschaft gut 100 Jahre (der sieben? Könige) so etwas wie einen einheitlichen Volkskörper rund um Judäa gegeben. Es folgten Alexander und den Diadochen bekanntermaßen die Römer. Um diese Zeit begann die Geschichtsschreibung in Altgriechisch, zusammengefügt aus Familienlegenden, Umdeutungen der Wissens- und Halbwissens-Überlieferungen der alten Welt, nach und nach erweitert zu heutiger, das Religionsverständnis begleitender Genesis. Allein für ihren Jahwe und die Erzengel bedienten sich die Schriftgelehrten der Patenschaft quasi aller Gottheiten der bekannten Welt zwischen Nil und Indus (in Umsetzung zum Christentum toppten deren Evangelisten diese jüdische Kreativität durch Erweiterung griffiger Heiliger, Seliger und Nothelfer…, immer bestrebt, realitätsnah widerstreitendes Gut und Böse herauszuarbeiten). Da es uns Herdentrieb-Wesen eigentümlich ist, uns trotz Nackenschlägen immer wieder aufzurichten, uns gegebenenfalls über gelenkte Emotionen instrumentalisieren zu lassen (siehe Rassegedanken und andere!), Volkes Wille über feudalistische- bis demokratische Institutionen innerhalb umgrenzter Staats-Territorien scheinbar Rechnung getragen wird durch Teilhabe und Mitbestimmung (wenn es brenzlig wird, müssen Geschenke, Brot und Spiele oder ein Feindbild her – natürlich abzustottern von den Nachgeborenen), nimmt es wenig wunder, für die Größenselbst-Vexierbilder einen pompösen Rahmen zu zimmern, der auch den größten Murks aufwertet.
Auch wenn es gemeinhin schwer fällt, sich an die Gebote fünf bis zehn zu halten, weil Besitzstände und Eigentum allgemein unterschiedlich eingestuft werden: Sich im Streit darum die Schädel einzuschlagen, wissend, dass die eigene Sichtweise auch nicht über jeden Verdacht erhaben sein kann, ist genauso dumm und verwerflich wie die Ausübung von Faustrecht aus oft nichtigstem Anlass. „Aber an irgendetwas muss man doch glauben!“, ist wie ein Unverstandes-Offenbarungseid, der sich im Herdentrieb-Verhalten seit Menschengedenken fatal ausgewirkt hat. Auch in gegenwärtigen Reaktionsmustern mit teilweisen Anklängen an Totschlags-Argumentationen kommen wir nicht umhin, uns, als Träger der Dornenkrone der Schöpfung, selbst anzuklagen (was viele nicht hindert, als Hintersassen der „sieben Schwaben“ am lautesten nach Vergeltung zu brüllen, ohne fundiertes Wissen, warum und weswegen, Hauptsache dafür oder dagegen!). Je schwammiger die Beweise (siehe die Verblendungen besonders der Monotheisten), umso mehr Verflüssigtes lässt sich herauspressen. Wer dabei im Sinnenrausch die kontrollfähigen Aufputsch-Grenzen überschreitet, läuft Gefahr, in Trunksucht umzukommen. Mit Tätern des Wortes hat es ähnliche Bewandtnis: Die volle Verantwortung übernehmend stehen diese (Ver)Führer im Fall der Fälle hinter uns – und waren nicht mehr gesehen….
Verfügten wir über ein lernfähigeres Langzeit-Gedächtnis, könnte es uns auch in diesem Jahrzehnt wie Schuppen von den Augen fallen, uns mal wieder in Dinge eingemischt zu haben, deren Initiatoren, ihr eigenes Süppchen kochend, lediglich im Schilde führen, uns als willige Helfer auszunutzen und bei Bedarf (wie eines missratenen Menüs) das Ungenießbare vor die Füße zu kippen. Auch lernten wir schon unter Feudal-Herrschaft: Ist der Reiter, dem wir die Steigbügel hielten, über alle Berge, gucken wir dumm aus der Wäsche…Mit wem nicht gut Kirschen essen ist, Wortakrobaten-Demokraten hin oder her, dem sollten wir keinen roten Teppich ausrollen! Gibt es etwas Dämlicheres, Beknackteres, Idiotischeres – nachdem Moral, Ehre und Gewissen -besonders allem angerichteten Leid gegenüber, bereits den Bach runtergingen, über Animation Dritter in Krieg und Zerstörung zu investieren in vager Hoffnung auf ein „glückliches“ Ende, hernach am Wiederaufbau verdienen zu können? – oder gegebenenfalls mit leeren Händen dazustehen, weil andere skrupelloser waren? Gleichzeitig mit hochkriechender Angst im Nacken, unter schwer zu beeinflussenden Umständen eine Laus im Pelz eingefangen zu haben, die allen heimischen Gepflogenheiten gegenüber resistent ist?
„Trau, Schau, Wem“ genauso in den Wind geschlagen zu haben wie Freiheitsambitionen auf Grundlage von Friedens- und Verständigungsbereitschaft? Wissen wir nicht, wie wenig Glaubens-, Ehre- und Gewissens-Bekundungen der Polit- und Finanz-Prominenz, erst recht in Nationenkonflikten wert sind? Haben wir vergessen, wie spaltend sich Ausschlüsse aus Gemeinschaften auswirken, Willkür eingeschlossen? Diese streitbaren „Eliten“ zeichneten gewiss vorab Anleihen, um hernach mit feiner Klinge (siehe Deutsche Treuhand-Verfahren), für einen Bruchteil des Ursprungswertes Blech zu kaufen, was sich wunderbarerweise als Gold herausstellt. Deshalb der weise Rat: Überzeugungen sollten sich nie aus Glauben nähren – auch nicht, wenn wir es Schwarz auf Weiß vor uns sehen oder als Kanzelwort/Hirtenbrief mit einem „Amen“ endend, aufs Gemüt gedrückt wird!
Andreas Weng

„Einsames Land“, ein betroffen machender Beitrag voller Larmoyanz und Geschichtsklitterung eines Verfassers, der genauso wie der Botschafter Israels in Deutschland der Auffassung ist, uns das Leid Israels allein anhand aktueller Verbrechen der Hamas als unser neuestes Verantwortungs-Vermächtnis oktroyieren zu können. Sich ärmliche Geschichtsklitterungen, auch in Zusammenhang mit dem Zionismus, welcher sehr wohl auch den Aspekt der Vertreibung aller Palästinenser zwischen Mittelmeer und dem Jordan beinhaltet, zu bedienen, nein anzumaßen, erschreckt (mich) in seinen realen Konsequenzen. Tatsache ist, dass Israel durch seine migrationsbedingte Heterogenität innen- aber auch außenpolitisch und wirtschaftlich bedroht, mit dieser Denkweise ohne den geringsten Hauch einer Selbstkritik eigenverantwortlich dabei ist, seine Demokratie und damit Existenz zu eliminieren.
Es hat historisch nicht nur einmal die Möglichkeit gegeben, die einzige friedensstiftende Möglichkeit, den Zweistaatengedanken, vernünftig anzupacken. Aber solange die innere Wut, die so weit geht und ging, dass sogar politische, israelische Größen von eigenen Landsleuten – „als Verräter gegen den Zionismus“ – ermordet oder zumindest bekämpft werden und wurden, nicht weicht, wird Israel als „das Ewige Land im äußeren und inneren Krieg“ in die nachmenschlichen Annalen eingehen.
Albrecht Seidel

Ohne jeden Zweifel: jeder Mensch, jede Gruppe von Menschen, jeder Staat hat das Recht auf Selbstverteidigung! Gilt diese Feststellung dann auch für die vielen palästinensischen Kinder, Frauen, Männer, die gerade massiv mit Bomben und Raketen angegriffen werden, ohne dafür einen Anlass geboten zu haben? Und welche Konsequenzen ergeben sich? Glaubt wirklich jemand daran, dass in Gaza gerade die Zukunft Israels gesichert wird?
Reinhard Merschhaus

Der brutale Überfall der Hamas, die bestialischen Ermordung israelischer Zivilisten, Männer, Frauen, Kinder und die Verschleppung von mehr als 240 Menschen, der Terrorismus der Hamas ist durch nichts zu rechtfertigen. Das hat der UN-Generalsekretär Guterres in seiner Stellungnahme vor dem UN-Sicherheitsrat am 24. Oktober 2023 nochmal wieder deutlich betont und die bedingungslose Freilassung der Geiseln gefordert. Es ist keine Schuldumkehr, sondern eine völlig klare Tatsache, dass das Ganze nicht im luftleeren Raum stattfindet. Ich halte es für die Aufgabe eines UN-Generalsekretärs auch auf die viel zu vielen zivilen Opfer der nun schon fast einen Monat andauernden israelischen Luftangriffe auf den Gazastreifen hinzuweisen. Die Bevölkerung dieses dicht besiedelten Landstrichs leidet durch die Unterbrechung der notwendigen Versorgung mit Strom, Wasser, Lebensmitteln und Medikamenten. Die notwendigen Hilfsgüter kommen immer noch nur schleppend an. Die Verstöße – beider Seiten – gegen das Völkerrecht sind zu untersuchen und zu verurteilen.
Es ist keine Schuldumkehr, wenn man sagt, dass viel zu lange zugeguckt wurde, wie durch die illegale Ausdehnung von Siedlungen im Westjordanland eine Zwei-Staaten-Lösung immer mehr hintertrieben wird. Die Sicherheit, das Existenzrecht Israels wird durch die jetzige Art der Selbstverteidigung nicht gestärkt. Es wird durch tausende Opfer nur weitere Feindschaft entstehen, die vermutlich wieder in Gewalt und Terror gegen Israelis münden wird. Es ist keine Schuldumkehr, wenn man sagt, dass die internationale Gemeinschaft daran arbeiten muss, dass es für Israelis und Palästinenser ein gerechtes und sicheres Leben zwischen Mittelmeer und Jordan gibt. Viele bei uns stellen sich auf eine Seite des seit 75 Jahren, eigentlich mehr als 100 Jahre, dauernden Konflikts. Es gibt nur Pro-Israel oder Pro-Palästina. Wir müssen aber dafür eintreten, dass Menschenwürde ohne Unterschied gilt und nicht die bestialische Ermordung durch die Hamas als „Befreiungskampf“ verherrlicht wird.
Die Stellungnahmen von israelisch-palästinensischen Friedensgruppen, die weiterhin für ein Miteinander eintreten, machen mir Hoffnung. Zum Beispiel heißt es in der Stellungnahme von Combatants for Peace vom 9. Oktober am Schluss: „Die Stimmen, die nach Rache und weiterer Gewalt rufen, sind lauter denn je. Aber Combatants for Peace wird nicht aufhören, aufzurufen und zu zeigen, dass es einen anderen Weg gibt – unsere Bewegung weiß das, weil sie es täglich verkörpert und vorlebt.“
Bärbel Ludewig

Jan Ross’ Artikel zeigt vorbildlich wie sich der Westen von einer Vermittlerrolle im Nahostkonflikt, so er sie jemals hatte, verabschiedet hat. Ja, die Hamas hat einen furchtbaren und unentschuldbaren Terrorakt begangen. Aber die Hamas sind nicht das biblische Böse und vom Himmel oder der Hölle gefallen, sondern das Ergebnis der israelischen Politik seit Anbeginn und fand seinen Höhepunkt in der Apartheidpolitik einer Regierung, die eher zu einem Gottesstaat, als zu einem demokratischen Land passt. Wer nun so etwas schreibt, ist, wie der UN-Generalsekretär, automatisch Antisemit. Somit ist also der größte Teil der Welt entweder dumm oder antisemitisch. Es ist diese Arroganz, die mich schier fassungslos macht, wenn ich so einen Artikel wie den von Jan Ross lese. Und wenn er dann noch schreibt, dass sich die westliche Minderheit der Mehrheitsmeinung nicht anpassen müsse, weil wir ja schließlich Geld und Macht haben, dann zeigt dies exemplarisch, warum die Leute weltweit rasend auf diesen neuen westlichen Chauvinismus reagieren. Angesichts des Leids und der tausenden toten Kinder im Gazastreifen kann man auf so einen Artikel nur mit Abscheu reagieren. Aber selbst jenseits einer moralischen Bewertung stelle ich Herrn Ross die Frage: Was glauben Sie, wird das Ergebnis der aktuellen Politik der israelischen Regierung sein? Friedhofsruhe – und dann?
Achim Hauck

Es ist schrecklich, mitzuerleben, wie Kriege in diesem Jahrhundert überhandnehmen und Lösungen immer schwieriger erscheinen. Im Nahostkonflikt ist ganz klar die Hamas verantwortlich, sowohl für die brutalen Terrorakte auf der israelischen Seite als auch für die Toten und die Zerstörung im eigenen Gebiet. Ich würde niemals von Israels Schuld sprechen, aber Verantwortung tragen beide Kriegsparteien. Kein Mensch ist weniger wert als ein anderer. Jan Ross, es kann und darf NIEMALS falsch sein, einen Waffenstillstand zu fordern. Das Recht und die Pflicht Israels ist die Selbstverteidigung, die Weltgemeinschaft muss sich aber – immer! – für den Frieden einsetzen. Das sind wir Mahatma Gandhi schuldig.
Barbara Epple

Wer sich freiheitlich- demokratisch und rechtsstaatlich, wer sich Menschenrechten unterschiedslos und universell, für alle geltend versteht und das nie zu betonen vergisst, der muss diesen Ansprüchen auch selbst gerecht werden und in genau diesem Sinne seine Bevölkerung objektiv, wahrheitsgemäß, allseitig informieren, meinungsbildend wirksam sein. Das Thema Nahost beweist beeindruck-end wie erschreckend, wie weit Deutschland von den eignen Ansprüchen entfernt ist gegenüber großen Teilen der Welt, der Weltöffentlichkeit, vielen Staaten, Weltorganisationen und Völkern oder Völkergruppen, die ihre Meinung auf die Straßen tragen. Also Demokratie leben. Welche Demokratie aber lebt Deutschland, mal die Frage? Warum wird verschwiegen, wenn in USA Hunderttausende für das Lebensrecht der Palästinenser demonstrieren? Warum wird weitgehend verschwiegen, wenn UNO, Menschenrechtsorganisationen noch Menschenrechte im Blick haben und für alle Menschen nicht nur Israelis diese einfordern? Ist der Rest der Welt wieder einmal zu dumm die deutsche Politik zu verstehen, nicht deutsch genug?
Menschenrechte, kaum ein Land schreit den Begriff seit Jahrzehnten in alle Welt, ermahnt und belehrt die Welt wie Deutschland. Auch kaum ein anderes Land ist zugleich wieder einmal Weltspitze beim Menschenhass. Geht es noch zynischer, unter dem Deckmantel des Abtragens von Schuld gegenüber den Juden, zugleich den Hass und Hetze gegen andere Menschen und Bevölkerungen rund um die Uhr in die Hirne zu hämmern? So viele Völker bis in die USA, die Juden selbst in Israel, Staaten in aller Welt wissen, die HAMAS ist nicht das Volk Palästinas, der Islam sind nicht die islamistischen Terroristen. Der größte Teil der Welt will für Israel wie für Palästina ein Lebens- und Existenzrecht. Warum ist in Deutschlands offizieller Politik eine ganz andere Stimmungsmache im Gange? Wohin führen die Rattenfänger dieses deutsche Volk ein weiteres Mal und heute grün, gelb, rot und schön bunt, viel Feind viel Ehr dazu? Ganz praktisch gleich im Paket mit den unerwünschten Migranten, die auch nicht als Menschen mehr zu gelten haben.
Roland Winkler

Ich verurteile zutiefst den terroristischen Überfall. Aber ich vermisse und habe in der Vergangenheit vermisst das Verhalten und Ziel der israelischen Regierung anzuprangern. Meiner Meinung nach hat die Politik der israelischen Regierung das Ziel die Palästinenser aus den jetzigen Siedlungsgebieten zu vertreiben und einen palästinensischen Staat unmöglich zu machen. Außerdem meine ich, dass getöteten Israelis vielmehr Aufmerksamkeit gegeben wird als getöteten Palästinensern. Ich denke in den vergangenen Jahren ist die Zahl der getöteten Palästinenser sicher mehr als 10-mal so hoch wie die der Israelis. Dies wird nicht thematisiert.
Friedrich Clemens

Die Erschütterung und das Mitgefühl von Jan Ross und die Mahnung vom US-Außenminister an Israel, das Kriegsvölkerrecht einzuhalten, sichere Fluchtkorridore (wohin?) einzurichten und den Zugang für humanitäre Hilfe zu gewähren, nützen den gepeinigten palästinensischen Flüchtlingen gar nichts, wenn die Netanjahu-Regierung sich einen Teufel darum schert, wie viele unschuldige Zivilisten durch Bomben, Hunger, Durst oder fehlende Medikamente sterben. Ich kann mir nicht helfen, ich finde den Beitrag von Jan Ross angesichts der mehrere Tausend getöteten Kinder und der unbarmherzigen Rhetorik der Israelis unangemessen und zynisch. Ich muss nicht beteuern, dass ich den Überfall und das unvorstellbar brutale Massaker an unschuldigen Israelis durch die Hammas-Terroristen als feige, verbrecherisch und unmenschlich verurteile. Und es gibt dafür auch kein „aber“.
Sven Herfurth

Der oben genannte Artikel hat mir gar nicht gefallen einige Anmerkungen dazu: Der Westen hat ein Glaubwürdigkeitsproblem – er misst mit zweierlei Maß. Die Palästinenser werden seit 1948 von ihrem Land gewaltsam vertrieben. Man schaue sich nur den UN-Teilungsplan, und das, was davon übriggeblieben ist, an. Als Russland in die Ukraine einmarschierte: Bruch des Völkerrechts, Aufregung, Riesengeschrei, diplomatische Hektik Sanktionen gegen den Aggressor Waffenlieferung für den Angegriffenen Israel marschierte im Westjordanland ein: man stellte fest: völkerrechtswidrig, Schulterzucken, Tagesordnung Sanktionen gegen den Aggressor: NULL Waffenlieferung für den Angegriffenen: NULL Der Westen sieht dem Elend und dem Leiden der Palästinenser seit Jahrzehnten desinteressiert zu. Unsere jüdischen Mitbürger verdienen unsere volle Unterstützung. Sie können schließlich nichts dafür, dass in Israel Gestörte (Atombombe auf Gaza) an der Regierung sind.
Peter L. Decker

Ich hätte mir bei der Diskussion um die Abstimmung der UN-Resolution ein wirklich engagiertes Plädoyer jenseits jeglicher politischen Standpunkte für die Verurteilung des Hamas-Massakers gewünscht. Allein schon deswegen, weil unser Wertesystem als Spezies Mensch auf dem Spiel steht. Wenn für uns die bestialische Ermordung von Babys nicht universell verurteilungswürdig ist, weil es wie auch immer geartete „gute Gründe“ dafür gibt, disqualifizieren wir uns allesamt als Menschheit. In welchem dieser abstimmenden Länder wäre so eine Tat straffrei? Wer würde es billigen, wenn seine eigenen Kinder oder Enkel so grausam umgebracht würden, sofern nur der Grund dafür „gerechtfertigt“ wäre? Wenn wir solche Taten nicht mehr kollektiv als unmenschlich, sondern als menschlich (d.h. erlaubt) ansehen, möchte ich persönlich nicht mehr dieser Spezies angehören.
Maren Scholz

Unter dem Titel „Einsames Land“ (DIE ZEIT vom 2. November 2023) lehnt der Autor die Forderung nach einem Waffenstillstand mit dem Argument ab, er mache Israel wehrlos. Diese Forderung bestreite dem Land das Selbstverteidigungsrecht. Israel jetzt auf eine Waffenruhe zu verpflichten, sei kein Triumph der Humanität, sondern ein Unrecht gegen das Land und seine Menschen. Meine Frage an den Autor: wieso würde ein Waffenstillstand Israel wehrlos machen? Die israelische Regierung und das gesamte Land haben die bedingungslose Unterstützung der stärksten Militärmacht der Welt. Und der amerikanische selbst hat bei seinem letzten Besuch in Tel Aviv eine humanitäre Waffenruhe gefordert. Nach der Ansicht des Autors gibt es gemäß dieser Argumentation nur das Unrecht gegenüber Israel. Gibt es nicht auch ein Unrecht gegenüber den Bewohnern von Gaza? Hier wird meines Erachtens mit zweierlei Maß gemessen, das Leben palästinensischer Zivilisten ist anscheinend weniger wert als das israelischer Bürger.
Dass Hamas das Völkerrecht tausendfach gebrochen hat, darf nicht die Augen davor verschließen, dass Israel seinen berechtigten Kampf gegen die skrupellosen Terroristen ohne Unterscheidung zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten jenseits aller Normen des humanitären – und des Kriegsvölkerrechts führt. Das Selbstverteidigungsrecht wird hiervon nicht berührt. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass Israel nicht nur einen Vernichtungskrieg gegen Hamas führt, sondern gegen die gesamte Bevölkerung von Gaza. Die flächendeckende Zerstörung von Gaza City, die Abriegelung des Imports von Lebensmitteln, Energie und den notwendigsten medizinischen Gütern – von unzureichenden Lieferungen abgesehen – wie auch die Bombardierung der südlichen Teile des Gazastreifens legen diese Bewertung nahe. Es gibt keinen Grund, weshalb nicht beide kriegführenden Parteien für diese Verletzung verantwortlich gemacht werden müssen. Nur ein Waffenstilstand könnte den Teufelskreis der Gewalt beenden und eine weitere Eskalation vermeiden.
Martin Schneller

Seit dem Terror der Hamas verbietet ein unseliger Mechanismus die öffentlichen Diskussionen um den völkerrechtswidrigen Siedlungsbau. Dieser legitimiert in keiner Weise den Terror, doch gerade weil Unrecht nicht gegen Unrecht aufgewogen werden darf, muss er weiterhin Thema bleiben. Die Palästinenser, welcher unter der Landnahme der Siedler leiden, sind ebenso wenig verantwortlich für den Hamas-Terror wie es die ermordeten Israelis für ebendiese Landnahme waren. Wenn Deutschland schwerbewaffnete Bundeswehrsoldaten aussenden würde, um illegale deutsche Siedlungen in einem Nachbarland zu schützen, wäre das jedenfalls ein Thema in der internationalen Presse.
Christian Voll

Was Jan Ross uns da auftischt, ist nur mehr ärgerlich in seiner brutalen Einseitigkeit. Anstatt die unglaubliche These aufzustellen, die Forderung nach einem Waffenstillstand sei „ein Unrecht gegen das Land und seine Menschen“, wobei er natürlich Israel meint, sollte er sich fragen, ob mit dem Staat Israel vielleicht etwas nicht stimmt, wenn – um dessen Sicherheit „wiederherzustellen“ – es notwendig ist, über 10.000 meist Zivilisten, davon 2/3 Frauen und Kinder, zu töten, 25.000 Menschen schwer zu verletzen und 1,5 Millionen Menschen, ebenfalls Zivilisten, aus ihren Häusern zu vertreiben und diese zu zerstören. Ross behauptet auch noch, dass die Forderung nach einem Waffenstillstand darauf abziele, „Israel wehrlos zu machen“. Einen Staat mit der fünfgrößten Armee der Welt, die mit den modernsten Waffensystemen, einer starken Luftwaffe, tausenden moderner Panzer und High-Tech Waffen jeglicher Art ausgerüstet ist. Wehrlos! Sorry, Herr Ross. Mit diesem Artikel haben Sie sich und leider auch die ZEIT bis auf die Knochen blamiert!
Björn Luley

Die Abwägung, was schrecklicher ist, der 7. Oktober oder 75 Jahre Terror gegen die palästinensische   Bevölkerung? – Das bringt die Menschen in diesem Dilemma nicht weiter. Die Ursache ist die Staatsgründung des israelischen Staates auf dem Territorium Palästinas. Das war ein Fehler der Vereinten Nationen, um nicht zu sagen ein Verbrechen. Von Anfang an hatte die Terrortruppe des Staatsgründers David Gurion das Ziel, die Urbevölkerung auszulöschen. In dem Buch des israelischen Historikers Ilan Pappe „Die ethnische Säuberung Palästinas“ kann man nachlesen, was seit 75 Jahren israelische Staatsdoktrin ist. Marcel Pott, Deutschlandfunk: „Wer den Kernkonflikt im Nahen Osten besser verstehen will, sollte das mit viel Herzblut geschriebene Buch von Ilan Pappe lesen. Die ethnische Säuberung Palästinas gehört zu jenen dunklen Kapiteln des 20. Jahrhunderts, die von interessierter Seite gerne verdrängt werden.
Pappe geht es expliziert darum, die Mechanismen der ethnischen Säuberung von 1948 zu untersuchen. Doch er will auch das kognitive System ergründen, das es der Welt und den Tätern ermöglichte, die von der zionistischen Bewegung 1948 begangenen Verbrechen zu vergessen oder zu leugnen. Ende des Zitats. „Jede Nacht ein Dorf“ und „Treibt sie ins Meer“, das sind zwei der Aufforderungen David Ben Gurions. Bis auf wenige Ausnahmen, berichten unsere Medien kaum darüber. Die Frankfurter Rundschau vom 22. Februar 2022: „Gezielte Provokation – Siedler-Aktivist löst Gewalt in Ost-Jerusalem aus“. Die israelische Regierung unterstützt diese Taten. Das Militär schützt nicht die Opfer, sondern die Täter. In ohnmächtiger Wut kommt es zu Reaktionen, meist jugendliche Palästinenser werfen Steine, israelisches Militär erschießt die „Täter“, mit Bulldozern zerstören die Israelis die Häuser der Familien der „Terroristen“. Der Konflikt eskaliert und liefert den Vorwand für die gewünschten militärischen Angriffen.
In Gaza finanzierte die EU-Infrastruktur wie Schulen, Krankenhäuser, Wasserversorgung, Klärwerke. Die USA finanzieren mit jährlich mehreren Milliarden Dollar die Waffen, mit denen Israel diese Infrastruktur zerstört. Die Küste vor Gaza wird zur Kloake, aber weiter als 3 Mailen lässt Israel den Palästinensern den Fischfang nicht zu. Das gehört auch zu den vielen Maßnahmen, die alle ein Ziel haben: Die Endlösung der Palästinenser-Frage. Das darf aber so nicht genannt werden. Wo bleibt der internationale Gerichtshof für Menschenrechte? Allein die fast täglich im Fernsehen genannten Kriegsziele der israelischen Regierung erfüllen den Tatbestand der Kriegsverbrechen. Täglich 15 bis 20 LKWs mit Versorgungsgüter für 2,2 Millionen Menschen im Gazastreifen, das ist weniger als 1 LKW für 100.000 Menschen, die Israel durchlässt, das belegt, dass es sich bei diesem Krieg gegen die Hamas um einen Völkermord, um die Vernichtung der Menschen im Gazastreifen handelt und nicht um Kollateralschäden.
Dass es einmal zu so einer Reaktion auf das zuvor Geschilderte kommen würde, war zu erwarten, wenn auch Israel wegen seiner militärischen Überlegenheit geglaubt haben könnte, dass mit ihrem Abschreckungs-Potential verhindern zu können. Der UN-Generalsekretär Antonio Guterres, der wie die übrigen, zumindest westlichen Politiker, den grausamen Anschlag auf die israelische Zivilbevölkerung verurteilte, so hatte er doch auf die zuvor geschilderten Ursachen hingewiesen. Was aber wegen der herrschenden Schockstimmung nicht zur Nachdenklichkeit, sondern weitgehend auf Unverständnis führte. Trotzdem ist die Rücktrittsforderung an den UN-Generalsekretär durch den israelischen UN-Botschafter unangemessen, um nicht zu sagen unverschämt.
Herbert Messer

Deutschland ist dabei, einen großen Fehler zu begehen Wenn wir jetzt nicht entschieden für einen humanitären Waffenstillstand und die Einhaltung von Völkerrecht und Menschenrechten eintreten, erweisen wir den Menschen in Israel einen großen Bärendienst und machen uns an unverhältnismäßiger Gewalt gegen unschuldige Palästinenser:innen in Gaza mitschuldig. Als nachfolgende Generationen der Täter:innen des Holocausts, die für die systematische Ermordung von sechs Millionen europäischer Juden und Jüdinnen verantwortlich sind, haben wir die Pflicht, uns Menschenrechtsverletzungen jeder Art entschieden entgegenzusetzen. Die Worte der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer sollten nie in Vergessenheit geraten: „Es gibt kein christliches, muslimisches oder jüdisches Blut. Wir haben alle dasselbe. Wir sind alle dasselbe. Und wir müssen uns wie Menschen benehmen. […] Was war, können wir nicht ändern. Aber wenn man nicht vorsichtig ist, nicht menschlich ist, dann kann so etwas wieder passieren. Und dann seid ihr dran, das zu verhindern.“
Die Terrororganisation Hamas trat Menschenrechte mit Füßen, als sie Menschen in Israel am 7. Oktober auf abscheulichste Art massakrierte, vergewaltigte und demütigte. Es ist nicht vorstellbar, welches Trauma dies bei Juden und Jüdinnen weltweit auslöste und immer noch auslöst. Diese abscheuliche Gewalt ist durch nichts zu rechtfertigen. Die Hamas feuert weiterhin unzählige Raketen nach Israel und hält mehr als 200 unschuldige Menschen in Geiselhaft. Zudem missbraucht sie die eigene Bevölkerung als zivile Schutzschilder – ein eindeutiges Kriegsverbrechen. Selbstverständlich hat Israel das Recht auf Selbstverteidigung.
Es häufen sich allerdings die Indizien, die nahelegen, dass auch von israelischer Seite Kriegsverbrechen begangen werden, dass der Schutz der Zivilbevölkerung nicht ausreichend berücksichtigt und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt wird. Hierzu gehören die Vorenthaltung von Wasser, Nahrungsmitten, Treibstoff und Strom, der Angriff auf ein Flüchtlingslager und Krankenwagen, der Tod Tausender Kinder und eine Rhetorik der Rache und Entmenschlichung von Palästinsenser:innen. Dieses militärische Vorgehen verursacht unvorstellbares Leid, das in Kauf genommen wird, um das Ziel der kompletten Zerstörung der Hamas zu erreichen. Dabei ist es ein Irrglaube, die Hamas könne militärisch besiegt werden. Sie kann vielleicht militärisch geschwächt und kurzfristig außer Gefecht gesetzt werden. Wirklich besiegt werden kann Terrorismus jedoch nur, wenn der Nährboden für den Konflikt nicht weiter fortbesteht. Übermäßige Gewalt hat nur übermäßige Gegengewalt zur Folge. Deshalb muss gerade auch mit Blick auf die Sicherheit Israels die Gewaltspirale jetzt unterbrochen werden.
Deutschland hält sich jedoch mit Kritik am Vorgehen des israelischen Militärs stark zurück und unterstützt Israel aus falsch verstandener Staatsräson nahezu bedingungslos. Deutschland ist dabei, durch diese falsche Zurückhaltung einen großen Fehler zu begehen. Wenn wir jetzt nicht als Gesellschaft laut und stark die Stimme erheben, machen wir uns an der unverhältnismäßigen Tötung von unschuldigen Menschen im Gazastreifen mitschuldig und erweisen den Menschen in Israel einen Bärendienst. Wir dürfen nicht länger unsere Augen verschließen vor den Tausenden getöteten unschuldigen Palästinenser:innen in Gaza, die von der israelischen Regierung als akzeptables Ausmaß an „casualties“ im Rahmen ihrer Selbstverteidigung angesehen werden. Der schreckliche Angriff der Hamas auf Israel und der Missbrauch der eigenen Bevölkerung als zivile Schutzschilder können nicht als Rechtfertigung für die unverhältnismäßige Bombardierung des Gazastreifens dienen, die Tausenden unschuldigen Kindern und Erwachsenen das Leben kostet. Kriegsverbrechen der einen Seite rechtfertigen kein Kriegsverbrechen der anderen Seite.
Gerade als Deutsche sollten wir uns auf die Worte von Margot Friedländer besinnen und an die Menschlichkeit appellieren. Wir haben die Pflicht, unsere Stimme zu erheben, um Menschenrechtsverletzungen von allen Seiten scharf zu verurteilen. Wir haben die Pflicht, auch im Sinne der langfristigen Sicherheit von Juden und Jüdinnen in der Welt auf die klare Einhaltung des Völkerrechts zu pochen, eine humanitäre Waffenruhe zu erwirken und auf die Schaffung eines palästinensischen Staates im Rahmen der Zwei-Staaten-Lösung hinzuwirken. Wir müssen jetzt beweisen, dass wir gleichzeitig gegen Terror, gegen Antisemitismus, für die Sicherheit Israels, für die Sicherheit der Palästinenser:innen und für universelle Menschenrechte stehen.
Jasmin Schwarz


Leserbriefe zu „Genau sein Humor“ von Martin Machowecz im ZEIT Magazin

Was ist „rechts“, was „links“? Ich hab nach 10-12 Jahren, mal wieder einen „Spiegel“ gelesen. Eine grausige Erfahrung, wie sich linke Deutungsmacht an der Wirklichkeit verhebt. Und das olle Papier! Wenn man linke Leitmedien    zum Maßstab nimmt, wer ist dann kein Nazi? Was ist geschehen? „Links“ hat im Zeitgeist und in der Politik in dieser Zeit die Macht erobert.  Bis dahin konnte man als geschichtsloser Beobachter noch glauben, dass „Links“ und Toleranz konnotiert wären.  Das ist nicht der Fall. Sie halten sich für ein Geschenk Gottes an die Menschheit.  Dieter Nuhr hatte nun, wie alle, eine Entscheidung zu treffen. Hier das an die Macht gekommene Klischee von Erlöserglaube und da die so widerspenstige Wirklichkeit. Wem soll ich treu bleiben? Der Mensch kann viel aber als Erlöser und Weltenretter ist er eine Katastrophe. Und die Wirklichkeit hat noch alle Mächte vom Thron geschuppst. Sie kann so hart sein. Doch am Ende, wenn alle Tränen geweint sind, kommt immer ein befreiendes Lachen. Nuhr hat sich richtig entschieden.
Fred Klemm

Herr Nuhr ist nicht rechter als DIE ZEIT, denn seine Worte haben eine ähnliche bestätigende Wirkung auf sein Publikum wie die Texte, die Aufmachung und die Aktivitäten des Verlages DIE ZEIT. Sie beide halten ungebrochen die individualistische Freiheit hoch, so viel und so luxuriös zu konsumieren wie nur irgendwie möglich, ohne auch nur eine Spur Verantwortungsgefühl dabei für den Zustand der Welt haben zu müssen. Sie kritisieren fehlerhafte Entscheidungen der Politiker*innen, aber sprechen gleichzeitig Ihre Zuhörer*innen bzw. Leser*innen von jeglicher Eigenverantwortung bezüglich der politischen Entscheidungen frei: „Die da oben müssen es richten, aber schaut mal, wie blöd die sind, wir können da gar nichts machen, von denen müssen wir uns gar nichts vorschreiben lassen!“ So die unterschwelligen Botschaften, die sich leider auch oft in den Texten von Herrn Nuhr und DIE ZEIT finden. Obwohl Sie beide schon längst wissen, dass gerade unsere Konsumentscheidungen und unsere damit einhergehenden weltanschaulichen Denkmuster maßgeblich daran schuld sind, dass politische Entscheidungen so fehlerhaft ausfallen. Denn die von Ihnen getriebenen Politiker*innen wollen ja den Bürger*innen bloß nicht ihre Konsumentscheidungen madig machen.
Die ZEIT erwähnt immerhin in manchen Artikeln, dass unser Konsum das Klima aufheizt und darum immer mehr Menschen zu uns flüchten. Aber Sie beide ähneln sich in Ihrer künstlerischen bzw. verlegerischen Gesamtaussage: „Eigenverantwortung und persönlicher Verzicht sind überflüssig – viel und luxuriöses Konsumieren ist voll o.k.!“ Machen Sie beide das, weil Ihre Klientel und Sie selbst gerne lange Luxus-Urlaube machen, zum Zweithaus fliegen oder SUV fahren? Wollen Sie mit diesem Mantra Ihr eigenes schlechtes Gewissen betäuben oder nur einfach viel Geld verdienen, weil solche überspitzt falschen Aussagen bei Ihrer beider Publikum wie Öl runter gehen? Subtile Texte der ZEIT bewerben klimaschädliche Luxusreisen, ihre Anzeigen und Verlagsangebote verlocken zu klimaschädlichen Luxus oder gar Kreuzfahrtreisen mit der QM2. Herr Nuhr lässt dagegen nicht nach, zu betonen, dass wir in Deutschland die Klimakatastrophe nicht abwenden können, weil Deutschland ja gegenwärtig nur 2% des CO2 ausstößt. Ihnen beiden gemein ist doch letztendlich derselbe Appell: „Lasst euch bloß nicht weismachen, dass Ihr euch fürs Klima einschränken müsst!“ Damit verleugnen Sie die historische Verantwortung und Vorbildrolle, die gerade Deutschland als eines der führenden Industrieländer auf der Welt zukommt. Somit sind Sie beide genau da angekommen, womit auch die AFD versucht, die meisten Wähler*innen zu gewinnen: „Lasst euch NICHTS paternalistisch vorschreiben, erst wir und unser Konsum, die in den südlichen Ländern müssen sich schon selbst retten!“
Herr Nuhr behauptet, er mache sich nicht über Personen lustig, sondern nur über doppelte Maßstäbe, kommt aber nicht auf die Idee, dass gerade Ricarda Lang als Betroffene besonders glaubwürdig ein Verbot von Werbung für Süßigkeiten in Kinderprogramme fordern kann, weil Sie vielleicht selbst unter Ihrem Übergewicht leidet? Haben Sie diesen Zusammenhang nicht erkannt? Was ist dann für Sie das Verbot von Tabakwerbung, Blei im Benzin oder die Anschnallpflicht für Kinder, auch paternalistisch? Schauen Sie regelmäßig Kindersendungen und fürchten Sie, zu kurz zu kommen, wenn da keine Werbung für Süßigkeiten mehr läuft? Es geht Ihnen nicht um doppelte Maßstäbe und auch nicht um die Sache: „Kinder und Gesellschaft vor mehr Leid durch Übergewicht und dessen kostspieligen und oft tödlichen Folgen zu schützen“, sondern nur um das Diskreditieren und lächerlich machen einer Politikerin wegen ihres Aussehens, die versucht sich für den Schutz der Kinder einzusetzen. Sie haben jemandem, der selbst Opfer ist, vorgeführt und einen von Kinderärzten empfohlenen Schritt sabotiert. Sie wollen Dank der ärztlich empfohlenen Corona-Impfung komfortabel weiterleben – aber von einer ähnlichen gesundheitsfördernden ärztlichen Empfehlung dürfen unsere Kinder nicht profitieren? Mit einer ähnlichen kinderfeindlichen Doppelmoral geht auch die ZEIT vor. Es ist keine neutrale und sachliche Berichterstattung, wenn DIE ZEIT einerseits mit Aufmachern über die Klimakatastrophe ihre Auflage pusht aber gleichzeitig Werbung für klimaschädliche Luxus-SUVs, -Mode, -Möbel, -Uhren und -Reisen macht, oder dafür Sonderhefte druckt oder klimaschädlichste Luxusreisen als Verlagsangebote anbietet. Auch hier ist die klar die Doppelmoral zu sehen: „Die Klimakatastrophe ist für unsere Kinder, solange es nicht verboten ist, tun wir alles, um diese voranzutreiben, also fahren sie mit uns zu den letzten Naturschönheiten, solange es die noch gibt!“
Ich glaube Ihnen beiden Ihre ehrlichen und moralisch verantwortungsvollen Absichten, sonst würde keiner von Ihnen das machen, was Sie machen. Aber ist es nicht Zeit, sich bei Ricarda Lang zu entschuldigen und mit ihr zusammen für den Schutz unserer Kinder einzustehen, genauso wie es ZEIT ist, sich für ein Verbot von klimaschädlicher Werbung einzusetzen? Denn diese ist genauso schlecht für die gesunde Zukunft unserer Kinder wie die Werbung für Süßigkeiten im Kinderprogramm oder die Werbung für Tabakprodukte! Niemand findet das paternalistisch! Gerade wenn zwei moralische Schwergewichte wie Dieter Nuhr und DIE ZEIT das zusammen vorschlagen, führt das sicherlich zu vielen erfreulichen Meinungsäußerungen. Finden Sie nicht?
Klaus Siersch

Vielen Dank für den interessanten Artikel. Nach der Lektüre stellt sich allerdings die Frage, was ist da schiefgelaufen? Herr Nuhr gehört zu den Boomern (nach Zeit-Magazin von vor einigen Wochen, die letzte (!) Generation, die noch wissenschaftlich begründet denkt und entsprechend handelt), sein Vater Beamter, einige Lehrer Nazis. Kommt mir bekannt vor. Aber diese Menschen haben mich ausreden lassen, sie haben mein „Mich-Absetzen“ ausgehalten, mich gelassen. Ich durfte sagen, was ich wollte, die Argumente sollten aber begründet sein und die Form war zu wahren. Ich lernte Anspruch und Wirklichkeit zu unterscheiden und ggfs. zu kritisieren, d.h. letztlich, ändere deinen Soll-Wert (Anspruch), den Ist-Wert (Realität) oder beides. Was ist also in der Zwischenzeit „schief“ gelaufen? Liegt es daran, dass der US-amerikanische Einfluss, was Freiheit, Demokratie etc. (in anderen Bereichen ist er erheblich) betrifft, seit 1990 abgenommen hat?
Und/oder ist es, psychologisch betrachtet, eine „Durchreiche“, womit ich meine, dass die Elterngeneration mit Wertesystem A (Kollektiv, Volksgemeinschaft, nicht auffallen etc.) Nachkommen bekommt, die reagieren mit Wertesystem A-Minus (Individualität, Absetzen etc.), deren Kinder erneut reagieren und wieder zu A kommen? Wie dem auch sei, wir haben es mit einer Gesellschaft zu tun, die Widersprüche, Dilemma etc. schlecht aushält. Also kann „man“ mit linken Konservativen oder konservativen Linken nicht wirklich umgehen (s. z. B. Philip Rosenthal, ein Industrieller in der SPD). Leider hat „der“ Deutsche diese Oberlehrertendenz, die Tendenz zum Absoluten, Dogmatischen, wenn nicht Diktatorischen. Das nicht sein kann, was nicht sein darf. Womit auch ein (!) Weltbild bzw. eine Weltanschauung einhergeht, wozu auch die Aussagen des Artikels „Bin ich nicht queer genug?“ des Zeitmagazins vom 26.10.23 (ab S. 62) passen, aus welchen deutlich hervorgeht, dass man es mit Bewegungen zu tun hat, was wir schon mal hatten und was nicht ungefährlich ist. Wie heißt es so „schön“, der Italiener schaut sich die Welt an, der Deutsche bildet sich eine Weltanschauung. Möge Herr Nuhr uns weiter mit den italienischen Momenten im Leben versorgen.
Gerd-Rüdiger Erdmann

Wenn ein Kabarettist heute in die Rolle des kritischen Kritikers geht, entsteht leicht folgendes Dilemma (jedenfalls wenn dieser wie Dieter Nuhr eine große Reichweite hat): Kritisiert der Kabarettist eine Kritik, die sich vor allem im erhebenden Einschluss Gleichgesinnter bei gleichzeitig ausschließender Abgrenzung von Andersdenkenden erschöpft, ergeben sich heftige Reaktionen. Die durch diese kritische Kritik entlarvten Kritiker reagieren wütend, während diejenigen, von denen sich die Kritik wohlfeil abgrenzen möchte, sich unberechtigterweise bestätigt fühlen und euphorisch klatschen. Die Häme von der einen Seite trifft den kritischen Kritiker genauso wie der Beifall von der falschen Seite. Ganz schwierig wird es, wenn im Anschluss andere Kabarettisten im Gewand eines kritischen Kritikers auftreten (wie Jan Böhmermann), um jenen Kabarettisten (hier: Dieter Nuhr) als kritischen Kritiker-Kabarettisten aufs Korn nehmen. Hier ergibt sich dann das Phänomen des falschen Beifalls von der vermeintlich richtigen Seite. Wo soll das enden? Wir leben in einer Welt, in der wir zum Erfolg verpflichtet sind und alles richtig machen wollen – und genau darin scheitern. Um die Illusion aufrechtzuerhalten, dass es möglich ist, alles richtig zu machen, werden diejenigen benötigt, die vermeintlich alles falsch machen. Wo die meisten Kabarettisten in die Rolle der Wissenden gehen, bedienen sie dieses System auf je eigene Weise. Es wird nur noch über die anderen gelacht, nicht mehr über sich selbst und das eigene Scheitern. Es fehlt der Kabarettist, der stellvertretend scheitert, und so dem Publikum die Gelegenheit bietet, über sich selbst zu lachen.
Reinhard Koine

Gehört es zur Berufspflicht eines Kabarettisten, links zu sein? Soll er nicht vielmehr die aktuelle Politik – und die ist nun mal rot/grün – sezieren und ihre Phrasen auf ihre Hohlheit abklopfen, die Ungereimtheiten und Absurditäten des Zeitgeists bloßstellen und die nicht zu Ende gedachte Gegenwartsmoral aufs Korn nehmen, mit scharfem Verstand, Ironie, Sarkasmus und natürlich Humor? Dieter Nuhr ist kein schriller Schreier wie Appelt oder Böhmermann, er liebt die leiseren Töne; dafür hört man ihm genauer zu! Er ist liberal, denn er lädt immer wieder andere und neue Berufskollegen ein. Auch sein grüner Konkurrent Mittermeier trat m. W. schon bei „Nuhr im Ersten“ auf. Natürlich sieht ein Rot-Grün-Blinder unser Land schwarz-blau; ein Farbtüchtiger dagegen entdeckt die dunklen Flecken auf den roten und grünen Westen, vergrößert sie und macht sie so fürs Publikum sichtbar!
Ulrich Pietsch

Nein, ganz weit rechts oder Faschist ist er bestimmt nicht! Aber selbstgefällig, polemisch und oft schwer erträglich schon. Wer Aussagen bewusst missversteht und Tatsachen verdreht, um mit stammtischmäßiger „Daswirdmandochwohlnochsagendürfen“- Haltung Stimmung zu machen, der muss schon ein bisschen Gegenwind aushalten. Wollte ich mal gesagt haben, nur so.
Michael Waldmann

Ganz ohne Frage ist Dieter Nuhr rechts. Auch wenn er darauf achtet, dass die Hose zu – und der Weißwein nach der Show köstlich ist, seine Witze sind häufig billig. Wer sich über die offensichtlich krankhaft adipöse Ricarda Lang lustig macht und ihr das Recht abspricht, gegen Werbung für Zucker zu sein, oder über evtl. schwangere von der „last generation“ hat nicht viel zu bieten. Wer meint, bei den Grünen Mitglied sein zu können ohne Beiträge zu bezahlen ist ein Schwätzer und kein Gründungsmitglied.  Seine Stoßrichtung ist Richtung links, da muss man von rechts sticheln.
Karl Boscher

Ihr Eintreten für die freie Rede und den offenen Austausch zwischen den Menschen sind wichtig und das findet meine volle Zustimmung. Sie dürfen meinen: Deutschland ist im Niedergang, wir sterben alle an Corona, alle anderen – außer Sie selbst – sind unfähig und Idioten. Ist das Individualismus? Nein, es handelt sich bei dieser Haltung um eine kollektive, weit verbreitete Einstellung in der Bevölkerung. Eine Welle, die ein Kabarettist reiten kann. Was die Menschen benötigen – meine ich –, ist eher der Blick auf die Leistung und das Bemühen anderer. Ich bin froh, von Politikern regiert zu werden, die ganz überwiegend integer sind und sich für Lösungen einsetzen, die vielfältige Interessen berücksichtigen. Dass es tiefgreifende Herausforderungen, Schwierigkeiten und einen grundlegenden Wandel gibt, lässt sich nicht so einfach, wie gerne verlangt, in Wohlgefallen auflösen. Dass allerorts große Ängste existieren, die Menschen Veränderungen fordern, sich aber nicht selbst verändern wollen, vor solch einer Situation stehen wir. Warum nicht auf uns schauen und unsere Grenzen erkennen, als auf andere zu schimpfen. Selbstkritik als Inhalt von Kabarett. Welches Können wird hier verlangt!
Michael W. Geisler

Natürlich ist Dieter Nuhr kein Rechter. Er bedient regelmäßig den Gemütszustand des dauerbesorgten bürgerlichen Mainstreams rechts der Mitte. Obgleich er die AfD hart attackiert, nährt er dennoch mit seinen stets unschuldig vorgetragenen giftigen Attacken die Unzufriedenheit vieler mit der aktuellen Verfasstheit der Republik und treibt der AfD verunsicherte bürgerliche Protestwähler zu. Dieter Nuhrs Programm verschreibt sich dem Widersprüchlichen – doch eigene Widersprüche blendet er aus, wenn sie nicht in sein kabarettistisches Korsett passen. Er will sich über Jahrzehnte nicht verändert haben – macht sich aber lustig über sein früheres Aussehen und „linksgrünes“ Engagement. Er übernimmt das neurechte Narrativ von der „Cancel Culture“, spricht gar von einer „Vernichtung von Existenzen“, obwohl die ARD ihm und seinen „Gags“ maximale Reichweite garantiert, seine Tourneen ausverkauft sind und er sich im konservativ-liberalen Feuilleton großer Sympathien sicher sein kann.
Rüdiger Paul 

Danke für diese rundum vergnügliche Lektüre. Leicht, locker, lustig. Made my day.
K.-H. Lindenlaub

Ein brillanter Essay über einen brillanten Dieter Nuhr. No cancel culture!
Rudolf Widmann

Leider muss ich sagen, dass ich Dieter Nuhr sehr gut verstehe. Seine politische Auffassung ist nicht von einer Richtung bzw. einer Ideologie geprägt, sondern schlicht und ergreifend von Verstand. Er ist wertekonservativ, weil das wichtig für Erziehung, Anstand und Benehmen ist. Er ist ökologisch geprägt, weil das wichtig für den Schutz der Umwelt ist. Er ist liberal, weil Menschen Freiheiten haben sollten, ihr Leben selber zu gestalten. Und ich bin sicher, er ist auch sozial und würde sich für mehr Anerkennung und Gehalt bei der unteren Mittelschicht einsetzen oder für bessere Bildung unserer Kinder, wenn er dazu gefragt würde, was in Ihrem Artikel aber nicht Thema war. Im Prinzip ist Dieter Nuhr der unabhängige, geistig reife Bürger, den unser Land zukünftig braucht, weil er Situationen nicht ideologisch bewertet, sondern unabhängig von einer politischen Überzeugung, wovon gut 85% der Wahlberechtigten weit entfernt sind. Als solchem fällt es Nuhr dann auch leicht sich über das bestehende politische Establishment zu amüsieren und es vorzuführen
Volker v. Moers

„Ich bin Individualist“ Dieter Nuhr und Harald Martenstein sind klassisch bürgerliche Liberale. Bürgerlich meint: Verantwortung übernehmen für sich selbst und nach eigenen Möglichkeiten für andere. Wenn sich Nuhr und Martenstein z. B. lustig machen über das Gendern, wenden sie sich gegen unbürgerliche Bevormundung, gegen den Versuch, autoritär, gegen 80% der Bevölkerung eine Sprachkultur durchzusetzen, die mehrheitlich auch von den angeblich geschützten abgelehnt wird. Es gehört weiterhin zur zeitgeistigen Sprachverwirrung, dass sich selbst Hardcore-Sozialisten und Neomarxisten gerne mit dem Epitheton „linksliberal“ schmücken. Linksliberal meint dann aber, alles zu bekämpfen, was nicht links, also logischerweise rechts sein muss. Freiheit zeigt sich so konsequent in einem Geflecht von Verboten gegen alles schädlich Rechte. Liberale, die sich für den Schutz freier individueller Lebensgestaltung einsetzen, werden dann zu gefährlichen Rechten und ins Extreme gewendet bei Böhmermann zu verkappten Faschisten und Nazis. Da allerdings hört der Spaß auf!
Joachim Schultz-Tornau

Danke für das Interview. Sehr sympathischer und intelligenter Mann. Nur die Frage, ob Dieter Nuhr rechts sei, bringt mich aus dem Häuschen. Wenn Dieter Nuhr rechts ist, was ist dann links? Die Partei, die sich diesen Namen usurpiert hat? Dann ist die AfD auch eine Alternative für Deutschland und zwei und zwei ergeben fortan fünf. Warum tut man sich nur so schwer mit jemandem, der sich einfach nur hinstellt und sagt „Der Kaiser ist ja nackt!“
Achim Hauck

Dieter Nuhr hat Ricarda Langs Körperfülle zum Anlass genommen, einen schäbigen und verletzenden Witz zu machen. Wer aber meint, moralisch auf hohem Ross sitzende linke Kabarettisten würden so etwas nicht tun – weit gefehlt! Ich erinnere mich noch gut an einen Witz von Volker Pispers, in dem er die seiner Meinung nach fehlende erotische Ausstrahlung von Angela Merkel aufs Korn nahm. Und das war weit unter der Gürtellinie, obszön und vulgär. Es ist wohl nicht die sympathischste Eigenschaft des Menschen, anders Denkende und anders Lebende herabzuwürdigen, um sich den Beifall der eigenen Gruppe zu sichern
Klaus Fröhlich

Hier muss ich einen Leserbrief schreiben, weil ich zur „schweigenden Mehrheit“ gehöre, u. a. auch die meist unschöne und angeblich „correct language“ leid bin und Dieter Nuhr sehr schätze. Er formuliert und spricht – ohne verletzend zu sein – das aus, was viele Menschen hierzulande bewegt. Klar in der Sprache und pointiert, jedermann versteht ihn: Menschen in und aus der Mitte, zumeist die wirklichen und staatstragenden Macher in diesem Lande, Steuerzahler! Und für das Aussprechen einfacher, erkennbarer Wahrheiten wird er von einer nach Dominanz strebenden „kleinen“ Gesellschaftsschicht angefeindet, ausgegrenzt. Er passt nicht in deren, unsere Gesellschaft spaltendes, „modernes“ Menschenbild! Ich hoffe Dieter Nuhr noch lange erleben und bewundern zu können. Es ist ein Genuss!
Hartmut Beitzel

Im ZEIT-MAGAZIN N° 46 wird folgender Programmausschnitt von Ihnen wiedergegeben: „Dass sich ausgerechnet Ricarda Lang traut, das Volk in Ernährungsfragen erzieherisch lenken zu wollen …“ Anschließend werde Sie zitiert: „Aber die Absurdität, dass jemand Vorschriften zur Ernährung machen möchte, der so offensichtlich selbst mit dem Thema Ernährung Schwierigkeiten hat, finde ich paternalistisch.“ Zum einen: Die Äußerlichkeit eines Menschen für einen Gag herabzuwürdigen, halte ich für respektlos! Zum anderen: Ich finde es äußerst fragwürdig und gefährlich, Inhalte daran festzumachen, wie die vermittelnde Person erscheint oder sich verhält.
Würden Sie denn Ernährungstipps von Christian Lindner weniger paternalistisch empfinden und freudig befolgen? Lassen Sie sich denn auch von Ihrem Zahnarzt erst einmal sein Gebiss zeigen, bevor Sie sich von ihm behandeln lassen oder Empfehlungen zur Mundhygiene annehmen? Überprüfen Sie die Haushalte Ihrer Handwerker, bevor diese bei Ihnen etwas reparieren dürfen? Ist der Klimawandel denn infrage zu stellen, weil Klimaforscher zu den Konferenzen u.U. mit dem Auto oder dem Flugzeug anreisen? Findet er evtl. gar nicht statt, weil Greta Thunberg Autistin ist. So wird zuweilen argumentiert – aber eher nicht sehr intelligent! Meinungen, Empfehlungen, Wissen, Können und Inhalte sind gut und richtig, falsch oder fragwürdig, bevormundend oder annehmbar – unabhängig von den Personen, die sie transportieren.
Eine kleine Beobachtung zum Schluss: Vor einigen Jahren sind Sie in Heilbronn in der Stadthalle aufgetreten und ich war Ihr Gast. Im Anschluss konnte man in der Eingangshalle Ihre Bücher kaufen und signieren lassen. Sie, Herr Nuhr wirkten weder gelöst noch wohlgelaunt, eher genervt, angespannt und müde. Das hieße in Ihrer Argumentation ja wohl: Von einem so übel gelaunten Kabarettisten lasse ich mich doch nicht bespaßen, dessen Komik ist doch äußerst fragwürdig.
Ortrud Mauk

Irgendwie scheint sich seit einiger Zeit im Interviewstil der ZEIT ein neuer Sound eingeschlichen zu haben, nämlich dann, wenn die Themen wokeness oder Meinungsfreiheit berührt werden. Zum ersten Mal ist es mir bei dem Interview mit Constantin Schreiber in der ZEIT 39/2023 aufgefallen. Dazu wurde damals schon der Brief eines Lesers veröffentlicht, der sinngemäß den Eindruck hatte, der Fragesteller hätte am liebsten selbst die Torte geworfen. Kurz darauf – DIE ZEIT 42/2023 – beim Gespräch mit dem Verleger Bernard Schweizer eine ähnlich voreingenommene Haltung. Und jetzt fragt sich Herr Machowecz beim Interview mit Dieter Nuhr: „Kann dieser Mann wirklich der Ansicht sein, die Meinungsfreiheit sei bedroht?“, als wäre so eine Frage völlig absurd. Kommt hier bei der ZEIT eine neue Art von Schere im Kopf zum Vorschein?
Thomas Schulte

Ich glaube nicht, dass Dieter Nuhr konservativ oder generell rechts ist, aber dass er, ebenso wie der andere liberale Individualist unter den Kabarettisten, Dieter Hallervorden, die Sprachpuristen vom „Verein Deutsche Sprache“ mit seiner Unterschrift unterstützt hat, laste ich beiden an. Ist das nuhr Naivität oder weiß er wirklich nicht, dass dieser Verein rechten Kulturkampf betreibt? Man kann das Gendern ja ruhig kritisch sehen, aber allmählich nerven die immer gleichen Witzchen in seinen Programmen dazu. Wenn einem nichts Neues mehr einfällt, einfach mal die Klappe halten! (Neulich hat er sogar eine ganz alte Nummer aus seinem schimmligen Keller geholt.)
Thomas Manthey

Nuhr im Ersten schauen wir uns ganz gerne und sehr regelmäßig an. Meine/Unsere Lieblingskabarettistin Lisa Eckhart aus Österreich tritt dort sehr regelmäßig auf und die nimmt sich wirklich kein Blatt vor dem Mund; live haben wir Lisa Eckhart bereits in der Ladeshalle in Erlangen schon erlebt! Dem Satz von Dieter Nuhr: „Wir haben es im Journalismus immer öfters mit Aktivisten zu tun als mit Journalisten“, den stimme ich voll und ganz mit bei. Hoffentlich gibt es weiterhin solche Kabarettisten wie Dieter Nuhr, Michael Mittermeier & Co, auch der Thorsten Sträter passt bestens in diese Reihe, der in seiner oft sehr blumenreichen Sprache, den Politikern und auch uns, den „Untergebenen“, sehr oft den Spiegel vor die Nase hält; ob es etwas nützt, das ist natürlich wieder ein ganz anderes Ding! Ich weiß nicht wie viele Menschen sich den „Nuhr im Ersten“ zu Gemüte führen, aber wir blieben ihm auf jeden Fall sehr treu!
Riggi Schwarz

Dass Dieter Nuhr etwas rechtslastig ist, kann man akzeptieren. Schlimmer ist, er ist einseitig und statt mit Florett (s. Finck) zu kämpfen, kämpft er mit Vorschlaghammer, um „Likes“ und volle Häuser zu bekommen. Ein sicheres Mittel ist gegen alles, was irgendwie problematisch ist, zu sein. Früher habe ich gern Nuhr gesehen, jetzt ödet er mich an, ich weiß im Voraus etwa was kommt. Er ist eine „Komödienleiche“, die man wegen der Einschaltquote mitschleppt. Es gibt so viele Komödianten (z.B. Brosetti, Mittermeier, …) die erheblich besser sind, aber wohl nicht eine so hohe Einschaltquote geben. Um die Komödiantenqualität zu erhöhen, schlage ich vor, jede Woche einen „Komödiantenspruch“ zu veröffentlichen!
Stein-Erik Greter


Leserbriefe zum Titelthema „Wahrheit oder Propaganda?“ – „Stimmt das eigentlich?“ von div. Autoren

In der richtigen Aussage von Lau über die Gefährdung des jüdischen als auch des demokratischen Charakters Israel lässt die Widersprüchlichkeit des Protestes von abertausenden Israelis deutlich werden. Die in großen Teilen der israelischen Gesellschaft schon seit Jahrzehnten bestehende Notwendigkeit einer Zweistaatenlösung hätte neben dem Widerstand gegen die korrupte Regierung Netanjahus ranggleich den Protest und eine längst fällige Einforderung als ein international wirkungsreiches Zeichen der israelischen Zivilgesellschaft begründet. Auch wenn es das terroristische Handeln wegen der iranischen Politik nicht verhindert hätte, die internationale Glaubwürdigkeit Israels stünde angesichts des Konflikts jetzt anders da.
Die Fragwürdigkeit dieses Verifizierungsversuches der ZEIT beschreibt Musharbash im ersten Kapitel über die Kriegslügen. Der Zweifel an der Richtigkeit von Zahlen kann lt. Kapitel von keiner staatlichen Institution wegen fehlender eigener Erhebungen widerlegt werden. Dabei räumt der Verfasser einem von zwei Kriegsbeteiligten, der israelische Armee, irritierend einen höheren Grad an Seriosität zu. Völlig sachlich aus dem Ruder läuft der Verfasser, wenn er ausgerechnet, und noch dazu amerikanischen Pressemedien eine Glaubwürdigkeit durch ominöse „Erfahrenswerte“ zuschreibt. Geradezu putzig wird diese Zuschreibung, wenn sich angeblich beide Pressemedien ausgerechnet auf diejenigen beziehen, denen, im Kapitel zuvor, an geeignetem Wissen mangelt. Ähnliche Widersprüchlichkeiten durchziehen den ganzen Artikel. Es erlaubt die Frage, welche journalistische Absicht mit dem irreführenden Anspruch einer eigener Prüfungsfähigkeit besteht.
Jürgen Dressler

Ihre Berichterstattung über die Ereignisse in Israel und Gaza sind meiner Meinung nach herausragend. Ganz besonders gilt das für die Artikel in dem Titelthema (Stimmt das eigentlich?), aber auch für „Explosion der Bilder“. Das ist Journalismus auf höchstem Niveau, so, wie ich ihn liebe und wie er in der Zeit noch oft zu lesen ist. Solche wichtigen Artikel vermitteln dem Leser das notwendige Wissen, um ihn in die Lage zu versetzen, sich eine eigene fundierte und differenzierte Meinung zu bilden, wenn er das will. Ich jedenfalls habe diese Form der Berichterstattung genossen, die bei aller Dramatik und Tragik so differenziert wie distanziert war. Sie informiert nicht nur und vermittelt wertvolles Wissen, sondern bildet und regt zum Nach-Denken an. Ein höheres Lob kann man dann nicht machen. Das ist die Berichterstattung, die ich an der ZEIT so sehr schätze.
Marc A. Schneider

Die Engländer sind schuld – endlich schreibt das mal jemand! Aber in dem Artikel vermisse ich das Wort „Nakba“, die Vertreibung der Palästinenser, die seit Generationen in dem Land gewohnt haben. Deren Schicksal wurde nie thematisiert, der Groll und die Wut wurden kultiviert und bis zum Hass gesteigert. Wundert das jemand? Warum gab es keine Entschädigung, keine Wiedergutmachung? Und nun gießt Netanjahu Öl ins Feuer, indem er biblische Stellen zitiert! Ich bin fassungslos.
Ilse Vogel

Wer den seit Jahrzehnten bestehenden Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern verstehen will, muss sich die Fakten in der Geschichte des Nahen Ostens im 20. Jahrhundert nüchtern und sachlich anschauen. Alles begann mit der Dreyfus-Affäre in Frankreich und mit Theodor Herzls Buch „Der Judenstaat“, erschienen 1896. Dann kam der Erste Weltkrieg und das Osmanische Reich drohte unterzugehen. Im Jahr 1916 trafen sich Mister Sykes, britischer Ministerialbeamter, und sein französischer Amtskollege Monsieur Picot heimlich, griffen zu Lineal und Bleistift, nahmen eine Landkarte zur Hand und teilten das Osmanische Reich zwischen Frankreich und Großbritannien auf. Es war ein Akt des Kolonialismus.  In vielen Gebieten des Osmanischen Reiches lebten Juden und Muslime friedlich nebeneinander, so auch in Palästina. Es waren vielfältige Interessen – auch kolonialistische – im Spiel, als Arthur Balfour, britischer Außenminister, 1917 dem Jüdischen Weltkongress mitteilte, dass die Regierung seiner Majestät beabsichtige, den Juden in Palästina eine Region als „national home“ zur Verfügung zu stellen. 1919 wurde Palästina britisches Mandatsgebiet und die sogenannte Balfour-Deklaration wurde Realität. Nun zogen Juden aus aller Welt in ihre Heimstätte. Sie standen unter britischem Schutz.
Zunächst ging alles gut. Dann aber fühlten sich die Araber im jüdischen „national home“ von der großen Zahl der Zugewanderten bedrängt. Diese waren sehr arbeitsam, veränderten durch ihre Landwirtschaft die Bodenbeschaffenheit, trieben Handel und sie pflegten ihre eigene Kultur. Schon nach einigen Jahren, Mitte der zwanziger Jahre, organisierte der Großmufti von Jerusalem Amil-el-Husseini das erste Pogrom. Die Feindschaft zwischen Juden und Arabern hatte begonnen. Beide Seiten hatten bald ihre kampffähigen Milizen. Eigentlich wollten die Araber nach dem Untergang des Osmanischen Reiches ein großarabisches Reich. Das war das Ziel der sogenannten Arabischen Revolte während des Krieges. Die Mandatsmächte machten zunächst Hoffnung, waren dann aber dagegen. Stattdessen entstanden unter ihrem Protektorat einzelne Staaten: Syrien, Irak, Transjordanien, Libanon. Sie alle erlangten nach und nach die Souveränität. Palästina blieb unter englischem Mandat. Es kam immer wieder zu feindseligen Aktionen zwischen Juden und Arabern, aber auch zwischen Juden und Engländern, weil diese die Zuwanderung minimieren wollten. Auch die Araber waren mit den Engländern unzufrieden und zeigten dies in terroristischen Aktivitäten.
Nach 1945 eskalierte die Spannung zwischen den drei Kontrahenten. Die UNO beschloss im November 1947 die Teilung Palästinas in ein jüdisches und in ein arabisches Staatsgebiet. Nach Ablauf des britischen Mandats wurde am 14.Mai1948 der Staat Israel gegründet. Von da an war und ist Israel bis heute in seiner Existenz bedroht. Der erste israelisch-arabische Krieg von 1948 bis 1949 brachte die Gebiete, die den Palästinensern noch verblieben, in den Verwaltungsbereich Ägyptens und Jordaniens. Es gab nun einen jüdischen Staat, aber noch keinen palästinensischen Staat. So blieb es bis 1988. Heute ist der größte Teil des palästinensischen Staatsgebiets, das Westjordanland, unter der Kontrolle des israelischen Militärs. Der Rest, der sogenannte Gazastreifen, ist kaum halb so groß wie Hamburg. Nach 1949 begann eine Folge israelisch-arabischer Kriege, in denen Israel sich immer wieder behaupten konnte. In seiner Existenz bedroht ist Israel heute immer noch.
Was zeigt diese grobe Skizze der Geschichte über den israelisch-palästinensischen Konflikt? Der uralte Antisemitismus in Europa hat die Idee vom „Judenstaat“ geweckt. Das Sykes-Picot-Abkommen hat seine Gründung ermöglicht. Das großarabische Reich kam nicht zustande. Palästina ist bis heute ein unvollendeter Staat. Israel hat sich in den vielen Nahost-Kriegen immer als wehrhaft erwiesen. Die Juden, seit dem ersten nachchristlichen Jahrhundert in ganz Europa der Vertreibung, den Pogromen, der Demütigung, der Verachtung ausgesetzt, waren zwar auch in Palästina nicht willkommen. Jetzt aber gibt ihnen ein souveräner Staat endlich Schutz und Sicherheit. Er schützte sie sogar vor dem Vernichtungswillen, den bis heute immer noch einige arabische Gruppen ständig ausagieren. Warum tun diese arabischen Gruppen das? Bei diesen Gruppen wirkt die kollektive Erinnerung. Die Palästinenser fühlten sich von den jüdischen Einwanderern verdrängt und missachtet. Die europäischen Staaten Frankreich und England ließen sie und alle anderen Araber im Stich. Sie verfolgten ihre eigenen Interessen. Auch die Juden haben ihre kollektiven Erfahrungen. Sie sind es leid, ständig Opfer zu sein, so wie sie es in der Vergangenheit immer waren.
Die kollektiven Erfahrungen von Juden und Palästinensern sind sich eigentlich ähnlich, auch wenn sie zeitliche weit auseinander liegen. Beide haben Kränkungen erlebt. Die Juden Jahrhunderte hindurch – bis zur Vernichtung. Die Palästinenser fühlen sich seit 1918 übersehen. Zu Recht. Diese kollektive Grunderfahrung der Kränkung bestimmt auf beiden Seiten die Emotionen: Auf der jüdischen Seite ist es schlichtweg Existenzangst; auf der palästinensischen Seite sind es Wut und Hass, weil ihren Interessen nie Rechnung getragen wurde, und das ist auch heute noch so. Tiefenpsychologisch gesehen ist Kränkung diejenige seelische Verletzung, die die brutalsten Reaktionen hervorruft. Die Tragik ist, dass im Nahen Osten seit 1918 Kränkungen Emotionen ausgelöst haben, die auch jetzt die Politik bestimmen. Hilft es, diese Emotionen zu verstehen, zu erkennen, woher sie kommen? Wenn das gelänge, würde dann die Vernunft die Politik bestimmen?
Albrecht Hauter

Wie viele andere Zeitungen und der öffentlich-rechtliche Rundfunk nimmt leider auch „Die ZEIT“ aus Gründen der deutschen Geschichte einseitig eine fast ausschließliche Pro-Israel-Haltung ein. Dies mag aufgrund der abscheulichen Taten der Hamas auf den ersten Blick selbstverständlich sein, wird m.E. aber dem durch Israel an der palästinensischen Bevölkerung seit Jahrzehnten und aktuell in den besetzten Gebieten angetanen Unrecht nicht gerecht.
So sprechen sie in ihrem Artikel „Stimmt das eigentlich?“ leider nicht an, dass das durch den Zionismus begründete Rückkehrrecht der Juden nach Palästina in ein weit über 1000 Jahre im Wesentlichen nicht mehr von Juden bewohntes Gebiet in eklatanter Weise die Rechte der dort seit vielen Jahrhunderten lebenden fast ausschließlichen arabischen Bevölkerung ignoriert hat und eine Vertreibung dieser Bevölkerung in Kauf nahm. So lebten zum Beginn der jüdischen Einwanderung 1882 nach seriösen Quellen rd. 453000 arabische Palästinenser bei nur rd. 15000 Juden im ehemaligen Mandatsgebiet. Auch zur Zeit des UN-Teilungsplans 1947 waren die jüdischen Einwanderer mit rd. 600000 Menschen (31%) gegenüber den Palästinensern mit rd. 1,3 Mio. (67%) klar in der Minderheit und bekamen von der von Großbritannien und den USA maßgeblich dominierten UNO dennoch 56% des Gebietes zugesprochen!
Allein diese Fakten sollten zusammen mit den vielen von Israel Vertriebenen bzw. Geflüchteten Hunderttausenden Palästinensern ohne Rückkehrrecht für eine differenziertere Sichtweise auch der Zeit-Redaktion sorgen. Dass die große Mehrheit der Palästinenser den Staat Israel als Vertreiber und Besetzer hasst und dieser Hass durch die derzeitigen maßlosen militärischen Aktionen der israelischen Regierung noch gesteigert wird, ist dabei nicht verwunderlich. Auch dass das israelische Militär bei ihrer Hamas-Aktion vorrangig die einmal aus Israel vertriebenen und geflüchteten zivilen Palästinenser und deren Nachfahren bei der massiven Bombardierung von Wohngebieten tötet und die Tatsache, dass der Gaza-Streifen für Israel seit Jahrzehnten ein lästiges Freiluftgefängnis ist, sollte in ihrer Berichterstattung mehr Raum bekommen. Und zu guter Letzt unterstützt die deutsche Regierung und wesentliche Teile der Medien weitgehend vorbehaltlos einen israelischen Regierungschef, der in den 90iger Jahren den von Rabin initiierten Ausgleich mit den Palästinensern strikt ablehnte, für den massiven Ausbau der gemäß der Genfer Konvention völkerrechtswidrige Siedlungspolitik verantwortlich ist und einer in Teilen rechtsradikalen und rassistischen Regierung vorsteht. Die aktuelle Äußerung eines Ministers dieser Regierung, dass man sich den Einsatz von Atomwaffen im Gazastreifen als Option vorstellen kann, passt gut in diese Gemengelage.
Manfred Eberle

Bei Ihrer Wahrheitssuche zwischen all den Mythen, Lügen und Legenden im Konflikt um Palästina sind Sie nicht weit gekommen. Ich greife nur das Beispiel aus dem Abschnitt „Israel ist die einzige Demokratie in Nahost“ heraus. Jörg Lau schreibt: „Israel versteht sich als jüdischer und demokratischer Staat zugleich, also Heimstätte für alle Juden (ob sie nun in Israel leben oder nicht) und Staat aller seiner Bürger (welcher Herkunft auch immer)“. Wie man das angesichts der ausdrücklichen Feststellungen des Nationalstaatsgesetzes von 2018 sagen kann, ist mir schleierhaft. Dort heißt es nämlich im ersten Artikel: „Das Land Israel, in dem der Staat Israel gegründet wurde, ist die historische Heimat des jüdischen Volkes. Dieser Staat Israel ist der Nationalstaat des jüdischen Volkes, in dem es sein Recht auf nationale, kulturelle, historische und religiöse Selbstbestimmung ausübt.
Das Recht auf nationale Selbstbestimmung ist im Staat Israel einzigartig für das jüdische Volk.“ Von anderen Bürgern („welcher Herkunft auch immer!“) ist dort überhaupt nicht die Rede. Es geht ja in einer Demokratie nicht nur um Wahlen.  Auch die Gleichheit vor dem Gesetz ist ein essential von Demokratie. Und die ist für die palästinensischen Bürger Israels nicht gegeben:  sie dürfen nicht heiraten, wen sie wollen, sie dürfen nicht wohnen, wo sie wollen. Von der im Westjordanland herrschenden Apartheid ganz zu schweigen. Die logische Unmöglichkeit, gleichzeitig ein jüdischer und ein demokratischer Staat zu sein, hat mir auch die ZEIT-Redaktion bisher nicht auflösen können. Sie wiederholt nur eine Behauptung Israels, ohne sie zu überprüfen. Das dient nicht der angekündigten Wahrheitsfindung.
Wilhelm Otto Deutsch 

Der beste Zeitzeuge neben vieler anderer bzgl. des Konfliktes zwischen den sog. Palästinensern und Israelis ist der verstorbene Journalist Peter Scholl-Latour. Seine Bücher sollte man lesen. Da hat man schon eine sehr differenzierte Meinungsbildung, vor allem, wenn es um Lüge und Wahrheit im sog. Nah-Ost-Konflikt geht. Das erste Fazit lautet leider:  Die Region wird nie zur Ruhe kommen – und nie heißt nie! Wer ist schuld?  Im Großen und Ganzen das Streben und Treiben der Weltmächte damals (Türken, Briten, Franzosen) und das ist 500 bis 100 Jahre lang her, will man nicht den ganz großen Bogen spannen bis vor der Geburt Jesus und davor noch. Gleichwohl wird man, wenn es um aktuelle Lebensumstände geht, fündig in den Romanen von z.B.  Frank Schätzing (Breaking News) und Zeruya Shalev (Schicksal) u.v.a.m.
Da wird schon z.B. viel über Netanyahus Bestreben gesagt und das Versagen der sog. Palästinenser, der Marionetten z.B. des Irans u.a.m – und Putin kommt das alles recht. Dabei soll aber eben auch hingewiesen werden auf friedliches Zusammenleben zwischen Juden, Christen, Islamisten u.a.m, was es in vergangenen Jahrhunderten schon immer gegeben hat wie überall in der Welt. Allerdings wurde dies immer untergraben durch aggressive selbstherrliche weltliche und klerikale Mächte (Christenverfolgung, Hugenottenverfolgung nach Aufhebung des Ediktes von Nantes z.B.). In diesem Kontext kann man durchaus verweisen auf die Schicksalsschläge des Ersten und Zweiten Weltkrieges mit zusammen ca. 80 Millionen Toten und Wer das grundsätzlich verursacht hat: Der deutsche Kaiser Wilhelm II:  Völlig überfordert, egomanisch, selbstherrlich, von Bismarck gepuscht in „höhere Gefilde erhoben“ (Kolonialpolitik u.v.m), die Lage nach der Ermordung des Thronfolgers in Österreich-Ungarn 1914 richtig einzuschätzen. Aus der sonstigen Weltlage ergab sich ein Übriges.
Rainer Rehfeldt

Ich schreibe Ihnen zu Ihrer Überblicksdarstellung „Stimmt das eigentlich?“ zum Konflikt zwischen Israel und Palästina. Ich finde es sehr gut und wichtig, dass Sie versuchen, Fakten zu klären und Übersicht in die Debatte zu bringen, und die Darstellung enthält sehr informative, sehr wertvolle Beiträge (vielen Dank vor allem an Yassin Musharbash und Jan Ross!). Bei einem Beitrag hingegen frage ich mich entsetzt, wie er den redaktionsinternen Freigabeprozess überstehen konnten. Josef Joffes „Die Briten sind an allem schuld“ äußert sich so uninformiert, dass es in meinen Augen fahrlässig ist, ihn zu veröffentlichen. Das Narrativ der „Osmanen als Schuldige, die Nahost 400 Jahre lang kujoniert, dessen florierende Kultur erstickt hatten“ ist in der Forschung der letzten Jahrzehnte (!) widerlegt und als Narrativ der arabischen Nationalbewegungen um 1900 historisiert worden. Die Modernisierung und stärkere territoriale Durchdringung des Osmanischen Reiches im späten 19. Jahrhundert haben zu Konflikten mit den Provinzen geführt, die sich dann nach der Jungtürkischen Revolution und vor allem durch die katastrophalen Erfahrungen der Hungersnöte verschärften. Von der Osmanischen Herrschaft als einem unterdrückerischen System zu sprechen, verkennt aber vollkommen die Struktur dieses Imperiums und auch die historischen Konfliktdynamiken.
Ich empfehle zur Einstiegslektüre z.B. Albert Hourani, Die Geschichte der arabischen Völker; Eugene Rogan, The Arabs: A History; Reinhard Schulze, Geschichte der islamischen Welt im 20.  Jahrhundert; James Gelvin, The Modern Middle East. Eine ganz knappe Zusammenfassung wäre bei Suraiya Faroqhi, Geschichte des Osmanischen Reiches (Beck Wissen) leicht zugänglich gewesen. Herrn Joffes Aussage zur Balfour-Erklärung, „Britannien brauchte vorerst die Unterstützung internationaler jüdischer Organisationen im Kampf gegen das Deutsche Reich“ reproduziert die Verschwörungsmythen der Zwischenkriegszeit. Tatsächlich hofften die Briten auf eine Allianz mit einem imaginierten „globalen Judentum“, die den Ausgang des Weltkriegs durch ihre Verbindungen nach Russland wie in die USA zugunsten Großbritanniens beeinflussen könnte. Zudem scheint es, dass Weizmann diese antisemitischen Stereotype bewusst bedient hat. Tom Segev hat aber sehr pointiert dargestellt, wie die Briten damit ihren eigenen antisemitischen Verschwörungsmythen aufsaßen (Segev, Es war einmal ein Palästina).
Schließlich ist auch die Formulierung, Amin al-Husayni sei ein „blutrünstiger Judenhasser“ gewesen, historisch nicht haltbar, wie Philip Mattar in seine Biographie („The Mufti of Jerusalem“) zeigt. Ja, al-Husayni hat sich Ende der 1930er Jahre den Nationalsozialisten angedient und mit ihnen kooperiert (wenngleich man festhalten muss, dass er zu diesem Zeitpunkt in Palästina bereits weitgehend in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht war). Diese Kooperation ist aber nicht stellvertretend für sein Agieren während der Mandatszeit zu sehen. Ja, er hat während der Mandatszeit versucht, palästinensische Interessen durchzusetzen und er hat den Zionismus abgelehnt. Dies muss man aber als interessengeleitetes Agieren verstehen, bei dem al-Husayni mit den Briten kooperiert hat, nicht als ideologisches, antisemitisch motiviertes Handeln. Auch historische Persönlichkeiten verdienen, dass man sich differenziert mit ihnen auseinandersetzt.
Den Konflikt dann auf den UN-Teilungsplan zu reduzieren und den Vereinten Nationen „die Schuld“ zu geben, ist letztlich in meinen Augen zu billig. Der Staatsaufbau geschah ja nicht durch einen UN-Beschluss, sondern war ein jahrelanger Prozess, in dem sich Institutionen und Milizen bildeten. Diese Vorgeschichte braucht differenziertere Betrachtung als Herr Joffe es zu leisten imstande ist. Ich möchte darum bitten, dass sich künftig Kenner:innen der Materie zu derart heiklen und politisierten Themen äußern. Falls sich keine finden lassen, bitte ich zumindest um kritische Interventionen der Redaktion, die bei Formeln wie dem „Ersticken der florierenden Kultur“ oder dem „blutrünstigen Judenhasser“ einmal stutzig werden und die Fakten prüfen sollten.
Meine zweite Anmerkung bezieht sich auf Anna Sauerbreys Beitrag „Israel ist eine Kolonialmacht“, der sehr viel ausgewogener, differenzierter und sachlicher ist. Das möchte ich vorwegschicken. Ich habe mich über diesen Beitrag nicht geärgert, möchte aber inhaltlich gerne darauf eingehen. Ich stimme Frau Sauerbrey zu, dass die Einwanderung jüdischer Siedler in das Osmanische Reich nicht als Kolonisation verstanden werden sollte, weil bei vielen zunächst nicht im Vordergrund stand, tatsächlich einen eigenen Staat zu gründen (s. Michelle Campos, Ottoman Brothers). Vor dem Argument, dass sie „an eine jahrtausendealte jüdische Geschichte“ anknüpften, möchte ich aber warnen. Das gilt auch für z.B. die französische und italienische Kolonisation Nordafrikas (unter Berufung auf das antike Römische Reich) und heute für Russlands Überfall auf die Ukraine, die aus guten Gründen als illegitime und gewaltsame Landnahme verstanden werden.
Mit dem Ende des Osmanischen Reiches kam es aber, wie Frau Sauerbrey ja richtig schreibt, zu einer Herrschaft durch die Kolonialmacht Großbritannien, die als Mandatsherrschaft ausgeübt wurde – gegen den Widerstand der arabischen Bevölkerung, die Selbstbestimmung einforderte. Im Sonderfall Palästina vermischten sich nun die britische Form eines britischen informellen Kolonialismus, der auf Kollaboration mit einheimischen Eliten setzte, mit dem Bekenntnis zur Unterstützung einer jüdischen Besiedlung des Mandatsgebiets. Diese wurden, wie Jacob Norris gezeigt hat, gewissermaßen als „Handlanger“ der britischen Mandatsmacht gesehen, die das Mandatsgebiet entwickeln würden (Norris, „Land of Progress“). Zugleich schuf die britische Mandatsverwaltung die strukturellen Voraussetzungen für den Aufbau eines eigenen jüdischen Staates, sah aber keine vergleichbare Möglichkeit für den Aufbau eines arabischen Staates vor, sondern beschränkte sich mit der Zusage, die „religiösen Rechte“ der arabischen Bevölkerung zu wahren (Susan Pedersen, Laura Robson, Gudrun Krämer).
Wichtige Anliegen der Siedler in den 1920er Jahren waren das Streben nach der „Eroberung des Landes“ (durch Besiedlung und landwirtschaftliche Nutzung) und der „Eroberung der Arbeit“ (Kibbush haAvoda) bzw. der „Hebräischen Arbeit“ (Avodah Ivrit). Hierbei ging es, maßgeblich vorangetrieben von der Gewerkschaft Histadrut, darum, (günstigere) arabische Arbeitskräfte durch jüdische Einwanderer zu ersetzen. Unter dem Eindruck palästinensischer Angriffe auf Juden (nicht nur Siedler) in Palästina 1929 und durch die Siedler der vierten und fünften Aliyah, die vor der zunehmenden Verfolgung in Europa flohen, setzte im Yishuv eine Radikalisierung ein. Eine breite Mehrheit von Historiker:innen hat analysiert, wie die Jewish Agency ab den 1930er Jahren gezielt den Aufbau eines exklusiv jüdischen Staates betrieb. Zur aktiv vorangetriebenen Besiedlung und der Institutionsbildung kamen dann später in den 1930er Jahren der Aufbau von Milizen, die im Kampf gegen die britische Mandatsmacht und 1948 eine entscheidende Rolle spielten (zusammengefasst z.B. bei Ilan Pappe, Gudrun Krämer). Die Idee von einem gemeinsamen Staat für Juden und arabische Palästinenser, wie ihn sich in den 1920er noch manche Visionäre vorstellen konnten (z.B. Jehudah Magnes), hatte ab 1929 keine Lobby mehr.
Es ging also nicht um die Beherrschung oder Unterdrückung der arabischen Bevölkerung wie in anderen Siedlungskolonien, wohl aber um deren Verdrängung (in Osterhammels Schema entspricht dies am ehesten der „Siedlungskolonie neuenglischen Typs“: Osterhammel/Jansen, „Kolonialismus“, Beck Wissen). Dass es im zionistischen Fall kein kolonisierendes Zentrum (ein „Mutterland“) gab, passt in dieses Schema (ebd., S. 21). Das „Problem“ dieser Kolonisationsform war natürlich, um es zynisch zu sagen, dass sie eben nicht auf ein vornehmlich von Nomaden bevölkertes Land traf, sondern auf eine komplexe Gesellschaft – und im frühen 20. Jahrhundert auch eine Rechtfertigung brauchte. Die Staatsgründung selbst beruhte dann schließlich auf den Fakten, die während der Mandatszeit durch Besiedlung und Institutionsbildung geschaffen wurden. Inwiefern man heute noch von Israel als einer „Kolonialmacht“ sprechen kann und sollte, und falls ja, in welchem Rahmen, dazu traue ich mir kein Urteil zu. Sehr anregend und zugleich differenziert finde ich in diesem Zusammenhang den Aufsatz von Ilan Pappe, Shtetl Colonialism, Settler Colonial Studies 2.1 (2012), den ich nur empfehlen kann. Es ist aber aus meiner Sicht historisch zulässig zu sagen, dass der Staatsbildungsprozess Israels ein Kolonisationsprozess war. (Und diese Analyse kann man hoffentlich auch teilen, ohne damit das heutige Existenzrecht Israels infrage zu stellen.)
Aus palästinensischer Sicht wiederum ist bis heute keine Dekolonisation im Sinne des Erreichens einer echten Souveränität erfolgt, was nach meiner Wahrnehmung einen großen Teil der Frustration und der Wut auf palästinensischer und arabischer Seite erklärt – und auch die teilweise wirklich als existenziell empfundene anhaltende Angst vor (weiterer) Verdrängung, die m.E. in der Diskussion ernst(er) genommen werden sollte (so, wie wir auch die als existenziell empfundene Existenzangst von Jüdinnen und Juden völlig zu Recht ernst nehmen).
Jasmin Daam

Vielen, herzlichen Dank für Ihren guten Übersichtsartikel. Es ist vielleicht kein „age of lying“ (Salman Rushdie), sondern eher ein Versagen einiger Politiker, die ihren eigenen (ursprünglich durchaus positiven) Ansprüchen nicht Folge leisten können und es stattdessen dem Rest sehr, sehr schwer machen. Denn Konflikte hat es doch schon immer gegeben und wer ein bisschen Fingerspitzengefühl hat ahnt vorausschauend, was möglicherweise passieren bzw. schief gehen kann. Sprachliche Logik ist wichtig aber manchmal nicht ausreichend. Unsprachliche Reflexion liefert neue Erkenntnisse. Dank auch an Herrn Musharbash für seinen Beitrag im Deutschlandfunk heute („Zur Diskussion“, Thilo Kößler).
Michael Scheppler

Ich denke Gewalt ist in jeder Hinsicht abzulehnen. Das sollte aber nicht nur für Antisemiten gelten, sondern für jede Art von Rassismus. Die Menschenrechte sollen und müssen eingehalten werden. Die Menschen, die mit Steinen auf andere werfen, sollten bestraft werden.
Ulrike Koch

Wenn er es nicht schon von Anfang an war, so ist der Konflikt von Israel mit seinen Nachbarn heute gewiss ein Stellvertreterkrieg mit dem Westen. Dies gilt ebenso für die Ukraine. Die wortreiche Engführung auf einen Konflikt zwischen Israel und Palästinensern sucht die bequeme Rolle des Beobachters und Vermittlers. Wenn es Israel nicht ist, ist es die Ukraine oder Taiwan oder Irak… Der Westen (WIR) sind nicht Beobachter, sondern Partei. Und dieser Westen ist vielfach in sich zerstritten und paralysiert. Er nimmt diesen Krieg gegen seine Lebensweise nicht wirklich an und verliert nach und nach seine Kontrolle über den öffentlichen Raum im eigenen Land. Im Nahen Osten finanzieren wir sogar den Kampf gegen uns selbst großzügig mit. Diese Ignoranz, die Selbstverleugnung der eigenen Werte und der Widerwille, die eigene Kultur zu verteidigen, das bringt Länder, wie Israel und die Ukraine in Gefahr. Wenn sie fallen, sind der Westen und seine rechtsstaatlichen Demokratien Geschichte.
Fred Klemm

Historische Mythen müssen überall aufgearbeitet werden. Von den zum Nahostkonflikt erwähnten Einzelheiten möchte ich den von Jan Ross dargestellten Mythos „Bei diesem Konflikt geht es im Kern um Religion“ aufgreifen. Dass das einer der richtigzustellenden Punkte ist, stimmt sicher, aber die eigentliche Frage ist, ob das, was als Religion proklamiert wird, überhaupt mit einem aktuell gültigen Religionsverständnis übereinstimmt. Das ist ein Thema für alle institutionalisierten bzw. formalisierten Religionen. Denn sobald Regeln, Rituale und Glaubenssätze als unabänderliche Standards hingestellt werden, hat man die wirksamen Grundlagen des Lebens verlassen. Also sollte auch das jeweilige Religionsverständnis ergebnisoffen und zeitgemäß von allen Beteiligten definiert und hinterfragt werden. Sonst wird es nicht zum Verlassen kollektiver Identitäten durch exklusive Zugehörigkeiten, Überlegenheitsansprüche und gegenseitige Bekämpfungen kommen. Im Übrigen habe ich das in Bezug auf den Nahostkonflikt in meinem 2015 erschienenem Buch „Die gemeinsame Wirklichkeit“ detailliert dargestellt – fand aber kaum Beachtung.
Christoph Müller-Luckwald

Im Diskurs um den Nahostkonflikt kommt m. E. zu kurz, dass das Leid der Palästinenser vorwiegend auf einer ungesteuerten Familienpolitik mit unangemessen hohen Geburtenraten basiert. So hat sich die Bevölkerungszahl allein im Gazastreifen von 250.000 in 1950 auf heute 2.200.000 fast verzehnfacht. Realistischen Berechnungen zufolge kommt es alle 15 bis 20 Jahre zu einer Verdoppelung der Bevölkerung, so dass bereits in 2040 etwa 4.000.000 Menschen, weitgehend unter 30 Jahre alt, in dem schon jetzt eng besiedelten Gaza leben dürften. Dass eine derart hohe Bevölkerungsexpansion unweigerlich im Chaos endet – Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, Verarmung, Gewalt und Abwanderung sind die Folge – zeigt sich bereits seit Jahren und wird in Zukunft zu noch mehr Sprengstoff führen. Die Verantwortung für diese folgenschwere Entwicklung trägt nicht Israel, sondern vorwiegend das palästinensische Volk allein.
Und dann sind da noch: Antonio Guterres und sein auf üppigen Gehältern ruhender Verwaltungsapparat, der sich zwar gerne auf die Seite der Palästinenser schlägt, aber weder auf deren unverantwortliche Familienpolitik einwirkt noch auf andere Weise aktiv zur Lösung des Nahostkonflikts beiträgt. Oder der oberste Hirte in Rom, der sich mit Rücksicht auf die Palästinenser bis heute nicht öffentlich zu den Massakern vom 7. Oktober äußern wollte, sich aber über jede Seele freut, die erst das Licht der Welt und dann Gott im Himmel erblickt. Vatikan und dessen Missionare haben über jahrzehntelang Schwangerschaftsverhütung in Afrika, Südamerika und Teilen Asiens zur Sünde erklärt, mit Folgen, die wir heute in Europa zu tragen haben. Und schließlich noch der selbstgefällige Ajatollah in Teheran, der kein Problem damit hat, die eigene Bevölkerung zu schikanieren und junge Mädchen und Frauen zu töten, sich aber diebisch über jeden neu geborenen Gotteskrieger freut. Diese Doppelmoral ist kaum noch auszuhalten.
KH Loges

Es ist mehr als erstaunlich, dass im langen Beitrag, wo neun verbreitete Annahmen über den hundertjährigen Kampf zwischen Israelis und Palästinensern geprüft werden, der Holocaust gar nicht erwähnt wird. Hätte es den Holocaust nicht gegeben, würde der Staat Israel wahrscheinlich nicht existieren. Und folglich auch nicht der jetzige israelisch-palästinensischer Konflikt. Der Zionismus als Bewegung für die Gründung eines jüdischen Staates Israel, war nach dem ersten Weltkrieg in tiefer Krise. Immer weniger Juden entschieden sich für die Auswanderung nach Palästina. Und dann kam Adolf Hitler an die Macht. In erster Linie waren es Deutsche und Österreicher die den Tod von 6 Millionen Juden in Auschwitz und anderswo verursachten. Israel ist das Produkt des schlechten Gewissens Europas (Sowjetunion inbegriffen), weil man sehr wenig unternahm, um den Holocaust zu verhindern. Gleichzeitig ist Israel das Produkt des schlechten Gewissens Europas für den jahrhundertealten europäischen Antisemitismus. Die jüdischen Überlebenden von Auschwitz und anderer Todesfabriken wurden bemitleidet. Vielerorts in Europa war man aber auch froh, dass man sie nach Palästina umleitete. Und es entstand ein neues Unrecht.
Das Rad der Geschichte kann man nicht zurückdrehen. Die Hamas ist eine verbrecherische Terrororganisation. Israel hat das Recht sich zu verteidigen. Man kann und darf aber nicht den breiten historischen Rahmen vergessen oder sogar ignorieren. Am wenigsten in Deutschland und in Österreich, und gar nicht mit kollektiver Amnesie. Und es ist an der Zeit, dass die Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts, zur Staatsräson Europas wird. Eine Lösung, die auch die Interessen und die Rechte der Palästinenser beachtet.  Aus moralischen, realpolitischen und Sicherheitsgründen und aus Selbstinteresse.
Bojan Grobovšek

Als vor einiger Zeit ein einzelner unschuldiger schwarzer Mann in Amerika bei einer Festnahme ums Leben kam, gab es in Berlin und vielen deutschen Städten Demonstrationen, und „black lives matter“ war in aller Munde, Medien und auf unzähligen Plakaten . Als nun 1400 unschuldige Kinder, Frauen und Alte in Israel zum Teil bestialisch ermordet wurden, gab es keine Demonstrationen mit „Jewish lives matter“ ud keine Plakate! Ich bin entsetzt.
Alois Lienhard

Vielleicht vorweg – mich überfordert der Nahost Konflikt. Aus meiner Wahrnehmung gibt es hier zwei wiederkehrend traumatisierte und permanent bedrohte Völker. Es war ein schrecklicher Terroranschlag und der Gegenschlag löst viel menschliches Leid aus. Warum ich schreibe – mich hat der Artikel enttäuscht. Das Thema, wo ich mich am meisten frage, ob es stimmt, ist „unterdrückt Israel die Palästinenser?“ Dieser Frage wird geschickt umschifft, indem man stattdessen eine sprachliche Analyse von Kolonialisierung vornimmt. Aber ist das nicht die wichtigste Frage im Zusammenhang mit der Kritik an Israel? Ist diese Frage nicht erlaubt? Mein Eindruck ist, sie wird als mangelnde Empathie und Antisemitismus abgewiesen. Aber diese Frage treibt mich um beim Verständnis der Situation. Unterdrückt und entrechtet Israel seit Jahren die Palästinenser? Oder ist das übertrieben? Wie groß ist die Verantwortung Israels an der mangelnden Entwicklung des Gazastreifens? An der hohen Jugendarbeitslosigkeit? Würde das Terror legitimieren? Nein! „Aber“ (das Böse aber) erzeugt Perspektivlosigkeit und Hilflosigkeit gegen eine übermacht nicht den Nährboden für Terrororganisation? Oder sind die Palästinenser selbst schuld an ihrer Lebenssituation und alles nicht so perspektivlos? Ich denke, diese Fragen wären interessanter gewesen als eine Begriffsdeklination. Und ich würde mich freuen, so etwas fundiert zu lesen.
Georg Schmid

Ich bin seit vielen Jahren Abonnentin und schätze besonders, dass die ZEIT Ecken ausleuchtet, die sonst unbeachtet bleiben oder von anderen Medien überhaupt nicht als unbeachtet gesehen werden. Eine so unbeachtete Ecke ist für mich derzeit die Hamas. Was genau wollte sie mit ihren Gräueln erreichen, was will sie überhaupt erreichen, wie stellt sie sich die Zukunft vor? Ich kann mir denken, dass es wohl unmöglich ist, einen Hamas-Führer zum Interview zu bekommen…aber ich denke, man müsste den Hintergründen besser auf die Spur kommen. Derzeit vermischen sich zu sehr die israelischen Fehler und Grausamkeiten in ihrer Besatzungspolitik mit den Reaktionen auf den 7. Oktober, deren Ende man gerade nicht sehen kann. Vieles wäre da aufzudröseln… dies als Wunsch/Anregung an Sie.
Victoria Langelott

Ihren Beitrag zur Verifizierung von Thesen zum Nahostkonflikt habe ich mit großem Interesse gelesen. Zwei Anmerkungen: Ich war verwundert, dass Sie Josef Joffe, der sich in der ZEIT für den völkerrechtswidrigen Einmarsch der US-Truppen in den Irak ausgesprochen hat (und der auch in anderen Nahostfragen ziemlich falsch lag), gleich zweimal die Gelegenheit geben, sich im Zusammenhang mit dem brutalen Angriff der Hamas auf Israel als “Experte” auszuweisen.
Anna Sauerbrey schreibt im vorletzten Absatz ihres Beitrags zum Begriff “Kolonialmacht”, dass die Siedlungspolitik des modernen Israel im Westjordanland dem imperialen europäischen Kolonialismus schon ähnlicher sieht (als die Umstände der Gründung des Staates Israel), weil “die (unrechtmäßige) Ansiedlungen von Personen unter anderem dem Zweck dient, das Land zu beherrschen”. Dennoch spricht sie im nächsten Absatz vom “Überstülpen des Vokabulars des Kolonialismus” und stellt jene unter Ideologieverdacht, die Israel koloniales Unrecht vorwerfen. Sie unterstellt ihnen sogar, damit die Rechtfertigung von Gewalt gegen Israel als “Freiheitskampf” zu “erlauben”. Schließlich sieht sie in einer “Dekolonialisierung des gesamten Staatsgebiets Israels in letzter Konsequenz nur das Ende Israels und die Vertreibung seiner jüdischen Bevölkerung”. Diese Schlussfolgerung kann ich gar nicht nachvollziehen. Ein Ende der Besatzung des Westjordanlandes und der rechtswidrigen Siedlungspolitik könnten vielmehr den Weg für eine Zweistaatenlösung freimachen, wenn eine israelische Regierung sie denn wollte. Letztlich ist es nicht von Bedeutung, ob man die menschen- und völkerrechtsverletzende Behandlung der Palästinenser als “Kolonialismus” bezeichnet; entscheidend ist, dass sie beendet wird.
Sven Herfurth


Leserbriefe zu „Kopferhitzung“ von Elisabeth Raether

Das linke Politikangebot ist (schein)tot, weil es sich zu Tode gesiegt hat. Seit der Ära Schröder, gefolgt von Merkel wurde in der Gesellschafts-, Klima-, und Ausländerpolitik überwiegend linksgrüne Kost serviert, kräftig flankiert von den Multiplikatoren in den Funkhäusern. Multikulti war in, offene Grenzen auch und grüne Energieverheißungen. Der Bruch kam mit dem Heizungsdiktat. Von der Kolumnistin bagatellisiert („ein paar Heizungen“), wird doch mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Die Fakten:  5 Mio. Wärmepumpen bis 2030 als Regierungsziel bringen eine CO² Ersparnis von 2 %, kosten aber 150 – 200 Mrd., ein völlig irrationales Missverhältnis, im Elfenbeinturm von Agora & Co ersonnen. Larmoyanz wegen des Rechtsdrifts ist deshalb billig. Schlechte Politik kommt eben auf die Resterampe, so ist das in der Demokratie.
Christoph Schönberger

Wir zerstören mit unserer Lebensweise die Existenzen anderer Menschen. Und wollen ihnen verweigern, bei uns Obhut zu finden. Die klassische Täter-Opfer-Umkehr betreiben AFD und CDU.  Die modernen Rattenfänger von Hameln beschwören den Egoismus eines jeden von uns, dass wir ein Recht auf unseren Wohlstand hätten und darauf für ihn unsere Lebensgrundlagen zu opfern. Der Natur ist es egal, ob wir die Erde für uns und ein paar andere Arten unbewohnbar machen. Sie wird sich an die Zeit nach den Menschen anpassen. Doch die Schöpfung Gottes, die Heimat für nach seinem Ebenbild geschaffene Menschen wird die Erde dann nicht mehr sein, Frau Raether.
Die Regierungen des Westens sind mitverantwortlich für den Terror der Hamas. Sie hätten dem Machtmenschen Netanyahu die Zweistaatenlösung aufzwingen müssen. Im Gegensatz zu 9/11 war der Terrorschlag der Hamas gegen Israel abzusehen. Denn nichts ersehnt sie so sehr, wie dass Israel tausende palästinensische Kinder tötet. Die Überlebenden sind die Terroristen von Morgen. Wieviel gottgewollte Größe hätte es bedeutet, wenn Israel gnädig auf die Barbarei reagiert hätte. Und wieviel Weisheit. Denn militärisch ist der Hass nicht zu besiegen. Im Gegenteil.
Sebastian Koerner

Der Beitrag von Elisabeth Raether gibt Hoffnung, dass die mittlerweile überbordende Bewegung der Progressiven und Linken nur noch auf tönernen Füßen steht. Zu oft und zu regelmäßig schießen sich diese ins eigene Knie. Galt Greta Thunberg noch bis vor kurzem als eine Art Pionierin und Gallionsfigur, verkörpert sie nun die ganze Verblendung, die sich heute weltweit an britischen und amerikanischen Universitäten abspielt. Dass vor einigen Tagen in Dagestan ein regelrechter Pogrom stattfand, wird der Bewegung auch nicht unbedingt zupasskommen. Selbst die amerikanische Vizepräsidentin Kamala Harris setzt in ihrer Rede bezüglich hate crime die falschen Akzente, spricht sich gegen Islamophobie aus und wagt nur Spärliches zu sagen, wenn es um die Antisemiten im eigenen Land geht, die momentan fleißig und munter in den Großstädten Plakate entführter israelischer Kinder von den Litfaßsäulen herabreißen.
Michael Ayten

Frau Raether kritisiert, dass das linke Politikangebot aus blasser Realpolitik und identitärer Klimapolitik besteht und die „Links-Grünen“ nichts hinbekommen, außer das Vertrauen in die Regierung zu zerstören. Eine interessante Bewertung. Die FDP torpediert jedes Grüne-Projekt, ob es im Koalitionsvertrag steht oder einfach nur geboten ist, aber Schuld daran sind die Grünen. Da fragt sich, welcher Kopf da erhitzt ist.
W. Leonhardt

Möglich, dass Greta Thunberg recht hat mit ihrer Aussage über den Genozid in Gaza. Ich wollte und wäre immer gerne an der Seite Israels gewesen. Die Grausamkeit und Radikalität mit der Israel nun vorgeht, erschüttert mich. Als Gründerin der Fridays for Future Bewegung hat Greta Thunberg allen Grund entsetzt auf dieses Gemetzel zu schauen. Neben den 1000enden Toten auf beiden Seiten ist der Schaden für das Klima immens. An den Folgen des Klimawandels, der in Gaza weiter angeheizt wird, werden wir alle leiden. Kein Militär kann uns schützen.
Ute Klapschuweit

Ihrem Leitartikel „Kopferhitzung“ kann ich weitestgehend nur Beifall spenden: Ich bin sehr erleichtert, dass die deutschen FFF und Luisa Neubauer sich von den Äußerungen der internat. Ebene distanziert haben, die aus meiner Sicht leider ihren Glanz, ihre Weisheit, Glaubwürdigkeit und ihre Unschuld verloren und damit dem Hauptanliegen Klimaschutz und Klimagerechtigkeit einen Bärendienst erwiesen hat.  Dies, obgleich auch ich durchaus kritisch bin gegenüber Teilen der israelischen Politik insbesondere der rechten Regierungen dort mit ihrer Siedlungs- und Annexions-Agenda gegenüber dem Staat völkerrechtlich nicht gehörenden Gebieten. Die beanspruchen sie ja inzwischen unabhängig von einer evtl. Anerkennung ihres Existenzrechts in den völkerrechtlich anerkannten Grenzen, was sicher auch einem nachhaltigen Frieden im Wege steht. So arbeiten die Extremisten beider Seiten, die jeweils das ganze Land zwischen Jordan und Mittelmeer für sich allein wollen, de fakto zusammen bei der nachhaltigen Zerstörung von Friedenschancen in der Region.
Aber die Hamas regierte vor den Überfällen in einem unbesetzten Teil Palästinas ohne jüdische Siedlungen, und hat nicht nur Soldaten, sondern auch Frauen und kleine Kinder im Ursprünglichen Israel angegriffen, statt etwa völkerrechtswidrige Siedlungen oder annektierte Gebiete, hat Zivilisten als Geiseln entführt und die eigene Zivilbevölkerung als Schutzschilde für Kommando- und Militär-Anlagen missbraucht.  Damit sind sie zumindest Mit-, wenn nicht Hauptschuldige auch für die zivilen Opfer der erwartbaren oder gar von der Hamas gewollten israelischen Gegen-Operationen.  Vor diesem Hintergrund ist es schon grotesk, beim Thema dieses Krieges einseitig und allein Israel zu kritisieren oder verurteilen bzw. „nichts Konkretes zu den jüdischen Opfern des Massakers vom 7. Oktober“ zu sagen, was leider auch weitgehend für die jüngste Erklärung der UN-Vollversammlung gilt.
Nein, es brauchte keine „Gehirnwäsche“ der „westlichen Medien“, um sich nach dem 7. Oktober auf die Seite der Opfer dieses Tages und der Selbstverteidigung Israels zu stellen, was nicht heißen muss, auf die Seite aller früheren und gegenwärtigen Aktionen aller israelischen Regierungen; und, nein, es waren keine „Attacken auf Israel“ im Sinne seiner angreifbaren Politik-Anteile, sondern zu großen Teilen auf dafür völlig unschuldige, die nicht von Israels Regierung als lebende Schutzschilde missbraucht worden waren und damit auch keine „Kollateralschäden“ wie bei völkerrechtlich erlaubten Kriegshandlungen, solange sie nicht exzessiv sind. Und, nein, die Hamas ist nicht oder höchstens teilweise “ verwurzelt … in 75 Jahren Unterdrückung und ethnischen Säuberungen der Palästinenser“, wie es im Statement der internationalen FFF hieß, sondern zumindest zu großen Teilen auch in religiösem und nationalistischem Fanatismus und Machtgier. Man kann sich mit den vielleicht unterdrückten Palästinensern solidarisieren, das heißt aber nicht sich aufgrund dieses Ziels noch mehr mit ihren angeblichen „Freiheitskämpfern“ solidarisieren zu dürfen, die israelische unschuldige als Geiseln nehmen und palästinensische Kinder, Krankenhäuser und zivile Strukturen als Schutzschilde vor ihrem Terror missbrauchen und nicht nur völkerrechtswidrige Maßnahmen Israels, sondern Juden als solche zum Feindbild erklären.  Mit der gleichen Logik hätte man sich im zweiten Weltkrieg mit den Nazis solidarisieren können und ihren Sieg wünschen, um sich mit den zivilen und kindlichen Opfern des auch damals fragwürdigen alliierten Bombenkrieges gegen Städte und zivile Gebäude zu solidarisieren.  Wie Robert Habeck in seiner kürzlichen viel gelobten Rede sagte:  „Antikolonialismus darf nicht zu Antisemitismus führen!“
Und sie haben sooo Recht mit der Feststellung, dass „entschiedene Klimapolitik kein identitäres Projekt ist, sondern sachlich geboten“, und, wie ich ergänzen würde, aus der Verantwortlichkeit für die Zukunft aller Menschen, die in dieser Zukunft leben werden oder mit Klimaverantwortung leben könnten. Und genauso Recht haben Sie, dass es „um eine andere Energieform und um Nachhaltigkeit geht und nicht um den linken Gesellschaftsumbau.“ letzterer könnte vielleicht auch ein Weg dahin sein, darf aber keinesfalls zur unbedingten Voraussetzung oder Bedingung für ausreichenden, rechtzeitigen Klimaschutz gemacht werden, denn ohne solche Bedingungen ist er  offensichtlich schon in prekärer Lage wie am Rande der Aussichtslosigkeit.  Die Vorbedingungen aller politischen Seiten torpedieren immer mehr die Chancen der Abwendung des Kollapses des Klimas: die einen wollen ihn nur mit einer gerechten Welt zusammen, worunter zudem fast jeder etwas anderes versteht; die anderen wollen Klimaschutz nur, wenn er alle Aspekte des Wohlstandes und der „Freiheit“ im gewohnten Maß beinhaltet, wobei auch da jeder seine eigenen Vorstellungen hat. Und wieder andere wollen Klimaschutz nur im Gesamtpaket mit ihrer Vorstellung von „Antikolonialismus“ und freier Migration. Wie soll das alles, was schon ohne Klimakrise nie wunschgemäß gelungen ist, in einem Aufwaschen gleichzeitig mit der Klimakrise gelöst und erfüllt werden?
In einem Punkt bin ich allerdings etwas anderer Meinung als Sie, falls ich sie hier richtig verstanden habe, wo sie schreiben: „konnte der Eindruck entstehen, dass ausgerechnet die konsumkompetente, weitgereiste Elite ihnen genau dies (das Hängen am Wohlstand) ausreden wollte.“  Zwar wäre dieses Ausreden des Wohlstandes bei vielen heuchlerisch, die selbst nicht bereit sind, auf eigene Wohlstandsteile zu verzichten, voranzugehen. Gleichwohl sehe ich die vollständige Erhaltung aller Wohlstandsaspekte als Bedingung für Klimaschutz genauso tödlich für ihn an wie das Bestehen auf — gleichzeitige und vollständige — Erreichung von Gerechtigkeit, Freiheit, Demokratie überall, Naturschutz oder Weltfrieden.  Das alles sind wünschenswerte gute Ziele, aber alles gleichzeitig erreichen zu wollen, in einem Tempo, wie es beim Klima fürs Überleben nötig ist, wäre eine Hybris ohne gleichen.  Am gewohnten Maß bisherigen Wohlstands sollten wir jedenfalls nicht mehr hängen als am einigermaßen menschenwürdigen Überleben der jüngeren Generation, insbesondere, wenn es unsere eigenen Kinder und Enkel sind.  Wir gewinnen vielleicht sogar, wenn wir Wohlstand als Ziel durch Wohlergehen ersetzen, dessen Aspekte wie Gesundheit, soziale Beziehungen, gutes Gewissen, Entspanntheit, Achtsamkeit, Bewegung, Sinn im Leben, weitgehend von Konsum unabhängig sind oder von manchem Konsum sogar behindert werden.
Peter Selmke

Dieser Artikel zeigt, wie sehr der Nahost-Konflikt die bürgerliche (und nicht nur die dargestellte linke!) Gesellschaft spaltet. Als Fridays for Future-Aktivist bin ich von Thunbergs Aussage zutiefst enttäuscht. Aber zur ganzen Wahrheit gehört dazu, dass FFF Deutschland sich von ihren Aussagen deutlich distanziert. Thunberg nun vermeintliche Nähe zum Rechtsextremismus vorzuwerfen, ist wohl die Höhe aller Ironie. Das kann niemand ernst meinen – darüber würden selbst AfD-Politiker*innen lachen! Die Aussage, „[die Bundesregierung] hat es gerade so geschafft, ein paar alte Heizungen aus dem fossilen Betrieb zu nehmen“, ist auch sehr verkürzt dargestellt. Zur ganzen Wahrheit gehört hier wiederum, dass die Ampel bereits 38 % ihrer Koalitionsversprechen, darunter das 49 €-Ticket umgesetzt hat. Wer verkürzt Fakten darstellt und zum Schluss unzusammenhängend „Angst-Faktor Sarah Wagenknecht“ reinbringt, möchte selbst nur Angst und Sorgen schüren. Wo genau besteht da der Zusammenhang mit Fridays for Future als globale Bewegung?
Paul Hettler

So sehr ich Ihre sonstigen Artikel schätze, muss ich diesem aber vehement widersprechen. Die Aussagen von Greta Thunberg sind tatsächlich unsäglich und ihnen muss eindeutig und deutlich widersprochen werden. Allerdings ist Greta Thunberg eine schwedische Klimaaktivistin und kein Mitglied der Grünen. Aus diesem Grund ist es schlichtweg falsch, von ihren Aussagen direkt auf die Grünen zu schließen. Des Weiteren sind die Parallelen, die hier gezogen werden aus meiner Sicht verkehrt und entbehren teils jeglicher Grundlage. Da ist zum einen die Aussage, daß die klimapolitische Bilanz der Regierung in einigen wenigen abgeschafften fossilen Heizungen besteht. Tatsächlich wurden etliche klimapolitisch richtige und bereits wirksame Gesetzte auf den Weg gebracht und das „Heizungsgesetz“ scheiterte bekanntlich weniger an seinen handwerklichen Schwächen als an der FDP, die diesem zunächst zustimmte, es dann aber populistisch und medienwirksam torpedierte.
Des Weiteren kritisieren Sie die Beschäftigung mit „Kleinstfragen“ und die Behauptung von Markus Söder bzgl. des Verbotes der Luftballons, unterstellen dies den Grünen aber in demselben Satz. Das ist zum einen widersprüchlich und – wie gesagt – eine Unterstellung. Und dass die Leute nicht an ihrem Wohlstand hängen, wurde auch sicherlich nicht von den „konsumkompetenten Eliten“ behauptet, gerade im Gegenteil. Des Weiteren ist Kritik an Israel aufseiten der Linken genauso verbreitet wie in rechten Kreisen, wobei hier zwischen Kritik an der Regierung und Antisemitismus unterschieden werden muss. Hier liegt also eine Unschärfe vor, die man so nicht stehen lassen kann. Sie wollen auf die Überheblichkeit und das magere Ergebnis hinaus und das stimmt sicherlich in Teilen. Dazu gehört aber auch, dass die Grünen die einzigen sind, die eben nicht behaupten, dass wir nur auf klimaneutrale Energieumstellung umsteigen müssen und ansonsten so weiterleben können wie bisher.
Die Grünen beschäftigen sich des Weiteren mit sozialer Abfederung, werden aber von den Koalitionspartnern ausgebremst und jeder Hinweis auf den nötigen „Verzicht“ wird öffentlichkeitswirksam ausgeschlachtet. Dies sind die tatsächlichen Probleme und müssen auch so erwähnt werden. Die einseitige Darstellung sowie die meiner Ansicht nach falschen Aussagen in diesem Artikel sind dagegen eine weitere Facette des weit verbreiteten Grünen-Bashings und spielen lediglich denen in die Hände, die sich jedem Wandel gegenüber sperren.
Claudia Plötner

Ich denke, der Eindruck, es gehe um einen linken Gesellschaftsumbau, ist nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Für viele Linke heißt es „ganz oder gar nicht“, viele politisch weniger ambitionierte Wähler haben dagegen z.B. das Selbstbestimmungsgesetz mit ungläubigem Kopfschütteln zur Kenntnis genommen, und warten ungeduldig auf das eigentliche Versprechen der Grünen, nämlich die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen, an dessen stark verzögerten Umsetzung natürlich immer die andern schuld sind. Wer verlernt zu priorisieren, der wird mittelfristig in der Versenkung verschwinden.
Christian Voll

Grüne verkopft und fern der normalen Menschen. Das reicht eben nicht aus Visionen und die richtigen Klima-Ziele an den Mann, die Frau oder Diverse zu bringen. Das Leben und die grüne Politik sind nicht auf Augenhöhe mit der Realität in diesem Land. Nicht „Gendern“ „Vegan“ „Wertebasierte Politik“ und „Queer“ sind die Probleme der Mehrheit, sondern „Kinderarmut“ Altersarmut“ „Wohnungsnot“ und „Teuerungen“. Dann das agierende Personal. Beispielsweise Ricarda Lang mit einem typisch grünen Werdegang: Kreissaal, Hörsaal, Plenarsaal. Also keine Lebens- und Berufserfahrung und keine Bodenhaftung. Aber Ratschläge für all die welche mit ihrer Arbeit und ihren Steuern das Ganze am Laufen halten. Und nebenbei auch die Gelder erwirtschaften für die Diäten der Abgeordneten, der Ministerinnen und Minister und des Bundeskanzlers. Die Klimapolitische Politik der Grünen und die anvisierten Ziele sind nur noch ein schwacher Silberstreif am Horizont. Die Migrationsproblematik spaltet die Grünen wie ehedem der Zwist zwischen, Realos und Fundis. Allerdings ohne programmatische Ideen und ernsthafte Lösungsansätze. Das Progressive, das Fortschrittliche verliert sich mehr und mehr in der Tagespolitik der Ampel. Zudem ein identitäres Problem mit Gallionsfiguren der Klimapolitischen Leitbilder. Allen voran Greta Thunberg.
Eine mittlerweile 20jährige Schwedin die als Aktivistin mit „Friday for Future“ eine weltweit beachtete Kampagne gestartet hat, um auf eklatante Missstände im Bereich der Missachtung der rasanten Klimakatastrophe hinzuweisen. Aber offensichtlich hat bei Frau Thunberg das Ganze wohl zu einer „Kopferhitzung“ und zu einem schwerwiegenden Realitätsverlust geführt. Anders ist der Hinweis auf einen „Genozid“ durch Israel und die Täter-Opfer Umkehr nicht zu erklären. Da hat Greta wohl freitags im Geschichtsunterricht immer gefehlt, wenn über das „Dritte Reich“ den „Holocaust“ und die Gründung des Staates Israel gesprochen wurde. Frau Thunberg hat sich der Bewegung und ihrem Ansehen keinen Gefallen getan.  Israel ist kein „Musterknabe“ aber eine Selbstverteidigung des eigenen Staates, nach einem Terroranschlag mit 1.400 bestialisch ermordeten Toten und über 250 verschleppten Kindern, Frauen und Männern, ist doch selbstverständlich. Zahlreiche Tote Kinder, Frauen und Männer auf palästinensischer Seite sind und werden auch durch die Hamas in Kauf genommen. Der „Nahe Osten“, das ist wörtlich zu nehmen, brodelt und Frau Thunberg vergreift sich, Bar jeder Vernunft, mächtig im Ton.
Felix Bicker

Die Autorin verwehrt sich in ihrem Artikel gegen die Verwendung des Begriffs „Genozid“ im Zusammenhang mit den militärischen Maßnahmen der israelischen Regierung gegen die Hamas. Sie wirft Greta Thunberg und anderen „progressiven Linken“ „rhetorische Schuldumkehr“ vor, denn die Israelis betrieben schließlich Selbstverteidigung und keinen Genozid, wobei sie den Begriff polemisch-verkürzt als „vorsätzliche Auslöschung eines Volkes“ interpretiert. Diese Interpretation jedoch entspricht nicht dem geltenden Völkerrecht: Nach der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes von 1948 ist Genozid als Straftatbestand im Völkerstrafrecht durch die Absicht gekennzeichnet, auf direkte oder indirekte (sic!) Weise eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören. Eine solche indirekte und schleichende Zerstörung des palästinensischen Volkes haben die von Frau Raether gescholtenen „progressiven Linken“ im Blick, wenn sie von Genozid reden: Sie prangern die seit Jahrzehnten andauernden Vernichtungs- und Vertreibungstendenzen in Israel, in Gaza, auf der Westbank und Ostjerusalem an, wo Palästinenserinnen und Palästinensern alle politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen vorenthalten werden. Es wäre zu begrüßen, wenn in der derzeit so aufgeheizten Debatte Begriffe wie „Genozid“ (oder auch „Staatsraison“ und „Antisemitismus“) verantwortungsvoll und differenziert verwendet würden.
Wolfgang Fischer

Lasst endlich die Debatte zu! Wo anfangen angesichts dieser konsequent staatstragenden Berichterstattung einer deutschen Wochenzeitschrift mit großer kritisch-aufklärerischer Tradition? Vielleicht genau an diesem Punkt, also der bis zum Überdruss allgegenwärtigen deutschen Staatsraison in der veröffentlichten Meinung. Vielleicht mit einem Zitat: „Ihr Deutschen habt eure Verantwortung, die sich „aus dem Holocaust“ […] ergibt, längst verraten. Ihr habt sie verraten durch eure vorbehaltlose Unterstützung eines Israels, das besetzt, kolonisiert, den Menschen das Wasser wegnimmt, Land stiehlt, zwei Millionen Menschen im Gazastreifen in einem überfüllten Käfig gefangen hält, Häuser zerstört, ganze Gemeinschaften aus ihren Häusern vertreibt und die Gewalt der Siedler fördert.“ Diese Zeilen entstammen dem Kommentar der israelischen Journalistin Amira Hass, Tochter eines Holocaust-Überlebenden, veröffentlicht am 16.10.23 (also noch weit vor der Bodenoffensive) in der angesehenen Jerusalemer Tageszeitung Haaretz. Hass hat zweifellos eine klare Haltung in Bezug auf den israelisch-palästinensischen Konflikt. Eine Haltung, die man nicht teilen muss. Als Journalistin wurde sie im Laufe ihres langen Reporterinnen-Lebens mit Preisen überhäuft. Der Nahost-Konflikt ist ihr Lebensthema, kaum eine Journalistin kennt sich mit den Lebensverhältnissen der Palästinenser und Israelis wahrscheinlich besser aus.
Während die Medien in Deutschland fast unisono die These übernehmen, der grässliche Terroranschlag der Hamas sei durch nichts zu rechtfertigen, jeglicher Verweis auf den Kontext bereits eine antisemitisch motivierte moralische Entgleisung, die „israelische Reaktion“ hingegen per se durch das Selbstverteidigungsrecht gedeckt, unausweichlich, alternativlos und bezüglich der tausenden zivilen Opfer wiederum einzig durch die Hamas verschuldet, finden wir ausgerechnet im Mutterland dieses Konflikts und simultan zu seiner furchtbaren Eskalation erschütternde Berichte über das menschliche Leid auch der Palästinenser sowie eine harte öffentliche Debatte über den Sinn, die Folgen, die Legitimität dieses Krieges und die moralische Schuld nicht nur der Hamas, sondern auch des Staates Israels. Der Genozid-Vorwurf wird dabei nicht etwa empört oder kopfschüttelnd abgetan, sondern akribisch widerlegt: Genozid? Nein, sagt beispielsweise der israelische Menschenrechts-Anwalt Eitay Mack, es fehle der Beweis eines Vorsatzes, wie er nach der Völkermord-Konvention gefordert ist. Einschränkend fügt er allerdings gleich mehrere Dinge an: Es sei angesichts der erschreckend hohen Zahl ziviler Opfer im Gazastreifen, darunter zahlreicher Kinder, „verständlich, dass es Menschen gibt, die Israels Einhaltung des Völkerrechts infrage stellen“; Äußerungen wie die des Likud-Politikers Ariel Kallner, der am 7. Oktober twitterte: „Jetzt nur noch ein Ziel: Nakba! Eine Nakba, die die Nakba von 48 in den Schatten stellen wird“, seien Brandbeschleuniger für den Genozid-Vorwurf an Israel; in der Netanjahu-Regierung gebe es durchaus „Unterstützer von Terror, Völkermord und Apartheid“, gerade deshalb sei es so wichtig, dass Israels Kriegspläne durch die westlichen Länder unter der Führung von USA und Deutschland überwacht werden, da diese „niemals grünes Licht für einen Völkermord“ geben würden.
So viel Zweifel also, so viel Differenzierung selbst bei diesem Thema. Und dabei ist Mack in seiner Analyse auf neuralgische Punkte wie die anhaltende Besatzung, den Siedlungsbau und die Abriegelung des Gaza-Streifens sowie die akute, nun bald 4-wöchige Blockade aller überlebenswichtiger Güter gar nicht explizit eingegangen. Aber wenn die zwanzigjährige Greta Thunberg nun die Ansicht hat, was hier stattfindet, wäre womöglich doch ein Genozid, so ist das „Kopferhitzung“? Der israelische Menschenrechtsaktivist Michael Sfard attestiert Israel am 23.10. in Haaretz, es rase in Gaza gerade „in den moralischen Abgrund“: „Für uns Israelis haben die 75 Jahre des Flüchtlingsstatus, den wir Millionen von Palästinensern auferlegt haben, die 56 Jahre der Besatzung, die wir Millionen weiteren auferlegt haben, und die 16 Jahre der Belagerung, die wir Millionen von Palästinensern im Gazastreifen auferlegt haben, unsere moralischen Prinzipien erodiert. Sie haben eine Situation normalisiert, in der es Menschen gibt, die weniger wert sind. Viel weniger. […] Dies sind schreckliche Zeiten. Wir haben ein furchtbares Trauma erlebt, das von Menschen begangen wurde, die ihre Menschlichkeit verloren haben, und jetzt bombardieren, töten und hungern wir Menschen aus und verhärten vor allem unsere Herzen zu Stein. Moralische Verderbnis ist für unser Überleben nicht weniger gefährlich als die Hamas.“
Auch diesen Standpunkt muss niemand teilen. Aber sollten wir ihn deshalb als „moralisches Umwertungsmanöver“ brandmarken, wie das Jan Ross der Mehrheit der Staaten in der UNO- Vollversammlung unterstellt? Der unbestechliche Navid Kermani machte direkt nach dem Terrorangriff der Hamas darauf aufmerksam, das „Ja, aber“ sei konstitutiv für das Denken. Genau darauf hätten es die Terroristen abgesehen: dass wir alle aufhören zu denken. Israel ist ein zerrissenes Land. Es ist verwundet. Es ist gefährdet – von außen und vielleicht noch mehr von innen heraus (seine Feinde haben erkannt, dass dieser Staat sich nur selbst zerstören kann). Israel verteidigt sich, Israel führt einen grausamen Krieg. Aber noch gibt es dort Räume wie die Zeitung Haaretz, in denen öffentlich nachgedacht wird, in denen um das Verständnis der Situation und das richtige Handeln gerungen wird. Das macht Hoffnung. In diesen Tagen vermisse ich in den deutschen Medien das Denken. Leider auch in der ZEIT!
Tillmann Nöldeke

Frau Räther verlangt „gedankliche Umkehr“. Wohin soll die Umkehr denn gehen in Zeiten, in denen es heißer ist als je zuvor, Tausende durch Hitze oder Überschwemmungen sterben, klimabedingte Migration zunimmt? Warum verschweigt Frau Räther, dass Fridays for future sofort entschieden den Aussagen Greta Thunbergs widersprochen haben? –  dass der Ausbau der Erneuerbaren über Plan liegt? – dass die Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt erleichtert wird?  Klimapolitik ist in ganz Deutschland das Ringen um lebenswerte Städte, PV und Windräder statt Kohleverbrennung und der Einsatz gegen Massentierhaltung. Wohin also sollen wir umkehren, Frau Räther?
Mechthild Dierlamm-Harth

Wenn man Debatten auf Hypes statt auf Tatsachen aufbaut, dann kann das nur schiefgehen! Frau Thunberg ist ein Hype (Hype = aus Gründen der Publicity inszenierte Täuschung)! Wenn man genau hingesehen hätte, wäre man nie auf die Idee gekommen, sie als Aktivistin zu bezeichnen, wie auch, sich mit einem Schild vor ein Parlament zu setzen und dies als Aktivität zu bezeichnen? Ein glatter Fake die Bootsfahrt über den Atlantik. Ein Millionen teures Alu-Boot vom Fürstentum Monaco, dem Hotspot der Klimaschädigung, gesponsert als leuchtendes Beispiel der Nachhaltigkeit dem geneigten Publikum zu verkaufen, konnte nicht mehr übertroffen werden. Spätestens bei „How dare you“ war der Hype überzogen. Man wollte das alles nicht sehen, zu süß war die kleine, zarte Person vor dem Parlament in Stockholm! By the way, ich habe Ihren Artikel dreimal gelesen und fand ihn immer besser.
Peter Janssen

An Ihrer Zeitung hatte ich immer den differenzierten, objektiven Journalismus geschätzt, der nicht niedermacht, destruktiv ist und polarisiert. Vergleichbar Pauschaliertes wie in dem Artikel „Kopferhitzung“ auf der 1. Seite der ZEIT vom 2.11.23habe ich in Ihrer Zeitung noch nicht gelesen … Eingangs möchte ich erwähnen, dass ich selbst Teil der Klimabewegung bin – speziell organisiert bei den Omas For Future Berlin und auch Mitglied von Greenpeace, NABU, BUND, NaturfreundInnen und mich zwangsläufig von dem Artikel diskreditiert fühle. (Ich möchte mich zu dem Nahost-Drama nicht inhaltlich äußern, da ich von diesem hochkomplexen Thema zu wenig verstehe und mich damit besonders emotional überfordert fühle. Schon genug Menschen haben mit z.T. unreflektierten Meinungsäußerungen und fehlender Expertise „Unheil“ angerichtet und m.E. hätten sie besser geschwiegen ….das trifft auch speziell auf das Statements von Greta Thunberg zu – als hätte die Klimabewegung nicht genug eigene wichtige Themen zu bearbeiten…).
Ich finde erstaunlich, wie sie in wenigen Zeilen von Greta Thunberg und Klimabewegung über Holocaust, Schuld, Rhetorik, Rechten, Überheblichkeit, Besessenheit, Markus Söder, die Linken und Grünen im Allgemeinen, zu Migrationspolitik und Sahra Wagenknecht im Besonderen kommen und daraus eine Niederlage aller progressiven Kräfte auf allen Ebenen herleiten. Das ist schon wiederum genial so einen großen Bogen und Rundumschlag gegen die Linken und Grünen zu starten – denn sie sind ja alle gleich; alle gleich „links-grün versifft“ – danke für diese differenzierte Sichtweise!!!!! Danke für Ihre ermutigenden Worte zum attestierten Zerfall der Klimabewegung und zu „unseren“ Niederlagen. Jetzt Spaß beiseite: Den Zerfall der Klimabewegung in der Überschrift zu proklamieren – ohne Relativierung – empfinde ich als Schlag ins Gesicht aller engagierten Menschen und eine kühne Hypothese. M.E. sind die Schlussfolgerungen, die sie aus Tatbeständen ziehen vorschnell geurteilt, undifferenziert, falsch und auf das Negative fokussiert.
Wie Sie vielleicht wissen, ist Frau Thunberg keine ausgewiesene Expertin in Sachen Nahostkonflikt und auch nicht von der gesamten Klimabewegung legitimiert ein Statement zu Israel/Gaza/Palästina abzugeben. (Die deutsche Sektion der Fridays For Future hat zu der Gewalt in Nahost eine andere Meinung und betont, dass Gretas Äußerungen ihre persönliche Meinung darstellen und nicht für die gesamte Bewegung stehen. Leiten Sie daraus eine „Kollektivschuld“ der Klimabewegung ab?). Greta hat viel angestoßen – trotz oder gerade wegen ihrer persönlichen Besonderheiten. Sie ist jung und da frage ich mich, wieso sie als kritische Zeitung einzelne Aussagen so „hochjazzen“ und daraus so weitreichende Schlüsse ziehen wie gleich den Zerfall der Klimabewegung zu attestieren.
Thunbergs jugendliche „Unbedarftheit“ (die ich ehrlich gesagt auch als problematische Selbstüberschätzung werte) gleich mit linker Überheblichkeit gleichzusetzen bzw. im Absatz davor, sie in die rhetorisch rechte Ecke zu stellen, finde ich nur geschmacklos. Ich finde es zudem peinlich und niveaulos einen offensichtlichen „Fehltritt“ einer einzelnen Person – die zwar im Rampenlicht seht – mit so viel Häme auszuschlachten und daraus weitreichende Prognosen abzuleiten. Meine ernstgemeinte Frage: Ist diese Mitteilung – Greta teilt antisemitische Texte – es wert auf der 1. Seite Ihrer Zeitung zu erscheinen? Eine autistische junge Frau vertut sich politisch, sagt etwas wenig Durchdachtes. Auch an dieser Stelle wäre Schweigen die bessere Option! – und ebenso etwas mehr Wohlwollen.
Ist es wirklich ihre Absicht dieses Thema – das nichts mit der Klimafrage zu tun hat – so hoch zuhängen und dem progressiven Teil der Gesellschaft durch Verquickung aller möglichen Problemfelder nachhaltig zu schaden? Nur weil die Linken oder die Grünen oder sonstige progressive Menschen – beziehungsweise Einzelne aus diesen Gruppen – auch Fehler machen, können sie daraus keine Bankrotterklärung aller progressiven Kräfte ableiten und uns (den Mitgliedern obengenannter Gruppen) noch dazu die Fähigkeit zur Selbstreflexion absprechen. An ihre Verantwortung als Journalisten muss ich sie wohl nicht erinnern: dieser Artikel ist m.E. In erster Linie destruktiv.
Annette Mährlein

Auch wenn die Krise des Progressiven nicht abzustreiten ist, so gehen die klimapolitischen Verdienste der Regierungskoalition doch deutlich über den bloßen Austausch einiger Heizungen hinaus. In den Bereichen Wind- und Solarenergie wurden echte Paradigmenwechsel vorgenommen, die über lange Jahre nicht denkbar waren. Die erneuerbaren Energien sind dabei der Kern der Klimapolitik, denn ohne sie würde die Elektrifizierung von Verkehr und Wärme keinen Fortschritt bringen. Vielleicht ist aber auch das wieder bezeichnend für manche Progessive, dass sie reale Fortschritte nicht als solche anerkennen wollen, sondern sich in Zielvorstellungen und polarisierenden Debatten wohler fühlen.
Thomas Lingemann


Leserbriefe zu „Wie ich einen Tag lang richtig absahnte“ von Luisa Jacobs

In Ihrem Artikel “ mit diesem reißerischen Titel schreiben Sie, dass der Ust-Satz für Fleisch und Gemüse 7% bzw. 19% sei. Dies ist falsch: im Handel haben beide Lebensmittel den gleichen reduzierten Ust., auch im Restaurantumsatz wird beides mit 7% gleich besteuert. Der reduzierte Ust-Steuersatz im Restaurant gilt seit 2020. (Wobei man sich über die Sinnhaftigkeit sicher streiten kann.) Sie publizieren mit Bild prominent schlecht recherchierte Fakten und leisten so auch in Ihrem Artikel einen großen populistischen Beitrag zum Überschwemmen der User mit Fake-News, enttäuschend. Die Zeit steht sonst immer auf der Seite der Mahner, insbes. vor dem schnellen, populistischen Fake-News-Journalismus. Noch einmal enttäuschend.
Sabine Wotha

Die Bildunterschrift auf der Seite 35 unter dem Fleischteller ist falsch. Gemüse wird wie Fleisch in Deutschland mit 7% MWSt versteuert, nicht wie angegeben mit 19%.
Josef König

Sie gehen von durchschnittlich 2,5 Litern Kerosin pro Passagier pro 100 Kilometer aus. Das ist viel zu günstig gegriffen, denn es handelt sich laut Lufthansa um eine Kurzstrecke damit, An- und Abflugroute ca. 700 km. Lufthansa rechnet hierfür mit einem Verbrauch von 5,89 Litern Kerosin pro Passagier pro 100 Kilometer. Die von Ihnen eingestrichenen Subventionen sind also mehr als doppelt so hoch! https://www.lufthansagroup.com/de/verantwortung/klima-umwelt/klimaschutzziele.html#:~:text=
Der%20spezifische%20Treibstoffverbrauch
%20liegt%20bei,%2C05%20l%20%2F%20100pkm).
Klaus Siersch

Wäre diese Superökologin mit Bus und S-Bahn zum Flughafen gefahren, die beide sowieso fahren, so wie ich das mache, hätte sie wirklich etwas für die Umwelt getan. Wie mir überhaupt immer wieder auffällt, dass ZEIT-Reporter auch noch selbst zugeben, dass sie mit dem Taxi durch Berlin brettern, statt den ÖPNV zu nutzen und dabei noch mein und das Geld aller Leser verplempern, das wir für die ZEIT bezahlen. Sollen sie das doch bitte selbst bezahlen und nicht als Reisekosten abrechnen!
Detlef Rein

Ihr Artikel „Wie ich einen Tag lang richtig absahnte“ im Green-Ressort ist leider in Teilen falsch. Zwar entsteht bei der Verbrennung von einem Liter Diesel mehr CO2 als beim Verbrennen von einem Liter Benzin (2,65 Kg vs. 2,37 Liter; +12%). Allerdings stoßen Dieselfahrzeuge nicht mehr C02 pro gefahrenen Kilometer aus, wie im Artikel behauptet, sondern aufgrund ihres höheren Wirkungsgrads und damit geringeren Verbrauchs von ungefähr 20%, sogar deutlich weniger (-10,5%). Das ist übrigens nicht das erste Mal, dass diese Fehlinformation in der Zeit steht. Es ist zwar richtig, dass die Schweiz auch einen normalen und reduzierten Umsatzsteuersatz hat wie Deutschland. Nur betragen diese Sätze in der Schweiz nicht wie im Artikel geschrieben 7 bzw. 19%, sondern 2,5 bzw. 7,7%.
André Sonst

„Ich bin gekommen, um selbstgerechte Vielflieger zu konfrontieren, stattdessen finde ich mich in der Rolle als Aufklärerin wieder“. Ist das das neue journalistische Selbstverständnis der Zeit? Schade um die CO2 Emissionen, die Luisa Jacobs auf ihrem Flug nach Zürich produziert hat für einen Text, der zwar keinen Erkenntnisgewinn vermittelt, dafür aber sehr viel selbstgefällige Haltung. Um mit Ihrer Autorin zu sprechen: Vielen Dank auch, liebe Zeit.
Christof Balkenhol

In Ihrem Artikel nennen Sie niedrige Steuersätze Subventionen. Also subventioniert der Staat die Arbeitnehmer, da er ja keine Einkommensteuer von 100% erhebt? Ehrlich gesagt, auch ich fände eine Besteuerung von Kerosin im gleichen Maße wie andere fossile Brennstoffe auch angemessen. Doch Ihr Artikel erscheint mir als ziemlicher Rundumschlag gegen alles, was sie als klimaschädlich sehen, dabei fehlen allerdings an manchen Stellen Beweise beziehungswiese Quellen, dass das wirklich so ist. So stoßen Dieselmotoren bei gleicher Motorleistung weniger CO2 aus als Benziner.  https://eur06.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.quarks.de%2Ftechnik%2Fmobilitaet%2Fwas-ist-umweltfreundlicher-benzin-oder-diesel…  Grund (und wohl auch Rechtfertigung vor der Umwelt und Leserschaft) für Ihre Reise ist ja der Kongress mit dem Thema Wasserstoff und Erdgas. Doch was sind die von Ihnen zitierten Subventionen auf fossiles Gas abgesehen von der Gaspreisbremse?  Zu guter Letzt die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel; in verzwicktes Thema.
Die Betrachtung der Verhältnisse in Deutschland und der Schweiz in einem Absatz machen es nicht einfacher. In Deutschland zahlt man auf Speisen in der Gastronomie aktuell 7% Mehrwertsteuer.  https://eur06.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.ihk.de%2Fkoeln%2Fhauptnavigation%2Frecht-steuern%2Fmwst-senkung-fuer-die-gastronomie-bis-ende-2022-verlaengert–5114170&data… Eine Ausnahme für Gemüse ist mir nicht bekannt. Und auf meinem heutigen Kassenbon aus dem Supermarkt steht für Äpfel und Gelbe Rüben auch ein Steuersatz von 7%.  Alles in allem wird Ihr Artikel alle die bestätigen, die schon so denken wie Sie und Fleisch und Diesel als grundsätzlich böse ansehen. Andersdenkende werden Sie wohl ohne fundierte Argumente und mit den genannten un- oder halbrichtigen Aussagen eher nicht überzeugen.
Christoph Schröder

Ich habe gerade den Artikel von Luis Jacobs gelesen und festgestellt, dass sie wohl noch mit alten Werten und Vorurteilen arbeitet. Durch den guten Wirkungsgrad verbraucht mein Diesel EURO6 deutlich weniger als ein gleichwertiger Benziner und stößt damit auch weniger CO2 aus. Der Katalysator sorgt für weniger NOX und das Feinstaubfilter sorgt für weniger Feinstaub als ein Benziner. Das Auto ist umweltfreundlicher als ein Benziner. Erstaunen wird sie die Überlegung, dass im Winter die E-Autos heute zu einem Zusatzbedarf führen, der aus konventionellem Strom gedeckt werden muss. Das konventionelle Kohlekraftwerk hat einen Wirkungsgrad von ca. 50%. Bei der Verteilung gehen 15 % verloren und der E Moor hat einen Wirkungsgrad von 90%. Damit ist der Primärbedarf im Winter etwas gleich ob e Auto oder Diesel. Das ändert sich erst wenn im Winter mehr alternativer Strom erzeugt wird.
Ulrich Hauser

Bevor Sie die Debatte mit unzutreffenden Behauptungen zu umsatzsteuerlichen Sachverhalten nach deutschem Recht bereichern, würde ich empfehlen, sich vorab mit jemandem zu beraten, der sich beruflich mit der Sache befasst. Mit Ihrem Steuerberater zum Beispiel. Die von Ihnen behauptete umsatzsteuerliche Privilegierung des Fleischverzehrs im Restaurant existiert nicht. Für Restaurantdienstleistungen gilt einheitlich der ermäßigte Steuersatz von 7 %, unabhängig davon, ob es sich um karnivore, vegetarische oder vegane Verpflegung handelt. Lediglich Getränke werden mit dem Regelsatz von 19 % belastet. Nachzulesen in § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG.
Holger Grünewald

Ich schätze die ZEIT wegen ihres Qualitätsjournalismus. Nun jedoch bin ich stark irritiert, in der Ausg.46, vom 2.11.23 in der Rubrik „Green“ auf S. 35 in Artikel „Wie ich einen Tag lang richtig absahnte“ plakativ eine offensichtliche Falschaussage zur MwSt. auf Gemüse gegenüber Fleisch, zu sehen (s. Fotoausschnitt). Ein kurzer Blick auf den Kassenzettel beim Einkauf hätte dies leicht verhindern können. So jedoch wird Wasser auf die Mühlen von Populisten gegossen, die von Lügenpresse schwadronieren. Durch etwas mehr Sorgfalt hätte dies vermieden werden können.
Franz Schawo

https://www.gesetze-im-internet.de/ustg_1980/anlage_2.html, vom Bundesfinanzministerium, für jeden lesbar! Für alle Gemüse außer Süßkartoffeln zahlt man in Deutschland 7% MWSt.! Gemüse sind Grundnahrungsmitteln und deshalb wie Fleisch mit reduziertem MWSt. zu berechnen. Die Aussage wie unter das Bild „auf Gemüse dagegen 10 Prozent“ ist falsch! Allgemeine vegane Produkte sind auch mit 7% MWSt. versehen außer Hafer Milch und ähnlichen, gleiche Absurdität wie für Mineralwasser. Aus Ausnahmen eine Regel zu machen ist nicht richtig. Für mich wäre 0% auf Gemüse, Obst, Wasser richtig. Weiter 7% auf Fleisch auch, Grundnahrungsmitteln sollten weiter begünstigt werden.
Chantal Deiss

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte – aus dem o.g. Artikel ist mir die Bildunterschrift mehr als haften geblieben. Dort stand, dass in Deutschland auf Steak 7% MwSt fällig werden, auf Gemüse hingegen 19%. Im danebenstehenden Artikel findet sich diese Aussage nicht, trotzdem blieb sie mir im Gedächtnis haften. Ich habe dann ganz erbost meine letzten Einkaufszettel durchgeforstet. Auf den Bons steht hinter jeder Einzelposition das Kürzel für den fälligen Steuersatz. Zum Fleisch kann ich nichts sagen, da ich in der letzten Woche keins gekauft habe. Für Muscheln wurden 7% MwSt veranschlagt. An Gemüse hatte ich in der letzten Zeit Tomaten, Gurken, Sellerie, Paprika und Möhren gekauft – alles mit 7% MwSt, nur für Süßkartoffeln wurden 19% abgeführt. Jetzt frage ich mich, wie es zu dieser (in meinen Augen polemischen) Bildunterschrift bei Ihnen kommen konnte.
Astrid Kaatz

Mittels Wagenburg-Mentalität fällt es schwer, Denkmuster und somit unser Verhalten umzukehren. Zornig verwies der Herr die Unbotmäßigen des Paradieses. Eva weinte bitterlich, während er sprach: „Gehet hin und lernt Demut, indem ihr euch der Erde untertan macht“. Eva, immer noch schluchzend, fragt Adam: „Was hat er noch gesagt?“ Der Erbsünde-Adam tröstet sie: „Er befahl uns: Nehmt die Erde in Besitz und macht euch alle Kreatur untertan“. Frohgemut fällten sie den Baum der Erkenntnis. Aßen die süßesten Früchte – und lernten Reue kennen, dass Übermaß selten nur guttut und alles, was oben reinkommt, unten raus muss.  Machten sich gegenseitig Vorwürfe und lernten Streit kennen. Erleichtert schritt Adam mutig vornweg, darauf hoffend, dass sie seine Verunsicherung und Unwahrheit nicht spürt. Sie dackelt hinterher, weil Einsamkeit weher tut als Misstrauen. Mangels Erkenntnis-Nachschub blieb nur geistige Inzucht, was bis zum heutigen Tag auf 99 mit Dösbaddel-Neigung einen mit genialen Ansätzen hervorbringt. Deswegen ist unser Geist meist willig und das Fleisch schwach, wenn wir uns vornehmen, eifrig zu üben, um meisterlich zu werden, was zur Folge hat, dilettantisch mit dem Hintern einzureißen, was viele aufbauten. In diesem egozentrischen Winkeladvokaten-Besitzdenken nimmt es nicht wunder, dass wir Pflugscharen zu Schwertern umschmieden, damit wir eifernd übereinander herfallen und den Verlierern spotten können. Diese Fabel beinhaltet zwar Ansätze des Raubbau-Themas, verlangt Mitdenken der Zusammenhänge, zeigt aber auf, warum es uns so schwerfällt, aus Schaden klug zu werden.
Andreas Weng

Der Mehrwertsteuersatz für Gemüse beträgt 7%! Es irritiert mich sehr, wenn der ZEIT solch simple Fehler passieren. Ich frage mich dann, ist alles so schlimm.
G. W. Schuler


Leserbriefe zu „Frei bleibt frei“ von Erich Pohlreich

Vollkommen richtiges Urteil, sowohl von Ihnen als auch vom Bundesverfassungsgericht! Der Rechtsstaat, die Rechtssicherheit und der Rechtsfrieden sind wichtiger als der schwammige Begriff der „Gerechtigkeit“. Das rechte Pack lauert doch schon auf eine derartige „Slippery Slope“.
Thomas Manthey

Der tatsächliche Mörder kann darauf vertrauen, dass seinem Prozess mit Freispruch kein zweiter in gleicher Angelegenheit folgt. Seine Lebensplanung ist gesichert, Angst vor erneuter Verfolgung bleibt ihm erspart, mit staatlicher Garantie. Er lebt weiter mit all seinen Phantasien und mörderischen Fähigkeiten mitten in unserer Gesellschaft. Er darf darauf vertrauen, dass seine Dementi und Lügen, die zu seinem Freispruch beigetragen haben, lebenslängliche Bestandskraft haben. Ein tatsächlich schuldfreier, dennoch verurteilter, wird unter dem Eindruck neuer Erkenntnisse umgehend aus der Haft entlassen und rehabilitiert. Das ist natürlich richtig, aber warum trifft die Kraft neuer Erkenntnisse nicht den Täter in gleicher, umgekehrter Konsequenz? Das entlastet die Angehörigen der Opfer! Der entlastete Mörder aber kann sich im Rahmen seiner Lebensplanung beispielsweise um eine Anstellung im Öffentlichen Dienst bewerben unter Vorlage eines tadellosen Polizeilichen Führungszeugnisses. Er könnte Richter werden! …
Bernd Kropfgans

Mir erscheint dieses Urteil falsch, seine Begründung unverständlich. Wieso wird jemand, der trotz dringenden Tatverdachts freigesprochen wird, möglicherweise „zweimal bestraft“? Ist ein Freispruch eine Strafe? Er wird doch dann, wenn er der Täter ist, sogar „belohnt“, nämlich dafür, dass er zu der Tat geschwiegen, gelogen bzw. diese geleugnet hat.  Und wieso dient dieses Urteil der Rechtssicherheit? Besteht nicht vielmehr ein Maximum an Unsicherheit, wenn jemand aus Mangel an Beweisen freigesprochen werden muss, obwohl gewichtige Gründe für seine Täterschaft sprechen und das Gericht massive Zweifel an seiner Unschuld hat? Sollte man diese Unsicherheit nicht zu beheben versuchen, wenn dies mit Hilfe neuer Indizien oder Untersuchungsmethoden möglich ist?
W.-R. Heilmann

Wie sieht es aus, wenn man die Argumentation von der anderen Seite betrachtet? Mit denselben Argumenten muss es dann doch auch heißen: Verurteilt bleibt verurteilt. Dann müsste jemand dem ein Mord zur Last gelegt wurde, und der, obwohl die Leiche verschwunden bleibt, zu lebenslänglich verurteilt wurde, auch dann noch einsitzen, wenn die „Leiche“ nach Eintreten der Rechtskräftigkeit des Urteils munter und quicklebendig wieder auftaucht. Der Delinquent könnte begnadigt werden, aber ein verurteilter Mörder bliebe er dennoch. Obwohl der Mord nie stattgefunden hat. Das kann man so machen, aber dann streicht bitte das Wort „Gerechtigkeit“ ersatzlos aus dem Duden.
P.S. Will irgendwer ernsthaft behaupten, dass niemals jemand zu Unrecht verurteilt wurde?
Hans List

Sechs von acht Richtern am BVerfG haben Cesare Beccaria offenbar nicht verstanden. Sie begründen ihre Entscheidung „…zugunsten der Rechtssicherheit gegenüber der materialen Gerechtigkeit.“ So der Wortlaut des BVerG am 31.10.2023, Akz. 2 BvR 900/22. Entsetzliches aus Karlsruhe in einer entsetzlichen Zeit der Unsicherheit! Das BVerfG hat mit seiner Entscheidung grob gegen Art. 97 Abs. 1 GG („…Richter sind nur dem Gesetz unterworfen.“) verstoßen. Richter sind demnach nicht Gesetzgeber. Das BVerfG begründet seine Entscheidung, nicht dem Wortlaut des Art. 103 Abs. 3 GG folgen zu wollen, ausgerechnet mit dem Begriff der Rechtssicherheit.
Wesentlich an diesem Begriff ist jedoch, dass die BürgerInnen sich auf den Wortlaut der Gesetze, also auch auf Art. 103 Abs. 3 GG, verlassen können. Dessen Text ist eindeutig und bedarf gewiss keiner Auslegung: „Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.“ Fakt ist: Ein Jahr zuvor erfolgter Freispruch war keine Bestrafung. Der Täter wäre also mit einer später erfolgten Verurteilung wegen Mordes nicht ein zweites Mal bestraft worden. Bereits im Jahre 1764 hat Cesare Beccaria die „Auslegung der Gesetze“ als „gefährlich“ bezeichnet, denn: Der „Ungewissheit wird Tür und Tor geöffnet“. Daher sei den sechs Richtern das weltweit beachtete Werk Beccarias „DEI DELITTI E DELLE PENE“, insbesondere Paragraph IV empfohlen. Ob der Art. 103 Abs. 3 GG gefällt oder nicht – das ist eine Frage, die nur im Bundestag geklärt werden kann. Nur dort werden die Gesetze gemacht.
Bert Steffens

So einfach, wie gedacht, ist die Sache freilich nicht. Im Mordfall Friederike v. Möhlmann war nicht ein neues Indiz „aufgetaucht“, sondern ein unwiderlegbarer naturwissenschaftlicher Beweis aus den vorhandenen Asservaten gesichert worden. Was bei anderen „cold cases“ ein Durchbruch zur Gerechtigkeit wäre, führte hier zu einem massiven Problem: die DNA gehörte zu dem in diesem Fall rechtskräftig vom Landgericht Stade freigesprochenen Ismet H. Die Möglichkeit, hier die Gerechtigkeit wieder herzustellen, war die jetzt Vom Verfassungsgericht aufgehobene Norm in der StPO. Begründung: „ne bis in idem“, die unweigerlichen Verweise auf die Doppelbestrafungen im NS-Staat und Rückwirkungsverbot und Wahrung des Rechtsfriedens.
Dazu lässt sich Folgendes sagen.  Erstens. In einigen Ländern mit lupenreiner demokratischer Geschichte gibt es derartige Rechtsvorschriften: z.B. England. Dort war es nach Freisprüchen später zu massiver Opferverhöhnung gekommen, sodass in diesen sehr seltenen Ausnahmefällen „ne bis in idem“ seine Grenze hat. Interessanter Nebenaspekt: in England wird es dagegen keine Verfassungsbeschwerde geben – es gibt dort keine geschriebene Verfassung –. Bevor sich jetzt jemand darüber empört: das englische System hat sich in vierhundert Jahren als wesentlicher resilienter als das unsrige erwiesen. Zweitens. Das Rückwirkungsverbot ist seit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen ebenfalls in solchen Ausnahmefällen zweitrangig. Drittens. Als ob mit einer Verfassung wie der unsrigen eine Diktatur zu verhindern wäre. Im Gegenteil: Juristen haben als erste der NS-Diktatur ein legales Mäntelchen umgehängt. Viertens. Mit Rechtsfrieden ist vorrangig „Juristenfrieden“ gemeint, nämlich keine Verantwortung für eklatante Fehlurteile tragen zu müssen. Ein wenig wie Opferverhöhnung wirkte auf mich die Bemerkung während der Urteilsverkündung „ ..das mag für die Angehörigen schmerzhaft sein…“  Mag?
Dieter Waldschmidt

Aus einem Verbot der mehrmaligen Bestrafung im Artikel 103 nun ein Verbot der erneuten Strafverfolgung zu machen, gleicht einer Rechtsbeugung. Und das auch noch durch das Bundesverfassungsgericht! Dem Täterschutz wird ein höherer Stellenwert eingeräumt als dem Opferschutz und dessen Angehörigen. Wie soll da der Bürger Vertrauen in den Rechtsstaat bekommen, wenn ein frei herumlaufender, mittels DNA eindeutig überführter Mörder einer erneuten Strafverfolgung nicht ausgesetzt werden darf? Die Quittung kommt leider bei der nächsten Wahl! Und übrigens: Wenn schon „Frei bleibt frei“ gilt, gilt dann auch „inhaftiert bleibt inhaftiert“? Oder darf man bei Inhaftierten das Verfahren neu aufrollen?
Martin Krivacek

Im Dienste der Rechtssicherheit erlebt die Gerechtigkeit ihre Totalentwertung. Artikel 103 GG wird umfantasiert vom Verbot der tatsächlichen doppelten Bestrafung zu dem der doppelten Untersuchung und Bewertung.  Und Strafen überhaupt: am besten nur zur Täter-Resozialisierung.  Dabei geht es um schwerste Straftaten, die Opfer physisch und Angehörige psychisch zerstören.  Aber was sind diese Zerstörungen, wenn keine maximale „Antastung“ menschlicher Würde?  Und wird deren Unantastbarkeit nicht durch Artikel 1 GG zum höchsten Wert und Recht erhoben?
Anerkennung des Gewaltmonopols des Staates setzt seine (Selbst)Korrekturfähigkeit voraus, z.B. Wiederaufnahmen, und die Anerkennung des Genugtuungsanspruchs von Opfern.  Borniertes Mokieren elitärer Rechtsästheten in Gerichten und Universitäten über kleinbürgerlichen Verfolgungsfuror und Bestrafungslust befeuern sie nur.  Oder, so zynisch wie der BVG-Spruch: Die Vermeidung privater Vergeltung bedarf attraktiver Angebote des strafenden Staates.  Sonst könnte noch jemand auf die Idee kommen, Verfassungsrichter seien selbst Verfassungsfeinde – und endlich hätte man das ersehnte Artikel-20-GG-Szenario.
Andreas Patyk

Mit Entsetzen und Fassungslosigkeit habe ich die Entscheidung des BVG verfolgt. Die Erklärungen des Gerichts haben mich in keinster Weise überzeugt. Diese Entscheidung widerspricht nicht nur dem gesunden Menschenverstand und Gerechtigkeitsempfinden, sondern bedeutet tatsächlich, dass ein einmal freigesprochener Mörder für den Rest seines Lebens unbehelligt weiterleben darf, egal welche neuen Beweise – Beweise, keine Verdächtigungen! – vorliegen sollten. Müsste es konsequenterweise dann nicht auch dazu führen, dass ein zu Unrecht Verurteilter im Nachhinein nicht mehr freigesprochen werden kann? Die Ausführungen Ihres Autors überzeugen mich daher ebenfalls nicht. Wie um Himmels Willen kann er behaupten, dass die Angehörigen eines Mordopfers besser mit einem Fehlurteil leben könnten als mit einer Wiederaufnahme des Verfahrens und einer späteren Verurteilung? Gibt es keine Möglichkeit, die Entscheidung des BVG zu korrigieren oder wäre das für die Verfassungsrichter eine unzumutbare Belastung?
Oliver Arndt


Leserbriefe zu „Wird Studieren unbezahlbar?“ von Anja Reiter

Schon der Tenor stimmt nicht, deplatziert die durchschimmernde Larmoyanz. Allenthalben wird über die Ausbildungslücke räsoniert, es gibt zu wenig Bewerber im dualen System, die Uni das Sehnsuchtsziel. Handwerksbetriebe loben schon „Fangprämien“ aus, um Nachwuchs zu gewinnen. Wenn nun aus finanziellen Gründen die Attraktivität des Studiums leidet, ist das sogar wünschenswert. Ein natürliches Regulativ des Marktes, zumal statt rückzahlbaren Bafögs zT. stattliche Ausbildungsvergütungen winken. Die Botschaft müsste lauten: Geselle oder Meister sind genauso wichtig wie die Hochschule und haben Zukunft.
Christoph Schönberger

Nein, wird es nicht, wenn man vermögende Eltern hat. Der Nachwuchs der anderen möchte zwar gerne studieren, gibt aber Plan auf angesichts steigender Preise und Mieten. Das Bafög hält nicht mit. Da entscheidet sich man gegen die Uni, weil das Geld fehlt. Das Bafög muss man eh zurückzahlen mit oder ohne Abschluss. Mein Rat, zu Hause wohnen bleiben wie als Schüler, soweit zur Miete. Dann sollte man sich an der nächstgelegenen Uni immatrikulieren wegen der Transportkosten. Und als Werkstudent mit verdienen in den Semesterferien. Es gibt auch Stipendien wie Studienstiftung und Erasmus. Aber die sind für sogenannte Hochbegabte, und nicht für den Normalo Studi. Also Augen zu und durch. Nach dem Abschluss die Jobsuche. Personaler schätzen den Elan, mit dem der Aspirant sein Studium ermöglicht hat. Aus dem könnte was werden, bei dieser Zielstrebigkeit. So ist mir selbst ergangen vor 45 Jahren. Studieren ist eben für viele hartes Brot.
Hans-Emil Schuster

Das Gejammere über studentische Armut kann ich nicht nachvollziehen. “Volljährige haben in einer wohlhabenden Gesellschaft…das Recht einen unterhaltlich abgesicherten Start“ bezahlt zu bekommen.  Mir fehlt hier zunächst der Blick auf die Nicht-Studierenden und Auszubildenden, die keine 5 Monate im Jahr frei haben für Nebenjobs. Auch diese haben Prüfungen zu leisten, und sind eher von Arbeitslosigkeit und Altersarmut bedroht. Für diese andere Zukunft der Studierenden lohnt es sich, ein paar Jahre kürzer zu treten. Bei der Mietklage fragt man sich, ob die Studienstädte München und Berlin mit ihrem teuren Wohnungsmarkt unbedingt sein müssen, oder ob hier nicht eher die Freizeit- und Wochenendangebote mit den teuren Discos und Kneipen locken? Klagen über steigende Mieten und die Inflation treffen doch zuallererst die Auszubildenden mit ihrem geringen Lehrlingsgehalt, die am Existenzminimum lebenden Rentner und Familien mit mehreren Kindern.
Dass es mit der studentischen Armut nicht so weit her sein kann, sieht man an der Zusammensetzung der Besucher der teuren Festivals, den am Wochenende gefüllten Diskotheken und anderen Freizeitevents, und den Weltreisen der Studierenden, die trotz „Armut“ zuhauf möglich sind. Wenn das Studium so in die Armutsfalle führen würde, wieso dann der große Zuspruch auf das Studium, warum werden duale Studiengänge selten gewählt, warum sind Fachausbildungen so in Misskredit geraten? Ein wenig Zeit des sich Einschränkens, der Mäßigung erdet und schadet nicht, da die Aussicht auf akademische „fette“ Zukunft weiter besteht. Wenn diese tatsächlich nicht mehr eintreten sollte, dann „gute Nacht“ für die anderen.
Alois Lienhard

Was den Erhalt von finanzieller Unterstützung nach BAföG gegenwärtig noch komplizierter gestaltet, ist folgender Umstand: Bei einigen Studierendenwerken stapeln sich die Anträge, können aber wegen Krankenstands und Unterbesetzung nicht bearbeitet werden. Laut inoffizieller Auskunft einer Mitarbeiterin in Bielefeld etwa wird vielleicht zum Ende November wieder eine größere Anzahl bearbeitet sein. Den Erstantrag für unseren Sohn habe ich Ende August eingereicht, seinen WG-Mietvertrag hat er erst Ende Oktober bekommen, da eigentlich die Vorlage seines BAföG-Bescheids eine Bedingung dafür ist. Der Mietvertrag wiederum ist für einen vollständigen BAföG-Antrag erforderlich. So mussten wir eine Bürgschaftserklärung für unseren Sohn abgeben, den Mietvertrag dem Amt für Ausbildungsförderung nachreichen und den Höchstsatz nach BAföG, den unser Sohn wohl erhalten wird, zunächst für das letzte Vierteljahr 2023 vorstrecken. Das ist allerdings nicht überall möglich, wo der Sohn oder die Tochter auf Zuschüsse nach BAföG angewiesen ist. Es bleibt jetzt nur, auf eine Reaktion der zuständigen Behörde zu hoffen und zu warten.
Michael Hellenthal 

Ich empfinde es als Zumutung, Studenten als arm zu bezeichnen und sie damit mit den wirklich Armen in unserer Gesellschaft gleichzusetzen, und mit dem Anspruch auf höheres Bafög zu verbrämen, den Fachkräftemangel beheben zu wollen! Lassen wir doch unsere jungen Menschen erst einmal nach der Schule eine Berufsausbildung absolvieren. Gerade für angehende Lehrer, Ärzte, Juristen, Psychologen, Theologen wäre es darüber hinaus zwingend notwendig, sich auszukennen in einem Leben, das ihre zukünftige Kundschaft ausmacht! Damit wären diese späteren Studenten umfangreicher in der Lage, neben dem Studium ihr Geld zu verdienen! Sie verhinderten so, ihre „Verarmung“! Menschen, die den sogenannten „Zweiten Bildungsweg“ beschreiten, sind schon allein deswegen für einen späteren Lebensweg besser gewappnet. Eine win/win Situation ist nicht zu übersehen!
KP Dierks


Leserbriefe zu „Ohne Kompass“ von Thomas E. Schmidt

So zynisch es auch klingen mag – die verhaltene Reaktion vieler Künstler und Intellektueller auf den Terror der Hamas oder gar deren einseitige Positionierung kommt manchen (liberal-)konservativen Kommentatoren gerade recht, können sie doch die „woken Moralisten“ nicht nur, wie  bislang, der Doppelmoral bezichtigen, sondern sie gleich der „Unmoral“ überführen.  Das Beschweigen oder gar Ausblenden der Gräueltaten der Hamas durch Kulturschaffende ist in der Tat erbärmlich und äußerst kritikwürdig – es sollte jedoch nicht für kulturkämpferische Zwecke instrumentalisiert werden, wie dies derzeit leider geschieht: denn nämlich genau das erzeugt das Gift, dessen Existenz der Autor wortreich beklagt.
Rüdiger Paul

Es stimmt, wenn Herr Schmidt davon spricht, dass Traditionslinke, woke Antideutsche, Antizionisten ohne Kompass und die mit dem ganz alten Hass im Bauch sich in der Debatte benachteiligt fühlen. Ich persönlich finde es zum Teil nur unerträglich, wie all diese zwar laut und entschlossen Free Palestine gen Himmel rufen, jedoch nicht bereit sind, sich von den Hamas-Terroristen und ihrem Überfall vom 7. Oktober klar zu distanzieren.
In meinem eigenen Familienkreis beobachte ich solche Tendenzen. Da postet die Schwägerin bspw. ausschließlich pro-palästinensische Propaganda. Also betrauere ich mit ihr all die unschuldigen Opfer, die es durch israelischen Raketenbeschuss auf palästinensischer Seite gibt und bekunde Mitgefühl. Sage ihr aber dann auch, dass die wahren Täter die Hamas seien. Und dass allein die Hamas für diesen Krieg verantwortlich ist, als sie diesen am 7. Oktober vom Zaun gebrochen hat und dabei 1400 Menschen einfach abknallte und abschlachtete. Doch diese Fakten werden dann einfach nicht wahrgenommen. Sie werden bewusst ausgeblendet, nicht kommentiert, weg- und ausgeschwiegen. Ich finde diese Art von Debattenkultur einfach nur noch fürchterlich und kräftezehrend. Diese Menschen wollen einfach keine Dialoge führen und auch keine Argumente hören. Sie haben es sich, so meine Beobachtung in ihren Gräben längst bequem gemacht. Traurig, nur traurig!
Michael Ayten

Nicht der Hamas-Terror spaltet die Kultur in Deutschland, das tun Menschen, die so intolerant sind, dass sie die eigene Meinung absolut setzen, nur diese gelten lassen und alles bekämpfen, was eine andere Meinung hat. In einer Gesellschaft, in der einem bereits Schweigen als verdammenswerte Abweichung vom akzeptierten Verhalten ausgelegt werden kann möchte ich nicht leben, die ist dann auch nicht mehr demokratisch. In einer Demokratie haben Menschen das Recht zu schweigen, sie haben das Recht der rechtsextremistischen Netanjahu-Regierung zuzustimmen und sie haben das Recht diese Regierung zu kritisieren, so wie es übrigens mehr als die Hälfte der Israelis tun, die Israels Demokratie gegen diese Regierung verteidigen. Kritik an Israel ist nicht per se antisemitisch! Sie wird antisemitisch, wenn sie Juden oder das Judentum diffamiert, beleidigt und bedroht.
Komplexe Konflikte nach Baerbock-Art in gute versus böse Partei zu unterteilen, dann die „Guten“ bedingungslos zu unterstützen und die „Bösen“ zu beschimpfen und in Bausch und Bogen zu verdammen schürt den Hass und die Gewalt und führt zu keiner Lösung. In Washington und London haben an den großen Demos für einen Waffenstillstand in Gaza sowohl Palästinenser als auch Israelis teilgenommen. Ich würde mir wünschen, dass in Deutschland israelische Gruppen eingeladen werden, in denen Israelis und Palästinenser zusammenarbeiten, damit diese Gruppen uns etwas über den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern erzählen, damit wir mal in der Lage sind unsere sehr infantile und unterkomplexe Sichtweise von diesem Konflikt gegen eine realistische Betrachtungsweise einzutauschen. In diesem Konflikt sind die Täter auch Opfer und die Opfer auch Täter. Passt nicht ins Gut-Böse-Schema – ist aber so!
Birgit Moeller

Vielen Dank für die Darstellung der Zerrissenheit des Kulturbetriebes. Ich möchte den Artikel in einem Punkt kritisieren und ergänzen. Der Darstellung liegt doch wohl implizit die Annahme zugrunde, dass von Kulturschaffenden etwas anderes zu erwarten sei, oder? Dabei handelt es sich bei Kulturschaffenden doch um Menschen und die können irren. Die deutsche Geschichte gibt doch Beispiele dafür, wie geirrt wurde (G. Hauptmann, G. Benn). Sollte dies heute anders sein? Vor kurzem veröffentlichte Die Zeit einen Artikel darüber, wie Psychotalk in die Alltagssprache eindringt. Das Erstaunliche ist, dass es sich in den meisten Fällen wohl nur um die Benutzung von instrumentalisierten Worthülsen handelt, was man daran erkennen kann, dass das eigentliche Problem, nämlich die Emotionalität (Hass, Feindseligkeit) gar nicht thematisiert wird. Anstatt um die Opfer auf beiden Seiten zu trauern, wird kontextualisiert (gesamtes Panorama), intellektualisiert, abstrahiert (kühler Historikerblick), d. h. die Abwehrmechanismen der Intellektualisierung und Rationalisierung werden benutzt, um die Unfähigkeit zu trauern (Mitscherlich) zu kaschieren (Camouflage). Zudem wird deutlich, dass nicht sauber argumentiert wird, d. h. die Emotionalität ist zu trennen von der Haltung gegenüber der Politik der Konfliktparteien. Was der Artikel erschreckend deutlich macht, ist die in der Debatte vorherrschende emotionale und intellektuelle Mittelmäßigkeit.
Gerd-Rüdiger Erdmann

Selten nur habe ich in der ZEIT einen derart grob pauschalierenden Text gelesen: „Teile des Kulturbetriebes, viele Museen, mancher Literat, kühler Historikerblick, woke Antideutsche…“ deren Schweigen aggressiv sein soll. Namen, konkrete Beispiele: Fehlanzeige. Leider kommt es dem Autor nicht in den Sinn, dass das Schweigen zurzeit Ausdruck auch für Anderes sein kann – für sprachlos machendes Entsetzen; dafür dass etwas geschieht, für das es nun wirklich gar keine erklärende, um Verstehen ringende Worte geben kann. Warum denn darf „die Kultur“ nicht auch einmal schweigen? Ich sehe, dass „die Linke“ in Deutschland doch recht einmütig und einseitig Position bezogen hat: Artikel in der TAZ, das Video von Robert Habeck, Stellungnahmen aus der SPD. Das waren allesamt offene, angreifbare Positionen, alles andere als „eine bizarre Form der Camouflage „. Vielleicht rührt die vermeintliche Sprachlosigkeit angesichts des Terrors der Hamas auch daher, dass die vielen Aufrufe, offenen Briefe, Appelle zum Ukraine-Krieg zwar viele öffentliche Debatten zur Folge hatten, aber doch nicht immer einen wahrnehmbaren Erkenntnis-Fortschritt. Nein: auch kommunikatives Beschweigen hat seine Zeit.
Lutz Keil


Leserbriefe zu „Über Leben in Gaza“ von Wolfgang Bauer et al.

Sie schreiben, als wäre das ganz selbstverständlich: „Die Hamas beherrscht Gaza politisch. Aber den Alltag in Gaza bestreitet ein humanitärer Unterstützungsstaat…“ Wieso kann die Hamas als politisch herrschende Macht sich aus der humanitären Verantwortung für seine Bevölkerung heraushalten, ohne dafür international politisch und auch medial zur Rechenschaft gezogen zu werden? Wieso wird ausschließlich Israel dafür verantwortlich gemacht, dass es kein Wasser, keinen Treibstoff, keine Medikamente für die Zivilbevölkerung gibt? Israel, das dauernd aus Gaza mit Raketen der Hamas beschossen wird! Politisch und humanitär verantwortlich ist in erster Linie die Hamas.
Volker Bruckart

Seit mindestens 16 Jahren schauen wir nicht hin, nehmen es hin: eine Gesellschaft Im Gaza-Streifen, die vollständig abhängig ist von einem „humanitären Unterstützungsstaat“ und „500 Trucks täglich“ vor dem Krieg, politisch beherrscht von der Hamas. Diese schafft Waffen an, baut ein Tunnelsystem (für Krankenhäuser sind ja die Hilfsorganisationen zuständig) und stopft sich selbst die Taschen voll. Die EU bezahlt nach Angaben der Tagesschau in der aktuellen Periode von 2021-2024 1,2 Mrd. EUR für die Palästinensergebiete, u.a. zur Aufrechterhaltung dieses Status Quo. Wohin, bitte, sollte das denn vor dem Krieg führen? Was war denn das angestrebte Ziel? Der Artikel reicht weit über den aktuellen Krieg hinaus, weil er diese Fragen aufwirft und viele mehr. Festzustellen ist das komplette Versagen jeder Nahostpolitik der vergangenen 20 Jahre.
Oliver Kaden

Ein guter Gedanke, diese beiden Beiträge gegenüberzustellen. Nachhaltigen Eindruck macht aber nur der Beitrag über die entsetzlichen Bilder vom 7. Oktober. So etwas gab es noch nie. Die Nationalsozialisten schufen zwar eine monströse Mordmaschinerie, hüteten sich aber, ihre „Leistungen“ öffentlich zu feiern. Anders das eiskalte Kalkül der Hamas: bewusst ließ sie mit diesen Bildern der israelischen Regierung keine andere Wahl als den massiven Gegenschlag. Gegen Terroristen, die sich in ihrer Bevölkerung bewegen wie (getreu Mao Zedong) „die Fische im Wasser“, also zwangsläufig mit grausamen Folgen.  Somit geht die Rechnung auf – mit der fast uneingeschränkten Solidarität der islamischen Welt und dem „ja, aber“ der übrigen Menschheit. Geradezu genial, jetzt gezielt gefertigte „harmlose“ Videos nachzuschieben: „War doch alles gar nicht schlimm!“. Gleichzeitig wurde der der „Zwei Staaten-Lösung“ der endgültige Todesstoß versetzt: ausschließliches Ziel der Hamas ist überdeutlich die „Endlösung der Judenfrage“ in Palästina.  Zivile Opfer zählen der Hamas nur als Propagandamaterial. Schlimm. Aber: im 2. Weltkrieg erlebte die deutsche Zivilbevölkerung Bombenterror und Vertreibung als Quittung der Hitler-Gefolgschaft – ohne Mitleid in der Welt. Weiß jemand etwas vom internen Widerstand gegen die Hamas? Im Gegenteil: sollte Israel jetzt den Angriff abbrechen, würde die Hamas das (erneut) als „großen Sieg“ feiern. Und die Zivilbevölkerung? Nach allem bisher Erlebten würde sie die Mörder enthusiastisch feiern und „Tod Israel“ (= „Juda verrecke“) brüllen.  Mit dieser Vorstellung (wer widerlegt sie?) kann ich für diese Menschen kein Mitleid empfinden. Schlimm.
Friedrich Schweikert

Wolfgang Bauer et. al. berichten aus Gaza von der katastrophalen Situation eines Dozenten und seiner Frau (ebenfalls Akademikerin) und deren 7 Kinder, das Jüngste 4 Jahre alt. Auch in einer kürzlichen Arte-Sendung kommt ein Vater mit 7 Kindern zu Wort. Nun gibt es bekanntlich den Kantschen Imperativ, der stark vereinfacht besagt: Handle so, dass wenn alle so handelten wie du, sich ein gutes Zusammenleben der Menschheit und eine gute Zukunft ergäben. Dieser Imperativ muss auch auf den aktuellen Krieg angewandt werden, um gute Lösungen für die Zukunft zu finden. Hätte jeder Mensch 7 Kinder, dann würde sich die Menschheit pro Generation um den Faktor 3.5 vermehren. Nach 2 Generationen ergäbe sich der Faktor 12.25. Also aus den heute 8 Milliarden Menschen wären 98 Milliarden geworden. Nun ist die Geburtenrate der Palästinenser „nur“ 3.5 und nicht 7. Nach 2 Generationen gäb’s also erst 24 Milliarden Menschen und nach 4 Generationen gäb’s dann 75 Milliarden. Mit so vielen Menschen ist eine gute Zukunft kaum vorstellbar. Schon allein vom Klimawandel her gesehen. Greta Thunberg hat vermutlich im Mathe-Unterricht geschlafen. Oder war der immer nur am Freitag? Man könnte nun aber argumentieren: Wenn jemand in Hintertupfingen wohnt, kann man dem auch nicht sagen: Wenn alle, wie du, in Hintertupfingen wohnten, gäb’s eine Katastrophe. Ähnlich argumentieren diejenigen, die den Kantschen Imperativ nicht aufs Thema Demographie anwenden wollen. Doch die Entwicklung im Nahen Osten zeigt, wie nötig gerade diese Anwendung ist.
Warum die 7 Kinder? Die in der Zeit erwähnten Paare brauchten diese vermutlich nicht zur Sicherung ihres Lebensunterhalts im Alter. Vielleicht ist ein Grund, dass Perspektiven wegfallen, die in Gaza nicht vorhanden sind. Weltreisen, Auto etc. Dinge also, deren Nutzen sowieso stark reduziert werden sollte. Stattdessen werden Perspektiven genutzt, die hohe Geburtenraten bewirken. Aber warum hat Iran nur eine Geburtenrate von 1.68? Auch dort kann sich nicht jeder die erwähnten Dinge leisten. Gehört es in Gaza einfach zum guten Ton, viele Kinder zu haben? Dies als Beitrag zum demographischen Wettrüsten? Oder verursachen sie kaum Kosten? Gaza kann sich nicht selbst ernähren, es ist auf massive Unterstützung von außen angewiesen. Die EU liefert hunderte Millionen. Die Hilfe wächst, muss exponentiell wachsen mit der exponentiell wachsenden Bevölkerung. Für eine langfristige gute Lösung im Nahen Osten muss man auf die tiefere Ursache eingehen. Das hohe Bevölkerungswachstum verursacht hohe Jugendarbeitslosigkeit. Die Perspektiven, die darin bestehen, dass man sich um seine Lebensgrundlagen selbst kümmern muss und kann, fallen weitgehende weg. Genutzt werden Ersatzsperspektiven, etwa in der Raketenproduktion oder im Tunnelbau.  Die Hamas profitiert dreifach: Rekrutierung, menschlicher Schutzschild, Weltgewissen. War das Ereignis vom 7.11, demnach eine bewusst gelegte Falle?
Es stellt sich demnach die Frage, warum die heute kriegführenden Parteien sich nicht schon vor ausreichend langer Zeit zusammengesetzt haben um (gemeinsam mit UN, EU, den arabischen Ländern, etc.) über das Thema Demographie zu sprechen? Warum haben die Geldgeber etwa aus der EU nicht ein solches Treffen angeregt? Wo bleiben NGOs etwa Amnesty, oder FFF oder Greenpeace? Wo bleiben Politik und Religionen?
Gernot Gwehenberger


 

Leserbriefe zu „Vom Ankläger zum Angeklagten“ von Anne Hähnig

Warum muss diese unwichtige, peinliche, mit vermutlich Missverständnissen und fehlgeleitetem Geltungsbedürfnis gespickte Geschichte zwischen dem Personal eines Leipziger Hotels und dem Musiker Gil Ofarim ausgerechnet jetzt aufgewärmt werden? Besitzt niemand von Ihnen das Feingefühl, die jüdischen Menschen in unserer Gesellschaft aktuell damit zu verschonen? Völlig unverschuldet werden sie für den Staat Israel in Haftung genommen, mit Aggressionen konfrontiert und angefeindet – und müssen erleben, dass eine seriöse Wochenzeitschrift sich aufführt, wie ein Boulevardblatt. Muss wohl toll sein, so ein bisschen mitzuzündeln, wo es ohnehin schon glüht. Ich schäme mich Abonnentin zu sein!
Barbara Schulz

Danke zum Nachfassen des Falls Gil Ofarim. Der Prozess wird hoffentlich Klarheit bringen. Zur Darstellung der Wahrheit gehört jedoch auch, dass der Vorsitzende der israelischen Gemeinde Küf Kaufmann neben anderen Persönlichkeiten sich sofort hinter den Direktor des Westin gestellt hat und die jahrelange Verbundenheit betont hat. Zur Wahrheit gehört auch, dass der beschuldigte Angestellte vom Hotel aufgrund der Bedrohungen regelrecht versteckt werden musste. Zur Wahrheit gehört auch, dass Angestellte und das Hotel regelrecht beschimpft und ausgegrenzt wurden. Die Rolle der Justizministerin von Sachsen muss sicherlich mal einzeln beleuchtet werden.
Cornelia Ober

Halten Sie das für einen guten Zeitpunkt, diesen Artikel zu veröffentlichen?
Stephanie König

Egal, wie der Prozess ausgehen wird, für mich ist der Skandal, dass hochrangige Politiker gleich den Hotelmitarbeiter verurteilt haben. Zumindest Herr Maas ist ja Jurist und kennt die Unschuldsvermutung. Einfach mal den Mund als Politiker halten, wenn man alle Fakten noch nicht kennt. Etwas weniger Getwittere. Das ist etwas, was allen guttun würde.
Katharina Vogel


Leserbriefe zu „Wie engagiert muss Literatur heute sein?“ von Thea Dorn

Wo Literatur sich jeder Funktion verweigert, ist sie autonom. In ihrer Autonomie ist sie zwangsläufig kritisch. Und darin beinhaltet sie immer ein Bemühen um die Wahrheit. Auf diese Weise ist Literatur politisch, ohne sich in den Dienst von irgendetwas oder irgendwen zu stellen. Für die Leser allerdings kann Literatur eine Funktion haben, z.B. Weltfluchthelfer zu sein, oder auch Entwicklungshelfer, Weltretter, Lebensretter, Genuss, geistige Nahrung. Literatur verfehlt ihren Anspruch auf künstlerische Geltung, wenn Literaturmenschen sich auf Rückübertragungen von Lesern einlassen und die Autonomie aufgeben.
Reinhard Koine

Der beste Beitrag dieser Ausgabe, zweifellos. Ich habe jeden Satz dieser Autorin inhaliert wie andere ihren Joint. Das war nicht nur ein Stück Text, den Frau Dorn da verfasst hat. Nein, vielmehr ein wundervolles Stück an Literatur. Vielen, lieben Dank Thea Dorn.
Michael Ayten

Ein lesenswerter Beitrag von Thea Dorn über die Verquickung von Politik und Literatur; über den homo politicus und den homo poeticus. Der homo politicus hat’s nicht leicht: ohne rosarote Brille muss er auf die Wirklichkeit schauen, mit Klugheit und angemessener Moral so agieren, dass er die Folgen seines gegenwärtigen Handelns für die Zukunft verantworten kann („…et respice finem“)! Er kann sich nicht über die Naturgesetze erheben und muss die Grenzen des Wachstums beachten. Seinen Vorstoß in den Weltraum begrenzt die Lichtgeschwindigkeit. Er lebt unter Menschen mit nahezu grenzenloser Liebe und abgrundtiefem Hass, (Kern)Gesunden und Todkranken, Armen und Reichen, Klugen und Dummen! Die allermeisten von ihnen bewegen sich irgendwo zwischen diesen Extremen; allen aber muss Veränderung, Verbesserung, Heilung und ein Zusammenleben ermöglicht werden!
Der homo poeticus muss sich dieser Wirklichkeit nicht stellen, kann in die der Phantasie eintauchen. Auch sie ist real, denn alles Vorstellbare durchläuft ebenfalls mit Hilfe von Botenstoffen die Neuronen des Gehirns. So kann er von der Erde aus einen begehbaren Regenbogen spannen zu Mond oder Mars, er kann Leben von einer Galaxie zu einer anderen beamen! Auf der Reise zum Mittelpunkt der Erde lässt er die Tiefenkletterer nicht in flüssigem Eisen verglühen, sondern in einem innerirdischen Ozean baden! Er kann Menschen, die sich erst lieben, später hassen, allein mit Hilfe seiner Sprache wieder versöhnen. Er kann den Tod zugunsten ewiger Jugend abschaffen! Für die Folgen seiner Phantasie muss er sich nicht verantworten! Doch er kann das Denken seiner Leser, auch die des homo politicus, erweitern, ihre Gefühle vertiefen und ihre Phantasie beflügeln!
Ulrich Pietsch

Ob hinter jeder großen Kunst / Literatur ein großer Schmerz als Antrieb stecken muss, war ja gerade kleineres Diskussionsthema im „Literarischen Quartett“. Ich bin nicht der Meinung. Der Fluchtgedanke spielt bei meinen Lektüren nur eine sehr untergeordnete Rolle. Trost finde ich im Existenzialismus auch nicht und die modischen bzw. pubertären Begleiterscheinungen sind an mir spurlos vorübergegangen. (Schwarze Rollkragenpullover waren in den 80ern nun wirklich nicht mehr angesagt. Vielleicht noch bei der Jungen Union oder bei den Poppern, aber ich hatte weder mit den einen noch den anderen etwas am Hut. Da gab es wohl auch Überschneidungen. Dass es Popper gab, habe ich erst zehn Jahre nach deren „Aussterben“ erfahren.)
Camus ist mir seit ca. 1988 wichtig. Je älter ich werde, umso wichtiger wird er eigentlich. „L’Étranger“ war die mit Abstand beste Schullektüre überhaupt. Wenn man mich fragen würde, warum man Französisch lernen sollte, dann würde ich Camus und speziell dieses Buch angeben. Bei mir war allerdings noch „Un autre monde“ von Téléphone ausschlaggebend. Mag sein, dass Meursault im Roman noch so etwas wie „Transzendenz“ findet, in seinen philosophischen Werken räumt der Schriftsteller damit jedoch gründlich auf. Nicht nur Paris schweigt, sondern auch das Weltall. „Trost“ findet man höchstens noch in Tipasa … An der Menschheit kann man nur immer wieder verzweifeln, am einzelnen, sich würdig oder manchmal auch wütend auflehnenden, möglichst solidarischen, Menschen hingegen darf nie gezweifelt werden.
Und jetzt könnte man sich noch fragen, warum die Buch- und Verlagskultur im arabischen Raum und in großen Teilen des Nahen Ostens so unterentwickelt ist und wozu das führt … Ich habe mal in einer Spiele-App zwei Algerier kennengelernt. Der eine kannte Boualem Sansal gar nicht und der andere hielt ihn ziemlich explizit für einen Verräter. Während der Proteste gegen die mittlerweile verblichene Mumie und Marionette des algerischen Militärs und der Mafiaclans, die das Land eigentlich unter ihrer Knute haben, habe ich bei Twitter mit einer aus Oran (!) stammenden Algerierin gechattet, die nichts mit dem Namen Camus anfangen konnte. Zum Glück konnte sie nicht sehen, wie heftig ich meinen Kopf geschüttelt habe. Ich habe bei Wikipedia gerade einen Satz von Camus entdeckt, der sehr gut zu den Themen passt, die Sie angesprochen haben: „Die Kunst ist der Abstand, den die Zeit dem Leiden gibt.“

Thomas Manthey


Leserbriefe zu „Womit haben wir das verdient?“ Illustrationen von Adam Higton, Text von Alard von Kittlitz im Zeit Magazin

Ja die Ungleichheit innerhalb Deutschlands ist erschreckend und führt wahrscheinlich zur immer weiteren gesellschaftlichen Spaltung und politischen Instabilität: „Warum soll ich eine demokratische Partei wählen, wenn meine Großeltern chancenlos waren, meine Eltern es sind und ich es auch bin, dann doch mal lieber eine undemokratische Alternative wählen, die so richtig auf den Putz haut!“ So werden in Zukunft immer mehr Menschen denken. Die anderen wählen die AFD, weil sie Angst haben etwas von Ihrem Luxus abzugeben, nach dem Motto: „Erst wir und unser Konsum, sollen die im globalen Süden doch selbst sehen, wie sie mit der Klimakatastrophe klar kommen, uns braucht das nicht zu interessieren!“
Wer treibt diese Tendenzen weiter an? Zu einem nicht ganz unerheblichen Teil DIE ZEIT, denn sie versucht unpolitisch zu sein, obwohl gerade das jetzt höchst politisch ist. Die Begründer der Zeit fochten noch für ein liberales, fortschrittliches Blatt. Sie übernahmen Verantwortung und kämpften gegen das Wiedererstarken des braunen Sumpfes und für einen gerechten Humanismus. Ebenso tat das Hanns-Joachim Friedrich, der im Faschismus aufgewachsen ist und in entscheidenden Momenten buchstäblich seine Stimme erhob und als Zünglein an der Waage sich gemein machte mit einer gerechteren Welt: https://de.wikipedia.org/wiki/Hanns_Joachim_Friedrichs. Er wusste, Rosa Luxemburg hat recht: „Wer versucht, unpolitisch zu sein, ist höchst politisch, ohne es zu wollen!“ Früher entstand durch den Verkauf von Luxus kein journalistischer Interessenkonflikt. Heute, im Zeitalter der Klimakatastrophe, ist es ein höchst politisches Statement. Denn wenn DIE ZEIT weiterhin Werbung für klimaschädliche Luxus-SUVs, -Möbel, -Reisen, etc. abbildet, im redaktionellen Teil werbende Artikel dafür druckt die immer wieder bei Ihren Leser*innen das Gefühl von Fear Of Missing Out (FOMO) erzeugen und selbst als Verlag klimaschädliche Luxus-Reisen anbietet, dann gaukelt sie ihren Leser*innen vor: „Alles nicht so schlimm mit den Klimakatastrophen, macht nur so weiter wie bisher, seht wir tun das auch, unser Konsum und Luxus ist wichtiger!“ Denn am Ende der Lektüre werden alle redaktionellen Warnungen und Fakten von emotional werbenden Appellen und der Tatsache überlagert, dass auch DIE ZEIT, als Redaktion und Unternehmen, die Klimakatastrophe ignoriert. Kein Wunder also, dass sich die „Mitte der Gesellschaft“ immer mehr bei der AFD einfindet, die das am deutlichsten formuliert.
Schade, dass sich weder an der sozialen Frage in Deutschland noch an der Frage der Klimakatastrophe, die für den globalen Süden eine Frage des Überlebens ist, etwas ändern wird. Ich hoffe, sie könnten es einmal zumindest der Münchner Boulevardpresse nachtun. AZ-München und TZ-München brachten am 31.10., einen Tag vor dem Welt-VEGAN Tag, jeweils ein Special zur Nachhaltigkeit. Bitte sehen Sie die beigefügten Fotos. Wahrscheinlich finden Sie das lächerlich, aber mal im Ernst, wann haben Sie vor, als Zeitung von Weltformat zur wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderung der Menschheit, mal publizistisch und redaktionell auf ähnliche Weise Stellung zu beziehen? Ich hoffe bald!
Klaus Siersch

Nun hab ich gerade mein Zeit-Abo gekündigt – mit dem verbreiteten Argument, nicht genügend Zeit für die Zeit zu haben – und dann das: im aktuellen Magazin finde ich gleich die ersten beiden Artikel, die ich lese – herausragend! Vielen Dank dafür. Der erste von Alard von Kittlitz „Womit haben wir das verdient?“ über die Einkommensunterschiede in Deutschland behandelt dieses dringende Thema aus einer sehr persönlichen Perspektive und sehr überzeugend. Einziges Manko: der Artikel kommt viel zu früh zum Schluss und verdient eine Fortsetzung! Der zweite von Laura Binder „Bin ich zu viel?“ war für mich sehr aufschlussreich. Als studierte Ernährungswissenschaftlerin mit 50 kg – verteilt auf knapp 1,60 Meter – sehe ich die viel zu vielen Kilos vieler meiner MitbürgerInnen schon lange als großes Problem für unser Gesundheitssystem und mache dafür vor allem die Ernährungsindustrie – insbesondere die Zucker-Lobby – verantwortlich. Die persönliche Schilderung der Autorin mit ihrem Übergewicht zeigt noch einmal eine ganz andere Dimension dieses Problems. Große Hochachtung für Laura Binder und Danke für so viel Offenheit. Mein Blick auf übergewichtige Mitmenschen hat sich auf jeden Fall erweitert.
Inge Sichau 

Das Zeit-Magazin spricht ein Thema an, dem aus meiner Sicht mehr Aufmerksamkeit gebührt, weil es im Laufe der Jahre durchaus zu sozialen Spannungen führen kann. Die Schere von arm und reicht rückt auch in Deutschland langsam weiter auseinander und die leistungsfähige Mittelschicht bröckelt. Der GINI-Index in Deutschland schwankt zwar, aber mit einer insgesamt aufsteigenden Tendenz. Es gehört zu den Grundrechten in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN-Charta, dass ein Mensch mit einem Vollzeitjob ausreichend verdient, um seinen Lebensunterhalt und den seiner Familie davon zu finanzieren. Dies ist in Deutschland in der unteren Mittelschicht schon seit Jahren nicht mehr der Fall und die Situation hat sich durch die jüngste Inflationsphase eher verschlimmert, auch wenn der GINI-Index dies für das Jahr 2022 noch nicht widerspiegelt.
Das Nettoeinkommen in der unteren Mittelschicht ist nicht mehr ausreichend für den Lebensunterhalt, Urlaub und den Aufbau einer zusätzlichen Altersversorgung, die mit Blick auf die zukünftigen Renten aber notwendig ist. Ich kann das aus meiner praktischen Erfahrung sagen, weil ich durch meine Mandanten sehe, was Kassierer, Verkäufer, Pfleger etc. monatlich netto verdienen und die Lebenshaltungskosten in Köln ebenfalls aus eigener Erfahrung kenne, da ich nicht zu den Menschen gehöre, die sich um Preise für Lebensmittel, Wohnungen oder Sprit nicht kümmern, wie der ein oder andere Regierungspolitiker. Natürlich ist der Umstand, ob und was sich die Mittelschicht in Deutschland leisten kann, auch ein Thema für eine stabile Binnennachfrage. Für mich steht dieser ökonomische Aspekt nicht im Vordergrund. Ausschlagegebend ist hier für mich der soziale Aspekt bzw. der eines menschenwürdigen Leben für jeden Arbeitnehmer in Deutschland, der ohne von Sozialleistungen abhängig zu sein, seinen Lebensunterhalt bestreiten können sollte.
Das ist u.a. auch wichtig für das Selbstwertgefühl des Einzelnen und erst recht für den inneren Zusammenhalt der Gesellschaft. Wie Ihr Autor richtig zitiert hat, erst kommt das Fressen und dann die Moral, wird der Einzelne weniger anfällig für radikale politische Einflüsterungen sein, wenn er  in einem gefestigten Wohlstand ein zufriedenes Leben führen kann, weil  er sich dann auch einen moralischen Standpunkt leisten kann. Auch in der Automobilindustrie ist der Rechtsruck zur AFD unter den Arbeitnehmern nicht von Dauer sondern nur eine vorübergehende Randerscheinung gewesen, aber eben verbunden mit der Angst der Betroffenen vor dem Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund der Klimaschutzmaßnahmen und des damit  zusammenhängenden Wohlstandes. Mit der Angst ist dann auch der Rechtsruck verschwunden. Für die Erhöhung des Nettoeinkommens ist aber nicht mal die Anhebung der Löhne erforderlich, sondern lediglich die Reduzierung der Sozialversicherungsanteile, die sich in den letzten 50 Jahren verdoppelt haben.
Reduziert man diese wieder um die Hälfte, ergibt sich für jeden Arbeitnehmer ein deutliches Zubrot. Hierfür ist allerdings eine Reform des Sozialversicherungssystem nicht ausreichend. Vielmehr müsste das jetzige System zerschlagen und komplett neu aufgebaut werden.  Steuererhöhungen bei Reichen halte ich hingegen nicht für zielführend und zwar nicht wegen einer mutmaßlichen Selbstbetroffenheit, sondern weil die höheren Steuereinnahmen nur wieder in die Fänge von Regierungen geraten und dann mit ziemlicher Sicherheit nicht beim kleinen Mann ankommen. Reiche, die jetzt höhere Steuern fordern, halte ich hingegen für unehrlich, denn niemand hindert sie daran, den Betrag einer fiktiven höheren Abgabenlast für wohltätige Zwecke einzusetzen. Mögen die Reichen der „Tax me“-Bewegung doch bitte eine Stiftung gründen, dabei bin ich dann gern unentgeltlich behilflich, und das Geld für die Sanierung von Kindergärten, Schulen und Krankenhäusern ausgeben. Alles andere ist Heuchlerei. Florian Langenscheidt hatte ähnliches schon vor Jahrzehnten in Deutschland allerdings vergeblich gefordert.
Volker v. Moers

Ich fand Ihren Artikel gut. Und es hat mich erstaunt, dass so ein klarer Beitrag über Arme und Reiche in der „Zeit“ erschien, wird doch sie überwiegend von den Besserverdienern gelesen. Aber klar, was wäre die liberale Zeit ohne einen begleitenden moralischen Gestus.  Damit komme ich zu meinem 2. Erstaunen: Ihrer Ratlosigkeit, wie der großen Ungleichheit zu begegnen sei, denn es ist überhaupt nicht von der Macht die Rede.  Reiche haben Einfluss und der wird auch gegenüber bescheidenen Reformversuchen in den Medien und außerhalb gegen Parteien und Politikern ausgeübt, damit es so bleibe wie es ist.  Gegenwärtiges Beispiel: Olaf Scholz hatte vor 4 – 5 Jahren für 12 Euro Mindestlohn plädiert und nach der Wahl auch durchgesetzt. Nun ist die Verbesserung längst von der Inflation getilgt. Und die Arbeitgeber haben durchgesetzt: der Mindestlohn darf in den nächsten 2 Jahren nur um 3,4 % pro Jahr steigen. Als der SPD-Vorsitzende laut überlegte, über die EU zu einer besseren Erhöhung zu kommen, hat die FDP sofort widersprochen und die CDU auch.  Was es bei uns auch nicht gibt, ist eine allgemeine Mindestrente, das wurde von der CDU verhindert, – sieht man von der diskriminierenden Sozialhilfe, wohl „Grundsicherung im Alter“ genannt, ab.  So ist allerdings guter Rat teuer, wie die soziale Spaltung und Ungerechtigkeit gemildert werden könnten, wenn man nicht resignieren und auf eine Revolution warten möchte. Denn Reichtum kennt nach oben keine Grenze und der Egoismus der begünstigten Glücklichen lacht sich ins Fäustchen.
Manfred Ludewig


Leserbriefe zum Titelthema „Wahrheit oder Propaganda“ – „Explosionen der Bilder“ von Malin Schulz

Es ist und bleibt ein Dilemma: Was soll / darf / muss man als Journalist zeigen …? Macht man sich nicht vielleicht zum nützlichen Idioten der Terroristen? Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal so etwas wie Mitleid für einen BILD-Reporter verspüren könnte. Aber bitte, das hatte ich kürzlich schon kritisiert, reden Sie nicht von Hamas-„Kämpfern“. Damit gehen Sie der Propaganda dieser Feiglinge auf den Leim. Sie würden ja wohl auch kaum von RAF- oder IRA-„Kämpfern“ sprechen. Ich habe diesen Ausdruck am 31. Oktober auch im „heute-journal“ gehört und mich deswegen beim ZDF beschwert. Die Antwort steht noch aus. Möglicherweise ist die Linie der BBC, so neutral wie möglich zu berichten, doch gar nicht so verkehrt. Ich war zuerst auch irritiert, warum man dort nicht von „Terroristen“ spricht, aber ich habe die Stellungnahme eines verantwortlichen Journalisten gelesen, die ich durchaus überzeugend fand. Dass der britische ÖRR deswegen von interessierter Seite unter Druck geraten würde, fand ich allerdings wenig erstaunlich.
Ich bin mir bei Bild Nr. 1 nicht so ganz sicher, ob Sie das Gesicht des ermordeten Israelis geblurrt haben oder nicht, weil es relativ klein ist und eigentlich nur schlecht aufgelöst aussieht. Ich hoffe es jedenfalls. Zu Bild Nr. 7: Ich weiß nicht, ob das für Geiseln auch gilt. Bei Kriegsgefangenen ist es meines Wissens doch so, dass sie nicht medial vorgeführt werden dürfen. Warum lässt sich das Rote Kreuz überhaupt für solche Aufnahmen instrumentalisieren?
Ich frage mich, was die deutschen Originalnazis wohl medial daraus gemacht hätten, wenn es damals schon das Internet gegeben hätte und wie die internationale (oder auch die deutsche, das waren tatsächliche „Schlafschafe“, im Weggucken nicht zu übertreffen) Öffentlichkeit reagiert hätte, wenn sie Liveübertragungen und -vergasungen aus Auschwitz etc. oder von den Pogromen gesehen hätten. Ich befürchte nach der Lektüre von Deborah Lipstadts „Beyond Belief“ auch nicht sehr viel anders als wie damals tatsächlich. Die Frage ist nur, wie „heiß“ oder „kalt“ (Marshall McLuhan) das Netz im Vergleich zum Radio, der Presse, dem Kino und den anderen damals verfügbaren (Massen-)Medien ist. Die Foto- und Filmkamera war ja bei Massenerschießungen schon dabei, um die „ruhmreichen“ Taten für die Nachwelt zu dokumentieren.
Thomas Manthey

Nach dem Aufschlagen der Ausgabe fiel mein Blick auf das Foto auf Seite 2, und ich konnte schlicht meine Tränen nicht zurückhalten. (So etwas ist mir angesichts einer Fotografie bisher noch nie passiert.) Ohne ein Gesicht zu zeigen, vermittelt dieses Foto ganz unspektakulär das unsägliche Leid, die Trauer, den Verlust – auf beiden Seiten! Mein Dank gilt ausdrücklich Ihrer Bildredaktion für die Auswahl und das Abdrucken dieses Fotos.
Heiner Dietz

Vielen Dank für den Artikel. Ich finde es gut und sehr wichtig, dass Sie Ihre Arbeit in der Redaktion beschreiben, denn Sie schaffen Bewusstsein für die Bedeutung überprüfter Bilder. Ich habe großen Respekt vor Ihrer Aufgabe, und ich hoffe für Sie, dass Sie sie gut verarbeiten können. Für uns Leser hoffe ich, dass Sie und Ihre Kollegen weiterhin gewissenhaft und reflektiert am Ball bleiben.
Katharina Bobe


Leserbriefe zu „Unauffälliges Krokodil“ von Mariam Lau

Ein Manifest von 2007 aus „mehr oder weniger anerkannten Floskeln“? Man könnte meinen, Wüst und Co. stünden als Verfasser auch hinter dem aktuellen „Manifest“ (der dummdreisten Heuchelei) der Bildzeitung. Gut, dass Sie mal in die Vergangenheit dieses „freundlichen“ Mannes „ohne Eigenschaften“ geschaut haben.
Thomas Manthey

Der Mann ist sympathisch, ein wenig beliebig und bekennender Merkelianer. Mit deren Flüchtlingskonzept können sich jedoch immer weniger anfreunden ebenso wenig mit grünen Visionen. Das weiß auch Wüst. Sein Amt verdankt er, genau genommen, der stärksten Fraktion, den Nichtwählern ( 45 % ), darunter viele frustrierte CDU Sympathisanten, die heute vermutlich teilweise zur AfD wechseln würden.  Erst der Bruch mit Merkel führte ins Neuland. Da ist Merz weiter mit Abfuhr der Grünen. Ob er dafür das Standing hätte? Dann wäre er nicht mehr Wüst.
Christoph Schönberger

Das Krokodil ist Herr Wüst, CDU-Ministerpräsident von NRW. Er soll Kontrahent von CDU-Parteichef Merz sein. Warum ist Sache der beiden Herren. Nur Merz hat nicht daran gedacht: „Was ist die Steigerung von Feind?“ der alte Parlamentarierscherz FEIND, TODFEIND, PARTEIFREUND, traurig, aber wohl wahr.
Hans-Emil Schuster


Leserbriefe zu „Ghandi muss weg!“ von Anant Argawala und Sonia Bouissou

Keine Ausgabe der ZEIT mehr ohne einen ewig wandernden Nazi. Diesmal in Gestalt eines Hindufaschisten, der zudem anscheinend eine problematische Sexualität hatte (was aber vielleicht gar nicht so untypisch ist). Dessen Großneffe hat schon recht, wenn er fragt, was Gandhis gewaltloser Widerstand erreicht hat. Absolut nichts! Faschisten stoppt man nicht mit Gewaltlosigkeit, sondern mit „Fists, Stones, Batons and the Gun“ (Songtitel von „The Men They Couldn’t Hang“)! Auch sorry in die Richtung von Herrn di Lorenzo: Was haben die von Ihnen mitinitiierten Lichterketten in den 90ern denn gebracht?
Thomas Manthey

Eine schlimme weltweite Tendenz, die man seit einigen Jahren/Jahrzehnten feststellen kann – der Aufstieg des Nationalismus. Wie kann man einen Mörder verehren? Wie kann man ein Land unterstützen, das – zugegebenermaßen nach einem verabscheuungswürdigen und grausamen Terrorangriff – sich anschickt, Völkermord zu begehen? Die Stimmen der Mäßigung und des Friedens werden zunehmend unterdrückt von den Lautsprechern von Krieg, Nationalismus und Vergeltungsmaßnahmen. Gandhi und Einstein haben der Menschheit die Zukunft schon richtig vorausgesagt. Gandhi sagte uns, dass Auge um Auge nur dazu führt, dass die ganze Welt erblindet. Auf diesem Weg der zunehmenden Erblindung schreiten wir sehr zügig voran. Einstein sagte uns, dass er nicht wisse, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg geführt würde, aber er sicher sei, dass der vierte wieder mit Pfeil und Bogen geführt würde.
Volker v. Moers

Als Berufsübersetzerin komme ich nicht umhin, den Umgang mit Sprache auch aus handwerklicher Perspektive zu betrachten. Immer wieder stößt es mir auf, wenn deutsche Medienschaffende bei der Wortwahl falsch abbiegen, weil sie offenkundig zu viel auf Englisch lesen, ohne sich immer genau bewusst zu machen, was die Begriffe eigentlich genau bedeuten und wie ihre deutschen Entsprechungen lauten. In dem (hochinteressanten und sehr lesenswerten) Gandhi-Artikel im neuesten Dossier schlägt sich das leider gleich zweimal nieder. Modi „belässt die Soldaten (…) lange in ihren Baracken“?! Die Armen, sie haben nur provisorische Holzunterkünfte. (Duden: „Baracke = nicht unterkellerter, einstöckiger [Holz]bau für eine behelfsmäßige Unterbringung“) Oder vielleicht doch nicht? „Barracks“ ist das englische Wort für „Kaserne“. Ups.
Und dann sei Gandhis „Lieblingshymne“ (Abide with Me) aus den Feierlichkeiten gestrichen worden. Nein, keine Hymne. (Die Nationalhymne heißt auf Englisch übrigens „national anthem“…) Das Wort „hymn“ bedeutet „Choral“ (im Sinne eines Kirchenlieds), und genau das ist „Abide with Me“ auch — es greift die Bitte der Emmausjünger aus Lukas 24 auf: „Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden.“ Hier zeigt sich Gandhis interreligiöse Offenheit — kein Wunder, dass die Hindunationalisten das loswerden wollten.
Ebenfalls in der neuesten ZEIT-Ausgabe habe ich mindestens zweimal „tote Körper“ gelesen. Haben wir noch eine Chance, dass wenigstens die ZEIT das als Anglizismus erkennt und weglektorieren lässt? Eigentlich sagt man auf Deutsch „Tote“ oder „Leichen“ und auf Englisch halt „bodies“ oder „dead bodies“. Irgendwann tauchten diese „toten Körper“ zum ersten Mal in den deutschen Medien auf und gehen mir seitdem auf den Wecker. Jedes Mal fliege ich aus dem Lesefluss, wenn ich darüber stolpere.
Corinna Friesen


Leserbriefe zu „Vor dem großen Sprung“ von Uwe Heuser et al.

„Ich fürchte, dass die künstliche Intelligenz den Menschen insgesamt ersetzen könnte. Wenn Menschen Computerviren entwerfen, wird jemand eine künstliche Intelligenz entwerfen, die sich selbst verbessert und vermehrt. Das wird eine neue Lebensform sein, die den Menschen überragt.“ Dieser Ansicht war der britische Physiker & Astrophysiker Stephan Hawking (1942-2018)
Klaus P. Jaworek

Vielen Dank für Ihren lesenswerten Artikel über KI in GREEN: Vor dem großen Sprung in DIE ZEIT vom 2. November 2023. Das Versprechen geht weiter: Mehr Fortschritt und Technik und die Welt wird immer grüner, besser und schöner für uns alle. Auch dieser Artikel hinterlässt also bei uns Leser*innen den Eindruck: „Wir haben alles im Griff, die Klimakatastrophe ist eines von vielen Problemen aber mit den Fortschritten, die wir machen kriegen wir das alles spielend hin, ohne dass wir uns auch nur ein kleines bisschen einschränken müssen.“ Auch der Name der Rubrik, GREEN, vermittelt, dass alles grüner also besser wird. Dabei ist vielmehr das Gegenteil der Fall.
Das lässt sich am von Ihnen gewählten Beispiel der Kondensstreifen sehr gut verdeutlichen. Ihr beschwingtes Intro liest sich, als ob Flugzeuge bald überhaupt keine Klimaschäden mehr anrichten, dabei verdampft die winzige Verbesserung, welche die Vermeidung von Kondensstreifen erzielt, wie der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein. Denn das exponentielle Wachstum der Luftfahrt führt weltweit zu einer Verdoppelung der geflogenen Passagierkilometer innerhalb von mindestens 12 Jahren. Gerade jetzt legt das Reisen mit Flugzeugen enorm an Tempo zu. Der Platz am Himmel wird knapp und jede Abweichung von der optimalen Route oder Flughöhe erzeugt zusätzlichen Kraftstoffverbrauch, also auch CO2-Ausstoß. Darum führt die KI-Kondensstreifen-Lösung höchstens zu einer Verbesserung im einstelligen Prozentbereich. Auch die ca. 25% Einsparung durch sparsamere Flugzeuge wird jedes Mal aufs Neue durch das exponentielle Wachstum ausgehebelt. Denn bis diese Flugzeuge in ausreichender Stückzahl gebaut werden und fliegen, vergeht mindestens eine Dekade und die alten werden dann nicht stillgelegt, sondern von vielen Airlines noch lange weiter betrieben. Erst 2035 will Airbus ein vollständig CO2-neutrales Wasserstoff Flugzeug auf den Markt bringen. Das ist mehr als zweifelhaft, denn bisher hat keine einzige Airline es bestellt.
Wasserstoffantriebe können maximal auf 25% der Flüge eingesetzt werden. Besonders lange Flugstrecken, welche die anderen 75% verbrauchen, können nur mit Kerosin durchgeführt werden. Bis davon eine ausreichende Menge klimaneutral zur Verfügung steht, vergehen wiederum Dekaden! Dabei verdoppelt die größte Airline Europas gerade ihre Flotte und ihre größte Konkurrentin möchte bis 2027 ihr ebenbürtig sein. Die ca. 250 Millionen potenziellen Kund*innen Europas, sind relativ wenige angesichts der ca. 3.500 Millionen Kund*innen, die in Asien danach verlangen, genauso viel zu fliegen wie wir. Die dortigen Airlines verzehnfachen innerhalb der nächsten Dekade ihr Flugaufkommen. Hier wie dort kommt es zu einem tsunamiartigen Zuwachs der Anzahl der Flüge und der damit verbundenen Klimaschäden. Angesichts dessen erzeugt Ihr positiv gestimmtes Intro dennoch den Eindruck: „Buchen Sie ruhig Ihren nächsten Flug, wir haben alles technologisch im Griff, Sie müssen sich auf keinen Fall sorgen oder für das Klima einschränken!“ Die Melodie Ihres Artikels ist angesichts der Dringlichkeit, mit der wir als Gesellschaft so schnell wie möglich klimaneutral werden müssen, ähnlich deplatziert wie das Spielen von fröhlicher Marschmusik auf dem Achterdeck der sinkenden Titanic.
Die Dürreperioden in wichtigen Anbaugebieten werden länger, die Entwaldung, Versteppung und Verwüstungen schreiten immer schneller voran. Dabei zerstört die Klimakatastrophe immer mehr natürliche Prozesse in einem Ausmaß, das für Milliarden Menschen im globalen Süden das Überleben unmöglich macht. IPCC, UNO, EU und der Papst fordern einstimmig eine schnellstmögliche Umkehr zur massivsten Vermeidung von jeglichem Ausstoß von Klimagasen. Aber das passiert nicht. Ein Grund dafür liegt meiner Meinung nach darin, dass Medien zwar vorgeben „neutral“ über die Klimakatastrophe zu berichten, aber dennoch nicht von Ihren üblichen Geschäftsmodellen ablassen:
1.) Anzeigen werden nach wie vor für sehr klimaschädliche Produkte abgedruckt, 2.) Leserreisen zu den exotischsten Zielen werden noch immer angeboten und aggressiv beworben und 3.) auch im redaktionellen Teil werden immer noch Artikel abgedruckt oder Specials gemacht, die Leser*innen dazu verlocken, immer noch mehr wertvolle Ressourcen vernichtenden Luxus und klimaschädliche Produkte zu begehren. Sehen Sie selbst die ganzseitige Anzeige von BMW auf Seite 8 Seven Senses of Luxury. „Die Weite des Möglichen“(?), sind das im Bildhintergrund die durch unseren historischen CO2-Ausstoß verursachten verdorrten Landschaft der Levante, Afghanistans oder Horn von Afrika? Diese Regionen leiden, wegen unseres Konsums, unter einer ungewöhnlich langen Dürre, denn der überbordende Luxus der industrialisierten Länder trug und trägt am schnellsten zur Ausbeutung natürlicher Ressourcen und Ausstoß von CO2 bei.
Meint BMW das also mit: „Der (unser) Blick schweift Richtung Zukunft“? „Freude am Fahren“ mit 2,5 t Leergewicht, 400PS, Übergröße und maximal hohem Stromverbrauch. Gerade wurde die Din Norm für deutsche Parkplätze an die Bedürfnisse dieser immer größeren Autos angepasst. Ja, BMW und DIE ZEIT, die nicht auf diese lukrativen Einkünfte aus dieser Anzeige verzichten will, und damit wir alle, wollen in unseren Städten mehr und größere Parkhäuser und Straßen, dass dann weniger Grün zum Erholen, Kühlen und Spielen für Alte und Kinder bleibt, ist uns egal. Seite 12 die Reklame für den ZEIT-Shop „Exclusiv, Sonderedition, ein Statement am Handgelenk und NEU: Limitiert auf 100 Exemplare“!  ZEITmagazin mit Uhren-Mode-Design-Fleisch-Spezial – aber noch nie ein KLIMA-Spezial?
Seite 9 Reklame für den HJ-Friedrichs-Preis. Die Begründer der Zeit fochten für ein liberales, fortschrittliches Blatt. Sie übernahmen Verantwortung und kämpften gegen das Wiedererstarken des braunen Sumpfes und für Gerechtigkeit und Humanismus. Ebenso tat das Hanns-Joachim Friedrichs, der im Faschismus aufgewachsen ist und in entscheidenden Momenten buchstäblich seine Stimme erhob und sich sehr wohl als Zünglein an der Waage “gemein machte mit einer” gerechteren Welt: https://de.wikipedia.org/wiki/Hanns_Joachim_Friedrichs. Er stand auf der Seite von Rosa Luxemburg: „Wer versucht, unpolitisch zu sein, ist höchst politisch, ohne es zu wollen!“ Vor der Klimakatastrophe war das „Werbung machen für Luxus“ politisch neutral. Heute ist es ein höchst politisches Statement. Denn wenn DIE ZEIT weiterhin: 1.) Werbung für klimaschädliche Luxus-SUVs, -Möbel, -Reisen, etc. abbildet, 2.) im redaktionellen Teil Artikel druckt die bei Ihren Leser*innen das Gefühl von Fear Of Missing Out (FOMO) erzeugen falls sie nicht auch diese klimaschädlich Produkte erwerben, 3.) selbst als Verlag klimaschädliche Luxus-Reisen anbietet, dann suggeriert sie ihren Leser*innen: „Wir haben kein Problem, alles nicht so schlimm mit der Klimakatastrophe, macht nur so weiter wie bisher, seht wir tun das auch, unser Konsum und Luxus ist wichtiger!“ Am Ende einer jeden Lektüre von DIE ZEIT werden dann alle redaktionellen Warnungen und Fakten von emotional werbenden Appellen und der Tatsache überlagert, dass auch DIE ZEIT, als Redaktion und Unternehmen, die Klimakatastrophe ignoriert.
Wenn selbst solche moralischen Größen und meinungsbildende Institute wie DIE ZEIT ihr Geschäftsgebaren angesichts der Klimakatastrophe nicht ändern, ist es kein Wunder, dass sich die „Mitte der Gesellschaft“ weigert auch nur ein kleines bisschen einzuschränken. Immer mehr finden sich dann bei der AFD ein, denn sie formuliert am deutlichsten: „Erst wir und unser Konsum! Sollen die im globalen Süden doch selbst weniger fliegen, um mit der Klimakatastrophe klarzukommen, denn was wir tun, macht doch nichts aus. Wir sind technologisch so gut wir brauchen uns nicht einzuschränken!“ Wenn wir eine wirkliche Umkehr zur schnellstmöglichen Klimaneutralität wollen, dann müssen auch wir unser Bestes geben und alles tun um so schnell als mögliche klimaneutral zu werden. Das gelingt aber nur, wenn wir Werbung für Ressourcen verschleudernden Luxus und die klimaschädlichsten Produkte ähnlich ächten wie die Reklame für Tabakprodukte. Das haben wir doch damals auch zum Schutz der Gesundheit unserer Kinder getan! Denn die neuen Statussymbole in Deutschland müssen naturnahe Gärten, begrünte Fassaden, vitale Wälder und Moore sein und nicht die größten Häuser, Car-Ports, Schwimmbäder, SUVs, „Must have“ Luxus-Designs, Luxus-Flug-Reisen, usw.
Daniel Kahneman bekam den Nobelpreis für Wirtschaft, weil er bewies, dass unsere vornehmlich rationalen wirtschaftlichen Entscheidungen viel mehr emotionale sind. Wollen wir diese Wahrheit nicht anerkennen, weil wir selbst noch gerne etwas länger im Luxus leben möchten? Kränkt es unser Ego, wenn wir zugeben, dass Edward Bernays Recht hatte, als er schon in den 20er Jahren sagte, dass emotionale Werbebotschaften ganz wesentlich unser Handeln beeinflussen und den größten Einfluss auf unsere politischen Entscheidungen haben? Weigern führende Medien sich das einzugestehen, weil dies zu sehr an ihrem Selbstverständnis von journalistischer Neutralität kratzt und die allergrößte moralische Bedeutung unterstreicht, die ihnen zurecht(!) zukommt. https://de.wikipedia.org/wiki/Edward_Bernays
Scheitern also wieder einmal fortschrittliche und liberale Medien daran, ihr eigenes Handeln zu hinterfragen? Vor 30 Jahren hielten alle starr daran fest, einer winzigen Minderheit von Wissenschaftlern (es waren nur Männer, die auch noch von der Tabaklobby gekauft waren) genauso viel Raum einzuräumen wie der gewaltigen Mehrheit der Wissenschaftler*innen(!), die Beweise brachten, dass Passivrauchen schädlich ist. Heute werden Beiträge über die Klimakatastrophe zwar gedruckt, aber kein einziges Medium, selbst wenn es so nahe am steigenden Meeresspiegel gebaut ist wie DIE ZEIT, bezieht öffentliche Stellung und setzt konsequent um was zum Abwenden der Klimakatastrophe nötig ist. Vielmehr werden mit Berichten über Klimakatastrophen umsatzfördernde Schlagzeilen gemacht, um anschließend noch mehr Geld mit klimaschädlichen Anzeigen und Verlagsaktivitäten zu scheffeln. Dass die Medien uns eindringlichst beschreiben, welche inhumanen und katastrophalen Konsequenzen die Klimakatastrophe hat, aber andererseits immer weiter stoisch nach außen „Business as usual“ machen, sendet die emotional stärkste Botschaft. Ja, es ist geradezu ein Aufruf an uns Medienkonsument*innen, es ihnen gleich zu tun und keinesfalls unseren eigenen Konsum, Lebensstil und politischen Entscheidungen in Bezug zur Klimakatastrophe zu setzen. Dieses, nach außen, unreflektierte Verharren der Medien in Ihren alten Gewohnheiten, ist genau der Grund, warum auch die Gesellschaft selbst verharrt. So wie damals bei der Diskussion um den Nichtraucherschutz, verhalten sich also wiederum die Medien so, dass die gesellschaftliche Diskussion und politische Willensbildung abgebremst wird oder gar erstickt.
Schade, dass sich daran nichts ändert. Ich hoffe, sie könnten es – E I N M A L – zumindest der Münchner Boulevardpresse nachtun. AZ-München und TZ-München brachten am 31.10., einen Tag vor dem Welt-VEGAN Tag, jeweils ein Special zur Nachhaltigkeit. Bitte sehen Sie die beigefügten Fotos. Wahrscheinlich finden Sie das lächerlich, aber mal im Ernst, wann haben Sie vor, als Zeitung von Weltformat zur wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderung der Menschheit, mal publizistisch und redaktionell auf ähnliche Weise Stellung zu beziehen? Ich hoffe bald!
Klaus Siersch

Vielleicht nehmen Sie einige Komplikationen im Stromsystem zur Kenntnis: Da Strom nicht speicherbar ist (sondern nur in umgewandelter Form als Wiedererzeugungspotential; derzeit klar unter 10.000 MW mit maximal Abdeckung von 2,5 % eines werktäglichen Strombedarfs!!; Frau Kemferts Sprüche dazu „… noch und nöcher“ sind schlicht falsch). Sowohl die wöchentliche Stromnachfrage (Werktage, Wochenende) als auch die jahreszeitlichen Stromnachfrage (Im Winter schon heute deutlich höher; mit Wärmepumpen + E-Autos mit höherem Stromverbrauch bei Kälte erst recht!) sind unterschiedlich, PV-Ertrag oder WKA-Verfügbarkeit ebenfalls etc. etc. Was nützt mir eine KI, die ausrechnet, dass demnächst in unserem Wohnviertel die Stromleitungen wegen der absehbar vielen E-Autos komplett ausgetauscht werden müssen, wenn wir dafür nicht rechtzeitig die Fachkräfte haben? Und eine „intelligente“ Smart-Meter-Anlage zur Steuerung der nächtlichen E-Auto-Aufladung erfordert die Eingabe einer Zahlungsbereitschaft in €/kWh: Was, wenn die die Oberärzte und Chefärztin der Chirurgie am nächsten Morgen um 7:45 Uhr bereitstehen, das übrige nötige Personal mit dem Bus erst ab 8:15 -8:25 Uhr eintrifft? Effiziente Regelung? Was zum nötigen Netzausbau für Autobahnraststätten, Was über wiederholt auftretende Redispatch-Maßnahmen mit enormen Kosten, was über 3 – 5 Tage miserabler Verfügbarkeit von Windkraftwerken im Winter (wenn PV nur von 8:30 – 15:30 Uhr nennenswerte Strommengen liefert) …?
Die (im Text angesprochenen) Solaranlagen produzieren in den vier Monaten Mai – August rund 53 % ihrer Jahresstromerzeugung, in den Monaten März, April, September, Oktober ca. 35 % und von November – Februar die restlichen 12 %, dazu im Winter nur rund 8 – 9 Stunden um die Mittagszeit. Der EFH-Besitzer lädt im Sommer mit Hilfe eines zusätzlichen Akkus auch ab 18 Uhr sein E-Auto auf; die Person kommt aber spätestens ab November als Kunde bei den Stadtwerken an und will kostengünstig versorgt werden: Das in einer Jahreszeit, wo ohnehin der Strombedarf um ca. 15 – 20 % höher ist als im Sommer! Irgendein Trottel muss ja das Backup-System vorhalten und das möglichst zu günstigen Preisen!
Wenn 2028 wie im Winter 22/23 der Wind für 3 – 5 (zusammenhängende) Tage bei „blöder Wetterlage“ abschlafft und WKA-Kapazitäten um 7 % über 72 – 120 Stunden verfügbar sind, dann nützen selbst 115.000 MW Wind-Kapazitäten nichts: Um 8 GW ± 2,5 GW sind stundenlang verfügbar. Alleine 10 Millionen E-Autos und 6 Millionen Wärmepumpen (jeweils zu einem Drittel bei Kälte mit nur 5 kW laufend) verlangen fast ständig nach 20.000 MW verfügbarem „grünen Strom“: PV ist dann ab 17 Uhr für 15 Stunden NULL, Wind bei 8 GW und „sonstige“ EE-Erzeuger optimistisch bei 11,5 GW: „Grüner Strom“ reicht kaum aus, den Bedarf nur der E-Autos und Wärmepumpen zu decken.
Wolfgang Ströbele


Leserbriefe zu „Fleecejacken sind Teufelszeug“ von Markus Rohwetter

Es wäre für Ihre dankenswerte Bemühungen einfach: verwenden Sie doch plastikfreie Fleecejacken. Es gibt reichlich sowas, sogar in Deutschland gefertigt aus reiner zertifizierter Baumwolle (Hess Natur z. B.) oder auch Merinowolle, die kann man oder frau sogar auf der Haut tragen, ohne kratzkratz (der Grund ist sogar in der Zeit „Stimmt´s?“ mal gestanden ) und der angenehme Nebeneffekt: das Körperklima wird´s Ihnen, so wie das Weltklima, danken. Ist das ein Vorschlag? Ohne Trocknerverwendung? Leider gibt’s keine Schischuhe ohne Plastik, aber sonst bin ich ohne diesen Teufelszeug Plastik, obwohl es ohne auch nicht geht, aber die Dosis macht´s ja aus.
Werner Willimek

Marcus Rohwetter zieht aus seinem unbefriedigenden Experiment mit dem Mikroplastikfilter (interessant, was es alles gibt) die Konsequenz, seine Fleecejacken künftig seltener zu waschen. Ich hätte da noch einen Tipp: Wenn eine kaputtgeht, als Ersatz ein Baumwollprodukt kaufen. Ich sehe ja ein, dass für eine Hütten-Wandertour die leichten und schnell trocknenden Fleeceprodukte unschlagbar sind, aber im Berufs- und Freizeitalltag dürften doch auch die schwereren Baumwollpullover in Frage kommen?
Corinna Friesen

Ehrlich gesagt mag ich gar keine Fleecejacken, deshalb ficht mich dieses Thema, das in der Zeit als „Teufelszeug“ bezeichnet wird, im Grunde meines Herzens gar nicht an. Ich könnte und will mich daher nicht über alles, was da so ständig in der Welt passiert aufregen, davon könnte ich ein Magengeschwür bekommen. In Nahost und in der Ukraine ist Krieg, da mischt Deutschland (in)direkt ganz kräftig mit! Soll ich mich jetzt über Kriege generell aufregen, die die toben und viele Menschenleben kosten oder soll ich mich über unsere Regierung aufregen, die  irgendwie und überall auch immer mitmischen muss oder soll ich mich am besten gleich über alles aufregen. Nein, das mache ich nicht, aber Fleecejacken mag ich auch weiterhin nicht und deshalb rege ich mich lieber ständig ab!
Riggi Schwarz


Leserbriefe zu „Abrüsten fürs Klima“ Gespräch mit Neta Crawford geführt von Laura Cwiertnia

Die Professorin Neta Crawford resümiert: „Ein elektrifiziertes Fahrzeug bleibt nicht plötzlich mitten in Bagdad stehen, weil ihm das Benzin ausgeht.“ Wohl wahr, aber vielleicht, weil die Batterie leer ist und die nächste Ladesäule gerade vor den Augen der Besatzung in die Luft fliegt? Oder meint Frau Crawford einen O-Bus?
Wolfgang Pilz

Irgendwie kann ich den Gedankengängen von Neta Crawford nicht folgen. Natürlich hat sie Recht, wenn sie sagt: „Ein elektrifiziertes Fahrzeug bleibt nicht plötzlich mitten in Bagdad stehen, weil ihm das Benzin ausgeht.“ Aber glaubt Frau Crawford wirklich, dass Batterien niemals der „Saft“ ausgeht?
Rolf Schikorr

Na endlich schreibt „Die Zeit“ auch zu diesem Thema. Danke dafür. Umwelt und Klimadaten über drastische CO2-Reduzierungen, die das Militär nicht einschließen, sind massiv unvollständig, um nicht zu sagen: heiße Luft. Wäre das Militär ein Land, wäre es der viertgrößte Klimakiller. Allen voran die USA. Dabei sind die fürchterlichen humanitären und Umweltfolgen, die durch die jetzt geführten Kriege entstehen, noch gar nicht mit berechnet.
Petra Harink


Leserbriefe zu „Vorsicht mit Zitaten aus der Heiligen Schrift“ von Andreas Nachama

Zu Recht erinnern Sie an den Gottesbezug von Judentum, Christentum und Islam! Was ist heute noch unser Gottesbezug? … Im Zeitablauf gesehen leben wir gegenwärtig zwischen zwei Schöpfungsquellen aus dem Nichts: dem Ursprung vom Werden in der Vergangenheit und der Geldschöpfung durch Zukunftserwartungen. Das sind zweierlei Schöpfungsquellen, die jeweils ein Akkumulationssystem gewähren. Beide Akkumulationssysteme unterscheiden sich im Zahlenraum, Zielsetzung und gesamtgesellschaftlichen Nutzen. Da unsere axiomatische Wirtschaftstheorie nur ortsbezogen monetäre Transfers gewährt, spalten wir beide Schöpfungsquellen in Finanz- und Gütermarkt. Danach glauben und lehren Volkswirte; dass nur ein monetäres Weltbild für die Orientierungshilfe geeignet ist. Aufgrund unserer chemisch-physikalischen Transfer-Entscheidungen wandern wir vom lebensfreundlichen Holozän in ein menschenverursachtes Anthropozän. Laut jüngstem ICCP-Bericht sind wir dafür schlecht gerüstet: mehrere Hundert Millionen Menschen sind vom Ökozid bedroht, das nächste globale Artensterben wird ausgelöst und wir benötigen Ressourcen von 1,4 Erden nur um den bestehenden Bedarf zu decken.
Im Grunde sind alle Menschen Teilhaber am irdischen Ökosystem! Naturwissenschaftlich ist das Wort Gott als Axiom für einen unerklärbaren Anfang vom Werden kein Problem. Problematisch waren immer Gottesbilder, die einen menschengemachten Herrschaftsanspruch von Gott ableiten. De facto symbolisiert das Wort Gott unseren Satzungsgeber von Zeit & Raum. Der Mensch übt durch chemisch-physikalische Transfer-Entscheidungen die Exekutive aus. Und die Judikative akkumuliert alle chemisch-physikalische Transfer-Entscheidungen zu einem kollektiven Willen im Gütermarkt! Wir leben gottvergessen; und sehnen uns dennoch nach neuen Propheten, die den Gottesbezug wiederherstellen: im Sinne eines friedlichen und menschenwürdigen Anthropozän!
Matthias Losert

Herrn Rabbiner Andreas Nachama scheint das erste Bibelzitat zu Amalek entgangen zu sein. 2.Buch Mose Kapitel 17:15, wo es heißt: „Weil eine Hand ( zum Schwur erhoben ) ist auf dem Thron des Herrn , soll der Krieg  des Herrn gegen Amalek währen von Generation zu Generation „! Seit dem 7. Oktober kämpft Israel gegen den Amalek von heute um sein Überleben.
Hersz Braun

Dafür, dass die Hamas-Funktionäre ganz offen bekennen, dass sie den Staate Israel bis zum letzten Menschen auszulöschen beabsichtigen und vorher keine Ruhe geben werden, und am 7. Oktober 2023 mit diesem heimtückischen und rohen Überfall auf die jüdische Zivilgesellschaft dieses Vorhaben jetzt nochmal bekräftigt und untermauert haben, vertreten Sie, lieber Herr Nachama, eine zugegebenermaßen doch sehr laue Position. Lauwarm könnte man schon fast meinen. Rechtfertigt der barbarische Angriff vom 7. Oktober denn nicht bereits den nun stattfindenden Feldzug gegen die Terroristen der Hamas? Was wäre die Alternative? Dass Netanjahu erst gar nicht zu den Waffen greifen lässt, stattdessen in pazifistischer Nächstenliebe den Hamas die Arme ausbreitet und sich sogleich für einen Frieden einsetzt? Das klingt für mich doch sehr utopisch.
Michael Ayten


Leserbriefe zu „Kopie, Original, oder andersrum?“ von Niko Kappel

Bezugnehmend auf den o.a. Artikel erinnerte ich mich besonders an 2 Begebenheiten. Der 20 Jahre zurückliegende Einkauf in der Türkei. Angebliche Lacoste Poloshirts entpuppten sich als Fake, denn das Krokodil war – nicht stante pede ersichtlich – unter der linken Achsel angenäht. Außerdem besuchten wir Jahre später in Shanghai ein Kaufhaus mit lauter, erschreckend guter Fake Artikel. Von der Glashütte Uhr bis zum Nike Joggingschuh. Alles „legal“. Mir fiel auf, dass erstaunlich viele Mitarbeiter deutscher Tochter-Firmen hier einkauften. Außerdem verfielen mitgereiste Regionalpolitiker geradezu in einen Kaufrausch. Ob sie sich auch zuhause dafür schämten oder sogar damit protzten, ist mir nicht bekannt.
Otwin Neumann

Das Wertvolle und das Wertlose: nicht zu unterscheiden. Das ist Stoff für gute Geschichten. Die reiche Unternehmersgattin mit der echten Birkin-Bag im Wert eines durchschnittlichen Jahresgehalts trifft in der Pause im Staatlichen Opernhaus auf die Toilettenfrau, die das Wechselgeld in der gleichen Birkin-Bag aufbewahrt … Mehr wird nicht verraten.
Ludwig Engstler-Barocco

Ich bin den ‚Entdeckungen‘ von Herrn Kappl ‚atemlos‘ gefolgt – und habe dabei auch dazugelernt: die Masche mit den ‚Camouflage‘-Artikeln (Kindersocken bzw. Fahrradlenker-Abdeckungen) war selbst für mich neu – und (über den Anlassfall hinaus) als ‚Geschäftsmodell’ interessant. Aber: was zum Henker veranlasst einen Angehörigen der (frühen) Generation Z, das Ergebnis seiner gut recherchierten und schlüssig dargebrachten Erkenntnisse mit belanglosem Gesülze zu verbärmen, wie etwa dass
– seine Mutter „… Plastikbrösel aus der (WM-)Trommel pullen musste“,
– dem Sohn (s)einer Kollegin „… bei Designerpieces Individualität wichtig gewesen“ wäre oder
– seine Kontaktfrau „… gerade bei einem superschweren Computerspiel“ sei und „… sich einen Booster gekauft “ habe, ganz zu schweigen von der erhellenden Offenbarung, dass Herr Kappel mit seiner Informantin in der Schweiz
– „.. auf ihrem Balkon in Luzern Latte Macchiato trank und auf den Vierwaldstätter See und die Alpen blickte“,
– wobei es „… in Luzern zu regnen anfing , als sie ihm noch einen letzten Tipp gab“,
– für dessen Erfolg er sich (weltläufig!) mit einem „Holy Guacamoly!“ bedankte (ohne den Grund für seine ‚Überraschung‘ plausibel zu machen)?
Ist es wirklich notwendig, dem interessierten Leser mit solchen Belanglosigkeiten ‚DIE ZEIT‘ zu stehlen – oder sollte einfach nur ‚die Seite gefüllt‘ werden? Da wüsste ich Wichtigeres …
Harald Schmidt


Leserbriefe zu „Wortschatz“ „Kajöttchen“ von Birgit Rumpf

Gerne lese ich immer die letzte Seite ihrer Zeitung, so auch heute.

Das Wort „Kajöttchen“ der Leserin aus NRW (Birgit Rumpf) fiel mir gleich ins Auge, und als Französin kam mir gleich das Wort „Cageot“ in den Sinn. Cageot ist eine Obststeige aus Sperrholz, im kleineren Format auch „Cagette“ genannt, und schon sind wir ganz nah am „Kajöttchen“… Da Napoleons Truppen auch bis NRW kamen, erscheint mir der Zusammenhang plausibel.Frau Rumpf wünsche ich weiterhin viele volle Kajöttchen, in unserem Keller haben wir auch etliche davon.
Sylviane Heinrich-Démaret

Auf französisch heißen diese Holzlatten-Kisten „cageot“. Vielleicht ist das „Kajöttchen“ Ihrer Eltern der kleine Bruder des französischen „cageot“? Ob cageot oder Kajöttchen, der wunderbare Duft der Äpfel dürfte der gleiche sein!
Amelie Blohm Gueissaz

Im deutsch-französischen Sprachraum der Schweiz wird der Begriff cageot (franz.) ausgesprochen als „kascho“ für ein Früchte- oder Bierkarton/ Getränkekarton noch heute regelmäßig in beiden Sprachen verwendet. Der von Ihnen angesprochene Verwendungszweck des „Kajöttchen“ ist synonym mit demjenigen der Harasse, also der Holzkiste für Früchte/ Gemüse. Ich vermute eine umgangssprachliche Umformung von cageot zu kajot, dessen verkleinerte Form (diminutiv) das Kajöttchen, also eine kleine Früchtekiste ist. J und Sch sind sprachlich eng verwandt (z.B. d. „Jürg“ wird zu f. „Schorsch“ im Elsass). Das schweizerische Idiotikon führt interessanterweise den Begriff nicht auf.
Hans-Peter Sieber


Leserbriefe zu „Ausruhen ist politisch“ von Berit Diesselkämper

Das Bild und der Untertitel: „Mit besserer Menstruationsplanung wäre das nicht passiert“ suggeriert, dass Frauen während ihrer Periode meist „wie erschlagen“ herumliegen müssen, um wieder zu „Kräften“ zu kommen! Es gab Zeiten, da durften Frauen vor Gericht nicht als Zeuginnen aussagen, wenn sie ihre Tage hatten, da man(n) der Meinung war, Frauen seien in dieser Zeit nicht zurechnungsfähig, ja sogar eventuell hysterisch! Im Griechischen heißt die Gebärmutter „Hystera“, und manchmal war die Entfernung des Uterus, die Hysterektomie, eine Methode, um hysterische Frauen zu heilen! Meine Mutter hat mir damals empfohlen, mich in diesen Tagen zu schonen und keine anstrengenden Arbeiten zu machen, auch besser kein Fahrrad zu fahren! Das hat aber eher zu einer Verunsicherung geführt, und ich habe ihr dann „bewiesen“ dass man trotzdem „ ganz normal“ leben kann.
Ich habe im Jahre 1981 meine Examensarbeit zum Thema „ Menstruation und Schulsport“ geschrieben. Als Quintessenz kam damals heraus, dass man junge Mädchen empfehlen soll, während der Regel Sport zu treiben, da dadurch der Zyklus positiv beeinflusst wird. Hauptsächlich hat er krampflösende Wirkung. Ich finde es grundsätzlich gut, dass junge Mädchen Wege finden um aus dieser „ehemaligen Schwäche“ eine Stärke zu generieren. Allerdings fühle ich generell bei dem Thema „Optimierung“ ein gewisses Unwohlsein! Und durch Cycle-Syncing mithilfe von KI und Algorithmen wird man aus meiner Sicht von seinen eigenen Gefühlen abgekoppelt und fremdgesteuert.
Maria Damm-Klein

Der Artikel von Frau Diesselkämper hat mich sehr geärgert. Es ist leicht sich über die „Regeliosität“ lustig zu machen, da die „Wiederentdeckung der Periodenkraft“ auch teilweise wunderliche Blüten herausbringt. Das ist wirklich nur Esoterik. Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass viele Frauen während der Regel starke Beschwerden wie Schmerzen, Krämpfe etc. haben. Da braucht es keine Studien, um sagen zu können, dass die körperliche Leistungsfähigkeit dann leidet – was die Autorin des Artikels erstmal vehement verneint. Im weiteren Verlauf gibt sie aber zu, dass „der Zyklus mit Veränderungen in Energie und Stimmung einhergehe“. Körperliche Leistungsfähigkeit hat durchaus etwas mit dem Energielevel und der Stimmung zu tun, daher widerspricht sich die Autorin selbst. Hormone und deren Schwankungen haben nun mal einen Einfluss auf den Körper und die Psyche. Und ja, sich zurückziehen, wenn man starke Schmerzen hat, ist manchmal einfach notwendig (egal, was Mary Putnam Jacobi dazu sagt) und gleichzeitig politisch, auch wenn es auf der individuellen Ebene geschieht. Die Autorin aber lehnt es scheinbar komplett ab, einzusehen, dass der Zyklus das Leben und die körperliche Leistungsfähigkeit beeinflussen kann. Das anzuerkennen wäre in meinen Augen aber noch lange keine Esoterik.
Natalia Werdung


Leserbriefe zu „Wir fühlen uns alleingelassen“ von Evelyn Finger

Ich finde es zugegebenermaßen ja etwas befremdlich, dass der Papst hier nicht gewillt ist, den verbrecherischen Angriff vom 7. Oktober auf unschuldige Israelis zu verurteilen, war Jesus doch immerhin selbst Jude. Das Argument, man wolle weder für die eine noch andere Seite Partei ergreifen, ist mir dann doch etwas zu dünn, um es mit Verlaub zu sagen.
Michael Ayten

In dem o.a. Artikel heißt es im letzten Abschnitt: es würde schon genügen, Israel zu verteidigen, denn die meisten Israelis verteidigen die Palästinenser. Ist da nicht ein sinnentstellender Fehler aufgetreten, müsste es nicht heißen:…die meisten Italiener verteidigen die Palästinenser? So, wie es da steht, ist der Satz unbegreiflich. Gerade bei einem so heiklen Thema muss man jedes Wort bedenken.
Helga Gediehn


Leserbriefe zu „Bin ich zu viel?“ von Laura Binder im ZEIT Magazin

Ich kann mich jetzt, mit 50 Jahren, langsam mit meiner Figur (1,60m, 48 kg) abfinden. Kann damit leben, dass ich keine Spitzenunterwäsche in der notwendigen Körbchengröße finde, von Bikinis ganz zu schweigen. Dass ich sehr lange nach passenden Hosen (oder gar Kleidern) suchen muss hat sich erst mit dem schwungvollen Onlinehandel geändert. Unabhängig vom BMI gibt es doch unzählige Gründe, sich nicht zu lieben. Und genau genommen: Wann hat es jemals einen Grund dafür gebraucht??Was zählt ist, Menschen um sich zu haben, für die es eben keine Rolle spielt. Wer sich nicht liebt, begreift doch sowieso nicht, warum andere ihn lieben sollten. Und wer sich nicht liebt, solange er denken kann, wird ohne professionelle Hilfe nicht damit anfangen. Auch nicht mit 20kg mehr (oder weniger).

Meike Glaser

Hoffentlich darf ich einfach Du sagen. Dein Artikel hat mich sehr berührt. Obwohl ich mehr als 30 Jahre älter bin, glaube ich, diese Gefühle nur zu gut zu kennen: diese schweigende Scham wie eine Art Festung oder Gefängnis, die nahezu unüberwindlich scheint. Ich hatte nie eine Traumfigur, zu groß, zu „kräftig“, meine Mutter hat mir früher öfter Klamotten gekauft, die zu klein für mich waren. Am schlankesten war ich vor meinen Schwangerschaften; nach den Geburten (2 Kinder) nahm ich immer weiter zu, obwohl ich versuchte, mich vernünftig zu ernähren und zeit meines Lebens körperlich sehr aktiv gewesen bin. Was ich auch ausprobierte, Weight Watchers, kohlenhydratreduzierte Ernährung, 200kcal weniger am Tag, etc… – nichts funktionierte. Nach wochenlangem Durchhalten (während meine Familie gut aß), war ich derart ausgehungert, dass ich nur noch an Essen dachte, was mir angesichts sich vor Lebensmitteln biegender Regale völlig absurd vorkam. Mir wurde flau, ich wurde nervös und aggressiv – und verlor kaum an Gewicht. Inzwischen sind mir diese Kreisläufe wohl vertraut, ich versuche nichts mehr (außer mein derzeitiges Gewicht einigermaßen zu halten) und bin überzeugt, dass die Wissenschaft noch nicht weit genug ist, um alle Zusammenhänge um das Übergewicht herum zu klären.
Mit meinem Mann habe ich nie darüber gesprochen – es geht einfach nicht! Mir ist, als müsste ich mich bei einem solchen Gespräch total ausliefern, das geht nicht. Deshalb ist es leichter, darüber quasi anonym zu sprechen mit jemandem, der ähnliche Probleme kennt und mich deshalb vermutlich nicht verurteilen wird. Ich glaube, es ist in einer Gesellschaft, in der sich alle einig darüber sind, dass Dicksein irgendwie verwerflich ist, zu viel verlangt, sich als Einzelner, von den Normen abweichender Mensch selbst zu lieben. Das muss vielleicht auch gar nicht sein; es reicht sicher aus, sich selbst halbwegs akzeptieren zu können. Es ist nicht leicht damit zu leben, aber m.E. gibt es trotzdem keinen Grund, aufzugeben. Ich habe mein Leben lang getanzt – trotz eines „falschen“ Körpers. Als Kind habe ich mit Ballett angefangen, es war mein größter Traum, der unter meinen Umständen ziemlich absurd war. Natürlich bin ich nicht Balletttänzerin geworden, aber ich habe mein ganzes bisheriges Leben lang getanzt, habe für mich selbst etwas entwickelt, stehe auf vielen kleineren Bühnen. Möchte manchmal im Erdboden versinken, wenn ich „richtigen“ Tänzern begegne, die alle viel kleiner, viel schlanker und inzwischen viel jünger sind. Aber der Erdboden tut sich nicht auf – ich versuche, mit meiner Unsicherheit, meiner Angst zu leben – UND MACHE WEITER! Wenn mich jemand fragt, „offiziell“ bin ich für körperliche Vielfalt. Aber allein für mich weiß ich, dass ich Schlanksein in jedem Fall vorziehe.
Trotz aller Schwierigkeiten mein unbedingter Rat: Tu alles, wonach es Dich gelüstet, lass Dich von Deinem Gewicht nicht abhalten! Auch ich finde es schrecklich, so „dick“ auf die Bühne gehen zu müssen, aber letztlich war meine Leidenschaft für den Tanz doch immer größer als Angst und Scham.  Benutze Deinen Kopf, Du bist nicht nur Dein Körper. Du hast eine Beziehung, hast einen Beruf, kannst schreiben. Lerne, dies als große Werte zu betrachten (falls Du es noch nicht kannst). Und frage Dich mal, was Essen Dir bringt. Welche möglichen Vorteile darin vielleicht auch liegen. Bei mir ist es z. B. so, dass ich einen sehr ausgeprägten Geschmackssinn habe. Während meiner Familienphase (die Kinder sind inzwischen erwachsen) habe ich mir selbst das Kochen beigebracht, das hat mir größten Spaß gemacht. Ich kann inzwischen gutes von schlechtem Essen unterscheiden (ich glaube, viel mehr, als die meisten anderen das können) Jemandem, dem Essen etwas bedeutet, der viel Appetit hat – so wie ich – dem wird es immer schwerer fallen, schlank zu bleiben als den Leuten, bei denen das nicht so ist. Sind sozusagen ungleiche Voraussetzungen. Erwarte von den Schlanken nur begrenzt Verständnis – sie haben Deine Erfahrungen nie gemacht. Im Laufe der Zeit wächst einem tatsächlich eine Art Schutzschild, wenn man seine schmerzhaften Erfahrungen halbwegs zulassen kann und offen gegenüber sich selbst bleibt. Ich bin sicher, dass Dein Leben hinreichend erfüllt ist / sein wird, dass Du mit dem Schmerz, nicht in einem Traumkörper zu leben, umgehen lernen wirst. Und selbstverständlich ist es erforderlich, auf mehr gesellschaftliche Akzeptanz hinzuarbeiten. Viel Glück!
Ulrike Burbach


Leserbrief zu „Huch, ein Arbeiter“ von Robert Pausch und Bernd Ulrich

Herr Babler wird es schwer haben, denn er kämpft gegen einen unfairen und übermächtigen Gegner: Die Medien. Denn diese versprechen unablässig ungeachtet der Klimakatastrophe immer größere Autos, Häuser, luxuriöse Urlaube, Uhren, Mode usw. Unablässig werden diese als begehrenswert, fortschrittlich und modern gepriesen. Entsprechende redaktionelle Artikel in den Medien unterstreichen und befeuern die Begehrlichkeit nach diesen Produkten und lassen sie fast wie ein Grundrecht erscheinen. Aber die Klimakatastrophe lässt als erstes alles Luxuriöse als unsicher oder unerwünscht erscheinen. Um sich nun möglichst lange die Chancen auf diese luxuriösen Genüsse zu erhalten, wählen immer mehr Menschen genau die Parteien, die am lautesten tönen: „Erst wir und unser Konsum, sollen die im globalen Süden doch selbst sehen, wie sie mit der Klimakatastrophe klarkommen, uns braucht das nicht zu interessieren!“
Gerade indem sie so tun, als ob sie unpolitisch sind, sind Medien heute höchst politisch. Sehen Sie z.B. die Begründer der Zeit. Diese fochten für eine liberale, fortschrittliche Gesellschaft. Sie übernahmen Verantwortung und kämpften gegen das Wiedererstarken des braunen Sumpfes und für einen gerechten Humanismus. Ebenso tat das Hanns-Joachim Friedrich, der im Faschismus aufgewachsen ist und in entscheidenden Momenten buchstäblich seine Stimme erhob und als Zünglein an der Waage sich gemein machte mit einer gerechteren Welt: https://de.wikipedia.org/wiki/Hanns_Joachim_Friedrichs. Er wusste, Rosa Luxemburg hat recht: „Wer versucht, unpolitisch zu sein, ist höchst politisch, ohne es zu wollen!“ Früher entstand durch den Verkauf von Luxus kein journalistischer Interessenkonflikt. Heute, im Zeitalter der Klimakatastrophe, ist es ein höchst politisches Statement. Denn wenn DIE ZEIT weiterhin Werbung für klimaschädliche Luxus-SUVs, -Möbel, -Reisen, etc. abbildet, im redaktionellen Teil werbende Artikel dafür druckt die immer wieder bei Ihren Leser*innen das Gefühl von Fear Of Missing Out (FOMO) erzeugen und selbst als Verlag klimaschädliche Luxus-Reisen anbietet, dann gaukelt sie ihren Leser*innen vor: „Alles nicht so schlimm mit den Klimakatastrophen, macht nur so weiter wie bisher, seht wir tun das auch, unser Konsum und Luxus ist wichtiger!“ Denn am Ende der Lektüre werden alle redaktionellen Warnungen und Fakten von emotional werbenden Appellen und der Tatsache überlagert, dass auch DIE ZEIT, als Redaktion und Unternehmen, die Klimakatastrophe ignoriert. Kein Wunder also, dass sich die „Mitte der Gesellschaft“ immer mehr bei der AFD einfindet, die das am deutlichsten formuliert.
Somit wird es auch für Herrn Babler sehr schwer werden, ein gesellschaftliches Umdenken für mehr Gerechtigkeit zu bewirken und dazu die nötigen Stimmen in der Bevölkerung zu finden. Schade, dass sich weder an der sozialen Frage noch an der Frage der Klimakatastrophe, die für den globalen Süden eine Frage des Überlebens ist, etwas ändern wird. Ich hoffe, sie könnten es einmal zumindest der Münchner Boulevardpresse nachtun. AZ-München und TZ-München brachten am 31.10., einen Tag vor dem Welt-VEGAN Tag, jeweils ein Special zur Nachhaltigkeit. Bitte sehen Sie die beigefügten Fotos. Wahrscheinlich finden Sie das lächerlich, aber mal im Ernst, wann haben Sie vor, als Zeitung von Weltformat zur wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderung der Menschheit, mal publizistisch und redaktionell auf ähnliche Weise Stellung zu beziehen? Ich hoffe bald!
Klaus Siersch


Leserbrief zu „Polnische Putschängste“ von Jörg Lau

Seriöse Berichterstattung sollte sich an Fakten orientieren. Ich habe keine Sympathie für Orban. Aber zu behaupten, Ungarn sei „de facto“ keine Demokratie, hat wohl de facto keine interne Reaktionskontrolle gesehen.  Orban hat mit grandioser Mehrheit die Wahlen gewonnen. Das behagt einigen nicht, aber so ist Demokratie. Oder glaubt jemand „in diesem unseren Land“, dass die ÖR, objektiv und nicht tendenziös, neutrale Botschaften vermittelten?
Christoph Schönberger


Leserbrief zu „Chip, Chip, hurra!“ von Kolja Rudzio

Ganz herzlichen Dank für den erhellenden Artikel zu den Maschinen von ASML. Besonders die sehr anschauliche, detaillierte Beschreibung, wie die Chips hergestellt werden, hat mich nachhaltig beeindruckt. So bildlich dargestellt habe ich das – oder ähnliches – noch nirgends gelesen. Daher eine Bitte bzw. ein Wunsch: Wäre es möglich, öfters mal solche technischen Themen so anschaulich und sogar noch mehr in der Tiefe zu erklären? Könnte ja eine neue Rubrik im „Wissen“ werden. Ich finde nämlich, das sind Grundlagen, die wohl die wenigsten haben – außer man studiert in der Fachrichtung. Und die uns ja mittlerweile alle betreffen. Ich habe aber z.B. bis heute noch nicht mal jemanden getroffen, der mir genau erklären kann, wie aus 0 und 1 und elektronischen Impulsen am Ende Bilder und Texte und Spiele werden. Und es waren IT-Experten dabei.
Martina Göttsching


Leserbrief zu „Das Management hat versagt“, Gespräch mit Ulrike Demmer, moderiert von Cathrin Gilbert und August Modersohn

Für mich ist das deutsche Regionalfernsehen eines der besten der Welt, es gibt hervorragende Sendungen wie Nordstory, wo viele verschiedene Aspekte einer Region behandelt werden, oder Wunderschön vom WDR, ein Sendeformat welches jetzt oft kopiert, aber nie ganz erreicht wird. Dann gibt es natürlich noch Sender wie den BR (Bayerischer Rundfunk), unter direkter politischer Leitung und sterbenslangweilig, Hauptsache der Herr Ministerpräsident ist im Bild. Der neue Plan der Landesregierungen für den RBB geht leider genau in diese Richtung. Im Französischen Fernsehen FR3 sieht man, dass man ohne Mittel nur recht bescheidene Sendungen machen kann, immer redet der Moderator vor einer Kamera und das war’s dann.
Peter Pielmeier


Leserbrief zu „Das große Beben“ von Heike Buchter

Wer an „NMT“ geglaubt hat, der war entweder ohne jegliche ökonomische Sachkenntnis oder als „Ökonom“ eine „Pfeife ohne analytischen Verstand“. Die NMT vergleicht die Position eines Skifahrers auf 2000 m Höhe (Gleichgewicht A) und desselben Skifahrers auf 1200 m Höhe im sonnigen Liegestuhl (Gleichgewicht B). So weit, so dürftig – aber noch zutreffend: Eine Volkswirtschaft kann unterschiedliche Währungen haben und auch unterschiedliche Preisniveaus. Das Dumme ist die extrem steile schwarze Abfahrt (vom bisherigen GG A zum neuen GG B) dazwischen: Wenn sich hier der Skifahrer seine Knochen bricht und schwer verletzt, hat er vom neuen Gleichgewicht B „nichts“ – außer Riesenprobleme! Der Inflationsprozess ist die Abfahrt! WER da heil herauskommt und WER sich die Knochen bricht, zeigt bspw. 1923! Das haben sogar BWL- und VWL-Student*innen in mittleren Semestern verstanden.
Wolfgang Ströbele


Leserbrief zu „Der Wortführer“ von Götz Hamann und Stefan Schirmer

Augstein war, das wird weniger erwähnt, ein Intellektueller, der an Unis auftrat, in Göttingen etwa, in die Uni-Kirche St. Johannis, hinter dem Rathaus, in der auch Uni-Veranstaltungen stattfanden. Auch Gerstenmeier trat dort auf, der später unrühmlicher endete. Augstein war nicht nur SPIEGEL. Er schrieb Bücher wie zu Friedrich II.  Seine Essays waren im Journal extra in anderem Papier eingebunden. Ich glaube Schäuble nicht, dass Augstein später mit Kohl seinen Frieden gemacht hätte. Er zog sich auch nicht zurück, weil er nicht gleich Fraktionsvorsitzender wurde. Er war einfach kein Wahlkämpfer. Ich erinnere eine Szene, wo ihm Ertel ausgerechnet im Wahlkreis Paderborn zur Hilfe kam. Ein Vergleich der Beiden zeigte den Unterschied. Gut, bis zum Tod seiner Mutter war Augstein „un peu catholique“. Ich glaube eher, dass ihm das Parteigewusel nicht lag. Und ihm war der SPIEGEL wichtiger, der ohne ihn nicht mehr so gut lief. Ich saß mal zufällig in Mainz bei einem Juso-Konkreß, den damals Ingrid Matthäus-Maier leitete, einen Tag lang neben ihm. Nach einer mäßigen Diskussion kam das Fernsehen und M-M haute völlig aus dem Zusammenhang ein 5 Min-Statement ‚raus und dann ging der Kongress seinen weiteren Weg.  Das war wohl vorbereitet und abgesprochen. Dann war das Fernsehen war wieder abgezogen. Wir wunderten uns. Ich war gerade in die FDP-Mainz eingetreten. Augstein dachte damals wohl noch, er müsse sich mit solchen Abläufen befreunden.  „Hamburger Kumpanei“ – hatte nicht Klose am letzten Tag vor seinem Rücktritt Bissinger noch in den Beamtenstand geholt?
Gerhard Schroeder


Leserbrief zu „Die Coachin“ – „Reicht es, wenn meine Arbeit mittelmäßig ist?“ aufgezeichnet von Linda Tutmann

Die Frage stellt Sabine W.52.Personalerin Nachname wie immer in dieser Jammerecke verkürzt. Nun Frau W. das reicht nicht. Als Personalerin sollten Sie das wissen. Mein Rat, schmeißen Sie sich selber raus. Und suchen sich einen neuen Job, wo Mittelmäßigkeit geschätzt wird. Den werden Sie aber nicht finden. Also gehen Sie in eine mittelmäßige Frührente.
Hans-Emil Schuster


 

Leserbrief zu „Kippen-Gebühr wie in Spanien“ von Laura Cwiertnia

Ich habe Jahrzehnte lang in Raucherhaushalten gelebt und selbst nie einen Glimmstängel angerührt, deshalb bezeichne ich mich als einen aktiven Nichtraucher. Seite knapp acht Jahren lebe ich nun in einer komplett rauchfreien „Bude“. Ich finde das Nichtrauchen schon immer einfach cooler, aber deshalb gleich wieder auf die Raucher loszugehen, das muss nicht sein, das finde ich dann trotzdem ziemlich uncool Der Staat verdient sich an den Raucher dumm und dämlich; Beispiel, kostet eine Schachtel Zigaretten ca. € 7,– so nimmt der Staat mit der Tabak- und Umsatzsteuer ca. € 5,– ein. Mein Gott, könnte ich da strahlen, was hab ich da die letzten Jahrzehnte an Gelder eingespart, aber denkste, nichts von alledem ist da, ich bin und bleibe trotzdem arm, wie die sprichwörtliche Kirchenmaus! Die Kippen-Gebühr mag es in Spanien geben, aber Deutschland zockt die Raucher eh schon über Gebühr ab!
Klaus P. Jaworek


Leserbrief zu „Auf dem Holzweg“ von Hannah Knuth

Wir hatten im KM15/Abenberg auch mal eine Schaufenster-Ausstellung mit dem Titel „Auf dem Holzweg“ und da wurde ganz stringent der Holzweg beschritten und kein Millimeter davon abgewichen, auch wenn es noch so offensichtlich ist, dass dieser Weg nicht nur in die Irre führen könnte, sondern wirklich in selbe führt. Die Redewendung „Auf dem Holzweg sein“, die beschreibt ein nicht unbedingtes zielführendes Vorgehen und impliziert eher die Aufforderung, diesen Irrweg schnellsten zu verlassen. Irgendwie, so finde ich, befindet sich die „Ampel“ voll auf dem Holzweg, aber das scheint innerhalb der Ampel fast keinen (vielleicht einige Volksvertreters aus der FDP) wirklich zu interessieren; Zielvorgabe scheint da, das zielgerechte Vorbeiregieren am eigenen Volk, zu sein!
Klaus P. Jaworek


Leserbrief zu „Wirklich hervorstechend“ von Antonia Baum

Bravo für diesen witzig-launigen Artikel über den revolutionären Nippel, den man nicht mehr durch die Lasche zu ziehen braucht. Der dauererigierte BH-Aufsatz ist natürlich eine gewaltige Herausforderung an die gewöhnlich so bescheidene, zurückhaltende Männermode. Auch hier ist Push up das Gebot der Stunde. Wer bringt endlich optisch mehr Volumen in die Unterhose? Wer kreiert die formstabilen gemächtigen Boxershorts mit imponierender Package-Simulation?
Ludwig Engstler-Barocco


Leserbrief zu „Echt der Hammer“ von Julia Werthmann

Das ist nicht „echt der Hammer“, sondern einfach nur behämmert! Ich hoffe, diese Selbst- und Frauenhasser hämmern sich aus ihrem verpfuschten Leben. Und Kim Kardashian (siehe Frau Baums Artikel auf selbiger Seite) sollte sich dem gleich anschließen. Wenn das der „Amerikanische Traum“ sein soll, der ihr da „tief in den Knochen“ steckt, dann hat sie allen Grund, ihre Knochen mit dem Hammer zu polieren!
Thomas Manthey


Leserbrief zu „Die Legende von Paul und Siri“ von Volker Weidermann

Frau Hustvedt hat zwar laut Netz nicht verraten, an welcher Art von Krebs Paul Auster leidet, aber es würde mich schon sehr wundern, wenn jemand, der starker Raucher ist (2017 offenbar von Zigarillos auf E-Zigaretten umgestiegen) oder jetzt vielleicht hoffentlich war und der das Drehbuch zu „Smoke“ geschrieben hat, nicht an Lungenkrebs erkrankt wäre. Da muss man doch nur Zwei und Zwei zusammenzählen. Ich spare mir die nutzlose Empathie.
Thomas Manthey


Leserbrief zu „Yasmine M’Barek entdeckt“ – „Backmischungen“

Frau M’Barek, schön, dass Sie uns alle an Ihrer Wohlstandsverwahrlosung teilnehmen lassen und uns davon erzählen, wie Sie Discounterware doch insgeheim verabscheuen. Aber Ihr Text weist einfach keinen Mehrwert auf. Diesem Text ist leider nichts abzugewinnen. So leid es mir auch tut. Liebe Grüße aus Deutschland in Ihre Berliner Blase. Während ich dies hier so schreibe, frage ich mich, ob Mohammed eine Allergie gegen Schweinefleisch hatte und aus diesem Grunde davon abriet. Vermutlich hatte er dies im Vorfeld mit seiner 9-jährigen Ehefrau besprochen. Ob er die anderen zwölf miteinbezogen hat?
Michael Ayten


Leserbrief zu „Über finanzielle Unabhängigkeit“ von Harald Martenstein

in Ihre Kolumne habe ich mich erst spät verliebt- ich kannte zunächst weder Sie noch Ihren Stil resp. Ihren Kanon in Sachen Werten; aber nun lese ich Sie resp. Ihre Kolumne immer zuerst (noch vor Frau Räthers Rezept) ! Seien Sie einfach mal herzlich bedankt! Ihre letzte kleine Abhandlung ist ein wahrer Sieg der Selbstironie und dann noch die herrliche Pointe in einem einzigen- dem Schlusssatz! Hoffentlich wissen Ihre Arbeitgeber, was sie an Ihnen haben!
Ulrike Fischnich


Leserbrief zu „Zensur ist vernichtend“. Gespräch mit Laurie Halse Anderson geführt von Katrin Hörnlein

Ich finde, dass beim Thema book banning differenziert werden muss. Book banning ist nicht per se etwas Schlechtes. Wie ich darüber denke? Meiner Überzeugung nach sollten Klein- und Grundschulkinder nicht gleich schon an Bücher herankommen können, in denen „Erwachsenenthemen“ behandelt werden, wie bspw. sexuelle Aufklärung oder Transsexualität. Und hoch brisante Themen wie Vergewaltigungen dürfen für Kinder erst recht nicht zugänglich gemacht werden. Ein FSK ist da nur richtig. Bei diesem Thema kann ich beide Seiten gut verstehen. Die eine möchte ihr konservatives Weltbild bewahren und die eigenen Kinder vor äußerst brenzligen Inhalten schützen. Die andere streitet dafür, dass Bücher, unabhängig ihres Inhalts veröffentlicht werden sollten. Das nenne ich dann mal einen typisch amerikanischen Kulturkampf.
Michael Ayten


Leserbrief zum Wochenmarkt „Wähl die Walnuss“ von Elisabeth Raether im ZEIT Magazin

Seit einem Jahr bin ich Abonnentin und somit regelmäßige Leserin der Zeit und des Zeitmagazins. Von Anbeginn sind mir – und meinen jungen erwachsenen Kindern – die unansprechenden Kochrezepte aufgefallen. Sie sind weder raffiniert von den Zutaten noch inspirierend oder ästhetisch ansprechend, was ein Nachkochen evozieren könnte. Heute morgen wurde das ganze durch einen Berg rohen Fleischs gekrönt! Ich kann beim besten Willen nicht nachvollziehen, wen diese Rezeptvorschläge motivieren sollen. Liegt es denn nicht in Ihrem Interesse, eine junge Generation begeisterter Köche anzusprechen, die sich mit ressourcenschonender und gesunder Ernährung intensiv beschäftigt? Es gibt so viele zeitgemäße und experimentierfreudige junge Köche, die einen wertvollen Beitrag zu Ihrem Magazin leisten könnten. Bitte betrachten Sie meine Kritik als konstruktiven Beitrag, um ihre alte Leserschaft zu einem Umdenken zu bewegen und eine junge Leserschaft zu gewinnen.
Christiane Schmitz


Leserbrief zu „All-American Girl“ von Amelie Appel (Fotos Tereza Mundilová) im ZEIT Magazin

Inszenierte „Normalität“?! Da kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Warum kommen mir bei den meisten US-(Disney-)Künstler*innen immer in erster Linie Dollarzeichen in den Sinn? Sex sells besonders gut. Okay, ich gehöre wohl eher nicht zur Zielgruppe von Olivia Rodrigo (zu alt, zu männlich, zu wenig internetaffin, zu wenig Interesse am Thema „Girl sucht Boy fürs Leben oder zumindest für eine Nacht). Die einzigen Anfangzwanzigjährigen, mit denen ich etwas anfangen kann, sind Horsegirls aus Chicago.
Lebensschmerz ist mir als Sujet lieber als der immergleiche kitschige Herzschmerz. Und da bin ich mit Angie McMahons soeben erschienenem Album „Light, Dark, Light Again“, glaube ich, besser bedient. Sie hat ihre Schmerzen und Depressionen ganz gut im Griff und hat Techniken entwickelt, damit umzugehen, wenn man den Texten und den Vorankündigungen so glauben darf. Angie muss sich nicht als „normal“ inszenieren, sie IST das, mit all ihren Fehlern (Füttern eines blutrünstigen Papageis!), zu denen sie (auch in ihren Liedern und Liveauftritten) steht. Es gibt da ein lustiges Video, in dem sie einen ziemlich pannenbeladenen ersten Club-Auftritt nach Corona zusammengeschnitten hat, wo sie erst wieder lernen musste, wie Livemusik funktioniert. Außerdem ist sie in der Melbourner Musikszene verankert. Rodrigo hingegen kommt mir so vor, als ob sie sehr isoliert ist. Viel von Substanz habe ich von ihr aus dem Artikel auch nicht herausgehört. Ist wohl auch eher schlecht fürs Geschäft, wenn man die Kundschaft, die ja möglichst groß sein soll, nicht verprellen möchte. Ganz unsexy ist Angie auch nicht, aber das steht bei ihr nicht im Vordergrund, das funktioniert mehr über natürliche Ausstrahlung und Charisma als über kalkuliert hochgezogenen Röcke. Ihre Managerin Charlotte würde auch nicht ins US-Business passen. Ich habe ein Interview mit ihr gelesen, wo sie ihren Job und ihr Leben detailliert beschreibt. Natürlich ist ihr der Erfolg ihrer Künstler*innen wichtig, aber obwohl man ab und zu auch mal Tacheles reden muss, möchte sie doch auch eine Art Freundschaft mit ihnen aufbauen und ihr eigenes Privatleben soll trotz aller beruflichen Belastungen nicht zu kurz kommen.
All das kann ich mir bei den knallharten Showbedingungen in den Staaten nicht vorstellen. Es gab einmal eine Situation, als Angie aus Angst nicht auftreten wollte und wo Charlotte sie in der Garderobe getröstet und ihr versichert hat, dass es völlig okay sei, wenn sie es nicht auf die Bühne schaffen sollte. Das stelle man sich jetzt einmal im US-Showbiz, mit der Betonung auf „Biz“, vor …Trotz all ihrer Depressionen klingt „Light, Dark, Light Again“ übrigens sehr lebensfroh und -klug, eben weil Angie gelernt hat, loszulassen. „Letting Go“ ist das Knallerlied auf der CD! Das kannte ich aber schon vom Video, deswegen läuft bei mir gerade „Divine Fault Line“ in stundenlanger (!) Schleife, weil das noch nicht vorveröffentlicht worden war.
Thomas Manthey