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30. November 2023 – Ausgabe 51

 

Leserbriefe zum Titelthema „Ganz die Alte“ „Und plötzlich bin ich alt“ von Iris Radisch

Ich bin ja nur ein alter Mann und gehöre nicht zur Kategorie jener, deren Meinung gefragt ist. Ich möchte mich aber dennoch persönlich an Sie wenden. Vielleicht haben Sie ja keinen Partner, mit dem Sie die Freuden des gemeinsamen Alterns genießen können, keine Kinder oder gar Enkelkinder, die Ihr Leben erheitern. Aber auch so haben Sie mit Ihrem großartigen Werk als Kritikerin doch allen Grund zu sagen, Ich muss niemandem mehr etwas beweisen. Sie können doch sich selbst genug sein, ohne großen Echoraum. (Das Sie immer noch ein Echo finden, zeigt ja gerade der Text, den ich schreibe). Sie wissen doch, wer Sie sind. Was braucht es mehr?
Heinz Schmitz

Ihr Lamento über fehlende Rollenmodelle für die alternde Frau ist eine einzige Selbstsabotage. Schon die Ausgangsfrage ist falsch, denn Frau braucht keine Rollenmodelle, wenn sie sich auf ihre Lebenserfahrung besinnt und aufhört, sich durch die Brille oberflächlicher Männer im Jugendwahn zu betrachten. Keiner dieser älteren Männer würde sich selbst so in Frage stellen wie es Frauen permanent tun. Und wenn Sie schon nach weiblichen Vorbildern für gutes Altern suchen, dann haben Sie sie doch schon alle gezeigt in der ZEIT. Jene Frauen zwischen Omas in Gesundheitsschuhen und gelifteten Barbies. Frauen, die sich nicht über Arsch und Titten definieren, sondern mit Herz, Verstand und Lebensleistung punkten: die wunderbare Margot Friedländer, die lebenskluge Helga Schubert, die immer noch streitbare Alice Schwarzer, die kluge Elke Heidenreich, Margot Käßmann, Ann-Sophie Mutter und viele andere gestandene Frauen unter Ärztinnen, Lehrerinnen, pflegenden Ehepartnerinnen, engagierten Frauen in Kirchen und Vereinen. Und zum Schluss noch eine Frage: Warum muss Ihr Beitrag mit weiblicher Nacktheit illustriert werden?
Mia Herbe

Die Autorin ist auf der Suche nach einem überzeugenden Vorbild oder einer guten Erzählung für das Altern von Freuen nicht unbedingt fündig geworden, obwohl sie beispielhaft eine Reihe von bekannten Frauen zitiert, die diesem Schicksal ausgesetzt sind oder waren. So gut der Text geschrieben ist und er wohl auch die Problemlage vieler Frauen treffen dürfte, möchte ich doch einige Anmerkungen machen. Die Männer kommen hier auch mal wieder besser weg, so, als könnte Jeder bis ins hohe Alter DAX-Vorstand oder Pabst, zumindest Kardinal, Vereinsvorstand oder wenigstens Rotary-Präsident werden, was Frauen scheinbar unmöglich ist (was für die Rolle als Kirchenfürst in einer Fakultät tatsächlich – noch – stimmt). So ist es natürlich nicht, denn im Schnitt humpeln viele „altere Krauterer“ mit verhämtem Gesicht, morschen Knochen und fehlendem Testosteron durch die Gegend. Und diejenigen, die noch etwas vorzeigen können, finden entsprechend sportliche und selbstbewusste Partnerinnen, offensichtlich auch ohne Vorbild. Aber warum braucht denn Frau dieses Vorbild? Muss man sich im Zeitalter der Emanzipation noch immer an anderen orientieren und sich schließlich entsprechend anpassen? Oder wäre ein „feministisches Älterwerden“ nach langer Lebenserfahrung nicht Kraft eigener Bildung und Orientierung überzeugender? Fällt man da nicht doch noch auf eherne Verhaltensmuster herein bzw. warum gibt man sich nicht dem natürlichen Prozess wie jener genannten Großmutter hin, die sich um diese „Show-Aspekte“ nicht gekümmert hat. Sie war so wie sie war, ohne herumzurätseln, wer sie sein könnte.
Herbert Berger

Tja, liebe Frau Radisch, frau spiegelt sich in den Augen der anderen. Und als ältere Frau wird man weniger wahrgenommen, außer, als vermutet solvente Kundin. Und ja, auch mir fallen kaum Rollenvorbilder ein. Möglicherweise auch deshalb, dass gerade unsere Frauengeneration selbstbestimmt leben konnte und unterschiedliche Wege gegangen ist. Hinzu kommt, dass Ruhestand, Partner(verlust) und familiäre Beziehungen zu unterschiedlichen Lebenssituationen führen – von den finanziellen Möglichkeiten mal ganz abgesehen. Ich habe weniger die Großmütter im Blick als die Frauen, die ihren letzten Lebensabschnitt alleine meistern müssen. Frau muss sich dann immer wieder neu sortieren, lernt einerseits Demut angesichts der Vergänglichkeit allgemein und kramt andererseits den Selbstbehauptungswillen wieder raus. Ich muss das nicht übernehmen, wie der andere mich sieht. Der hat oft die Brille subjektiver Verwertungsmöglichkeiten auf – und wenn ich das auch tue, muss ich feststellen, dass es gerade viele ältere Männer gibt, die ihre optischen und mentalen Qualitäten großzügig überschätzen. Wie wichtig ist mir dann deren Wertschätzung oder Desinteresse? Anregender und interessanter finde ich den Austausch mit Frauen unserer Generation, welche Möglichkeiten für Lebensgestaltung und Solidarität sie nutzen und wie sie gesellschaftliche Erwartungen unterlaufen. Ich bin auf viel Herzlichkeit, Witz und Tiefgang gestoßen.
Gabriele Teuber

Für die Suche von Iris Radisch nach Frauen als Vorbilder für ein Altern in Würde habe ich einen zeitlos heißen Tipp: Lou Andreas-Salomé (1861-1937). „Wir wollen doch sehn, ob nicht die allermeisten sogenannten ›unübersteiglichen Schranken‹ die die Welt zieht, sich als harmlose Kreidestriche herausstellen“, schrieb sie mit 21 Jahren. Und sie sollte Recht behalten. Das Leben dieser außergewöhnlichen Frau liest sich wie eine Legende. Einer glücklichen, ja märchenhaften Kindheit in Sankt Petersburg als Tochter eines Generals Zar Nikolaus I. und einer Mutter norddeutsch-dänischer Herkunft inmitten einer der glänzendsten Gesellschaft der damaligen Welt, folgt eine Zeit des Eigensinns und der Rebellion, die sich zum Beispiel darin ausdrückte, dass sie die Konfirmation durch den zuständigen protestantischen Pastor verweigerte und später aus der Kirche austrat. Als Achtzehnjährige fühlte sie sich zu dem liberalen niederländischen Pastor Hendrik Gillot hingezogen, der sie in Philosophie, Literatur und Religionsgeschichte unterrichtete und ihre den Namen Lou gab (eigentlich hieß sie Louise). Der „brillante und kultivierte Dandy“, der seine Frau und seine zwei Kinder ihr zuliebe verlassen wollte, war der Erste, dessen Heiratsantrag ablehnend beschieden wurde.
Der Zweite, der es gleich zweimal vergeblich versuchte, war Friedrich Nietzsche (eigentlich war er schon der Dritte nach seinem Freund Paul Rée, mit dem Lou jedoch eine enge Freundschaft bis zu seinem Tod verbindet). Der Philosoph nannte sie „Geschwisterhirn“ und fragte bei der ersten Begegnung: „Von welchen Sternen sind wir uns hier einander zugefallen?“ Er bekannte, dass er seinen „Zarathustra“ ohne Lous intellektuellen Einfluss nicht hätte schreiben können. 1887 heiratete Lou den fünfzehn Jahre älteren Orientalisten Friedrich Carl Andreas in Berlin, nachdem dieser seine Eheabsicht durcheinen Suizidversuch mit einem Messerstich in die Brust vor ihren Augen bekräftigt hatte. Lous Bedingung: Die Ehe nie sexuell zu vollziehen In diesem Zusammenhang sei Lous Bekenntnis zitiert: „Ich bin Erinnerungen treu für immer; Menschen werde ich es niemals sein.“ Denn im Mai 1897 tritt in München der vierzehn Jahre jüngere René Maria Rilke in ihr Leben und eine faszinierende amour fou beginnt. Sie verbringen die Sommermonate in Wolfratshausen an der Isar und im Winter zieht Rilke nach Berlin in ihre Nähe. Im Frühjahr 1899 und im Sommer 1900 reisen sie nach Russland. Kurz darauf beendet Lou die Beziehung. Anfang 1901 schreibt sie in ihr Tagebuch: „Damit R. fort ginge, ganz fort, wäre ich einer Brutalität fähig. (Er muss fort!)“. Aus der Liebesbeziehung entstand eine enge Freundschaft, die bis zum Tod des Dichters 1926 anhielt.
Im Frühjahr 1903 wurde Andreas auf den Lehrstuhl für Westafrikanische Sprachen an der Universität Göttingen berufen und das Paar lebte dort im eigenen Haus am Hainberg (nach Richard Wagners „Haus Wahnfried“ in Bayreuth „Loufried“ genannt). In den letzten 25 Jahren ihres Lebens wurde Siegmund Freund zur entscheidenden Bezugsperson. Mit fünfzig geht Lou nach Wien und lässt sich von Freud zu einer der ersten Psychoanalytikerinnen ausbilden. 1915 eröffnet sie in ihrem Göttinger Wohnhaus eine eigene Praxis. Freud hielt sehr viel von ihr, sie wurde ihm eine hochgeschätzte Diskussionspartnerin; er fand, sie sei die „Dichterin der Psychoanalyse“, während er selbst nur Prosa schreibe. 1922 wurde Lou in die Wiener Psychoanalytische Vereinigung aufgenommen. Zum 75. Geburtstag ihres Freundes und Lehrers am 6. Mai 1931 schrieb sie den offenen Brief „Mein Dank an Freund“, der sich herzlich bedankte: „Es ist das Schönste, was ich von Ihnen gelesen habe, ein unfreiwilliger Beweis ihrer Überlegenheit über uns alle.“
Nach 43 Ehejahren erfolgte im Frühjahr 1930 wieder eine Annäherung zwischen Lou und Andreas, der sie während eines sechswöchigen Krankenhausaufenthalts täglich besuchte. Freud: „So dauerhaft bewährt sich doch nur das Echte.“ Andreas starb im Herbst desselben Jahres an Krebs. Lou Andreas-Salome starb am 5. Februar 1937 im Schlaf. Ein paar Tage nach ihrem Tod wurde ihre Bibliothek auf Anordnung der Gestapo konfisziert. Begründung: Sie habe als Psychoanalytikerin eine „jüdische Wissenschaft“ betrieben … Eine der begeisterten Bewunderinnen Lou Andreas-Salomes war selbst auch ein großartiges Vorbild für ein Altern in Würde: Anais Nin (1903-1977). Dieser Frau, die sich als elfjähriges Mädchen auf die lebenslange Reise in das Labyrinth ihres Tagebuches begab, erlebt in ihren letzten zehn Lebensjahren eine unfassbare internationale Anerkennung: Beifall, Triumph, Signierstunden und Vorträge ohne Ende, eine kaum mehr zu bewältigende Lawine an Fanpost. „Das Geräusch der sich öffnenden Türen ist ohrenbetäubend.“ Das letzte Jahrzehnt ist eine Zeit des Reisens in alle Welt, meist auf Kosten ihrer ausländischen Verleger, es ist voll von wunderbaren neuen Erlebnissen und liebenswerten neuen Freunden.
Ludwig Engstler-Barocco

Ihr Artikel über die ‚Alte‘, spricht mir aus der Seele und aktuell ist mir als 72-jährige einiges widerfahren! Wieder einmal!  Ich stehe zu meinem Alter, bin großzügig, empathisch, Kosmetikerin regelmäßig, bin noch sehr sportlich, (Berge, freiwillige Helferin in Südtirol) reise gerne, bin gesund und war bis Ende Oktober noch aus Liebe zu meinem Beruf stundenweise tätig.  Rundum mir geht es bestens.  Das Problem: Ich werde oft von Frauen wie Männern zwischen 60 und 65 Jahren eingeschätzt. Für Männer bin ich zu aktiv, zu vielseitig interessiert, Pluspunkt, alle Achtung! lese Die Zeit und SZ regelmäßig. Vor 2 Monaten lernte ich einen 3 Jahren jüngeren Mann kennen. Sah in mir endlich keine Selfie/Instagram Frau (mein Wunsch! jüngerer Mann, kocht gerne, hat Zeit für mich) Habe nur geträumt. Werde weiter träumen!  An meinem Geburtstag wurde mir dann gesagt: Ich sei klug, hätte für mein Alter noch eine tolle Figur, flotte Kurzhaarfrisur (eine ältere Frau soll keine grauen Haare haben!) habe aber halt Falten im Gesicht, sollte mir ein Hörgerät beschaffen, da das Leben sonst an mir vorbei geht…HNO-Arzt bestätigte mir keine Schwerhörigkeit. Und Tschüss!  Gut, dass ich nach kurzer Zeit das wahre Gesicht des Mannes kennen lernte. Übergewicht, kein Sport, Geiz uvm….   So viel zur alten Schachtel.
Renate Bayer

… und gibt es nicht auch ein inneres Leuchten, das ein altes Frauengesicht schön werden lässt? Das Gesicht auf der Titelseite zeugt davon. Eine “Vorahnung” von Ewigkeit, die sich in den Gesichtszügen widerspiegelt?  Wenn JA, dann erübrigt sich das Vorgehen der “Verjüngungsbranche”.
Sigrid von Köller-Pernice

(Natürlich?) verstehe ich als Mann von 61 Jahren nicht ganz genau, was Sie vom Älterwerden erwarten / befürchten. Aber da Sie nach einem Rollenmodell fragen, darf ich Ihnen von meiner Freundin Hanna erzählen, die 2015 mit 91 Jahren starb. Als ich sie kennenlernte, war sie schon zweifach verwitwet. In unserer gut zwanzig Jahre währenden Freundschaft habe ich unfassbar viel von ihr gelernt. Über das Leben, den Umgang mit Menschen, über Mut und Selbstdisziplin, über Humor und über die Liebe.  Als ihr die steile Treppe zu beschwerlich wurde, verkaufte sie ihr Elternhaus, in dem wir so viele gemeinsame Abende in großer Runde verbracht hatten, und zog in eine Etagenwohnung. Als einige Jahre später auch das nicht mehr ging, zog sie ins Altersheim. Immer selbstbestimmt und aus eigenem mutigem Entschluss. Im Altersheim habe ich sie in den letzten zwei Jahren wöchentlich besucht. Der erste Effekt war: Ich verlor die Angst vor dem Heim. In dieses Haus könnte ich morgen einziehen.
Hanna blieb auch dort die Gastgeberin, die sie immer war, empfing Freunde aus der Gemeinde, der weitläufigen Verwandtschaft. Wir hörten gemeinsam Musik. Monteverdis „Si dolce è il tormento“ bleibt für immer unser Lied. Ich holte sie zum Gottesdienst ab (in dem sie oft einschlief). Wir fuhren in ihr Lieblingsrestaurant. Ich schob sie im Rollstuhl durch den Rhododendronpark.  Aber erst ganz zum Schluss, als die Parkinson-Krankheit ihr die Sprache genommen hatte, wir draußen am Fluss saßen und ich ihre Hand streichelte, da verstand ich, dass die Sprache, die uns verband, uns immer auch im Weg gestanden hatte, dass sie etwas verborgen hatte, das wir nicht zugeben konnten: Es war Liebe.  Was würde Hanna Ihnen raten? Vergessen Sie die öffentliche Meinung, ihre Erwartungen und Forderungen. Suchen Sie sich stattdessen jüngere Freunde, die Ihre Belesenheit schätzen, Ihre Welterfahrung, Ihre Empathie, Ihren Humor und Ihre Großzügigkeit.  Dann ist das Alter keine Last, sondern ein Reichtum.
Kai Seyffarth

Brauchen wir alte Frauen denn Vorbilder? Jetzt auch noch fürs Altern? Immer wurden uns Bilder vorgehalten, wie wir sein sollten in jeder Phase unseres Lebens. Wie siehts bei Männern aus, auch Vorbildbedarf? Kann sein. Nur thematisieren die das nicht. Welch ein Segen! Für uns Frauen. Die de Beauvoir war für mich als 14Jährige ein Leitbild, hat aber nicht getaugt, andere Vorbilder habe ich bisher nicht gehabt. Meine kleine Tochter rief einmal abwehrend in einer prekären Situation im Krankenhaus „ich bin mein eigener Mensch“. Das hat mich geprägt. Ich bin 70, schaue mich morgens im Spiegel an, mache mich für den neuen Tag schön und denke, welch ein Glück, dass ich mich immer noch sehr gerne anschauen mag.
Haidi Schilling

Was für eine Enttäuschung. Der Titel „Ganz die Alte“ und der Untertitel mit dem wunderschönen Foto dieser wunderschönen alten Frau ließen mich frohlocken diesmal etwas anderes zu lesen als die bekannten Geschichten über Kuh und Ziege, Reparaturbedürftigkeit, Verachtung und Tipps aus der Verjüngungsindustrie. Frau Radisch hat einen guten Artikel zum Thema Älterwerden als Frau geschrieben – nur leider komplett am Titel vorbei! Die Antwort, wie man als Frau gut altern kann und sich dabei selbst treu bleibt, kommt, bis auf den letzten Satz, nicht vor in ihrem Artikel. Dabei wäre dies eine tolle Gelegenheit gewesen, genau hierfür Worte zu finden. Worte, die nicht leicht zu finden sind. Darauf hatte ich gehofft. Worte, die beseelen, so wie der Gesichtsausdruck der Frau auf der Titelseite. Das Alter mit seiner Weisheit, Zartheit und Güte. Das tiefe Erkennen vom Kommen und Gehen, von Menschlichkeit, Wertschätzung und Tiefe. Und ja – Ganz die Alte – was könnte das Wunderbares bedeuten? Dass wir alle innen immer dieselben bleiben und es gar kein Alter gibt im Innersten. Wie wunderbar, dass zu erkennen und mit anderen Menschen zu teilen „Du bist immer noch die Alte“.
Anne Drews

Zu Ihrem Titelthema Ganz die Alte habe ich zwei Anmerkungen. 1. Sie schreiben: “… Ruth Bader Ginsburg, die einzige Richterin am US-amerikanischen Supreme Court, …“ Diese Behauptung ist falsch. Ruth Bader Ginsburg war bisher vielleicht die berühmteste und beeindruckendste weibliche Richterin am Supreme Court. Sie ist aber nicht die einzige Richterin und die anderen Richterinnen sollten nicht unterschlagen werden. Sonia Sotomayor ist seit 2009 Richterin am US-amerikanischen Supreme Court und ist immerhin auch schon 69 Jahre alt. Elena Kagan (63) ist seit 2010 am Supreme Court, Amy Coney Barrett (51) seit 2020 und Ketanji Brown Jackson (53) seit 2022. 2. “Ganz die Alte” finde ich ein ziemlich gutes Titelthema. Aber dem Thema dann nicht einmal eine ganze Seite Text zu widmen, finde ich sehr dünn und enttäuschend. Ich hätte mehr erwartet, wenn Sie das Thema schon als Titelthema ankündigen.
Andrea Späth

Das Titelbild von DIE ZEIT Nr. 51 zeigt ein Photo von Iris Radisch fast wie in einer inneren Verklärung zu ihrem beschrifteten Sein und Dasein – und in der Vereinheitlichung mit dem zeitlosen, tiefgründigen Text zu dem Titel dieses Essays: „GANZ DIE ALTE“. Der RvM-Leserbriefschreiber hat nach der zweimaligen Lektüre des Textes anschließend vor verinnerlichter Zuwendung und auch Begeisterung, Applaus auch mit den Händen gegeben und gleichzeitig wird er sich für die nahe und fernere Zukunft (RvM wird demnächst 75) diese Text-Seite einrahmen und weiterhin vor Augen halten bzw. in Situationen einer evtl. noch anmaßenden Überheblichkeit sich dorther dann selbst die(se) Alters-„Leviten“ lesen, um zu wissen: wo die miterkennbare Realität „herwehen“ sollte… Bleiben wir aber vorerst bei dem Untertitel zu dem Titelphoto (DIE ZEIT) über/von Iris Radisch: „Selbst mit der längsten Jugend ist es irgendwann vorbei. Iris Radisch sucht nach Vorbildern: Wie geht das – als frau auf eine gute Weise zu altern und sich selbst treu zu bleiben? Hier empfindet der RvM ganz bestimmte Dissonanzen, was in dem Zusammenhang mit unausweichlichen Disharmonien (nichts?) zu tun habe: „…als Frau auf gute Weise altern und sich selbst treu bleiben?“ Das kann doch im Zustand der Lebens-Veränderungen nicht möglich sein außerhalb der optischen Verwitterungen an den jeweiligen Gegenwartsbildern des (persönlichen, oft unbegreiflichen) Alterns und Altgewordenseins…
Eine g u t e Weise gibt es beim Veraltern nicht – es wird dieser Zustand dann irgendwann unerträglich mit sich und gegenüber der Außenwelt, vor allem: weil frau innerlich nicht das vorfindet, was nach außen hin sich so verfaltet und verfallen darstellt: Das bin doch so besichtigbar nicht ICH! Und dabei sich treu bleiben zu sollen oder zu wollen – ist letztlich doch nicht nur nette Schminke, die eine Iris Radisch ihrem Lese-Publikum sicherlich nicht so „bemitleidend“ mitteilen möchte: der tiefberührende Haupttext inmitten von der Feststellung („Für Simone de Beauvoir blieb das Alter ein absurder Irrtum des Schicksals“): diesbezüglich einen ganz anderen auch psychologisch großartigen, vermittelnd äußerst klugen und philosophischen Klartext als notwendige „Anweisungen“ ausweist. Hilfe zur Selbsthilfe bedeutet gleichzeitig in anderen Ähnlichkeiten sich wiederzufinden und hierbei: eine bestimmende zuverlässigen Apathie sich wesentlich zu vergegenwärtigen… Alkohol läßt all das Verlorene nur ungenau verschwimmen – die Realität holt uns immer wieder ein! Altgewordensein ist ebenso ein Schmerz in der Seele, wie der äußere Verfall ähnlich einer Ruine sicherlich keine frühere „perfekte“ Vorhandenheit zurückzaubert! Per astra ad aspera! Wir können aus diesen Altersschüben nicht flüchten, werden durch diese Altersverwitterungen unerbittlich gezwungen, unsere Haut auf dem Markt der Eitelkeiten als Verfall und Todesnähe zu „präsentieren“ und müssen zudem mit den entsprechenden Reaktionen der Außenwelt, damit leben – oder aber uns in den persönlichen Räumen verstecken: wie es z.B. die veralterte Marlene Dietrich (in ihrem Pariser Appartement) tat, die Spiegel verhängte und sich regelmäßig besoff… Oder schauen wir auf das jetzige Außenbild von Brigitte Bardot – unvorstellbar für die Menschen des jeweiligen Daseins, sich noch vorstellen zu können, welch eine internationale Schönheit dieses nunmehrige Alterswrack (leider muss der RvM das so beschreiben) einst war – und welche innere Traurigkeit hierbei in jener jetzigen Brigitte sich aufhalten muss zu den Erinnerungen der früheren (körperschönen) Zeiten: die Bardot war doch fast schon das Modell für die Schönheit als Verführungsmuster des Begehrens… Das macht den RvM besonders traurig, wie wenn eine schöne menschennahe Marmorskulptur zerstört würde…
Und somit möchte der RvM-Leserbriefschreiber auf das abgebildete ZEIT-halbseitige Gemälde der photorealistischen Malerin Francien Krieg zu schreiben kommen: bildlich besehen („Seductive Feelings“ – aus der Serie Precious Bodies) bewirkt dieses Bild auf mich als Mann geradezu erschreckend und realistisch in der nicht möglichen Vorstellung: mit dieser Frau Sex haben zu wollen! Nein: es würde schon erektiv nicht funktionieren – das sexuelle Zentrum in meiner Sex-Birne verschließt sich absolut gegen solch eine evtl. Beabsichtigung. Die Malerin hat hierbei die innere Traurigkeit der Abgebildeten deutlich mit ihrer Malerei eingefangen – mehr Einsamkeit kann nicht vergegenwärtigt werden: das ist hohe realistische Kunst, um das Trennende vom Leben (da draußen) aufzuzeigen. Der RvM wurde hierzu in seiner eigenen Betrauerung mitberührt – zudem der Text von Iris Radisch im „Gegenentwurf“ genau jene Vereinsamung des jeweiligen veralterten Individuums absolut deutlich beschreibt. Welch eine Selbstbesichtigung in die nächste nähere Zukunft hinein – Ach, Iris Radisch: Sie hatten immer schon diese wesentliche geistvolle und ästhetische Außenbesichtigung ihres durchgeistigen Besitzes, und das verdeutlicht: es ist dem Menschen anzusehen, was er in der Verinnerlichung nach außen hin widerspiegelt – da lässt sich Nichts und Garnichts täuschen und vortäuschen.
So besehen, könnten Sie sich in der Bewusstheit Ihrer geistigen Innenwelt in dieser Unaustauschbarkeit vielleicht sogar über den Zustand des (näheren) Altgewordenseins hinwegverfügen – denn: auf solch einer besonderen inneren Insel leben zu können, kann wohl niemals wirkliche Einsamkeit oder Alleinsamkeit mit androhen oder zur Bedrohlichkeit werden… Der Verlust an Optik wird hierbei zwar nicht kompensierbar sein – und es ist ja auch sinnlos darüber nachzuforschen, warum eine sehr gealterte Frau (das meint der RvM insgesamt zu den Betroffenen besehen) bei einem vitalen Mann keine sexuelle Sehnsucht mehr hervorhetzen kann! Das Verspielen zu jenen Anreizen hat die (für uns Menschen unverantwortliche) Natur so eingerichtet: Das Altgewordene hat dem „Jungsein“ Platz zu machen – und zwar in der deutlichsten optischen Natürlichkeit des Verlustes an Aufreizendem und des Begehrlichen! Wir bedachteren Erkennenden wissen um diesen Spruch: „Quem dei diligunt, adulescens moritur.“ – „Wen die Götter lieben, den lassen sie jung sterben!“) – das hat zwar schon Maccius Plautus (um 249-184 v.u.Z.) aufgeschrieben, aber war in den Vorhandenheiten des antiken Altertums immer auch für die gealterten Männer (und sicherlich auch Frauen) eine Conditio sine qua non gegen das Altwerden oder Altgewordensein.
Ein Weltstar wie Marylin Monroe (1926-1962) hat vielleicht auch wegen dieses allmählichen Anstürmens des Alterns (zu nicht nur Hollywoods Jugendwahn): ihr Leben beendet… – wir wissen es nicht, könnten aber mitfühlend sein: obwohl sie doch „erst“ 36 Jahre mitteljung war. Oder verbirgt sich dahinter ein Mordauftrag – einstige Hintergrundmachenschaften wären vorstellbar zur großen Politik jener Zeit: und Marylin war sehr zudringlich und wohl auch erpresserisch (auf ihre Art) in ihren Einforderungen und Anforderungen bezüglich der so sehr öffentlich bekannten Liebhaber bis hin zum höchsten Amtsinhaber der USA. Er war also nicht nur „ein Berliner“, sondern in seiner sexuellen Euphorie wie viele andere Männer auch weltweit: „Steht der Schwanz, ist der Verstand im Arsch!“ Und könnten wir uns eine alte Marylin mit 84 Jahren (um eine Zahl zu nennen) vorstellen – ohne dass ihr Nimbus verloren gegangen wäre im Vergleich zu den Vergleichbarkeiten… Peter Handke hatte in den früheren 70er-Jahren mit der immerhin noch attraktiv gealterten Jeanne Moreau (1928-2017) eine intime Liaison mitbelebt (J.M.: „Ich kann es schreiben, Du bist die Liebe des Lebens – die Liebe meines Lebens!“); sie war sozusagen das damalige Pendent zu der Bardot, aber wohl der geistvollere Entwurf einer einstigen Schönheit auf hohem künstlerischem Niveau…
Wie auch immer – bewirkt der Text von Iris Radisch den RvM zu diesen Nachdenklichkeiten und vielleicht auch tragisch ist hierbei von ihr (mitempfindend zum schriftstellerischen Metier als Frau) vermerkt: „In solchen Momenten verstehe ich die berühmten älteren Autorinnen sehr viel besser, die sich in der sogenannten Öffentlichkeit einfach gar nicht oder nicht mehr blicken lassen. Die italienische Bestsellerautorin Elena Ferrante zum Beispiel, die vollkommen unsichtbar bleiben will. Oder Elfriede Jellinek, die wegen einer Angststörung ihren Literaturnobelpreis in Stockholm nicht selbst abholen konnte. Ihr fehle, hat sie gesagt, in der Debatte um „Weiblichkeit im Öffentlichen“ vor allem ein unmissverständliches Wort: „Seltsamerweise spricht es nie jemand aus, nicht einmal Feministinnen, vielleicht weil sie es sich nicht eingestehen wollen, doch es ist bezeichnend für das, was die Frau für ihre Arbeit bekommt, auch wenn das nie ausgesprochen wird. Die Verachtung des weiblichen Werks.“ In diesem Zusammenhang möchte der RvM an einen Kabarett-Abend mit Lisa Fitz sich erinnern, als sie zum Abschluss ihrer superguten deftigen-bajuwarischen Vorführung, die fast ausschließlich anwesenden Frauen beschwor: „… doch so zu bleiben wie sie sind, sich treu zu sein bleiben!“ (hierbei an Iris Radisch textlich erinnernd: „…als Frau auf eine gute Weise zu altern und sich treu zu bleiben?“. Und der RvM daraufhin dort vor mehreren hundert Frauen, aufstand und Lisa Fitz (geb.: 1951) auf der Bühne zurief: „Was heißt hier so zu bleiben, wie diese Frauen es sind…? Du hast Dich doch selbst schon mehrmals liften lassen, um möglichst optisch prall, jung und sexy daherzukommen. Also stimmt doch Deine „Anweisung“ überhaupt nicht: Du belügst Dich (und die Frauen) doch selbst mit Deiner auch wörtlichen Camouflage!“ Daraufhin stampfte die Lisa wutentbrannt von der Bühne, kam aber nach ca. fünf Minuten wieder zurück und sagte in etwa: „Der Mann hat recht mit seiner Kritik! Ich muss mich bei Euch entschuldigen! Jetzt will ich raus damit: Ich bin schon mehrmals geliftet und wenn ich es wiederum machen lassen sollte, dann könnten die beiden Ohren an meinem Hinterkopf zusammentreffen! Ich würde aber nicht beim Publikum ankommen, wenn ich als optisch alte Frau hier mein Kabarett machen wollte mit allem komplizierten auch sexuell polemisierendem Drum-und-Dran!“
Hierbei wiederum dadurch eine (persönliche) Rückerinnerung durch den Text von Iris Radisch – die desweiteren tiefschürfend schreibt: „Für Simone de Beauvoir blieb das Alter ein absurder Irrtum des Schicksals. Das „schreckliche Ding“, das ihr am Ende ihres Lebens als Gesicht diente, konnte sie nie ohne echtes Grauen im Spiegel betrachten. Und keiner der in der Kultur und Geschichte vorrätigen Erzählungen über die ältere Frau konnte sie von dieser niederschmetternden Sicht auf die zerstörerische Macht des Alters abbringen. Nach Jean-Paul Sartres Tod schloss sie sich zwar der französischen Frauenbewegung an, versank aber in Alkohol und Tränen.“ – Wir könnten das endlos vertiefen: unzählige Frauen (auch besonders hierbei die gealterte und sich dadurch zurückziehende Madame de Pompadour als die Geliebte Ludwig XV. von Frankreich des 18. Jahrhunderts) leiden an ihrem Altgewordensein, zuvor schon an diesen Veränderungen bis hin zur „Unansehnlichkeit“ im jeweiligen (auch) persönlichen Besichtigen. Nachzutragen wäre vielleicht noch, dass der König von Frankreich, Ludwig XV. nach ihrem Tod, bekanntgab: „Er habe sich nur aus Barmherzigkeit nicht von ihr insgesamt getrennt, da er ihren Selbstmord befürchtete.“ An ihrem Sterbetag, zu dem ihr Leichnam dann mit dem Leichenwagen im Regen Versailles verließ, soll Majestät am Fenster stehend, zuschauend gesagt haben: „La marquise n´aura pas beau temps pour son voyage!“ („Die Marquise wird kein gutes Wetter für ihre Reise haben.“).
Iris Radisch beschreibt sich per Saldo zu ihrer diesbezüglichen Anwesenheit sehr zeitanteilig alterungsbewusst: „Seitdem ich selbst überraschenderweise nicht mehr in dem Unschuldszustand lebe, in dem das eigene Alter und das Weltende gleich weit entfernt zu sein scheinen, denke ich darüber nach, wie man gut altern kann. Dabei fällt mir auf, dass es vielleicht doch kein Spaß sein könnte, völlig vorbildlos altern zu müssen. So ganz ohne Trost spendende Bilder und Erzählungen von echten alten Menschen. Besonders für Frauen ist es kein Spaß, denn egal, wie jung sie sich fühlen – jenseits der Balz- und Brutphase verschwinden sie trotz ihrer heldinnenhaften Anstrengungen, jung zu bleiben, bekanntermaßen aus den Hauptnachrichten. Man findet sie nicht mehr in der Fotostrecke, die sich über Millionen von Bildschirmen und Gehirnen ergießt. Die berufliche Altersgrenze, die für Männer in höherer Position bis ins neunte Lebensjahrzehnt reichen kann, liegt bei ihnen rund zwanzig Jahre früher. Diese Regel gilt bis auf Weiteres auch für Bundeskanzlerinnen und Fernsehmoderatorinnen. Früher habe ich darüber wenig nachgedacht. Heute fällt mir dieses Ungleichgewicht auf. Ich frage mich, warum es so unendlich viele Storys über die junge Frau und nur so wenige Mut machende Bilder und so gut wie überhaupt keine souveräne Gebrauchsanweisung für das weibliche Alter gibt.“
Um nun der scheinbaren „Ungleichheit“ des weiblichen und männlichen Alter(n)s das zumeist ähnelnde Alternbildnis gegenüberzustellen an der gemeinsamen Demarkationslinie… – zudem: glaubt denn irgendjemand wirklich, dass alte Männer sexuell attraktiv seien? Wenn diese Bildervorkommnisse: wesentlich jüngerer (junger) Frauen und sehr viel älterer alter Männer (oft auch so benannt als: Sugardaddy) – in der Öffentlichkeit vorgeführt werden, dann sind es doch zumeist irgendwelche Prominente oder aber reiche ältere-alte Typen in der dementsprechenden Positur der optischen Ruinösität, Wracks im Meer der Zeit… Zumeist aber wird diesen derartigen Frauen angesehen, wie wenig Glitzern und Glänzen in deren Augen und in ihren Gesten sich zusammenfindet… Wenn jene Frauen es aber so wollen, werden sie ihre Gründe haben: und die sind sicherlich relativ leicht zumeist zu durchschauen! „Diamonds are the girls best friend! Somit haut das Alter jedem/jeder in die Fresse, was zur Veralterung der Anwesenheiten auch kein zusätzlicher Trost sein muss – nur: dass der alte Mann eben von einer jungen Frau sicherlich keine Diamonds als Liebesgaben präsentiert bekommt! Der RvM könnte jetzt noch den alten Casanova auf Schloß Dux, zitieren, der zahnlos, verfaltet und mit Perücke, gesagt haben soll: „Der Tod kann keine Frau sein, sonst würde sie sich an mir nicht mehr vergreifen!“ Und wie erschreibt sich und UNS diese unverwechselbare Iris Radisch im Beginn ihres altersunausweichlichen Textes so poetisch und zudem philosophisch durchaus auch entfaltend hautnah: „Selbst mit der längsten Jugend ist es irgendwann vorbei.“
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld

Erst einmal danke für diesen sehr gut geschriebenen Artikel. Ich bin noch am Grübeln, wie ich mein Älterwerden in dieser Gesellschaft gestalten will, denn noch bin ich mit Mitte 60 im Berufsleben und anerkannt. Aber ich denke bereits seit einigen Jahren darüber nach, was mache ich, wenn das Kapitel Arbeiten abgeschlossen ist und wie sehe ich mich und die Frauen meiner Generation? Gefühlt verschwinden sie einfach, ich sehe sie nur als in beige gekleidete Gestalten, die ihre noch älteren Ehemänner zum Einkaufen kutschieren. Oder mit Freundinnen in Museen, Ausstellungen und Messen unterwegs sind, dazu gehöre ich auch. Aber wie nehmen wir sonst am gesellschaftlichen Leben teil? Da gebe ich Ihnen vollkommen recht, liebe Frau Radisch, wir werden herabgewürdigt und unsere Lebensleistung wird in keinster Weise anerkannt, ob es sich um eine bekannte Schriftstellerin oder die berühmte schwäbische Hausfrau handelt.
Aber die Frage ist doch, warum lassen wir es uns gefallen, das dickbäuchige, alternde Herren in schlecht sitzenden Anzügen uns in den Medien die Welt erklären wollen? Wir sind sehr Viele und nutzen leider nicht unsere Intelligenz, um dem entgegenzutreten.  Sie sehen mich ein wenig ratlos. Übrigens, Vorbilder brauchen wir nicht, wenn wir uns selbst zum Vorbild nehmen – wir müssen lauter werden und präsenter – überall und uns verbinden mit den Ideen der jüngeren Frauen, das lange Fingernägel und Wimpern genauso zu einer klugen Frau gehören, wie Falten und schlaffe Haut. Wir sind einzigartig und müssen uns dessen nur bewusst sein und uns gegenseitig über Generationen hinweg solidarisieren. Ich glaube, dann klappt es mit dem Sichtbarsein auch über 70 plus. Ein sehr gutes Beispiel ist Frau Friedländer, sie ist eine wunderbare, starke Frau. In diesem Sinn, bitte mehr solcher Artikel in der Zeit.
Kirsten Lindner

Nehmen Sie es bitte nicht persönlich, aber der kurze Text auf der Titelseite ist selten blöd. Warum muss Altern, speziell bei Frauen, gewertet werden? „Gut“…wer setzt denn hier die Maßstäbe? Gibt es schlechtes Altern auch? Bei Krankheit, ja das lasse ich mir eingehen. Der Artikel selbst hilft in keinster Weise, eine rationale Sicht auf weibliches Altern zu entwickeln. Ich frage Sie direkt, liebe Frau Radisch, warum müssen Sie sich auf das Geschlecht der Frau festlegen? Von Ihrem Artikel könnte ich mich diskriminiert fühlen. Muss ich als Frau mich mit dem Alter als Frau beschäftigen? Ist es nicht egal? Ist es denn nicht vielmehr so, dass Männer ein größeres Problem mit dem Altern haben könnten, da die Potenz nachlässt? Dass sie physikalisch nicht mehr ohne weiteres in der Lage sind, ihren „Mann zu stehen“? Nun huppelt meine Laune die Niveautreppen gen Keller hinab. Warum können wir nicht einfach als Menschen gesehen werden statt als Frau und Mann und Divers? Obiger von mir verfasster Text gibt lediglich meine persönliche Meinung wider.
Laura Brendel

Nach der Lektüre von Iris Radischs Artikel über weibliche Vorbilder für das Älterwerden fiel mir spontan Miss Marple als mein mögliches Vorbild ein: völlig authentisch, ungeschminkt, uneitel, zielstrebig, klug, geistreich, ist sie zeitlebens immer ihren eigenen Weg gegangen, ohne sich, als unverheiratete Frau, Gedanken über die männliche Sichtweise auf ihre Person zu machen. Dadurch genießt sie die größtmögliche Freiheit, sich zu entfalten und noch im hohen Alter authentisch zu sein. Dummerweise ist Miss Marple allerdings nur eine fiktive Person, dennoch sollte sie als Vorbild dienen können. Über 50 Jahre Feminismus haben den Frauen vielleicht mehr Gleichberechtigung in der Gesellschaft gebracht, aber leider haben sie sie nicht davon befreit, dem männlichen Blick gefallen zu wollen- selbst im höheren Alter noch. Aber auch sehr junge Frauen verwenden viel Zeit und Geld darauf, perfekt geschminkt und gestylt zu sein, legen sich unters Messer, um einem wie auch immer gearteten Schönheitsideal hinterherzulaufen, anstatt gebildet, klug, geistreich, witzig, kreativ, schlagfertig, mutig, authentisch sein zu wollen. Schönheit ist vergänglich, aber ein starker Charakter bleibt. Diese Wahl kann jede Frau selbst treffen, unabhängig vom Alter.
Martina Häusler

Wer, bitte, könnte und sollte uns daran hintern wie Vivian Westwood zu altern? Na also.
Dorothee Winter

Zu Ihrem Beitrag „Ganz die Alte“ ist nun wünschenswert ein Gemälde oder ein gutes Photo eines alten und faltigen und nackten Mannes auf der Seite liegend, möglichst vom Typ Clint Eastwood oder Robert Redford über einer Erzählung „Ganz der Alte“. In freudiger Erwartung
Rainer und Helgard Hickstein

Ein vor Selbstmitleid triefender Beitrag ist auch noch mit einem vulgär voyeuristischen bzw. grob sexistischen Foto illustriert. Müssen Frauen bis ins hohe Alter auf ihren nackten Körper reduziert werden? Hätte es nicht auch ein Bild einer alten, altmodisch gekleideten Frau getan, die einsam mit einem Buch oder einer Katze in einer Herbst- oder Winterlandschaft sitzt? Glaubt man denn wirklich, das Altern betreffe nur Frauen und bestünde einzig und allein aus welkender weiblicher Körperlichkeit? Auch die Männer sind mit 80-90 Jahren nicht allesamt erfolgreiche Manager, einflussreiche Politiker oder sonst was, sondern sind senil (bestes Beispiel: der Präsident der USA) oder schleppen ihre schlaffen Bierbäuche auf von Stützstrümpfen zusammengehaltenen Beinen durch die Welt.
Michaela Bohmig

Ihre Autorin schreibt: „Alle träumen von ewiger Jugend, weshalb für Frauen nur wenige Vorbilder für ein Altern in Würde gibt. Aber suchen wir doch einfach weiter.“ Allein: in diesem Artikel wird man dieses Vorbild nicht finden. Weder in dem unsäglichen Text noch in der Illustration. Warum fragt man sich wird ein Beitrag in der gleichen Ausgabe ihrer Publikation über Reinhold Würth, der in die Jahre gekommene Porträtierte würdig, seriös und charmant ausgeleuchtet, währenddessen das Gemälde, welches oben genannten Beitrag illustriert, die alte Dame schonungslos nackt in gleißendem Licht mit traurig leerem Blick gleichwohl mit lackierten Fingernägeln zeigt? Ja und das Bild auf der Titelseite mit der unsäglichen Headline: „Ganz die Alte“ – bitte, was soll das?“ Man wünscht der Autorin eine gute Freundin oder einen guten Therapeuten und der ZEIT ein engagierteres Lektorat. Vielleicht kann aber auch ein Zitat von Astrid Lindgren helfen: „Es gibt kein Verbot für alte Weiber, auf Bäume zu klettern.“
Ruth Marcus

Ein ironisch-sarkastischer, ehrlicher, am Schluss ermutigender Beitrag zu einem Thema, das offenbar viele ältere Frauen bedrückt. Mit iris-ierenden Wortschöpfungen: wenn etwa „die Grand Old Schachtel“ mit ihrem „goldmanschettenknöpfigen Weltwissen“ und mit ihrem „kalten Schneeköniginnenblick“, „am untersten Ende der sexuellen Nahrungskette angekommen“ „mit allen Wässerchen der Verjüngungsindustrie“ „eine schönheitschirurgische Angleichung an ihren inneren jugendlichen Zustand in Betracht zieht“! Da schmunzelt die alte Leserin – und verjüngt! Ihr wichtigster Satz aber steht am Ende, gesprochen von Elizabeth Castillo: „Ich bin eine alte Frau. Ich habe keine Zeit mehr zu sagen, was ich nicht meine.“ Trifft genauso für den alten Mann zu! Ist es nicht ein besonderes Privileg, dass wir Alten aussprechen können, was wir denken? Wir brauchen keine Angst zu haben, wie etwa unsere jüngeren Mitbürger, besonders aber unsere Politiker, durch ein falsch verstandenes Wort einen Knick in der Karriereleiter zu riskieren. Eine bejahrte Frau, ein alter Mann sollte zu jeder Gesprächsrunde, jeder Talkshow eingeladen werden! Mit ihren ehrlichen Aussagen können sie all die weichgespülten, ausgelutschten Hohlphrasen hinwegfegen! Hinter einer viel-fältigen Stirn auch ein ebensolches Hirn – die Zuschauer und -hörer würden sich rasch an das runzlige Äußere gewöhnen! Die freimütigen Worte wirkten geradezu wie eine Frischzellenkur für unsere verzagte, ecken- und kantenfreie Diskussionskultur!
Ulrich Pietsch

Ich habe ihren Artikel über das Altern der Frau gelesen. Sie haben doch meistens nur von Äußerlichkeiten gesprochen. Natürlich ist das Altern der Frau anders zu bewerten als bei Männern. Aber haben sie auch mal bedacht, wie reich wir im Alter sind? Was haben wir schon alles Gutes und auch Schlechtes erlebt, was haben wir schon an Erfahrung und Wissen gespeichert und auch weitergegeben. Wieviel Liebe haben wir empfangen. Auch ich erschrecke, wenn ich morgens in den Spiegel schaue. Doch ich kann immer noch lachen und Freude über viele kleine Dinge haben. Ist das nicht wichtiger?
Brigitte Pega

Hallo Frau Radisch, das war ja wieder ein weiterer brillanter Artikel. Vielen Dank.
Klaus Küsters

So einen uninspirierten oberflächlichen Artikel über das Älterwerden habe ich selten gelesen. Obwohl ich zu der angesprochenen Altersklasse gehöre, kann ich mich nirgendwo wiederfinden. Es kommt mir so vor, als ob jetzt eine junge Frau das Lebensgefühl und die Bedenken der heutigen Jugend auf das später einsetzende Alter hochrechnet. Das hat aber nichts mit der Altersrealität von heute 70-jährigen Frauen zu tun. Die sind nämlich wirklich damit beschäftigt, in Würde zu altern, und dazu finde ich aus der Praxis kein einziges Beispiel im ganzen Bericht. Da gäbe es nämlich jede Menge lebende Beispiele abseits von Biotechnologie, überkommenden Großmütterbildern, bekannten Schauspielerinnen oder verblichenen intellektuellen Autorinnen. Diese jetzt älteren Damen engagieren sich ehrenamtlich oder in der Familie, nachdem sie im Leben als Berufstätige erfolgreich ihren Beitrag zum Wohlstand der Gesellschaft beigetragen haben und haben auch jetzt im Alter keine Zeit über das Älterwerden nur zu klagen, sondern gestalten auch diesen Lebensabschnitt kreativ und mit viel Lebensfreude. Und das ist sicherlich eine bedeutend große Gruppe von Frauen, die sich in Ihrem Artikel überhaupt nicht auftaucht. So wie Sie aufs Älterwerden schauen können Sie keine Vorbilder finden, und ich hätte mit Ihrer Sicht auf die Dinge auch Angst davor, und Sie tun mir heute schon leid.
M.-Christel Andersen-Honnef

Vielen Dank für Ihren realistischen Streifzug durch die weiblichen Rollenmodelle in unserer westlichen Welt. Mein Fazit: Frau bleibt auf sich selbst zurückgeworfen und muss aus ihrem eigenen Fundus schöpfen. Wenn es gelingt, kann es erfüllen und stärken aber es erfordert unbeirrtes Selbstbewusstsein. Frau wundert sich, wie dagegen alte Männer gerne taktvoll von solchen entwaffnenden Altersdiskursen verschont bleiben und sich  fortwährend verbergen können hinter den abgenudelten medialen Beiträgen für „Frauen in den Wechseljahren / im Alter“ o.ä. Gerne hätte ich ein äquivalentes großformatiges Gemälde und einen Artikel über „den alten Mann“, bspw. über seine Vereinsamung im Ruhestand, über seine allseits verschwiegenen sexuellen Funktionsstörungen, seinen Libidoverlust und über die damit einhergehende Scham. Sollte die vertraute Prominenz von Männerfiguren in den Medien nicht auch beim Thema „Altern“ einmal konsequent vollzogen werden?
Eva Walter

In der Rubrik ENTDECKEN ist das Titelthema: „Ganz die Alte“ – das Schwergewicht des angekündigten Artikels auf einer ganzen Seite der ZEIT mit dem Gemälde der im Oberkörper entblößten Frau der Künstlerin Francien Krieg. Frage an die Redaktion: Warum gerade dieses Motiv, wäre es nicht fairer gewesen, es bei einer Textüberschrift zu belassen? Jeden Tag erleben wir Männer – und Frauen – die „junge Frau“ in ihrer körperlich nahezu makellosen Erscheinung. Aber natürlich ist deren Körper nur eine Facette der Attraktivität, wenn auch eine „stilbildende“ und in den Medien erwartete. In Amerika gibt es den Begriff der „Trophy Woman“ und wer würde dieses Bild nicht besser darstellen als die Frauen von Donald Trump? Für mich ist es sehr befremdlich, dass die ZEIT ihrer eigenen Autorin so viel Raum für ihre Erlebniswelt darbietet. Ich frage mich, warum braucht die Autorin überhaupt Vorbilder für ihre eigene Lebenssituation im Alter von 64 Jahren? Warum Vorbilder, warum ist sie sich nicht selbst genug, warum fehlt ihr das Selbstbewusstsein im „Alter“ von 64 Jahren sich selbst, ganz allein oder im Austausch mit anderen intellektuellen Frauen – oder auch einfach nur mit der Marktfrau am Obststand – auszutauschen, mit und ohne Worte!
Warum dieser neidvolle Blick zurück auf die „attraktive Jugend“, warum dieser fast schon fast verzweifelte Blick auf das Alter der Frauen? Ich lese hier so viel Neid auf ihre vergangene Zeit als Frau heraus und dass sie offenbar gar nicht mehr wahrnimmt, dass eine Frau auch ohne jede Schönheitsoperation – gerade diesem Thema widmet sich Frau Radisch ihren unangenehmen zynischen Beiträgen – ja in aller Breite und so vielen herabsetzenden Formulierungen. Jetzt müsste in der kommenden ZEIT natürlich eine Titelgeschichte mit der Überschrift „Ganz der Alte“ folgen. Assoziieren wir mit dieser Formulierung nicht sehr viel mehr auch einen Typus Mann im Alter – unabhängig von Rang, Stand und „Bedeutung“?  Ich jedenfalls würde mich für ein Titelfoto nicht bereit erklären, mit nacktem Oberkörper schon gar nicht. Meine Altersspuren sind ablesbar – na und? Sic tacuisses, verehrte Frau Radisch!
Holger Reiners

Sie suchen nach weiblichen Vorbildern, die als Vorbilder für würdiges Altern stehen? – da gibt es eine ganze Menge! – Sie haben nicht an den richtigen Stellen gesucht, glaube ich… Ich denke an Cathérine Deneuve, was für eine Frau! – nicht nur als Schauspielerin, die das Spiel mit sexuell mehrdeutigen Rollen perfekt beherrscht. Sie bekannte sich in den 70-ern zum Manifest des 343 von Simone de Beauvoir und setzte sich für die Legalisierung von Abtreibung ein. Außerdem nutzt sie ihre Prominenz für ihr Engagement zur Abschaffung der Todesstrafe, die Opfer von Landminen und gegen die Genitalverstümmelung von Frauen und Mädchen. Und an Jane Goodall, die mutige Affenforscherin. Sie hat eine wichtige Botschaft an die Welt und gibt sich vollkommen ihrer Aufgabe hin, die wilden Tiere (und uns alle) zu schützen – wer kennt sie nicht? Sie ist jetzt 89 Jahre alt und im Übrigen wunderschön. Sie strahlt einfach! Und da sind die fantastischen Künstlerinnen: Lee Krasner, eine tolle Malerin, Frau von Jackson Pollock, ihr Werk mindestens so toll wie seines. Yoko Ono, die Fluxus-Künstlerin mit den erhebenden Gedichten. Louise Bourgeoise, Marina Abramovic, Etel Adnan und Joan Jonas, Kiki Smith – lauter bildende Künstlerinnen. Patti Smith, Laurie Anderson und die Schauspielerin Judie Dench. Lauter unglaubliche Frauen, erfolgreich und kompromisslos in ihrer kreativen Kraft. So viel Power! Wenn das keine weiblichen Vorbilder für junge und alternde Frauen sind!
Und ich denke an die Guerilla-girls, die feministischen Aktionistinnen, die als Künstlerinnengruppe seit 1985 sexuelle und rassistische Diskriminierung und Korruption in der Kunstwelt aufdecken. Sie liebe ich besonders… Um anonym zu bleiben, ziehen die Mitglieder Gorillamasken an und verwenden Pseudonyme verstorbener Künstlerinnen: Käthe Kollwitz, Frida Kahlo (, die leider nicht als Vorbild taugt, weil sie leider viel zu früh gestorben ist…) Als Extrem vielleicht noch Iris Apfel: 102 Jahre alt(!) posiert sie als stilsichere Modeikone auf Instagram – okay, sie wirkt schon etwas debil, aber ihre so gesendeten Botschaften erreichen Millionen Fans. Das extravaganteste und zugleich älteste Model der Welt macht augenzwinkernd Lust auf Alt-Sein. In meinem eigenen Genre, der Architektur, gibt es freilich auch einige, vielleicht zu wenige gute Vorbilder. Viele standen noch im Schatten ihrer ach so berühmten Männer: Ray & Charles Eames fallen mir ein. Eileen Gray, die auch Designerin war und Möbelklassiker geschaffen hat. Aber sie werden immer mehr: Die Architektinnen von Grafton architects (Yvonne Farrell & Shelley McNamara), Zaha Hadid 15 und, mir persönlich stehen tatsächlich die Künstlerinnen am nächsten: sie arbeiten hart und diszipliniert. Nicht, um Erfolg zu haben. Nicht, um schlicht besser als Männer zu sein. Sie arbeiten, weil sie einen inneren Drang haben, der sie antreibt, immer weiter zu machen und ihre Kunst aus sich heraus zu bringen. Jeden Tag aufs Neue. Sie er-schaffen. Weil sie von der Kunst wirklich durchdrungen sind. Weil sie uns zeigen, wie schön es ist, am Leben zu sein. Als Frau oder als was auch immer! „Sanaa architects“) erhielten jeweils den Pritzker Preis, den Nobelpreis der Architektur…
Katharina Heider

Soeben habe ich bei einem Kaffee die erste Sichtung der Printausgabe der DIEZEIT vorgenommen und bin an Ihrem Artikel Und plötzlich bin ich alt, hängengeblieben. In fast allen Punkten konnte ich Ihnen zustimmen (außer dass Frau Strack-Zimmermann einen Eisköniginnenblick hat, denn ich sehe in ihren Augen seeeehr viel Humor). Anmerken möchte ich, dass das negative Altfrauenbild auch durch die gnadenlosen Bewertungen von ,,Freundinnen“ bestimmt wird. Da müssen wir alle an uns arbeiten. Frauen verpassen zudem häufig den Absprung in eine neue Sinnhaftigkeit mit Eintritt der Rente und damit dem Altwerden. Da haben uns die Männer viel voraus, denn nirgends wird Mensch wertvoller als im Ehrenamt oder beim Ausleben irgendwelcher gesellschaftlich relevanter Leidenschaften. Dort findet man aber hauptsächlich Männer. Leider ,,vermuddeln“ die meisten älteren Frauen ihre Zeit mit sinnfreier Selbstfindung, Töpferkursen, Kulturkonsum, Nordic-Walking oder beim Beckenbodentraining. Und in den allermeisten Fällen füllen alte Frauen nur mit ihren Enkeln ihr leer gewordenes Leben und verstehen nicht, warum Mann sie uninteressant findet und sie nicht mehr sieht.
Ob nun im Sport, in der Politik, in Natur/Umwelt/Klimaschutz, bei Zukunftsthemen oder bei gesellschaftlichen Aufgaben, Frau ist unterpräsentiert, weil vielen Frauen die Leidenschaften und der Wunsch nach einem sinnvollen Engagement fehlen. Ich bin Rentnerin und engagiere mich beim Wolfsmonitoring Sachsen-Anhalt. Das bedeutet, dass ich schon früh am Morgen durch die Wälder und Landschaften ziehe und Genetik sammle, wie ein Mitarbeiter der Forensik. Das ist wahnsinnig aufregend und wahnsinnig schön, alleine im Wald, bei Wind und Wetter zu sein. Ich trage olle Klamotten und niemand bewertet mein oft sehr derangiertes Äußeres. Erschöpft und glücklich kehre ich am Mittag heim und fühle mich so jung, wie ich schon lange nicht mehr aussehe. Bewertet werden nur mein Erfolg, mein Engagement und meine Leidenschaft. Daneben habe ich noch weitere Ehrenämter, bei denen die Hauptakteure Männer sind. Viele Leidenschaften teile ich mit meinem lieben Gatten. Ich fühle mich wertgeschätzt und gesehen.
Altwerden ist eine der größten Mutproben unseres Lebens. Und ja, für Frauen ist dieser Prozess schwieriger. Aber ein klein wenig liegt das aber auch an den Frauen selber. Wer keine Leidenschaften hat und lebt, ist schon mit 30 uralt. Vielleicht kann Frau von dem einen oder anderen Mann etwas abschauen. Ob nun im Sport, in der Politik, in Natur/Umweltschutz oder bei gesellschaftlichen Aufgaben. Frau ist unterpräsentiert, weil vielen Frauen die Leidenschaften und der Wunsch nach einem sinnvollen Engagement fehlen. Dann wird das Altwerden tatsächlich zur Last. Mein Vorbild ist übrigens Jane Goodell, eine großartige, uralte Frau!
Heike Westermann

Vielleicht konnte Frau Radisch ja nicht alle wesentlichen Frauen aufzählen, aber Gesine Schwan zu erwähnen, wäre sicher wertvoll gewesen. Schließlich ist sie keine Schauspielerin, die eine Rolle ausfüllt, sondern steht im „richtigen“ Leben.
Peter Jaeger

Iris Radisch macht sich also nach jahrzehntelanger Jugendlichkeit auf die Suche nach einem Vorbild für würdevolles Altern, das sie bisher nur angstvoll als „verhunzten Zustand“ erkannt hat. Sie findet leider keine Geschichte, noch nicht einmal eine „Gebrauchsanweisung“ für „echtes Altern“. Für mich ist das auch nicht überraschend, stützt sie ihre Ausführungen doch zum größten Teil auf die diskriminierenden Bewertungen der Frauenkörper durch Männer und in der öffentlichen Wahrnehmung und weist auf die „Reparaturbedürftigkeit“ der Frauen hin. Mit keinem Wort erwähnt Frau Radisch, dass das Alter auch bei Frauen nicht rein körperlich stattfindet. Alter bedeutet doch auch, einen individuellen Weg gegangen zu sein mit Erfahrungen und Entwicklungen, die das Leben mit positiven und negativen Überraschungen begleitet haben, aber auch erkenntnisreich bereichert und wertvoll gemacht haben kann. Unseren Körper können wir im Laufe unseres Lebens gut verstehen lernen und es gelingt sogar, ihn positiv zu gestalten und zu beeinflussen, aber nicht allein, um in der Öffentlichkeit Anerkennung und Bewunderung zu erfahren, sondern, um sich selbst anzunehmen, anzuerkennen und im hohen Alter noch gut leben zu können. Sollte Frau Radischs Suche nach einem Vorbild weiterhin erfolglos bleiben, rate ich ihr, in ihrer jahrzehntelangen Jugendlichkeit zu verweilen und in ihrem Denken, Fühlen und Handeln einfach jung zu bleiben. Das wäre doch ein großartiges Altern.
Gisela Halfen

Iris Radisch ruft mit ihrer (fast) vergeblichen Suche nach Vorbildern für starke alte Frauen meinen Widerspruch hervor. Ich bin selbst eine Frau jenseits der Menopause, kann also mitreden bei dem Thema. Mein erster Einwand lautet, haben wir Frauen, obwohl wir in einem ziemlich wohlhabenden, demokratischen Land leben, nicht von Jugend an gegen überkommene, patriarchale Vorstellungen angekämpft? Mussten wir nicht auch in jungen Jahren unsere eigenen Vorbilder schaffen, wenn wir keine Lust hatten, mit schlechterer Ausbildung als möglich als von einem Mann abhängige Hausfrau unser Leben zu führen, zumindest, wenn wir in der alten Bundesrepublik aufgewachsen sind? Es bleibt uns also nicht erspart, auch im Alter weiter zu kämpfen. Immerhin haben wir die Chance, vorausgesetzt wir sind gesund genug und leben nicht am Rande des Existenzminimums, unsere eigenen Lebensentwürfe zu leben. Wozu brauchen wir Vorbilder? Glauben wir doch an unsere Phantasie und Kreativität!
Mein zweiter Einwand lautet, wenn ich mal müde bin vom Kämpfen, denke ich an Menschen – Männer und Frauen – die bereits in jungen Jahren mit gesundheitlichen Einschränkungen leben müssen. Die vielleicht nach einem Unfall auf den Rollstuhl angewiesen sind oder von Geburt an nicht hören oder sehen können oder an einer schweren chronischen Krankheit leiden. Diese Menschen kämpfen in unserer Gesellschaft auch um Anerkennung und Selbstverwirklichung, weil sie nicht so ohne weiteres im Strom der Mehrheitsgesellschaft mitschwimmen können. Unter ihnen gibt es so viele mit großem Mut und starkem Willen. Das finde ich bewundernswert! Was sind dagegen ein paar Falten im Gesicht und ein möglicherweise geringeres Interesse der Männerwelt? Apropos Männer, mein dritter Einwand lautet, auch unter unseren männlichen Mitmenschen gibt es viele, so wage ich zu behaupten, die in höherem Alter und rückblickend auf ihr Leben enttäuscht sind über geplatzte Träume und verhinderte Chancen. Nicht alle Männer unseres Landes sind erfolgreiche Firmengründer oder Publizisten. Nur die erfolgreichen sind zumeist unverhältnismäßig laut in der Öffentlichkeit und bestimmen vielfach den Diskurs. Sollten wir uns davon beeindrucken lassen? Ich meine, was uns allen helfen würde, wäre mehr Toleranz für die Vielfalt menschlichen Daseins und mehr Solidarität untereinander. Dafür lohnt es sich zu kämpfen, in jedem Alter.
Lydia Apel

Wechseln Sie doch einfach mal die Blickrichtung: Glamouröse Schauspielerinnen und kluge Autorinnen als Vorbilder für das Alter helfen nicht weiter, wenn es um die alten Frauen geht. Aber wenn man hinschaut, findet man sie überall: Sie betreuen die Kinder ihrer Töchter, die sonst ihren Beruf nicht unbelastet ausüben könnten. Sie übernehmen Ehrenämter bei Museumsdiensten wie Besuchsdienste in Krankenhäusern und Altenheimen und pflegen gelegentlich ihre hinfälligen Männer. Und nun zu ihrem „verhunzten Zustand“ – das ist ein böses Wort. Ob es den alten Frauen ermöglicht wird, „gut zu altern“, in „Würde“ zu altern, hängt davon ab, ob es ihnen gegeben wird, gesund zu bleiben und sozial anerkannt zu sein. Auch über ein hinreichendes Einkommen zu verfügen, ist dazu notwendig (Kleidung, Friseur, Fußpflege, Geschenke, kulturelle Teilhabe, Reisen…).Die Altersarmut allzu vieler Frauen in Deutschland führt oft zu einem „ verhunzten Zustand“ – willkommen in der Realität!
Erika Schütz

Das neue Titelthema der Zeit lässt aufhorchen. Aber was ist eigentlich gemeint mit diesem „Ganz die Alte“? Ein derartiger Ausspruch ist zunächst einmal nicht dem Alter zuzuordnen; auch eine Vierzigjährige könnte ihn von einer Freundin hören, die sie länger nicht mehr gesehen hat. Und gemeint ist wohl vor allem, dass sich jemand gerade nicht verändert hat, sich also treu geblieben ist.  Die Frage nach dem guten Altern von Frauen in dem Artikel von Iris Radisch ist für mich bei der Suche nach den Vorbildern stecken geblieben. Vorbilder sind wichtig, sie geben Orientierung und zeigen, wie es gehen könnte. Aber ist die Suche nach einem Vorbild im Außen nicht vielleicht wenig weiblich? Die Großmutter der Autorin ist für diese ein Bild, das sie in sich trägt, an das sie sich erinnert und das natürlich in eine andere Zeit gehört. Aber macht uns diese Großmutter mit dem beschriebenen Verhalten nicht genau das vor, um das es auch heute noch beim Altern geht: langsamer zu werden, seinen Wirkungskreis zu verkleinern, sich dem individuell wirklich Wichtigen zuzuwenden, loszulassen? Das geht mit vielen kleinen Verlusten einher, die betrauert und akzeptiert werden müssen, und einem Weniger an Autonomie (diesem, wie man heute meinen könnte, nahezu unantastbaren Gut). Das Bitten um und Annehmen von Hilfe lässt aber neue Ideen und Kreativität entstehen.
Wir sind nicht „plötzlich alt“. Gerade als Frauen sind wir mehr als Männer gewöhnt körperliche Vorgänge / Veränderungen wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Unser Körper zeigt uns, was geht und was nicht (mehr) geht. Die Wendung nach innen und das achtsame Gewahrwerden von Grenzen ist eine vorhandene Ressource von Frauen auch beim Altern. Nicht mehr gefallen zu wollen bzw. zu müssen deutet auf ein gutes Selbstbewusstsein hin und ist Zeichen einer neuen Freiheit. Die Inanspruchnahme der vielen heute angebotenen „biotechnologischen Reparaturwerkstätten“ dagegen könnte auch angesehen werden als ein Missachten der Realität und ist letztlich eine Abwehr der Ängste vor Sterben und Tod.  „Ganz die Alte“ verstehe ich in diesem Sinn als den bis ins Alter nachvollziehbaren, einzigartigen Lebensweg einer Frau, der seine Spuren hinterlassen hat. Das ist etwas anderes als das häufig (auch fälschlicherweise) als Kompliment aufgefasste „Du bist ja nicht wiederzuerkennen“, das diese Kohärenz vermissen lässt.
Angelika Lamberts

Wenngleich der Artikel nicht so viel Neues brachte, fand ich es trotzdem gut, das Thema der alternden Frau ohne Vorbilder aufzugreifen. Warum aber musste das bebildert werden mit einer nackten alten Frau? In anderen Gazetten ist es ja üblich, halbnackte jüngere Frauen zu zeigen, sex sells. In diesem Artikel ging es aber nicht um Sex oder Erotik, oder habe ich Wesentliches überlesen? Musste eine nackte, ältere Frau gezeigt werden, um einen Voyeurismus zu bedienen? Aus Gründen der Gleichbehandlung hätte ich mir dann auch ein männliches Pendant gewünscht, denn alte Männer und ihre Macht – glücklicherweise nur eine Minderheit – wurden ja vergleichend herangezogen. Anstelle der nackten Frau wäre es doch auch möglich gewesen, und sehr viel aussagekräftiger, Gesichter verschiedener alter/älterer Frauenabzubilden.
 Astrid Otto

Gibt es einen dritten Weg, alt zu werden? Was für ein Aufschrei! Was für eine Klage! Ein Hilferuf gar? Aber, bitte, Frau Radisch, wo leben Sie oder wo halten Sie sich auf, wo schauen Sie hin, wo schauen Sie weg? Die Altersgruppe Ü70 ist nicht mehr zu übersehen, und bei weitem nicht immer sehen die Alten blendend aus, fahren Fahrrad, führen Kriege und regieren Weltreiche. Schauen Sie sich mal in prekären Stadtteilen oder den berühmt-berüchtigten Seniorentees um! Die Alten, die Sie meinen, erscheinen offenbar weniger häufig auf den Bühnen, auf denen Sie gerne verkehren. Vielleicht gibt es da gar keine richtigen ‚Alte‘. Ihre Jammerei wirkt – notgedrungen? – hilflos und widersprüchlich. Einerseits vermissen Sie die ‚alten Frauen‘ im Rampenlicht, die Ihnen als Vorbilder dienen sollen, andererseits imponiert Ihnen die ‚starke, alte Frau‘, ich ergänze, die ‚Würde und Weisheit‘ (oder Ähnliches) ausstrahlt. Einerseits möchten Sie auch noch als ‚alte Frau‘ bewundert werden, andererseits fürchten Sie den abnehmenden Respekt in der Gesellschaft, sollten Sie jemals alt-alt werden. Überhaupt scheinen Sie das Alter zu fürchten wie eine schlimme Krankheit! Und alte Männer als leuchtende Beispiele?
Beneiden Sie wirklich den stolpernden Joe Biden oder den polternden Donald Trump? Bewundern Sie wirklich den abgehalfterten Carlos von Spanien oder König Charles III., der 70 Jahre auf den Thron warten musste? Möchten Sie wirklich eine Johannes Heesters der Literaturkritik werden? Vergleichen Sie doch mal den alten Karl Lagerfeld, der mit seiner leptosomalen Eleganz als Narziss kein Blitzlicht ausließ mit der alten Jill Sander und ihrer schlichten und souveränen Eleganz, die sich in ihre Vollkommenheit zurückzieht. Sie haben die Wahl, denn Sie entscheiden selbst, auf welcher Bühne Sie im Alter auftreten werden. Sprechen Sie mit den ‚anonymen Alten‘, Frauen wie Männern, und Sie werden überrascht sein, wieviel Vitalität und Selbstbewusstsein Ihnen da entgegenschlägt! Muss das Alter da auch noch Schönheit und Jugend liefern? Zurecht misstrauen Sie biotechnologischen und chirurgischen Verjüngungskuren. Warum überhaupt dieses sinnlose Festhalten an einer ewigen Jugend, die schon immer als Verblendung daherkam? Und das biologische Alter soll frei wählbar sein oder werden, so wie das Geschlecht? Das Wunder, das Transaging verspricht, ist eine Mär. Das Altern umzukehren ist der Versuch, die Physik (Thermodynamik) zu hintergehen und die Evolution auf den Kopf zu stellen. Alle Erfahrungen zeigen, dass es für den Menschen, wie für (fast) alle Organismen, nur eine Richtung gibt, und die mündet über das Alter, wenn man es denn erreicht, in den Tod. Hart, aber fair geht hier die Natur vor und behandelt mit dieser Reihenfolge alle gleich, eben nicht so, wie jener ‚seltsame Fall des Benjamin Button‘, der sein Leben rückwärts lebt, vom Alter zur Jugend.
Wohl wissend um die Unumstößlichkeit der Seneszenz, des Vergehens, trägt der Mensch eine schwere Last: er ist sich seiner Endlichkeit bewusst. Dagegen hilft ein eigenes Konzept für das Alter, für den Prozess des Alterns sowie für die Vorbereitung auf den Tod. Es ist ein großes Versäumnis unserer Gesellschaft, sich nicht mit diesen nicht leicht zu ertragenden Realitäten früh genug auseinanderzusetzen. Sie sind nicht allein, und es betrifft Männer wie Frauen in vergleichbarer Weise. Dass Männer sich gerne auch im Alter noch ins Rampenlicht schieben, könnte seinen Ursprung in dem Wunsch nach Verdrängung und Ablenkung von diesen Realitäten haben. Möglicherweise ist es auch ein von Rest-Testosteron getriebenes Machtstreben. Wünschen Sie das auch? Sehen Sie Vorteile für sich und die Frauen darin, bis ins hohe Alter wirkmächtig zu bleiben oder zu werden? Könnte nicht auch eine Margot Friedländer oder eine Ruth Westheimer als Vorbild taugen? Oder eine Agatha Christie, eine Marilyn Yalom, eine Iris Murdoch oder, oder, oder. Am besten nehmen Sie sich Ihre Großmutter zum Vorbild, ziehen Kittelschürze und knirschende orthopädische Schuhe an, wenn es nicht anders geht, und setzen sich mit größtmöglicher innerer Ruhe und Gelassenheit, mit Würde und erhobenen Hauptes auf Ihren Balkon und denken über Ihr reichhaltiges Leben nach! Und sollten Sie dann immer noch Kritiken schreiben, dann werden Literatur und Publikum Ihnen weiterhin zuhören. Sie haben doch lange genug geübt und wissen, wie das geht.
Halten Sie es nicht für möglich, dass Frauen, wenn sie alt werden, sich mehr zurückzuziehen als alte Männer, eben weil das Alter Ego nicht mehr mit Rampenlicht und Glamour gestreichelt werden muss? Vielleicht tun dies ‚alte Frauen‘ aus Klugheit, denn sie werden, trotz aller Benachteiligungen, trotz harter Arbeit und mühsamen Kindergebärens gegenüber den Männern mit fünf extra Jahren belohnt!

Joachim Deitmer


Leserbriefe zu „Rettende Notlage“ von Mark Schieritz

Danke, danke Mark Schieritz für diese Einordnung und für die Orientierung. Und für die gewählte Form des Leitartikels: nüchtern, klar, in einfachen, verständlichen Worten und Gedanken, abwägend und mit Perspektive für den Haushalt 2024 sowie darüber hinaus. Das ist Qualitätsjournalismus, das ist DIE ZEIT, ein überaus gelungenes Beispiel, dass die Medien immer noch die 4. Gewalt im Staat wahrnehmen können. In Kombination mit dem ZEIT-Interview mit Peer Steinbrück (DIE ZEIT, 49/2023) findet man klare und nachhaltige Vorschläge zur Bewältigung einer schwierigen Situation. Man erkennt plötzlich, dass es Lösungen für schwierige Probleme gib, die Lage ist nicht hoffnungslos, Deutschland ist nicht am Ende. Für politische Lösungen in unserem Land braucht es also keinen Friedrich Merz, keinen Markus Söder und auch keinen Christian Dürr. Was es vor allem braucht, ist eine Haltung: erst das Land, dann die Partei und im Falle Merz und Söder: erst das Land, dann das eigene Ego.
Damit steht der Artikel von Mark Schieritz zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch in einem wohltuenden Gegensatz zu den ausschließlich parteipolitisch motivierten (Fehl-) Interpretationen von März, Söder, Dürr. Deren Reaktionen, die inszenierte Empörung, der billige Versuch aus dem Urteil persönliche und parteipolitische Erfolge zu kreieren (Stärkung der Schuldenbremse), sind nur noch abstoßend, und spiegeln eine unerträgliche staatspolitische Ignoranz in einer der schwierigsten Krisensituation unseres Landes nach 1945. Die Einlassungen von Merz, Söder und Dürr sind unisono irreführend für die Bürger, schädlich für Wohlstand und Entwicklung unseres Landes sowie politisch verwerflich und unprofessionell. Persönliche Machtgier (Merz und Söder) und parteipolitische Profilierung (Dürr) stellen diese Herren über sachliche Aufklärung der Bürger und über das Wohl unseres Landes. Die maximale Unerbittlichkeit von Merz, Söder, Dürr, die vorsätzlichen, auch persönlichen, Diffamierungen des politischen Gegners, vorgetragen in größter Überheblichkeit, teilweise mit Häme und Genugtuung und Schaum vor dem Mund, erzeugen weitere Bonusstimmen für die AFD. Möge es unserem Land erspart bleiben, dass auf eine schlechte Regierung demnächst selbstverliebte und nur noch programmatisch-entkernte, laut-brüllende Populisten wie Merz und Söder folgen werden.
Hans-Jörg Glaß

Schade, dass der Autor vor der Konsequenz zurückschreckt, die er selber im Untertitel angedeutet hat: „Eigentlich müssten die Wähler entscheiden“! In der Tat: Was spräche dagegen, über die Frage, ob zur Behebung der aktuellen Haushaltsnotlage eher Steuern (und falls ja, welche) erhöht, Sozialleistungen (und falls ja, welche) gekürzt oder die „Schuldenbremse“ ausgesetzt werden sollte, ein Referendum abzuhalten? Gewiss, ein solcher „Volksentscheid“ ist momentan auf Bundesebene (noch) nicht vorgesehen, könnte aber rasch eingeführt werden – politischen Willen vorausgesetzt. Dann könnte eine sachliche Debatte beginnen; Neuwahlen wären dafür nicht vonnöten. Aber natürlich fürchten die Politiker, eine solche Einführung plebiszitärer Elemente in das frühdemokratische System des Parlamentarismus könnte sie auf lange Sicht als Berufsstand selbst überflüssig machen. Und natürlich haben bestimmte Parteien auch die Aufgabe, unbedingt zu verhindern, dass ihre Hauptklientel – die Gut- und Besserverdienenden – nicht demnächst mit einer Vermögenssteuer oder höheren Abgaben auf Millionenerbschaften oder Spitzeneinkommen zum Allgemeinwohl beitragen müssten.
Thomas Movtchaniouk

Danke und Kompliment! Mit Ihrem Artikel bringen Sie die Dinge auf den Punkt. Und zwar besser als bislang jede Stimme aus der Politik. Von der „Regierungserklärung“ des Kanzlers hätte ich mir eine so klare, akzentuierte und präzise Analyse erwartet. Besonders treffend fand ich Ihren Satz: „Über Ansichtssachen entscheidet in einer Demokratie der Wähler.“ So ist es. Leider hat die Opposition versäumt, sich vorausblickend zu positionieren. Auch für Merz & Co hätte die Notlage eine Rettung sein können. Machthunger und Parteiinteressen waren aber wieder einmal größer als die Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen. Schade. Am Ende werden Bürgerinnen und Bürger weder das trotzig Besserwisserische auf Regierungsseite noch das Gekläffe von der Opposition goutieren. Weil die Beteiligten das wohl wissen, werden sie Neuwahlen tunlichst vermeiden. Man könnte sonst die Quittung für das selbst verursachte Desaster erhalten. Nochmals Danke für Ihren Beitrag. Die ZEIT ist und bleibt einfach eine Institution.
Thomas Meichle

Das Deutsche Universalwörterbuch DUDEN verweist beim Stichwort „Notsituation“ weiter auf das Stichwort, die „Notlage“. Das kann man selbstverständlich auch tun! Beispiel: Wurde der Inhalt der Kasse durch Diebstahl geleert, dann ist das wahrlich eine Notlage oder auch eine Notsituation, denn das Geld ist für den vormaligen Besitzer von jetzt auf gleich futsch, das heißt, es ist einfach weg, die Kasse ist leer. Spricht unsere tolle Ampel-Regierung jetzt von einer „Notsituation/Notlage“ im Bundeshaushalt, dann war das Geld nicht von jetzt auf gleich weg vom Fenster, das war ein schleichender Prozess, da ging nichts von heute auf morgen und plötzlich gähnt die Kasse vor Leere. Irgendwie habe ich da einen schlimmen Verdacht, dass diese von uns gewählten Volksvertreter, die jetzt die Ampel bilden, uns schlicht und einfach nur zum Narren halten wollen!
Klaus P. Jaworek

Ihr Artikel auf der Titelseite hat mich zu folgendem inspiriert: Bundeskanzler Scholz werden 20Mio€ auf seiner Bezahlkarte gestrichen. Finanzminister Lindner muss auf 20Mio€ Tankgutscheine verzichten. Wirtschaftsminister Habeck wird das Taschengeld um 20Mio€ reduziert. Auch wenn dieser Vorschlag nicht ernst gemeint ist, trifft er doch den Kern der Sache.
Gerhart Herzig

Nur das auszugeben, was man hat, so die Philosophie der Schuldenbremse. Doch der Blick über den Tellerrand verrät, dass international nur wenige so ticken. Die USA haben fast sämtliche Hemmungen abgelegt, vielleicht verkraftbar mit der Leitwährung im Rücken. Aber auch die Eurozone ist bei den größeren Mitgliedern wenig ambitioniert. Ambivalent für Deutschland, weil solide Haushalte Begehrlichkeiten wecken könnten. Im Krisenfall würden alle Eurobonds fordern, um die Währungsunion zu retten… und „Krösus“ wäre der Zahlmeister. Das ist kein Plädoyer, die Zügel schleifen zu lassen, aber etwas mehr Flexibilität würde das Land womöglich am Ende weniger angreifbar machen.
Christoph Schönberger

Das parteipolitische Drama nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts betrifft alle Parteien und führt augenscheinlich zu einem bedeutsamen Vertrauensverlust in der deutschen Öffentlichkeit. Denn wenn auch eine staatstragende Partei wie die Union siegesgewiss das Handeln einer Regierung vor Gericht überprüfen lässt, steht sie gleichzeitig in der eindeutigen politischen Pflicht, vom Ende her betrachtet auch die Folgen für den Staat einzuschätzen und dafür auch eigene Lösungen der Bevölkerung klarzumachen. Erst recht, wenn sie lediglich mit Vehemenz einen Kanzler angeht, der sich partout weigert, Ziele zu konkretisieren und Transparenz zu schaffen. Dieses ist nicht die beschworene Kontrolle der Regierung.
Jürgen Dressler

Ganz schön trickreich, mit diesem Argument der teuren Abendessen den Artikel zu beginnen. Abgesehen davon, dass man hier mal Erbsensuppe servieren könne, vermisse ich in Ihrem Artikel andere, wirkliche Sparmöglichkeiten. Gut, die sind nur im 100-tausender Bereich, aber immerhin, sie läppern sich.  Ich nenne nur ein paar dieser Möglichkeiten. 1. Die Flugbereitschaft der Regierung von Köln nach Berlin verlegen. 2. Die restlichen Ministerien von Bonn nach Berlin verlegen. 3. Die ehemaligen Bundespräsidenten nicht mehr voll zu bezahlen und deren Entourage zu kürzen. 4. Stylingkosten für Politiker zu kürzen oder zu deckeln, auch die für die ehemalige Kanzlerin. Das sind nur einige, die ich erwähnen möchte, die nicht mal in den Sozialbereich gehören, der ja allen Gutmenschen so am Herzen liegt. Zum Schluss kommt dann noch die Forderung, dass man endlich mit dem Bürokratieabbau beginnt. Da tut sich wenig, wenn nicht sogar nichts. Zum Schluss ist noch zu sagen, dass sich im Bürokratieabbau wohl nun wirklich Milliarden in der Summe sparen ließen. Es müssen schon Milliarden sein, darunter tun wir es nicht.
Manfred Mengewein

„Eigentlich müssten die Wähler entscheiden“ – so steht es im Vorspann dieses Leitartikels. Glücklicherweise macht sich Mark Schieritz die Forderung nach vorgezogenen Neuwahlen nicht zu eigen und stellt sachlich nüchtern klar, was Karlsruhe an der Haushaltspraxis der Ampel als nicht verfassungskonform beanstandet hat: die Aufnahme neuer Schulden ist nicht ausreichend begründet worden. Der Verfasser macht zudem zur besseren Einordnung darauf aufmerksam, dass Deutschland zwar ein juristisches Schuldenbremsenproblem, aber kein ökonomisches Schuldenproblem habe.  Diejenigen Politiker und Publizisten, die stets einen angeblichen „deutschen Sonderweg“ vor allem in der Klimapolitik kritisieren, finden offensichtlich nichts dabei, wenn Deutschland als Folge der Schuldenbremse einen restriktiven Sparkurs einschlagen muss, der in vergleichbaren Industriestaaten nur mit einem verständnislosen Kopfschütteln quittiert wird. Zu gern spielen sie sich als besorgte Fürsprecher künftiger Generationen und einzig kompetente „Nachhaltigkeitsagenten“ auf, die mit ihrer Expertise Deutschland vor einem wirtschaftlichen Abstieg und kaum schulterbaren Zinslasten bewahren können, während sie mit ihrer sturen Haltung genau das Gegenteil bewirken und gegebene Standortvorteile im globalen Wettbewerb um Zukunftsinvestitionen verspielen. Selbst eher konservativ gesinnte Ökonomen demonstrieren derweil realpolitische Vernunft und erklären plausibel, dass die notwendige klimaneutrale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft nicht aus dem regulären jährlichen Bundeshaushalt zu finanzieren ist.
Rüdiger Paul

Gute Regierungspolitik sollte stets wirksame Lösungen für die nach Prioritäten gestaffelten Probleme liefern. Auf den realen und großen Problemdruck unserer Zeit reagiert die Ampel-Regierung in ihrem auf Dauer gestellten Entscheidungsnotstand allerdings nur, indem sie den optimalen Druckausgleich sucht, nicht die optimalen Lösungen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Schuldenbremse schließt sich nun ein Ventil für den inneren Druckausgleich der Regierungsparteien. Die Ampel muss endlich die Kraft und den Mut entwickeln, zielführende Lösungen zu entscheiden und umzusetzen. Dies ist die Rettung, nicht die Entscheidung der Notlage als Ventil, um weiter die notwendige Prioritätensetzung umgehen zu können. Und die Flucht nach vorne ist zugleich die einzige Rettung für die Ampelparteien selbst, wenn sie bei der nächsten Bundestagswahl überhaupt eine Chance haben wollen. Ja, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist ein Segen, für heute und vor allem für morgen: Budgetplanung wird ab nun zum Wahlkampfthema. Politische Konzepte werden mess- und prüfbarer.
Reinhard Koine

Beim Lesen Ihres Beitrags bekomme ich einen dicken Hals! Als erste Kategorie, der man etwas wegnehmen soll, werden die Rentner genannt. Geht´s noch? Sparen mit wegnehmen gleichzusetzen ist mutig und aus meiner Sicht falsch. Klar, eine noch stumme Masse von ca. 21 Millionen Rentnern, die nicht organisiert sind und sich alles gefallen lassen müssen! Oder habe ich übersehen, dass für Rentner auch ein Inflationsausgleich von mehreren Tausend Euro gezahlt wird oder irgendjemand sich dafür einsetzt? Bei Rentnern wirken die überproportionalen Preissteigerungen in fast allen Lebenskategorien am stärksten bis hin zur Steigerung des Wertes der eigenen Immobilie. Durch Knappheit von Wohnraum und Spekulation bei Grundstücken steigen die Werte rapide an und verursachen immer höheren Kosten z.B. bei der Grundsteuer und letztlich dann auch bei der Erbschaftssteuer. Womit im gleichen Absatz bei der Idee „Krisenabgaben“ die Erbschaften zumindest erst an dritter Stelle genannt werden. Immerhin! Vielleicht bin ich zu früh geboren worden (1946)!? Von Eltern und Großeltern – zwei Generationen, die im ersten und zweiten Weltkrieg waren – habe ich gelernt, man kann nur ausgeben, was man hat. Das Motto scheint aus der Mode gekommen zu sein. Dafür wird deutlicher hervorgehoben, wie wichtig Gerechtigkeit ist und versteckt damit auch den Neid für hart erarbeitete und ersparte Werte über Generationen.
Jörg Puttfarken

Erfreulich, dass im Rahmen der Berichterstattung über die Schuldenbremse endlich einmal jemand die Schuldenquote Deutschlands in die richtige Relation setzt. Der Hinweis von Mark Schieritz, dass die USA etwa doppelt so hohe und Japan gar dreimal so hohe Schulden habe wie Deutschland, ist wichtig. Denn diese beiden Länder gehören neben Deutschland und China zu den vier stärksten Volkswirtschaften und sind ja nicht gerade arm oder drohen gar wegen der Verschuldung wirtschaftlich abzustürzen. Ganz im Gegenteil. Die USA zeigen gegenwärtig mit u.a. einer weiteren Schuldenaufnahme zur Finanzierung des Inflation Reduction Act wie es geht. Durch dieses, eben auch z.T. schuldenfinanziertes Konjunkturprogramm, sollen Investitionen in klimafreundliche Zukunftstechnologien gesteuert werden. Was offensichtlich erfolgreich ist. Bei uns hingegen, ist das Leitbild einer gesunden Volkswirtschaft noch jenes der sparsamen schwäbischen Hausfrau. Ein Einzelhaushalt ist aber nicht mit jenem einer Volkswirtschaft vergleichbar.
Reiner Gorning

Was spricht dagegen, angesichts der Haushaltsnotlage und der überfälligen Investitionen in die anstehende sozial-ökologische Transformation eine Neuauflage eines Lastenausgleichs nach § 106 des Grundgesetzes anzustreben? Dieser Paragraph ist 1952 nicht nur zur Behebung der Not nach dem Krieg von einer CDU/CSU-geführten Bundesregierung unter Mitwirkung auch der FDP (sic) auf der Grundlage sozialer und ökonomischer Gerechtigkeit aktiviert worden. In diesem Zusammenhang könnte auch das weitgehend verschwundene Bewusstsein in die Bedeutung des § 14 (Sozialbindung von Eigentum) für das Gemeinwohl im öffentlichen Diskurs wiederbelebt werden. Zur praktischen Umsetzung hatten vor einiger Zeit bereits das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung wie auch die Gewerkschaften praktikable Vorschläge gemacht, die die Wohlhabenden nicht substanziell ärmer machen.
Volker Rein

Im Ernst, liebe Freunde, wenn ich Olaf Scholz wäre, würde ich zur EZB gehen und sagen: „Jetzt ist Deutschland mal dran! Wir haben uns 16 Jahre um die Schwarze Null bemüht und es damit fast geschafft, unsere Infrastruktur zu ruinieren. Ihr habt in der Zwischenzeit notleidende Euroländer durch Aufkauf von deren Staatsanleihen gerettet. Was bedeutete das? Ihr habt denen Geld in die Hand gedrückt: ‚Whatever it takes‘! Nun brauchen wir mal Geld für unsere Infrastruktur, das uns das Verfassungsgericht gerade aus der Hand geschlagen hat. Erstens wäre das im europäischen Sinne vernünftig angewandtes Geld, weil eine marode Infrastruktur in Mitteleuropa allen Europäern schadet und zweitens hätte das keinerlei Auswirkungen auf die Inflation im Euroraum, denn 60 Milliarden € sind mal gerade 0,00414% vom Bruttoinlandsprodukt der EU, also von allen angebotenen Waren und Dienstleistungen.“
H. Oetting

Ich bin verblüfft über die schlichte Weltsicht von Herrn Schieritz: Sparen funktioniert nur, wenn man den Bürgern etwas wegnimmt? In den Haushalten aller Gebietskörperschaften – voran dem des Bundes – gibt es Ausgabenpositionen, denen kein oder zumindest kein angemessener Nutzen für die Bürger entgegensteht. Die Haushalte müssen unter dem Gesichtspunkt des Grenznutzens durchgearbeitet werden. Das nicht mit Schmerzen auf Seiten der Bürger verbundene Einsparpotential ist weitaus höher als die rund 1,5% des BIP, denen die nun „fehlenden“ 60 Mrd. EUR entsprechen. Und wir hätten mehr Mittel für Ausgaben, die den Bürgern nutzen (Bildungswesen, öffentliche Infrastruktur usf.). Auch im unreflektierten Plädoyer für die Umgehung der Schuldenbremse in 2024 offenbart sich mangelndes Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge. Um nur einen Punkt zu nennen: Wenn der Staat mit Privaten um Darlehen konkurriert, steigen die Bauzinsen. Die von Politikern mit Krokodilstränen beweinte Situation auf dem Wohnungsmarkt mit dem aktuellen Rückgang der Bau- und Sanierungstätigkeit ist zusätzlich zur viel zu hohen Besteuerung (Grunderwerbssteuer, Umsatzsteuer auf Bauleistungen etc.) auch eine Folge der Staatsverschuldung.
Thorsten Brandes

Bei den durch das Umweltbundesamt festgestellten umweltschädlichen Subventionen haben Sie das Dienstwagenprivileg vergessen. Dies offensichtliche Lieblingskind der FDP steht stark in der öffentlichen Kritik. Die Subvention beträgt aktuell jährlich 3,5 bis 5,5 Mrd.€ und liegt damit knapp unter der Pendlerpauschale. Wobei mit dem Dienstwagenprivileg oft wenig umweltfreundliche große Autos für meist Besserverdienende begünstigt werden. Hinzu kommen noch die Kostenübernahme für Steuer, Reparatur und Versicherung und meist auch das Tanken durch den Arbeitgeber. Je nach privater Nutzung dürften aus meiner Sicht diese Vorteile, die der Pendlerpauschale deutlich übersteigen.
Johannes Wagner

Mark Schieritz wird mit seinem offensichtlichen Bekenntnis zu einer Marktwirtschaft mit einer ausgeprägten sozialen Komponente immer mehr zu meinem liebsten Wirtschaftsredakteur. Die Empfehlung, die „Reichen“ zur Kasse zu bitten, damit die dringenden Aufgaben ohne Abstriche bei den Sozialleistungen erledigt werden können, könnte von ihm noch etwas deutlicher geäußert werden.
Sven Herfurth

Erlauben Sie mir bitte einige Anmerkungen zu Ihrem Artikel. Sie haben völlig Recht damit, dass das Verfassungsgericht Schulden nicht per se verboten hat sondern gerügt hat, dass die jetzige Regierung zusätzliche Schulden in erheblichem Umfang über die Schuldengrenze hinaus ohne stichhaltige Begründung, über viele Jahre hinweg aufgenommen hat. Dazu kommt, dass ein Nachtragshaushalt für 2021, der erst 2022 beschlossen wurde, natürlich nichtig ist. Für 2023 lassen sich die bereits getätigten illegalen Ausgaben nur durch einen Nachtragshaushalt heilen indem wieder eine Notsituation angezogen wird. Für 2024 geht das nicht, weil sowohl Kosten zur Behebung der Ahrtalkatastrophe als auch die Belastungen durch den Ukraine-Krieg im regulären Haushalt abgebildet werden müssen. Dann muss man halt sparen, Steuerschlupflöcher schließen und Subventionen streichen. Der Kanzler und seine Minister haben in ihrem Amtseid geschworen das Wohl des deutschen Volkes zu mehren und nicht das der jeweiligen Interessengruppen. Freiwillig sparen tun unsere Politiker sowieso nicht.
Günter Hebel

In dem Artikel „Rettende Notlage“ wird eine sinnvolle Diskussion geführt, über die Notwendigkeit bewusster politischer Entscheidungen zum Haushalt. Ein Argument für eine Ausgabenbremse (die es nicht nur Deutschland gibt, siehe die regelmäßigen Debatten zur Schuldenobergrenze in den USA) wird jedoch übersehen: Nur eine Grenze erzwingt erst eine echte Entscheidung, da so der Kompromiss verbaut wird, dass jeder bekommt, was er will (der übliche und einfache Weg in der Politik). Im vorletzten Absatz wird dann noch ein grundfalsches Argument aufgewärmt mit den Lieferketten. Es funktioniert in der hochkomplexen Industrie schlicht nicht, dass ein Land, zumal das kleine Deutschland, alles Wichtige selbst herstellt. Die derzeit viel diskutierten Chips kommen zu großen Teilen von TSMC aus Taiwan, hergestellt unter anderem mit Maschinen, die es auf der ganzen nur in Europa gibt, bei ASML (NL) mit Optik von Zeiss (D) und Laserquellen von Trumpf (D). Es gibt diese Maschinen auch nicht in den großen USA. Deutschland kann ohne Verflechtung und Lieferketten nicht überleben. Man sollte sich also politisch um Entspannung kümmern, damit diese Ketten nicht überlastet werden. Geld hilft hier gar nichts.
Frank Scholze

Prägnant stellt Herr Schieritz bereits im Untertitel seines Artikels fest, dass „eigentlich“ die Wähler in einer Demokratie entscheiden müssten. Sie sollen darüber entscheiden, wer in der aktuell währenden Haushaltsdebatte die Kosten der Krisen trägt. Durch Erhöhung von Steuern oder der Verringerung der Sozialleistungen können Kosten eingespart werden. Eine Anpassung dergleichen sei Ansichtssache und somit durch die Wähler zu entscheiden. Woher nimmt der Autor diese Ansicht? Meines Erachtens sind diese Äußerungen hochgefährlich. Es suggeriert dem Leser, in einer absoluten Basisdemokratie zu leben. Dies wiederum schürt Unzufriedenheit bei WählerInnen gegenüber der Regierung unserer Bundesrepublik. Es ist Futter für extremes Gedankengut. Dass wir in Deutschland in einem Repräsentativsystem leben, sollten die WählerInnen dieses Landes nicht vergessen. Ich wünsche mir, dass auch Sie, Herr Schieritz, dieses demokratische Grundverständnis fördern. Zum Wohle unserer Demokratie.
E. Willem Rohde


Leserbriefe zu „Über Hamas-Versteher“ von Harald Martenstein im ZEIT Magazin

DANKE …für diesen Beitrag.
Andreas Weber

Ich bin entsetzt, wie der ehrenwerte H. Martenstein sich derart vor den Karren einer Schmutzkampagne der „Welt“ gegen ihr unliebsame „Linke“ spannen lässt, die jeden und jede, die/der nicht mit diesem Springer-Blatt zusammenarbeiten möchte, als kaltherzig gegenüber Israel und den Opfern des Massakers vom 7.10. an den Pranger stellt. Herr Martenstein, das sind weder automatisch Hamas-Versteher noch Israelfeinde! Und etliche von ihnen hatten es ja längst schon vorher zum Ausdruck gebracht. Die Kolumne ist offenbar ein Ausdruck der gegenwärtig herrschenden allgemeinen Verwirrung und Kulturkampf-Stimmung, der die Zeit nicht auch verfallen sollte.
Jörg Haunert

Das ist heute der Tag, an dem meine langjährige stille Sympathie für Ihre Kolumne sich zu offener Bewunderung steigert. Sie stellen die richtigen Fragen. Angeblich solidarisiert sich die evangelische Kirche klar mit Israel (Chrismon 12/23), nur hört man nichts davon. Auch sonst „Schweigen im Walde“.
Irmgard Michel

Bravo, Harald Martenstein!!! Und ganz herzlichen Dank! Fast hatte man sich schon mit dem Phänomen der Sprachlosigkeit abgefunden. Sie haben in Ihrer Kolumne mit wenigen Worten  eine präzise Ansage formuliert. „Warum demonstriert Ihr eigentlich nicht für den Frieden?“ „Ja“, kann man nur beipflichten, „ja, warum eigentlich nicht?“
Herbert Mundschau

Ihre Kolumne gehört immer zu den wichtigen Dingen am Donnerstag. Ein kleines bisschen wie früher das Öffnen eines Türchens im Adventskalender. Ihre aktuelle Kolumne hat mich nun in einer Weise berührt, wie schon lange nicht mehr. Auch unsere komplizierte Welt muss manchmal auf „einfache“ Wahrheiten zurückgeführt werden.

Besten Dank dafür.
Bernhard Busch

Danke für die klaren Worte. Hoffentlich brauchen Sie jetzt keinen Personenschutz. Was sind das für traurige Zeiten, in denen es Mut erfordert, den Himmel blau, das Gras grün und Blut rot zu nennen. Halten Sie durch.
Cornelia Arnhold

Ich mag Ihre Denke, finde Ihre Texte durch die Bank gut, betroffen machend. Der Artikel „Über Hamas-Versteher“ aber ist das Tiefste, was zu dieser Katastrophe gesagt/geschrieben werden kann. Eigentlich müssten Sie jetzt aufhören, mehr kann nicht mehr kommen!
Werner van der Weck

Große Anerkennung für den Beitrag “ Hamas- Versteher“. Sie schreiben, wie so oft, gegen den links- neid- gestrigen Mainstream in unserer Republik. Und das als Berliner…. Bleiben Sie UNBEDINGT so wie Sie schreiben!!!!
A. Lieb

Nach der Lektüre von «Über Hamas-Versteher» dachte ich mir: Ich bin nun ein «Deutschland-Nicht-Mehr-Versteher». Wie denn das? Der sich als Israel-Versteher gebende Harald Martenstein erwähnt, Israel würde vor den Bombardements in Gaza die Bewohner warnen und es öffne darauf Fluchtkorridore. Martensteins Text, aus dem Zynismus spricht, zeigt vor allem etwas: Er will, kann oder darf vielleicht nicht wahrhaben, dass die israelische Armee nicht nur Fluchtkorridore öffnet, sondern palästinensischen Lebensraum auf lange Sicht zerstört. Es ist weit mehr als nur traurig, dass «Kommentatoren» solcherlei so leicht ausblenden können. Das Leid Hunderttausender Vertriebener zu übersehen, halte ich nicht nur für kurzsichtig (oder blind), sondern für eine bewusste Stellungnahme. So etwas ist furchterregend. Martenstein sitzt vermutlich in einer hübschen geheizten Wohnung in Deutschland, sein Glück! Niemand ruft ihn und sagt: In einer Stunde wird Ihre Straße bombardiert. Kann er sich nicht vorstellen, was dies bedeutet und welche Gefühle und Ängste so etwas hinterlässt? Es hat mit einem Kampf gegen den Terrorismus nichts zu tun, sondern ist selbst Terror.
Ivo Zanoni

Ich stimme dem Autor 100% zu, vermisse nur leider eine Anregung zu Konsequenzen: Weil wir durch die Greul der Nazis in ganz Europa eine besondere Verantwortung/Schuld an der Vertreibung und damit auch an der Gründung Israels haben, haben wir Deutschen auch eine besondere Verantwortung für das schwere Schicksal der Palästinenser, die jetzt zwischen den Hamas Terroristen und den diese bekämpfenden israelischen Militärs zerrieben werden, insbesondere Frauen und Kinder. Also sind wir verpflichtet diesen allen sofort und ohne Einschränkung humanitäres Asyl anzubieten und sichere Fluchtwege zu schaffen, ganz wie wir das den berechtigt vor den russischen Truppen und Wagner-Söldnern fliehenden Ukrainern angeboten haben.
Wolf-D. v. Fircks

Für Ihren Beitrag „Über Hamas- Versteher“ im Zeit-Magazin (Nr. 51, 30.11.2023) möchte ich mich herzlich bedanken. Sie schreiben famos und klar, was viele meiner Freunde und Bekannten zu diesem Horror der Terror-Hamas und dem beredten Schweigen der palästinensischen Zivilisten dazu denken, aber nicht zu formulieren in der Lage sind. Und diese unsäglichen Demonstrationen pro Palästina in Deutschland kaum fassen können.
Ute Vetter

Eine gelungene phänomenale Kolumne die uns Lesern unsere dogmatisch verbrämte Kurzsichtigkeit vor Augen führt. Bravo!!
Armin Günther

Gesetzt einmal den – theoretischen – Fall: israelische Soldaten würden zur Vergeltung des ständigen Raketenbeschusses nach Gaza vordringen und wahllos palästinensische Zivilisten massakrieren. Ein Aufschrei würde um die Welt gehen, den man noch in der Wüste und im Urwald hören würde! Vermutlich würden israelische Botschaften gestürmt, unschuldige Juden gelyncht und Terroranschläge in israelfreundlichen Ländern verübt werden. Für die religiösen Fanatiker und die Ideologen, samt ihrer verführten Gefolgschaft, gibt es Opfer erster und zweiter Klasse, gerechte Kriege und gerechte Morde! Wer sie begeht, erlangt Heldenstatus. Nur das Leben eines vermeintlich „Unterdrückten“ ist heilig, das eines vermeintlichen „Unterdrückers“ , wenn er obendrein noch ein „Ungläubiger“ ist, darf ohne moralische Hemmungen ausgelöscht werden! Vor Gott sind alle Menschen gleich – nur noch Makulatur!
Ulrich Pietsch

Dein bester Artikel. Und Dein wichtigster. Danke.
Bert Hofmann

Ach, tut das gut, wenn ein „alter weißer Mann“ solch klare Worte formuliert, ohne im geringsten andere Menschen zu Nicht-Menschen zu erklären oder „den Gesprächsfaden abreißen zu lassen“. Ein großes Danke! Vielleicht klappt es doch noch mit einer großen Menschheitsfamilie.
Sibylle Riffel

Herzlichen Dank für Ihren Artikel „Über Hamas-Versteher“! Ich schließe mich Ihnen vollinhaltlich an. Die Hamas-Terroristen verstecken sich hinter der Zivilbevölkerung, deren Wohl ihr vollkommen gleichgültig ist.
Klaus Kirchbacher

Danke für diesen Artikel!
Marianne Thurner

Vielen Dank für diese klare Sprache in Ihrer Kolumne “ Über Hamas-Versteher“ zu diesen Zeiten von politischer Herumeierei und Feigheit. Bitte mehr davon.
Rüdiger Apel


Leserbriefe zu „Überall nur Bühnenjuden“ von Adam Soboczynski

“Aber man darf befürchten, dass nicht wenige Nichtjuden froh darüber sind, dass ihr Ressentiment stellvertretend von einer jüdischen Sprecherposition aus eingenommen werden kann.” – Diese Sorge habe ich auch nach der Lektüre dieses brillanten Artikels. Umso beachtlicher, wie gekonnt Habeck in der “Lanz”-Sendung Anfang November Feldmanns Attacke aus dem Nichts pariert hatte.
Marcel Haldenwang

Habe ich das richtig verstanden: dass Sie das Interview mit Deborah Feldmann im Sommer nicht gedruckt haben, um Ihren Autoren Maxim Biller nicht zu verärgern? Auf die Idee, dass Sie damit eine Menge Ihrer Leser und Abonnenten verärgern, sind Sie anscheinend nicht gekommen. Zur Erinnerung: Es sind Ihre Leser und Abonnenten, die Sie finanzieren – und nicht Maxim Biller!
Wilhelm Otto Deutsch

Deborah Feldman vertritt sicherlich einige unnötig pointierte Auffassungen, jedoch meint oder sagt sie nicht, dass alle russischen Juden „Pseudojuden“ und alle deutschen Juden „Bühnenjuden“ seien, sondern verweist vielmehr auf ein innerjüdisches Identitätsproblem. Daneben erscheint aus deutscher Sicht der Kern ihrer Botschaft viel wichtiger, wonach das Thema Antisemitismus in Deutschland zeremoniell-rituell von der politisch korrekten Meinungsmacherelite und ausgesuchten Vertretern der jüdischen Gemeinden professionell am Laufen gehalten wird, während die allgemeine Bevölkerung bei diesem Thema zum allergrößten Teil überhaupt kein Interesse zeigt, geschweige denn „Judenhass“, wie man in Verballhornung des Wortes Hass kolportiert. Insofern ist Josef Schusters Aussage für den Normalo nicht verständlich, dass Antisemitismus bis in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen sei, unterstellte dies doch, dass man muslimische Mitbürger, die ihre eigene Geschichte mit der jüdischen Kultur und Israel haben und nicht im historischen Kontext zum Holocaust stehen, in Deutschland mit „Mitte der Gesellschaft“ gleichsetzen wollte, was überhaupt erst zu den Ressentiments führen kann, über die man sich dann offiziell echauffiert. Wenn man der breiten Bevölkerung etwas vorwerfen kann, dann das schiere Gegenteil, nämlich nicht Antisemitismus, sondern den Mangel an persönlicher Empathie gegenüber den jüdischen Kriegsopfern, eine Empathie, die es allerdings in Konkurrenz zum zeremoniell-rituellen Getriebe nicht leicht hat. Deborah Feldman hat sich verdient gemacht, indem sie etwas thematisiert hat, was in Deutschland nur eine jüdische Person thematisieren darf.
Kurt Schäfer

Verstörendes Judenbild. Deborah Feldmanns Ungenügen an den deutschen Juden ist mir rätselhaft. Wie kann denn eine Frau, die sich auf so imponierende Weise aus der Beschränktheit einer orthodoxen jüdischen Sekte in New York befreit hat, noch immer nicht begriffen haben, das Juden auch keine anderen Menschen sind als Nicht-Juden.  Dem Vorwurf, den in Deutschland das Judentum dominierenden „Sowjetjuden“ oder den ursprungsdeutsche n „Bühnenjuden“ fehle etwas eigentlich und originär Jüdisches, fällt doch just in den Urmythos allen Antisemitismus zurück: dass Juden eben etwas ganz Anderes, eine andere Sorte Menschen, gar eine besondere Rasse seien. Darüber müsste sich jeder, der über Antisemitismus nachdenkt, im Klaren sein, weil er sich sonst an der zum Verhängnis führenden Mythenbildung über „das Judentum“ beteiligt.
Peter Christian Hall

Deborah Feldman mag sich von der starken Religiosität der Satmar-Sekte losgesagt haben. Aber so wie viele Muslime zu Judenhass erzogen werden, so wurde sie von ihrer Sekte zu harschem Antizionismus erzogen – zur Intoleranz gegen andere Meinungen, zur Abwertung anderer Lebenswelten als der eigenen. Diese Satmar-Prägungen lebt sie ganz offensichtlich weiter aus, indem sie andere Juden herabwürdigt. Schade, dass sie nicht den Mut oder die Kraft gefunden hat, wirklich frei und liberal zu werden.
Elisabeth Mayer

Adam Soboczynski unterstellt Deborah Feldman, den Staat Israel zu verabscheuen und zitiert als vermeintlichen Beleg aus ihrem Buch „Judenfetisch“, in dem sie u.a. eine Reise nach Jerusalem beschreibt. „Der Hass scheint in meine Poren einzudringen…, er manifiziert sich als ein Ekel…“ heißt es da und Soboczynski meint, dies zeige ihr „irritierendes“ Ausmaß der Ablehnung Israels. Dabei ist dieser von Feldman empfundene Hass nicht ihr Hass, sondern der „Hass, der Juden von Juden trennt und Araber von Arabern“, den sie nicht ertragen könne, wie sie unmissverständlich einige Passagen zuvor betont. Das übersieht der Zeit-Redakteur und verletzt damit das Gebot der Fairness.
Bernhard Koch

„Erfahrungsbericht – oder Berichtserfahrung?“ Welche Verantwortung hat ein bundesweit erstrangiges FEUILLETON (in DIE ZEIT) gegenüber einem (religiösen oder säkularen) Judentum in Deutschland – besonders auch wenn eine ganzseitige (hybride) Inszenierung in dieser Zeitung mitbewirkend: von oder durch die äußerst (selbst-)kritische Deborah Feldman (zur internen Nestbeschmutzung?) eine sicherlich auch wesentliche Öffentlichkeit auffindet, anteilig-präsent feuilletonistisch Adam Soboczynski sich bewusst bleibt, dass diese Besichtigung im Erfahrungsbericht „Überall nur „Bühnenjuden“ vorsichtig mit Fragezeigen versehen wurde, gleichwohl diese Hinterfragung sich verhalten aufzeigt durch die ungenaue Fragwürdigkeit der Zeichendeutung bzw. der eher dämpfend ZEIT-entmunitionierten Vorwürfe und Berichtserfahrung von Deborah Feldman… Es ist schon eine Art von ihrer offenen Selbstbesichtigung (?) zur Rundum-Bezichtigung zur/der (?) Aufklärung: als Jüdin und Schriftstellerin so tief in die Zumutbarkeit ihrer „Erkenntnisse“ sich zu bedenken und nun in der eigenen, persönlichen Bedenk-„Regie“ den scheinbaren Weizen als mehranteilige Spreu trennen zu wollen – genauer beschrieben, sich nunmehr die Aussage von Deborah Feldmann zu vergegenwärtigen: „Als Juden in Deutschland werden wir von einem staatlich finanzierten Judentum bedroht, das eigentlich nichts mit Jüdischsein zu tun hat.“ Wahrzunehmen wäre darüber hinaus sehr öffentlich: dass die jüdische Anwesenheit in Deutschland von der Kritik ausgeschlossen zu sein hat, deren Vorhandenheit eher als sakro sankt zu gelten habe, wie auch die Kritik an der Politik des Staates Israel sofort pro deutscher Person: als Antisemitismus deklariert wird. Die sogenannte Demokratie reguliert wird, indem eine Pressemacht als Konzern die Meinungsmache derartig manipuliert und mit verfügt: Denn, es kann doch nicht sein, dass ein „Springer-Konzern“ mit“ Bild-Zeitung“, „Die Welt“ u.a. Blättern sowie Fernsehsender usw. bei Einstellung seines nicht nur journalistischen Personals, jene aber vertraglich verpflichtet: dass sie nichts Negatives und Nachteiliges über das Judentum und den Staat Israel veröffentlichen werden… Dies hat nichts mehr mit den Interessen eines Unternehmers oder Unternehmens zu tun, sondern ist konkret beschrieben: ein Affront gegen die Freiheit des Journalismus und sicherlich auch eine strafrechtliche Vertragserpressung seitens der ArbeitnehmerIn als Journalist und Journalistin… Darüber sollte nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch der Gesetzgeber und der Verfassungsschutz sich schleunigst seine Gedanken machen – und diesen Passus aus den Springer-Verträgen arbeitsrechtlich und demokratisch (zur bisherigen Presseunfreiheit) aushebeln.
In einem mehrseitigen Dialog sagt Feldmans (fiktiver?) Autorenkollege: „Du weiß schon, dass dieser Schriftsteller (damit ist Maxim Biller gemeint) nicht aus Deutschland kommt, oder? Seine Mutter ist halbjüdisch, im Kaukasus geboren, er selbst kommt aus dem sowjetischen Umfeld, viele Juden, die nach Deutschland gezogen sind, stammen aus dem Osten. Das sind, pardonnez-moi, Papierjuden, Menschen, die irgendwelche Scheine hatten, worin ihr Judentum belegt war. Aber im Osten gab es kein Jüdischsein, wie wir es kennen, per se, denn die kulturelle und religiöse Praxis ist dort erfolgreich getilgt worden.“ Und: „Nicht die jüdische Praxis fehlt diesem Schriftsteller, sein größtes Problem, wie das Problem aller anderen sich bekennenden Juden mit einem sowjetischen Hintergrund in Deutschland, ist der Mangel an Holocaust-Bezug. Gerade einem Juden in Deutschland, der an die Öffentlichkeit möchte, kommt so ein Makel nicht sehr gelegen! Wie soll man zu einem Reich-Ranicki werden, ohne die entscheidenden biographischen Vorbedingungen erfüllen zu können?“ Deborah Feldman kritisiert auch die (jetzige) Politik Israels gegenüber den Palästinensern – und fühlt sich trotz ihrer Medienöffentlichkeit durch „Diskreditierung zum Schweigen gebracht“. DIE ZEIT hatte ein früheres Interview mit Deborah Feldman dann doch nicht in Druck gebracht! Diese Zurückhaltung wurde dadurch von den Interviewern Ijoma Mangold und dem Autor dieses ZEIT-Textes Adam Soboczynski, folgend begründet – Originalzitat: „Mit den entsprechenden Passagen des Buchs haben wir die Interviewpartnerin während des Gesprächs nicht in erforderlichem Ausmaß konfrontiert. Das wurde uns erst im Nachhinein klar, und das kann uns zu Recht zum Vorwurf gemacht werden. Wir entschlossen uns, das Interview nicht zu publizieren.“ Die Frage muss demnach doch lauten: Wieviel innere Hemmnisse und eigenartige Beängstigungen wabern durch die Hirne im Feuilleton, welche „inneren Scheren“ beginnen bestimmte Gedanken garnicht erst zu Papier oder in den Computer zu verbringen – wird diese bundesdeutsche Hirndressiertheit ebenso auch von den Feuilleton-Intellektuellen zur getarnten Hausmarke der Zurückhaltungen… Unter schriftstellerischer, künstlerischer Befreiung versteht der RvM-(Leserbriefschreiber): die Freiheit der Gedanken und deren Umsetzungen in die offensichtliche Verwirklichung und Öffentlichkeit. Wir sehen das doch bei der Documenta in Kassel: dass vorab genau vermustert werden muss(te), was an Kunst sich dort noch vorzeigen lassen darf… Selbst wenn doch die KUNST jedwede Freilegung von jeweiliger Gegenwart im Denken und Bedenken zur Freiheit der Empfindungen: dann zur Kunst werden würde… Welche Phantasie und Kreativität gilt es denn nun zu bandagieren und einzufesseln… Die Künstler und Künstlerinnen haben zudem auch alle individuelle Narrenfreiheiten sich herauszunehmen – denn: „Der Narr fragt mehr – als ein Weiser beantworten kann.“
Nun aber wird das Buch „Judenfetisch“ von der Autorin Deborah Feldmann im komplizierten Alleingang von Adam Soboczynski im Feuilleton beschrieben (oder besprochen) und hierzu wird sozusagen die „deutsche Vorsichtigkeit“ deutlich mit einbezogen, ringt dieser Text mit der Vorsorge, doch ja niemandem in dieser „Jüdischen Gemeinschaft“ zu deren Vereinnahmungen als „staatlich finanziertes Judentum“ zu sehr zu nahe zu treten… Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser erläutert euphorisch: „Es ist ein Wunder und ein großes Glück, dass es nach dem von Deutschen begangenen Menschheitsverbrechen des Holocaust heute wieder so vielfältiges jüdisches Leben in Deutschland gibt. Dieses jüdische Leben zu schützen und zu unterstützen, ist ein wichtiger Teil unserer heutigen Verantwortung. Deshalb erhöhen wir die jährlichen Leistungen an den Zentralrat der Juden in Deutschland erheblich von 13 auf künftig 22 Millionen Euro.“ Mit der Erhöhung dieser Gelder auf 22 Millionen Euro will der Zentralrat der Juden in Deutschland seine Aktivitäten „zur Sichtbarmachung des gegenwärtigen jüdischen Lebens“ intensivieren. Im Bereich der Antisemitismus-Prävention werden zusätzliche Gelder für Bildungsprojekte im Rahmen der „Gemeinsamen Empfehlung zum Umgang mit Antisemitismus in der Schule“ verwendet.
Hierzu muss doch die Frage (mit kompliziertem Fragezeichen ins Lesepublikum und Volk hinein) offenbleiben, welche deutschen Schülerinnen und Schüler mit dem (ihrem?) Antisemitismus konfrontiert und umgeschult (?) werden sollen… Es kann doch nicht sein, dass deutsche SchülerInnen noch aus vergangensten Zeiten heutzutage (kollektiv?) antisemitisch orientiert und „programmiert“ seien… – wer erzählt denn diese falsche Propaganda aus dem Schulalltag in die Öffentlichkeit hinein – und wer oder was profitiert denn davon? Der „Zentralrat der Juden in Deutschland“ vermeint sicherlich, dass diese nach Deutschland hinzugekommenen (muslimischen) Jugendlichen/Schülerinnen und Schüler anteilig gegen „ihren“ Antisemitismus in die Belehrung kommen sollen – was jedoch nicht verhindern kann: dass die politischen Wirklichkeiten (auch der Vergangenheiten) zwischen Israel und den Palästinensern (die ja Araber und zumeist Muslime sind) nicht ausgeblendet werden können! Es gibt eine gesamtarabische Umma/Ummah-Islam, was als Gemeinschaft der internationalen Muslime so auszudeuten wäre… Alleine in Europa leben über 50 Millionen und in der Welt etwa 2 Milliarden Muslime – davon etwa 350 Millionen Araber auf die 22 arabischen Staaten verteilt. In Israel leben über 6,5 Millionen Juden und weltweit bekennen sich 15,3 Millionen Menschen zum Judentum! Nur eine jüdische Mutter kann wiederum einen anerkannten Juden (lt. dieser jüdischen Definition) in die Gemeinschaft des Judentums einbringen! Und diese jüdische Religion will letztlich keine Konvertiten und ist auch nicht als Glaubenslehre expansiv bzw. will die Menschenwelt (wie der Islam und das Christentum) nicht mit ihrer Glaubensauffassung einvernehmen oder gar fundamental „beglücken…“ Gleichwohl muss doch die Frage gestellt werden dürfen, dass diese Minderheit von 6,5 Millionen jüdischer Menschen in Israel: die sogenannte deutsche Staatsräson (um Schaden vom deutschen Volk abzuwenden) für diesen jüdischen Staat aufzeigen soll, dass aber die 350 Millionen Araber und hierzu mitgezählt die etwa 2 Milliarden Muslime in der Welt – sich damit konfrontiert sehen sollen und müssen: dass der deutsche Staat unverbrüchlich (bis hin zu welchen Konsequenzen?) dieses Israel beschützen wird! Das deutsche Volk wird hierbei und hierzu nicht befragt – es hat mit den Folgen dieser Politik sich (ungewollt und ungefragt) einverstanden zu geben. Somit wird es allerhöchste Zeit, dass die Politik Israels und die Politik der Palästinenser-Araber sich für einen Gesamtfrieden zusammenfinden müssen – damit endlich dieser Wahnsinn in diesem Gebiet der Katastrophen, aufhört. Und das sollen weltweit (wie hierzu auch die reichen arabischen Staaten) die entsprechenden Länder wie besonders auch die USA und Europa: dann mitfinanzieren, sodass in zwei selbstständigen Staaten: ein Israel und Palästina nebeneinander (oder doch auch miteinander?) friedvoll existieren könn(t)en… Und garantiert wird Russland, nach einem evtl. Frieden mit der Ukraine: keinen Rubel als Wiedergutmachung an die Ukraine bezahlen… Werden Europa, vor allem Deutschland – hunderte Milliarden Euro in diesen Wiederaufbau einverbringen, wie auch die entsprechenden Folgekosten sich dann aufbürden lassen. Auch hierbei wird das Volk, werden die Völker in Europa nicht befragt… – vor allem auch das politische-deutsche „stupid german Money“ hat sich als Zahlmeister zu verpflichten. Wie oft soll der „deutsche Drache“ eigentlich noch erlegt werden in der Zukunft?
Gelder für jüdische Wiedergutmachungen flossen zu hunderten Millionen, zu Milliarden von der deutschen Politik über Jahrzehnte an das internationale Judentum – und auch hierbei muss daran erinnert werden, dass im Jahre 1988 der Vorsitzende des Zentralrats der deutschen Juden aus Wiedergutmachungsgeldern wohl bis zu 33 Millionen DM aus der Gesamtsumme an Zinsen von jenen 400 Millionen: damals für sich persönlich unterschlagen hatte… Diese Gelder waren für die jüdischen NS-Opfer aus diesem Härtefonds, bedacht gewesen – und umso unfassbarer war damals dieser verbrecherische, gierige Diebstahl des Werner Nachmann gegenüber den einstigen Verfolgten und Opfern des Naziregimes. An dieser höchsten Stelle der vermeintlichen Ethik gab es also auch keine jüdische Garantie gegen die Kriminalität des Bereicherns – selbst, wenn damit den jüdischen Opfern das Geld unterschlagen wurde…Deborah Feldman beschreibt in ihrem Buch „Judenfetisch“ u.a.: „…dass die Bewertung des deutschen Judentums (der Juden in Deutschland) als Geschäftsmodell dargestellt wird, finanziert vom berühmten „stupid German money“ von dem „verkleidete Deutsche“, aber kaum „echte Juden“ profitieren.“ Adam Soboczynski rettet, was noch zur literarischen Besprechung zu retten wäre zu seinem Text über das Buch und die eigenartige kritische Hauptdarstellerin Deborah Feldman, indem er aufschreibt: „Dieses Buch ist dort stark und beeindruckend, wo die Autorin die eigene Identitätssuche verhandelt und Szenen aus ihrem deutsch-jüdischen Alltag erzählt.
Aber es schwächt ihre Argumentation, wenn sie dabei andere deutsche Juden abwertet und sie auf Darsteller von angeblich erwünschten Klischees reduziert…“. Der/die zuvor unvoreingenommene Leser/Leserin zu dem Buch (und der hierzu erschriebenen Soboczynski-Übersichtlichkeit) muss sich aber doch fragen dürfen: was denn nun an den Vorwürfen und Kritiken der Deborah Feldmann in Verbindung zur Wirklichkeit des Lebens der Jüdinnen und Juden in Deutschland – eher doch auch aus der Besichtigung einer klugen jüdischen Schriftstellerin: nun an inhaltlicher Miterkennbarkeit für verifizierbar gelten kann oder ob das alles an den (jüdischen) Haaren herbeigezogen sei… Was bitte, hätte denn die Autorin von dieser „Nestbeschmutzung“, außer dass ihr Buch „Judenfetisch“ vielleicht dadurch ein Verkaufserfolg würde aus dem Luchterhand-Verlag verlegt… Erstaunlich positiv aber bleibt allemal, dass sich Adam Soboczynski nicht nur diplomatisch feuilletonistisch hinausgetraut hat in die Öffentlichkeit in Deutschland und dies sicherlich kein Kotau vor der sogenannten political correctness gegenüber den Juden hier im Lande, so nun erkennbar wäre… Wiederum aber muss der RvM-Leserbriefschreiber die Religionen in ihrem Wahn in die Verantwortung nehmen – und erkennen können, dass solcher Hass und Vernichtungswillen zwischen den Menschen in einer atheistischen Welt sicherlich niemals möglich sein könnte… Es darf somit auf allen Seiten keine Tabus geben, müssten die Gott/Götter-Religionen als Mythologien und Wahnphantastereien der Vergangenheiten: erkennbar werden – und diesbezüglich dann der erwünschte Friede/n auf Erden jedwede Voraussetzung als Aufarbeitung bei den Menschen mit den nunmehr befreiten Verinnerlichungen: ohne jene religiösen Anfesselungen und unmenschlichen Ideologien!
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld

Ich stimme allen Aussagen von Deborah Feldman hundertprozentig zu, vor allem der, dass wir es in Deutschland mit einem „staatlich finanzierten Judentum“ zu tun haben, das eigentlich mit Jüdischsein nichts zu tun hat, sondern sich als Sprachrohr der jeweiligen israelischen Regierung ansieht. Würde z.B. die massive finanzielle Förderung der Deutsch-Israelischer Gesellschaft (jährlich ca. 2 Millionen Euro), (im Vergleich: Förderung der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft: Null Euro!), der sog. „Werteinitiative“ (jährlich über 500.000 €uro), ELNET und vielen anderen pro-israelischen Lobby-Organisationen (zu denen vor allem auch der Zentralrat der Juden gehört) eingestellt werden, würde der inflationär gebrauchte Antisemitismusvorwurf als politische Instrumentalisierung gegen israelkritische Stimmen (auch und besonders der jüdischen!) und das Schüren eines Klimas, das unter unseren jüdischen Mitmenschen ein Gefühl der Angst suggerieren will, ziemlich schnell ein Ende haben. Ich hätte einen Vorschlag an die ZEIT-Redaktion: Veröffentlichen Sie doch das Interview mit Frau Feldman, das Sie im Sommer (auf Druck des unseligen Maxim Biller?) den Lesern vorenthalten haben. Das wäre doch mal ein Schritt in die richtige Richtung.
Björn Luley

Kann sich die ZEIT einen derartigen Verriss leisten, wie ihn Adam Soboczynski an Deborah Feldman und ihrem neuen Werk „Judenfetisch“ verübt? Die Weigerung, das ZEIT-Interview zu veröffentlichen, gemeinsam mit einem Kollegen geführt, erinnert an Bücherverbrennung. Die Erklärung: Mangelhafte Interviewführung könne den Autoren „zu Recht vorgeworfen werden“: Ist das die Furcht vor den Bewahrern des Mainstream-Judentums in Deutschland? Sicher, die Kritik der in Berlin lebenden säkular-jüdischen Schriftstellerin am politischen Auftreten dieser „Bühnenjuden“ ist nicht willkommen. Sie profitieren von der traumatisierten deutschen Politik in Bezug auf jüdische Mitbürger und den Staat Israel. Sie sind einig mit der Diskriminierung der Palästinenser. Die irritierende Lektüre der Feldman-Schelte verlangt nach Lektüre des Interviews. Warum wurde das verhindert? Das Bekenntnis zur Würde aller Menschen, der Palästinenser und der Juden; die Überzeugung, den Weg der Verständigung in Palästina / Nah-Ost zu versuchen; die Kritik an der deutschen Staatsraison in diesen Fragen; Ratschläge, was die deutsche Politik tun sollte, ihr Trauma zu überwinden; das sind die Fragen, um die es der Autorin geht. Die ZEIT sollte sich dieser Fragen annehmen. Der Interview-Kollege macht sich das Mobbing nicht zu eigen, bemerkenswert. Der Autor stellt am Schluss trotzig fest, „dieses Tabu gibt es im Land der Täter zu Recht“. Er nennt das Existenzrecht Israels, meint aber den Gaza-Krieg.  Zu Recht?
Franz-Friedrich Rohmer

Wenn ich eins gar nicht mag, dann ist es der Umstand, wenn ich von Dritten mit zweifelhaftem Intellekt für ihre Zwecke vereinnahmt werde. Sei es, dass die Außenministerin sagt, wir seien alle Israelis – nein, ich bin kein Israeli und werde auch nie einer werden – oder Ihr Autor behauptet, alle Deutschen seien Täter. Ich kann jedenfalls für mich sagen, ich bin auch kein Täter und werde nie einer werden. Der Holocaust ist seit inzwischen fast 80 Jahren vorbei und alle Täter sind verstorben. Deutschland ist demnach nicht mehr das Land der Täter, denn nach unserem Rechtsverständnis gibt es keine Sippenhaft. Die Täter sind tot und Sippenhaft mag es vielleicht in einigen muslimisch geprägten Staaten geben aber nicht im europäischen Rechtskreis. Nur der guten Ordnung halber – mein Großvater war auch kein Täter, sondern Opfer des Nationalsozialismus; es gab auch jene im 1000jährigen Reich, die nicht mitgemacht haben. Außerdem frage ich mich, wieviel Unrecht das Geschwurbel von der deutschen Staatsräson eigentlich verträgt. Ab wann darf man in Deutschland Israel kritisieren, müssen dafür erst 50.000 Palästinenser sterben oder 100.000? Wann ist der moralische Overkill dann auch in Deutschland erreicht und was passiert, wenn Netanjahu eine Atombombe im Gaza-Streifen zündet. Liefern wir dann die Bauteile für die zweite Bombe, die er in Teheran zünden will.  Wenn Höcke vom „totalen Sieg“ faselt, dann wird das zurecht in Deutschland als eine Gefahr und verfassungswidrig betrachtet. Wenn Netanjahu das macht, ist es deutsche Staatsräson.
Volker v. Moers

Wie schade, dass es anstelle des Interviews nun lediglich diesen Artikel über Deborah Feldmann gibt. Könnten Sie es nicht nachholen, mit Ihren nachträglichen Erkenntnissen erweitert? Immerhin ist sie eine Stimme, die aus Lebenserkenntnissen über das Thema Judentum und Israel spricht. Mir geht es immer wieder so, dass ich einen Knoten im Kopf bekomme bei diesen beiden Themen. Ich lehne die derzeitige (Innen-)Politik in Israel ab, wie so viele, andererseits lässt sich der Staat nicht begreifen ohne das Judentum. Es gibt kein säkulares Israel, und die orthodoxen Juden sind sehr laut und präsent (oder liegt das an der hiesigen Rezeption?). Und Orthodoxie jeder Religion ist mir so fremd und ist so schädlich, das sehen wir in allen Weltreligionen. Auch die damit zusammenhängende Ein- oder Zweistaatenlösung ist ja an die Religion gebunden. Wie kann man das alles verstehen? Mir helfen solche Artikel wie Ihrer, mehr noch oder zusätzlich die O-Töne der Menschen, die sich von innen damit auseinandersetzen.
Und dass sie über Herrn Biller den Autorenkollegen so reden lässt – so what. Auch Herr Biller geht nicht zimperlich mit anderen Menschen um. Wäre doch interessant, ein gemeinsames Interview zu machen, im direkten Austausch. Ich erlebe die deutsche Öffentlichkeit zum Thema Israel sehr verkünstelt. Das geht mit der Staatsräson los, die etwas Gebetsmühlenhaftes hat, über den Nicht-Aufschrei über die antisemitischen Attacken seit dem 7. Oktober und auch schon davor, das Schweigen der Linken, wie in der Zeit beschrieben… Kurz: ich würde mich sehr freuen, alle diese Facetten einmal beleuchtet zu bekommen, ohne Sorge, dass man bestimmte Dinge nicht sagen kann.
Elsabe Elson


Leserbriefe zu „Die Schlächter sprechen meine Sprache“ Gespräch mit Ahmad Mansour geführt von Evelyn Finger

Das aufrichtige, ehrliche Bekenntnis eines israelischen Palästinensers zur Versöhnung! Noch tönt er wie ein Rufer in der Wüste! Mögen doch muslimische Araber seines Schlages immer zahlreicher werden! Oder bedarf es doch einer Naturkatastrophe globalen Ausmaßes, damit die Menschen zur Besinnung kommen und Vernunft statt Hass die Oberhand in ihren Köpfen gewinnt? Darauf sollten sich die Israelis nicht verlassen! Sie müssen die Hamas zumindest so weit dezimieren, dass sich die gemäßigten Palästinenser endlich aus der Deckung wagen und den Israelis die Hand zur Versöhnung reichen können! Gelingt das nicht, droht das einst gelobte Land ein Totes Land ums Tote Meer zu werden! Dies mögen Allah und Jahwe gemeinsam verhindern!
Ulrich Pietsch

Danke für das Interview mit Ahmad Mansour. Er ist gefühlt in Deutschland der Einzige (kann das wirklich wahr sein??), der die Dinge auf den Punkt bringt. Ich kann diesem mutigen Mann nicht genug danken und Respekt zollen! Er weiß, wovon er spricht, und er kann die Motivation und die Mentalität dieser islamistisch-radikalen Täter richtig einschätzen. Das gilt nicht nur im Hinblick auf die in dieser Lage allesamt zu 100% gerechtfertigten Aktionen Israels. Das Interview sollte auch verbindliche Grundlage für die deutsche (Innen)Politik im Hinblick auf deren Einschätzung der Einwanderungs- und Bedrohungslage in Deutschland dienen! Die innere Situation in diesem Land ist eine Schande! Ein paar Beispiele? Nationalstolz Fehlanzeige, aber Nationalschämen immer gerne. Eine Politik die seit mindestens 10 Jahren nur noch gegen die eigenen Bürger arbeitet, ein seit Jahrzehnten marodes Bahn- und  Energienetz, eine Politik, die alle(s) mögliche(n) verfolgt nur nicht die ungeprüft ins Land reingelassenen kriminellen und radikalen Elemente, die religiös und kulturell nicht hier hingehören, eine Regierung von – ganz oben angefangen – Laberern, Zögerern (das hat schonmal in die Katastrophe geführt…) und Berufsbetroffenen, eine durch die Politik gelähmte Exekutive, ein eingelulltes, egoistisches, lahmes und geradezu schafsartiges (Wahl)Volk. Abwandernde Industrie und jetzt zuletzt die weitere Öffnung für ungeprüfte Zuwanderung (Tja Frau Faeser, aber welche Interessen sollen Sie, aus einer Politikerfamilie kommend, auch vertreten außer ihren eigenen) und als Neuestes die nicht überraschende Prognose einer islamistischen Bundespartei – Houellebecq und Sarrazin hatten schon recht. Wir schaffen uns sogar mit Ansage ab. Aber nicht nur weil das die Geschichte zeigt, sondern auch, weil es so sicher ist wie das Amen in unserer christlichen Kirche, glaube ich daran, daß sich der Wind -hoffentlich bald- drehen wird.
Frank Hiller

Ahmad Mansour gehört wie auch Peter R. Neumann zu denen, die angesichts der Ereignisse vom 7.10. den moralischen Kompass nicht verloren haben und der jahrzehntelangen Indoktrination des Postkolonialismus nicht erlegen sind! Danke, dass die “Zeit” diesen Stimmen den gebührenden Raum einräumt! Der „Bothsidesism“ ist ein großes Übel – und im Grunde eine Folge des postmodernen Mindsets und der Aufgabe des Wahrheitsbegriffs und der Factfullness, der kleinsten gemeinsamen Wirklichkeit. Ja, es gibt immer zwei Seiten eines Themas, und es gilt Empathie mit den Toten auf beide Seiten aufzubringen; christlich gesprochen gilt es gar – was sich als Außenstehender leicht sagen lässt – für die Terroristen zu beten. Aber das hat nichts mit der infamen Behauptung von Äquidistanz zwischen dem Hamas-Terror und der Selbstverteidigung Israels zu tun. Genau wie in Bezug auf den Angriffskrieg Putins gilt es diesem Argumentationsmuster dezidiert entgegenzutreten. Auch wer der verbreiteten Täter-Opfer-Umkehr nichts entgegensetzt oder – aus Sorge vor Kontroversität – dieses Thema einfach ausspart, macht sich schuldig. Denn auch das Böse zu relativieren, ist böse!
Marcel Haldenwang

Ich kann Ahmad Mansour nur zustimmen. Im Übrigen ist der systematisch instrumentalisierte Opferkult über die „armen unschuldigen Zivilisten“ zum Kotzen. Manchmal muss ein Volk eben auch die Konsequenzen für seine eigene Regierung tragen. Auch die Deutschen „armen Zivilisten“ hatten einst die Konsequenzen dafür zu tragen, dass sie sich eine Regierung Hitler mit Consorten leisteten, welche nur durch Krieg und Zerstörung von außen zu beseitigen waren. Und wo sind denn die Mütter im islamisch-arabischen Raum, die von ihren „Führern“ den Stopp der selbstmörderischen „Märtyrer“-Aktionen einfordern? Wer Wind sät …
Karl Heinz Stoll

Herr Mansour sagt; „Die Schlächter sprechen meine Sprache, beten zum gleichen Gott, haben die gleiche Kultur.“ Im Folgenden distanziert er sich zwar sehr deutlich und in jeder Beziehung von dem Un- und Wahnsinn der Hamas, besser würde ich allerdings finden, er hätte gesagt: Hamas spricht nicht meine Sprache, sie beten zu einem Phantom, von dem sie Bestätigung erwarten, ihre Kultur ist unendlich weit von meiner entfernt. Also weg von der Statistik, hin zur Substanz. Damit wäre auch die Begrifflichkeit ein klein bisschen näher an einer lösungsorientierten Argumentation und die Rechtfertigungsstrategie der Hamas wäre potenziell wirksamer ad absurdum zu führen.
Christoph Müller-Luckwald

Die arte-Doku über das Massaker wollte ich mir ursprünglich nicht antun, ich habe dann aber zwischendurch doch noch für etwa fünf Minuten hineingeschaltet, weil ich wissen wollte, ob auch Propagandamaterial der Hamas verwendet wurde. Das war der Fall, aber es wurde immerhin als solches gekennzeichnet. Die Bilder, die ich gesehen habe, waren noch aus der Anfangsphase des Überfalls und deswegen noch relativ „harmlos“. Aber als ein flüchtendes israelisches Paar im Auto beschossen wurde und die Windschutzscheibe beinahe zersplittert wäre, habe ich endgültig ausgeschaltet, den Rest habe ich mir erspart. Ich bin da zwiegespalten, ob diese Doku nötig war, wer da abstreitet, dass das Ganze überhaupt stattgefunden hat oder wer von einer „Inszenierung“ spricht, dem ist, wie den Holocaustleugnern und -relativierern eh nicht mehr zu helfen. Den Druckfehler „Mileus“ haben Sie bestimmt schon selber entdeckt. Etwas merkwürdig fand ich die Verbindung zwischen Völkerbund und der Staatsgründung Israels. Zu der Zeit war das doch schon die UNO, wobei die Entscheidungen des Völkerbundes bzw. die britischen und französischen Kungeleien hinter den Kulissen und die falschen Versprechungen an beide Seiten ein friedliches Zusammenleben nun auch nicht gerade gefördert haben.
Thomas Manthey

Das hochinteressante Gespräch mit dem Psychologen Ahmad Mansour zeigt die einzige realistische Möglichkeit auf einen Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern nach 75 Jahren zu erreichen.
Roderich Buhlheller

Zwei Antworten von Ahmad Mansour entlarven ihn: 1.) „Gaza ist furchtbar zerstört? Ja! Und zwar weil die Hamas den Jugendlichen einredet, Terror sei heldenhaft.“ und 2.) „Wenn die Hamas bleiben darf, dann erstarkt sie.“ Zu 1.) Nicht die Hamas hat den Gazastreifen in die Steinzeit zurückgebombt, über eine Million Zivilisten zu Binnenflüchtlingen gemacht und über 15.000 Zivilisten getötet. Zu 2.) Woran liegt es, dass eine derartig böse Organisation erstarkt, wenn man sie nicht zerstört? Vielleicht an den äußeren Bedingungen und Israels Politik? Dass Herr Mansour nicht nur bei den Palästinensern im besetzten Westjordanland und dem Gazastreifen, sondern auch den Palästinensern mit israelischem Pass als Verräter gilt, wie er selbst zugibt, finde ich mehr als verständlich! Für mich ist er eine tragische Person.
Björn Luley


Leserbriefe zu „Halbe Freude“ von Evelyn Finger

Sehr bizarr und befremdlich der Umstand, wie sich die Hamas-Terroristen bei der Geiselfreilassung nun selbst als humanen und barmherzigen Eskorttrupp in Szene setzt, wenn sie die freigelassenen Frauen, die sie vor Wochen selbst entführten, zum Roten Kreuz geleiten. Scharlatane und Schwindler, Mörder und Meuchler. Nicht mehr und nicht weniger sind diese Feiglinge. Das sollten wir nicht vergessen.
Michael Ayten

Das Geiseldrama geht nicht nur zu Herzen. Nimmt man die Glaubensgemeinschaften im Hintergrund und ihre historischen und aktuellen Relevanten, wird die eigene Betroffenheit noch schmerzhafter. Eines vereint das Judentum, den Islam und das Christentum, politisch instrumentalisiert und aus fataler staatlicher Solidarität im Namen eines „heiligen Ominösen“ sogar vor Gräueltaten an Kindern nicht zurückzuschrecken. Der unglaubliche zivilisatorische Verzicht durch religiös getarnte Handlungen wird auch durch den Geisel- und Gefangenenaustausch nicht zur halben Freude, sondern führt nur noch mehr zur Verachtung dieser anmaßenden Religionen.
Jürgen Dressler

Mir geht es wie Evelyn Finger. Die Bilder von den freigelassenen Hamas – Geiseln gehen mir ebenso zu Herzen und ich freue mich für jede freigelassene Geisel und ihre Angehörigen. Dennoch, es so viel Bitterkeit dabei. Die Inszenierung der Hamas bei der Übergabe der Geiseln ist ekelhaft. Die Hamas Terroristen führen sich auf wie „Freunde“, verabschieden sich mit Handschlag. Wer auf diesen Mummenschanz hereinfallen möchte, möge sich die Gesichter der Geiseln anschauen. Sie sind durch die Hölle gegangen und werden gezwungen, bis zum Zeitpunkt ihrer Freilassung gute Miene zum bösen Spiel machen. Und viele Geiseln sind bisher nicht freigelassen worden, ihr Schicksal ist unbekannt. Dieser „Geiseldeal“ gehört zum perfiden Plan der Hamas und er geht offensichtlich auf. Die freigepressten palästinensischen Häftlinge aus Israel werden sich am Werk der Hamas beteiligen und nichts, aber auch gar nichts, gibt es da zu feiern. Selbstverständlich wird die Hamas die Waffenruhe für eigene Zwecke genutzt haben.  Im Westen muss man sich ganz genau darüber im Klaren sein, dass er es allein nicht schaffen kann, mit der Hamas“ auf Augenhöhe“ zu verhandeln.  Deshalb bin ich auch davon überzeugt, dass die Lösung dieses Konfliktes nur unter der Beteiligung von Unterhändlern der arabisch-muslimischen Welt möglich ist. Uneingeschränkt glücklich bin ich darüber nicht, aber es ist existenziell für die unschuldigen Menschen im Gazastreifen und die unschuldigen Menschen in Israel. Und darum geht es.
Regina Stock

Am Anfang zu dem Satz von Evelyn Finger: „Die Hamas spielt weiter mit dem Leben der Geiseln – und dem Leben der Palästinenser“ Die weit über 1000 ermordeten Israelis auf ihrem Staatsgebiet durch die Hamas am 7.Oktober zeigen wieder einmal, wie Menschen zu Bestien werden und dann nicht mehr von Tieren zu unterscheiden sind. Es ist ein schlichtes Gebot der Humanität, solche Verbrechen aus tiefstem Herzen zu verdammen. Das sollten sich vor allem politisch konditionierte Menschen in ihr eigenes Stammbuch schreiben, da sie meistens nur politisch lackierte Floskeln über Menschlichkeit und Gerechtigkeit in Endlosschleifen absondern. Egal ob es sich um Politiker oder deren Wähler handelt, um geistige Eliten (!) und deren Bewundern, die anscheinend über die Massaker den falschen Weg einschlugen um, die Sache der Palästinenser aus ehrlicher Überzeugung zu unterstützen – ohne das Massaker selbst anzusprechen, was die Israelis/Juden auf das tiefste verstörte. Muss da immer auf die Philosophie verwiesen werden, da nur sie in der Lage wäre, menschliches Versagen zu analysieren – um wenigstens das Richtige und Falsche im Handeln des Menschen aufzudecken? Machtpolitiker, und solche die es noch werden wollen, lachen über philosophische Überlegungen zum Machtmissbrauch. Das wussten schon die griechischen Philosophen vor 2500 Jahren – und nicht nur die. Gibt es heute eigentlich keine Philosophen mehr die aktuelle Menschheitskatastrophen wie den Ukrainekrieg (Ausnahme: der franz. Philosoph Bernard Levy) oder den mörderischen Konflikt Hamas gegen Israel zum Thema machen?
Das Wenigste, was wir dazu brauchen, sind die Vertreter der abrahamitischen Religionen (Judentum, Christentum und Islam) deren theologisches Giftgebräu darin besteht, sich auf den gleichen Gott zu berufen (Altes Testament), aber mit ihrer Religion völlig gottfremde Absichten wie gegenseitige Ausrottung und Verteufelung verfolgen. Greifen sie dann noch der Politik unter die Arme oder schmeißen sich ihr an die Brust (Russland) ist der nächste Krieg schon programmiert! Beiden Seiten der blutroten Medaille Israel / Palästina sind von den oben skizzierten politisch-theologischen Zusammenhängen abhängig. Was den Konflikt unlösbar erscheinen lässt. Oder gibt es irgendeine weltliche Institution mit universeller Autorität? Natürlich nicht. Die katholische Kirche als Erfinder des abendländischen Antisemitismus bestimmt nicht. Amerika als Schutzmacht Israels steht nächstes Jahr vor Wahlen. Dort sieht inzwischen die Mehrheit der Amerikaner Israels Bombardierungen von Gaza-Stadt mit Präzisionswaffen kritisch, und nicht nur dort. Israel politisches Versagen vorzuwerfen, und zwar besonders den Regierungen des jetzigen Ministerpräsidenten Netanjahu, darf von keinem Land der Welt als billige Chance missbraucht werden, dass Existenzrecht Israels jemals in Frage zu stellen – besonders nicht Deutschland.
Die Juden sind/wurden ein herausragendes Volk auch dadurch, weil sie seit 2000 Jahren die für sie lebensgefährliche Ablehnung von Kirche und europäischen Eliten bis heute überstanden haben. Der Versuch ihrer Ausrottung durch die Nazis bleibt ein gesondertes Verbrechen und ist ohne Beispiel. Nur jetzt, im jüngsten Konflikt gegen die Hamas und den Palästinensern, sollte das demokratische Israel das Prinzip Auge um Auge, Zahn um Zahn, im politischen Tiefkühlfach belassen. Letzte Frage:  Warum hilft nicht der gemeinsame Gott von Juden und Palästinensern? Versuch einer Antwort: Es ist leider zu vermuten, dass die Kontrahenten darauf noch bis zum jüngsten Gericht warten müssen.
Klaus Reisdorf

Die Hamas hat einen barbarischen Überfall auf Israel verübt. Zahllose Babys, Kinder und Erwachsene wurden bestialisch ermordet und Menschen aus unterschiedlichen Nationen entführt. Ziel der Hamas ist es, die Annäherung von Saudi-Arabien und anderer arabischen Staaten an Israel zu verhindern. Israel hat das Recht, sich zu verteidigen. Aber wie der amerikanische Präsident anmahnte, nicht den Fehler Amerikas in Afghanistan und dem Irak zu wiederholen. Flächenbombardements führen zu großem Leid bei der Zivilbevölkerung und Hass. Wie könnte ein Frieden erreicht werden? Die Hamas muss ausgeschaltet werden. Die rechtsradikale und teilweise faschistische Regierung Netanjahu muss abgelöst werden. Einige Mitglieder dieser Koalition fordern die Entvölkerung des Gazastreifens und ein Auslöschen aller Palästinenser. Amerika, China und Russland müssen Druck auf Katar ausüben, damit deren Unterstützung für die Hamas beendet wird. Desweiteren muss der Iran von China und Russland unter Druck gesetzt werden, die Hisbollah von kriegerischen Handlungen gegen Israel abzuhalten. Das größte Problem ist die Zweistaatenlösung. Politiker u.a. die deutsche Außenministerin haben keine Kenntnis von der realen Lage im Westjordanland. Wie soll bei diesem Flickenteppich ein Staat entstehen? Israel müsste nicht nur die völkerrechtswidrige Besiedlung beenden, sondern die ca.150 Siedlungen auflösen und die circa 600000 Israelis nach Israel zurückführen. Dann könnte mit einer vernünftigen Palästinenserbehörde unter der Kontrolle der UN ein Staat entstehen. Eine Vision, aber ich vermute, Israel wird bei der jetzigen Regierung nie zustimmen. Frieden gibt es nicht umsonst, jeder muss dazu beitragen und von Maximalforderungen absehen.
Ingo Krause

Die differenzierte Betrachtung von Frau Finger ist hilfreich in einem Umfeld, in dem zu oft unreflektiert dem Narrativ der unschuldigen palästinensischen Zivilbevölkerung gefolgt wird. Wir Deutschen versuchen der Verantwortung gerecht zu werden, die sich aus den Gräueltaten einiger Vorfahren unserer Mitmenschen ergibt. Es wird Zeit, dass sich auch die Mehrheit der Palästinenser von den Verbrechern in den eigenen Reihen glaubwürdig lossagt. Erst dann haben die reaktionären Kräfte in Israel keinen Vorwand mehr, sich der Zwei-Staaten-Lösung entgegenzustellen.
Thorsten Brandes

Ich darf zu Ihrem letzten Leitartikel anmerken: Sind Sie sicher, dass die 200 freigelassenen „Heimkehrer“ wegen „Attacken mit Messern, Schusswaffen und Sprengstoff inhaftiert“ waren? Woher wissen Sie das? Ein großer Teil der Häftlinge ist ohne Gerichtsverfahren inhaftiert. Ohne Urteil weiß man nichts, „Vorwürfe“ sind keine Tatsachen! Nach Angaben der israelischen Menschenrechtsorganisation HaMoked stieg die Gesamtzahl der Palästinenser*innen, die zwischen dem 1. Oktober und dem 1. November ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Verwaltungshaft gehalten wurden, von 1.319 auf 2.070. Zeit Online schreibt: Wer sind diese Gefangenen? Die israelische Regierung hat inzwischen eine Liste mit 300 Namen veröffentlicht. Darunter sind 33 Frauen und Jugendliche von 14 bis 18 Jahren. Der überwiegende Teil ist unter Militärrecht verhaftet worden und wurde bisher nicht verurteilt. Die Vorwürfe reichen von nicht spezifizierter „Aufwiegelung“ oder „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ über „Steinewerfen“ bis hin zu zwei Fällen versuchten Mordes durch Messerattacken in Ost-Jerusalem. Wenn Sie die Meldungen des israelischen Militärs übernehmen, müssten Sie dann darauf hinweisen, dass diese nicht zu überprüfen sind? Ich bin nach wie vor fassungslos, mit welcher Einseitigkeit Sie den Nahostkonflikt kommentieren und die Zeit Ihre Meinung als Leitartikel veröffentlicht.
Astrid Kruhl


Leserbriefe zu „Noch Kohle im Keller?“ von Ingo Malcher et al.

Die Frage nach der Kohle im Keller wird leider nicht beantwortet. Das liegt daran, dass der Autor an der falschen Stelle nach Geld sucht. Wie der Mann, der im Dunkeln seinen Autoschlüssel verloren hat und unter der Laterne sucht, weil es dort hell ist. Deutschland ist eine Steueroase für Milliardäre.  Leicht zu finden, wenn man denn will. Eine entsprechende Besteuerung würde jährlich gut 40 Milliarden Euro in den Kohlekeller schaufeln. Investitionen haben in der Regel einen größeren Wachstumshebel als Subventionen. Um Kohle in den Keller zu bekommen sind Investitionen notwendig. Im Sinne der neoliberalen Politik des Finanzministers müssten Subventionen gestrichen werden. Wir haben doch den Markt, der alles regelt und die Unternehmer. Unternehmt etwas Unternehmer! Mehr Licht in den Keller; liebe Zeitautoren und Autorinnen!
Jens Gärtner

Wer nach Einsparungsmöglichkeiten sucht, muss sich die großen Ausgabenblöcke vornehmen. Als erstes den Zuschuss zur Rentenversicherung in Höhe von 127 Mrd. Reformen der Rente sind unpopulär, aber notwendig. Die Ampel bleibt dazu stumm und verschiebt die Probleme in die Zukunft. Doch der schlichte Dreisatz lehrt, dass eine steigende Lebenserwartung einen Abdruck auch in der Bezugsdauer haben muss. An höherem Eintrittsalter führt kein Weg vorbei. Unterbelichtet überdies die Demographie. Die “ Babyboomer“, die jetzt in Rente gehen, hatten alle Aufstiegschancen, sie haben aber den Nachwuchs vernachlässigt, verantwortlich für den absehbaren Mangel an Arbeitskräften. Sie können deshalb diese Defizite nicht der jungen Generation in die Schuhe schieben, die ohnehin eher Schmalkost zu erwarten hat. Die Generationengerechtigkeit muss das in die Balance bringen sicher auch mit Abstrichen beim Rentenniveau. Unpopulär, aber notwendig. Wenn Schröder damals auf vox populi gehört hätte, wäre seine Agenda still beerdigt worden.
Christoph Schönberger

Denkverbot Kohle. 2500 Kohlekraftwerke lieferten 2020 ca. 27% des weltweiten Energiebedarfs.  Weitere 1380 Kohlekraftwerke sind in der Planung oder Bau (1,2).  Deutschland verfügte 2020 über 74   Kohlekraftwerke, die bis 2038 stillgelegt werden sollen (3). Trotz Abschaltung unserer Kohlekraftwerke, werden 2038 wahrscheinlich bis zu 1380 neue Kohlekraftwerke weltweit in Betrieb sein. Die Stilllegung unserer Kohlekraftwerke kann   also das Klima nicht retten, wohl aber unsere Industrie ruinieren. China, Indien u.a. Länder können wir nicht daran hindern, neue und größere Kohlekraftwerke zu bauen, wir können aber dazu beitragen, diese klimafreundlicher zu gestalten. Bei den Naturwissenschaftlern gilt der Grundsatz: „Es ist ständig alles infrage zu stellen, weil neue Erkenntnisse zu neuen Antworten führen. “Wenn wir für das Klima   etwas tun wollen, müssen wir in  die Forschung für  Filteranlagen  und CO2 Speicherung intensivieren.
Schon heute gibt es Verfahren, die nahezu sämtliche Schadstoffe bei der Kohlevergasung herausfiltern und auch CO2 separieren, welches klimaunschädlich entsorgt werden kann. Auch ist die Verflüssigung der Kohle mit einem neuen Katalysator umweltfreundlicher möglich. (4,5,6,7,8). Die Forschung zur klimafreundlichen Nutzung der Kohle ist in unserem ureigensten Interesse. Deutschland hat weltweit mit die größten Braunkohlelager (9). Die effektive Nutzung der heimischen Kohle würde unsere Energieversorgung wieder auf sichere Füße stellen.  Für den Import von Energie müsste Deutschland nicht mehr riesige Geldbeträge an die Energieexporteure überweisen, die anderweitig sinnvoller eingesetzt werden können. Die erneuerbaren Energien decken ca. 20 %. des Bruttoenergiebedarfs   Deutschlands.  Selbst wenn wir sie verdreifachen, bleibt eine Lücke von 40 % (10). Unsere Väter würden eine alte Brücke erst abreisen, wenn die neue die Feuertaufe bestanden hat, soll heißen: alle Probleme in Bezug auf die Nutzung der regenerativen Energien geklärt sind.
1). https//www.watson.ch/international/wissen 9183     Kohlekraftwerke: 2020 weltweit 2 485
2). https//www. Energie zukunft.eu/wissenschaft; Kohlekraftwerke in Planung oder Bau 2020 weltweit: 1380 die Anzahl der Kohlekraftwerke nur  eine vages Kriterium über die Gesamtleistung  der Kohlekraftwerke  weltweit ,     das größte Kohlekraftwerk der Welt steht in China und hat eine Leistung von 6,7 Gigawatt; Laut Global Plant Trackers gibt es weltweit 1621 Kohlekraftwerke mit einer Leistung von 2 Gigawatt, Leistung der Deutsche Kohlekraftwerke: 1 bis 4,5  Gigawatt ) Natur.de  17.05.2023   https:/ www.Wissenschaft.de.erde Umwelt/neue Kohlekraftwerke weltweit;  werden 50 %  der 1380 geplanten  Kohlekraftwerke gebaut, werden zusätzlich  170 bis 270 Gigawatt an Kohlekraft hinzukommen
3). Statistika: Anzahl Kohlekraftwerke Deutschland 2020: 74 (https://de statistica Info grafik – Deutschland  Leistung der Kohlekraftwerke 2021  39,9   Gigawatt)
4). https:www.energie lexikon.info Kohlevergasung html ; Dr. Rüdiger Paschotta
5). https:de.wikipedia.org/wiki/CO2-Abscheidung-und-Speicherung
6). https://energiewende.orested.de/energiepolitik/CCS-CO2-Speicherung
7). Neuerdings ist auch der Wirtschaftsminister Habeck für die CO2- Speicherung (Tagesschau 5. 1. 2023)
8.) https://www.forschung-und wissen.de /nachrichten-chemie- Neuer Katalysator verflüssigt Kohle umweltfreundlicher). Kraftstoff wird durch Kohleverflüssigung in Südafrika in großen Maßstab   nach Bergius- Pier- Verfahren hergestellt
9) Bundesverband Braunkohle, Braunkohle in Deutschland, Daten und Fakten; unsere Reserven zähle zu den 10 größten der Welt
10). www.umweltbundesamt.de/daten/ Primärenergieverbrauch nach Energieträgern in Deutschland 2022, Erneuerbare 20% insgesamt, davon Windkraft 8,9%
Karl Hahn

Warum wird nicht auch über die Möglichkeit von Steuererhöhungen auf Vermögen oder Erbschaften debattiert? Auch in ihrem Artikel geht es nur um Abbau von Subventionen und Sparen bei Sozialausgaben. Offensichtlich ist das Thema Steuererhöhungen auch schon bei der Presse vom Radarschirm verlorengegangen. In unserem Land gibt es privates Vermögen in Höhe mehrerer Billionen Euro. Gerade die, auf die sich dieses Vermögen konzentriert und die es zu Lebzeiten gar nicht in vollem Umfang nutzen können, müssten das größte Interesse daran haben, dass sich unser Gemeinwesen zukunftssicher entwickelt und nicht verfällt, auch mit Blick auf ihre Kinder und Enkelkinder. Zudem hatten und haben die Vermögenden den größten Vorteil eines funktionierenden und sicheren Gemeinwesens, denn sie nutzen die Infrastruktur und die sonstigen Einrichtungen der Daseinsvorsorge wie u.a. Schulen, Universitäten und Kultur am intensivsten, auch belasten sie die Umwelt unverhältnismäßig stark. Und erst ein gut und sicher funktionierendes Gemeinwesen gab und gibt ihnen die Möglichkeit, ihren Wohlstand aufzubauen und zu erhalten. Jeder, der sieht, wie sein Haus verfällt, würde für die Sanierung auf seine Ersparnisse zurückgreifen, insbesondere dann, wenn lediglich ein verhältnismäßig kleiner Teil seiner Ersparnisse benötigt würde und ihm das nicht weh täte. Das Haus ist unser Staat und Miteigentümer ist jeder von uns. Wann endlich rufen mehr Vermögende „tax me now“? Die Frage nach einer Modifizierung oder gar Abschaffung der Schuldenbremse würde sich dann erledigen.
Roland Zappek

Steuergerechtigkeit – ein Fremdwort. Die Privilegien der Betuchten bleiben gesichert, die Rechnung bezahlt der Malocher. Wohlhabende erzeugen einen höheren CO 2 Ausstoß. Größere Häuser, größere Autos, mehr Reisen. Sie zahlen dafür aber nicht entsprechend. Es täte ihnen auch nicht weh. Bei einem Arbeitsessen zu viert mit Politikern und Lobbyisten, steuerlich absetzbar, wäre die Rechnung wohl höher als das Bürgergeld in Höhe von 563 €. Wer die Kürzung des Bürgergeldes fordert, sollte mindestens einen Monat so leben müssen wie ein Empfänger. Relativierung durch lebensnahe Erfahrung. Eine Reform der Vermögenssteuer, der Erbschaftssteuer und eine Rentenreform, die alle Bürger und alle Einkünfte einschließt, bringen neuen Handlungsspielraum. Entwicklungshilfen, z.B. für Indien, ein Land mit einem Raumfahrtprogramm- überprüfen und streichen. Dienstwagenprivileg, Steuerbefreiung von Flugbenzin- streichen. Günstiger Diesel für LKW und für die Landwirtschaft spürt der Kunde an der Kasse im Supermarkt. Das Wohnen am Arbeitsplatz ist wegen der unbezahlbaren Mieten oft nicht möglich. Eine Streichung der Pendlerpauschale ist unsozial. Als Koch, im 46.Arbeitsjahr, bin ich froh, mit 63 in Rente gehen zu können. Eine Kürzung der Kindergrundsicherung wäre eine Schande. In Wahlkampfreden sind Kinder die Zukunft, wenn es ums Geld geht, sind sie eine Last.
Andreas Löbbers

Im Beitrag werden verschiedene Subventionen, die zur Streichung oder Kürzung in Betracht kommen, dargelegt. Das Dienstwagenprivileg, jenen Geldwerten Vorteil, der bei der Mitbenutzung von Firmenwagen im Privatbereich bzw. für private Fahrten entsteht, erwähnen sie nicht. Dienstwagen fahren aber meist Arbeitnehmer, die eher Besserverdiener sind und es geht auch nicht um Kleinwagen.  DienstwagennutzerInnen brauchen sich nicht um Wartung, Reparatur und Instandhaltung des Wagens zu kümmern, denn das übernimmt die Firma. Da die Regelung den tatsächlichen geldwerten Vorteil nur unzureichend erfasst, nimmt der Staat weniger Steuern und Sozialabgaben ein. Dadurch ist die pauschale Besteuerung eines Dienstwagens faktisch eine Subvention. Hinzu kommt: Je teurer und leistungsstärker das Auto und je höher die private Fahrleistung, umso größer fällt der tatsächliche Vorteil für die Dienstwagenberechtigten aus und entsprechend höher sind die Mindereinnahmen des Staates. Es geht um durchschnittlich 4,4 Mrd. Euro/Jahr. Aber hier geht es um FDP-Klientel und die muss ungeschoren bleiben.
Stefan Kaisers

Wenn man die Staatsschulden ins Verhältnis zum BIP (Bruttoinlandsprodukt) und als Maßstab nimmt – ca. 65% – und im Vergleich zu anderen vergleichbaren Staaten der Welt setzt, kann man sich entspannt zurücklehnen und weiter vernünftige Schulden machen. Das wäre alles legitim. Die Schuldenbremse wäre zu reformieren. Wir sind weit entfernt von einer annähenden Staatspleite, wie z.B. die „vom Wahnsinn und Zerstörungswut bekiffte“ AFD uns normalen Bürgern vormachen möchte. Da seit 1982 mit Kohls Ankündigung der „Superwende“ nicht wesentliches passiert ist bzgl. einer radikalen Steuerreform (bisher immer nur „Reförmchen“ wie in anderen Bereichen), außer dass der Spitzensteuersatz unverschämt von 58 auf 45 Prozent gesenkt wurde, ist es an der Zeit, dies wieder umzukehren. Die Wirtschaft und vor allem deren Kapitalgeber haben seit 1982, spezifischer seit 1990 und vor allem seit 2003 und nach 2007 enorm vom Superstandort Deutschland ungeachtet der „China-Connections“ partizipiert, einen enormen Wohlstandzuwachs erfahren.
Der größte Teil der angeblich 8 Billionen Euro Cash-Vermögen gehört denen. Dann sollten die auch zukünftig gehörig zur Kasse gebeten werden. Technisch gibt es da viele Möglichkeiten, z.B. die Erbschaftssteuern krass anzuheben und die Freibeträge zu senken wie in anderen Bereichen das sinnvoll wäre. Dagegen sollten die unteren bis zu 40 Millionen Bundesbürgern zählenden ärmeren und armen Menschen auf nahezu NULL Steuerlast reduziert werden, die – und das an die Adresse der Steuerzahler gerichtet – nur deshalb keine oder geringe Steuern zahlen, weil sie eben zu Geringstlöhnen arbeiten (müssen). Dabei sind eben auch viele arbeitswillige Rentner, selbst im höheren Alter über 70! Dies gilt zu ändern, denn der Mindestlohn müsste aufgrund des prosperierenden Staates, i.e.S. die Wirtschaft, und des „unerhörten“ Reichtums „Da Oben“ heute bei 20 Euro liegen. Insofern war „Schröders Agenda 2010“ – eine willkommene Steilvorlage für Angela Merkel, sich angenehm zurückzulehnen gekonnt zu haben.
Rainer Rehfeldt


Leserbriefe zu „Psssst!“ von Peter Dausend

Peter Dausend gesteht dem Kanzler zwar zu, dass er von vielen Seiten unter Druck steht und der Grundsatz-Streit in der Ampel noch nicht beigelegt ist, verlangt aber gleichzeitig konkrete Antworten, die Scholz, auch aus Rücksichtnahme auf seine Koalitionspartner, noch gar nicht geben kann. Dass er am Schluss seiner Rede den Bürgern versichert, die derzeitige prekäre Haushaltslage wirke sich nicht auf deren Alltag aus, ist einem verständlichen Zweckoptimismus geschuldet – eine „Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede“ zum jetzigen Zeitpunkt wäre in jeder Hinsicht in einer verunsicherten Gesellschaft kontraproduktiv. Im Übrigen erwarte ich von einem leitenden Zeit-Redakteur verbale Abrüstung, keinen Boulevard-Sound. Scholz als einen „außerhalb der Verfassung stehenden Geldverschieber“ zu titulieren, stellt den Bundeskanzler auf eine Stufe mit skrupellosen autokratischen Herrschern und obskuren Oligarchen – und trägt dazu bei, das Vertrauen in die unter schwierigsten Bedingungen handelnden politisch Verantwortlichen weiter zu untergraben.
Rüdiger Paul

Christian Lindner profiliert sich als sitting duck, Robert Habeck bedankt sich fast schon in weinerlicher Manier bei der Union und ihrem Chef für diesen Schlamassel und Bundeskanzler Olaf Scholz gleicht einem umher wandelnden Kassettenspieler. Die Regierungserklärung war Scholzomat at its best. Am Ende hätte nur noch der Robot Dance gefehlt.
Michael Ayten

Denke ich an Scholz und werte meine Erfahrung als Bürger mit ihm, vermute ich eine Lernschwierigkeit in Verbindung mit einer Entwicklungsstörung. Insbesondere das Führungsverhalten des Kanzlers zeigt eine, der Legasthenie ähnliche Einschränkung seiner organisatorischen Fähigkeiten. Nun waren berühmteste Persönlichkeit wie Einstein an Legasthenie erkrankt. Wenn nun aber auch noch eine gewisse autistische Auffälligkeit beim Kanzler vemutbar ist, weil keinerlei Entwicklungsfähigkeiten sichtbar werden, wird die Frage nach der politischen Führung Deutschlands zur pathologischen Betrachtung. Weil Scholz stetig auf alle Krisen phrasenhaft mit Verweis auf „die Gewohnheit im radikalen Wandel“ reagiert, glaube ich an eine pathologische Allianz von Legasthenie und Autismus an der Spitze Deutschlands. Die zwangsläufige Frage von Peter Dausend, was uns unser Kanzler sagen will, wird er uns nicht sagen können.
Jürgen Dressler

Peter Dausend hätte sich mehr von der Regierungserklärung zur Haushaltskrise versprochen, das ist verständlich und ich frage mich auch, was der Bundeskanzler uns eigentlich sagen wollte. Die Rede war schwammig, konkrete Informationen und Lösungsansätze Fehlanzeige. Die von Peter Dausend ausgewählten Zitate aus dieser Rede sprechen dafür. Es kann schon sein, dass Olaf Scholz mit dem Einstieg zu seiner Erklärung erst einmal versucht hat, sich als Staatsmann von Format darzustellen. Gelungen ist ihm dieses Ablenkungsmanöver allerdings nicht und wenn Olaf Scholz tatsächlich ein so selbstbewusster Besserwisser (gewesen) sein soll, hat er es für mein Empfingen vor der Bevölkerung ganz gut verbergen können.  Als großer Redner hat sich Bundeskanzler Scholz ja noch nie hervorgetan. Seine Wortkargheit war für ihn bisher von Vorteil, wer nicht viel redet, muss nicht mir Widerrede rechnen. „An Ihrem Alltag ändert sich nichts“, sagt der Kanzler. Ob er dieses Versprechen halten kann, wird sich erst noch zeigen müssen.  Allzu große Erwartungen habe ich da nicht mehr.
Regina Stock

Ich nehme einfach mal an, dass Sie der Kanzler-Chronist der ZEIT sind. Ihre Beiträge sind informativ und unterhaltsam. Leider kommen Sie der Sache, dass Olaf Scholz …die Dinge ein bisschen tiefer durchdenkt und ein bisschen schneller versteht… nicht wesentlich näher. Sie verbleiben in einer gewissen journalistischen Distanz. Überrascht hat mich Olaf Scholz als Finanzminister mit dem Globalen Unternehmenssteuergesetz, das dann letztendlich von 130 Regierungen unterzeichnet wurde. Man muss schon sehr selbstbewusst sein so ein Projekt zu beginnen und zu Ende zu führen. Der wirksame Faktor für den Erfolg war das Verlangen der Regierungen nach mehr Geld. Herr Robin Alexander war von der Aussage von Olaf Scholz: Wenn die Leute im August sehen, dass Frau Merkel nicht mehr auf den Plakaten ist, wird die SPD auf 25 % steigen, absolut nicht überzeugt. Olaf Scholz hat gewonnen. Er hat mehrfach darauf hingewiesen, keiner hat zugehört. Olaf Scholz wurde sehr stark für seine zögerlichen Waffenlieferungen gescholten. Vor einiger Zeit hat er gesagt, dass die Taurus-Rakete nicht an die Ukraine geliefert wird. Er hat damit signalisiert: Lieber Wladimir, du bist so schwach, dass die Ukrainer diese Waffe nicht brauchen. Die Schuldenbremse wurde 2009 von CDU und SPD eingeführt, weil man erkannt hat, dass Missbrauch getrieben wird. Es wurden Steuern gesenkt und mit Schulden bezahlt. Die Nutznießer waren die oberen 20 % der Einkommen, sie wurden vom Steuerschuldner zum Gläubiger des Staates. Zur Tarnung hat man soziale Leistungen eingeführt. Mit der Schuldenbremse wollte man ehrenwerterweise diese Missstände beenden. Die Angelsachsen bezeichnen debt brake als Fetisch und „bekloppt“, sie pflegen evtl. einen anderen Umgang mit Schulden als wir.
Unsere Schuldenbremse hat(te) erhebliche Defizite. Sie unterschied nicht zwischen konsumptiven Schulden (Steuersenkungen, Pandemiekosten usw.) und investiven Schulden (funktionierende Eisenbahn, intakte Autobahnen, Digitalisierung, Glasfasernetze, Klimaprävention, Bildung, usw.). All das brauchen wir um die gewaltigen 400 Mrd. € Pandemiekosten zu bezahlen und einen Weg für uns in die Zukunft zu finden. Dies soll wegen der Schuldenbremse nicht möglich sein? In unserer Lokalzeitung steht: Finanzminister Lindner will die Schuldenbremse einhalten.  Für z. B. Kriegskosten der Ukraine könne man den Notstand erklären. Dann wohl auch noch für die Transformationskosten die den Klimawandel betreffen.  Olaf Scholz kann sein Versprechen:  „Für die Bürger wird sich nichts ändern“ einlösen. Er hat gegen den profunden Rat vieler kompetenter Persönlichkeiten sein Ding durchgezogen und das Verfassungsgericht zur Optimierung der Schuldenbremse veranlasst. Er hat hoch gezockt (Tina Hassel) und gewonnen. Wirksamer Faktor war, dass er den Unterschied zwischen konsumptiven und investiven Schulden erkannt und richtig beurteilt hat.
Alois Mieslinger

Scholz bleibt für viele eine Sphinx. Rätselhaft, woher er seine Selbstgewissheit bezieht. Die Halbzeitbilanz in Berlin ist eher durchwachsen. Positiv sicher die Bewältigung der Energiekrise ohne versiegenden Nachschub, freilich kein Kunststück, da Höchstpreise geboten (und Finanzschwächere ausgebotet) wurden. Corona war ein besonderes Lehrstück mit viel Kassandra (Überlastung der Kliniken, die es nie gab) und als Folge drakonische Einschnitte u.a. mit monatelangen unsinnigen Schulschließungen. Allenfalls mediocre. Im Ukrainekonflikt blieb sich Scholz treu als Zauderer. Zu wenig Waffen, zu spät und erst mit Verzögerung die nötigen (u.a. Leopard). Bis heute kein Taurus. Gravierend zudem, die Rüstungsproduktion nicht zeitnah hochgefahren zu haben. Die Ukraine könnte heute weiter sein. Aktuell die Haushaltskrise. Der Buchungstrick war seine Idee unter Merkel. Und auch cum ex ist noch in Lauerstellung. Jakob Augstein hatte einst Angela Merkel die schlechteste Kanzlerin genannt. Olaf Scholz bleiben noch 2 Jahre.
Christoph Schönberger

Die Nichtrede des Kanzlers und die Gegenrede des Oppositionsführers, noch nicht reflektiert, wären besser nicht gehalten worden. Beide wären besser in einer unauffälligeren Aufgabe im Politikbetrieb aufgehoben. Merz sagt, Scholz sei ein Klempner. Klempner sind unverzichtbar. Scholz und Merz auch?
Reinhold Pollet


Leserbriefe zu „Gilt der Satz von der Staatsraison noch?“ Streit von Jürgen Trittin und Paul Ronzheimer, moderiert von Jana Hensel und Stefan Schirmer

Ein palästinensischer Fahrer lobt gegenüber Jürgen Trittin an Deutschland zwei Dinge: Mercedes und Adolf Hitler. Trittin sagt, er habe bei jeder Form von Antisemitismus stets sehr genau hingeschaut, und droht, auszusteigen, falls der Fahrer sein Statement wiederholt. Trittin gibt ihm also generös die Möglichkeit, seinen Judenhass abzulegen oder seinen Spruch zu wiederholen. Ein Fußmarsch in glühender Hitze ist jedenfalls vorerst abgewendet. Der Palästinenser hätte Deutschland dafür loben sollen, dass es politische Charaktere hervorgebracht hat, die angesichts antisemitischer Übergriffe damit drohen, mal ernstlich böse zu werden, oder den muslimischen Antisemitismus klein reden.
Alfons Raith

Ein Vertreter einer der miesesten Dreckschleudern unter den Zeitungen Europas in der ZEIT. Interessant. Mir kam nach dem Lesen die Idee für einen neuen Werbeslogan: Nimm die ZEIT und BILD dir deine Meinung.
Kurt Eimers

Sehr gerne lese ich in der Zeit die „Streit“-Seite. In Nr. 51/2023 ist mir allerdings schon der erste Satz („Als Angela Merkel 2008 als erste …“) aufgestoßen: Angela Merkel war nie „Staatschefin“ (was wohl Staatsoberhaupt heißt) sondern Regierungschefin. Sie war auch nicht die erste ausländische Politikerin, die vor der Knesset sprach. Mir ist z. B. der ägyptische Präsident Sadat in Erinnerung, der 1977 in der Knesset sprach – der war nun tatsächlich „Staatschef“.  Solche Ungenauigkeiten stören mich nicht nur grundsätzlich, sondern besorgen mich auch: Wie ist das bei Themen, bei denen ich die Fakten nicht so parat habe? Ich erwarte da schon Präzision von meiner „Zeit“. Mögen es Einzelfälle sein!
Hubert Nehring-Timm

Nach der Lektüre Ihres Artikels über das von ihnen „moderierte“ (also nicht „geführte“) Gespräch zwischen dem grünen Politiker Trittin (Ihr Framing: „Gallionsfigur linker Flügel“) und dem Vize-Chef der Bild-Zeitung, der mit der Qualifikation „seit vielen Jahren Kriegsreporter derzeit im Nahost“ (auf Augenhöhe des Gegenübers gepumpt) präsentiert wird, sehe ich mich ratlos. Wird doch in keiner Weise die Leitfrage des Artikels beantwortet, geschweige denn überhaupt vertieft, erläutert und hinterfragt: was heißt das denn „Staatsräson“ und für mich als Wähler und Bürger der Bundesrepublik Deutschland? Und woran kann ich/man erkennen, ob der Satz (oder evtl. Nur Slogan ohne Substanz) „gilt“. (???) Stattdessen verzettelt sich das Gespräch im Rechts-/Links-Schema, man schlägt sich einen Aiwanger gegen einen Kunzelmann um die Ohren und verliert sich in gegenseitigen schablonesken Vorwürfen (durch Sie in den Bildunterschriften auch herausgeputzt). War es schon aus meiner Sicht eine Schnapsidee einem gestandenen, gedanklich präzisen Politiker (an den mein Vorwurf geht, sich dieser Nummer überhaupt ausgesetzt zu haben) den Repräsentanten eines populistischen Kampagnenblattes entgegenzustellen, also den Vertretern eines Journalismus, zu dem das journalistische Selbstverständnis der Zeit diametral steht (besser: stehen sollte, in meiner naiven Wunschwelt, zumindest), so fährt Ihre sogenannte Moderation den Kasus endgültig vor die Wand. Wo Sie klären und aufklären sollten, verwirren Sie und geben dem Konzept der Bild-Zeitung damit auch noch Raum in der Zeit. Bisschen viel BILD auf die Dauer, Herr Schirmer! Vielleicht hatten Sie auch nur keine ZEIT für eine bessere Vorbereitung oder einen schlechten Tag und di Lorenzo hat’s eh nicht so interessiert…
Thomas Döring

In einem kürzlich veröffentlichten Artikel wurde Herr Jürgen Trittin in einem Bericht erwähnt, der meiner Einschätzung nach nicht ausreichend respektvoll erscheint. Der Artikel thematisiert eine Auseinandersetzung zwischen dem Politiker Jürgen Trittin, Mitglied der Partei Bündnis 90/Die Grünen, und dem Reporter Paul Ronzheimer von der »Bild«-Zeitung über die Frage, inwieweit Deutschland für die Sicherheit Israels einsteht. Ich möchten darauf hinweisen, dass es respektlos ist, Herrn Trittin als „der Grüne Jürgen Trittin“ anzusprechen. Als Mitglied einer politischen Partei verdient er die Anerkennung seiner Position und die Respektierung seiner Funktion. Ein respektvoller Umgang miteinander ist, insbesondere in der öffentlichen Kommunikation, wichtig..
Vala Hamalainen


Leserbriefe zu „Die Welt steht Kopf“ von Andrea Böhm et al.

Zu dem oben genannten Artikel in der letzten ZEIT stellt sich mir nur eine Frage: Warum redet die ganze Welt und auch die Presse nur über Israel und stellt Israel die Frage, wann endlich mit den Kriegsgräueln Schluss ist? Warum stellt niemand Hamas diese Frage? Zwar wird die Hamas eine Terroristenorganisation genannt, aber verantwortlich gemacht wird sie nicht für den Verlauf des Krieges. Dabei hätten sie es doch in der Hand, den Krieg zu beenden und damit ihr Land und ihre Landsleute zu schonen. Sie müssen nur aufgeben und die Geiseln freilassen.  Ich verstehe nicht, warum das keiner fordert.
Adelheid Becker

Ein Artikel, der schon lange fällig ist. Gut geschrieben. Wir haben uns als „westliche Demokraten“ die Jahre nach dem Krieg nun wirklich nicht wirklich demokratisch verhalten, besonders die USA nicht. Wenn man Sich heute die Demokratien ansieht, dann haben sie verdammt wenig Den Trends entgegenzusetzen, den sie beschrieben haben. Einfach nur Arrogant nutzt eben nichts, so wie wir es bisher gemacht haben. Ganz Besonders gehören dazu die Äußerungen unserer jetzigen Außenministerin, die die Welt mit ihren eigenen (die von Frau Baerbock) dirigieren und retten will. Das ist mit Sicherheit der falsche Weg.
Manfred Mengewein

In Gaza werden „Tausende Frauen und Kinder getötet“? Hat da jemand die rechtstaatliche Demokratie Israel, die sich bei der Bekämpfung des Hamas-Faschismus überflüssigerweise (natürlich auch, weil die USA Druck ausüben) um die Einhaltung des Völkerrechts bemüht, mit dem Terrorstaat Iran, dem Völker- und Menschenrecht schnuppe ist, der Frauen totschlägt, weil sie kein Kopftuch tragen und der in den 80ern Kinder massenweise in den Krieg und den sicheren Tod, äh, sorry, als „Märtyrer“ ins „Paradies“, geschickt hat, verwechselt? Netanjahu beruft sich auf die Bibel? Ist er neuerdings zum Christentum konvertiert? Zumindest ist das sehr unglücklich formuliert.
Thomas Manthey

Leider Gottes bin ich auch zu dem Schluss gekommen, dass es oberste Priorität haben sollte, die Hamas-Terroristen auszuschalten. Der Krieg darf so lange nicht durch einen Waffenstillstand unterbrochen werden, bis jeder einzelne dieser Terroristen entweder dingfest oder eliminiert wurde. Natürlich ist die hohe Zahl an Kollateralschäden schlimm, allerdings befindet sich Israel aber auch in einem Krieg. In einem Krieg, den nicht Israel, sondern die Terroristen von der Hamas am 7. Oktober vom Zaun gebrochen haben, als sie sich dazu entschieden hatten, gezielt und proaktiv wahllos Zivilisten abzuknallen, die Frauen zu schänden und sie überdies noch zu verschleppen. Auf Videoaufnahmen ist zu sehen, wie sich diesem Pogrom sogar viele palästinensische Zivilisten anschlossen. Wenn ich ganz ehrlich und aufrichtig sprechen darf, dann fällt es mir einfach schwer, Empathie für die Palästinenser zu empfinden. Einfach aus dem Grund, weil offenbar viele von ihnen insgeheim mit der Hamas sympathisieren. Auch weil allem Anschein nach sehr viele nicht bereit sind, sich von der Terrororganisation zu distanzieren. Ich mein‘, wir wissen doch, welche Freudentänze hier lebende Palästinenser aufführten, als ihre sogenannten Freiheitskämpfer in jüdische Kibbuze eindrangen und Israelis mordeten, ohne dabei mit der Wimper zu zucken. Oder aber der Blick auf die Straßen unserer Welt, wo propalästinensische Mobs Menschen einschüchtern und angehen, gängeln und bedrohen, nur weil diese bei Starbucks arbeiten. Auf den Straßen zeigt sich vor allem auch die verrohte und unzivilisierte Seite dieser Anhänger.
Zurück nach Nahost. Als Julius Caesar damals Krieg gegen Gallien führte, ließ er sich von den gallischen Stammesführern regelmäßig Geiseln stellen, damit die Römer immer etwas in der Hand hätten, sollten die Gallier wieder auf die Idee kommen, aufzubegehren. Eine Art Versicherung, wenn man so möchte. So ähnlich verhält es sich zwischen Israel und den Palästinensern. Ich kann diesen Umstand darum sehr gut nachvollziehen, dass Israel derzeit noch viele Palästinenser in Gefängnissen hält und auch die alttestamentarische Härte, mit der die israelische Armee gegen die Terroristen im Gaza vorgeht, indem sie bspw. bunkerbrechende Bomben zum Einsatz bringt. Als Julius Caesar Gallien erobert und unterworfen hatte, waren seinem Feldzug Hunderttausende von Menschen zum Opfer gefallen. Aus dem antiken Gallien ist heute eines der fortschrittlichsten und zivilisiertesten Länder der Erde herangedeiht, die große Nation Frankreich. Wir sollten der Realität ins Auge blicken. Der Mensch führte schon immer Kriege, tut es bis heute und wird auch in Zukunft nicht davon ablassen. Der Krieg ist Bestandteil seiner DNA. Der Mensch ist eine kriegerische Spezies. Mit Islamisten kann man nicht verhandeln. Islamisten kennen nur die Sprache der Gewalt. Diese sollen sie bekommen.
Michael Ayten

«Der Konflikt zwischen Israel und der Hamas spaltet die Staatengemeinschaft. In einen kleinen alten Westen und einen grossen Rest». Der Westen in demnach in einer schwierigen Position. Doch die hat er selbst verschuldet. Denn er hat eine Aufgabe übernommen, die nicht lösbar ist. Der Westen kann die demographischen Probleme der Palästinenser und andrer Länder des globalen Südens nicht lösen und er ist auch nicht dafür verantwortlich. Er ist auch nicht verantwortlich für die Folgen dieses Problems: politische Instabilität und massives Beitragen zum Klimawandel. Wenn die tropischen Urwälder gerodet und die Weiden des Sahels überweidet werden und wenn die wachsenden Städte im Süden immer mehr Natur vernichten, dann ist die Ursache die wachsende lokale Überbevölkerung. Es ist nicht richtig, dass die Ursache der Überbevölkerung die Armut ist und dass dafür der Westen verantwortlich ist. Besonders auch die lokalen Eliten tragen zur Überbevölkerung und zum Klimawandel bei. Zum Beispiel: Der Vater von Bin Laden, ein wohlhabender Bauunternehmer, hatte 22 Frauen und 56 Kinder. Ein anderes Beispiel: Am 26. Juni 2019 berichteten Zeitungen, dass ein Bauer aus Tansania nach dem Fund von zwei Tansanit-Steinen zum Millionär wurde. Er hat 30 Kinder und 4 Ehefrauen und besitzt 2000 Kühe.
Egal ob die Menschheit auf dem Kopf steht oder nicht, sie hat eine gemeinsame Aufgabe. Die Verantwortung für diese Aufgabe muss zur Zusammenarbeit führen. Es gilt eine zielführende Antwort zu finden auf die Frage: Wie kommt die Menschheit aus dem Schlamassel, dem Resultat von exponentiellem Wachstum von Kopfzahl und Konsum. Fürs gute Fortbestehen ist eine sanfte Landung aus diesem Wachstum nötig. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der Westen darlegen, dass die sanfte Landung nur gelingen kann, wenn alle Beteiligten ihren Teil an Verantwortung übernehmen. Schuldzuweisungen bringen nichts. Im Übrigen ist das Zuweisen historischer Schuld an den Westen unberechtigt. Ein wesentlicher Grund für seinen relativen Wohlstand ist, dass der Westen sein demographisches Problem löste, auch weil er es lösen musste. Es gab keine Hilfe von aussen. Er war gezwungen das Bevölkerungswachstum an die vorhandenen Ressourcen anzupassen. Ein Mittel waren Klöster, ein anderes das Erbrecht: Ein Sohn erbte den Hof, die Geschwister wurden Dienstboten und konnten keine Familie gründen. Ein weiterer Grund für den Wohlstand des Westens ist das durch den Fortschritt geförderte Prinzip «Tue Winder takes it All». Beim Gemüseanbau ist dieses Prinzip kaum wirksam. Hingegen beim Entwickeln von zwei vergleichbaren IT-Produkten oder Medikamenten kann meist nur eines rentieren, das andre floppt. Ein ähnliches Prinzip trägt auch bei zum Wohlstandsgefälle zwischen Staaten, was Leistungstransfer rechtfertigt.
Auch der Leistungstransfer nach Palästina ist unter diesem Gesichtswinkel zu sehen. Doch der Westen hat die Pflicht festzuhalten, dass dieser Leistungstransfer nicht beliebig mit einer exponentiell anwachsenden Bevölkerung anwachsen kann. Es geht nicht ohne die demographische Verantwortung des Empfängerlandes. Dass diese Verantwortung nicht übernommen wurde, führte zu hoher Jugendarbeitslosigkeit. Mangels der üblichen Perspektiven, wie sie im Westen vorhanden sind, werden im Gazastreifen Perspektiven gesucht, die der Raketen- und Tunnelbau und hohe Geburtenraten liefern. Doch eine gute Zukunft im Nahen Osten kann nicht durch demographisches Wettrüsten erreicht werden. Das Existenzrecht Israels ist übrigens auch als Folge eines Bevölkerunsaustausches zu sehen. Die Zahlen der Aus- und Einwanderer (bzw. Vertriebenen) sind in vergleichbarer Grössenordnung.
Gernot Gwehenberger


Leserbriefe zu „Die Machtprobe“ von Heinrich Wefing

Honecker: „Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf!“  Sozialismus gehört zur DNA der BRD. Freiheit und Marktwirtschaft hingegen sind ungeliebte Fremdkörper westlicher Siegermächte, die nach und nach aus dem „gesunden, (t)eutschen Volkskörper ausgeschieden werden. Zwei Gegner nur hat der Sozialismus in diesem Land. Eine Marktwirtschaft, die Wohlstand sichert und ein Grundgesetz und seine Richter. Jahrzehnte langer roter und grüner Ansturm (plus Merkel) haben beide Gegner mürbe gemacht.  Mit der „Transformation“ wird man die Wirtschaft endgültig an die Staatskette legen oder vertreiben. Und die Machtprobe um die Schuldenbremse wird die Ohnmacht von Grundgesetz und Richtern erweisen.  Schleichend erst verschwinden Freiheit und Wohlstand, diese Bälger von Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Dann sind wir wieder ganz bei uns, lieber gleich arm als unterschiedlich reich. Aber wir nennen es diesmal nicht Sozialismus, sondern Fortschritt.
Fred Klemm

Das BVerfG sieht sich mitunter der Kritik ausgesetzt, sein Mandat zu überdehnen und sich zum „Ersatzgesetzgeber“ zu machen. Nun eröffnet die juristische Deutung gerade von allgemein gefassten Verfassungsartikeln weite Interpretationsräume. Delikat wird es, wenn die Auslegung zu völlig neuen Inhalten führt. ZB der aus dem Volkszählungsurteil 1983 hervorgegangene Datenschutz, der mit dem Freiheitsbegriff des Art. 2 GG begründet wird und den viele inzwischen als Gängelung und Fesselung empfinden. Restriktive Überwachungsmodalitäten im Strafrecht führen ungewollt zu einer Art Täterschutz, so die Kritik.  Keine Silbe dazu im GG, das war quasi freihändige juristische Rechtsfortbildung. Auch die aus Art. 5 abgeleitete Bestandsgarantie für die ör Sendeanstalten geht weit über die nötige Grundversorgung hinaus und ist bei einem Budget von 9 Mrd. unverständlich. Anders die jetzige Bewertung der Schuldenbremse. Hier hat das Gericht den Bogen nicht überspannt, sondern nur die nötigen Leitplanken benannt.
Christoph Schönberger

Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts, durch das die Nichtigkeit des Nachtragshaushalts 2021 festgestellt wurde, ist zu sagen, dass das Verfassungsgericht die Nichtigkeit festgestellt hat. D. h., dass der Nachtragshaushalt von Anbeginn an rechtswidrig ist. Damit stehen die Mittel von Beginn an nicht zur Verfügung. Damit greift das Verfassungsgericht massiv in den Haushalt ein, indem es der Regierung 60 Milliarden Euro entzieht. Derart hat das Bundesverfassungsgericht zuletzt durch seine Entscheidung vom 17.01.1957 – 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, 55-84 – in den Bundeshaushalt eingegriffen, als es durch das Urteil die Ehegattenbesteuerung für nichtig erklärte und auch dadurch der Regierung Milliarden an Steuereinnahmen entzog. Dieses Urteil fehlte in der Vergleichsbetrachtung des Artikels.
Christoph Meißner

Ich bin der Meinung, ein Gericht, welches die Schuldenbremse verteidigen möchte, muss der Regierung genügend Spielraum lassen das auch zu tun. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts zwingt die Regierung jedoch neue Schulden aufzunehmen. Außerdem sollte ein Bundesverfassungsgericht dem haushaltspolitisch destruktiven Verhalten der Opposition einen Riegel vorschieben.
Martin Krivacek


Leserbriefe zu „NEIIIIIN!“ von div. Autorinnen und Autoren

Ich bin entsetzt über die Bedenkenlosigkeit, mit der im ZEIT-Magazin seitenweise Fotos von verzweifelt und hilflos weinenden Kleinkindern zum Amüsement der Leser veröffentlicht wurden! Ich bezweifle, dass die zuständigen Redakteure diese öffentliche Bloßstellung ungefragt auch selbst erleben möchten! Verärgert bin ich, wenn in Medien, so auch von Herrn Schieritz, beim aktuellen Thema „Haushaltsdebatte“ immer nur von Einsparmöglichkeiten bei den „Renten“, nie aber von der Finanzbelastung durch die unverhältnismäßig hohen Beamten-Pensionen geschrieben/gesprochen wird. Es bleibt mir ein Rätsel, warum diese sozial völlig unverträgliche „Heilige Kuh“ nicht von Medien, nicht-verbeamteten Juristen oder von Gewerkschaften thematisiert und skandalisiert wird, wäre diese hanebüchene Ungleichheit der Altersbezüge von Rentnern und Beamten doch ein Wähler-wirksames Wahlkampf-Thema erster Güte.
Beate Reissberg

Das wohl meistgehörte Wort der Kleinen in ihrem zweijährigen Dasein hier auf Erden; …so haben die Schreiber es nicht gemeint, nein – schade. Oder ein Artikel in leicht verständiger Sprache, vielleicht ein Comic mit bösen Bildern. Alles, was folgt und durch Fotos belegt, sind auf jeden Fall Äußerungen von Erwachsen, nicht von den Kindern direkt. Daraus ergibt sich ein Vorteil. Wir Erwachsene reden viel über andere und doch zur gleichen Zeit mit eben denselben Worten auch viel über uns, besser – wir geben auch viel von uns preis. Schon auf der ersten Seite wird 5–7-mal deutlich, da hatten die Bezugspersonen dieses Moments keine Zeit oder nicht so viel, wie die „Lieblinge“ es haben möchte. Fast hätte ich „wollte“ geschrieben, das durfte man früher schon gar nicht. Erst später dann – „hast Du etwa keinen eigenen Willen“. Nehmen wir die Banane: Kind im Kinderstuhl… schon verstanden, da wollen sie erst gar nicht hinein. Dann eben auf dem Teppich. Kind will etwas essen, es bekommt eine Banane und beißt hinein oder versucht sie abzupellen oder legt sie weg oder, oder… Kind sitzt hinter Teller und bekommt eine Banane zusammen mit einem Kindermesser. Drei Kilo Kastanien? Dies ist das Gewicht von drei Literpackungen Milch!!! 1 Stunde Baustelle? Schon nach 10 min kommt es einem vor wie 1 Stunde. Nur welche Aufmerksamkeit und Lerndauer. Zu bewundern. Der Briefschlitz mit den Fingern? Das zeigt das Superkind. Mit zwei Jahren einen Erwachsenen dazu zu bringen, zur Begrüßung die Finger.
Es gibt nichts Spannenderes, als ganz kleinen Kindern (ich habe drei) beim Lernen zuzuschauen und… sie lernen viel. Noch. Liebe, Liebe und noch einmal Liebe. Dazu gehört viel Zeit, bei uns Erwachsenen doch auch. Regeln kommen später, um ein gemeinsames Leben führen zu können. Dazu braucht es dann Sprache. Zweijährige Kinder wollen uns mit ihren Handlungen nicht provozieren, ärgern oder gar unsere Autorität untergraben. Sie wissen davon nichts. Wir dagegen? Wer zuerst sich im Spiegel genau betrachtet bis zu den letzten Gefühlswinkeln, kann dann Elternsein leichter bewältigen. Im Kindergarten oder anderen Formen von Kindergruppen gibt es in der Regel ausgebildete Fachkräfte und schon höre ich das andere so oft gebrauchte Wort ABER. Von der Geburt bis zum Schulanfang zuhause? Fachkräftemangel! So ein Verdacht könnte durch die Wort- und Bildbeiträge des Artikels entstehen. Es gibt genug Literatur zu Forschungsergebnissen, wie kompetent Säuglinge schon sein können. Der notwendige Blickkontakt mit den Eltern wird auch einmal vom Säugling selbst unterbrochen, indem der Kopf ganz auf die Seite gedreht wird. Das erste Nein! Wird es erlaubt oder der Kopf zurückgedreht? „Oma will doch auch Dein Lächeln bewundern“. Im nächsten Magazin wäre ein Artikel mit Fotos von entsprechenden Forschungssituationen wunderbar. Vielleicht auch Links zu Videoaufnahmen z.B. zum Thema Trennung von engen Bezugspersonen und deren Folgen (für beide Seiten).
Hannes Bartels

Den Begriff „toxisch“ in höchster Steigerung für zweijährige Kinder in für sie und ihre Eltern besonders herausfordernden Situationen zu verwenden, und das auch noch als lustig zu bezeichnen – mir verschlägt es die Sprache. Damit finde ich ganz und gar keinen inneren Frieden!
Ulrike Fetköter

Ich bin entsetzt über die abartigen Zur-Schau-Stellungen trotzender Zweijähriger. Den Verfassern fehlt jegliches Verständnis für diese Entwicklungsphase und ein Mindestmaß an Empathie. Natürlich ist das anstrengend. Aber Sie stellen hier Kinder in der Öffentlichkeit bloß.
Heike Nicolaus


 

Leserbriefe zu „Der nackte Kanzler“ von Petra Pinzler

Vom einem „Fest der „Klima-Schickeria“ schreibt da der Autor Axel Bojanowski jetzt in der „Welt“ über dieses UN-Urlaubs-Klimatreffen in Dubai. 70.000 meist reiche und superreiche Teilnehmer sind stellenweise mit ihren Privatjets angereist, um uns zu zeigen, wie man es eigentlich nicht machen sollte, aber was soll, denn der größere Teil der Weltbevölkerung, der dürfte sowieso keinen Privatjet sein Eigen nennen! Was werden dort im fernen Dubai, wohl die Teilnehmer aus der Klima-Schickeria wieder alles so ausbaldowern? Der nackte Kanzler Olaf Scholz und all die Herrschaften aus Ampel und Co., die schleimen sich gleich mit einem hohen Millionenbetrag so richtig ein, genau, das ist wieder Geld aus Steuermitteln, das unbedingt und einfach so zum Fenster rausgeschmissen werden muss, obwohl man gar nicht so richtig sieht, wer diese Scheinchen auflesen wird. Aber auch schon egal, am Schluss wird wieder alles suppi sein, schön war´s gewesen, aber wo bitte findet der nächste Treff der Klima-Schickeria statt?
Klaus P. Jaworek

Zum Kommentar“, …dass Klimaschutz erst mal etwas kosten wird, und zwar jeden Einzelnen. Das ist an sich auch in Ordnung – solange die Kosten fair verteilt werden.“ Aber „fair“ wird es nicht geben. Es ist bezeichnend, dass die Enthüllungen von SZ, dem Guardian und anderen über den übermäßigen Anteil der Superreichen an der CO²-Verschmutzung überhaupt keine Debatte über eine sozial gerechte und faire Verteilung der Kosten ausgelöst hat. Das war eine Eintagsfliege. Aber im Zuge des Haushaltslochs wird sofort und anhaltend über Kürzungen im Sozialbereich debattiert. Solange nach unten getreten wird und dies politisch, gesellschaftlich und medial gewollt ist, wird es keine faire Verteilung der Kosten des Klimawandels geben.
W. Michel

Vielen Dank für Ihren Kommentar, der mir aus der Seele sprach. Es gibt mir Hoffnung, meine Meinung prominent in einem Leitmedium zu sehen. Denn: einige Zeit hatte ich mein Abonnement ruhen lassen und die Arbeit Ihrer Kollegen lediglich über die Podcasts — insbesondere Sogenannte Gegenwart und Ok, America?! — genossen. Ihr Kommentar gibt mir Anlass, mich für Ihre Arbeit (stellvertretend für die gesamte Redaktion) zu bedanken, über die Erneuerung meines Abonnements hinaus.
Hendrik Scheider

Vielen Dank für die beiden Artikel.  Sie haben total Recht mit dem nackten Kanzler und der impliziten Kritik an dem Glauben und den Versprechen, dass die Energie- und Klima-Wende für fast alle Bürger ganz bequem, fast kostenlos und auch ohne sonstige Einschränkungen oder Minderung von „Freiheiten“ (wie Rasen auf Autobahnen, fliegen, Fleischberge essen etc.) — und das alles durch das Verdienst der Verkünder dieser Botschaften — kommen wird.  Damit ist allerdings nicht nur der Kanzler nackt, sondern alle einschließlich vieler Grüner, die ähnliche Botschaften vor allem im Wahlkampf verkündet haben. Ja, manche glauben noch viel mehr an die Wunder von „neuen“ Technologien oder Innovationen, die auch noch ohne mehr Steuern oder Kosten (für die Gegenwart) finanziert werden sollen.  Und genau so nackt sind diejenigen, die das alles von einem „guten“ oder „besseren“ Kanzler erwarten oder verlangen, wenn sie selbst denn den Beweis für die Machbarkeit dieses Verlangens oder Erwartens antreten müssten.  Und da diese immer noch — nicht in Lippenbekenntnissen, aber in Wahl- und sonstigem Verhalten — eine Mehrheit darstellen, ist im Grunde Deutschland als ganzes nackt wie auch die allermeisten anderen Länder.
Dazu passt der Befund Ihres anderen Artikels auf S. 33 „Das Öl ist zurück. Was jetzt?“, in dem der riesige aktuelle Rückfall oder eher Verschlimmerungsfall des globalen Fossil-Energieverhaltens geschildert wird.  Der Glaube vieler, dass die fossile Investitionswette gewinnen wird, könnte sogar eine sich selbst erfüllende Prophezeiung werden:  die drohende Not von riesigen „stranded assets“ mit evtl. Insolvenzen der Riesen-Unternehmen  könnte viele Staaten zusätzlich unter Druck setzen,  die eigentlich notfallmäßig dringende Energiewende noch weiter aufzuschieben,  zumal etliche Staaten  sich und teils ihren Luxus und Kriege und Terrorismus weitgehend mit Gas- und Öl-Einnahmen finanzieren  und von diesem Wirtschafts- und Macht-Doping  quasi süchtig geworden sind.  Ersatz- oder Hilfe-Zahlungen an ärmere unter diesen fossil finanzierten Staaten werden auch fast vollständig von den anderen offen abgelehnt oder unterschwellig  vernachlässigt oder ausgehungert.  Dazu kommt dann noch der Druck von immer größerem Energie- und Nahrungs- und Futtermittel- und Flächen- Hunger infolge regional immer noch schnell wachsender Bevölkerungen, die zudem ein „Recht“ auf die gleichen Standards wie bisher im globalen Norden und den Öl-Staaten beanspruchen.
Dieses ganze Darstellen und Finanzieren von Annehmlichkeiten, Wohlstand, Macht, Bequemlichkeiten, Bevölkerungswachstum bis hin zu Angriffskriegen trotz der bekannten langfristigen Risiken bzw. fast sicheren katastrophalen Folgen entspricht mehr und mehr einem Suchtverhalten  mit den Energielieferanten als Dealern und oft mit süchtigen.  Dieser Suchtvergleich wurde in den letzten Jahren schon von einer Ärzte-Organisation formuliert  und ich habe ihn gerade vor Tagen durch Lektüre eines Artikels über Sportwetten-Sucht incl. 9 Sucht-Kriterien in meiner Tageszeitung bestätigt gesehen — ohne dass diese Zeitung diesen Schluss konstatiert hätte:  die frappierenden Parallelen betreffen die „Notwendigkeit“ oder den Druck zu immer weiteren Mengensteigerungen,  immer größeren Risiken, (Angst vor) Entzugs-Symptome, „wiederholte erfolglose Versuche“  das Verhalten einzuschränken oder aufzugeben incl. Rückfällen,  auch um schon eingetretene Verluste oder Schäden zu reparieren oder kompensieren,  Selbst- und Fremd-Betrug incl. Ausreden und Illusionen, und schließlich Versuche oder Hoffnung des Ausnutzens anderer oder Abwälzen der Schadens- und Notlagen-kosten auf diese.
Ein ganz wesentlicher Unterschied zwischen Süchten einerseits und fossilem Leben andererseits, ist, dass bei Süchten die Familie und Kinder zwar auch zu leiden haben, am meisten aber — auf Dauer — der süchtige.  Bei fossiler Energie ist es genau umgekehrt:  Gerade ältere „Täter“ oder  „süchtige“  erleben nur noch sehr wenig von den Folgen,  deren eindeutige Hauptlast die Kinder und Enkel in deren Zukunft trifft,  die eigenen oder die anderer.  Da viele eigentlich ihre Kinder lieben, braucht es dennoch einer Menge an süchtigen Illusionen, Verdrängungen, Ausreden und Wunschdenken, um das Verhalten dennoch beharrlich fortzusetzen.    Ein Weg heraus aus diesem Teufelskreis führt bei süchtigen leider oft erst durch dramatische Situationen  am Tiefstpunkt eines Lebensweges, manchmal auch durch Zwang nach einer Straftat.   Ein solches „Ganz-Unten-Sein“ wäre bei fossilen Emissionen leider höchstwahrscheinlich zu spät, zumindest für Millionen bis Milliarden Menschen,  weil bis dahin die berüchtigten  Kippunkte zu den selbstverstärkenden Prozessen  irreversibel überschritten sind.  das macht den „Kampf“ durch Aufklärung, Motivierung und Forderungen gegen die Fossil-Sucht geradezu zu einem Verzweiflungs-Kampf wie der heldenhafte letzte einer Soldatentruppe  auf verlorenem Posten.   Ich selbst sehe nach einigen Enttäuschungen auch durch einige eigentlich intelligente und verantwortungsvolle Menschen im persönlichen Umfeld  nur noch einige Promille Chancen für einen noch rechtzeitigen  ausreichenden Erfolg  solcher Bemühungen.  Ich „kämpfe“ aber dennoch (natürlich mit friedlichen Mitteln, auch ohne die der „Letzten Generation“) weiter,  weil es eben um so viel geht.   Idealer Weise hilft dabei auch  dieser Vergleich  der fossilen Gewohnheiten mit  Sucht-  und sonstigem zwanghaften Verhalten  ein bisschen weiter.
Peter Selmke


 

Leserbriefe zu „Der hässliche Öko-Star“ von Sophie Neukam

In meiner Kinderzeit gab es immer am Heiligabend gebackenes Karpfenfilet mit Kartoffelsalat zu essen. Gekauft haben wir den Karpfen vorher beim ambulanten Fischhändler, der in diesen Zeiten (so um 1960) zu bestimmten Zeiten in der Nähe unserer Wohnung seine lebendigen Fische feilgeboten hat. Mit meinem Vater suchten wir ein lebendiges, zappelndes Exemplar aus und nahmen den Fisch in einem Behälter mit Wasser gefüllt, mit nach Hause und dieser durfte in unsere Alu-Badewanne noch ein paar Runden schwimmen, denn sein Ende kam mit jeder Runde, die er schwamm, näher und näher. Abends, vor der weihnachtlichen Bescherung, da brutzelten einige panierten Teile des Karpfens in der Pfanne und schon bald sollten diese genüsslich verzehrt werden. Da so ein Karpfenfisch mit sehr vielen Gräten ausgestattet ist, da habe ich lieber zwei grätenfreie Wiener Würstchen mit Kartoffelsalat gegessen. Das mit den vielen Gräten, das war nicht so unbedingt mein Ding und außerdem hatte ich schon ein gewisses Verhältnis zum lebendigen Fisch entwickelt, als er noch munter und nichts ahnend von seinem frühen Ende, die Runden in der Alu-Wanne gezogen hatte.
Jahre später habe ich ab und zu mal einen kleinen halben Karpfen, den ich natürlich nicht als lebendiges Tier gekannt habe, in einer fränkischen Gastwirtschaft gegessen. In den 70iger Jahren, da kostete so ein kleiner gebackener halber Karpfen mit einem üppigen Salatteller, so um die 5.00 DM; lang, lang ist das her. Seit fast 25 Jahren ernähre ich mich nur noch vegetarisch, Tiere stehen nicht mehr auf meinen Speiseplan. Meine Partnerin, die isst in den Monaten mit „r“, nur da steht der Karpfen in Franken auf dem Speiseplan (zeitlich sind das die Monate von September bis April), hie und da mal einen halben Karpfen, natürlich immer mit einem üppigen Salatteller dazu!
Klaus P. Jaworek

Den Karpfen genießbar zu machen, ist eigentlich relativ einfach. Nach dem Abfischen wird der Karpfen eine Zeit (wie lange weiß ich nicht) in Bassins mit klarem Wasser gehalten. Er frisst in Gefangenschaft nicht mehr und verliert dann seinen moorigen Geschmack. Diese Methode kennen ich aus mehreren Gegenden in Deutschland. Der Karpfen wird sozusagen „klargespült“. Bei uns zu Hause galt der Spruch: Karpfen nicht vor Weihnachten essen.
Marianne Foersch

Auch im südlichen Elsass, im Sundgau, gibt es eine lange Karpfen Tradition. Das typische Gericht ist der Carpe Frite, kleine Stücke, paniert und ausgebacken, empfehlenswert.
Peter Pielmeier

Halb entsetzt halb belustigt lässt mich der Artikel zurück. Auf jeden Fall bleibt eines: Ganz viel Ratlosigkeit mit Tendenz zur Verzweiflung: „… weshalb der CO2-Fußabdruck eines Karpfens aktuell unklar ist.“ Und das, wo ich gerade eine Mandarine essen wollte. Lasse ic h dann besser – wenn schon der Karpfen für die Atmosphäre nicht sicher ist… Aber wahrscheinlich oder hoffentlich war der Artikel ganz viel Satire. Klar muss ja so sein. Er hat ja Flossen – also nichts zum Messen für einen Fußabdruck. Liebe Zeitredaktion bitte nicht!
Stephan Karrenbrock


 

Leserbriefe zu „Sollte man die Schuldenbremse lockern?“ Streitgespräch zwischen Veronika Grimm und Michael Hüther, moderiert von Mark Schieritz und Roman Pletter

Für konservative Wirtschaftswissenschaftler ist die Schuldenbremse mittlerweile das, was der Atomausstieg für die Grünen ist: ein Dogma, und jeder, der es infrage stellt, wird exkommuniziert.
Peter Pielmeier

Zum Interview habe ich eigentlich vieles schon in meiner letzten Leser-Mail vom 25.11.23 geschrieben. Weitere wichtige Argumente bringt Frau Grimm bereits vor, der ich praktisch überall, teils sehr stark zustimme.  Ggf. noch besser hätte einiges Herr Lars Feld sagen können, der in der letzten Talk-Show von Maybrit Illner zu Wort kam.  Dagegen möchte ich einigen Äußerungen von Herrn Hüther widersprechen: Nein, die in einem Jahr bewilligten Kredite müssen nicht in jedem Fall im selben Jahr ausgegeben werden, allerdings müssen sie danach neu begründet werden. Ob wir die großen staatlichen und schuldenbasierten Investitionsprojekte zum Umbau der Wirtschaft und Infrastruktur zur Klimaneutralität — unbedingt — brauchen, das kommt wie so vieles drauf an:  Darauf,  ob man keine Steuererhöhungen will oder machen kann,  ob man den Menschen der Gegenwart irgendwelche  Anstrengungen, Mehrkosten, „Verzichte“ etc. „zumuten“ kann oder will,  und darauf, ob man diese stattdessen den Menschen der Zukunft umso mehr zumuten will in Form von dann kommenden höheren Steuern, Kürzungen, Inflation etc. etc. Das ist nicht nur eine rechtliche, sondern grundlegend ethische Frage. Mein Credo: Die Summe aller von uns hinterlassenen Belastungen durch Verschlechterungen von Infrastruktur, Klima, Schuldenstand etc. darf nicht größer sein als die Summe der Belastungen, die wir uns damit ersparen. Erstaunlich ist, wie selten diese Summe auch nur versucht wird zu betrachten, sei es bei uns wie vor allem für unsere Nachkommen.  Die meisten scheinen nur zu einer Art Tunnelblick fähig zu sein: die einen sehen nur deren Belastungen durch — noch größere — Schulden, die anderen — fast — nur die durch Mängel an  Ausgaben und damit Vernachlässigung von Infrastruktur und Klima.
Die Investitionsklausel  zur Rechtfertigung von Schulden war vor der Schuldenbremse schon lange in Kraft, und hat die damalige permanente Vermehrung der Schulden bis zur drohenden  Handlungsunfähigkeit durch Zinsen  und drohendem Schneeball-System durch Tilgung mit immer neuen Schulden nicht verhindert. Ich kenne keinen, der Industriepolitik grundsätzlich für „Teufelszeug“ erklären würde, oder „in Ohnmacht“ fällt bei der gegenwärtigen Schuldenquote von 66 %. Das sind eher unsachliche polemische Äußerungen, um Gegner seiner Meinung lächerlich zu machen.  Aber nicht ohne Grund hieß es schon bei den Römern „wehret den Anfängen“.  Und über die sind wir schon lange hinaus.   Sein auch von vielen anderen kommende Verweis auf normale oder unnormal Zeiten und Umstände oder Krisen bedeutet de fakto einen Blanko-Scheck für immer neue Kredite, denn wir leben, teils schon als Folge vergangener Fehler in einer Zeit der einander folgenden oder lange nicht aufhörenden Mehrfachkrisen, deren Ende nicht abzusehen ist angesichts ihrer oft lange fortdauernden Ursachen. Damit ist dieser Verweis eine faule Ausrede, um egal, was die Folgen, den jetzigen Wählern und Klientels jegliche Belastungen und Reduktionen von gewohnten Besitzständen teils verschwenderischer oder luxuriöser Natur zu ersparen.  Zum inflationären und oft irreführenden Gebrauch des Begriffs Investition haben andere und ich schon genug geschrieben.  Gleiches gilt für den Begriff der „Zeitgemäßheit“, der vorgaukelt, die Argumente für die Schuldenbremse seien eine Art Zeitgeist oder Mode und nicht grundsätzlicher Natur wie die Mathematik oder Naturgesetze, die sich auch nicht ändern, wenn die Zeiten ihre Anwendung unbequemer machen.
Im Zusammenhang mit der COP 28 wird besonders gern wieder die angeblich Alternative „Verzicht auf Klimaschutz oder Verzicht auf Schuldenbremse“ vorgetragen. Auch beim Klimaschutz beobachte ich immer wieder, dass bei fast allen Maßnahmen dazu nicht auf dessen Dringlichkeit und Bedeutung zur Abwendung einer Weltkatastrophe, zur Entschärfung einer quasi Mega-Zeitbombe geachtet wird, sondern der Fokus fast nur auf die Nebenwirkungen, Risiken und Nachteile der gegenwärtigen „Medizin“ dagegen liegt, wie in einer Art Tunnelblick. Die Angst vor fast allen Klimaschutzmaßnahmen, ihren Kosten, Anstrengungen, Unbequemlichkeiten und ggf. Einschränkung von „Freiheiten“ ist fast immer größer als die Angst vor dem Zu-Spät-Kommen des Klimaschutzes, wenn in einigen Jahren die 1,5 Grad und bald danach die unheilvollen Kippunkte überschritten werden.    Dementsprechend wird de fakto eine perfekte Klimaschutzpolitik verlangt, die es „den Menschen ganz leicht macht“, keine nennenswerten Kosten für die Gegenwart macht, niemanden benachteiligt, niemanden einschränkt bei gewohntem Vergnügen, Bequemlichkeiten und „Freiheiten“.      Natürlich hat die Regierung Fehler gemacht.  Aber:  der allergrößte Fehler und die allergrößte Schuld gegenüber unseren Kindern und Enkeln wäre es, die genannte Mega-Zeitbombe Klimaerhitzung nicht mehr rechtzeitig zu entschärfen.  Völlige Fehlerfreiheit, Gerechtigkeit, Erhaltung aller Besitzstände und Freiheit von allen Nachteilen zur Vorbedingung zu machen, hieße wirksame Maßnahmen bis zum Skt.-nimmerleinstag aufzuschieben. Hier und bei Schuldenbremsen herrscht die gleiche Anspruchshaltung:  Es darf nichts irgendwie Unangenehmes finanzieller oder sonstiger Art für die Gegenwart eintreten. Für die Zukunft ist man da wesentlich weniger streng oder anspruchsvoll. Die meisten achten nur auf eine Erblast, die sie den nachkommenden ersparen wollen: die einen den noch größeren Schuldenberg, die anderen Verschlechterungen von Infrastruktur oder Klima, jeweils auf Kosten des anderen,  während es doch auf die Summe aller Belastungen  der Gegenwart im Vergleich mit den andernfalls resultierenden der Zukunft ankommen sollte.
Ich finde hier frappierende Parallelen zwischen  Süchten einerseits und fossilen  und Schuldenbasierten Strategien  zur individuellen, wirtschaftlichen oder politischen  Verfolgung eines guten oder besseren Lebens andererseits: Gerade am WE habe ich  einen Artikel zu den 9 Sucht-Kriterien — hier bei Wettsucht — in meiner Tageszeitung gelesen.  Diese ergeben  für mich einige bemerkenswerte Parallelen zwischen Sucht,  fossilen politischen, wirtschaftlichen und privaten Verhalten und  politischem Schuldenverhalten, welches ja auch immer noch aktuelles Thema ist:   So sind entsprechend Kriterium 1 beim 2. u. 3. Phänomen auch eine „Notwendigkeit“ oder Druck zu immer höheren „Einsätzen“ zu verzeichnen im Sinn von immer höheren Mengen und Risiken für die Zukunft, um die gewünschte Befriedigung von Akteuren und ihren Wählern oder Konsumenten oder Klientels zu erhalten. Auch gibt es beim Versuch, Schulden oder fossile Verbrennungen einzuschränken,  „Unruhe und Reizbarkeit“ bei vielen sowohl politisch aktiven als auch ihrer Wähler entsprechend Kriterium 2; im Weiteren gibt es auch sonstige „Entzugs-Symptome“, da  das Leben ohne fossiles „Doping“ oder Verschuldung von Wirtschaft, Staat  und Leben zunächst einmal — im Durchschnitt — anstrengender, teurer, arbeitsreicher und mit weniger „Freiheiten“ zu verschiedenem gewünschten verbunden ist  Entsprechend Kriterium 3 der Suchterkennung gab und gibt es weitgehend und auf Dauer  „wiederholte erfolglose Versuche“  das Verhalten einzuschränken oder aufzugeben. Dazu gehören auch Rückfälle bei solchen Versuchen, wovon wir seit Beginn des Ukraine-Kriegs gerade einen riesigen fossilen Rückfall erleben, indem selbst ein vorgeblicher „Klimakanzler“ gerade in anderen Weltregionen nach neuen fossilen Energiequellen sucht und Lieferung nach Deutschland aushandelt, während zahllose fossile Energie-Firmen neue gewaltige Investitionen und damit Wetten auf lange Fortdauer der Öl- und Gas-Nutzung machen. Entsprechend diesem Befund sind leider die geforderten „klaren Bekenntnisse“ seitens Wissenschaft weitgehend vergeblich und seitens Politik vielfach nur unzuverlässige Lippenbekenntnisse oder gar Lügen. Bei vielen gibt es auch „starke gedankliche Eingenommenheit“ zu immer neuen Schuldenaufnahmen oder weiteren oder neuen fossilen Energienutzungen oder Investitionen entsprechend Kriterium 4.   Entsprechend Kriterium 6 sehen wir immer wieder eine Rückkehr bei nächster Gelegenheit, auch um schon eingetretene Verluste und Schäden auszugleichen.  So werden die Wiederaufbauten nach den Ahrtal- und Ostsee-Fluten großteils mit Verwendung von neuen fossilen Energien und neuen Schulden „bewältigt“ oder bei der teils erzwungenen Beendigung der Abhängigkeit vom russischen Erdgas wird dieses durch teils noch schlimmeres wie Flüssiggas, Fracking-Gas oder Kohle ersetzt, was aber weniger Angst auslöst als schnellere klimaneutrale Lösungen, die kurzfristig anstrengender oder teurer sind.  Wie in Kriterium 7 werden Lügen zu sich selbst und anderen, noch mehr aber Irreführungen, Illusionen, Scheinargumente und faule Ausreden gebraucht, um das Ausmaß der Verstrickung in das Verhalten zu vertuschen oder aber die Aufrechterhaltung zu rechtfertigen. Entsprechend Suchtkriterium 8 treten auf die Dauer auch bei fossilen und Schuldenverhalten Gefährdungen und Verluste vieler Lebensgrundlagen und Chancen für die Zukunft ein, die zugunsten einer Fortsetzung des Verhaltens in Kauf genommen oder ignoriert werden. Und Kriterium 9 entsprechend besteht teilweise ein Verlassen auf (nicht nur, aber auch) finanzielle Unterstützung durch andere oder gar Versuche, solche zu erzwingen oder zu rechtfertigen, um resultierende Notlagen zu überwinden:  So hat die griechische Regierung und Ihre Gläubiger seinerzeit auf Unterstützung durch den Rest der EU gedrängt und teils mit Androhung der Staats-Insolvenz und ihrer Folgen zu erzwingen versucht.  Ähnlich verlangen viele Regierungen von überschuldeten Staaten Übernahme der Schulden durch andere, teils obwohl die Situation sich auch durch Korruption, Verschwendung und Misswirtschaft dieser Regierungen so schlimm entwickelt hat. Soweit die Überschuldung ärmerer aus unfairen Handelspraktiken und Folgen der bisherigen fremdverschuldeten Klimakrisenfolgen resultiert ist eine Entlastung durch die Verursacher allerdings berechtigt.  Auch Regierungen und Wähler reicherer Staaten erwarten vielfach die Übernahme der Lasten durch andere, nämlich durch reichere, vielfach aber auch die Betroffenen in der Zukunft und teils vorher schon die Opfer der resultierenden Inflation.  dies ist auch ähnlich beim fossilen Verhalten, wo von den künftigen Menschen Bewältigung der Folgen erwartet wird, oder aber der Rechnung für die gegenwärtig vermeintlich zu teure oder zu anstrengende Bezahlung und Kompensation der Umbauten von Wirtschaft und Infrastruktur.
Zu Sucht-Kriterium 5 des Praktizierens in belastenden Gefühlszuständen ist nicht so leicht eine Parallele abzuleiten.  Allerdings gibt es stattdessen als Motiv die Angst vor belastenden Situationen und damit Gefühlen  für den Fall des Entzuges oder der Abstinenz:  Ein Aufhören mit fossilen oder schuldenbasierten Verhaltensweisen oder Maßnahmen, vor allem beider gleichzeitig, ist tatsächlich mit etlichen „Entzugs-Symptomen“ verbunden, da  das Leben ohne fossiles „Doping“ von Wirtschaft und Leben zunächst einmal — im Durchschnitt — anstrengender, teurer, arbeitsreicher und mit weniger „Freiheiten“ z.B. zu Flugfernreisen, Fahrten mit dicken Autos oder Essen großer Fleischmengen verbunden ist.  Soweit das Existenzminimum oder Grundrechte davon betroffen sind, müssten solche Lasten durch die vielzitierten „stärkeren Schultern“ zu tragen abgenommen werden.  Im Durchschnitt sind allerdings diese „Entzugs-Symptome“ nur in ideologischen oder Wunschdenken-Illusionen ganz vermeidbar, und die Vor-Bedingung, ein Ende der Nutzung fossiler Energie oder von Schulden müsste den Menschen „ganz leicht gemacht“ werden, was auch immer wieder in Wahlkämpfen gefordert oder versprochen wird, führt unweigerlich zur Fortsetzung des Verhaltens.  Das ist genau wie bei der Entwöhnungs-Therapie von Süchten aller Art, bei welchen ein ehrlicher Therapeut nie versprechen kann, dass diese ganz leicht und bequem werden wird. Allerdings wird auf Dauer die Zukunft ohne Entzug und Entwöhnung noch sehr viel weniger leicht und bequem und nicht selten tödlich.  Aber bekanntlich nehmen viele betroffene letzteres in Kauf zu Gunsten der kurzfristigen Erleichterung und Vermeidung von Entzugs-Belastungen.
Ein ganz wesentlicher Unterschied zwischen Süchten einerseits und fossilem Leben oder Schulden andererseits, ist, dass bei Süchten die Familie und Kinder zwar auch zu leiden haben, am meisten aber — auf Dauer — der süchtige.  Bei Schulden und fossiler Energie ist es genau umgekehrt:  Gerade ältere „Täter“ oder „süchtige“ erleben nur sehr wenig von den Folgen, deren eindeutige Hauptlast die Kinder und Enkel in deren Zukunft trifft, die eigenen oder die anderer.  Da viele eigentlich ihre Kinder lieben, braucht es dennoch einer Menge an süchtigen Illusionen, Verdrängungen, Ausreden und Wunschdenken, um das Verhalten dennoch konsequent fortzusetzen. Mein Credo:   Die Summe aller von uns hinterlassenen Belastungen darf nicht größer sein als die Summe der Belastungen, die wir uns damit ersparen. Erstaunlich ist, wie selten diese Summe auch nur versucht wird zu betrachten, sei es bei uns wie vor allem für unsere Nachkommen.  Die meisten scheinen nur zu einer Art Tunnelblick fähig zu sein: die einen sehen nur deren Belastungen durch — noch größere — Schulden, die anderen — fast — nur die durch Mängel an Ausgaben und damit Vernachlässigung von Infrastruktur und Klima.
Peter Selmke

Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts steht die Ampelregierung vor einem selbstangerichteten Desaster. Worum handelt es sich eigentlich bei dem falsch verwendeten Sondervermögen. Da muss man zunächst feststellen, dass es sich nicht um Vermögen, sondern um Schulden handelt. Dieses „Vermögen“ würde in der Bilanz nicht auf der Aktivseite als Vermögenswert ausgewiesen, sondern auf der Passivseite als Schulden. Warum aber wird hier der irreführende Begriff „Vermögen“ verwendet. Der Begriff Vermögen wird eher positiv bewertet, Schulden dagegen negativ. Es handelt sich hier aber nicht um einen harmlosen Euphemismus, sondern um eine bewusste Täuschung und Verbergen der Wahrheit, also um eine handfeste Lüge. Dadurch dass dieser Begriff völlig kritiklos von den Medien übernommen wird, wird deutlich, dass die Medien diese Irreführung der Bevölkerung mittragen und somit, wie bei vielem anderen, wo Bagatellen aufgebauscht oder wichtige Information kaum oder gar nicht erwähnt werden, an dieser bewussten Irreführung der Bevölkerung beteiligt sind, sich aber beschweren über das Wort „Lügenpresse“. So ganz nebenbei erfährt man, dass es nicht nur das eine Sondervermögen gibt, sondern 29. Es ist naheliegend, dass alle diese Sondervermögen, die ja nur eine Umgehung der Schuldenbremse darstellen, gegen geltendes Recht verstoßen.
Wie nicht anders zu erwarten, sind es gerade die Parteien, die sich das Wort „sozial“ groß auf ihre Fahnen geschrieben haben, die jetzt laut nach einer Aufhebung der Schuldenbremse schreien. Denen sei jedoch gesagt, es gibt kaum eine unsozialere Politik, als die Schulden, die man angehäuft hat, auf nachfolgende Generationen zu übertragen. Es wundert mich nicht, dass ausgerechnet diese Parteien, die vor jeder Wahl sich ihre Wähler durch großzügige Wahlgeschenke kaufen, den bequemsten Weg suchen, sich aus dem selbst angerichteten Dilemma zu befreien. Um die Unsinnigkeit der Politik unserer Regierung deutlich zu machen ein Witz: Der Bankdirektor (der Bundesrechnungshof) mahnt einen säumigen Kreditnehmer. Dieser antwortet: „Kein Problem, ich stelle Ihnen einen Scheck aus.“ Genau so absurd verhält sich unsere Regierung. Das Wort „sparen“, das immer positiv gesehen wurde, wird mit dem Totschlagargument „kaputtsparen“ erledigt. „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“, ist ein Spruch, den die Regierenden nie beherzigt haben. So fehlt jetzt das Geld für dringend benötigte Investitionshilfen.
Es wäre an der Zeit, heilige Kühe zu schlachten, wie z. B. die unsinnigen Sanktionen bei den Gaslieferungen aus Russland zu beenden, da diese Russland wegen der dadurch gestiegenen Gaspreise nicht schaden, Deutschland dagegen ganz erheblich, oder statt die Eskalation des Ukrainekriegs durch ständig neue Waffenlieferungen anzuheizen, die ja auch erhebliche Kosten verursachen, sich um Frieden zu bemühen. Es ist Unsinn, darauf zu beharren, dass die Ukraine erst siegen müsse, ehe Verhandlungen geführt werden können. Es darf keiner siegen, da der Unterlegene ständig versuchen wird, die Niederlage auszumerzen, wie wir gerade jetzt in Israel gezeigt bekommen oder zu einem dauerhaften Spannungszustand wie zwischen Nord- und Südkorea führen würde. Wohin eine ungeordnete und verantwortungslose Finanzpolitik führen kann, konnte man beim Zusammenbruch der DDR und der Sowjetunion beobachten. Darum kam das Urteil des Gerichts zur rechten Zeit.
Burkhard Patt

Hat er das nötig? Fragt man sich bei der Argumentation von Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, im Streitgespräch über die Schuldenbremse mit Veronika Grimm, Professorin für Volkswirtschaft und Mitglied des Sachverständigenrats. Hüther benutzt für die Position seiner Gegenspielerin Begriffe wie: „Großreinemachen“ (Subtext: Hausfrau, keine Ahnung), „da kann man nicht mehr einfach sagen: Industriepolitik ist Teufelszeug“ (Subtext: ideologisch, irrational), „Die Welt hat sich weiterentwickelt“ (Subtext: nicht auf dem neusten Stand, veraltete Ansichten), „Da müssen wir nicht in Ohnmacht fallen“ (Subtext: „hysterisch“), „bunte Vorschläge“ (Subtext: kindisch, hippiesk, nicht ernst zu nehmen), „immer wieder ganz unaufgeregt prüfen“ (Subtext: die lassen sich von Gefühlen leiten, hysterisch), „Schuldenbremse ein heiliger Text“ (Subtext: irrational, dogmatisch, ideologisch). Seine Äußerungen sind ein Schulbeispiel für politisches Framing (unterschwellig bewertende und Stimmung machende Sprache zum Zweck der Manipulation). Ich frage mich: argumentiert Hüther objektiv und lösungsorientiert oder interessegeleitet? Oder ist dieses Gespräch nur ein weiteres Beispiel dafür, dass Frauen in Fachgesprächen meistens sachlicher argumentieren als Männer?
Astrid Raimann


 

Leserbriefe zu „Das Öl ist zurück“ von Petra Pinzler und Andrea Böhm

Wenn man gut 6 Jahrzehnte die Narrative hinsichtlich des Erdöls miterlebt hat, so musste man immer mal wieder staunen: Um 1960 die unermesslich sprudelnden Quellen insbesondere auf der arabischen Halbinsel. 1972 dann die Erkenntnis der Computersimulationen des Club of Rome, dass die Erdölreserven bald aufgebraucht sind, es kaum noch unerschlossene Felder gibt. In den letzten 20 Jahren mehrfach der Kassandra-Ruf (in der ZEIT von Herrn Vornholz), in einem Jahr sei der – 1972 vorhergesagte – Punkt erreicht, ab dem mehr Öl verbraucht wird als gefördert werden kann. Es gab aber immer wieder Verschiebungen in der Struktur der Lieferländer: Kam um 1970 das Erdöl insbesondere von den Anrainern des Persischen Golfs, so wich man nach dem angedrohten Lieferboykott der OPEC auf Nordsee-Öl, Libyen. auch Russland aus. In 2022 suchte Deutschland in Folge des Ukraine-Krieges einen Ersatz für russisches Erdöl (und Erdgas). Und siehe, es ist genug da.1973, 1979 … immer mal wieder die Befürchtung, das Erdöl (und Erdgas) könne nicht zum Heizen und Auto fahren reichen. Nun die Überlegung, es solle nicht alles vorkommende Öl gefördert werden. Mich lehren diese Erfahrungen, Vorsicht bei globalen Aussagen walten zu lassen.
Adolf Ronnenberg

Ich hoffe Sie haben bald Erfolg bei Ihrer Arbeit gg. die Ölmultis. Die unübersehbaren und unermesslichen Schäden öffnen nach und nach aller Augen. Am effektivsten wäre eine Transparenzpflicht für alle Multis, dazu aber ist unsere lobbydesinformierte Politikerkaste nicht fähig. Es bedarf keiner einzelnen Beweise für politische Desinformation durch Lobbyisten. Deren vielzählige Existenz und Kosten sind Beweis genug. Niemand würde für dieses Heer von Desinformanten nur 1 ct ausgeben, wenn der nicht zigfache Erträge brächte.
H. Giller

“ Wer die Wahrheit nicht kennt, ist nur ein Dummkopf. Wer sie kennt und leugnet, ist ein Verbrecher.“ (Bert Brecht)
Alfred Preuß

Unbegreiflich, wie der Mensch mit der Natur, seiner Lebensgrundlage umgeht. Warum seit Jahrzehnten nichts oder zu wenig geschieht, um die Bedrohung infolge Klimakrise und Artensterben abzuwenden, ist unbegreiflich. Schon Konrad Lorenz warnte in seinem Buch “Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit“ (Piper Verlag, 1973) vor der Übervölkerung der Erde und der Verwüstung unseres Lebensraums. Der Club of Rome warnte 1972 mit seinem Bericht “Die Grenzen des Wachstums“ vor dem blinden Glauben an Wirtschaftswachstum. 1975 erschien das Buch “Ein Planet wird geplündert“ von dem damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Herbert Gruhl. Sogar die ZEIT widmete ein ZEIT-Punkte Magazin (Nr. 4/1994) dem Thema Weltbevölkerung „Wird der Mensch zur Plage?“ mit einem Leitartikel von Theo Sommer. Diese und viele weitere Denkanstöße wurden und werden ignoriert – Blowing in the wind. Warum handeln die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel nicht? Wir befinden uns auf der Titanic, Rettungsboote gibt es nicht, es macht sich Unbehagen breit. Wie damals der Ausguck gerufen hat “Eisberg voraus“, warnen heute die Fachleute vor einem “weiter so“. Aber der Kurs wird nicht geändert. Weiterhin wird Braunkohle abgebaut und verheizt, Flugbenzin nicht besteuert, Tempolimit abgelehnt, Massentierhaltung geduldet, Pestizide verspritzt und vom Senken des Energieverbrauchs spricht niemand.
Hans Hilber


Leserbriefe zu „Die Hellsichtige“ von Peter Dausend

Es ist zu diesem Artikel eigentlich nur eines zu sagen: Allein die stets und in allen Parteien vorhandene, deutsche – politische – und bürokratische Arroganz der deutschen Politiker, lässt es nicht zu, richtige Analysen, von einer „kleinen, wenn auch hübschen Frau, ins Kalkül zu ziehen! Und das seit Jahren! Das kann „Mann“ sich nicht erlauben!
Günther Kampf

Ein super Artikel in zeitunüblicher Klarheit gegenüber Russland. Fr. Kallas ist aber nicht hellsichtig, das wäre schon wieder eine Entschuldigung für unsere offensichtlich „nichtsichtigen“ Politakteure. Fr. Kallas hat den Vorteil Frau zu sein und denken zu können ohne Rücksicht auf patriarchalisch macht- und geldgeprägte Wichtigtuerei. Als Nato-Generalsekretärin wäre sie sicher die 1. Wahl der USA für diesen Posten, egal wer der nächste US-Präsident ist.
H. Giller

Die estnische Premierministerin Kaja Kallas wird in diesem Jahr mit dem „Marion-Dönhoff-Preis für internationale Verständigung und Versöhnung“ ausgezeichnet. Frau Kallas plädiert für weitere und immer schwerere Waffenlieferungen, für „Taurus“-Marschflugkörper aus Deutschland, für „jeder muss alles geben was er kann“ – inklusive Atomwaffen, Frau Kallas? Sie redet von einem „langen Krieg“, sie will Russland auf jeden Fall verlieren sehen, sie wünscht dauerhaft an der Ostflanke stationierte NATO-Truppen und bloß keine „Kriegsmüdigkeit“. Zitat: „Frieden ist nicht das oberste Ziel.“ Was denn dann, bitte? Etwa der dritte Weltkrieg? Von Verständigung oder gar Versöhnung kein Wort! Stattdessen Aufrüstung bis jenseits der Schmerzgrenze und jeder müsste dann alles geben, was er kann! Deswegen erschließt sich mir in keiner Weise, was diese russophobe NATO-Unterstützerin und bedingungslose Kriegstreiberin mit internationaler Verständigung und Versöhnung zu tun haben soll. Der „Marion-Dönhoff-Preis für internationale Verständigung und Versöhnung“ ist damit wertlos geworden. Vor achtzig Jahren waren es dämonische männliche Demagogen, die die Welt in einen furchtbaren Krieg inklusive Shoah geredet haben, heute übernehmen das toughe Frauen Anfang bis Mitte Vierzig mit fragwürdiger „Haltung“ und „Young Global Leaders“-Hintergrund. Wohin dies tendiert, dürfte inzwischen bekannt sein. In Richtung Verständigung und Versöhnung jedenfalls nicht.
Ann R. Hess


Leserbriefe zu „Nichts davon stimmt“ von Anne Hähnig

Vielleicht sollte das ganze doch nur so etwas wie ein dummer Jungenstreich eines unreifen Erwachsenen sein, der endlich Mal ganz groß ins Rampenlicht der Öffentlichkeit rücken wollte. Seine Eltern Abi & Esther Ofarim, die waren erfolgreich und die standen oft und für eine lange Zeit in diesem Rampenlicht, sein Vater Abi nicht nur wegen seiner musikalischen Fähigkeiten (!?)! Scheibenkleister, aber auch Herr Ofarim; jetzt erst mal auf die Schnelle 10.000 Euro für eine „gute Sache“ locker machen, damit man diese strohdumme Affäre auf die elegante Weise und mit einem Batzen Geld zu- und wegkleistern kann. Zurück bleibt der Angeschuldigte, der den Gelackmeierten spielen muss, aber im Leben läuft vieles nicht immer nach einem gerechten Maßstab ab!
Klaus P. Jaworek

„Er hat gelogen, zweifelsfrei, vorsätzlich und ohne den geringsten Einsatz seiner Intelligenz, die man selbst bei einem D-Promi am untersten Ende der Skala vermutet. Warum, ist die Frage, die sich als erste aufdrängt. War es der verzweifelte Versuch, sich mit der erfundenen Antisemitismus-Story wieder in Erinnerung zu bringen, um das dürftige Liedgut besser verkaufen zu können? Oder hat dieser Musikant in seiner Einfalt tatsächlich geglaubt, er tue den Juden in Deutschland einen Gefallen und beflügle die Antisemitismus-Debatte im positiven Sinne? Und letztendlich: Hat Ofarim die deutsche Justiz für so unfähig gehalten, dass sie sein Lügengebäude nicht zum Einsturz bringen könne? Welchen Schaden dieser Möchtegern-Promi den berechtigten Interessen der hier lebenden jüdischen Mitbürgern und der Westin-Hotelkette zugefügt hat, wird Ofarim niemals begreifen. Sei‘s drum, er hat sich zu Recht in das Abseits gespielt, wo er verbleiben sollte. Was ich allerdings vom omnipräsenten Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster erwartet hätte: eine knallharte Verurteilung von Ofarim und nicht das wachsweiche Statement, das er nach Aufdeckung dieses Lügners abgegeben hat. Auch das hat letztendlich der jüdischen Sache geschadet.“
Harald Wimmer

Vor einigen Jahren sträubte sich eine Mitarbeitende gegen eine dienstliche Anweisung, weil sie mit der getroffenen unternehmerischen Entscheidung nicht einverstanden war. Meine Aufgabe war es, die Befolgung des Arbeitsauftrages durchzusetzen. In diesem Zusammenhang verstieg ich mich zu einem zugegebenermaßen sehr unpassenden Vergleich. Die Kollegin nutzte die Steilvorlage und beschwerte sich zunächst bei meinen Vorgesetzten, sinngemäß sei sie antisemitisch beleidigt worden. Da dies nicht abhalf, hat sie mich anschließend erfolglos bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Da sie die gestellte Aufgabe nach wie vor nicht angehen wollte, hat sie nach langer Krankheit das Unternehmen konsequenterweise verlassen – bis heute knabbere ich an dem Vorfall und denke mit Grausen daran zurück. Nota bene – ich habe Israel im Rahmen der Aktion Sühnezeichen insgesamt 7 Mal besucht und meine, mich mit Fug und Recht als Philosemiten bezeichnen zu dürfen. Nun stelle ich mir vor, ein Tanz-Kaspar vom Tingeltangel setzt eine ehrabschneidende Lüge über mich in die Welt. In der Folge werde ich bedroht, muss meinen Arbeitsplatz wechseln und werde Jahre später in eine gerichtliche Auseinandersetzung verwickelt, für welche neun Prozesstage terminiert werden.
Ob der geständige Verleumder im Endeffekt vielleicht mit den Kosten der Rechtsverfolgung belastet wird, überlegt sich das befasste Gericht übrigens erst noch. So was gibt es in der Realität nicht? Und doch ist alles wahr davon. Wie würde wohl ich als Opfer reagieren? Lieber gar nicht dran denken. Und was macht mein Held, Markus W.? Ohne lange zu zögern, nimmt er die Entschuldigung des Täters einfach an, was für eine coole Socke! Ich fordere für Markus W. das Bundesverdienstkreuz für die gezeigte menschliche Größe, von diesem Menschen kann man wirklich etwas lernen.
Hannes Raßbach


Leserbriefe zu „Mit Sicherheit anstehen“ von Jonas Schulze Pals

Es geht um deutsche Flughäfen, wo man stundenlang in der Schlange steht bis zu Abfertigung. Trotz hoher Preise, die Leute wollen fliegen. Da hilft nur eins, bleibt zu Hause. Und wenn es unbedingt sein muss, nehmt die Deutsche Bahn. Gute Reise wünscht
Hans-Emil Schuster

Nach dem Urteil des Verfassungsgerichtes ist die von uns gewählte Regierung aufgefordert, die Finanzierung der Zukunft nun endlich professionell anzupacken. Dazu sind, wie auch unser Vizekanzler bei Anne Will am Sonntag sagte, alle Subventionen auf dem Prüfstein. Da lese ich doch jetzt, dass die Kosten der Sicherheitskontrollen an deutschen Flughäfen mit 67 Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Wie kann es sein, das viele Millionen Menschen, die selten bis überhaupt nicht fliegen indirekt die Flugreisen unterstützen, die für die Klimawende auch noch kontraproduktiv sind. Für mich ist das eine sehr offensichtliche Einsparposition, auch wenn es nur ein Promille der gesuchten Summe ist. Erfolgreiche Unternehmen werden auch durch eine Menge solcher relativ kleinen Einsparungen langfristig robust, es gibt mit Sicherheit auch für den Fiskus noch jede Menge ähnlicher Subventionsfälle, die gestrichen oder geändert werden können. Und wer schon fliegt kann bestimmt die paar Euro mehr für die Sicherheit ausgeben und verzichtet vielleicht auf den Drink vor dem Abflug – das wäre auch noch gesünder.
Andreas Hoffmann

Ich wusste bisher nicht, dass sich der Staat 2022 mit 67 Millionen an den Kosten der Passagierkontrollen der deutschen Flughäfen beteiligt hat. Das ist ein Unding. Und es ist nahezu grotesk, wenn nicht gar beschämend, mit welchen Argumenten bestimmte Sonderregelungen für einzelne Flughäfen gefordert werden. Mir scheint, dass manche Institutionen und Interessenvertretungen den Ernst der Lage angesichts der fehlenden 60 Mrd. im Bundeshaushalt noch immer nicht begriffen haben, und der Staat gezwungen ist, manch Liebgewordenes in Frage zu stellen. Und da bekanntlich auch Kleinvieh Mist macht, muss man sich wohl auch mit der Frage der Bezuschussung der Kosten für Passagierkontrollen an Flughäfen befassen müssen. Das Argument, dass negative Auswirkungen auf den Flugverkehr bei der Verlagerung der Kontrollkosten auf den Passagier zu erwarten seien, ist angesichts der Finanzmisere des Bundes wohl eher bedeutungslos. Die Bundesregierung wird nicht umhinkönnen, viele heilige Kühe zu schlachten.
Harald Seidel


Leserbriefe zu „Letzte Hoffnung der Sünder“ von Ricarda Richter

Nach 46 Jahren Theologie in Studium und Priesteramt erkenne ich Religion, egal wie sie sich zeigt. Die Klima- oder CO2-Bewegung ist Religion in Wort und Tat. Vom Sünder ist die Rede, vom Weltuntergang und von Erlösung und Rettung. Die Untergangstermine und Szenarien passen sich flexibel an. Das Böse findet man in Zweiflern und Verweigerern. Der Ablasshandel rechnet sich in Billionen. Und weil es das Leben jedes Menschen betrifft, darf es keine technischen Lösungen geben. Das würde die ganze Moral-Religion in Frage stellen. Eines Tages, wenn die Reichtümer von Generationen in Rauch aufgegangen und in finsteren Kanälen abgeflossen sind, wird man mit einem gewaltigen Kater erwachen.  Ich bin gespannt, wie sich das nächste Geschäftsmodel anschickt, die Menschen auszuplündern. Ich denke da an die Gefahr von Meteoriteneinschläge und Außerirdischen. Da kann man beliebig viele Weltkonferenzen abhalten. Da, wo die Sonne scheint und der Sand so lustig durch die Finger rinnt.
Fred Klemm

Ich habe voll den Eindruck, dass nur noch grüne Geisterfahrer auf mich zukommen, die gar nicht zu bemerken scheinen, dass sie in der verkehrten Richtung unterwegs sind. Merken diese grünen Ideologen eigentlich nicht, dass all das, was sie da so vorhaben, nie und nimmer klappen kann. Außerdem wissen wir gar nicht, was da so passieren wird, wenn diese willkürlich festgesetzten 1,5 Grad Erderwärmung tatsächlich eintreten. Die Erde hat schon Eiszeiten oder irgendwelche Hitzeperioden durchgemacht, und die Erde dreht sich weiterhin. Irgendwann einmal sind die Saurier ausgestorben und die Erde hat nicht aufgehört sich weiter zu drehen. Vielleicht sollten wir das ganze etwas gelassener sehen, ebenso wie die jetzt gerade 70.000 Menschen, die ins Emirat Dubai gejetet sind, um dort wieder einmal so zu tun, als würde es tatsächlich bei ihrem Meeting um das Wohlergehen der Erde gehen. Diese Klima-Schikeria (siehe WELT), die will doch nur bei ihrer Fete, unter sich bleiben!
Klaus P. Jaworek

Vielen Dank für den bezüglich CO2-Speicherung durchaus ausgewogenen Artikel. Leider starten Sie Ihren Beitrag (wie schon fast üblich in den Medien und bei den öffentlich-rechtlichen) mit dem Thema weniger Rindfleisch essen. Dann kommt erst der Verzicht auf fossile Treibstoffe im Verkehr und Heizbereich und an vierter Stelle folgt die Zementherstellung. Zielführend wäre es, die Quellen für Treibhausgase in der Reihenfolge zu nennen in der sie entweder in D oder der EU oder weltweit zur Klimaerwärmung beitragen, und diese Bezugsebene auch zwingend dazu zu nennen. Dann wäre die Reihenfolge für Deutschland Zement, Verkehr, Heizen und Rindfleisch (auch wenn Rindfleisch symbolisch für die ganze Landwirtschaft stünde, käme diese am Ende). Vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1241046/umfrage/treibhausgasemissionen-in-deutschland-nach-sektor/ (selbst wenn man dann noch die Unschärfen in der THG-Berichterstattung hinzunimmt, wird die Rangfolge bestehen bleiben, und die Unschärfen bzw. die Güte der zugrundeliegenden Daten sind schon recht groß bzw. grob, kenne da einige Quellen…)
Sie gaukeln den Menschen damit dauernd vor, dass der Fleischverzicht die Lösung für das Bremsen des Klimawandels wäre. Dies trifft definitiv nicht zu. Ohne Fleischkonsum verstoßen wir gegen die natürlich gegebenen Lebensgrundlagen auf der Erde! Die Erde gibt uns 70 % Grasland/Grünland/Steppe und dies können wir Menschen nur zur Ernährung nutzen, wenn es über Wiederkäuer wie Rinder zu Lebensmitteln verwandelt wird. Und wir haben nicht die Wahl diese 70 % landwirtschaftliche Nutzfläche nicht zu nutzen. Dafür sind wir zu viele. (Im reichen Westen essen wir pro Person zu viel Fleisch, das unterstütze ich, aber nicht den kompletten Verzicht auf Fleisch.) Zudem spielen beispielsweise Moorflächen, die im entwässerten Zustand landwirtschaftlich genutzt werden, eine große Rolle was die THG-Emissionen aus der Landwirtschaft angehen. Es würde also schon viel gewonnen, wenn wir die Nutzung dieser Moorflächen auf nasse Bewirtschaftung umstellen könnten. Da sind wir bereits massiv dran! Und das ist nur ein Beispiel, wo die Landwirtschaft massiv voranschreitet in punkto Reduktion von THG-Emissionen (weitere sind die bereits seit den 90-er Jahren erfolgte Reduktion der Tierbestände, die Einschränkungen bei der Stickstoffdüngung, das Bauen mit Holz, der Umbau zu klimastabilen Wäldern usw.) Ähnliche Anstrengungen sehe ich in keinem anderen Bereich. Daher sollten Sie überdenken, ob das ständige Bauernbasching wirklich sinnvoll ist und am Ende zu irgendeinem Ziel führt. Letzteres bezweifle ich stark.
Was Sie damit erreichen, ist eine überdurchschnittliche Selbstmordrate in Landwirtsfamilien, starke Zunahme von Burnout im landwirtschaftlichen Bereich und der massive Verlust von landwirtschaftlichen Familienbetrieben (und damit unwiederbringlich einen massiven Wissensverlust in Bezug auf die Landbewirtschaftung usw.). Die Familienbetriebe sind der Garant für ein resilientes Landnutzungssystem für die Ernährungssicherung, die Biodiversität, die vielfältige Kulturlandschaft und den Zusammenhalt der (ländlichen) Gesellschaft! All das setzen Sie mit der polarisierenden Berichterstattung unter Ignoranz der Faktenlage aufs Spiel. Daher sollten Sie bei jedem Satz, den Sie schreiben bitte überlegen, ob er die Sachverhalte in korrekter, dem Stand des Wissens entsprechender Form wiedergibt (und bei unklarem Wissensstand diesen bitte auch benennen). Vielen Dank.
Stefan Thurner


Leserbriefe zu „Er menschelt“ von Khué Pham

Danke für diesen Atem-raubenden Einblick in den Arbeitstag eines Spitzenpolitikers. Als Resümee halten Sie fest, „man begleitet einen Mann, der überall stattfindet, …aber selten anwesend ist.“ Nachdenken über die wichtigsten Themen und die zu lösenden Probleme findet nicht statt (es sei denn er reserviert sich einen „Denkraum“ Termin). Wie wollen Politiker, die eindeutig Getriebene sind, sei es durch die Medien oder ihre eigenen übertriebenen Ambitionen, tragfähige und zukunftsweisende Entscheidungen treffen, die über die Tagespolitik hinausreichen. Wenn sie nicht einmal zum Nachdenken kommen, wie sollen sie zu Vordenkern werden!
Hans-Martin Fink

Ein grandioser Artikel über einen Tag mit Kevin Kühnert, zu dem mir nur zu sagen bleibt, so möchte ich nicht regiert werden. Ich arbeite unter anderem im Betrieblichen Gesundheitsmanagement. Alle wissen, wozu solche Stresslevel führen, u.a. leidet auch die emotional soziale Kompetenz, weder die eigenen noch die Bedürfnisse anderer können noch angemessen erkannt und beantwortet werden. Auch die Fähigkeit zur Problemlösung leidet stark, wenn die nötige Erholung fehlt. Und gilt für Abgeordnete des Bundestages das Arbeitszeitgesetz nicht, wenn nein, warum nicht? Ich fordere angemessene Ruhezeiten für unsere politische Führung, zum Wohle unseres Landes!
Donata Gries

Ein solcher Arbeitstag, wie ihn ZEIT-Autor Khue Pham mit Kevin Kühnert erlebt hat, macht verständlich, warum heute Politik so ist, wie sie ist: die Politiker haben nämlich keine Zeit mehr zum Nachdenken. Das gibt Kühnert selbst freimütig zu. Entsprechend ist die Politik, die gemacht wird, denn Politik ohne Nachdenken kann keine gute Politik sein. Politik braucht Nachdenken. Und die Zeit dafür muß man sich nehmen.
Björn Luley


Leserbriefe zu „Yasmine M’Barek entdeckt: Fliegenliebe“

Gerade habe ich in der neuen Zeit Ihre Fliegenliebe gelesen, über den ich mich sehr gefreut habe. Wenn das kein Zufall ist. Gestern habe ich meinen knapp 15minütigen modernen stummen Kurzfilm EINE FLIEGENJAGD, der nach einer Idee von Eugen und Max Skladanowsky, den Wegbereitern des Films in Deutschland, entstand, für die nächste Berlinale zur Sichtung hochgeladen. Darin geht es um zwei Frauen, die sich gegenseitig das Leben schwer machen. Eine Dame spielt Klavier, die andere fühlt sich belästigt und schiebt ihr, weil sie in einer Pension wohnen, eine Fliege, die sie zuvor geärgert hat, durchs Schlüsselloch. Die Fliegenjagd beginnt…
Michael Blume

Auch wir haben seit einiger Zeit ein Haustier. Die kleine Fliege ist uns lieb geworden, und wir freuen uns, wenn sie sich zu uns gesellt und machen uns Sorgen, wenn sie nicht auftaucht.
Frauke v. Frihling und Armin Reuter

Mit Interesse habe ich Ihren Bericht gelesen. ich hatte ein ähnliches Erlebnis mit Wespen: Letzten August kamen immer, wenn ich die Küchentür zum Garten öffnete, Wespen in die Küche geflogen und umschwirrten das Honigglas auf der Fensterbank. Ich fand das zwar lästig, konnte aber die Wespen verstehen. Und so nahm ich ein Tellerchen, füllte 2 Esslöffel Honig drauf und trug das Tellerchen zu einem Tischchen im Garten. Die Wespen, ich denke etwa 30, begleiteten mich, schwirrten um mich herum, waren aber nicht aggressiv. Ich habe keine Angst vor Wespen und ließ sie gewähren. In der Küche hatte ich nun Ruhe. Am nächsten Morgen schwirrten die Wespen vor der geschlossenen Küchentür und warteten auf das Tellerchen mit Honig. So entwickelte sich ein tägliches Ritual, und ich hatte den Eindruck, dass die Wespen mich mochten, so wie ich sie. Das ging den ganzen August so, und ich denke, wir alle hatten unseren Spaß. Dann ab September veränderte sich ihr Verhalten. Die Wespen wurden ruhiger, langsamer und auch weniger. Ende September waren nur noch wenige Wespen vor meiner Küchentür. Und ein paar Tage später lag die letzte Wes tot auf dem Tellerchen. Ich war sehr traurig und vermisste meinen Wespenschwarm. Vielleicht kommt nächsten Sommer wieder einer.
Ingrid Grenzmann


Leserbriefe zu „Alles für ein Baby“ von Nadine Ahr und Christiane Hawranek

Danke für dieses interessante, informative Dossier. Sie fokussieren auf die biologisch möglichen und finanziellen Aspekte. Was ich gerne wüsste: Warum ist Elly, die stellvertretend für Tausende steht, so verbittert versessen auf die Reproduktion ihrer DNA und der ihres Mannes? Ich verstehe, dass Menschen beiderlei Geschlechts sich Kinder wünschen. Nur, warum muss man sie unbedingt selbst gezeugt und ausgetragen haben? Es gibt doch so viele Kinder auf der Welt, die elternlos sind und bei liebevollen Adoptiv-/Pflegeeltern sicherlich besser aufgehoben wären als in Heimen o. ä. Sie gehen der psychologischen Dimension dieser Frage leider gar nicht nach, was schade ist. Ich frage mich bei derart fanatischen Versuchen der Reproduktion oft, ob es den Beteiligten, den Frauen nicht eigentlich um etwas ganz Anderes geht.
Sabrina Hausdörfer

Es geht um meinen Traum von einer Familie: Mann, Geld, Haus, Auto – und dann noch ein Kind um jeden Preis! Es geht um mich – aber nicht wirklich ums Kind! Der Kapitalismus vergiftet inzwischen alle unsere Lebensbereiche – koste es, was es wolle! Und wenn das Kind dann eine Behinderung, eine chronische Erkrankung oder einen Unfall hat – dann passt es nicht mehr in meine schöne heile Welt! Anstatt mit zehntausenden von Euros die Reproduktionsmedizin zu subventionieren, könnte ich auch meine eigenen, sehr egozentrischen Lebensziele einmal hinterfragen. Ein Kind zu produzieren, um es dann ein Leben lang mit meinen Erwartungen zu überfrachten – nein danke!
Andrea Klick

Es ist schon merkwürdig, um nicht zu sagen: schizophren. In Sachen Landwirtschaft und Ernährung muss alles möglichst bio und öko sein – bloß kein künstlicher Dünger, keine Unkrautvernichtungsmittel…. In Sachen menschliche Fortpflanzung kann es für manche gar nicht genug unnatürlich-medizinische, teilweise gesundheitsgefährdende Verfahren geben, damit sich ein Kinderwunsch erfüllt. Und umgekehrt: wo eine Schwangerschaft eintritt ohne vorherigen Kinderwunsch, da soll eine vorgeburtliche Kindstötung komplett straffrei gestellt werden. Der Mensch ist aber nicht Produkt und Experiment seiner selbst, sondern er hat eine besondere Würde, die ihm eignet. Religiös betrachtet, ist er Gottes Ebenbild. Hier geht es nicht um die „üblichen kulturpessimistischen Warnungen“, sondern um die Grundsatzfrage: Was ist der Mensch?
Rüdiger Hagens


Leserbriefe zu „Kollektive Kündigung“ von Jens Balzer

Vielen Dank für diesen Artikel, der einen unglaublich ärgerlichen, enttäuschenden und empörenden Vorgang erneut darstellt. Dieser Vorgang zeigt mehrere Missstände auf. Zuallererst, welchen Stellenwert Kultur in diesem Staat bzw. bei dieser Bundesregierung hat, die sich damit aber in bester Tradition befindet. Höflich formuliert, einen geringen. Betrachtet man Kulturleistungen als Beitrag einer Nation zur Zivilisation, dann ist die BRD gerade dabei, ihren Anteil auf der „Habenseite“ zu reduzieren. Eine Nation, die u. a. zwei Weltkriege und den Holocaust auf der „Sollseite“ stehen hat. Weiterhin wird deutlich, dass es scheinbar immer nur um Geld geht, wobei wir letztlich von lächerlichen Summen sprechen (insgesamt 24 Mio. Euro). Zutage tritt zudem ein Versagen sogenannter Eliten, im Besonderen der deutschen Geld-Elite. Soweit ich weiß, gibt es in Deutschland mehr Milliardäre als in England, Frankreich und Italien zusammen, das müsste doch zu machen sein. Ein Beispiel aus dem Ausland möge das verdeutlichen. Gibt es in Frankreich einen Milliardär, der das neue Giacometti-Museum in Paris finanziert? Gibt es in Deutschland Erben, die zwei Millionen Euro am Tag „erhalten“? Die Goethe-Institute unterstehen dem Außenministerium. Hatte die aktuelle Amtsinhaberin nicht bei Amtsantritt geschworen, den Nutzen zu mehren und Schaden zu wenden? Sie verstößt also gegen ihren Amtseid. Ein Rücktritt wäre angemessen. Da das alles nicht passieren wird, schlage ich eine Spendenaktion vor (erinnert sei an die von F. J. Raddatz initiierte, erfolgreiche Spendenaktion zur Rettung der Thomas-Mann-Villa in Pacific Palisades), natürlich auch um die Arbeitsplätze zu sichern. 200€ sage ich hiermit zu.
Gerd-Rüdiger Erdmann

Kommentarlos (für mich völlig unverständlich) berichtet die ZEIT von der Schließung verschiedener Goethe-Institute in Italien. Ich kann es kaum glauben, aber Visagisten und Hilfe für Afghanistan in Afghanistan scheinen unserer Außenministerin wichtiger als der Unterhalt von Kulturinstituten. Armes Deutschland. Vielleicht aber ist unsere Chefdiplomatin der Meinung, alle großen Kulturen sind irgendwann einmal untergegangen, warum nicht auch unsere, womit sie natürlich recht haben würde.
Klaus Grasenick


Leserbriefe zu „Die Stimmung war wahnsinnig aggressiv“ von Annabel Wahba und Carlotta Wald

Da ich persönlich sowohl Gestapo wie Stasi erlebt habe ist das, was ich über UdK lese, erschütternd. Da Adolf Nazi auch meinte, dass er ein Künstler war, hat man eine klare Verbindung zu UdK und deren Abneigung gegen Juden bzw. Israeli. Es scheint „zu dem guten Ton“ in gewisse Kreise alles Demokratische in Israel abzulehnen und stattdessen alles, was Hamas, die einer Kampforganisation einer Diktatur ist, zu akzeptieren, wenn nicht hochzuloben. Das Hamas mit Demokratie etwas zu tun hat ist genauso unsinnig wie die Behauptung, dass in der Arktis gibt es Pinguine. Die Vertreibung der Palästinenser durch die jüdischen Siedler ist genauso abzulehnen wie jede andere Zwangsumsiedlung (das hat Deutschland auch seinerseits versucht), und muss gestoppt werden. Es fällt aber auf, im selben Augenblick wo Israel mit Saudi-Arabien einen Abkommen schließen wollte, schlug Hamas zu, denn was Iran was unter alle Umstände verhindern, wollte ist ein „beruhigtes“ Mittlere Osten, denn dann verlieren sie ihre Machtposition als religiöse Diktatur.
Stein-Erik Greter

Mein lieber Mann und ich lesen Die Zeit als Printausgabe. Ihren Artikel ,,Die Stimmung war wahnsinnig aggressiv“ habe ich soeben zweimal gelesen und werde ihn heute Abend meinem Mann zuerst in die Hand drücken. Er lehrt an einer Hochschule und hatte vor etlichen Jahren kleinere Lehrtätigkeiten in Madaba (Jordanien). Begeistert ließ ihn eine Gruppe Studierende wissen, dass sie die Deutschen verehren, weil diese die Juden vernichtet haben. Für meinen Mann, welcher seine Arbeit in Jordanien mit Leidenschaft und Zuneigung tätigte, war diese Aussage eine Zäsur, die in immer belasteten wird und damit auch geprägt hat. Mittlerweile waren wir mehrere Male privat in Israel. Die grauenhaften Ereignisse vom 7.10.23 haben uns schwer getroffen. Aber noch schwerer trifft uns die Erkenntnis, dass sich Menschen mit jüdischem Glauben in Deutschland und der Welt wieder verstecken müssen und das zutiefst eindimensional Israel die Schuld an der derzeitigen Situation zugesprochen wird. Man stelle sich vor, dass sich Menschen muslimischen Glaubens verleugnen müssten, weil sie für das Massaker der Hamas beschimpft und bedroht würden. Oder für das, was im Iran, in Afghanistan, Mali täglich passiert. Man stelle sich, dass Muslime die äußeren Zeichen ihrer Religion verstecken müssten, weil deren Tod gefeiert oder skandiert würde. Das wäre unvorstellbar, weil es unvorstellbar ist, dass in einer Demokratie solche Dinge geschehen. Doch sie geschehen. Jüdische Studierende zittern vor Angst, wenn sie auf ihren Campus gehen. Und ( fast) alle sehen weg. Mein Mann wollte an seiner Hochschule ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen. Er wurde von allen Seiten ausgebremst. Und so verharren wir in dem Entsetzen, welches Juden und Jüdinnen in Deutschland gerade (wieder)erleben. Für Ihren ehrlichen und damit mutigen Artikel danke ich Ihnen und ich kann wirklich nur erahnen, wie es sich für die Betroffenen anfühlen muss.
Heike Westermann


Leserbriefe zu „Singende Seelenklempner“ von Rebecca Stegmann

Der Artikel über den Berliner gemischten Chor hat mich sehr erfreut. Er kann den gemischten Chören Mut machen weiter zu proben, auch wenn keine Konzerte geplant sind. Die Bedeutung des gemischten bürgerlichen Chores habe ich in einer Untersuchung der Stiftung der Berliner Singakademie erforscht, die bei der Universität Bochum angenommen aber von mir noch nicht veröffentlicht ist „Chor und Gemeinsinn. Eine Analyse der Stiftung der Stiftung des gemischten, bürgerlichen Chores um 1800 in Berlin“. Der Berliner Chor kann an die Tradition in Berlin anknüpfen.
Heinrich Weskamm

Serotonin. Gute Gelegenheit, um mal wieder Angie McMahon und ihren gleichnamigen Song von ihrem (Selbstfindungs-)Album „Light, Dark, Light Again“ ins Spiel zu bringen. Wenn man nämlich „real low on serotonin“ ist und ihn laut mitsingt, steigt der Spiegel trotz des ernsthaften Themas Depressionen merklich an. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Lied auch gegen Dopamin- und Endorphinmangel hilft. Funktioniert auch ohne Chor, aber ich kann mir gut vorstellen, dass das gemeinschaftliche Singen den Effekt noch verstärkt. „Light, Dark, Light Again“ ist für Angie überwiegend Eigentherapie, aber das heißt nicht, dass sie Hilfe von außen oder durch Medikamente ablehnen würde, auch wenn sie meint, dass es schwer sei, ohne Antidepressiva, die sie mit Heroin vergleicht, auszukommen. Man darf solche Songtexte natürlich nicht immer ganz wörtlich nehmen, aber ich glaube schon, dass sie ehrlich über ihre seelischen Probleme (verstärkt durch die harten Corona-Lockdowns in Melbourne; über ihre lähmende Angst vor einem Auftritt und wie ihre Managerin ihr damals beistand, habe ich ja schon mal berichtet) und ihren Umgang damit singt.
Wenn Angie mal in Berlin (besser wäre allerdings Hannover) auftreten sollte, sollten die „Singing Shrinks“ mal Kontakt mit ihr aufnehmen. Ich denke, sie würde diesen Chor genauso gerne unterstützen wie die Indie Voices aus Melbourne, mit denen sie „Missing Me“ gesungen hat. In der WDR5-„Liederbestenliste“, die ich gerade als Aufzeichnung höre, wurde ein Lied auch als hilfreich gegen Serotoninmangel anmoderiert. Scheint ein echtes Problem zu sein, gerade in dieser Jahreszeit …
Thomas Manthey


Leserbriefe zu „Nicht schon wieder“ von Florian Eichel

Deppert! Und vielleicht ist damit nun wirklich alles zu Florian Eichels Rezension gesagt.
Martin G. Weiss

Wer in den letzten Jahrzehnten die „großen“ deutschen Schriftsteller, Autoren, Dichter gelesen und das jeweilige Werk verfolgt hat durfte feststellen, dass nicht nur Enzensberger und Walser um sich selbst kreisten. Das Gesamtwerk von Günter Grass bezieht sich immer wieder auf „alte“ Veröffentlichungen und die dort zu findenden Protagonisten: Oskar Matzerath und Danzig sowie Kaschuben und polnische Verwandte werden fortwährend in den meisten Büchern, vor allen in den letzten erwähnt und wieder und wieder zum Leben erweckt. Auch bei Arno Schmidt ist das der Fall: Die durch den Krieg gestohlene Jugend und die fehlende Zeit als freier Schriftsteller in Erscheinung zu treten. Krieg, Nachkriegszeit und die Adenauerära finden sich oftmals im Gesamtwerk finden. Was also soll bei Peter Handke anders sein? Die Kritik an dem neuesten Buch „Die Ballade des letzten Gastes“ ist überzogen und würdigt die sprachliche Ästhetik des Alterswerkes von Peter Handke nicht. Im Gegenteil wird auf Verwendung alter Figuren aus dem Gesamtwerk negativ abgehoben. Ist es ein Nachteil mit bekanntem Personal ein neues Stück aufzuführen? Die langsame Entwicklung der Geschichte ist reizvoll und entspricht Handkes Dialektik. Deshalb meine ernst gemeinte Ansicht zum neuen Buch und eine Lobhudelei auf Peter Handke =
Die Ballade des letzten Gastes. Das neue Buch von Peter Handke: Verschlungen die, wie so oft, ineinander übergehenden, Sätze, Halbsätze, eingeschobenen Zwischensätze; als Leseerlebnis mit Entdeckungen von Nostalgie gegenüber der deutschen Sprache (sic)! Großartig die Verweigerung von Anglizismen durch eingedeutschte Umschreibungen und somit einzig richtigen Bezeichnungen: „Taschentelefonschirm“ „Bildschirm von dessen Taschentelefon“. Das lateinische wie das griechische darf sein = Agglomeration für Anhäufung, Zusammenballung, simili modo für in ähnliche Weise usw. usf. Gregor Werfer als alter Ego des Peter Handke mit Reminiszenzen an seine Weltreise und Heimkehr (Homers Odysseus lässt grüßen). Immer wieder Rückblicke und Retrospektiven aus „alten“ Werken. Dann das bekannt erwartbare: Der Obstgarten. Hier als sterbender der beseitigt, in Ordnung gebracht werden muss. (I) Obstgarten, das (I) erinnert an Arno Schmidt. Oder der Verweis auf die Zurüstung – für die Unsterblichkeit Ein Königsdrama -. Hier eine Ein-Mann-Expedition. Als letzter Gast im Wirtshaus, in einem letzten, hintersten Zimmer oder im Wald in der Bombentrichtermulde. Auf des Messers Schneide das vielfältige Gehen Gregors. Des Einäugigen. Kenntnis über den fernen Tod des Bruders, in der Fremdenlegion, die Nichtinformation darüber und die Vernachlässigung der Familie, der Sippschaft in der Zuhause-Woche. Aber pünktlich zur Taufe: Seine Zugehörigkeit zeigen, vortäuschen in der siebentägigen, alljährlichen Heimkehr. Das unvermeidliche T-Shirt mit der Aufschrift: „Faded Glory“. Wobei dieses Buch den Ruhm des Autors nicht verblassen lässt. Peter Handke ist und bleibt für mich ein Wort- und Sprachversessener der weiterhin Neugierig, auf seinen Kosmos, macht.
Nach weit mehr als 80 Büchern sowie Notizen (Tagebuchgleich) bin ich weiter gespannt auf neue Einsichten, Aussichten und Erkenntnisse, die meinen literarischen Horizont hinausschieben in die Sicht -und Schreibweisen des Verfassers. Peter Handke ruht in seinem Pariser Vorort in seinem wilden Garten und auf seinen Wegen und wohl auch im Haus möglichst und nicht ungern = Allein. Das Alleinsein bekommt ihm nach draufschauenden Blicken, kolportiert durch gegebene Interviews, Gespräche und dazu erstellten Fotos vom Dichter und der näheren Umgebung. Also ein Leben in den Zwischenräumen. Bin im Bild, kann sein, dass ich mich vertue. Der Spaziergänger von Chaville, der Pilzsammler, der Gartenverwilderer, der Werfer von angespitzten Stöcken, der Bewahrer und Verfechter der slowenischen Muttersprache, der Geschichtenerzähler, der potente Schreiber mit achtzig, der kritische Geist und Bewahrer der deutschen Sprache mit Worten. Das Sprachrohr der Individualisten.

Die Notizbücher von Peter Handke sind wie die Zettelkästen von Arno Schmidt. Sammlungen von wichtigen Nichtigkeiten und/oder nichtigen Wichtigkeiten. Aus denen „mosaikhaft“ Neues entsteht: Eigenwillige literarische Betrachtungen, Beschreibungen und Bildgewaltige Neuschöpfungen in der oder mit der deutschen Sprache. Allein die Naturbeschreibungen / Betrachtungen sind ein „Hochamt“ für eine Art und Weise die Welt neu / anders zu sehen, zu erzählen. Peter Handke, anders als Arno Schmidt, ist gern ein Reisender. Leidenschaftliche Spaziergänger sind bzw. waren beide.
Felix Bicker


Leserbriefe zu „Die Ausgebürgerten“ von Thomas E. Schmidt

Vielen Dank für diesen Artikel, dessen Aussagen aber in einen größeren Kontext gestellt und in einigen Punkten kritisiert werden müssen. Diskutieren wir nicht seit längerem die deutsche Erinnerungskultur? Bedeutet das nicht auch, dass die genannten Institutionen, was das betrifft, nicht so erfolgreich waren? Besonders absurd ist der Hinweis auf das Thomas-Mann-Haus. Warum? Erstens: Es ist in Los Angeles. Also quasi um die Ecke. Zweitens: Der Erhalt dieses Hauses ist der Initiative des „Privatmannes“ Fritz J. Raddatz zu verdanken. Es war nicht der Staat, der musste erst gebeten werden, genauso wie bei der Villa Feuchtwanger. Die anderen genannten Einrichtungen haben individuelle Schwerpunkte (Juden, Kulturschaffende). Somit wäre es verdienstvoll ein Museum zu haben, dass versucht, „alle und alles“ zu erfassen. Der Einwand es gebe keine „einheitliche Perspektive des Erinnerns“, weil unterschiedliche Ausbürgerungsgründe vorlägen, ist richtig und falsch, denn allen gemeinsam ist das Erleben des Exils mit seinen Schwernissen. Warum nicht ein Ort, an dem Th. W. Adorno genauso gedacht wird, wie Thomas Mann, Peter Lorre oder Willy Münzenberg. Aber es muss auch ein Ort sein, an dem einem Max Alsberg oder Otto Grautoff gedacht wird. Wie sagt doch der Emigrant Walter Benjamin in „Über den Begriff der Geschichte“: „Schwerer ist es das Gedächtnis der Namenlosen zu ehren als der Berühmten“ und man möge herzählen, ohne zwischen groß und klein zu unterscheiden. Er spricht auch von Einfühlung und der Trägheit des Herzens (!). Wenn das Exilmuseum Geschichten erzählt (nicht schon wieder eine Dokumentation, dieses Problem der dt. Erinnerungskultur) von Großen und Kleinen, Berühmten und weniger berühmten, wenn es ihm gelingt, einige mehr dem Vergessen zu entreißen, damit der Feind aufhört zu siegen (Benjamin), dann ist dies aller Mühen wert, auch des Staates (wollte Frau Roth nicht Kultur zum Staatsziel erklären lassen? Kultur nach Kassenlage, peinlich).
Gerd-Rüdiger Erdmann

Erich Kästner, Jochen Klepper, Gottfried Benn, Reinhold Schneider, Ernst Wiechert, Ricarda Huch, Hans Carossa, Albrecht Goes, Hanna Höch, Frank Thiess u.v.a.: beriefen sich mehr oder weniger auf ihre „innere Emigration“ im Nazi-Deutschland – und besonders Frank Thiess antwortete dem exilierten Thomas Mann zu dessen Rundfunkrede vom 8. Mai 1945 über „Die deutsche Schuld“ dann in der „Münchner Zeitung“ vom 18. August 1945: „…dass er aus dem fernen Ausland in Sicherheit und Luxus“ der deutschen Tragödie zugesehen habe…“ Und aus seiner Sicht so besehen – auch besichtigbar: Der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann hatte dort in Los Angeles (Pacific Palisades), im Luxus gelebt – wobei er anderen exilierten Schriftstellern/Künstlern finanziell geholfen hatte, damit sie sich irgendwie über USA-Wasser halten konnten:  und half besonders auch der exilierten Verwandtschaft aus den geldlichen Verlegenheiten… Hierbei hatte Florence Homolka als Mäzenatin des Th.M. u.a. den Bau der Villa in Pacific Palisades, finanziell abgesichert.
Thomas Mann in der Rundum-Kritik zur „inneren Emigration – äußerte sich zudem nach dem Krieg: „… dass die Bücher von 1933 bis 1945 in Deutschland gedruckt werden konnten, weniger als wertlos und nicht gut in die Hand zu nehmen seien – ein Geruch von Blut und Schande ihnen anhafte: sie sollten eingestampft werden.“ Eigenartig: auch ein Ernst Jünger empfand sich wesentlich in der „inneren Emigration“ – zwar nicht im Verbund mit der Unöffentlichkeit so mancher Autorinnen und Autoren, die im Nazideutschland verblieben waren, dennoch: Ernst Jünger (der Pour le Merite-Träger des I. Weltkriegs) sieht (späterhin-verspätet) in seinem im Jahr 1939 gedruckten Buch „Auf den Marmorklippen“ eine un/deutliche Kritik an dem Nazi-Reich plus dessem AnFührer – vertarnt als „Oberförster“. Man könnte in die Sätze: „Ihr alle kennt die wilde Schwermut, die uns bei der Erinnerung an Zeiten des Glückes ergreift. Wie unwiderruflich sind sie doch dahin.“ – den Verlust der Vergangenheit vor dem Jahr 1933, hineininterpretieren, und Ernst Jünger ahnte sicherlich auch als militärisch geschulter Offizier (in der Funktion als Übersetzer und Lektor im Stab des „Befehlshaber in Frankreich“)) im besetzten Paris (Jünger wohnte im Luxushotel „Raphael“ – tat Dienst im Hotel „Majestic“), dass der Untergang des Nazideutschlands bevorstehen musste… Andererseits hatte Ernst Jünger in Paris von 1941 bis in den Sommer 1944: die besten (privaten) Kontakte zu französischen Intellektuellen, zu Schriftstellern und Künstlern – befand sich hierbei vielleicht sogar in seiner Weltläufigkeit im inneren Widerstand? Selbst wenn er schon im Januar 1926 diesem Adolf Hitler sein Buch „Feuer und Blut“ mit Widmung „Dem nationalen Führer Adolf Hitler“ übersandt hatte – ein nationalsozialistischer einverfügter Gedankenträger war Jünger in seiner elitären Individualität sicherlich nicht: ihm war dieser Hitler zudem zu sehr ein kleinstbürgerlicher Aufsteiger und vor allem kein Revolutionär in Ernst Jüngers freiheitlichem freigeistigen Sinne… Wie heißt doch der deutsche An-Spruch: „Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing´“… – diese „Unterwürfigkeit“ kollidierte ganz bestimmt mit Ernst Jüngers unverwechselbarem Selbstbewusstsein!
Die Exilanten und die (zumeist/zudem) Ausgebürgerten: hatten rechtzeitig erkannt, in welchem furchtbaren Nazi-System in Deutschland sie nicht leben wollten bzw. verfolgt wurden, worden wären bis hin zur Lebensgefahr in dieser Diktatur der Unmenschlichkeiten… Es waren Hunderte von SchriftstellerInnen, KünstlerInnen der verschiedensten Metiers – aber nehmen wir hierbei nur Oskar Maria Graf heraus, den dieser Adolf Hitler nach seiner Machtergreifung als Diktator sicherlich sofort hätte verhaften lassen und dies auch sein Todesurteil (Hitler hatte im „Völkischen Beobachter“ geschrieben: „Der Galgen stünde schon für OMG bereit!“) bedeutet haben müsste: zu sehr wurde Hitler von Oskar Maria Graf in der frühen Zeit in München der 20er-Jahre verhöhnt und er ihn zudem auch persönlich Auge in Auge beleidigt hatte… Und Oskar Maria Graf hatte die Nazibande offiziell nach den allgemeinen öffentlichen Bücherverbrennungen (O.M. Grafs Bücher waren zwar verschont geblieben) aufgefordert: „Verbrennt mich auch!“
Jener „Chamäleon“-Philosoph Martin Heidegger (1889-1976) – ein Kritiker der abendländischen Philosophie und auf der Suche nach dem neuen Weltverständnis einer grundlegenden philosophischen Ausleuchtung unter hermeneutischen und ontologischen Wegbereitungen: doch im genauen Betrachten seiner Zeit im Nationalsozialismus, er in Hitler nahezu messianische Fügungen zu entdecken schien und schon im November 1933 aufrief: „…zum Bekenntnis der deutschen Professoren zu Adolf Hitler“. Heidegger war kein Mitläufer (im selbstbedachten Nachhinein der „Reinwaschung“ zur Entnazifizierung), sondern ein durchgeistigter philosophischer Bedenkender in seiner konkreten politischen Einstellung zu dieser Diktatur des Adolf Hitler und dem Nationalsozialismus… Und in der späteren Rechtfertigung seines Beteiligtseins im Hitler-Staat, argumentierte Heidegger: dass er Hitlers Politik als „eine Rettung der abendländischen Kultur von den Gefahren des Kommunismus“ so besehen habe… Eigentlich erstaunlich, dass solch ein Philosoph nazi-euphorisch sozusagen kaum die verbrecherischen Elemente des Systems sich vorstellen konnte – doch gleichzeitig das Einfache, Schlichte, Ungebildete in der Masse des deutschen Volkes in solcher Existenz sich hätte (jede/r für sich und pars pro toto) auflehnen müssen/sollen gegen das Hitler-System… Welch ein kollektiv kontrastierender Widerspruch in und an sich! Hermeneutisches im subjektiven und intersubjektiven Sinnverstehen auf der individuellen Ebene zur Metaphysik. Alles klaro soweit im Museum der unausgefüllten Hirnunbelastungen zur Ausfüllung von fast nur 15 Prozent an erweiterbaren Möglichkeiten im jeweils persönlichen Menschendasein… Und noch einen Zusatz vom Wissen zur Unwissenheit von/zu der allgemeinen Jugend und der Schulbildung – respektive: Welche heutigen Massen-SchülerInnen kennen denn auch nur einige „Prominente“ der deutschen ExilantInnen aus der damaligen Nazizeit mit Namen, geschweige denn anteilig deren Werke und überhaupt: inhaltliche Lese-Verbindungen mit heutigen SchriftstellerInnen, KünstlerInnen und der Kunstbeteiligung im Detail? Garantiert (weiterhin vorerst?): null Bock! Jawoll – wir sind eine unverbindliche „Kulturnation“ ohne Kultiviertheit!
Aber kommen wir auf das mit privatem Engagement zu ermöglichende (plus Staatsgeldern?) Museum in Berlin zum Gedenken an die deutschen schriftstellerischen Exilanten und Exilantinnen der Nazizeit – das scheinbar in der Schwebe gehalten, nicht vom Staat die entsprechenden Gelder zur Vollendung und späteren Weiterführung (mit allen Folgekosten und dem personellen Aufwand zur Administration) bisher bewilligt werden… Es gibt besonders auch jüdische Einwände gegen dieses mögliche Museum! Die Direktorin des Jüdischen Museums in Berlin, kontert pro domo – indem dies DIE ZEIT so beschreibt: „Hetty Berg verweist nicht nur auf die Gefahr einer Verdoppelung musealer Tätigkeiten in der Hauptstadt, sondern sie besteht auch darauf, dass es eine einheitliche Perspektive des Erinnerns ans Exil nicht gibt. Sie will die jüdischen Erinnerungen bewahren, und die unterscheiden sich von den Geschichten jener, die aus politischen Gründen ausgebürgert wurden oder weil sie queer waren. Im Gedenken an all jene dann den Akzent auf die Verlustgefühle der Deutschen zu legen, drohte die Unterschiede der Schicksale einzuebnen und den Toten ihre eigene Stimme zu rauben.“ Und da wird noch ein Zusatz in dem ZEIT-Artikel hinzugefügt, und sicherlich hierbei nicht aus dem Zusammenhang „gerissen“: „Es kommt nicht mehr so sehr darauf an, einen umfassenden Rahmen zu konstruieren, innerhalb dessen Deutsche die einstige Selbstzerstörung ihrer Kultur betrauern.“ Anders bedacht im Unverständnis solcher Aussagen in die Nachkriegszeit hinein: Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland eine unvorstellbare Selbstzerstörung an innerer Kultur uns zugefügt – indem wir durch politische Verfügung uns immer weiter entfernen mussten von jedweder deutschen Identität, ja geradezu diese Mentalitäten zu verleugnen, eingefordert wurden und werden! Und nirgendwo in der Welt wird diese grauenhafte Tragik der Geschichte (1933-1945) so elementar in die jeweilige Gegenwart der Deutschen hineintransferiert und zentralisiert wie in diesem Land der somit endlosen Inhaftierung des Vergangenen… Und hierbei stellt sich endlich die notwendige Frage: Wann können die jetzige Generation und die in der Zukunft: von diesen Anklagen und Anfeindungen sich weiterhin nicht distanzieren – oder doch: sich jener Nazischuldig-verordneten Anfesselungen, gültig entledigen. Die heutigen (und Generationen zuvor) deutschen Menschen sind weit entfernt von jenen Zeiten des Vernichtens und Massenmordens, jenes II. Weltkriegs – und in dem Zusammenhang dies zu bedenken: War dieser Krieg vor allem nicht auch ein weltpolitisches grauenvolles Mächteringen zwischen Kommunismus, Faschismus und Kapitalismus. Hatte nicht der britische Premier Winston Churchill kurz nach Kriegsende im Jahre 1945 aufgrund des startenden „Kalten Krieges“, antikommunistisch verlautbart: „Wie have killed the wrong pig!“ Das hat aber nichts mit einer irgendwie deutschen EntSCHULDung zu tun!
Überall im jetzigen Deutschland sind die Mahnmale in Formen von Museen, Gedenkstätten, jüdischen Einrichtungen: tägliche Überschwemmungen an Warnungen fürs und im Alltagsleben UNS systematisch (unausweichlich) zugemutet – kein Tag ohne Hinweise auf diese Nazi-Vergangenheit und die entsprechenden Abrechnungen bis ins Detail zu den somit finanziellen Einforderungen… Die Deutschen haben zu zahlen, sich beständig devot zu verhalten und „in Sack und Asche zu gehen“! Martin Walser sprach von der „Auschwitzkeule“ und wurde dadurch entsprechend boykottiert, bis er diesen Begriff einer „deutschen ewigen Anfesselung an jene Zeitgeschichte“ zurücknahm und seine Aussage abtrennte; jedoch wohl innerlich (für sich) nicht „weisungsgebunden“ revidierte. Und eines ist doch sicherlich richtig einzuordnen: Ohne den Hitlerschen (ob Angriffs- oder zeitbetrachteter als Präventiv-)Krieg gegen die Stalin-Sowjetunion – wäre dieser kommunistische Koloss in jener Kausalität Jahrzehnte später dann nicht zusammengebrochen: war es zeitbezogen mitbedacht, das (zuvor schon mitvorhandene) Ende dieses diktatorischen Imperiums. Somit: ein Museum der schriftstellerischen und künstlerischen Exilanten hat seine dringende Bedeutung, zeigt es dann doch auf: dass ein großer Anteil der deutschen künstlerischen Kreativen dieses Land des diktatorischen Wahnsinns: verlassen haben – nicht nur als Verfolgte, sondern auch aus der inneren ethischen Disziplin ihrer jeweiligen Einstellungen zur Mitmenschlichkeit und zu den Tugenden der absolut unausweichlichen Freiheit(en). Berthold Brecht kam zurück nach Deutschland aus den USA – dort später auch ein Verfolgter seiner ideal-verbrämten kommunistischen politischen Einstellung: ging dieserhalb dann „zwangsläufig“ in die Deutsche Demokratische Republik – wo ihn alle vorzeigbaren Privilegien erwarteten: somit eher ein Edelkommunist mit dem Vorzug des dortigen Luxus (zur einfordernden Person) bis hin zu seinem eigenen Theater in Ostberlin am Schiffbauerdamm (jetziges „Berliner Ensemble“) und seiner zuvor einbedungenen Narrenfreiheit als der weltweit (und sich selbst so erfühlende) einzigartig(st)e B.B. – der zudem (auch als Plagiator) erkannt hatte: „Es gibt kein geistiges Eigentum!“
Erinnern wir uns doch auch an die Anfänge der Gruppe 47 – die einen (jüdischen) Paul Celan (geb. als Paul Antschel – 1920-1970) eher distanzierten und somit auch seine Lesung zur „TODESFUGE“ nicht würdigten oder verstehen wollten/konnten – „…dein goldenes Haar Margarete/dein aschenes Haar Sulamith“. Späterhin hatte der jüdische Marcel Reich-Ranicki (auch dort in der Gruppe 47 anwesend) sich zum führendsten Literaturkritiker der deutschen Literatur in Deutschland aufgeschwungen, sicherlich auch in der Unbezwingbarkeit seines entsprechenden sakrosankten Schutzschildes, doch dann mehr noch in der anwachsenden Kultiviertheit seiner konzentrischen Verfügungen zu dem conditio sine qua non seiner gelehrigen Beurteilungen, wobei er öfter falsch sich desorientierte (zur modernen Literatur) in seiner doch zu sehr rückwärts gerichteten sich klassisch einverordneten Literaturauffassung: „Unterhalb der Qualität von Goethe und Thomas Mann lasse ich kaum etwas gelten!“ In der Übertragbarkeit des verwaltbaren Bedenkens einer auflehnenden Flucht aus jenem Nazi-Deutschland: würden wir Deutschen uns auf ein neues Museum des Erinnerns in Berlin sicherlich (zwar weiterhin unentSCHULDbar) vorbereiten können – jedoch zudem vorrangig wäre dieses Verständnisempfinden in den deutschen Schulen einzubeziehen: dort hapert es jedenfalls gewaltig in den Unterbauungen an der Schulung und dem Wissen zu diesen damaligen Exilierten aus der Nazizeit und dem Widerstand im Ausland durch die Gegenpropaganda der „guten Deutschen“! Hier begänne doch in den Köpfen der Jugendlichen: dieses Museum sich innerlich auch einzurichten, um es dann in der Erweiterung des Verständnisses besichtigen und verstehen zu können und diese Kompliziertheiten von den inneren und äußeren Fluchtbildern her zu verstehen…
Hierbei verstehe der RvM die Direktorin Hetty Berg des Jüdischen Museums nicht wirklich bezüglich des Mitbesichtigen zu jenen Zeiten, wenn sie äußert: „Sie will die jüdischen Erinnerungen bewahren, und die unterscheiden sich von den Geschichten jener, die aus politischen Gründen ausgebürgert wurden oder weil sie queer waren. Im Gedenken an all jene dann den Akzent auf die Verlustgefühle der Deutschen zu legen, drohte die Unterschiede der Schicksale einzuebnen und den Toten ihre eigene Stimme zu rauben.“ Ganz im Gegenteil – es zeigt einen jeweiligen persönlichen Widerstand auf, der sich durch Abtrennung von dem Nazi-System ins Exil, verdeutlicht! Und was bedeutet denn der Begriff „queer“ – wenn die erkannte Homosexualität in der NS-Zeit: die Einlieferung ins KZ bedeutete – und in der Zuordnung einer Ethnie: über 500.000 Sinti und Roma („Zigeuner“) in den Konzentrationslagern ermordet und vernichtet wurden… Hierbei kann es keine Ausschließlichkeit des Erinnerns an den Holocaust geben und könnte dadurch auch nicht erweiternd: „… die Unterschiede der Schicksale einebnen und den Toten ihre eigene Stimme zu rauben.“. Jede Tragik des Vernichtens hat ihre zeitlose Trauer und Anklage an das Menschsein, und ebenso auch an die Tatsache, dass in uns Menschen dieses Bestialische vorhanden ist. Was dem RvM-Leserbriefschreiber besonders zu der Erkenntnis brachte: dass kein „Gott“ (jedweden Religions-Fanatismus) existieren kann – und wir Menschen unser eigenes selbstverschuldetes, grauenhaftes Menschenfeindbild sind! Wie kann ein Gott „Jehova“ sich als „Allmächtiger“ so fern von „seinem Volk“ in dieser Vernichtung, befunden haben – wie solch ein Glaube dann noch weiterempfunden werden, ohne gläubig zu verzweifeln… Das ist die Anfrage eines RvM-Atheisten, der in diesem Menschendasein keinen Glauben auffinden kann!

Daher zu dieser Besichtigbarkeit des Trauerns auf Erden: somit wäre auch in Berlin ein großes deutsches Museum notwendig, um sich an die ehemaligen deutschen Ostgebiete-Heimaten und die Vertreibung von etwa 14 Millionen Deutsche und über einer Million hierbei Ermordeter: zentriert in solch einem Museum erinnern zu können – zudem die menschlichen und kulturellen Verluste in diesem einstigen deutschen Bereich, den früheren Heimatländern und zu diesen Regionen… Warum trauen WIR uns nicht, UNS zu dieser deutschen Vergangenheit mit einem hauptstädtischen Museum, zu orientieren – diese Heimaten-Verluste zwar geographisch (ohne revanchistische Assoziationen) auszugrenzen, aber dennoch in uns als einst Gewesenes im deutschen Erinnerungsbild zu erhalten: man verschleudert doch kein Erbe ohne Not und muss im Gedenken sich selber als Nation auch treu bleiben können! Thomas E. Schmidt schreibt in DIE ZEIT die folgenden Zeilen zwar in einem anderen Zusammenhang: „In den vergangenen Jahren ist Erinnerungskultur sensibler geworden für die Frage: Wer signalisiert Aufmerksamkeit, und wessen Zeugnisse hält er damit gegenwärtig? Also: Wer definiert die Vergangenheit? Mittlerweile steht im Vordergrund, das Geschehene in den Erfahrungen der jeweiligen Opfer lebendig zu halten…“ Und den darauffolgenden Satz möchte der RvM in dieser Fortschreibung nicht so unkritisch anhängig machen: „Es kommt nicht mehr so sehr darauf an, einen umfassenden Rahmen zu konstruieren, innerhalb dessen Deutsche die einstige Selbstzerstörung ihrer Kultur betrauern.“
Dresden als schreckliches Beispiel einer kulturellen Zerstörung, war sicherlich keine deutsche Selbstzerstörung im Sinne der menschlichen Verantwortung des internationalen kulturellen Menschseins. Und auch nicht Hiroshima und Nagasaki durch den Abwurf der Atombomben – zu diesen Vernichtungen die JapanerInnen die einstige Selbstzerstörung ihrer Kultur betrauern. Und ganz sicherlich nicht die Nord-und-Südamerikanischen Ureinwohner, die durch die Gegenwehr und versuchte Abwehr gegenüber den Europäischen Eindringlingen und Okkupanten in ihre Territorien – sie dadurch die einstige Selbstzerstörung ihrer Kultur betrauern. Um sich nur vorstellen zu müssen, dass im Jahre 1872 ein weißer Europäer als Skalp-Jäger in irgendein US-Sheriff-Office kommt, und offiziell für 30 Skalpe von Indianern (Kinder-, Frauen-, alte Männer-„Skalpe) jeweils einen Silberdollar ausgezahlt bekam… Von der USAmerikanischen Regierung so angewiesen als ein Vernichtungsanteil der indigenen („Indianer“)-Völker in Nordamerika…
Wir könnten diese Verschuldungen des homo sapiens, diesem Wahnsinnskonstrukt einer entsprechend durchgeknallten Natur (wobei das Aussterben der Saurier es erst ermöglichten, damit die späteren Menschen existieren konnten…) in alle Zeiten rückverfolgen bis in die heutige Zeit in den Kriegen zwischen Russland und der Ukraine, Israels und den Palästinensern (der Hamas und anderen Organisationen)… Vordergründig sind es immer die Religionen und Ideologien: die uns Menschen weltweit gegeneinander diskriminieren und aufhetzen und zu Bestien werden lassen können! Um Jean-Jaques Rousseaus zu zitieren: „Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern, dass er nicht tun muss, was er nicht will.“ – und desweiteren: „Warum die Hölle im Jenseits suchen? Sie ist schon im Diesseits vorhanden, im Herzen der Bösen.“
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld


Leserbriefe zu „Sie werden nicht kampflos untergehen“. Gespräch mit Naomi Oreskes geführt von Maximilian Probst und Stefan Schmitt

Vater A. Smith, der Volkswirtschaftslehre nahm an, dass der Bäcker aus Eigeninteresse keine Steine in sein Mehl mischt. Okay, beim Bäcker leuchtet das Beispiel ein. Vater Marx nahm an, dass der Kapitalismus als geistiger Referenzrahmen das Eigeninteresse an der Kapitalentwicklung fördert. Nun; nicht völlig falsch. Das Klimarisiko offenbart uns einen kollektiven Willen der Natur, der unabhängig unserer monetären Bewertung funktioniert: es sind unsere Kohlenstoffemissionen, die ein lebensfreundliches Holozän in ein risikoreicheres Anthropozän transformieren. … De facto existiert entgegen der Volkswirtschaftslehre ein zweiter kollektiver Wille im Markt – der Gütermarkt! Der Meadow-Report weist uns auf eine naturgegebene begrenzende Angebotswirklichkeit hin. … Wie wirkt Evolution, wenn physikalische Bedingungen gelten? Sind die Profiteure vom monetären Akkumulationssystem das Problem oder eine Politik, die im 21 Jahrhundert noch an „neofeudalistischen Praktiken“ festhält? Warum darf selbst in aufgeklärten Demokratien das Volk nur über die Vermögensverteilung und nicht über Vermögensverteilung und Ökosystem bei jeder Transfer-Entscheidung mitwirken?
Matthias Losert

Was für ein Zufall: Aufgrund der Lektüre von „The Misinformation Age“ von Cailin O’Connor und James Owen Weatherall (sehr empfehlenswert, wenn man die Mechanismen von Wissensverbreitung verstehen möchte; haargenau dieselben Mechanismen können auch zur Ausbreitung von Aberglauben und Mythen führen, Stichwort „Skythisches Lamm“, das angeblich die Frucht eines Baums ist und von dem viele, auch gelehrte, Leute jahrhundertelang glaubten, dass es tatsächlich existiere) habe ich mir vor gerade einmal etwa 2 Wochen „Merchants of Doubt“ über die Machenschaften der Tabakmafia als E-Book gekauft und passenderweise wird die Autorin jetzt von Ihnen interviewt. Der dazugehörige Film hat ja ganz gute Kritiken bekommen, wahrscheinlich lege ich mir den nach der Lektüre auch noch zu. Momentan gibt es ja so einige interessante „Muckraker“-Bücher, die sich mit manipulierter „Wissenschaft“ beschäftigen. (Das Kaufen von angeblichen „Experten“ ist sogar weniger effektiv als die Positionierung von Propagandisten an den Schlüsselstellen zwischen Politik und Wissenschaft, auch „faire“ Journalist*innen können dazu beitragen, dass sich Unfug bzw. die schlechtere Hypothese unnötig stark verbreitet.) „Dark Money“ von Jane Mayer habe ich schon durch. Kenneth P. Vogel beschäftigt sich in „Big Money“ ebenfalls mit dem Einfluss der Superreichen auf die Politik. „Empire of Pain“ von Patrick Radden Keefe über den Sackler-Clan, der die USA mit Opioiden überschwemmt hat, verspricht auch noch eine interessante Lektüre zu werden. Spannender als die meisten Krimis. Die kriminelle Energie ist auch viel höher als in irgendwelchen Kriminalromanen, allein schon durch die höhere Zahl an potenziellen Opfern.
Thomas Manthey


Leserbriefe zu „WIE ES WIRKLICH IST … Geburten zu fotografieren“ aufgezeichnet von Verena Carola Meyer

Die Arbeit und die Eindrücke von Jennifer Schäufelin haben mich sehr berührt. Während des Lesens, als mir Tränen in die Augen stiegen, sah ich die kleinen Köpfchen meiner Kinder wieder auftauchen, als sie den Bauch der Mama verlassen wollten. Meine Frau entwickelte eine unendliche Kraft und einen unendlichen Willen. Es war so unfassbar spannend und faszinierend, das als Vater mitzuerleben. Ein Wunder! Das Größte, was wir auf dieser Welt haben dürfen! Per Kaiserschnitt bekamen wir noch eine weitere Tochter. Auch dies durfte ich live miterleben. Heute sind unsere „Kleinen“ 39, 37 und 34. Und es ist immer noch ein Wunder!
Ulrich Niepenberg 

Die symbolische Zeichnung des gerade geboren werdenden Kopfes des Kindes stellt eine relativ schwierige Geburtsvariante dar: das Gesicht zeigt nach oben, also ein Sterngucker; im volkstümlichen Sinne. Soweit ich die Vulva Darstellung gedeutet habe. War das Absicht? Dies eigentlich nur so als nebenbei Bemerkung eines langgedienten älteren Geburtshelfers. Sonst möchte ich noch meine Hochachtung der Redaktion zollen für ihre immer alle Seiten beleuchtenden Aspekte der Artikel mit sehr tief recherchierten Fakten. Es ist mir immer wieder eine Freude sie zu lesen.
Ulrich Zacharias


Leserbriefe zur Infografik „Im Schlaf“ von Kim-Melina Bertram (Infografik) und Christoph Drösser (Recherche)

Das kann doch gar nicht sein: Dass bei den Inhalten, von denen die Deutschen träumen, ein Thema überhaupt nicht vorkommt: Sex. Schon der Kirchenvater Augustinus hat im 4. Jh. – nachdem er Wegweisendes für die Katholische Kirche geleistet und die Sexualität als Sünde definiert hat, in den Confessiones geschrieben, dass in seinen Fantasien sexuelle Bilder leben, die er tagsüber zwar unterdrücken kann, „aber im Schlafen führen sie nicht nur zu Lust, sondern auch fast zu Zustimmung und Tat“. Kann es wirklich sein, dass keiner der modernen Menschen, die in den genannten Studien befragt wurden, zugegeben hat, dass er manchmal sexuelle Träume hat? Oder haben die Forscher und Forscherinnen überhaupt nicht nach dieser inhaltlichen Kategorie gefragt? Könnte es sein, dass in den Wissenschaften ein neues Zeitalter der Prüderie angebrochen ist? Ich jedenfalls bekenne, in Berufung auf Augustinus: me too.
Gerold Hofmann

Wie können 81% der Deutschen anderen Menschen von ihren Träumen erzählen, wenn sich 31% nie an sie erinnern?
Kristine Risløv


Leserbrief zu „Wetten, dass…ein Bagger autonom arbeiten kann?“ von Rebecca Stegmann

„Das hat mit meiner Fernsehtätigkeit oder meinem Erfolg nichts zu tun, sondern einfach mit männlicher Eitelkeit. Irgendwann ist es ja sowieso zu Ende“, das Zitat ist wieder ein echter Gottschalk! Thomas Gottschalk hat mit „Wetten, dass…?“ fertig, aber bei ihm, da weiß man das nie so ganz haargenau, ob er das, was er gerade sagt, auch gerade noch so denkt! Der Komiker, Schauspieler und Entertainer Heinz Erhardt (1909-1979) hat das so formuliert: „Glaube nicht alles, was du denkst!“ Eigentlich war „Wetten, dass…?“ schon immer eine Sendung für uns alte Knochen, auch wenn wir damals, als Gottschalk übernahm, nicht mal so alt waren, aber sei´s drum, jetzt sind wir´s. Junge Menschen werden Gottschalk nicht vermissen, denn wen man nicht kennt, den vermisst man auch nicht. Übrigens könnte man in der Apotheken-Umschau vom 15. Nov. 2023 (aber nur bei Bedarf) einiges über Thomas Gottschalk und seiner Partnerin Karina Mroß zum Thema „Glaub´es oder glaub´es nicht“, erfahren.
Klaus P. Jaworek


Leserbrief zu „Die Coachin“ „Wie kann ich im Großraumbüro ungestört arbeiten?“ aufgezeichnet von Linda Tutmann

Sie ganz sicher nicht, sonst würden Sie die Frage doch gar nicht stellen. Kündigen und einen Laden finden, wo Sie im Einzelzimmer arbeiten. Sensibel wie Sie sind, fehlt Ihnen dann aber das Gebrumme und der unterschwellige Lärm. Da hilft nur in Frührente gehen, Sie sind ja schon 58, wie Sie sagen. Wenn Ihnen dann plötzlich das Gebrumme und Gesäusel fehlt gehen Sie auf den Wochenmarkt oder einen Bahnhof. Und basta mit dem Gejammer.
Hans-Emil Schuster


Leserbrief zu „Nein, das sind keine Streifen. …“ von Hanno Rauterberg

Ich gehe einfach mal davon, dass sich beide Künstler, Günter Fruhtrunk (1923-1982) und Joseph Beuys (1921-1986), auch persönlich gekannt haben dürften. Arbeiten von beiden Künstlern gibt es bzw. gab es bei uns im Neuen Museum Nürnberg (NMN) zu sehen. Beide Künstler waren im 2. Weltkrieg und beide wurden dort schwer verwundet. Diese unmenschlichen Kriegsjahre, die haben sicherlich bei beide Künstlern sehr große Spuren, sowie auch in ihren Werken hinterlassen. Joseph Beuys starb mit 64 Jahren und Günter Fruhtrunk ist mit 59 Jahren aus dem Leben geschieden. In Bonn und München werden nun Werke von Günter Fruhtrunk gezeigt, der heuer seinen 100. Geburtstag hätte feiern können. Zurzeit gibt´s im NMN einige Arbeiten von Joseph Beuys zu bestaunen, wer die Arbeiten von Günter Fruhtrunk sehen will, der muss reisen! Beide Künstler haben mich in meiner künstlerischen Tätigkeit, in gewisser Weise auch beeinflusst und werden mich bestimmt auch weiter und immer wieder beeinflussen.
Klaus P. Jaworek


Leserbrief zu „Boostern gegen Krebs“ von Harro Albrecht

Ihr Artikel ist sehr interessant, aber für einen Nichtbiologen doch unverständlich. Sie hätten um den Mechanismus verständlicher zu machen, detaillierter erklären müssen, wenn das dann sicher auch anstrengender wird, aber Ihren Lesern zumutbar ist.
Hans Stegemann


 


Leserbrief zu „Im Dunkel hofft er aufs Licht“ von Ulrich Stock

Seit vielen Jahren ist Bill Frisell für mich so wichtig wie die „Elfie“ für Hamburg… Sie haben sehr schöne Worte gefunden, seine Kunst zu beschreiben, dafür vielen Dank!
P. Stümpert


Leserbrief zu „Hier soll Deutschlands Zukunft hin“ von Merlind Theile

Deutschland will auf den Weg in eine Co2-neutrale Zukunft mit Macht vorankommen. Ganz Deutschland? Weit im Norden gibt es jenen Landkreis, Dithmarschen, da ist die Tradition der Unbeugsamkeit sehr lebendig. Hier geht es um die Frage, der Co2-neutralen Zukunft in Form einer Batteriefabrik Einlass zu gewähren oder eben nicht. Die Zukunft hat in Deutschland keine Vorfahrt. Der Bund verfügt nicht über die Möglichkeit des Durchregierens, denn die Macht in Deutschland ist geteilt. Auf der untersten Ebene gibt es die kommunale Selbstverwaltung und die gemeindliche Planungshoheit. Tatsächlich ist Dithmarschen überall, wenn es um überregional bedeutsame Projekte geht. Eine langsam ungeduldig werdende Zukunft trifft immer auf eine selbstbewusste und kampfbereite Heimat. Zukunft ist ein sehr starkes Argument. Aber ein Gewinn an Zukunft beinhaltet stets auch einen Verlust. In der gelebten Gegenwart geht es immer darum, für den Verlust bereit zu sein, um ein Stück der noch unbekannten und fernen Zukunft zu gewinnen. Es geht um gute Argumente, um Überzeugung und um angemessenen Ausgleich für den Verlust.
Reinhard Koine


Leserbrief zu „Von hier an geht’s bergauf!“ von Berit Diesselkämpfer

Nach gefühlt hundert Meckermails für diese Seite einfach ‚mal danke. Und an die ZEIT – geht doch.
Wolfgang Burkhardt.


Leserbrief zu „Was geschah im Stadtpark?“ von Christoph Heineman und Elke Spanner

Jungen Menschen fehlt es oft an einem Verständnis für Moral, Anstand, Respekt und Disziplin. Ich plädiere darum dafür, dass die Bundeswehrpflicht wieder eingeführt wird. Ab 16!
Michael Ayten


Leserbrief zu „Wünsch dir was!“ von Anna-Elisa Jakob in ZEIT leo, die Seite für Kinder

Alle Jahre wieder, aber auch immer wieder nett: ein Bericht über die Wünsche, die Kinder zu Weihnachten haben, welche dieser Wünsche immer gleich bleiben, welche sich im Lauf der Zeit geändert haben und wie sich die Kinder an den Weihnachtsmann wenden können. Damit die Filiale in Himmelpfort nicht zu stark überlastet wird: man kann ihn u. a. auch in Himmelsthür (Stadtteil von Hildesheim) postalisch erreichen.
Thomas Manthey


Leserbrief zu „OHNE STROM. Fruchtfliegenlebendfalle“ von Mirko Borsche im ZEIT Magazin

Ich kann Ihnen die Fruchtfliegenlebendfalle „Fruchtfliegen-Retter“ von Dr. Reckhaus aus Bielefeld empfehlen. Bei mir hat sie den ganzen Sommer und Herbst super funktioniert und vielen Fruchtfliegen das Leben gerettet.
Jutta Haneberg


Leserbrief zu „Stimmt’s?“ von Christoph Drösser

Ich habe vielleicht eine Ergänzung zu Ihrem Artikel. Während meines Medizinstudiums erinnere ich die Anatomievorlesung an der Universität zu Köln Ende der 1970er Jahre. Der Anatomieprofessor Benno Kummer erklärte uns Studenten die Laufüberlegenheit schwarzer Läufer damit, dass diese evolutionär über ein ausgeprägteres Fersenbein verfügen würden. Dadurch kann die Wadenmuskulatur über die Achillessehne über einen längeren Hebelarm wirken und die Sprungkraft erhöhen. Zumindest aus mechanischer Sicht schien das einleuchtend. Ob diese anatomische Besonderheit heutzutage aus anthropologischer Sicht noch gilt, entzieht sich meiner Kenntnis.
Jens Kohfahl