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7. Dezember 2023 – Ausgabe 52

 

Leserbriefe zu „Wucht“ von Bernd Ulrich

Scheinbar setzen Transformationen (auch) weltweit politische Dynamiken und soziale Energien frei, die unsere bisherigen Zugänge des Verstehens verstopfen. Integration und Rationalität als gesellschaftlicher Klebstoff einer industriezeitlichen Moderne lösen sich in digitalisierte Granulate und andere Sichtweisen zerstörende Blasen auf. Deren Spaltungspotenzial in Gestalt destruktiver Dynamiken lädt sich gefühlsmäßig auch an nie aufgearbeiteten Verletzungen uralter Psycho- und Machtspiele (des „Westens“) auf. Widersprüche werden zu Paradoxien, in ihren Logiken irrational und es entsteht Komplexität als eine bestimmende Kulturform dieser „nächsten Gesellschaften“, der wir mit unseren Mentalitäten zunehmend hilflos gegenüberstehen.
Wolfgang Klöckner

Gegen den Westen zu sein, mag „volkstümlich“ und „avanciert“ sein. Doch offensichtlich ist genau dieser Westen attraktiv genug, um zum bevorzugten Fluchtpunkt für Menschen aus dem Globalen Süden zu werden. Die Wucht der „payback time“ wäre besser eingesetzt, würden die Autokraten dieser Erde sich zuvorderst ums eigene Volk und weniger um die eigenen Ressentiments kümmern. Wer nach Befreiung von westlicher Vorherrschaft ruft, sollte sich dann konsequenterweise auch von westlicher Fürsorge und Finanzierung befreien. Dazu passt der Artikel auf Seite 9 der gleichen Ausgabe: „Warum wollen sie weg?“  – über die steigende Zahl von Flüchtlingen aus der Türkei nach Westeuropa. Moral verkauft sich gut in Sonntagsreden. Die Realität hat damit nichts zu tun. Wie meistens… Vielen Dank für Ihren Beitrag. Die aktuelle „ZEIT“ hat mich wieder einmal hervorragend informiert und inspiriert.
Thomas Meichle

Die Vergangenheit holt den Westen ein. Der antiwestliche Reflex ist – zu Recht – ein Produkt des Kolonialismus und den späteren Kriegen der USA. Der Nachkolonialismus der Franzosen in Afrika hatte überdies eine besondere Note mit Hofierung der dortigen Potentaten. Zu kurz kommt bei alledem unser deutscher Beitrag. Es hätte die Chance bestanden, jenseits der Weltkriegsgräuel einmal etwas Positives zu vermelden. Denn die deutsche Kolonialvergangenheit war kurz und ohne Nachhall. Die Verbrechen in Namibia werfen natürlich einen Schatten auf unsere moralische Integrität, sie sind aber gegenüber dem Gräuel z. B. der Belgier im Kongo fast zu vernachlässigen. Deutschland hat keine weiße Weste, aber das Büßerkleid müssen zuerst andere tragen. Das Land undifferenziert in Gesamtverantwortung mit dem Westen zu nehmen, grenzt an Masochismus und schadet unserem ehrlichen, vielleicht naiven Multilateralismus.
Christoph Schönberger

Ich musste erst einmal die Suchmaschine für den Ausdruck „Berlaymont“ bemühen. Ich frage mich, wie viel Prozent der ZEIT-Leserschaft damit etwas anfangen können. Sie stellen ja ganz schön viele Fragen, haben aber auch durchaus richtige Antworten parat. Die One-Love-Binden sollte man durch One-Hate-Binden für all die Verbrecherstaaten, die sie genannt haben, ersetzen. „Der Westen“ mag recht heuchlerisch sein, aber ich lebe immer noch lieber in einem grundsätzlich friedlichen, rechtsstaatlich-demokratischen Land als unter welchem Verbrecherregime auch immer, wo die Menschenrechte mit den Füßen getreten werden.
Thomas Manthey

Ist es Payback-Energie als eine geschichtsphilosophische Kraft, die unsere Geschichte zurzeit antreibt? In der Motivgemengelage, die die Konflikte befeuert, ist sicherlich immer auch die angewachsene historische Schuld des Globalen Westens mit dabei. Oder ist es nicht eher das enorme Gefälle, das in den letzten Jahrhunderten zwischen den reichen und den ärmeren Ländern dieser Welt geschaffen wurde, das nun in einen Ausgleich mündet? Wo die Ungerechtigkeiten in der Verteilung von Wohlstand und Lebenschancen in dieser Welt offenkundig, unhaltbar und unerträglich geworden sind, beginnen die betroffenen Länder des Globalen Südens sich zu wehre (freilich mit allerhand fragwürdigen Trittbrettfahrern). Angesichts der großen Fallhöhe trifft diese Entwicklung den Globalen Westen mit großer Wucht. Bernd Ulrich zeichnet das Lagebild eines Weltbürgerkriegs, der sich parallel zum Klimawandel aufbaut. Wo wir gegen den Klimawandel einen weltweiten Zusammenhalt bräuchten, vertiefen sich zurzeit die Bruchlinien zwischen dem Globalen Süden und dem Globalen Westen. Wir sollten eher an den Ungerechtigkeiten ansetzen als an der akkumulierten Schuld, um diese Bruchlinien zu überwinden. Natürlich geht es weiter auch um Schuld und Sühne, und um eine neue Kalibrierung von Macht und Schuld. Wirksamer wäre aber, Geben und Nehmen weltweit neu zu kalibrieren. In dieser Perspektive ist der Klimawandel sogar eine Chance.
Reinhard Koine

Welche Freiheit besteht und welche ist aus der Sicht gefährdet? Die radikalsten Folgen aus einem auch historisch zu sehenden Wandern von Kulturkreisen. Während sie zu früheren Zeiten aus einer kommunikativen Begrenztheit nur Teile der Erde betrafen, wirken derartige Veränderungen heutzutage global. Dazu kommt eine partizipatorisch unterschiedliche Relevanz auf den Ebenen der jeweiligen Generationen. Meine Generation – 77 Jahre – beschränkt ihre Sicht der Dinge auf die räumlich-gesellschaftlichen Nachvollziebarkeiten eines Kontinents bestenfalls, während die jungen Menschen eine natürliche Sichtweise auf globale Wirkungsfolgen und Partizipateure entwickelt haben und traditionelle kulturelle und religiöse Bindungen eher fragwürdig betrachten. Dabei sind sie die verlässlicheren Garanten einer Demokratie als wir Alten. Ihnen erscheinen antireligiöse bis hin zu antidemokratischen Auffassungen in einer Demokratie erlaubt, weil es zu ihrem Selbstverständnis einer Demokratie und ihrer Meinungsfreiheit zählt und nur in diesem Verständnis ein friedfertiger Austausch möglich sein kann. Ihre radikalen und harte Konsequenzen einfordernden Reaktionen stellen sich ein, wenn demokratiefeindliches und menschenverachtendes Handeln die politische Argumentation bestimmt. In diesem Verständnis schürt eine politisch bestimmte Staatsräson nur Misstrauen bei den jungen Menschen, erst recht ohne eine Begründung.
Jürgen Dressler

Sicherlich erinnert die derzeitige geopolitische Lage an den kalten Krieg, allerdings mit einem Unterschied: große Nationen wie China und der globale Süden spielten damals in diesem Zusammenhang nur eine untergeordnete Rolle. Das hat sich dramatisch geändert. Diese Veränderung bzw. Emanzipation hat dem “Westen” nicht unbedingt gutgetan. Im Kontext zu den Sanktionen gegen Russland hat Südafrika auf Anfrage geantwortet: Ihr habt uns bislang nicht gefragt, nun gehen wir unseren eigenen Weg, folgen unserer eigenen Meinung. Diese Haltung resultiert offenkundig aus dem mangelnden Respekt, den die Staaten bislang erfahren haben. Vermutlich ist das auch ein wesentlicher Aspekt im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg. Nach dem unsäglich grausamen Überfall der Hamas, der weder politisch noch ethisch zu rechtfertigen ist, hat Israel zweifelsohne das Recht, sich zu wehren. Es bleibt die Frage nach den Zielen. Derzeit wird formuliert: man will auch noch den letzten Hamas-Krieger in Gaza eliminieren. Und dann? Die führenden Köpfe der Hamas sitzen in den Golf-Staaten. Will Israel sie dort verfolgen? So lange es so etwas wie die bekannte israelische Siedlungspolitik gibt, wird es die Hamas geben. Diese Politik ist die Lebensversicherung der Hamas. Eine Lösung ist nur denkbar, wenn man sich auf einen respektvollen Umgang mit den Palästinensern einlässt. Das wäre eine echte Zeitenwende. Otto von Bismarck formulierte: “Staaten haben keine Freunde, nur Interessen.” Respekt ist kein Interesse, er ist ein Wert. Solange eine solche Transformation nicht eintritt, werden wir den “kalten Krieg” nicht überwinden, lässt man sich nicht darauf ein, kommt der nächste Gaza-Krieg mit absoluter Sicherheit.
F. Kleiner

Es ist ja kein Naturgesetz, dass der Westen ewig eine globale Übermachtsposition einnehmen muss und soll. Das Weltgeschehen ändert sich stets, alte Bündnisse brechen auf, neue werden geschmiedet. Die Beweggründe dafür sind unterschiedlich und kompliziert. Womöglich sogar das (verständliche) Interesse, am Ende auf der Seite der „Sieger“ zu stehen. Den Westen auf die Zeit des Kolonialismus oder Postkolonialismus zu reduzieren, ist falsch. Genauso falsch ist die Erwartung auf eine komplette moralische Integrität des Westens. Die kann wohl niemand bieten, auch nicht der globale Süden oder der Osten. Bernd Ulrich schreibt, dass der Machtverlust des Westens die internationale Politik vielleicht demokratischer machen könne, aus dem Rest der Welt noch lange keine Demokratien. Diese Analyse trifft zu, denn von einem Abstieg des Westens profitieren auch autokratische und totalitäre politische Systeme und deren Machthaber. Sie haben keine demokratische Legitimation durch ihre Bevölkerung, deren Freiheit ist eingeschränkt oder kaum vorhanden, Menschenrechte sind zweitrangig.
Deshalb finde ich es auch so erschreckend, dass eine westliche junge Elite dies nicht sehen will. Zu unbequem für das eigene Weltbild? Dass ihre antiwestliche Sicht ohne staatliche Repressalien bleibt, haben sie letztendlich ihrem privilegierten und freien Leben im Westen zu verdanken. Zu denken geben sollte ihnen auch, dass Menschen aus dem globalen Süden massiv in den Westen flüchten oder flüchten wollen, aus Ländern in denen Krieg, Armut und Hoffnungslosigkeit herrscht. Hier ist tatsächlich payback-time angesagt, die Fluchtursachen müssen viel aktiver bekämpft werden. Der Westen ist aber nur dazu in der Lage, wenn er seine wirtschaftliche Stärke erhält und den fortschreitenden Rechtspopulismus in den Griff bekommt. Wohlfeile antiwestliche Sprüche helfen da gar nicht, und gegen den Westen zu sein, weil dies volkstümlich oder gerade opportun ist, finde ich sehr leichtsinnig. Ein Spiel mit dem Feuer.
Regina Stock

Während sich iranische Frauen in ihrer Sehnsucht nach Freiheit das verhasste Kopftuch herunterreißen, tragen dieses Symbol der Unterdrückung „freiwillig“ immer mehr Musliminnen bei uns! Eines Tages könnte es auch hier Pflichtkleidungsstück werden – die iranischen Mullahs reiben sich schon mal ihre blutigen Hände! Unsere westlichen Werte Freiheit, Demokratie, Gleichberechtigung von Mann und Frau, Ächtung von Gewalt und Krieg verlieren langsam ihren Glanz in einer vergreisenden, inzwischen aber auch immer kunterbunteren Gesellschaft. In den heiligen Tempeln von Forschung und Wissenschaft, unseren Universitäten, wo in ernsthaften, auch leidenschaftlichen Diskussionen um die Wahrheit gerungen werden sollte, brüllen jetzt die Vertreter des Zeitgeists Andersdenkende nieder, grenzen sie aus, ja bedrohen sie! Dank unserer weit offenen Grenzen strömen ununterbrochen teils freiheitsliebende, teils aber auch immer mehr demokratieverachtende Immigranten zu uns. Wie künftig die zweite und dritte Generation dieser beiden Gruppen tickt, wissen wir nicht, haben allerdings schon einschlägige Erfahrungen machen dürfen! Mit nachhaltiger Indoktrination durch islamistische Scharfmacher und fortdauernder Immigration werden wir wohl eines Tages einen radikalen Wertewandel erleben. Die autoritären und totalitären und die ehemals demokratischen westlichen Staaten werden sich, äußerlich wie innerlich, immer ähnlicher werden!
Doch, es gibt immer irgendwo ein „kleines gallisches Dorf“, das Widerstand leistet: diesmal nicht in Frankreich, es könnte Island sein, das einsam und abgelegen am nördlichen Polarkreis schwimmt. Wie Asterix und Obelix allen römischen Imperatoren standhielten, so kann auch die Nachfahren der Wikinger kein neuzeitlicher Despot erschüttern! Durch seine rauhe See, ständigen Vulkanausbrüche und sein unwirtliches Klima schreckt diese Insel alle Missionare der Zeitenwende ab; sie betreiben ihre Umerziehung lieber auf dem Festland. Island wird ein Hort alteuropäischer Werte und ein Polarlicht der Hoffnung bleiben für alle freiheitsliebenden Demokraten!
Ulrich Pietsch

Ihnen ist schon klar, dass der Speaker der Republikaner im US-Repräsentantenhaus von den Demokraten gestürzt wurde? Wo liegt also der blindwütige Egoismus? Zehn Gegenstimmen aus den Reihen der Demokraten hätten schon gereicht, um den Sturz zu verhindern!
Gerald Henkel

Vielen Dank für diesen nachdenklichen Artikel. Doch das Resümee “ Payback time“ trifft, meine ich, das Problem nur unvollständig. Ursächlich frage ich mich, warum schwächelt der Westen? Wer schwächelt, ist leicht angreifbar, reizt u.a. zum Payback, das also Folge des Grundproblems wäre. Ich meine, dass der Westen zu wenig authentische Demokraten hat, als Einzelpersonen und als Regierungen. Man kann nicht Wasser predigen und Wein saufen. Demokratie ist anstrengend, langsam, schwer zu begreifen und offensichtlich noch schwerer zu leben. Autokratie tut sich da leichter. Wir haben z.B. offiziell eine Soziale Marktwirtschaft, leben aber die Freie, d.h. ungezügelte Marktwirtschaft, die mit Demokratie schwer zu vereinbaren ist. Unsere Geld- und Konsumorientierung liebt eine Freiheit, die wenig mit der Verantwortung für das Ganze zu tun hat, was der Demokratie immanent wäre. Unsere jungen Menschen spüren die Unvereinbarkeit. Schlimm finde ich nur, dass sie Narrative entwickeln, die wirklichlichkeitsfremd, da zu einfach sind. Die Wahrheit zu sehen und authentisch zu leben, würde Ihnen wohl zu viel abverlangen? So ist die Frage, wie kann sich der Westen zeitnah berappeln, wieder stark und überzeugend sein, wie kann er wieder authentisch Demokratie und Freiheit leben, die durch Verantwortung sozialisiert werden, ohne vorher durch ein Tal der Tränen gehen zu müssen?
Ursula Augener

Vielen Dank für die umfassende Analyse, bleibt die Frage, ob auch im Fall der Ukraine Teilen der Presse die Fähigkeit zur analytischen und moralischen Ambivalenz verlorengegangen ist.
M. Stauss

Seit langem bin ich Leser der Zeit, weil ich immer auf einen der vielen wirklich radikalen Gedanken von Bernd Ulrich warte.  Im Artikel „Wucht“ ist, radikal im wahren Sinne des Wortes, Ulrichs Frage nach dem Warum des intellektuellen und politischen Niedergangs des Westens und des damit einhergehenden Respektverlustes der eigenen Jugend. Mich hat Ulrichs bildlich tiefgründige Darstellung des Kernproblems der westlichen Gesellschaft und ihrer Jugend tief beeindruckt – je länger ich in den Fotos das Wesentliche des Artikels erkannte. Im oberen Foto sehe ich die hochgereckte Hand eines Mädchens/ einer Frau. Mit ihrem Mittelfinger droht sie mit großer Wut einen Kampf gegen das ihr Unerträgliche an. Sie nennt sich ein “ good girl“ und zeigt doch gleichzeitig mit dem in die Hand geritztem christlichen Kreuz auf dem Finger eine Tendenz zum Fundamentalismus, nämlich dass allein die christliche Religion ein erlösendes Kampfmittel sei. Das untere Foto symbolisiert gleichermaßen eine Haltung fern jeder Anstrengung zur Lösung gesellschaftlicher Probleme. Eine auch hier in die Höhe gestreckte Faust hier mit einem brennendem Pyroartikel.Ein „gutes christliches Mädchen“ und ein energiegelader eher jüngerer Mann vertreten eine junge Generation, die dem Westen mit seiner heuchlerischen Politik jeden Respekt abspricht und sich von
ihr abwendet.
Offensichtlich hat, mit den Worten Ulrichs, der Westen“ alle Wucht verloren, Widersprüche und Gegensätze zu überwinden. Gesellschaften driften auseinander. Wie im Inneren so nach Außen: das westliche Demokratiemodell wird mehr und mehr zu einer Monstranz ohne Inhalt, von der sich die eigene Gesellschaft mit ihrer Jugend abwendet und autoritäre Regierungen reiche Nahrung für Ihre Propaganda finden. Eine „wertegeleitete Außenpolitik “ beleidigt andere Länder mit ihrem gönnerhaften Angebot, „auf Augenhöhe“ mit ihnen zu verhandeln und wird als das erkannt, was sie ist:  eine der vielen Sprechblasen, die ihrer Natur nach leicht zerplatzen. Es fehlt nicht an „Wucht“. Nur: welche Wucht und welche Qualität wird die Oberhand gewinnen?  Bleibt es bei zunehmender Verdrossenheit und Wut oder findet eine Wucht die Fähigkeit und Kraft zu dialektischem Handeln abseits  dem Handeln und Werten von entweder gut oder böse.
Michael Müthe

Dass ein beträchtlicher Teil des akademischen Nachwuchses mit dem real existierenden Westen fremdelt, ist kein neues Phänomen und sollte nicht überbewertet werden, hatten doch einige ältere Redakteure der (links-)liberalen Medien in jungen Jahren offen mit kommunistischen oder gar anarchistischen Ideen sympathisiert. Weitaus gefährlicher für den Fortbestand liberaler Demokratien ist die wachsende Ungeduld des Mainstreams rechts der Mitte, der populistischen Versuchungen zunehmend erliegt, nach einfachen Lösungen komplexer Zusammenhänge ruft, straffe Führung anmahnt, die Notwendigkeit von individuellen Verhaltensänderungen wie auch der sozial-ökologischen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft entrüstet von sich weist oder allenfalls nur halbherzig mitträgt. Dass sich große Teile des Globalen Südens mit wachsendem Selbstbewusstsein von westlichen Ideen und Konzepten lossagen, in der aktuellen geopolitischen Schwäche und den internen Selbstzweifeln des Westens die Gelegenheit zum „payback“ erblicken, muss nicht sonderlich erstaunen. „Der demokratische Westen stand in keinem demokratischen Verhältnis zur Welt“, so Bernd Ulrich, die jahrzehntelange Praxis der Doppelstandards rächt sich nun.
Rüdiger Paul

Danke für den anregenden Artikel. Es gibt keinen Grund, als Afrikaner, Araber, Mittel- oder Südamerikaner dem Westen Respekt zu zollen. Wir als Europäer oder Nordamerikaner haben auch keinen Respekt den anderen Völkern gegenüber.  Wir beuten sie nach wie vor hemmungslos aus. Die Franzosen wollen aus Mali Uran. Wir helfen ihnen dabei. Was funktionierte nach den Überschwemmungen in Libyen als erstes wieder?  Die Ölleitungen nach Italien. Pistazien aus Sizilien kommen aus Tunesien und werden nur in Sizilien verpackt. Nur ein paar Beispiele. Kommen wir zu Israel. Israel versteht sich als jüdischer Staat. Das wird sich nicht ändern lassen. Das Problem mit den Palästinensern lässt sich nicht mit Waffen lösen, wie wir seit ca. 100 Jahren erleben. Also bleibt nur Geld. Ein junger Palästinenser hat in Gaza nicht den Hauch einer Chance, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Er lebt von Almosen. Also kommt er auf Gedanken, wer schuld an seiner Situation sein könnte. Seit ca. 100 Jahren die gleiche Antwort: die Juden.
Warum sprechen wir nicht mit Jordanien und geben ihnen viel Geld. Bauen dort Häuser für Palästinenser, sorgen für Arbeit, entwickeln ein Kataster, bauen ein Bankenwesen aus, Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, geben dem Bauern einen kleinen Traktor, sorgen für ausreichend Wasser, begrünen die Wüste wie die Israelis es vormachen. Jede Familie bekommt ein Startkapitel von $20.000,00. (Bekommt jede Familie eines Attentäters.) Und ganz wichtig: schicken alle NGOs, Ärzte ohne Grenzen, Brot für die Welt, etc. nach Hause. Keine Almosen mehr. Keine respektlosen Besserwisser mehr. Die Palästinenser werden kommen. Da werden die Frauen schon für sorgen. Und was es kostet, ist völlig egal. Geld ist ausreichend da. Wir haben heute in Europa schon Wiederaufbaukonferenzen für die Ukraine. Und das Ende des Krieges ist nicht voraussehbar. Also: warum keine Konferenz in Jordanien für die Palästinenser?
Hartmut van Meegen

Ich verstehe überhaupt nicht, wie man sich jetzt – ich würde da eher sagen, endlich – über die gewaltige gegen den Westen gerichtete Energie wundern kann. Ein Land, das sich und anderen bei jeder Gelegenheit seine demokratischen Werte wie dem Esel die Möhre vorhält, im Ausland aber aufgrund von „wirtschaftlichen Interessen“ agiert, als gäbe es kein Morgen und schon gar keine Demokratie. Das gilt wohl für alle „westlichen“ Länder, ist aber sicher inzwischen das Merkmal eines weltweit ausufernden Kapitalismus. Wie wir in Afrika, den asiatischen Ländern, ja allen sogenannten Entwicklungsländern vorgegangen sind, sollte inzwischen – Putin sei Dank? – Jedem klar sein. Textilfabriken in Bangladesch, Autoindustrie in China, unfaire Zollbestimmungen … Ach, die Liste ist sooo unendlich lang und eigentlich wissen wir das ja auch alle. Scholz reist ja nicht umsonst nach Afrika und spricht dabei den verräterischen Satz von „Verhandlungen auf Augenhöhe“. Muss wohl extra betont werden. Ich saß Januar 2003 im Flugzeug nach Indien, als die USA in den Irak einfielen. Schon damals hätte es gereicht, einfach mal eine indische Zeitung aufzuschlagen. Westlicher Imperialismus, eine indische Freundin, einstige Professorin von Hamid Karsai und immer noch mit ihm befreundet, sprach gar von der 3. Kolonisierungswelle und sagte zynisch, wenn bei uns 300 Kaschmiris sterben, ist euch das doch völlig egal, ihr zählt nur die toten Weißen. Und, oh mein Gott, ich war einmal bei einer Konferenz vom Goethe-Institut in Delhi über den in Indien neu entstehenden Mittelstand. Da saß eine Reihe von indischen Professoren der dortigen Universität und eben die „Fachleute“ nach eigener Einschätzung des Goethe Instituts.
Nun muss man zwei Dinge wissen: 1. indische Gelehrte sind ausgesprochen kosmopolitisch und verfügen oft über einen Wissenstand, der seinesgleichen sucht. Und sie sprechen meist einige der Landessprachen und zumindest noch englisch. 2. die Kommunikation in Indien ist außerordentlich feinsinnig, heißt, man versteht ganz viel, ohne dass es direkt ausgesprochen wird. So man denn weiß, dass das so ist und wie es funktioniert. Nun, das Verhalten unserer indischen Gelehrten sagte sehr viel, sie redeten nämlich gar nicht. Sprich, die unausgesprochene Botschaft war: „Hier sind Hopfen und Malz verloren.“ Und ich hab mich in Grund und Boden darüber geschämt, eine Deutsche zu sein. Wir sollten endlich aufhören, die Welt belehren zu wollen. Denn wir sind in unserer Vorgehensweise leider nicht sehr subtil angelegt. Dass an den deutschen Unis so extrem polemisiert wird, ist schlimm, aber leider sehen wir diese Tendenz zunehmend auch in den öffentlichen Debatten, siehe Friedrich Merz, Söder und AFD. Nicht sehr hilfreich. Von der Bildzeitung ganz zu schweigen
Eva-Maria Mehrgardt

Ein guter Artikel, der endlich die weltweite Realität wahrnimmt. Ja, mit Wucht ändert sich momentan sehr vieles, und alles gegen den Westen. Und es sind auch nicht nur die jungen Menschen, die gegen die Haltung der eigenen Regierungen aufbegehren. Jeder auch nur ansatzweiser interessierter Mensch, der sich mit den Fragen des „westlichen Tuns“ in aller Welt auseinandersetzt, muss die schreiende Ungerechtigkeit sehen, die in den Umgehensweisen des „Westens“ stecken. Wie in Niger. Schaut man genauer hin stellt man fest, was dort angerichtet wurde. Da beutete der französische Staatskonzern Orano über Jahrzehnte die dortigen reichhaltigen Atomminen aus. Von den Gewinnen behielt eine vermutlich korrupte Regierung ca. 17% im Niger, 83 % der Gewinne gingen nach Frankreich – und das seit Jahrzehnten. Wie konnte Frankreich dieses Land, das zu den Ärmsten gehört so gnadenlos ausnutzen? Wieso kam keiner in Paris auf die Idee, der nigrischen Regierung vielleicht wenigsten 40% zu lassen, damit sie damit die Struktur im Land verbessern könnte? So wie dieses Beispiel zeigt, gibt es Viele. Alles kleine Mosaiksteinchen im Ansehensverlust weltweit. Zum Ukrainekrieg sagte ein befreundeter Afrikaner: „Wir haben anders zu tun auf dieser Welt als dieser Krieg“ … Ja, die Klimakrise und alle anderen aktuellen Krisen können nur mit Kooperation von allen und nicht mit Arroganz, Ausgrenzung, Überheblichkeit und weiterer Ausbeutung von fossilen Rohstoffen durch Wenige gelöst werden.
B. Kamps-Kosfeld

Schon vor 20 Jahren schrieb die indische Schriftstellerin Arundhati Roy in der FAZ, „Die größte Bedrohung der Welt“ sei …die Kraft, die die politische und ökonomische Lokomotive der amerikanischen Regierung antreibt, …“ Es gehe um das selbstzerstörerische Streben einer Supermacht nach Dominanz, nach uneingeschränkter Macht, nach globaler Hegemonie“. Wenn ich mich recht erinnere, hatten die USA zu dem Zeitpunkt schon 120 Kriege, militärische Eingriffe und Scharmützel hinter sich. Und nun kommt die ZEIT daher und fasst die Reaktion der nichtwestlichen Welt darauf unter dem zweitklassigen „Payback“ zusammen. Als ob die Hunderttausenden, die gegen die israelische Politik in Palästina protestieren, sich nur rächen wollen! Es mag Tausende unter ihnen geben, die die Interessenpolitik ihrer jeweiligen Regierungen unterstützen. Es gibt mehr, die sich das Mitleid für die Schwachen bewahrt, die das Gefühl für Gerechtigkeit noch nicht verloren und die den Glauben an Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit noch nicht aufgegeben haben, vor allem unter den jüngeren. Warum versteckt Bernd Ulrich die so begründete Erregung hinter einem diffusen Vergeltungssyndrom? Die Fakten sind doch eindeutig: Wer in Palästina ist frei, wer nicht? Wer hält sich für auserwählt, wer hat die Verliererkarte? Sind nicht alle Israelis und Palästinenser Semiten, also Brüder? Wären die US-Amerikaner nicht so interessengeleitet und machtversessen, Juden und Moslems hätten sich unter ihrem Druck längst verständigt.
Johannes Kettlack

Warum verliert der Westen den Respekt des Globalen Südens – und den von Teilen der eigenen Jugend? Der Grund ist vermutlich, dass es dem Westen nicht gelingt, die Ziele zu erreichen, die er sich selbst gesetzt hat. Und dies deshalb, weil diese Ziele nicht erreichbar sind. Der Rest der Menschheit versucht es nicht mal und bezieht sein Überlegenheitsgefühl aus dem Scheitern des Westens. «Teile der eigenen Jugend» folgen dem. Aber das ist kurzsichtig. Denn das Problem des Westens ist auch das Problem der Menschheit. Es fehlt eine befriedigende Antwort auf die Frage: «Was ist nötig, damit die Menschheit noch lange gut fortbestehen kann?». Eine Antwort wäre: Wir müssen unsere unbegrenzten immateriellen Potentiale einsetzen, um unsere begrenzten materiellen Potentialen nicht zu ruinieren. Das aber ist uns nicht gelungen. Das Schlamassel der Menschheit, speziell des Westens ist dadurch entstanden, dass wir unsere begrenzten materiellen Potentiale erschöpfen, um hehre unerreichbare Ziele zu erreichen. Damit ergeben sich drei Fragen: Was sind unsere begrenzten materiellen Potentiale? Was sind unsere unbegrenzten immateriellen Potentiale? Und was sind die unerreichbaren Ziele?
Im Mittelpunkt der Problematik steht das Thema Demographie. Denn es ist am schwierigsten zu behandeln. Das Problem der Menschheit ist ein Rationierungs-Problem. Es geht ums Verteilen von Ressourcen aber auch von Verantwortung. Die Ressourcen sind begrenzt und um genug verteilen zu können, ist es notwendig, dass die Zahl der Berechtigten nicht beliebig anwächst. Das liegt im Interesse der Menschheit. Aber nicht unbedingt im Interesse von Gruppen. Je mehr Kinder jemand hat, umso grösser ist der Anspruch seiner Familie auf Zuteilung. Je grösser eine Gruppe ist, umso grösser ist ihr Gewicht, wenn es ums Verteilen geht. Zum Beispiel, Erdogan fordert seine Mitbürger auf in der Türkei 3 und im Ausland 5 Kinder zu bekommen. Auch die tiefere Ursache des Kriegs im Nahen Osten und die Schwierigkeit eine gute Lösung zu finden, liegt in einem demographischen Wettrüsten. Der Westen hat im Falle des Gazastreifens die Aufgabe, dafür die Mittel zu liefern.
Das unerreichbare Ziel besteht darin, das demographische Problem gewisser Länder mit Geld und technischem Fortschritt zu lösen. Beispiele liefern Afghanistan, Pakistan, der Sudan, der Nahe Osten, Länder in Südamerika und Afrika. Dazu ein Beispiel. Bernd Ulrich schreibt «der deutsche Bundespräsident war nach nur 120 Jahren tatsächlich mal in Tansania (war da was?!» Die dortige Geburtenrate liegt bei 4.6. Würde diese Rate beibehalten, dann hätte Tansania (mit aktuell 66 Millionen Einwohnern) nach 4 Generationen 1.8 Milliarden Einwohner (2.3*2.3*2.3*2.3*66=1’846). Aber natürlich ist der Westen Schuld, schließlich sind die Leute dort arm und daher gezwungen viele Kinder zu haben. Dazu ein Beispiel: Vor einiger Zeit (am 26. 6. 2020) berichteten die Zeitungen, ein Bauer aus Tansania, «Vater von mehr als 30 Kindern» sei nach einem Edelstein-Fund Millionär geworden. Er besitzt 2000 Kühe und benötig daher auch viele Kinder, die für die Kühe sorgen, wenn er mal alt ist. Bemerkenswert am Fall sind weniger die Zahlen (30 und 2000), sondern, dass nur der Edelsteinfund und nicht die Zahlen bemerkenswert sind.
Eines der immateriellen Potentiale wäre der kategorische Imperativ nach Kant: Handle so, dass gutes Fortbestehen gesichert ist, wenn alle so handeln wie du. Handelten alle Menschen wie der Bauer… Naja mein Taschenrechner hat nur 9 Stellen: also handelten alle Menschen wie der durchschnittliche Bewohner Tansanias dann gäb’s nach 4 Generation (ca. um 2100) 223 Milliarden Erdenbürger. Übrigens, der Wohlstand Europas beruht vor allem darauf, dass es gelingen musste, das demographische Wachstum zu begrenzen (Stichworte: Klöster, Erbrecht, das die Geschwister des Hoferbens oftmals zwang, auf eine Familiengründung zu verzichten).
Gernot Gwehenberger

Jein. Einige Argumente kann ich problemlos nachvollziehen, andere weniger. Woran liegt das? Der Artikel leidet m. E. an Begriffsunklarheiten: Da ist die Rede von Eliten. Was ist damit gemeint? Funktionseliten vermutlich, denn es ist viel von Studenten die Rede. Und richtig, die sind privilegiert. Aber sind sie „Elite“? Dazu gehört doch mehr als ein Hochschulabschluss, nämlich Werte bzw. ein Wertesystem. Das Studium ist ja wohl dem Bereich der tertiären Sozialisation, wozu auch eine Wertevermittlung gehört, zu zuordnen. In welcher Form findet die in den reformierten BA/MA-Studiengängen statt? Auf der Jagd nach „credit-points“? Wer macht diesen Privilegierten deutlich, dass Privilegien auch mit Verantwortung und Pflichten einhergehen bzw. deren Übernahme. Das ihre Demonstrationen etc. nur möglich sind, weil es entsprechende (westliche) Werte gibt, die so etwas zulassen und deshalb verteidigungswert sind? Hat der „Westen“ nicht das Problem einer weitgehend fehlenden Geisteselite? Überhaupt, wer ist der Westen? Doch im Wesentlichen die USA, oder? Die schwächeln seit längerem so vor sich hin (abgesehen von ihrer Tendenz zum Isolationismus) und „Europa“ nutzt die Gunst der Stunde nicht, das entstandene (Macht-)Vakuum auszufüllen. Blair und Bush vor Gericht. Okay, nur sollten wir nicht erstmal vor der eigenen Schwelle fegen (Stichworte: Kohl, Merkel, Scholz)? Wenn (westliche) Demokratien sich nicht (mehr) selbst reinigen können, können sie dann noch Vorbild sein? Viel ist, Zu Recht, in dem Artikel die Rede von Moral. Psychotherapeutisch ist es manchmal hilfreich, mit dem Gegenteil zu arbeiten, weil dadurch das Problem deutlicher oder fassbarer wird. Das wäre Unmoral treffender noch moralische Verkommenheit.
Gerd-Rüdiger Erdmann

Sehr schlüssig diagnostiziert Bernd Ulrich die Weltlage: „Alle gegen den Westen“. Beim Blick auf den Globus lässt sich wirklich nicht übersehen, dass weder unser kleines Land noch unser kleiner Erdteil von überragender Bedeutung sind, wie manche noch meinen. Ähnlich dachten auch einmal die alten Römer. Zeiten ändern sich. Entscheidend wird sein, wie sich kommende Generationen orientieren. Weltoffen auf Augenhöhe mit Afrikanern, Chinesen, Indern und Russen (?) – oder national-populistisch eingezwängt in das Korsett der Überheblichkeit. Das Demokratie-Modell kann nur überleben, wenn es überzeugt.
Werner Bohn

Ich schätze Ihre Artikel und Aussagen ansonsten. Aber was Sie im Passus unter dem 2.D im unteren Teil schreiben, kann ich kaum oder nur sehr schwer errätseln: „die Verwechslung mit den Opfern…Die inneren Widersprüche dieser linken Haltung…“ Es ist äußerst schrecklich, was die quälenden und mordenden HAMAS-Leute getan haben. Es war ein Quantensprung von Gewaltausübung; er war wohl   eine Folge der nicht geglückten Eingliederung der Israelis in die dort seit Jahrhunderten lebenden Palästinensern (ich habe bei Wikipedia die Geschichte Palästinas verfolgt). Auf beiden Seiten gab es wohl immer wieder Querschüsse im Annäherungsprozess.  Was ich schon lange gedacht habe: Wenn die Existenz von Israel zur Deutschen Staatsräson gehört, würde eigentlich auch dazu gehören, dass die Bundesregierungen dafür entsprechend sorgen, dass Israel sich in die dort schon Lebenden gut einfügt! Leider haben auch andere Staaten dabei kein gutes Händchen gehabt! Nun müssen andere arabische Staaten bei dieser Eingliederung helfen, dass sie gelingt.
Walther Moser

Die grundlegende Beantwortung dieser Frage liegt in der ungehemmten imperialistischen Kapitalismusausbreitung des pseudodemokratischen Westens in den letzten 100 Jahren. Die Länder des Südens und die überwiegend benachteiligte eigene Jugend des Westens nehmen es nicht mehr hin, dass die neoliberalistische hochgelobte und durchgeführte bisherige Weltordnung der G7, großzügigerweise nunmehr G 20, den 90 % Menschen überall auf der ganzen Welt, die sich bisher nicht dagegen wehren konnten, jegliche Hoffnung auf die Zukunft eines guten Lebens auf diesem Planeten rauben. Die Autokratien und autokratische Bewegungen der ganzen Welt machen es sich zu nutzen diese Unzufriedenheit zu schüren, um der Verantwortung zu entgehen. Die 10 % die diese Zustände mit zu verantworten haben, versuchen verzweifelt mit dem Bau von Raketen ihrer gerechten Bestrafung zu entkommen.
Herbert Büttner

Im dritten Absatz wird das Innere der westlichen Staaten total falsch dargestellt. Es kann doch hier nicht das Mitleid mit den gefolterten, ermordeten und entführen israelischen Zivilisten in den Vordergrund gestellt werden. Das ist zwar notwendig und bringt auch jeder auf. Allerdings nur in einem gewissen Maß, weil die israelische Armee einen barbarischen, unbarmherzigen und durch nichts zu rechtfertigenden Gegenschlag ausführt. Inzwischen sind mind. 15.000 palästinensische Zivilisten getötet, verstümmelt und hilflos eingepfercht worden. Das Kriegsszenario gleicht einem mittelalterlichen Feldzug, der keine Überlebenden zurücklässt. Mal davon abgesehen, dass man zwar Gebäude wieder aufbauen kann, werden aber die landwirtschaftlichen Flächen über Jahre nicht mehr nutzbar sein. Hier wird kein Bauer mehr pflanzen und ernten können. Die Palästinenser wurden vom Norden in den Süden getrieben, obwohl eigentlich bei der Bevölkerungsdichte und Zerstörung der Infrastruktur unmöglich, und dann wird auch der Süden noch bombardiert. Alles in kartierte Viertel eingeteilt, als wäre es ein Strategiespiel.
Kein Militärexperte kann bestätigen, dass man auf diese Weise die Hamas eliminieren kann. Selbst wenn die obersten Köpfe fallen, werden andere nachkommen. Die ganzen Opfer werden umsonst sein. Die Verteidigung Israels hat sich blitzschnell in einen Rachefeldzug gewandelt, der unabdingbar für weitere Terroraktionen einen Nährboden bietet. Wer soll das reinen Gewissens gutheißen? Wenn die westliche Welt hier nicht einschreitet, macht sie sich mitschuldig an diesem noch größeren Elend wie es schon vorher war. Es ist tragisch, dass so viele Unschuldige sterben müssen, um auf das Elend der Palästinenser aufmerksam zu machen. Es geht auch nicht nur um ein freies Palästina, sondern in erster Linie um ein menschenwürdiges Leben und eine Heimat, die man auch den Palästinensern zugestehen muss. Den Juden hat man Land übereignet – das war sicher notwendig – aber die Palästinenser darf man darüber nicht vergessen. Die fanatischen Israelis gehen aber noch weiter, indem Sie im Westjordanland unrechtmäßig Siedlungen bauen … „Genug ist genug.“ Noch was anderes: An dem Satz „Wie viele Monate lagen eigentlich zwischen dem Bückling des deutschen Vizekanzlers …. Stört mich der „Bückling“ ganz besonders. Dieser Bückling wurde doch wohl von einem Superfotografen geschossen, sprich „Inszeniert“. In der „Zeit“ sollten solche unangemessenen Bemerkungen keinen Platz haben!
Doris Steuer

vielen Dank für Ihren Artikel. Haben wir es uns vielfach zu einfach gemacht? Haben wir konservativer Verführerei zu wenig Kritik gegengestellt und sehen jetzt wirtschaftliche Folgen? Sind wir auch in eine Krise der Psyche und des Sozialen gestolpert? Herr Kissinger hatte angedeutete, dass eine Respektlosigkeit gegenüber dem „Osten“ sich nicht auszahlen wird (vgl. Interview ZEIT). Und er selbst hat Beispiel gegeben, dass man auch bei sehr großen Unterschieden Kontakt suchen kann. Wohl wissend, dass Sprache und Kommunikation manchmal hilflos oder absurd sein können. Gerade er wusste wohl um die Ambivalenz der Realität, die Widersprüchlichkeit des Menschen. Letztendlich ist Demokratie kein Geschenk der Götter, sondern ein permanenter, aktiver Prozess. Deswegen sehr herzliche Wertschätzung für Ihre Arbeit!
Michael Scheppler

Respekt bei der Jugend, lokal wie global? Den ehrlichen Versuch gerade am Beispiel Kissingers wäre es wert, völlig unpathetisch: „Ja, wir verfolgen Interessen.“ „Nein, wir tragen keinen Heiligenschein!“ „Ja, dabei ist manches grausam schiefgelaufen!“ Kissinger würde noch hinzusetzen: Deutlich mehr sei unter dem Strich geglückt; und man solle den ganzen Menschen sehen, das gesamte Repertoire. Vielleicht würde selbst das eine payback time nicht auf alle Zeiten hinausschieben, nicht für alle Regionen. Aber es kann etwas von der Wucht brechen. Und es gäbe Zeit, über die Konditionen zu verhandeln, ganz ohne selbst-täuschende messianische Anwandlungen.
K. U. Voss


Leserbriefe zu „Nachhilfe gesucht“ von Thomas Kerstan

Dieses Schreiben habe ich verfasst nach den veröffentlichen Ergebnissender IGLU-Studie 2023, nach dem jedes 4. Kind in Deutschland nicht richtiglesen und schreiben kann. Das Fazit hat mich sehr betroffen gemacht, aber auf keinen Fall überrascht. Jetzt mit der Veröffentlichung der PISA-Studie erinnerte ich mich meines Aufsatzes. Mehr als Zweijahrzehnte schaue ich mir in meiner Tätigkeit, die Fertigkeiten der Kinder im Lesen, Schreiben und Rechnen an. Ich überprüfe ihre Fähigkeiten nicht anhand standardisierter Tests, sondern durch die videogestützte Analyse von Lernstrategien und der Eigensteuerung der Kinder beim Lernen. Dabei mache ich die erschreckende Erfahrung, dass die Lese-, Schreib und Rechenkompetenz der Kinder, stetig geringer wird. Ich sehe Kinder und Jugendliche, die selbst in höheren Klassen nicht sicher einzelne Buchstaben aus ihrem Speicher abrufen können, ganz zu schweigen von Wörtern, auch einfachen. Und ich sehe Kinder und Jugendliche, die es nicht gelernt haben, einen Lesefluss aufzubauen und für die lesen, einfach nur anstrengend ist, was sie gerne vermeiden und ihnen aus diesem Grunde keinen Spaß macht.
In der Überprüfung der Mathekompetenzen sehe ich Kinder und Jugendliche!!!, die selbst in weiterführenden Klassen hoch-bzw. runterzählen, statt automatisiert Ergebnisse abzurufen. Es handelt sich um Kinder mit einer guten Intelligenz und täglichen!! Schulbesuchen. Diesen Trend habe ich auch schon vor der Pandemie wahrgenommen, so dass die Ursache meines Erachtens nicht alleine in der Hausbeschulung liegen kann. Ganz im Gegenteil ich habe Familien kennengelernt, die die „Hausbeschulung“ nutzen konnten, ihre Kinder optimal zu fördern. Sie konnten und mussten sich die Zeit nehmen und haben sich gehirnfreundlicher Lernstrategien bedient. Es ist eine Katastrophe, wie Kindern das Lernen verleidet wird, sie keine Freude am Lesen entwickeln und ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben langfristig und nachhaltig radikal beschränkt wird. Noch drastischer ausgedrückt, ihnen wird die Zukunft und ein großer Teil Lebensqualität genommen. Lesen, die Beschäftigung mit Literatur, kann eine Quelle der Freude, der Entspannung und des inneren Seelenfriedens sein…. Ohne(richtig) lesen, schreiben und rechnen, können sie ihr Leistungspotential nichtausschöpfen und haben keine guten Chancen am Arbeitsmarkt.
In mehreren Publikationen und wissenschaftlichen Untersuchungen (bspw. Schreiblerndidaktiken Vortrag 10.09.19 (Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Berlin) und Artikel des Kölner Stadtanzeiger vom 13./14.07.19 „Kinder werden systematisch in die Irre geführt“) wurde schon seit vielen Jahren auf diese Entwicklung hingewiesen und die Ursachenbenannt. Durch Methoden wie: schreiben, wie man hört, Anlauttabelle, ständige Aufgabenwechsel, werden Gesetzmäßigkeiten der Automatisierung! Auf einen Reiz immer mit dem gleichen Verhalten reagiert. 2. Fehler verlangsamen die Automatisierung. Nachhilfeinstitute, Lerntherapien und andere Therapieformen, wie Logo-oder Ergotherapie bieten. Diese sind hochfrequentiert und müssen von den nicht berücksichtigt. Die vermeintliche Lösung und das Ergebnis dieses Dilemma sollen Kindern nach ihrem täglichen mehrstündigen Schulaufenthalt absolviert werden. In ihrer Freizeit haben die Kinder somit keine Gelegenheit mehr, an Sport und Spiel mit Gleichaltrigen teilzunehmen. In den Ferien, die der Erholung dienen sollen, nehmen Kinder (deren Eltern es sich leisten können), an Lernintensivwochen teil. Hinzu kommt noch der Anspruch einiger Pädagogen, dass alles, was in der Schule nicht geschafft wurde, zu Hause nachgearbeitet wird. Im Umkehrschluss könnte es heißen, warum gehen die Kinder überhaupt zur Schule, wenn am Nachmittag das eigentliche Lernen stattfindet???? Unter anderem ist aber auch diese „Langsamkeit“ einiger Kinder der mangelnden Automatisierung zu verdanken. Aber auch das individuelle Eingehen auf die Kinder ist nicht möglich. Die Klassenstärke ist zu groß und in der Schule bleibt nicht die Zeit? Und gibt es nicht die Motivation, diesen Kindern die für sie notwendige Unterstützung zukommen zu lassen. Fast täglich berichten mir Kinder, dass sie keinerlei Freizeit haben und dass sich alles bei ihnen nur noch um die Schule dreht. Sie erleben, dass nur das Ergebnis und nicht die Anstrengung gesehen werden. Langfristig gesehen erfahren die Kinder sich nur als Leistungserbringer, deren eigene Bedürfnisse und Wünsche nicht zählen. Und es wichtig ist, schnell, ohne Berücksichtigung individueller Fähigkeiten und Trainingsstände abzuliefern. Gelobt wird maximal die Leistung, wenn sie top ist, aber selten, der Aufwand den die Kinder (und ihre Eltern) dafür betreiben. Nur wenigen Eltern gelingt es, ihre Kinder vor dem Druck, der von der Schule ausgeht, zu beschützen und sich individuellen Stärken und Kompetenzen zu widmen. Dieses ist ein systematischer strukturell bedingter respektloser Umgang mit Kindern und ihren Eltern. Es besteht aus meiner Sicht die berechtigte Sorge, dass wir eine Generation heranziehen, die die Kulturtechniken nicht beherrschen und die keine Freude am Lernen hat. Das eine Generation heranwächst, die wenig Selbstwert und Selbstvertrauen hat. Was muss eigentlich noch passieren, dass die Kultusministerien aufwachen und die Bildungspolitik neu aufgestellt wird? Es muss ein Gesamtgesellschaftliches Anliegen sein, unseren Kindern und damit allen die bestmögliche Zukunft zu sichern. Gemeinsam muss an dieser Umgestaltung der Bildungspolitik gearbeitet werden und nicht einzelnen Gruppen der „Schwarze Peter“ zugeschoben werden. Es haben weder die Eltern noch die Lehrer und schon gar nicht die Kinder versagt, sondern alle am Bildungsprozess Beteiligte. Wir alle müssen umdenken.

 (Meine Kenntnisse zum gehirnfreundlichen Lernen habe ich durch Fortbildungen des „IntraActPlus- Konzept“ erworben und sie finden sich alle bspw. in dem Buch „Positiv lernen“ von Fritz Jansen und Uta Streit.“
Gudrun Mahlert-Heinrich

PISA-Studie macht zeitnahe Bildungsdebatte erforderlich. Die Pisa-Studie 2022 fällt so katastrophal aus wie befürchtet. Der negative Bildungstrend hat sich aber schon lange vor der Pandemie abgezeichnet. Ursache dafür sind vielfältige gesellschaftliche Probleme und Herausforderungen: Die zunehmende Heterogenität der Schülerschaft, die Migration und die besonderen Belastungen, die den Schulen und deren Lehrkräften abverlangt werden. All diese Kernprobleme haben zu einem chronischen Leistungsabfall geführt. Immer wieder wird darauf verwiesen, dass es an Geld und Personal fehle. Es fehlt jedoch vor allem die Einsicht, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland und der gesellschaftliche Wohlstand maßgeblich von guter Schulbildung abhängen. Die nachgewiesenen Kompetenzverluste verringern zugleich die Berufs- und Lebenschancen der jungen Menschen. Es kann nicht darüber hinwegtrösten, dass auch andere Länder von negativen PISA-Ergebnissen betroffen sind. Wir müssen uns selbstbewusst im internationalen Vergleich an den Spitzen orientieren. Es ist erschreckend, dass in Deutschland sowohl im Lesen als auch in Mathematik und Naturwissenschaften die niedrigsten seit dem Jahr 2000 gemessenen PISA-Werte erzielt wurden. Politische Entwicklungen in der Welt und ihre Wirkungen auf Deutschland sind keine historisch einmaligen Phänomene. Wir werden auch in Zukunft immer wieder Phasen von Krisen und Konflikten oder Pandemien erleben. Vor diesem Hintergrund ist es in Verantwortung und solidarischer Verpflichtung für nachfolgende Generationen dringend erforderlich, eine zeitnahe Bildungsdebatte zu führen, die sich dann weniger auf ideologische als auf pädagogische Inhalte stützen sollte. Themen wie „Leistungssteigerung“ und „Anhebung des Bildungsniveaus“ sollten hierbei einen hervorgehobenen Stellenwert erhalten.
Bernd Karst

Bildungspolitik ist Ländersache! Da die politischen Parteien z.B. in NRW mit dem schwarz-rot-grünen Schulkonsens von 2011 – 2023 dafür gesorgt haben, dass die „mittlere Klassenfähigkeit“ (Mittelwert oder Median der Klassenfähigkeit) bzw. die resultierende Nutzungsqualität der Lernenden immer weiter absinken wird, braucht man sich über die negative Leistungsentwicklung der deutschen Schülerinnen und Schüler bei den PISA-Studien doch nicht zu wundern oder aufzuregen. Denn die Qualität des Klassenunterrichts, die aus schulpädagogischer und bildungssoziologischer Sicht – einzig und allein – über das Abschneiden bei den PISA-Studien und die kumulative Kompetenzentwicklung der Lernenden entscheidet, hängt natürlich von der Angebotsqualität der deutschen Lehrkräfte einerseits und der Nutzungsqualität der deutschen Schülerinnen und Schüler andererseits ab!
Willi Westhoff

Nachhilfe gesucht? Da sind Sie bei mir an genau der richtigen Stelle, wenn es um Englisch und Französisch gehen sollte. Wen „schockt“ dieses erneut miserable PISA-Ergebnis eigentlich noch? Mich jedenfalls nicht. Ich frage mich, ob auch die Leistungen der Lehrkräfte Gegenstand der Untersuchungen sind. Nach dem, was mir immer wieder in meinen Nachhilfestunden untergekommen ist, sind die nicht besonders prall. Wenn Lehrer und Lehrerinnen die EINFACHSTEN Fehler in Klassenarbeiten übersehen, dann muss man sich nicht wundern, dass die Unterrichteten in 20 Jahren, abgesehen vom „Streber“ Hamburg, nicht vorwärtsgekommen sind. Mir fallen gerade Billy Braggs Zeilen aus „To Have And To Have Not“ ein: „The system has failed you, don′t fail yourself / Just because you’re better than me / Doesn′t mean I’m lazy /Just because you′re going forwards / Doesn’t mean I’m going backwards“.
Der restliche Text beschreibt nicht nur das Bildungssystem im England der 80er-Jahre ganz gut, sondern lässt sich auch auf Deutschland übertragen. Bildung und Qualifikation werden im neo“liberalen“ Wirtschaftssystem eh überschätzt. Hauptsache, man sieht gut aus, dann bekommt man schon irgendeinen Gammeljob. Zur Not wird wieder die Wehrpflicht eingeführt und man kommt in der Armee unter. Dummköpfe, die nichts hinterfragen, sind dort besonders gefragt. Ganz besonders perfide finde ich es, wenn jetzt gewisse Medien und Politiker*innen ausnahmslos den Flüchtlingen die Schuld für die miesen Leistungen in die Schuhe schieben oder wenn ein FDP-Politiker bei „Lanz“ von der Verantwortung des Bildungsministeriums, an deren Spitze eine Parteikollegin sitzt, ablenken will, indem er darauf verweist, dass Bildung Ländersache sei.
Thomas Manthey

Welch eine grandiose Idee: ein Praktikant schreibt auf Seite 1 über PISA. Und zeigt, wie schlicht man sein kann. Schmerzhaft! Fast jeder Satz. Gut; einzelne Worte gehen, „und“ und so… Dennoch unverzichtbar Die Zeit, seit fast 55 Jahren.
Volkmar Heuer-Strathmann

PISA-Schock und Gendern. Ihr Leitartikelschreiber Thomas Kerstan, der nach der Ursache desjüngsten PISA-Befunds sucht, könnte sprachliche Nachhilfe gutgebrauchen. In seinem überschaubaren Beitrag kommen vor: „Schülerinnen und Schüler“, „Kultusministerinnen und Kultusminister“, ,„Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten“, „Landeschefinnen und-chefs“, „Kultusministerinnen und -minister“.Wenn man die hier praktizierte Beidnennung – mal vollständig, mal mit Auslassungsstrich – ansieht, daneben die anderen in der Presseanzutreffenden Genderstrategien (neben Lehrer und Lehrerinnen auch Lehrende, Lehrkräfte, LehrerInnen, Lehrer*innen, Lehrer_innen u.a.)einbezieht, dann kann ein und dasselbe Wort leicht mehr als ein halbes Dutzend unterschiedlicher Gestalten aufweisen. Offenbar hat Herr Kerstan noch nie davon gehört, dass Lesen nichtdurch das Aneinanderreihen von Buchstaben geschieht, sondern durch das Erkennen von Wortbildern. Gendern führt indes dazu, dass dieses Wortbild überhaupt nicht mehr stabil ist, sondern höchstvielgestaltig. Das fördert weder den Lesefluss noch das Leseverständnis – schon bei Erwachsenen nicht, geschweige denn bei Schülern, die noch im Lernprozess sind. Herr Kerstan sollte also die Schuld für schlechtes Lesen nicht allein bei Politikern suchen, sondern sich fragen, ob nicht seine eigene Zunft massiv dazu beiträgt, Sprache so umzugestalten, dass sie nicht mehr schnell und auf Anhieb erfasst werden kann.
Rainer Schlösser

Hatten Sie mal versucht, aus Kindersicht zu denken…, wenn Sie schreiben: „Die Regierungschefs sind die eigentlichen Bildungsverlierer.“ ??? Verloren haben die Kinder und sie verlieren weiter…  Die Regierungschefs ohne Verantwortung für die Zukunft der jungen Menschen sind die eigentlichen Schuldigen.
Klaus Busch

Das schlägt dem Fass den Boden aus. Ein Lobgesang auf die Leistung der Hamburger Schulpolitik. Stundenausfall wohin ich höre, Senator Thies Rabe ein alles sich schön redender Schulsenator. Meine Enkelkinder hatten und haben jeden Tag Stundenausfälle. In den 4 Grundschuljahren mehrfache Klassenlehrerwechsel. Ein Lernband wird eingeführt, Vertuschung von Lehrermangel! Schule 2023 in Hamburg, bitte nicht als Vorbild preisen Herr Kerstan!
Werner Ornberger-Meukow

Warum wird unser Schulsystem nicht demokratisiert? Thomas Kerstan schreibt, mit der neuen Pisa-Studie stehe die Bildungspolitik vor einem Scherbenhaufen. Diese Entwicklung ist nun wahrlich schon seit langem zu beobachten und nicht weiter verwunderlich, denn unser Schulsystem geht nach wie vor eher von „mittelalterlichen“ Denkkonzepten aus als von den heutigen Erfordernissen in einer modernen, global ausgerichteten Demokratie. Es ist doch so: Den Anfang jeder Entwicklung bilden Rahmenbedingungen. Ein System. Nehmen wir unser westdeutsches Wirtschaftssystem. Das System der demokratischen, sozialen Marktwirtschaft hat unser Land nach dem Weltkrieg erstaunlich schnell in die Weltspitze gebracht. Zur gleichen Zeit hat das Wirtschaftssystem der DDR – eine vom Staat aufgezwungene Planwirtschaft – in den Ruin geführt. Nirgendwo kann man die Wirkung von Systemen, von Rahmenbedingungen besser beobachten als an diesem Beispiel, denn die Ausgangsbedingungen waren identisch: Das gleiche Volk musste auf den gleichen Trümmerhaufen neu aufbauen. In Westdeutschland nun hatte jeder Mann und jede Frau die Chance, gemäß den eigenen Interessen und Fähigkeiten das persönliche Beste zu entfalten – dank dem Wirtschaftssystem Ludwig Erhards und natürlich dem demokratischen Grundrecht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Die Planwirtschaft in der DDR hingegen setzte auf Bevormundung bzw. auf die Vorgabe von Produktionszielen durch die Politik. Sie setzte auf Zwang und gehorsame Unterwerfung mit Hilfe von Kontrolle und der Androhung von Strafmaßnahmen. Unser Schulsystem funktioniert doch nicht viel anders, oder? Wie können wir da lernbegeisterte SchülerInnen mit guten Resultaten erwarten?
Nicht auszudenken, wenn ein neuer Ludwig Erhard auftauchen würde, eine Person, die es hinkriegte, zeitgemäße Rahmenbedingungen für Schulen zu entwickeln und durchzusetzen! Rahmenbedingungen, welche die in der Vorschulzeit noch natürlicherweise vorhandene große Lernfreude von Kindern nutzen würde, ihnen z.B. mit Hilfe neuester Technologien Einblicke zu gewähren in die unterschiedlichsten Wissensgebiete der Menschheit. Lernen muss doch keine saure Pflicht sein, gegen die sich mehr oder weniger jeder Mensch wehrt – nicht nur Kinder! Nicht auszudenken, was die neuen Generationen in 10 Schuljahren an Wissen und Fähigkeiten aufsaugen könnten, wenn Lernen ein spannendes Abenteuer für sie sein dürfte, bei dem ihre individuellen Interessen und Bedürfnisse jederzeit Berücksichtigung fänden! Bei dem sie frei wären, unseren Grundrechten gemäß, ihre Persönlichkeit frei zu entfalten und ihr persönliches Bestes zu entwickeln? Warum treten wir das alte, dysfunktionale, alle quälende Schulsystem nicht endlich „in die Tonne“ und bringen die demokratische Jetztzeit in die Schulen? Die Vorteile für unsere Kinder, für die Lehrkräfte, für die Eltern, für unsere gesamte Gesellschaft wären immens!
Dorée Hullmann

Dem hervorragenden Leitartikel „Nachhilfe gesucht“ möchte ich noch einiges hinzufügen. Die schlechten Ergebnisse der Pisastudie sind erwartbar gewesen und „Schuld“ ist nicht der oft hohe Migrantenkinder-Anteil in den Klassen, wie jetzt zum Teil angemerkt wird. So wird die Misere nur evident. (In den Klassen meines Mannes sind Jugendliche aus Syrien oder Afghanistan oft „Leuchttürme“, weil sie lernen wollen und auch Ausbildungen annehmen, die nicht unbedingt ihren Traumvorstellungen entsprechen!) Zu meinem „Hintergrund“: Ich war Lehrerin und bin mit einem Berufsschullehrer verheiratet. Die schlechten Ergebnisse sind Ausdruck eines viel umfassenderen Problems. Kindern geht es oft schlecht: Schlafmangel, viel zu wenig Bewegung, immer mehr Sprachstörungen, Konzentrationsprobleme, Übergewicht, Gewalt in der Familie, sexueller Missbrauch, zunehmend Inobhutnahmen (und jede/r die/ der schon mal einen „Fall“ hatte, weiß, was passieren muss, bevor Kinder aus der Familie genommen werden! D.h. die Dunkelziffer an leidenden Kindern ist hoch.), mangelhafte Grob- und Feinmotorik, wenig Allgemeinwissen, Depressionen, schlechte Zukunftsaussichten individuell und gesamt gesehen. Die Probleme sind nicht allein durch bessere Schulen zu verändern. Viele Bereiche in unserer Gesellschaft sind in der Verantwortung. Demokratie braucht Menschen, die ein starkes Selbstbewusstsein und ebensolches Sozialverhalten haben, die sich informieren können, die kritisch denken, die nicht einfachen Lösungen hinterher laufen, Eltern sind in der Verantwortung, Kitas, Schulen, Ärzte und Ärztinnen, Politiker:innen!
Ich skizziere einen idealen Tag für z.B. ein 10jähriges Kind: Die Eltern haben dafür gesorgt, dass es genügend Schlaf hatte, schicken es rechtzeitig liebevoll mit dem nötigen Material in die Schule – möglichst zu Fuß. In der Ganztagsschule, die gut ausgestattet ist, können die Kinder vor dem Unterricht ein gesundes Frühstück essen und sich auf dem Schulhof bewegen. Der Unterricht besteht aus gemeinsamen und individuellen Teilen. Es gibt viel Gelegenheit zum Üben. Geschichten fördern die Sprachfähigkeit, soziales Denken und Handeln, Kunst, Musik fördern die Kreativität und sind fester Bestandteil des Schulalltags. Im Mathematik- und Naturkundeunterricht wird viel Wert auf reale Begegnungen gelegt, auf Handeln, Ausprobieren, Fehlermachen. Genügend Pausen sorgen für Erholung, Bewegungs- und auch Rückzugsmöglichkeiten. Es stehen immer Wasser, Früchte und gesunde Snacks zur Verfügung.  Das Mittagessen wird frisch in der Schulküche gekocht und entspricht den Erkenntnissen für gesunde Ernährung für Kinder. Selbstverständlich ist es kostenlos. Es gibt Tischdienste für die Kinder. Am Nachmittag wird der Unterricht fortgesetzt mit individuellen Förder- und Forderunterrichten, Kunst, Musik und Sport. Ziel könnte z.B. sein, dass jedes Kind ein Instrument lernt, dass alle schwimmen können. Und kein Kind darf z.B. die Grundschule verlassen, ohne lesen zu können!!
Die Schule hat genügend gut ausgebildete Lehrkräfte, so dass auch bei Krankheit, Elternzeit etc. kein Unterricht ausfällt. Die Unterrichtsverpflichtung ist so reduziert, dass genügend Zeit für Beratung z.B. mit Eltern, anderen Lehrkräften, etc. bleibt. Beratungslehrer: innen, Sozialarbeiter: innen sind in der Schule tätig. Am späten Nachmittag gehen die Kinder nach Hause. Schularbeiten müssen in der Regel nicht gemacht werden. Es ist noch Zeit zum Spielen. Die Eltern haben die Handynutzung geregelt, d.h. begrenzt. Beim Abendbrot erzählen sich die Familienmitglieder ihren Tag und planen zusammen das kommende Wochenende: Z.B. Picknick im Wald / Park; Besuch des Zoos, eines Museums, des Theaters oder Kinos, Treffen mit Familie und Freunden, gemeinsames Essen kochen und backen, Gartenarbeit, Sportveranstaltungen, Gesellschaftsspiele spielen. (Museum, Theater, etc. sind für Familien kostenlos) Die Kinder gehen rechtzeitig ins Bett, ohne Handy. Die Eltern lesen den Kindern altersgerechte Bücher vor, die sie in der Schule/ Bücherei ausgeliehen haben.
Utopie? Die Politik setzt sich verstärkt für bessere Lebensbedingungen der Kinder ein und sorgt für eine sichere Zukunft. Die Börsennachrichten im Fernsehen werden um Nachrichten z. B. von erfolgreichen Schulabschlüssen etc. ergänzt. Geld allein löst die Probleme nicht. Alle gesellschaftlich relevanten Gruppen müssen dazu beitragen, dass Kindern und ihren Belangen die nötige Aufmerksamkeit und Unterstützung gegeben wird.
Silvia Thoma

Thomas Kerstan vergreift sich im Ton. Berlin und Bremen (Hamburg jetzt ausgeschlossen) als Schulversager zu bezeichnen, ist nicht nur ein Affront gegen diese Bundesländer, sondern auch ein Affront gegen alle Beschäftige im dortigen Bildungsbereich und indirekt auch an deren Schülerinnen und Schülern. Hilfreich finde ich das in der Debatte um den „Pisa-Schock“ nicht. Die Pisa-Studie stellt einen internationalen Vergleich dar, trotzdem ist es natürlich richtig, erst einmal auf die Bildungspolitik der einzelnen Bundesländer zu schauen. Dass es da große Unterschiede gibt, ist nicht neu, und sicher hat Herr Kerstan damit recht, dass der Leistungsabsturz das Ergebnis politischen Handels ist. Aber nicht nur, Deutschland hat sich in den letzten 20 Jahren verändert, die Ursachen dafür kann man in der Studie nachlesen. Stadtstaaten wie Berlin, Hamburg und Bremen sollte man nicht eins zu eins vergleichen, wie es Thomas Kerstan tut. Genau aus diesem Grund gibt ja den Bildungsföderalismus in Deutschland, der regionalen Unterschieden Rechnung tragen soll, was natürlich auch für alle anderen Bundesländer gilt. Schlimm ist es, wenn dieses Ziel verfehlt wird und durch ebendiese regionalen Unterschiede die Bildungschancen ungleich verteilt und damit ungerecht werden. Genauso sieht es leider aus. Ob eine zentralistisch gesteuerte Bildungspolitik hier Abhilfe schaffen kann, davon bin ich nicht gar nicht überzeugt. Viel wichtiger finde ich, dass sich die Bildungspolitik wesentlich mehr an den Bedürfnissen der Schüler, der Eltern und der Lehrenden orientiert und nicht politischen Ideologien unterworfen wird (die Elementarerziehung inbegriffen), die entsprechende Anpassung der Lehrpläne kann doch kein Hexenwerk sein. Ich hoffe, dass der Pisa – Schock nicht zu heftigem Aktivismus in den Kultusministerien führen wird und wieder einmal in der x-ten Schulreform endet. Fest steht, dass an der Bildung niemals gespart werden darf und jedes Kind nach seinen Möglichkeiten gefördert und gebildet werden muss, denn das ist die beste Investition in die Zukunft.
Regina Stock

Die Ausnahme Hamburg bestätigt die Regel. Die Pisa-Studie zeigt die gesellschaftliche Entwicklung. Wohlstand und politischer Einfluss verschieben sich immer mehr nach oben auf einen immer kleiner werdenden Teil der Bevölkerung, auch an der Zusammensetzung des Bundestages erkennbar. Dort vertritt niemand mehr den dt. Michel. Dort vertritt man sich selbst und schützt seinen Nachwuchs vor lästiger Konkurrenz.
H. Giller

Gesamtwirtschaftliche Bildungsökonomie muss heißen, bei der anstehenden Reform der Schuldenbremse Bildung als Zukunftsinvestition einzuordnen. Sonst wird auch die neue Schuldenbremse zur Schulenbremse.
Ralph Bürk

Vor kurzem räumte die ZEIT einige Irrtümer in der Berichterstattung über die Corona-Pandemie ein. Dass das weder umfassend noch nachhaltig war, zeigt sich leider auch in der aktuellen Ausgabe: Im Titelseiten-Beitrag „Nachhilfe gesucht“ wird festgestellt, dass die Ministerpräsidenten bei den Schulschließungen als, wie inzwischen fast jedermann zugesteht, wohl unverantwortlichsten und schädlichsten Maßnahmen auch ihre Fachminister overrulten. Dass die Medienwelt diese damals dafür bejubelte, während Personen, die es sehr wohl damals schon besser wussten und vor immensen negativen Folgen für Kinder und Jugendlichen warnten, unfassbar angegriffen und nachhaltig beschädigt wurden, wurde an dieser wie auch an anderer Stelle aber nicht thematisiert. Im Artikel „Volkskanzler will er werden“ in der Alpen-Ausgabe – einem ansonsten exzellenten Beitrag! – wird der doch etwas dümmliche Mythos von Ivermectin als einem rein veterinärmedizinischen Entwurmungsmittel tatsächlich auch Ende 2023 in einer Qualitätszeitung noch wiedergegeben. Ich empfehle eine 2-Minuten-Recherche, Wikipedia reicht. Mehr als 2 Minuten wäre besser und erbrächte: Es handelt sich für etliche Human-Erkrankungen (die zumindest im zugelassenen Bereich allerdings nichts mit Corona zu tun haben) für eines das effizienteste und billigste Medikament überhaupt!
Dafür wurde unter „Erst entlassen, jetzt Nobelpreisträgerin“ die sich rein aus Hochrechnungen von mathematischen Modellen (!) entstandene Zahl der „Millionen“, die durch Corona-Impfstoffe gerettet wurden, einfach im Indikativ formuliert. Dass gewisse Impfstoffe und -maßnahmen dieses Potential haben, würde ich als ehemaliges Vorstandsmitglied einer gleich auf der nächsten Magazinseite angeführten humanitären NGO bestätigen. Für eine solche Behauptung müsste bei einer rein hochgerechneten Zahl aber entweder der Konjunktiv verwendet werden. Oder aber, was weit korrekter wäre, es müsste eigentlich schon längst journalistisch untersucht und berichterstattet werden, warum gegen jede übliche Praxis eigentlich immer noch ausschließlich diese Hochrechenzahlen vorliegen – und nicht weit genauere klinische Untersuchungsergebnisse, wie man es für das größte Impfprogramm der Menschheitsgeschichte absolut erwarten, und korrekterweise: verlangen, müsste. Ich vermute keine böse Absicht, aber die Selbstkritik zur Corona-Berichterstattung wurde wohl eher wie für die Erstellung eines individuellen Beitrags abgehandelt, denn wie ein längst überfälliger umfassender Prozess einer Selbstüberprüfung. Das ist nicht viel, und – wie ich meine – zu wenig.
Marcel Mittendorfer

Ist ihnen auch die Koinzidenz der beiden Leitartikel dieser Woche aufgefallen?
Ralf Junghöfer

Die Ursache für die deutsche Bildungskatastrophe liegt viel tiefer, als dass wir auf das zukünftige Lernvermögen der Ministerpräsidenten hoffen dürften: so lange Bildung Länder­sache bleibt, wird sich auch in den nächsten 20 Jahren nichts an der Misere ändern. Es gibt nicht den geringsten Grund für diese absurde Fehlkonstruktion des Föderalismus. Mathematik, deutsche Sprache und das Wissen über die Natur sind dieselben von Nord­friesland bis Berchtesgaden. Eher könnte die Wirtschaftspolitik Ländersache sein, zumal doch Bildung unsere einzige Rohstoffquelle ist. Die Folge des Bildungsföderalismus ist, dass der Job des Kultusministers dazu dient, einen offenen Proporz im Länderkabinett auszubügeln: wir brauchen noch irgendjemanden mit Migrationshintergrund oder die Gleichstellung stimmt noch nicht. Richtig ernst nimmt das Thema Bildung eigentlich niemand, aber es eignet sich so toll, um sich in Sonntagsreden mal wieder so richtig zu entrüsten. Jeder Euro für die Bildung kommt mehrfach wieder an den Staat zurück. Diese Rendite übertrifft die erfolgreichste Aktie bei weitem. Aber der zeitliche Horizont dieser Einsicht geht weit über die durchschnittliche Amtszeit eines Ministerpräsidenten hinaus, und die Rendite fließt an den Staat ganz allgemein zurück, ohne dass man Wahlwerbung damit machen könnte. Da scheint es doch viel erfolgreicher zu sein, wenn die Minister­präsidenten sich gegenseitig wie derzeit üblich die fertig ausgebildeten Lehrer abwerben.
Jürgen Schnakenberg

Angesichts des deutschen Bildungsföderalismus erscheint eine Analyse der aktuellen Pisa-Studie ohne Analyse der innerdeutschen Unterschiede wenig erfolgversprechend. Eine solche (zumindest grobe) Analyse gibt es aber in Form des IQB-Bildungstrends 2021. Und der zeigt, dass die seit langem von der Union regierten Bundesländer Bayern und Sachsen (trotz ebenfalls nachlassender Leistungen) deutlich vorne liegen. Das dürfte man schon erwähnen (und gerne auch näher analysieren), nachdem man dort ja anscheinend doch seit längerem etwas richtig macht, anstelle der offenkundig vergleichsweise irrelevanten Entscheidungen bzw. Initiativen der Ministerpräsidenten Stoiber und Wulff vor etwa 20 Jahren, wie im Leitartikel geschehen. Eine bare Selbstverständlichkeit für alle Bundesländer ist freilich, dass jeder Schüler die deutsche Sprache gut beherrschen muss. Dafür kann aber natürlich nicht, wie es im Artikel „Was aus den Ideen wurde“ heißt, der normale Schulunterricht sorgen (da ansonsten alle Schüler, die deutsch beherrschen, Nachteile erleiden), sondern Zusatzunterricht am Nachmittag. Die nötigen Mittel sollten vom Bund beschafft werden, nachdem er ja darüber entscheidet, welche Migranten ins Land kommen.
Florian Schweyer

PISA steht für „Programme for International Student Assessment“, das heißt auf deutsch: „Programm zur Bewertung internationaler Studenten“! Seit dem Jahr 2000 wird alle drei Jahre diese PISA-Studie durchgeführt, dabei werden die Kenntnisse im Lesen, in der Mathematik und in den Naturwissenschaften abgefragt; zusätzlich und erstmalig auch das kreative Denken (hört hört) Wer da wen, wann, warum, wieso und wozu abfragt, das wäre dann die Frage! In Deutschland scheint uns Deutschen so langsam, aber sicher, die deutsche Sprache abhanden zu kommen! In Deutschland läuft derzeit so einiges ganz schief, der schiefe Turm zu Pisa steht natürlich auch ganz schön schief! Ob und wie lange der schiefe Turm zu Pisa wohl noch so schief dastehen wird?
Klaus P. Jaworek,

Die Kernkompetenz der Schule ist die Vermittlung von Lerntechniken, die zum Erwerb von Kulturtechniken führen, wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Hier hat das Schulsystem offenbar völlig versagt, es stellt sich die Frage nach den Ursachen.
1) Es ist nicht die Aufgabe der Schule die Kinder zu erziehen. Die „Schule“ muss sich darauf verlassen können, dass eine normale sprachliche Kommunikation und Kompetenz vorhanden ist, sowie Kulturkenntnisse, die die Kommunikation in diesem Lande, in dieser Gesellschaft miteinander regeln (z.B. wer der Lehrerin den Handgruß verweigert, kann nicht von ihr lernen).
2) Eine toxische Bürokratie, die sich selbstherrlich verwaltet und die Schularbeit behindert bzw. verhindert und extrem viel Zeitaufwand benötigt.
3) Es besteht ein Föderalismus in der BRD mit 16 verschiedenen Schulstrukturen, die Unterrichtsplanung und Finanzierung von Bauten, von Gebäuden und Materialien und Gehältern mit einschließen. Ein sinnloser teurer Mehraufwand, der Schulwechsel unnötig erschwert (mobilitätsfeindlich). Das Schulsystem trifft heute auf Kinder, Lernende, die beständig abgelenkt sind (alle 10-20Minuten), durch z.T. suchtvolle Kommunikation (15 Prozent!) mit ihren „viereckigen Freund“, der ihnen alles bedeutet. Digitales Lernen, wenn es solches gibt, wird in Gehirnarealen gespeichert, die nicht für das Langzeitgedächtnis geeignet sind.
4) Die Sozialisation im Klassenschulsystem ist so ausgerichtet, dass der am geringsten Lernende, oder Motivierte, den Gesamtlernerfolg der Klasse bestimmt (das reaktive Minimum).
Hieß es nicht früher, wir lernen nicht für die Schule, sondern für das Leben. Das Leben in seiner Vielgestaltigkeit ist nicht die digitale Wirklichkeit, obwohl sie in diese einzubrechen versucht. Lernen ist grundsätzlich ein persönlicher Willensentscheid des Lernenden mit emotionaler Konnotation nach dem Belohnprinzip (Endomorphinausschüttung) – dieses menschliche System muss das Schulsystem für sich nutzen, wenn es Lernen vermitteln will. Eine der hauptsächlichen menschlichen Lernsysteme ist die Nachahmung. Die Nachahmung muss geeignete Vorbilder haben. In diesem Sinne ist die Qualität der Pädagogen stets einzufordern und zu überprüfen. Lernen hat immer auch eine zeitliche Komponente und benötigt Wiederholungen (repetitio est mater studiorum).
Felix-Rüdiger G. Giebler

Am Sonntag, den 10.12.23, hörte ich einen Beitrag des Soziologen Mathias Greffrath im DLF, unter der Rubrik Essay und Diskurs zum Thema Bildung. Ich empfehle den Redakteuren der ZEIT, sich diesen Beitrag anzuhören, man jeder kann daraus nur lernen, wie das Thema Bildung seit etwa 60 Jahren zerredet wird und nichts in den heute 16 Bundesländern wesentliches geschieht, um diesen Zustand zu ändern. Bringen Sie doch dieses Thema zur Diskussion und fragen Sie, warum nicht alle Angestellten und Verbeamteten!!! Lehrer für einen 3-tägigen Protest und Warnstreik auf die Straße gehen. Nur dann geschieht in diesem Land noch etwas. Das Thema Bildung gehört zentral gesteuert. Schon Willy Brandt wusste das.
Karsten Winterfeld

Ach, die Kinder oder Schüler werden noch dümmer? Was habt Ihr denn erwartet?  Dass in einem Land, in dem sogar der Leistungsdruck bei den „Bundesjugendspielen“ abgeschafft wird, eine kleine Ministerin „feministische Außenpolitik“ betreibt (oder …tanz?), lehrende Lilalatzhosenmännlein Klassenkeile als Gewaltverbrechen verbieten, da sollen nun Kinder härter Mathe oder Deutsch lernen??  Ihr seid gut!
Wolfgang Frings

Leider liegen Sie mit Ihren Schlussfolgerungen falsch.  Was wir brauchen, ist eine Bildungsrevolution: Bildungschancen ohne Grenzen! Gegen ein Schulsystem, das Talente ignoriert und Potenziale verschwendet. Deutschland braucht eine von der Politik unterstützte Bildungsrevolution JETZT. Es muss eine gemeinsame Schulform – wie es sie in nahezu allen anderen europäischen EU-Ländern gibt – aufgebaut werden. Die notwendige Schulform ist eine Ganztagsschule. Ganztägig werden alle SchülerInnen kostenlos gesund und nachhaltig verpflegt. Inklusion ist selbstverständlich. Dies ist zwingend notwendig, um Chancengleichheit, Bildungsgerechtigkeit und die Überwindung des Klassismus herzustellen. Noten abschaffen! Guter Unterricht muss sich an moderner Didaktik orientieren und nicht noten-, sondern kompetenzorientiert sein. Die starre Stundentaktung muss aufgebrochen werden, um den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden. Dies entspricht der Wandlung unserer Gesellschaft von dem industriellen zum digitalen Zeitalter. Um unsere Demokratie und die Einheit Europas zu wahren, muss Demokratiepädagogik ein Hauptfach werden. So wird demokratische Teilhabe gestärkt.
Eine verbindliche Elternbildung muss die Zusammenarbeit der Eltern mit den Schulen stärken. Schule und Gesellschaft sollen sich füreinander öffnen. Dies ermöglicht praxisnahe Einblicke in die Realität, fördert soziale Kompetenzen (intergenerativer und milieuaufhebender Austausch) und stellt eine Verbindung zwischen Bildungseinrichtungen und Gemeinschaft her. Das führt zu einer ganzheitlichen Entwicklung der Kinder und leistet einen positiven Beitrag für die Gesellschaft. Schule wird echtes Element der Gesellschaft, die Gesellschaft ein Element der Schule. Viele dieser Empfehlungen finden sich im Bürgerrat „Bildung“ wieder, der seit Jahrzehnten eine klare und schnelle Veränderung unserer Bildungsinstitutionen in Deutschland fordert. Machen ist wie wollen, nur viel krasser!
Christoph Riedl

Zu dem Beitrag möchte ich zwei Anmerkungen mit Ihnen teilen: Als Universitäts-Professor der Fakultät Maschinenbau beobachte ich die fehlenden Kompetenzen in Lesen, Schreiben und Mathematik bei den Studierenden bereits seit Jahren. Meine Beobachtung in den letzten 20 Jahren bestätigt die fallende Kurve, die im Zusammenhang mit der jüngsten PISA-Studie veröffentlicht wurde. Es ist seit Jahren ein ständiges Thema an den Hochschulen, findet aber keinerlei Eingang in Politik und Gesellschaft. In den zahlreichen Diskussionen innerhalb unserer Fakultät haben wir bisher auch nicht ausmachen können, welche alternativen Kompetenzen die angehenden Studierenden zu ihrem Studienbeginn mitbringen. Ich erinnere mich, dass eine dieser Kompetenzen das bessere Verständnis von Texten sein sollte. Ich beobachte allerdings, dass in dem Fach Maschinenelemente, eines der grundlegenden Fächer im Maschinenbau-Studium, die Studierenden große Schwierigkeiten haben, den Inhalt einer textlich formulierten Aufgabenstellung zu verstehen, weshalb eine Lösung schon grundsätzlich nicht möglich ist. Aufgrund dieser fehlenden Kompetenzen, die im Rahmen des Curriculums kaum aufzuholen sind, verlängern sich die Studienzeiten und erhöhen sich die Abbrecherquoten im Mittel. Dieses wiederrum schreckt wohl einige Interessierte an den technischen, naturwissenschaftlichen Studiengängen, weshalb wir eine schwindende Anzahl an Studienbeginnenden in den letzten Jahren feststellen müssen. Diese Zusammenhänge werden aus meiner Sicht zu wenig berücksichtigt, weshalb ich das Bedürfnis habe, an dieser Stelle meine Gedanken dazu zu teilen.
Herr Kerstan geht in seinem Artikel auf den zweiten PISA-Schock ein und adressiert das Problem an die politisch Handelnden. Das ist sicherlich gerechtfertigt, aber nicht ausreichend beleuchtet. Denn mich erschreckt, dass dieser Abstieg in der Leistungsfähigkeit unserer Schülerinnen und Schüler kaum Resonanz in der Gesellschaft findet. Eine entsprechende Auseinandersetzung mit diesem Aspekt vermisse ich dem Artikel, aber auch im öffentlichen Diskurs. Seit der ersten PISA-Studie stellen wir eine stete Verschlechterung der schulischen Leistungen fest. Das in der aktuellen PISA-Studie bei der Ursachenfindung die jüngste Vergangenheit in Form der Corona-Krise herangezogen wird, greift aus meiner Sicht zu kurz. Als ausgebildeter Ingenieur verstehe ich das Grundprinzip von Steuerung und Regelung. Demzufolge ist die pädagogische Weiterentwicklung im Wesentlichen eine Steuerung gewesen. Für eine Regelung hätte man in einem Soll-Ist-Abgleich feststellen müssen, dass die zahlreichen entwickelten Konzepte den Abstiegstrend nicht aufhalten konnten. Auch verhallte der Aufschrei, den die Veröffentlichung der Meta-Studie von John Hattie auslöste, relativ schnell. Die Ursachen wurden wieder in dem föderalen Bildungssystem, dem Lehrermangel und der ungenügenden digitalen Unterstützung gesucht. Das Beispiel Hamburg zeigt dagegen, wie neue Konzepte entwickelt, Leistung gemessen und Nachbesserung der Konzepte zu einer kontinuierlichen Verbesserung führen können. Soweit meine beiden Anmerkungen zum Artikel von Herrn Kerstan.
Abschließend noch eine weitere Anmerkung zu den Lehrenden an unseren Schulen: Frau Prien erwähnte in einem Interview im Deutschlandfunk zu der jüngsten PISA-Studie, dass die Lehrerausbildung sieben Jahre dauert, weshalb sich die jüngsten Initiativen gegen den Lehrermangel erst zeitversetzt entfalten können. Diese umfangreiche Qualifikation sollte im Sinne der universitären Bildung dazu beitragen, eigenständig Probleme analysieren, Lösungen konzipieren, Umsetzungen pilotieren und Evaluierungen durchführen zu können. Davon scheint an deutschen Schulen augenscheinlich wenig Gebrauch gemacht zu werden. Beispiele aus Südkorea oder jüngst aus Estland weisen hier schon seit Jahren den Weg.
 Frank Mantwill

Das ist doch klar, dass die 16 deutschen Kultusminister ihre Pöstchen nicht selbst abschaffen werden.

Wann werden endlich die Erkenntnisse aus Gehirnforschung, Bindungsforschung und natürlicher Menschenerkenntnis in die Pädagogik unserer Staatsschulen Eingang finden? Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Durchführungsproblem! In den derzeitigen Schulen wird die Lebenszeit unserer Kinder und Jugendlichen verschwendet. Anstatt unsere SchülerInnen immer noch mehr mit Leistungsstress zu belasten (bis hin zu dauerhaften gesundheitlichen Schäden, z. B. Hörsturz), sollten wir unser Bildungssystem vollkommen umgestalten: Pädagogische Inhalte müssen vollkommen neu gefasst werden, losgelöst von allem veralteten Wissen und Erfahrungen. Hier ein Ausschnitt aus dem Aufsatz von Karl-Martin Dietz „Initiative statt Gefügigkeit …“: …Es geht also nicht um neue Curricula des Lernens, sondern um ein neues Paradigma von Bildung. Man muss sich auf „Lernen“ einstellen, ohne im Voraus schon zu wissen, was es im Speziellen zu lernen gibt. Wenn stattdessen Anpassung und nicht Eigeninitiative noch immer zu den Grundeigenschaften des gegenwärtigen Menschen zu gehören scheint, so ist dies dem herkömmlichen Erziehungswesen und den Traditionen in der Arbeitswelt geschuldet. Der Aufbruch von der alten zur neuen Bildung steht deshalb vor dem Signum „Von der Einschüchterung zur Eigenständigkeit“. Wie groß sind eigentlich die Chancen zur Entwicklung von Eigenständigkeit? Und wie könnte diese im Einzelnen aussehen? Bildung bleibt jedenfalls nicht nur ein Hilfsmittel, um das Leben „erfolgreicher“ zu führen oder angenehmer zu machen, sondern wird zu einem bedeutenden Teil des individuellen Lebens selbst. Sie wird existentiell. Das ideale Individuum wird nicht mehr an seiner Gefügigkeit gemessen, sondern an seiner Initiative. Hierin liegt eine der entscheidenden Veränderungen unserer Lebensweise. Alain Ehrenberg: Das erschöpfte Selbst Frankfurt 2008, S. 192 Tägliche künstlerische Betätigung ist der Tortenboden des Bildungskuchens und NICHT das Sahnehäubchen (wie bisher). (Ann-Sophie Mutter in einem Interview in BR) Nur sicher gebundene Kinder und Jugendliche im inneren seelischen Gleichgewicht lernen schnell und effektiv. Nur Lehrer, oder Bildungs- Lernbegleiter, die sich als Künstler verstehen dürfen, können gemäß ihrer Persönlichkeit einen zeitgemäßen Unterricht bieten. Also: Mehr Freiheit -und damit auch Verantwortung- den einzelnen Schulen und den einzelnen Lehrern. Wesentlicher Ansatzpunkt dazu muss sein, eine vollkommene Neuorientierung der Ausbildung. Dann werden sich auch mehr echte und reife Persönlichkeiten finden lassen für diese Aufgabe!
In der Schule muss stattfinden, was man im Internet NICHT findet und nicht finden kann:
– Beziehung, – gemeinsames Erleben, – echte kollegiale Zusammenarbeit, – „finden / entdecken, anstatt zu suchen“ (Picasso: Ich suche nicht, ich finde …) – Verbindung schaffen zwischen Hand, Herz und Kopf. Diese Reihenfolge ist absichtlich. In moderner Pädagogik muss das Handeln an erster Stelle stehen, dann das Fühlen und zuletzt das Denken. Das wird die SchülerInnen in gesündere und motiviertere umwandeln. – …usw. (das ist sicherlich nicht alles) Es geht also darum, eine Schule zu schaffen, die dem heutigen MENSCHEN entspricht. Da sitzen nicht lauter Gehirne in den Klassenzimmern, sondern würdige Menschen mit einer besonderen und persönlichen Zukunft. Auch mit einem Anspruch auf Glück bereits als Heranwachsende! Nehmen wir diese Aufgabe und diese Menschen endlich ernst.
Rudolf Geigenfeind


Leserbriefe zu „Was aus den Ideen wurde“ von Martin Spiewak

Ich habe den Artikel gelesen, finde es gut, wenn man zurückschaut, um zu sehen, warum dies so ist. Ihre Zusammenfassung und Thesen teile ich allerdings nur in einem Punkt. Solange eine große Anzahl von Schülern „keinen Bock“ hat zu lernen, die sozialen Probleme der Gesellschaft auf die Schule übertragen werden und die Bürokratie in ungeahntem Ausmaß zuschlägt, wird das Problem sich nicht lösen. Es sollte doch den KMs der Republik zu denken geben, wenn man kaum noch Lehramt studieren will und schon gar nicht Haupt/Real.  Um das zu erkennen, brauche ich keine weitere Studie. Man muss das System ändern, und zwar massiv, nicht weitere 20 Jahre probieren.
R.Gossen

Sie schreiben von „Armen, benachteiligten Familien“, „Brennpunktvierteln“, eine „massiv verändere Schülerschaft“. Die „gewandelte Gesellschaft“. „Risikoschüler, denen Basiskompetenzen wie Deutsch fehlen“, „Familien mit enormen Defiziten“ und wieder „Risikoschüler aus benachteiligten Stadtvierteln“. Sie schaffen es, eine lange Analyse mit einem riesigen Elefanten zwischen den Zeilen zu verfassen, der kein einziges Mal klar benannt wird. Ganz ehrlich… Die Leute sind doch nicht blöd. Sprechen Sie es doch bitte ehrlich und offen aus: Große Einwanderungswellen von schlecht gebildeten Migranten treffen auf schlecht gebildete Migranten der bald vierten Generation und überfordern das komplette System: Schulen, Wohnen, Sicherheit, Finanzen. Nicht Corona, nicht fehlende Tablets oder schlechtes WLAN. Nicht unflexible und in verkrusteten Strukturen eingefahrene Erzieher, die Geschichte- und Mathematikstunden nicht zum Deutsch lehren verwenden (wtf?). Journalismus MUSS Probleme klar benennen; Das ist der ureigenste Job Ihres Berufsstandes. Tacheles reden, auch wenn es einigen nicht gefällt. Ungesteuerte und unbegrenzte Migration ist ein ernstes Problem. Es ist aktuell DAS Problem. Das macht grade auf so vielen Ebenen unser Land kaputt. Ich wundere mich jedenfalls nicht mehr über all die Protestwähler. Niemand sollte AfD wählen. Die werden natürlich auch nichts besser machen. Aber ich verstehe den Frust und die Wut, die denen die Stimmen zuschiebt. Deutschland verwandelt sich langsam in einen riesigen Zirkus.
Stefan Ziegler

Bildungspolitik ist Ländersache! Da die politischen Parteien z.B. in NRW mit dem schwarz-rot-grünen Schulkonsens von 2011 – 2023 dafür gesorgt haben, dass die „mittlere Klassenfähigkeit“ (Mittelwert oder Median der Klassenfähigkeit) bzw. die resultierende Nutzungsqualität der Lernenden immer weiter absinken wird, braucht man sich über die negative Leistungsentwicklung der deutschen Schülerinnen und Schüler bei den PISA-Studien doch nicht zu wundern oder aufzuregen. Denn die Qualität des Klassenunterrichts, die aus schulpädagogischer und bildungssoziologischer Sicht – einzig und allein – über das Abschneiden bei den PISA-Studien und die kumulative Kompetenzentwicklung der Lernenden entscheidet, hängt natürlich von der Angebotsqualität der deutschen Lehrkräfte einerseits und der Nutzungsqualität der deutschen Schülerinnen und Schüler andererseits ab!
Willi Westhoff

Wie die Gesamtgesellschaft, so verschlechtert sich auch die Schule seit Jahrzehnten in dem Maße, wie Staat und Schul-System alle Verantwortung für sich beanspruchen. Auch die Schulkritik dieses Artikels kommt nicht auf die Idee, bei Schülern und Eltern eine Antwort zu suchen. Man ist total blind dafür, wie das Leben der Menschen immer mehr verstaatlicht wird. Bei Bildung hat das aber seine Grenzen. Denn Motivation, Disziplin, Lernwille, Aufstiegshoffnung der Menschen erlahmt durch „Verstaatlichung“ und weitgehende soziale Absicherung. Der Artikel will, wie die vergangenen 20Jahre, das System zum Laufen bringen.  Erst im letzten Satz erwartete er „Bereitschaft“ und „Mut“ von einzelnen Menschen. Da leuchtet sie kurz auf, die individuelle Verantwortung, wenn auch nur von Funktionären. In asiatischen Familien gehören Fleiß, Disziplin und Aufstiegswille zur kulturellen DNA. Die warten nicht die nächsten 20 Jahre des staatlichen Bildungsversagens ab. Dieser Staat will mit seinen Sozial- und Bildungs-Systemen den Menschen die Lasten abnehmen. Doch damit nimmt er ihnen auch die Notwendigkeit von Selbstständigkeit ab. Es ist längst Zeit, den Ländern und dem Bund alle Bildungshoheit wegzunehmen und Kommunen, Eltern, Vereinen und der Wirtschaft zu überlassen. Schulwesen, Demokratie und die Finanzorganisationgehört von unten nach oben aufgebaut. Die Bundesrepublik ist dabei, in fast allen Teilbereichen zu scheitern.  Die Bildung ist da, neben Verteidigung, Einwanderung, Rente, Infrastruktur, Wohnungsbau und Energieversorgung, nur ein Anfang.  Mir ist schon klar, dass jetzt selbst der geneigte Leserlächelt. Warum den gleich eine neue Republik? Bei Bildung ist doch noch so viel Luft nach unten.
Fred Klemm

In der Ursachenforschung über die Bildungsmisere an deutschen Schulen führt offenbar kein Weg an der schwierigen Eingliederung von Migrantenkindern vorbei. Der Pisa-Bericht macht klar, „dass die Integration der Jugendlichen der ersten Generation in das deutsche Bildungssystem nicht gelingt“. Doch es gibt auch Beispiele, die etwas anderes zeigen, nämlich viel Lernwille und hohe Leistungsbereitschaft sowie großes Elternengagement gerade auch in Migrantenfamilien. Solche Beispiele findet man weniger an Schulen als vielmehr auf Fußballplätzen. Schon beim Training schauen Väter, aber auch nicht wenige Mütter zu. Herausragende Spielszenen werden gefilmt und ins Netz gestellt, schon Zehnjährige haben Follower. Anders als in der Schule gilt auf dem Fußballplatz uneingeschränkt das Leistungsprinzip. Wer sich im Wettbewerb durchsetzt, dem winkt ein lohnendes Ziel. Es gibt Sieger und Verlierer und die Bewunderung gilt den Siegern. Das ist die Welt der Gleichberechtigung mit gleichen Chancen auch für die Einwandererkinder. In der Gleichstellungswelt der Schule ist alles ungleich schwieriger. Wie sollen sich die Migranten denn hier durchsetzen angesichts der vielen Muttis, die mit den Lehrerinnen unter einer Decke stecken.
Hans Peter Basler

Kinder und Jugendliche brauchen gute Bildung, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Bildung muss in Deutschland höchste Priorität haben. Im Regierungsprogramm einer gut funktionierten Demokratie ist Bildung ein absoluter Schwerpunkt. Die neueste PISA-Untersuchung legt offen, dass Deutschland seit Jahren im Schulleistungsvergleich immer schlechter abschneidet. An der PISA-Studie, die seit über 20 Jahren in einem 3-Jahresrythmus durchgeführt wird, haben aktuell über 80 Länder teilgenommen. Ziel ist es, dass die Teilnehmerländer ihre Fortschritte bei der Umsetzung wichtiger Lernziele erkennen, vergleichen und analysieren können. Bei rund 700 000 15-jährigen Schülerinnen und Schüler wurden Leistungen abgefragt bzw. Kompetenzen erfasst hinsichtlich Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften. In der aktuellen Studie hat Deutschland die schlechtesten Bildungsergebnisse seit 23 Jahren. Obwohl Bildungspolitiker und Verantwortliche nach Vorlage derartiger Untersuchungen in Deutschland immer wieder reflexartig Maßnahmen und Aktivitäten vorschlagen und veranlassen – der Zustand unserer Bildungsqualität wird nicht besser. Nein, er verschlechtert sich von Jahr zu Jahr. Wenn sich in über 20 Jahren nichts Grundlegendes verbessert hat, sondern eher das Gegenteil der Fall ist, dann reicht es nicht mehr, nur an „einzelnen Stellschrauben“ zu drehen. Die Misere in der deutschen Bildungspolitik lässt sich nicht nur an einzelnen Punkten festmachen, wie Ausfall von Schulunterricht wegen Pandemie, Zunahme Schüler wegen Migration, ungleiche Startchancen von Schülern wegen Kinderarmut / soziale Umstände. Die Probleme sind vielfältiger. Sie sind auch struktureller Natur.
1. Die entscheidenden Personen bei der Umsetzung des Bildungsauftrages sind die Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen / Bildungseinrichtungen mit ihren Leiterinnen und Leiter in den Kommunen. Wie steht es um deren Motivation? Sind diese Personen ausreichend ausgestattet, digital, monetär, mit Hilfsmittel? Haben sie genug Freiräume, um ihren Bildungsauftrag erfolgreich gestalten zu können? Werden sie ausreichend wertgeschätzt? Stichwort „Kündigung von Tausenden Lehrkräften während den Sommerferien, um Geld einzusparen“. Und diese Kurzzeitentlassungen wurden praktiziert, obwohl der Mangel an Lehrerinnen und Lehrer seit vielen Jahren evident ist. Schrecken derartige Praktiken junge Leute nicht ab, den Lehrberuf zu ergreifen? Wer kümmert sich professionell um die Gewinnung neuer Lehrkräfte?
2. Bei der digitalen Ausstattung in Schulen / Bildungseinrichtungen haben wir einen zu langsamen und teilweise nur schleppenden Ausbau.  Seit Jahren hinken wir in den Schulen im Digitalbereich anderen Staaten hinterher. Haben wir bundesweit die Transparenz, in welchen Bildungseinrichtungen mittlerweile die notwendige Hardware und Software vorhanden ist? Sind wir in Sachen Online-Unterricht ausreichend gerüstet, wenn morgen die nächste Pandemie kommt?
3. Es gibt in Deutschland viele gute Lehrkräfte und viele gute SchulleiterInnen. Es gibt Schulen, die bundesweit Auszeichnungen erhalten haben, für die hohe Qualität ihrer Arbeit und Motivation von Schülerinnen und Schüler. Nur – werden solche Positivbeispiele aufgegriffen und die Umsetzung in anderen Regionen angeregt? Deutschland liegt im weltweiten PISA-Vergleich nur im Mittelfeld. Wer schaut sich bei den europäischen oder außereuropäischen Ländern, die im Ranking ganz oben stehen, deren erfolgreiche Bildungsarbeit an und greift mögliche Verbesserungen für unserer System auf? In der freien Wirtschaft ist das Vergleichen mit den Besten und das Messen mit den Erfolgreichsten weit verbreitet.
4. Weltweite Krisen, Pandemien und Kriege, die auch Auswirkungen auf erfolgreiche Bildungspolitik haben, wird es immer wieder geben. Wer beschäftigt sich intensiv mit derartigen Szenarien, die Anpassungen / alternative Modelle auch in der gesamten Bildungspolitik nach sich ziehen?
5. Wir haben in Deutschland 16 Bundesländer. Wenn es heißt, „Bildung ist Ländersache“, dann stellt sich die Frage, können die Länder diese Themen überhaupt umfassend und zufriedenstellend handeln? Von der unterschiedlichen Qualität einmal abgesehen. Ist das nicht Verschwendung von Ressourcen? Bildung ist für Deutschland von elementarer Bedeutung. Für Schülerinnen und Schüler als Vorbereitung für das künftige Leben und im Hinblick auf die spätere Qualifizierung für das Berufsleben. Stichwort fehlende qualifizierte Arbeits- und Fachkräfte für die Wirtschaft.
Wenn Missstände und Mängel in der deutschen Bildungspolitik seit Jahren so offensichtlich sind und sich seit zwei Jahrzehnten in niederschmetternden Ergebnissen in der PISA-Studie niederschlagen, dann sind tiefgreifende Änderungen notwendig. Ist die Vorgehensweise – jedes Bundesland macht seine eigene Bildungspolitik – noch zeitgemäß? Das Gesamtthema ist zu komplex, um es in den Regionen durchgängig erfolgreich umzusetzen.
Ein grundlegender Neustart wäre ein bundesweites, einheitliches Bildungswesen. In einem gesamtdeutschen BILDUNGS-KOMPETENZ-ZENTRUM könnten Fachleute, kluge Köpfe, ergänzt um Bildungsprofis aus den Regionen, notwendige Bildungsbedarfsanalysen erstellen und dabei erfolgreiche Beispiele der Bildungsumsetzung aus den deutschen Regionen in ihre Planungen mit einbeziehen. Darüber hinaus können positive Erkenntnisse aus anderen Ländern, wenn sie für Deutschland Sinn machen, in eine bundesweite Bildungsstrategie mit eingebaut werden. Ein derartiges BILDUNGS-KOMPETENZ-ZENTRUM kann die digitale Ausstattung bundesweit supporten und die Gewinnung und Ausbildung von neuen Lehrkräften unterstützen. Durch die Bündelung von Bildungsspezialisten und Organisationsprofis wird eine Bildungsstrategie aus einem Guss entwickelt, für alle Regionen. Denn, haben Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen oder anderen Bundesländern nicht den gleichen Bildungsbedarf? Bei der Erstellung einer durchgängigen Konzeption müssen alle Variablen Berücksichtigung finden, wie sozioökonomische Unterschiede, Einflüsse durch Migration, Veränderung Geburtenrate u.a. Durch eine Konzentration und Fokussierung der Kräfte kann die Umsetzung in den Regionen regelmäßig abgeglichen, Veränderungen aufgegriffen und angepasst werden. Im Kern geht es um eine Institution, mit weitreichenden Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten, die auch immer wieder transparent macht, in welchen Regionen in Deutschland „gute“ Bildungspolitik umgesetzt wird und – mindestens genauso wichtig – wo die Umsetzung nicht zufriedenstellend läuft. Im jeweiligen Bedarfsfall werden dann notwendige Maßnahmen initiiert und veranlasst. Bildung, Bildungsqualität und deren Umsetzung muss in Deutschland NEU gedacht werden. Neue Wege müssen gegangen werden, um das gesamte Bildungswesen in Deutschland zukunftssicher zu machen.
Siegfried Hurst

Vorab möchte ich anmerken, dass ich seit 15 Jahren Förderunterricht für besonders schwache Kinder, an Grundschulen gebe. Der größere Teil der Kinder, die ich betreue, kommt weder aus einem bildungsschwachen Milieu noch besteht ein Migrationshintergrund. Welche Aspekte mir bei der ganzen Diskussion um das erneute Pisadrama fehlen, sind folgende:
1. Wieso werden Eltern vollkommen aus der Vermittlung von Bildung ausgeklammert? Nach meiner Erfahrung sind heute nur noch wenige Eltern bereit, sich außerhalb der Schule für die Bildung ihrer Kinder zu engagieren. Es wird zu Hause weder gelesen noch für die Schule geübt. Das ist inzwischen allein Aufgabe der Institutionen.
2. Anstatt Kinder weiter auf die Bildungsstandards vorzubereiten, sie zu fördern und zu fordern, würde das Leistungsniveau im Laufe der letzten 20 Jahre stückchenweise einfach gesenkt. D.h. um bei Pisa wieder gut abzuschneiden wurden die Anforderungen reduziert.
3. Der Fehler für jeden Schüler das Recht auf Ganztagsschule einzuführen! Auch Familien, in denen nur ein Elternteil voll berufstätig ist, lassen ihre Kinder bis 16 Uhr in der Schule, obwohl es eigentlich nicht nur machbar wäre, die Hausaufgaben und Lernzeiten der Kinder zu Hause zu betreuen, sondern auch eigentlich die Verantwortung der Eltern Bevor ich als Politiker derartige Versprechen auf den Weg bringe, sollte ich auch die qualitative Umsetzung garantieren können. Das heißt genug gut ausgebildetes Personal, in Kitas entsprechend gut ausgebildetes und auch entsprechend gut bezahltes Personal!!
4. Corona! Lange Zeit und immer noch ein Alibi für das schlechte schulische Abschneiden vieler Kinder. Ich höre immer noch das Gejammer vieler, zumeist sehr gut situierter, von den anderen hörte man deutlich weniger Beschwerden, Eltern. Plötzlich musste man sich selbst um das Wohlergehen der eigenen Kinder kümmern. Leider gab es kein Outsourcing mehr. Mein Mitleid hielt und hält sich da in Grenzen. Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden. Die Einführung von Ganztagsschulen wäre für viele Familien bestimmt eine adäquate Unterstützung, nur kann man die inzwischen ohne notwendige Voraussetzungen (Berufstätigkeit, Migrationshintergrund etc.) erhalten, da jeder ein Recht darauf hat. Die Folge: es mangelt an Qualität! Ich bin im Endeffekt der Meinung, dass Eltern grundsätzlich wieder mehr in die Verantwortung zur Erziehung ihrer Kinder genommen werden müssen.
Andrea Fürwitt

Gratulation zu beiden guten Artikeln! Beim Nebeneinanderlegen Ihrer jeweiligen Argumentation ahnt man einige Quellen des Übels:
− Wer braucht heute noch eine Orientierung an Fakten oder gar tieferes Verständnis von komplexen Zusammenhängen? In den „asozialen Medien“ kann man mit lockeren Sprüchen in der eigenen „Blase“ zum „Superstar“ werden. Auch manche Medien (leider auch DIE ZEIT!) feiern schon „gute Absichten“; leider ohne besonderes Fachwissen (wie bei einigen „FFF“-Größen oder Frau Dr. Kemfert).
− Unnötige „Spielregeln“ der Kultusbürokratie bewirken anhaltende Verschleierung faktisch dürftiger Noten.
− Tatsächliche Leistungsbereitschaft und nur damit erreichbare Qualität der Ausbildung klaffen heute auseinander: Für manche Berufe muss man doch glatt einige harte Jahre lernen und arbeiten!
− KI besteht mit dem Daher-Plappern von auswendig lernbarem Stoff das bayerische Abitur. Als Schüler kennt man zwar den „Pythagoras“ als „a2 + b2 = c2“, kann aber damit nicht den Höhensatz beweisen: Dazu müsste man die binomischen Formeln samt der geometrischen Bedeutung des „Pythagoras“ verstanden haben.
Resümee: Wer den Pythagoras nur als „a2 + b2 = c2“, d.h. „Pseudo-Wissen“ von der Schule kennt, hat schon als Fliesenleger Probleme, erst recht im ersten Uni-Semester eines MINT-Faches, aber auch in anderen Fächern (wie VWL, was ich als Uni-Prof 32 Jahre lehrte).
Wolfgang Ströbele

Neben den im Artikel genannten fünf Gründen für das Versagen der Schulentwicklung sehe ich als pensionierter Deutsch- und Fremdsprachenlehrer noch viele Hemmnisse, die dieses verknöcherte System Schule an einer echten Entwicklung hindern. Hier vier weitere, nach meiner Erfahrung wesentliche:
1. Das bleierne Übergewicht der Lerninhalte (oder, wie es heute heißt: der Kompetenzen): diese beruhen weitgehend auf Lehr- und Lerninhalten vergangener Jahrhunderte und dienen u.a. auch dazu, dass Lehrkräfte genug Prüfungsstoff zur Rechtfertigung ihrer Notengebung haben, wobei der Bildungswert in Zeiten des Internets oft fragwürdig ist. Wozu müssen Schüler z.B. tafelweise (bzw. heute Whiteboard-weise) Jahreszahlen und Namen von Königen oder Kaisern lernen, statt historische Zusammenhänge zu verstehen? Oder warum müssen in weiterführenden Schulen alle ausnahmslos mit höherer Mathematik geplagt werden, welche nur die Allerwenigsten später brauchen? Was dabei immer zu kurz kommt, ist Bildung zum selbstbewussten, kritischen Bürger – aber die lässt sich ja nicht benoten…
2. Der immer noch vorherrschende Einbahn-Wissenstransfer von der Lehrkraft zu Schülern: Letztere sind doch – unter kompetenter Anleitung und Begleitung – heutzutage in fast jeder Altersklasse in der Lage, sich das benötigte Wissen in Gruppen arbeitsteilig anzueignen und ihren Anteil dann den anderen zu vermitteln. Dazu ist z.B. das im Artikel erwähnte mathematische Denken viel mehr erforderlich als bei sturem Absolvieren von Rechenaufgaben. Außerdem bleiben, im Gegensatz zu schnell angeeignetem Prüfungswissen, so erworbene Kompetenzen länger erhalten! Dabei wird die Lehrkraft zum Lerncoach und die Schüler lernen nebenbei auch Sozialkompetenzen (Neudeutsch: softskills). Ich selbst habe die Methode „Lernen durch Lehren“ in den 80er Jahren mit entwickelt und solchen, schülerorientierten Unterricht im bestehenden System 30 Jahre lang praktiziert!
3. Wenn im Lehramtsstudium Fachwissen und Forschung vollkommen unabhängig vom Berufsfeld der Studenten sind und Universitätsprofessoren selbst nicht in der Schule unterrichten dürfen, muss die Lehrerbildung in der Theorie stecken bleiben und im Niveau mehr oder weniger an dem vorbeigehen, was zukünftige Pädagogen später im Unterricht brauchen. So wurden wir im Germanistikstudium semesterlang mit Sprachgeschichte geplagt, die im Schulunterricht vollkommen unwesentlich ist.
4. Die totale Überbewertung der Abschlussnoten von Lehramtsanwärtern: Als Klassenleiter musste ich immer wieder erleben, wie Lehrkräfte mit Einser-Examen mit ihrem ganzen Wissen und ihrer fehlenden Versagens-Erfahrung viel zu wenig auf das Niveau der Schüler eingehen konnten! Wie sollen solche Lehrkräfte jemals Schüler mit Lernschwierigkeiten fördern können?
Bei mir galt im Unterricht als Grundregel: „Störung hat Vorrang!“ So durfte jeder, der etwas verpasst oder nicht verstanden hatte, einfach STOP! in den laufenden Unterricht rufen und die Mitschüler konnten immer weiterhelfen – wobei alle Beteiligten selbst auch viel lernten. (Anfängliche Missbrauchsversuche legten sich schnell, da alle den Sinn des Verfahrens erleben konnten!)
Roland Graef

Wer die Bemühungen der Pädagogik und ihre Ergebnisse in diesem Land verbessern will, muss erstmal tonnenweise ideologischen Morast, der sich in Jahren angesammelt hat, abtragen und beseitigen. Wie Efeu hat ein Gewächs aus krausen anthropologischen Vorstellungen den Stamm lebenswirklicher Zusammenhänge überwuchert. Früher gab es Betreuung, Erziehung, Ausbildung und Bildung. Heute gibt es nur noch Bildung. Selbst kleinste Kinder in der Kita müssen schon gebildet werden. Der Begriff Erziehung lässt bei weiten Teilen des Personals im pädagogischen Bereich die Haare zu Berge stehen, dahin will man doch nicht zurück. Man ist durchdrungen vom Denken Jean-Jacques Rousseaus, auch wenn viele diesen Namen nie gehört haben, geschweige denn wissen, was er vertreten hat. Jede Absicht, junge Menschen durch Erziehung zu formen, gilt als schädlich. Nur Förderung der vorhandenen Begabungen ist erlaubt, und das ‚auf Augenhöhe‘; auch so ein Begriff, der in Mode gekommen ist.
Die Belege der Dysfunktionalität gegenwärtiger Pädagogik sind vielfältig – und nicht neu. Beklagt wird die mangelnde Lesefähigkeit von Neuntklässlern. Ich erlebte einen jungen Mann kurz vor seinem Abitur. Er habe nie ein Buch gelesen, gestand er mir, „halte ich nicht aus“, sagte er, „schmeiß ich nach fünf Minuten an die Wand.“ Er machte sein Abitur mit einem Notendurchschnitt von 1,8. Von einem Soziologen aus Frankfurt erfuhr ich, dass dies kein Einzelfall war, er berichtete von Schülern, die bei der Abitursfeier damit prahlten, nie ein Buch gelesen zu haben.  Ein Berliner Politologe, Professor an der FU, berichtet zunehmende Schwierigkeiten seiner Studenten, längere Text zu bearbeiten. Mit ‚längere Texte‘ meinte er nicht 100 oder 150 Seiten, er sprach von 20 bis 25 Seiten. An der Tübinger Uni gibt es für Studenten des Faches Germanistik Nachhilfeunterricht in Grammatik. Harald Martenstein staunte als Lehrbeauftragter über die Unfähigkeit seiner Studenten, halbwegs fehlerfreie Texte zu verfassen. Sein Großvater habe nur die Volksschule absolviert, aber besseres Deutsch geschrieben als sie.
Unser Schulsystem stattet also junge Menschen mit der höchsten Auszeichnung aus, die es zu vergeben hat, der Matura, der Studienreife. Nur haben auffallend viele, denen diese Auszeichnung verbrieft wurde, diese Studienreife nicht. Das Problem ist viel größer als etwa die Lese- und Rechenschwäche von Neuntklässlern. Kaum ist von einer Misere im schulischen Bereich die Rede, ertönt reflexartig der Ruf nach mehr Geld. Wie Herr Spiewak in seinem Artikel sagt, ist in den letzten 18 Jahren deutlich mehr Geld in den Bereich geflossen, aber offenbar, ohne dass es zu Verbesserungen kam. Auch die Armut muss herhalten zur Begründung schlechteren Schulerfolges; immer noch, so wird beklagt, sind die Kinder besser gestellter Eltern erfolgreicher. Ach, würde man doch den Unterschied zwischen Korrelationen und Ursache-Wirkung-Zusammenhängen kennen! Die Kinder besser gestellter Eltern sind erfolgreicher, weil von Anfang an mehr mit ihnen gesprochen wird, weil mehr mit ihnen gelesen wird. Sprechen kostet nichts. Die Forschung zu dem Thema zeigt, dass diese Kinder dadurch einen Entwicklungsvorsprung erhalten, der von anderen, mit denen nicht gesprochen und gelesen wurde, nicht mehr aufholbar ist. Ich selbst hatte eine Kindheit in Armut, habe aber trotzdem mein Abitur gemacht und ein Hochschulstudium abgeschlossen. Über das, was heutzutage statistisch ermittelt Armut genannt wird, kann ich nur lachen. Ich war dabei, als einer meiner Enkel vor etwa zehn Jahren eingeschult wurde. Was ich da erlebte, habe ich aufgeschrieben. Es ist als Word-Dokument angehängt.
Gerd Landshut

Ihr Artikel ist ja allein in dieser Ausgabe der dritte zum PISA-Schock und der Bildungs-Problematik, aber der beste, indem Sie die Sache von vielen, fast allen Seiten beleuchten, auch von der Verteidiger-Seite, auch über den viel beklagten Mangel an Geld hinaus: So konstatieren Sie mit Recht die Verbesserungsbedarfe bei Teilen fast aller beteiligten, einschließlich etlicher Eltern, Lehrer und etlicher Schüler selbst.  Verglichen damit ist die oft einseitige Kritik an „der Politik“ zwar teils berechtigt, aber auch ein Sündenbock-Prinzip um sich mit niemand sonst „anzulegen“.  Mit Recht weisen Sie auf die fehlende Lernkultur und indirekt auf den vielfach fehlenden Leistungsanspruch hin und die vielfachen Widerstände bei Erziehern, Lehrkräften und Eltern.  eigentlich sollte es bei Problemen eines Schülers einen Pakt geben zwischen Eltern und Lehrern, möglichst auch dem/der Schüler*in; stattdessen sieht man oft auf allen Seiten ein schwarzer-Peter-Spiel, wer der jeweils „schuldige“ ist, wobei man sich manchmal dann bequem auf einen dritten, den Staat/die Politik einigt. Ich kann Ihren Schlusssatz nur unterstreichen:  „… in erster Linie weder ein Erkenntnis- noch ein Finanz-Problem. Es mangelt an der Bereitschaft, das Notwendige zu benennen und am Mut es umzusetzen“.  Und als das Notwenige sehe ich hier auch mehr Bereitschaft zur Übernahme von auch eigener Verantwortung, zur Kooperation mit den anderen jeweils beteiligten, an Respekt und an Anstrengung.  Dann ist diese Problematik vielleicht auch ohne immer neue  Staats-schulden lösbar, mit denen man die Belastungen auf künftige Generationen und daneben auf Inflationsopfer abwälzt, weil einem selbst ja nichts weiteres mehr „zuzumuten“ sei.
Frau Prien, die SH-Kultusministerin, hat natürlich Recht mit ihrer Einstufung als „Weckruf“, der aber nicht allein bei der Politik nötig ist, sondern bei vielen, sei es Wählern, Schülern, Schüler-eltern,  Schulabgänger, die sich für einen sozial wichtigen, weniger wichtigen oder gar schädlichen Berufsweg entscheiden, und schließlich die Medien,  die wie die Politik gefordert sind, zu berichten und aufzuklären, ehe etwas so auffallend schief läuft  und dazu auch realistische Haltungen zu fördern, z.B.  dass es, wenn Geld, dann auch von den Steuerzahlern mehr braucht und auch von anderen mehr Arbeit, sei es in bezahlter Tätigkeit oder ehrenamtlicher.  Ein hervorragendes und vorbildliches Beispiel nicht nur für die Bildung, sondern auch für Migranten-Integration wurde kürzlich in meiner Tageszeitung gegeben mit dem Artikel „Mit Spaß lernt man einfach schneller“, wo auch erhebliche Leistungen von Spendern und Ehrenamtlern an einem Projekt sichtbar wurden.  Das kann man nicht von jedem erwarten, aber gleichwohl müssen wir alle uns fragen, ob alle Krisen und Problemlagen der Gegenwart lösbar sein werden mit den gegenwärtigen oder weiter sinkenden Mengen von Arbeitsstunden, Steuern, Lebensarbeitsjahren, Handwerkern, Pflegekräften, Lehrern und sonstigen Fachkräften, an denen es schon jetzt mangelt.    Die Schweiz und einige ostasiatische Länder machen vor, wie es besser geht:  Mehr Einsatz der Lehrer auch über Wissensvermittlung hinaus als Coaches und Lebensbegleiter ihrer Schüler, gleichzeitig mehr Respekt zu den Lehrkräften und Kooperation und Unterstützung für sie durch die Eltern der Schüler, dazu natürlich mehr Reservierung von Geldmitteln seitens Staat bzw. Steuerzahlern.  Diese alle sollten inbegriffen sein bei dem „wir“, die lt. Frau Prien mehr „in Bildung investieren“ sollen.  Sonst hat eine Regierung und selbst die Politik insgesamt keine Chance, weder bei Pisa noch beim Klima noch in anderen Feldern.
Peter Selmke

Österreich ähnlich schwach bei PISA wie Deutschland?! Probleme mit der deutschen Sprache sind nicht nur hierzulande „gang und gäbe“ (bei Schüler*innen genauso wie bei vielen Lehrkräften), sondern auch bei unserem Nachbarn, wie man in der gerade beendeten ORF-„Millionenshow“ sehen konnte, als eine Kandidatin drei Joker für die korrekte Schreibweise verbraten musste, darunter ihren Telefonjoker, einen Deutschlehrer, der meinte, er würde (Konjunktiv!) das „Gang und Gäbe“ schreiben, was aber durch den Fifty-Fifty wegfiel. Das Publikum war sich danach auch immer noch ziemlich uneins. Wenn die Kandidatin und der Lehrer eine der jüngsten Ausgaben von „Wer weiß denn sowas?“ gesehen hätten, dann wäre das vielleicht besser ausgegangen. Dort wurde nämlich erklärt, woher die Redewendung kommt, nämlich aus dem mittelalterlichen Kaufmannswesen. Vielleicht sollten die DACH-Staaten auf eine andere Sprache als Deutsch umstellen, dann klappt es auch wieder bei PISA, wobei die Schweiz wenigstens noch halbwegs rechnen kann. Alles potenzielle Bankiers!
Thomas Manthey

Sie schreiben viel Richtiges in ihrem Artikel und trotzdem sollte aber auch das Wort Smartphone vorkommen. Gerade Mathe braucht eine gewisse Konzentrationsdauer, die durch den ständigen Gebrauch der Smartphones leidet. Hinzu kommt eine grassierende Onlinespielsucht, die viele Jugendliche betrifft. Hier war ich in den letzten Jahren als Ausbilder immer wieder neu überrascht worden, wie stark das um sich greift.
Ulrich Karthäuser

Der letzte Satz dieses Artikels trifft leider auch auf diesen Artikel zu. An der Schule, an der ich Frühstück zubereite, ist dieses Schuljahr eine 1. Klasse mit 30!!!! Schüler*innen gestartet, von denen 8 kein Word Deutsch sprechen. In ihrem Artikel wird ein Sprachtest erwähnt, der so etwas zulässt. Aus Erzählungen von Bekannten weiß ich, das Eltern erwarten, das ihre Kinder Deutsch in Kita oder Schule lernen und nicht zu Hause (das sind keine kurzfristig zugewanderten Eltern, sondern Eltern, die in Deutschland aufgewachsen sind.) Kinder, die hier aufgewachsen sind, ohne Deutschkenntnisse in Kita oder Schule sind einfach eine Frechheit gegenüber der Gesellschaft und vor allem gegenüber den Erziehern /Lehrern und ziehen die ganze Klasse runter bzw. Isolieren natürlich ganz besonders diese Kinder. Also bitte mehr Elterneinsatz vor der Schule. Sie stellen in diesem Artikel auch dar, das z.B. Fußball-AGs im Nachmittagsbereich angeboten werden statt Unterricht, fordern also indirekt hier eine Änderung — gleichzeitig wird immer darauf hingewiesen, dass die Kinder zu wenig Bewegung (Sport) haben. — Lösungshinweise sehen wohl anders aus.
Michael Hüsken

Es sind derweil 3 Hauptursachen für diese erneute Pisa Klatsche auszumachen. 1. Ein Migrantenanteil von 38!! % in den Neunten Klassen, von denen 64!! Prozent des Lesens und weiterer Kernkompetenzen unkundig sind. D.h. jeder Vierte eines kompletten Jahrganges allein durch Migration!!  2. Eine sich hinter immer neuen verschwurbelten Begriffen („QuaMath“) versteckende KuK Konferenz, die es auch nach Jahrzehnten nicht fertig bringt sich auf strukturelle Reformen länderübergreifend zu einigen. 3. Das unselige Beamtentum unter der Lehrerschaft. Und nein, am Geld liegt es offenkundig nicht. Zum Glück, denn das fehlt im Haushalt ja gerade auch noch.
Thomas Harnisch

Auffällig korreliert der Kurvenknick ab etwa 2012 mit der Erfindung und weltweiten Verbreitung des Smartphones in den Jahren ab 2007. Dass dessen Dauerpräsenz im Alltag Konzentration und Aufmerksamkeit abzieht, kann wohl jeder bejahen. In der wieder entbrannten Diskussion um die Gründe für den erneuten „Pisa-Schock“ scheint dieser Punkt keine Rolle zu spielen, so auch in Ihrem Artikel. Gleichzeitig scheint gesellschaftlicher Konsens, dass Schule durch Digitalisierung „besser“ würde, dabei haben Tablets & Co. vermutlich nur einen begrenzten Nutzen für das Gelingen schulischer Bildung – jüngste Studien aus Skandinavien scheinen das zu belegen. Meine Söhne, durchaus fit und bewandert in digitalen Dingen, greifen im Unterricht mittlerweile wieder auf die Papierform zurück und fühlen sich als Avantgarde: Während der Rest der Klasse noch an technischen Problemen herumoperiert, haben sie die Aufgaben bereits gelöst: „Ich arbeite nicht mehr am Bildschirm – ich nutze schon Papier!“
Tobias Rokahr


Leserbriefe zu „Soll man beim Bürgergeld kürzen?“ Streit von Thorsten Alsleben und Bettina Kohlrausch, moderiert von Anna Mayr und Mark Schieritz

Es ist bezeichnend, dass Herr Alsleben als Funktionär einer Arbeitgeberinitiative (oder präziser: von Gesamtmetall eingesetzt) überall Fehlanreize mit Blick auf eine Beschäftigung sieht, nur nicht bei den Arbeitgebern. Wo bleibt da das Fördern? Wo gibt es da die Kümmerer, die sich um einen guten Einstieg in Arbeit bemühen? „Immer feste druff“ – das ist nichts anderes als der alte „Herr im Hause“-Standpunkt der Arbeitgeber oder auch der CDU-Mittelstandsvereinigung MIT. Funktioniert leider nicht mehr so richtig, wenn es um Menschen statt Maschinen geht. Beim Karriereweg von Herrn Alsleben sollte man im Übrigen schon einmal von Projektrechnung und periodengerechter Berücksichtigung von Variablen, wie der Inflationsrate, gehört haben und sich nicht politisch dumm stellen. P.S.: Soweit ich das nachvollziehen kann, hatte und hat Herr Alsleben zwar (CDU-)politiknahe Funktionen inne, aber wohl selbst nie ein politisches Mandat. Trägt den Gesamtmetall diese Bezeichnung mit? Da ich auf den Berufsweg von Herrn Alsleben eingehe:
https://www.prreport.de/singlenews/uid-1559/kienbaum-wirbt-alsleben-vom-bmas-ab/
https://www.politik-kommunikation.de/personalwechsel/alsleben-wird-geschaeftsfuehrer-der-mit/


Was macht eigentlich… Thorsten Alsleben?


https://www.insm.de/insm/presse/pressemeldungen/alsleben-wird-neuer-insm-geschaeftsfuehrer#
Martin Hommel

Der Disput darüber, ob Bürgergeld eher kontraproduktiv ist mit Rücksicht auf das Abstandsgebot, ist rein akademisch. Die Statistik ist unbestechlich, beim „Klassiker“ Familie mit 2 schulpflichtigen Kindern, noch ausgeprägter bei Alleinerziehenden, gibt es eine eindeutige Tendenz in den niedrigeren Lohngruppen. Sogar verständlich, nur nicht den Sozialpropheten vom Schlage Heil. Ganz abgesehen davon, dass der Staat nur das verteilen kann, was vorher erarbeitet wurde. Die Schuldenbremse das richtige Korrektiv.
Christoph Schönberger

Herr Alsleben meint, ein beispielgebendes Argument gegen eine Anhebung des Mindestlohns anzuführen; denn er selbst habe weit unter dem Mindestlohn gearbeitet. Er vergisst zu erwähnen, dass er, finanziert von der Konrad Adenauer Stiftung, bereits ein Jurastudium abgeschlossen hatte und dann, in Vorbereitung seiner erfolgreichen künftigen Karriere, ein Volontariat beim Rundfunk absolviert hat. Diese Verkürzung ist dreist. Und mit dieser Banalisierung schließt ein ZEIT-Interview!
Axel Hennies

Vorweg: Auch mich ärgert es, dass sich manche Leute von den Abgaben anderer unterhalten lassen, obwohl sie ihren Lebensunterhalt auch selber verdienen könnten. Aber. Wenn es darum geht, dass Unternehmen Gesetze einhalten, die Umwelt schonen oder einfach ein ehrbares Geschäftsgebaren an den Tag legen, dann heißt es „keine Vorschriften, keine Verbote, das muss freiwillig sein, da muss man Anreize setzen“. Wenn es darum geht, Menschen dazu zu treiben, Arbeiten zu verrichten, die Herr Alsleben nie ausüben würde, zu der Bezahlung schon gar nicht, dann kann ihm der Druck nicht hoch genug sein, da kommen ihm Anreize nicht in den Sinn. Solange so mit zweierlei Maß gemessen wird, kann ich die Haltung des Herrn Alsleben nur als tiefsitzende Menschenverachtung wahrnehmen.
Hans List

Herr Alsfeld unterstellt explizit Bürgergeldempfänger*innen, schwarz zu arbeiten. Das ist Klassizismus vom Feinsten.
Stephanie König

Wie sein Parteifreund Friedrich Merz verbreitet auch Herr Alsleben das populistische Narrativ, das Bürgergeld verführe dazu, es sich in der sozialen Hängematte gemütlich zu machen – das hört man doch gerne beider AfD und den gutbürgerlichen Stammtischen: Der brave Deutsche, der morgens aufsteht und sich zur Arbeit aufmacht und auf der anderen Seite diejenigen, die unser Sozialsystem ausnutzen. Das ist intellektuell armselig, moralisch fragwürdig und nicht zuletzt gefährlich für den Bestand unserer Demokratie. Ich warte auf die Diskussion in der ZEIT, in der ebenso engagiert über die für Januar 2024 anstehende Erhöhung der Abgeordnetendiäten um 2,6 % diskutiert wird.
Jürgen Hilleke

Das Thema „Bürgergeld“ ist mit Sicherheit mit eines der wichtigsten Themen „sozialliberalen“ Handelns, weil es um Gerechtigkeit geht. Der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (Die „Union“) fällt also nichts anderes ein, als evtl. das Bürgergeld zu kürzen, anstatt es angemessen anzuheben, ungeachtet der vielen Streiks für bessere Löhne und Gehälter in allen Bereichen der Wirtschaft. Angeblich beziehen 5 Millionen Menschen in Deutschland Bürgergeld, die alle auf geringstem Niveau ihrer Einkommen ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen. Wenn die Wirtschaft, die sogenannte, in bestimmten Teilen Milliardenbeträge – alles Steuergelder – für Dies und Das einforderte und weiter tut, so sollte einem reichen Staat wie Deutschland es die Mühe wert sein, ausreichendes Einkommen für alle zu garantieren. Dabei ist eines wichtig zu erwähnen, dass eben den „Unterbezahlten im Staat“, die generell nicht arbeitsscheu sind, angemessene Leistungen zu gewähren, was ganz sicher immer dem Staat, der Wirtschaft zufließt durch Konsum, daraus Mehrwertsteuern erwachsen.
All die Unterbezahlten werden damit garantiert keine Vermögen aufbauen können. Ganz anders die evtl. Bessergestellten und gut bis sehr gut Betuchten ihr Geld, das Überschüssige, zu gewaltigen Beträgen in Geldanlagen investieren konnten, um am Wirtschaftswachstum der letzten Jahrzehnte, vor allem der letzten zwei, partizipiert zu haben – in Form von z.B. Aktien, daraus die Gewinnausschüttungen und Anleihen jeder Art. Nicht umsonst befindet sich ein Großteil der angeblich ca. acht Billionen Cash-Vermögen im Privaten deutscher Vermögender in den Händen dieser Gutbetuchten. Was da gerecht sein soll, wird ein jeder selbst bewerten; das Urteil fällt nicht schwer.
Rainer Rehfeldt

Mir fällt immer wieder auf, dass die aktuelle Inflationsrate als Argument verwendet wird, wie zum Beispiel in dem Streitgespräch in der Ausgabe 52, Seite 11. Wäre es nicht richtiger, nicht den aktuellen Prozentsatz zu nehmen, sondern die zeitliche Differenz zwischen den Terminen, zu denen die Beträge ermittelt und festgelegt wurden oder werden. Gerade in den letzten drei Jahren gab es hohe Inflationsraten, zwischen insgesamt über die Zeit gerechnet 20-30%, die sich jetzt bemerkbar machen.
Volker Höhfeld


Leserbriefe zu „Über Erfolg im Fernsehen“ von Harald Martenstein im ZEIT Magazin

Nicht immer, aber immer wieder, und so auch diesmal, trifft Herr Martenstein den Nagel entspannt auf den Kopf. Es war ein Wetten, dass wie immer. Warum sollte sich Herr Gottschalk auch neu erfinden? Ich hab’s gerne geschaut, und seinen Abgang fand ich stark.
Christian Voll

Früher habe ich Sie sehr geschätzt für Ihre Kolumnen, in denen Sie so unvoreingenommen und scharfsichtig Dinge neu gedacht und zusammengebracht haben. Im neuesten ZEITmagazin haben Sie jetzt aber für meinen Geschmack einmal zu viel über Ihre Diskriminierung als alter weißer Mann gejammert. Klar, die Gruppe der alten weißen Männer wird manchmal schief angeschaut, aber die einzige Gruppe, der es besser geht, sind junge weiße Männer – und so einer waren Sie ja wenigstens mal. Also Schluss mit dem Rumgeheule, Sie machen sich lächerlich. Bei dem seltsamen Beispiel vom schwarzen Schauspieler, der mehr verdient als Ihr Sohn, dass Sie vor einiger Zeit geschrieben haben, um zu zeigen, dass die Schwarzen doch nicht so sehr diskriminiert werden, da hab ich hoffentlich einfach die Satire nicht verstanden.
Lene Braun

Ich möchte gern was loswerden, nämlich das Gefühl, das die Gottschalk-Kolumne bei mir ausgelöst hat. Ich habe mich in den letzten Jahren sehr gerne immer wieder durch Ihre Texte „gegen den Strich“ bürsten lassen. Es war ein mental-emotionales workout und eine Hilfestellung dabei, es sich in der eigenen Meinung und Sichtweise auf die Welt nicht allzu gemütlich einzurichten. Wunderbar, die eigene reflexhafte Ungehaltenheit in mir zu beobachten und zu analysieren. Danke dafür. Auch für Sprachwitz, Kreativität, Wortkunst, letztlich das kluge Entertainment, das eine Kolumne m.E. liefern soll. Jetzt leider mein – klar sehr subjektives – Aber: Ich vermisse immer öfter genau dieses Entertainment, die Leichtigkeit, selbstironische Klugheit und glaube stattdessen so etwas wie Bitterkeit, Vehemenz und die sich verfestigende Rolle eines vermeintlichen Opfer-Anwaltes zu bemerken. Sowas Ähnliches, wie bei manchen Comedians zu bemerken ist, die auf der Bühne abgleiten von Spitzzüngigkeit in rechthaberisches anklagendes Wutbürgertum und ihr Publikum missbrauchen für gekränktes Rum-Schimpfen. Vermutlich werde ich künftig die Martenstein-Seite öfter überblättern. Es macht einfach noch nicht mal mehr Freude, mit ihm nicht einer Meinung zu sein. Schade. Aber schreiben Sie bitte weiter, wenn Sie aufhören, könnte es allzu schnell heißen: „schau, jetzt haben sie den Martenstein abgesägt, weil der als einer der wenigen halt noch die Wahrheit geschrieben hat, der mutige Mann“. Nein, für mutig halte ich Sie nicht, stattdessen für einen, der das selbst immer weniger zeigt, wozu er seine Leserschaft bisher animiert hat: Selbstreflexion und geistige Beweglichkeit.
Birgit Magiera

Ich lese Ihre Kolumne seit Jahren mit großem Interesse und habe viele spannende Denkanstöße bekommen.  In den letzten 1-2 Jahren würde ich schätzen, dass 30-50% Ihrer Kolumnen sich mit Widerstand gegen eine wahrgenommene Wokeness und dem Thema „alte, weiße, cis-Männer“ beschäftigen. In der Natur einer Kolumne liegt, dass über das geschrieben wird, was den Kolumnisten gerade beschäftigt. Gesellschaftliche Themen, wie der Import vom Kulturkampf aus den USA, gesellschaftlicher Fortschritt und Wokeness, Sensitivität und Toleranz, all das sind äußerst spannende Themen, die es verdienen ab und an intellektuell durchleuchtet zu werden.  Mein Eindruck ist, dass Sie anderen vorwerfen das gesunde Maß an Toleranz zu verlieren und „woke“ Betrachtungen ständig in den Vordergrund zu stellen – ein Argument, dass mir bisweilen einleuchtet. Zugleich bekomme ich in Ihren Kolumnen den Eindruck, dass Sie im Gegenzug selbst alle möglichen Themen auf den Aspekt „wokeness“ absuchen und reflexartig eine Antihaltung einnehmen. Ich habe Ihre Kolumnen für den vermittelten und gelebten, ich nenne es mal toleranten und liberalen Humanismus und die Schärfe der Analyse geschätzt. Sowie das Ablehnen von Populismus und das Anerkennen der eigenen Grenzen im Weltbild im Vergleich zum gesamten Spektrum der Meinungen. Das hat zu erhellenden Texten geführt, auch wenn oder vielleicht gerade, wenn ich persönlich anderer Meinung war. Ich fände es bereichernd – gerade im aktuellen gesellschaftlichen Klima -, wenn Sie sich wieder auf solche Stärken zurückbesinnen.  Bis zur nächsten Kolumne,
Marius Schmidt 

Ihre polemische Behauptung, das „Ende von Gottschalk“ sei ein „Symbol für die Spaltung der Gesellschaft in eine sich missachtet fühlende Mehrheit und eine intolerante, repressive allzu mächtige Minderheit „unterläuft das intellektuelle Niveau, das sie eigentlich beanspruchen dürfen und, was noch viel schlimmer ist, es beschädigt den liberalen, der Aufklärung verpflichteten Ruf der ZEIT. Dazu ein paar Feststellungen:
1. Ich wollte mit meiner Frau und unseren beiden Töchtern, 13 und 16Jahre, sowie einem weiteren 16-jährigen Jugendlichen die letzte „Wetten, dass …“ Sendung ansehen. Nach einer halben Stunde haben wir ausgeschaltet, denn unsere lieben Teens fanden ihre Handys interessanter als den guten Thommy. Wir haben dann gespielt und viel Spaß gehabt.
2. Thomas Gottschalk kann und will noch nicht loslassen, muss es aber und tut es dann gezwungenermaßen. Das ist ein bekanntes Phänomen und Problem älterer Menschen, vornehmlich männlicher Spezies. Man kann Thomas Gottschalk dennoch sympathisch finden, er hat trotz mancher Peinlichkeiten auch manche klugen Dinge gesagt und kommt mir meistens aufrichtig vor, was auch nicht selbstverständlich ist. Aber: Thomas Gottschalk ist kein Halbgott, den man nicht kritisieren darf und ob die Berichterstattung in Teilen wirklich „hasserfüllt“ war, gar eine Hexenjagd volksverachtender Feuilletonisten stattgefunden habe, wie sie suggerieren, stelle ich in Frage.
3. Schließlich zu dem pauschalen Oppositionspaar, nämlich der sich „missachtet fühlenden Mehrheit“ und der „intoleranten, repressiven allzu mächtigen Minderheit“. Wer sind diese beiden Protagonisten bzw. Gruppen? Sind diese wirklich so homogen und wirkmächtig, wie sie behaupten? Für mich klingt da, verzeihen Sie oder auch nicht, bei der Mehrheit das „gesunde Volksempfinden“ an, das durch herzlose, kosmopolitisch orientierte, wurzellose Intellektuelle beschädigt wird. Und diese These sei auch noch gewagt. Wenn die „normal“ empfindende Mehrheit sich repressiv und intolerant behandelt fühlt, hat dies wohl des Öfteren damit zu tun, dass einige kluge Menschen, Dinge klar und unmissverständlich auf den Punkt bringen, Kitsch Kitsch nennen, Peinliches peinlich und Dummes dumm. Das tut schlichteren Gemütern weh, aber auch klügeren Zeitgenossen, die emotional nicht loslassen können. Aber in der Minderheit sind sie deshalb noch lange nicht. Es gibt immer noch die BILD-Zeitung und viel zu viele ekelhafte Privatsender, die mit ihren trivialen Inhalten den Massengeschmack bedienen und dabei das vermeintlich schlichte Niveau Thomas Gottschalks mit stupender Leichtigkeit unterlaufen.
4. Vermutlich ist es ihnen ziemlich egal, dass Sie mit so trivialen Entgegensetzungen Wasser auf die Mühlen der AfD gießen. Jawoll, jetzt sagt auch der ZEIT-Autor Harald Martenstein, dass wir geknebelt und gedemütigt werden. Vermutlich fühlen Sie sich noch durch diesen Vorwurf bestätigt, weil Sie der Meinung sind, dass ja gerade die Missachtung der Minderheit durch eine elitäre Clique die AfD ja erst ermöglicht habe. Wenn eine Mehrheit an liebgewordenen Gewohnheiten und Vorurteilen festhält wie Mallorca-Urlaub, richtig schnell und viel Auto fahren, Umweltschutz ist nutzlos und eine Zumutung sowie Konsum ist geil und macht mich frei, dann ist das noch lange nicht richtig. Oder gilt etwa der Satz, esst mehr Scheiße, tausend Fliegen können nicht irren?
5. Fürwahr, wir leben in schwierigen Zeiten. Die an das 19. Jahrhundert erinnernde imperiale Machtpolitik Russlands und Chinas überfordert und ängstigt uns mit Kriegen wie in der Ukraine. Populisten wie Donald Trump und Boris Johnson erzielen Mehrheiten, unsere Zukunft ist in Zeiten des demografischen Wandels, der Klimakrise und einer Massenmigration aus den armen südlichen Ländern in den reichen Norden alles andere als heimelig und vertrauenerweckend. Und dann ist da noch eine fiese woke repressive gebildete Minderheit, die alte weiße Männer wie Thomas Gottschalk, Harald Martenstein und noch schlimmer arme kleine neunjährige Jungen disst, geißelt und verachtet. Ein paar Seiten weiter schreiben Sie: „Das, was mir an der Gegenwart am meisten auf die Nerven geht, ist ihre Gnadenlosigkeit“.  Nun, ihre Kolumne war dafür ein gutes Beispiel. Vielleicht versuchen Sie es mal damit, ein alter weiser Mann zu sein.
René Schilling

Ihr Artikel zur Versöhnung ist wunderbar. Ihre Kolumne „Über Erfolg im Fernsehen“ in der gleichen Ausgabe, finde ich nicht so gelungen. Ganz schön viel Energie in immer wieder das Gleiche. Macht doch Nuhr schon. Und Fleischhauer. Und Blome. Und jetzt eine Bresche für Gottschalk. Auch wir sind schon mit Karacho von einem Besuch im Schwarzwald nach Hause gedüst, um rechtzeitig mit den Kindern „Wetten das“ zu schauen. Das hat damals Spaß gemacht. Nach seinem Interview in der letzten „Zeit“ ist mir das Lachen vergangen. Alles hat seine Zeit. Die Sekretärin wird nicht mehr zum Diktat gebeten. Das Fräulein soll sich nicht mehr benehmen. Bis 1977 war die Ehefrau verpflichtet, den Haushalt zu führen, die Reform des Eherechts ermöglicht Frauen seitdem unter anderem auch ohne Zustimmung des Ehemannes zu arbeiten. Warum nicht mal Söder auf die Schippe nehmen, der jetzt mit seiner Verbotspartei CSU das Gendern verbieten will? Wir können ja zu Hause weiter labern, was wir wollen, aber ich finde es gut, wie Dinge sich entwickeln zum Guten und ich dies auch in Sprache ausdrücken kann.
Betkin Goethals

Wer sich den Thomas Gottschalk antut, der müsste eigentlich wissen, was er sich damit antut. Jetzt ist aber Schluss mit „Wetten, dass…?“ und mit lustig; und ich hab die ultimativ letzte Ausgabe auch nicht gesehen. Damals, wir schreiben gerade das Jahr 1971, da gab´s im Bayerischen Rundfunk in B3 den „Club 16“ und der Thomas Gottschalk moderierte diese Musiksendung für die ganz jungen Menschen im Lande und wir hingen natürlich an den Rundfunkgeräten. „Das hat mit meiner Fernsehtätigkeit oder meinem Erfolg nichts zu tun, sondern einfach mit männlicher Eitelkeit. Irgendwann ist es ja sowieso zu Ende“, das Zitat ist wieder ein echter Gottschalk.
Klaus P. Jaworek

Das Bild, das Harald Martenstein Woche für Woche zeichnet, ist seltsam verzerrt. Er begreift sich offensichtlich als wortgewandten Anwalt einer ängstlich schweigenden, sich „missachtet fühlenden Mehrheit“, die von einer „intolerante(n), repressive(n) Minderheit“ kujoniert wird. Dass er die Selbstgerechtigkeit einiger „woker Linker“ aufdecken will, ist gewiss ein legitimes Anliegen, doch in ihrer Einseitigkeit und Monothematik sind Martensteins Kolumnen für mich kaum zu ertragen. Als (augenzwinkernder) Chronist menschlicher Schwächen war Harald Martenstein ein ganz Großer – ähnlich wie einst sein kabarettistisches Pedant Dieter Nuhr –, doch seitdem er sich zwanghaft und bisweilen bösartig an dem immergleichen sozio- kulturellen Milieu abarbeitet und daraus weitreichende politische Schlüsse zieht, die auch in rechtspopulistischen Kreisen anschlussfähig sind, ist seine Glaubwürdigkeit dahin.  In einem kürzlich erschienenen NZZ-Interview bekannte Martenstein seine Freude an der polemischen Zuspitzung und der damit provozierten emotionalen Gegenrede. „Wenn Sie jemand wüst beschimpft, haben Sie die Lizenz, in der gleichen Tonlage zu antworten, einer Tonlage, die sich sonst verbietet“ – gewiss eine überaus eigensinnige Interpretation der häufig zu Recht angemahnten   „gepflegten Debattenkultur“.  Schön wäre es, wenn Harald Martenstein seinen rechtslibertären „Wutbürger- Habitus“ ablegte und zu dem zurückkehrte, was ihn eigentlich auszeichnete: mit nachsichtigem Blick und subtilem Humor gekonnt über die Unvollkommenheit der menschlichen Existenz zu lästern.
Rüdiger Paul


Leserbriefe zu „C – Die große Verbiesterung“ von Hanno Rauterberg

Wir leben in Zeiten, in denen Autonomie und Freiheit sich gegen sich selbst richten: Dialektik der Aufklärung. Die individuelle Entkopplung verlangt immer deutlicher eine Rückkopplung in ethische und ästhetische Bekenntnisse, um sich im Rahmen der allgemeinen Verunsicherung doch irgendwie verbunden zu fühlen. Paradoxerweise beanspruchen diese der Besonderung dienenden Bekenntnisse Allgemeingültigkeit. Die Absolutheitsansprüche lassen Widersprüche wachsen und fördern den Rigorismus. So werden aus komplexitätsreduzierenden Behauptungen schnell Enthauptungen (Cancelungen). Statt der Reflexivität wachsen die Reflexe. Wir sollten wieder das Allgemeine als Resonanzraum stärken, in dem das Besondere (als das Besondere) sich entfalten kann, in dem die Kunst (als Kunst) frei sein kann.
Reinhard Koine

Gäbe es in der Welt einen Ort, wo die Götter, wo die Wahrheit und das Gute zuhause sind, welche Sort Mensch würde dieser Ort wohl anlocken? Jaa! Genau! Feiglinge, risikoscheue Opportunisten, Sadisten, die mit gutem Gewissen verurteilen und umbringen und alle jene die ihren alten Gott gefeuert haben, um dieses Gewerbe selbst auszuführen. Wehe, wehe, es kommt der Tag (sagen wir der 7. Oktober), der diesen Ort von Wahrheit und Güte, als naive und eitle Selbsttäuschung entzaubert. Wie beschämend für seine Bewohner!  Denn das Beste des Menschen ist sein Zweifeln, sein unaufhörliches Suchen, sein mutiges Infrage stellen aller Orte von Wahrheit und Güte. Falls die Linken nochmal zu den Progressiven und zu den Künstlern gerechnet werden wollen, wird es höchste Zeit, umzuziehen.  Feiglinge, Opportunisten und Sadisten werden sicher noch eine Weile bleiben und die schöne Aussicht genießen.
Fred Klemm

Die jetzt festgestellte Mentalität des halsstarrigen Glaubenskampfs hat die angeblich intellektuelle Linke bereits in der Corona-Pandemie ausgebrütet und geboren. Auch damals gab es schon die gottgleichen Richter unter den Linken, die sich über jeden und alles aufspielten und für Argumente unzugänglich waren. Ihr Haus war da ziemlich vorne mit dabei. Nur gab es damals eben noch einen Grundkonsens unter den Linken; aber schon in der Pandemie wurden diejenigen, die nicht dem Grundkonsens zustimmten, gecancelt, ausgeschlossen und unerbittlich bekämpft. Das Verhalten der Linken führt schon seitdem zum Aufstieg der populistischen Rechten, denn die Zustimmungswerte zur AFD steigen nicht seit dem 7. Oktober an, sondern im Wesentlichen geschah dies schon vorher. Jetzt werden diese Grabenkämpfe nur eben auch in die Linke hineingetragen, weil es keine richtige Seite gibt, aber die falsche Seite wird schon seit Jahren persönlich attackiert. Wohl übersehend, was Helmut Schmidt zu der Demokratie sagte, in der nicht gestritten wird. Insofern gäbe es nichts Dringenderes als zu Toleranz und Meinungsvielfalt in der erst dann wirklich intellektuellen Linken des Landes zurückzukehren. Wie Joubert sagte, sollte Ziel einer Diskussion nicht der Sieg sondern der Fortschritt sein.
Volker v. Moers

Zwischen Kunst und Politik gab es schon immer eine Verknüpfung, natürlich nicht zwingend. Die Kunst darf aber nicht Mittel zum Zweck werden, um nur noch bestimmte politische Botschaften eines Künstlers, einer Künstlerin, oder einer Gruppe von Künstlern zu transportieren. Andersdenkende Künstlerinnen und Künstler auszuschließen, kann nicht Teil des Schaffensprozesses für die eigene Kunst sein. Im Gegenteil, das ist Unterdrückung und ganz weit weg von der Freiheit, die Wesensmerkmal der Kunst selbst ist.  Menschen, ob Künstler oder nicht, die jede andere Meinung als persönlichen Affront betrachten, tolerieren nur die uneingeschränkte Selbstbestätigung. Ich finde, das ist eine menschliche Schwäche, unerwachsen dazu, je unerbittlicher, desto schlimmer. Diese Schwäche wird zur Stärke, wenn dem nichts entgegengesetzt wird und andere gegen die eigene Überzeugung diesem Treiben freien Lauf lassen. Sei es aus Bequemlichkeit oder aus der Scheu vor einem Konflikt. Für einen freien Kunstbetrieb ist das schädlich, er entmündigt damit sein Publikum und beschränkt sich selbst. Die Kunst wird zur Selbstbeschäftigung, nicht zur Befreiung, sie wird exklusiv. Für mich gibt es ohnehin keine „richtige“ oder „falsche“ Kunst, ich möchte mich mit ihr auseinandersetzen und selbst mein „Urteil“ bilden. „Welche Linke auch immer: Sie hat versagt“, sagt Omri Boehm. Besser kann man nicht beschreiben, wie vermeintlich progressive Linke selbst Opfer ihres eigenen „Kampfes“ werden und der Schluss, den Hanno Rauterberg daraus zieht, ist genauso zutreffend. Die populistische Rechte profitiert zusehends davon. Das kann doch nicht gewollt sein.
Regina Stock

Erneut bin ich so froh über die Berichterstattung in der ZEIT. Und dankbar. Ich werde auch diese Artikel wieder an einige Menschen in meinem Umkreis senden, weil sie Orientierung bieten in diesem Chaos der Ereignisse und der Gefühle.
Sibylle Riffel

Die „gottgleichen Richter“ sollten ihren unheiligen Zorn und ihre hormonelle Erregung auf dem richtigen Schlachtfeld abkühlen! Dort aber könnten sie sich eine blutige Nase und mehr holen; deshalb toben sie sich lieber auf unblutigen Nebenkriegsschauplätzen aus wie Gendern, Identitätspolitik, kulturelle Aneignung. Andersdenkende vernichten sie mit Worten, nicht mit Waffen!  All diesen Maul- und Mailhelden wünschte man eine Pilgerreise nach Jerusalem, Gaza und Kiew, damit sie mit eigenen Augen und Ohren sehen und hören können, was die Menschen wirklich bewegt! Doch sie verweilen lieber in ihrer räumlichen und geistigen Beschränkung. Dort blähen sie ihre Pseudoprobleme mit viel heißer Luft ideologisch auf und merken nicht, daß die den allermeisten Menschen auf unserer Erde, die große, echte Sorgen drücken, am Allerwertesten vorbeigehen! Das erzeugt Frust, könnte auch zur Verhärtung, könnte aber auch zu ein bißchen mehr Toleranz führen! Unsere Hoffnung ruht auf Letzterem!
Ulrich Pietsch

«Ausstellungen werden abgesagt, Ehrenpreise nicht verliehen: Wohl noch nie war das progressive Lager tiefer gespalten. Hanno Rautenberg untersucht «Wie es soweit kommen konnte – und was jetzt auf dem Spiel steht. » Nun ist es ja so, dass es innerhalb der Menschheit mehrere Gräben gibt. Da wären der demographische, der ökonomische und eben auch ein ideologischer Graben. Die Gräben haben gemeinsam, dass sie durch jeweils durch verschiedene, sich selbst verstärkende Mechanismen entstanden sind und nicht unbedingt durch bösen Willen. Der demographische zum Beispiel dadurch, dass hohe Geburtenraten zu hoher Jugendarbeitslosigkeit führen können, und damit zum Nutzen von Ersatz-Perspektiven, die wiederum mit hohen Geburtenraten verbunden sind. Der ökonomische auch durch das Prinzip «The Winner Takes it All» gefördert durch den technischen Fortschritt. In der herkömmlichen Landwirtschaft ist das Prinzip weniger wirksam als im High-Tech-Bereich (Pharma, IT, Medien).
Der ideologische Graben verstärkt sich dadurch, dass die Suche nach Perspektiven zur Suche nach Idealen führt und schliesslich zum Glauben an Ideale. Glauben heißt etwas für wahr halten auf Grund einer akzeptierten Autorität. Wenn diese Autorität das Ideal selbst ist an das man glaubt, dann muss das Ideal verbiestert verteidigt werden, weil sonst die Grundlage für den Glauben einen Riss bekommt, der sich durch Rückkoppelung ausweitet. Die Wirkungen dieser Gräben sind teilweise verknüpft. Notwendig fürs Überwinden der Gräben ist es, ein gemeinsames Ziel in den Vordergrund zu stellen, etwa das lange gute Fortbestehen der Menschheit. Beim Verfolgen dieses Ziels muss auf die Ursachen der Gräben eingegangen werden und auf die Probleme, die diese verursachen. Etwa eine wesentliche Ursache des Kriegs im Nahen Osten liegt im Bereich der Demographie. Es gibt für die vielen jungen Menschen fast nur Perspektiven im Bauen von Tunnels und Raketen und im Beitragen zu hohen Geburtenraten. Da Fehlen von Lösungen führt auch zur Suche nach Sündenböcken. Da bieten sich auch die Probleme an, die der ökonomische Graben verursacht.
Nötig wäre eine Lösung, die Perspektiven bietet, die mit Nachhaltigkeit in allen Bereichen (betrifft Konsum und Kopfzahl) vereinbar sind. Die Existenz Israels muss auch als Resultat eines Bevölkerungsaustausches gesehen und akzeptiert werden. Im ganzen Nahen Osten, wie auch in weiteren Teilen der Welt muss die demographische Eigenverantwortung gefördert werden. Übrigens, der Wohlstand Europas beruht auch darauf, dass es gelingen musste, das demographische Wachstum zu begrenzen (Stichworte: Klöster, Erbrecht, das die Geschwister des Hoferbens oftmals zwang, auf eine Familiengründung zu verzichten). Dies auch weil keine Hilfe von aussen zu erwarten war. Neben der Verantwortung für eine gute Zukunft berechtigt auch dies, die Notwendigkeit von Lösungen im Bereich der Demographie zu thematisieren.
Gernot Gwehenberger

C von Hanno Rauterberg, aktuelle Ausgabe, Seite 56, spricht auf großartige Weise die Krux unserer gegenwärtigen gesellschaftlichen Lage an! Meine herzliche Gratulation. Was Corona noch nicht geschafft hat, das schaffen jetzt die aktuellen Kriege. Linientreue und klare Positionierung sind angesagt; man hat sich ganz und gar der Einseitigkeit zu verschreiben. Der daraus resultierende Raubbau gerade in der Kulturszene nimmt verheerende Ausmaße an.
Peter Früh


Leserbriefe zu „In dem Sinne bin ich auch Pazifist“. Gespräch mit Boris Pistorius geführt von Peter Dausend und Jörg Lau

Der deutsche Verteidigungsminister Pistorius ist wahrscheinlich im Moment ein Glücksfall für die deutsche Geschichte. Denn die Vorgängerinnen und Vorgänger in diesem Amt waren allesamt nicht „kriegstauglich“. Und notabene auch nicht verteidigungs- fähig. Wie überhaupt das ganze Land nichtverteidigungsfähig ist. Das Wort Landesverteidigung ist seit Vollendung der deutschen Einheit im juristischen Sinn aus dem deutschen Vokabular gestrichen worden. Aus dem Ansinnen der deutschen Gesellschaft sowieso. Salopp gesprochen. Peter Hartz‘ Hartz IV ersetzte sozusagen die Landesverteidigung. Eine Wohlfühlatmosphäre en miniature ersetzte staatsbürgerliche Gesinnung. Das wird für den Pistorius noch eine Herkulesaufgabe werden, gegen den „Genossen Trend“ „Ich bin dann mal weg, wenn es Krieg gibt“ anzukämpfen.
Detlef Rilling

Ach, schau an. Eben noch habe ich einen Leserbrief zum PISA-Schock (S. 1) geschrieben, wo es auch um die Wehrpflicht ging und auf S. 2 lauert schon der Verteidigungsminister. Viermal fast das gleiche Foto. Hätte nicht EINES gereicht? Am besten das Oberste, wo Pistorius den Zeigefinger (leider den falschen, nicht weit genug und der Gesichtsausdruck ist auch nicht grimmig genug, das Armin-Laschet-Lächeln wird Botox-Putin nicht sonderlich ängstigen) in „Uncle-Boris-Wants-You“-Manier ausstreckt. Wenn Sie das ganzseitig gedruckt hätten, hätte ich mir das (trotz der angesprochenen Mängel) vielleicht sogar als Poster an die Wand gehängt.
Thomas Manthey

Richtig die zentrale Aussage: primäre Staatsaufgabe ist die Sicherheit. Ohne Sicherheit ist das Freiheitsversprechen eine leere Worthülse. Eine Maxime bereits zu Brandts Regierungszeit, wo der Verteidigungsetat doppelt so hoch war. Viele Friedensapostel skandierten damals “ lieber rot als tot“, als ob das Tauschgeschäft wirklich valide gewesen wäre. Allein Wehrhaftigkeit ist Garant und Voraussetzung für Freiheit und Unabhängigkeit. Putin ist ungewollt der Gamechanger, der manche wie Mützenich aus ihrem Friedenstaumel gerissen hat. Wenn Pistorius es ernst meint, muss der Bundeshaushalt sich diesen Prioritäten stellen, Verteilungskämpfe eingeschlossen vor allem beim überbordenden Sozialetat.
Christoph Schönberger

Dass Herr Pistorius sich als Pazifist bezeichnet, finde ich gut, obwohl das eigentlich eine Binsenweisheit ist, denn alle Verteidigungsminister aller demokratischen Staaten sind Pazifisten. Keiner von ihnen will oder wollte Kriege vom Zaun brechen. Aktuell wäre es angebracht, wenn die Motive Putins für seinen Angriffskrieg deutlicher benannt würden. Nach seiner Aussage will er Russland in den Grenzen der alten Sowjetunion sehen. Das ist sein strategisches Ziel, das Motiv hinter seinem zerstörerischen Aktionismus ist aber ein anderes: Er will Menschen an ihren Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten hindern, um sie nach seinen egosüchtigen Vorstellungen kontrollieren zu können. Das ist unmenschlich, genauer gesagt sogar teuflisch und kann zu keinem konstruktiven Ergebnis führen. Schließlich geht es um zwischenmenschliches Miteinander, auch über Grenzen hinweg, und nicht um einengende Systeme ideologischer oder machtpolitischer Art.
Christoph Müller-Luckwald

Nomen est omen. Da strahlt er uns wieder einmal leicht lächelnd entgegen: Der alte, neue „Kriegs-ertüchtigungs-Minister“! Dieser Paradigmenwechsel steht einem einzelnen Minister gar nicht zu. Er ist und bleibt Verteidigungsminister. Gemeint hatte er sicher den Zustand der Bundeswehr, wenn er wie gewohnt provozierend lächelnd agiert. Doch Worte prägen, wie wir wissen, manchmal sogar ein ganzes Volk. (Ich möchte meinen Enkeln einmal später nicht erklären müssen, dass alles mit der „Kriegsertüchtigung“ begann. Ich habe mal gelernt, dass die Bundeswehr eine Verteidigungsarmee sei. Und der zuständige Minister ein Verteidigungsminister! Wenn er dann mit seiner Biographie argumentiert und meint, dass „wer ihn kennt“, ihn auch versteht. Ich kenne ihn nicht, nur aus der Medienberichterstattung, da bin ich der ZEIT auch dann für dieses Interview dankbar. Aber: Wer sich dann noch als Pazifist selbstdefiniert, der Reitet auf einem Hohen Ross und einem schmalen Grat. Der irrt sogar.  Pazifismus ist eine Haltung und ein Prozess, den man in Deutschland z.Zt. gar nicht fordern darf. Wenn ein verantwortungsbewusster Minister dann noch ausweichend antwortet, wenn er auf die Gefahr einer dritten Amtszeit D. Trumps angesprochen wird, dann handelt er nicht strategisch und vielleicht sogar verantwortungslos. Andere europäische Staaten, wie zum Beispiel Estland, sind da klarer.
Der Minister sollte lieber die jährlichen Veröffentlichungen von SIPRI lesen, die den Anstieg von kriegerischen Auseinandersetzungen und Kriegen wissenschaftlich dokumentieren, und den Anstieg der Rüstungsausgaben in schwindel-erregenden Höhen. Man kann nicht zuhause (also „von Deutschland aus“) Pazifist spielen und weltweit mit den Säbeln (heute mit den bewaffneten Drohnen) rasseln. Der Bundeskanzler schweigt zu diesen Vorgängen. War nicht anders zu erwarten. Ich lerne, dass Mindset ein neues Modewort werden könnte. Vielleicht löst es einmal Transformation in der Rangfolge ab…
Ralf Diez

Alles klar, dann ist eben der Verteidigungsminister ein Pazifist! Irgendwie ist es eh schon total egal, was so alles in dieser skurrilen Ampel schiefläuft. Wahrscheinlich stand in seiner Stellenausschreibung drinnen, dass er unbedingt den Dienst mit der Waffe zu verweigern hat. Was kommt als nächstes, evt. der Veganer, der doch Fleisch isst?
Klaus P. Jaworek

Eindämmung der Kriegsrhetorik – Ein Aufruf zur Besinnung! Wir befinden uns zunehmend sprachlich auf einem gefährlichen Terrain, einem, das Krieg nicht nur als Möglichkeit, sondern als unausweichliches Schicksal suggeriert. Diese alarmierende Verschiebung zeigt sich in den Äußerungen bestimmter Politiker, die mit fast unglaublicher Aggressivität eine vollständige militärische Unterstützung der Ukraine fordern. Insbesondere die Forderungen nach einem „all in“ – mehr Munition und mehr Präzisionsflugkörper sind beunruhigend. Die Idee, in Deutschland eine Art „Kriegswirtschaft“ zu etablieren und die Notwendigkeit einer mentalen und materiellen Kriegsvorbereitung, zeugt von einer tiefgreifenden Entmenschlichung und einer gefährlichen Verrohung der politischen Sprache.
Diese aggressive Rhetorik wird auch von anderen hochrangigen Politikern wie Boris Pistorius unterstützt, wie kürzlich in seinem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“. Die Forderung nach einem Mentalitätswechsel in Deutschland, um einen möglichen Aggressor abzuschrecken und die Bundeswehr „kriegstüchtig“ zu machen, ist nicht nur alarmierend, sondern auch zutiefst beunruhigend. Die Verwendung des Begriffs „Kriegstüchtigkeit“ in diesem Zusammenhang ist eine besorgniserregende Rückkehr zu einer veralteten und gefährlichen Denkweise, die den Menschen und sein Wohlergehen vollständig ignoriert. Es ist erschreckend, wie diese Art von Rhetorik nicht nur die Politik beeinflusst, sondern auch die öffentliche Meinung prägt. Wenn führende Politiker eine Sprache verwenden, die Krieg und militärische Stärke glorifiziert, kann dies zu einer schleichenden Akzeptanz dieser Ideen in der breiten Bevölkerung führen. Dieser Prozess, bekannt als das „Overton-Fenster“, beschreibt die Verschiebung des Spektrums dessen, was in der öffentlichen Diskussion als akzeptabel und normal angesehen wird.
In diesem rhetorischen Kontext ist es daher umso wichtiger, eine klare und entschiedene Gegenposition zu beziehen. Krieg ist furchtbar, grausam und verantwortlich für unfassbar viel Leid. Wir dürfen uns niemals an die Grausigkeit und das lapidare Reden über Krieg und Waffensysteme gewöhnen. Es ist unsere Pflicht, für eine Sprache einzutreten, die Frieden, Verständigung und Menschlichkeit in den Vordergrund stellt und gegen eine Rhetorik, die Krieg normalisiert und glorifiziert, entschieden Stellung zu beziehen.
Andree Westermann


Leserbriefe zum Titelthema „Wie geht Verzeihen?“ „Wann ist Versöhnung möglich?“ von Harald Martenstein

Was für ein wunderbarer Text. Vergebung ist eine der wichtigsten Realitäten auf dieser Welt. Danke!
Hannah Edelbauer

Es mutet schon recht merkwürdig an, dass ausgerechnet das laut Henry Kissinger „leading German intellectual weekly“* das komplexe Thema Vergebung und Versöhnung von einem Autor abhandeln lässt, der weder Historiker noch Politologe, weder Psychologe noch Anthropologe, weder Philosoph noch Theologe ist.  Das Ergebnis ist dann auch entsprechend: Im ersten Teil des Textes wird ausführlich geschildert, wie zerrüttet die Ehe der Eltern des Autors war**, im zweiten Teil macht der Verfasser ausgiebig Werbung für seinen Roman Wut, der „viel mit mir zu tun hat“*** (was ja für fast alles zutrifft, was er zu Papier bringt). Und frei nach dem Motto „Jeder tote Kommunist ist ein guter Kommunist“ stilisiert er Rudi Dutschke zu einem Gutmenschen, der sogar seinen Attentäter Bachmann vor einem Selbstmord bewahren wollte. „Herr, vergib Ihnen …!“
* s. S. 10 in dieser Ausgabe der ZEIT
** man könnte etwas gehässig sagen – das erklärt manches!
*** was man gern glaubt, wenn man jeden Samstag die wütenden Kolumnen von M. in einem anderen „weekly“ liest.
Wolf-Rüdiger Heilmann

Es ist großartig, Harald Martensteins Erkenntnisse und Überlegungen auch außerhalb seiner erwartungsgemäß mehr oder weniger ironischen Kolumne in einem umfangreicheren Text zu einem ernsten, tiefen Thema zu erfahren. Vergebung: Was ist wunderbarer als solche Tapferkeit des Herzens, die einer schmerzlichen Kränkung mit einem Akt äußerster emotionaler Überwindung begegnet. Versöhnung als beiderseitiger Gewinn: Martenstein macht die Zusammenhänge deutlich. Ein wertvoller Beitrag, der zu einem friedlicheren Miteinander anregt in einer von vielfältigen aggressiven, unduldsamen Verurteilungs- und Ausschlusshaltungen geprägten Zeit.
Ludwig Engstler-Barocco

Danke für diesen Beitrag.
Kasimir Houben

Vielen Dank Herr Martenstein für Ihren bemerkenswerten Artikel “Wann ist Versöhnung“ möglich. Er strahlt Optimismus aus in einer so morosen Zeit, die uns seit dem russischen Angriff auf die Ukraine in Bann hält. Ich wünschte mir, dass alle Palästinenser und Israelis Ihren Artikel lesen. Er könnte in meinen Augen ebenso viel zum (wenn auch unwahrscheinlichen) Frieden im Nahen Osten beitragen wie Friedensgespräche zwischen unseren doch leider recht hilflosen Politikern.
Lorenz Herbst

Dieser Artikel hat mich sehr berührt! Er entspricht einer Zusammenführung systemischer und spiritueller Haltung, der ich nur meine absolute Bewunderung und Wertschätzung ausdrücken kann! Lieber Herr Martenstein, mögen diesen Artikel so viele Menschen wie nur möglich lesen…das ist gelebte Menschenliebe!!! Vielen Dank und eine tiefe Verbeugung für diesen lebensgereiften Worte!
Joachim Roth-Wolf

Nach der Lektüre dieses Aufsatzes-insbesondere Ihrer persönlichen Einlassungen – konnte ich die halbe Nacht nicht schlafen. ICH BIN ERSCHÜTTERT! Zu mehr bin ich momentan nicht fähig.
D. Fremberg


Leserbriefe zu „Was kommt danach?“ von Lea Frehse

Mir fällt dazu nur „billiges Israelbashing“ ein. Vertauschen Sie den „Angreifer“ Israel gg. Russland und den „Angegriffenen“ Gaza gg. die Ukraine.  Schweigen an der Scheinheiligenfront! Es ist billig, einem zivilisierten Staat in Notwehr Moral um die Ohren zu schlagen. Warum regen sich die „Anständigen“ dieser Welt nicht auf über Gleiches in Russland, China, Sudan, Jemen, Iran, Afghanistan, … u.v.m. Es würde die Betroffenen nicht interessieren, wie sollte man damit sein schlechtes Gewissen pflegen? Die ganze Welt hat es 1945 in Deutschland vorgemacht wie aus einem verbrecherischen Regime und Volk eine Demokratie gemacht wird. Das war nicht Made in Germany und es ist kein Geheimnis.
H. Giller

Ihre Artikel passen wundersam zusammen. Ein Wunder braucht es auch im Verhältnis Israel-Palästina. Zwischen Frankreich und Deutschland war die Sache klar: nationalistische Erbfeinde. Man weiß gar nicht mehr genau, wieso. Im Nahen Osten ist es viel schwieriger. Es gibt keine zwei Staaten, sondern nur einen, der die Macht hat und die schwächeren seit Jahrzehnten gängelt. Wenn es zwei Staaten gäbe, könnte man dort einen ordentlichen Krieg führen. Z.B., dass die Palästinenser Israel offen den Krieg erklären. Kriegsgrund: Vertreibung aus der Heimat, bestätigt durch UNO-Resolution. Sie könnten natürlich offen zu Verhandlungen auffordern, z.B. unter Vermittlung der UNO. Aber ohne Staat? Auf jeden Fall wären die palästinensischen Kämpfer Soldaten und keine Terroristen gewesen. Für die Palästinenser sind ihre Kämpfer noch nie Terroristen gewesen, sondern Freiheitskämpfer, soweit ich das durch die Berichterstattung der letzten Jahrzehnte beurteilen kann. Die verzweifelte Sichtweise des Schwächeren. Für uns im Westen sind es Terroristen.
München 1972, Flugzeugentführungen, Bombenanschläge und viele andere Dinge sprachen eine deutliche Sprache. Als Staat hätte Palästina einen echten Präsidenten und keinen von einer Autonomie-Behörde von Israels Gnaden. Jetzt mordet man sich seit Jahrzehnten so hindurch und durch das Massaker der Hamas und durch den israelischen Angriff auf Gaza hat der Konflikt einen Höhepunkt erreicht. Lea Frehse zitiert zurecht den US-Verteidigungsminister ‚auf den taktischen Sieg, erfolgt die strategische Niederlage‘. Harald Martenstein weist darauf hin, dass die Basis der Versöhnung in Europa (z.B. Fr+D) von Politikern gelegt wurde, dass es aber lange dauerte, bis die Versöhnung oder zumindest die Akzeptanz des früheren Gegners allgemein wurde. Es ist überhaupt die Errungenschaft Europas, dass man uns Deutsche nach all den Gräueln wieder ‚reinließ‘. Immerhin hatten alle Beteiligten einen eigenen Staat und Deutschland war besiegt und besetzt und wurde nach und nach in das westliche Verteidigungsbündnis aufgenommen und galt als Schutzwall nach Osten. Das ist im Nahen Osten nicht möglich. Frieden wegen Erschöpfung, wie im Dreißigjährigen Krieg? Alle ehemaligen Feinde gehörten der christlichen Religion an, was meines Erachtens nicht unwichtig war. Dieses oben genannte Grauen haben die Palästinenser als auch die Israelis sozusagen neu entfacht. Wie soll denn angesichts der Verbrechen vom 7.Oktober und der unverhältnismäßigen Tötung von tausenden Zivilisten ine Versöhnung und eine Zukunft aussehen? Auch nur im Ansatz. Wird denn nicht durch die vielen Toten neuer Hass gesät?
Alle Lösungsansätze, die vor dem 7.10. in die Arena geworfen wurden, wirken jetzt noch fragiler. Wie in einem anderen Kommentar beschrieben, könnte der Anfang einer Lösung darin liegen, dass die israelischen Siedler das West-Jordanland räumen, weil diese Siedlungen durch schlechte israelische Innenpolitik entstanden sind und ein eventueller palästinensischer Staat durch diese Siedlungen und ihre Zufahrten und Bollwerke zersiedelt wäre. Diese Idee ist für die Ultrareligiösen ungeheuerlich und könnte zu einer Art Bürgerkrieg führen, da dieses Land ‚heiliges Land‘ ist. Mir fehlt der Glaube, dass Israel ein paar hunderttausend Siedler friedlich umsiedeln kann. Wir sehen in den Nachrichten tödliche Angriffe von Siedlern auf Palästinenser im West-Jordanland. Vielleicht sieht die israelische Regierung die Siedler auch als nicht rückholbar an und macht deshalb mit ihrer Siedlungspolitik immer weiter, nachdem Motto, was wir nicht ändern können, können wir nicht ändern, also weiter so. Die IDF wird die Hamas in Gaza besiegen können, aber nicht die Ideen der Hamas oder anderer ähnlicher Organisationen. Ich würde gerne wissen, was die Thinkthanks der Israelis für Visionen haben, was z.B. nach einer Zwei-Staaten-Lösung in einem Staat Palästina passieren würde.
So weitermachen verbietet sich. Ich glaube, dass es eine Chance auf ein Nebeneinander gibt, weil die Menschen in Palästina jung sind und andere Möglichkeiten hätten als die aktuellen und Israel eine Demokratie ist, in der viele Menschen ähnlich ticken wie wir und so auch nicht leben wollen. Nur der Frieden ist lebenswert, so darf es dort nicht weiter gehen. Friede durch Erschöpfung (siehe oben) oder eher Friede wegen unzumutbarer Lebensumstände? Es bräuchte es die Hilfe aller Akteure der Weltgemeinschaft. Wer baut Gaza wieder auf? Wer wäre bereit zu einer Einigung was beizutragen? Für Krieg wird genug Geld verballert, wenn dieses in den Frieden fließen würde, Aufbau, Jobs. Und dann haben wir auch noch das Ukraine-Russland-Problem. Da muss es auch ein Nachher geben. Viel zu tun für die Weltgemeinschaft.
Peter Hofstätter

Der Kommentar von Lea Freese mag die Autorin erleichtern, ansonsten kann ich keinen Sinn erkennen. Dieser Krieg wurde von der Hamas darum begonnen, weil Israel und einige gemäßigte Nachbarn dabei waren, den Frieden zu gewinnen. Hamas, Hisbollah und alle anderen Ableger des Iranhaben nur im Krieg gegen Israel eine Legitimation. An der Kriegsführung Israels zukünftige Friedenschancen fest zu machen, wird der Wirklichkeit nicht gerecht und ist Teil dessen, was die Hamas erreichen will – eine Deligitimation Israels. Im Grunde führt die Hamas einen Krieg gegen den Frieden.  Israel kann sich nur verteidigen. Erst wenn die Palästinenser und die gemäßigten Regime so entschlossen gegen Iran und seine Terrorgruppen kämpfen, wie es Israel tut, erst dann kann Friedenwerden. Das zu übersehen ist eine erstaunliche Fehlleistung. Israel zu beraten, wie man sich gegen eine barbarische Mörderbande so verteidigt, dass die Gutmenschen in Europa beruhigt sind und sich zukünftiger Frieden aufdrängt, dafür habe ich keine Worte.
Fred Klemm

Jede kriegerische Auseinandersetzung ist ein fataler Fehler. Krieg ist auch nicht die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Da in jedem Krieg nicht nur Soldaten verstümmelt und getötet werden, das ist bereits schlimm genug, sondern auch unbeteiligte Kinder, Frauen und Männer jeden Alters, insofern ist Krieg unverantwortlich und grausam.  Wer befiehlt den Krieg? Das sind in der Regel alte Männer. Die den Krieg in warmen Palästen und mit allem versorgt, was an den Fronten den Soldaten fehlt verfolgen und beobachten. Bereits dieses Verhalten ist zutiefst inhuman. Die Zukunft Israels, die jungen Männer und Frauen, werden „geopfert“. Klar darf Israel sich nach den Terrorakten vom 07. Oktober und unentwegten Raketenangriffen verteidigen. Aber treffen die Soldaten, Panzer und Raketen im Gazastreifen die Hamas so hart, dass eine endgültige Vernichtung abzusehen ist? Sicher nicht. Die Schutzschilde der Hamas ist die palästinische Zivilbevölkerung. Das Leid der Bevölkerung im ganzen Gazastreifen wird von der Hamas und der Israeltischen Armee billigend in Kauf genommen. Diese „Gewaltspirale“ zu stoppen, muss das Ziel Amerikas, Deutschlands und der ganzen EU sein. Da Herr Netanjahu uneinsichtig ist und keine Bereitschaft zeigt weiteren Waffenstillstand und/oder Verhandlungen mit der Hamas ins Auge zu fassen sind drastische Maßnahmen notwendig. Die amerikanische und deutsche Rüstungsindustrie sollte ihre Lieferungen von Waffen und Munition drastisch einschränken. Wer mittlerweile das Leid der eigenen und der Palästinensischen Bevölkerung billigend in Kauf nimmt, muss nachhaltig aufgehalten werden. Das gleiche gilt natürlich ebenfalls für die Hamas. Hier müssen die arabischen Länder entsprechend Einfluss nehmen. Die „Weltgemeinschaft“ wird nach diesem Krieg den Wiederaufbau im Gazastreifen und eine Koexistenz von Palästinensern und den Juden in Israel händeln müssen. Alleine schon, um weitere Flächenbrände in dieser Region zu verhindern. Stichwort: Hisbollah und einige Anrainer- Staaten.
Felix Bicker

Es ist der traurigste Beitrag seit langem. Warum mahnen die USA und Deutschland Mindeststandards nach dem Krieg an? Keine Vertreibung und keine Grenzverschiebung? Hat die israelische Regierung den Überfall und die Geiselnahme als Steilvorlage genau dafür benutzt. Ich persönlich merke jetzt, dass mir Judentum und deutsche jüdische Gemeinden und jüdische Journalisten nahe und vertraut sind.  Ich hoffe deshalb auf alle demokratischen Kräfte In Israel und auf den Fokus der Staatengemeinschaft auf die Situation der Palästinenser, in der sie sich seit 75 Jahren befinden.
Brigitte Faber

Israel, so Frau Frehse, führe keinen Krieg wie die Hamas. Das Ergebnis ist aber genauso erschreckend und abstoßend wie der Terrorüberfall am 07. Oktober 2023. Rund 10.000 zivile Opfer habe die israelische Kriegsführung bereits gefordert. Etwa zwei Drittel der bisher getöteten Palästinenser. Damit droht die israelische Kriegsführung nicht ihre Legitimation zu verlieren, nein, damit hat diese sie längst verloren. Unter Inkaufnahme derartig vieler ziviler Opfer die Hamas zu zerstören, dürfte nahezu ausgeschlossen sein. Die Hamas ist nicht nur eine Organisation, sie ist auch eine Idee. Und auch wenn die Hamas spätestens mit dem schrecklichen Überfall ihre Legitimation als Vertretung für das berechtigte Anliegen der Palästinenser nach einem lebenswerten Dasein verwirkt haben dürfte, so bleibt die Forderung weiterhin bestehen und berechtigt. Deshalb kann danach, oder besser zeitnah, nur die Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung kommen. Nur sie allein bringt den Israelis Sicherheit und den Palästinensern eine lebenswerte Perspektive.
Reiner Gorning

Kein Richter würde mich freisprechen, sollte ich im Falle, dass vom Grundstück meines Nachbarn eine Schlange käme und meinen freilaufenden Hasen beißen und töten würde, ich aus Rache nicht nur das Haus meines Nachbarn anzünden, sondern auch die aus dem brennenden Haus flüchtenden Nachbarn nebst Kindern erschießen und vor Gericht auf mein Selbstverteidigungrecht pochen würde. Das waffenstarrende Israel, tausendmal militärisch stärker als jede palästinensische Kampftruppe, war am 7. Oktober keinen Moment lang in seiner Existenz gefährdet. Es war lediglich aufgrund seiner Allmachtsphantasie vollkommen überrascht. Um so brutaler war – nicht zuletzt aufgrund verletzten Stolzes – die Rache gegen die Nachbarn im Gazastreifen. Das kriegsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit war trotz des Raketenhagels aus Gaza von Anfang an nicht gegeben. Wer angesichts des hunderttausendfachen menschlichen Leids in Gazagegen einen sofortigen Waffenstillstand argumentiert, macht sich mitschuldig an diesem unglaublichen Gemetzel, das schon den Keim für den nächsten und übernächsten Krieg in sich trägt.
Björn Luley


Leserbriefe zu „Wir erleben antisemitische Aktionen aus linken, auch akademischen Kreisen“. Gespräch mit Josef Schuster geführt von Georg Löwitsch

Vielen, vielen, vielen lieben Dank!
Michael Scheppler

Josef Schusters Antwort auf den Entschluss Deutschland zu verlassen ist humoristisch bzw. sarkastisch: Er hat keinen Dachboden und muss deswegen ohne Platz für den Koffer auf die Abreise verzichteten. Er beschreibt das Dilemma der Juden in Deutschland, wie lange schon seine Familie bzw.  Vorfahren als deutsche Juden es als selbstverständlich betrachteten/hofften, als Deutsche akzeptiert zu werden. Man reibt sich als Deutscher verwundert die Augen, wo man doch weiß, dass die Wurzeln vieler Deutscher im Ausland liegen. Im europäischen Ausland oder gar in weiter liegenden Weltregionen. Ein Deutscher mit italienischen Vorfahren, die als Gastarbeiter nach dem Kriege zu uns kamen, als Bergleute aus Polen, die im vorvorigen Jahrhundert dringend im Ruhrgebiet gebraucht wurden. Heute sind es Vertriebene aus Nahost, Syrer, Palästinenser, Türken, Griechen usw. Ihnen allen fehlt später schnell die Zusatzbezeichnung deutscher Grieche, -Türke, -Palästinenser usw. Nur dem Juden bleibt seit 2000 Jahren nicht die scheinbare Schmach erspart kein „echter“ Deutscher zu sein. Er bleibt der ewige „Jude“ und damit im christlichen Abendland für immer abgestempelt. Das ist auch der Willkür der katholischen Kirche zu verdanken die mit Erfolg die Juden als Jesusmörder theologisch zu kriminellen Wesen herabsetzte. Damit ließ sich kinderleicht der grassierende Volkszorn gegen alles Jüdische füttern. Der Reformator Luther war ein bekennender Judenhasser – was aber zu seiner Zeit völlig unauffällig blieb.
Die Nazis mit ihrer entarteten Rassenideologie setzten den grausamen Höhepunkt, indem sie staatlich legitimiert, die europäische Judenvernichtung in Gang setzten. Selbst die Aufklärung vermochte es nicht, den Antisemitismus als bloßes Hirngespinst aus den Köpfen der Europäer zu vertreiben. Wenn Schuster von 20 % antisemitisch eingestellten Deutschen redet, muss einen das erschrecken. Vor allem da sich unter ihnen auch Akademiker befinden. Was zeichnet den Akademiker denn eigentlich aus: Höhere Intelligenz und Bildung über dem Durchschnitt mit der methodischen Fähigkeit Denkprozesse zu bewältigen. Wenn sein Denken dann aber in Richtung der Juden antisemitisch eingefärbt ist muss er doch unter einer gravierenden Denkschwäche leiden bzw. er geht gar nicht mehr nach akademischen Kriterien vor. Er vermischt also tiefsitzende Antipathien gegen Juden mit rationalen Argumenten und es gelingt ihm nicht mehr, Gefühle und Verstand unter Kontrolle zu bringen. Also: Ein bemitleidenswertes Wesen, dieser antisemitisch kontaminierte Akademiker! Das in einer Partei wie der AfD Antisemiten sitzen verwundert einen ja kaum, dass aber neuerdings auch in linken Parteien der Antisemitismus salonfähig geworden ist kann man weniger verstehen. Ist es nur der politisch-soziale Konflikt in Palästina und das schreiende Elend der Palästinenser, die die Linke den Fehler machen lässt, die Zusammenhänge jetzt durch die antisemitische Brille zu betrachten? Wenn Schuster das Prinzip Ursache und Wirkung nur auf die Hamas beziehen will wird er den Ursachen des Massakers nicht gerecht. Es ist mehr die diabolische Mischung aus Hass und Verzweiflung die Menschen zu Ungeheuern werden lässt und die von politisch-religiösen Kräften missbraucht werden.
Klaus Reisdorf

Herr Schuster hat Sprache, die gut tut. Er findet Worte, die nicht politisch oder weltanschaulich abgewetzt sind. Als Notarzt weiß er um die Endlichkeit. Er hat keinen Dachboden – wozu auch. Herr Schuster besitzt keinen Koffer. Helfen wir uns bei den Klausuren. Er bleibt. Seine Heimat ist Deutschland. Ich bleibe auch.
Udo Houben

Die Rede ist von „antisemitischen Äußerungen aus linken, leider auch akademischen Kreisen“ und von „Schweigen“. Dazu eine kleine, erschreckende, aber m. E. erhellende Ergänzung (ich referiere den Artikel Die Angst vor dem Volk, Ernst Fraenkel in der deutschen Nachkriegsgesellschaft v. Michael Wildt, 2013). Der Politologe Ernst Fraenkel, emigrierte 1938 über England in die USA. 1946 bat ihn Otto Suhr zurückzukehren, was Fraenkel initial ablehnte, um in 1951 dem Wunsch zu entsprechen.  Er begann eine Lehrtätigkeit in Berlin (Deutsche Hochschule für Politik, später Otto-Suhr-Institut, OSI). Im Dezember 1959 kam es zu antisemitischen Schmierereien an der Synagoge in Köln und nachfolgend zu einer Veranstaltung an der FU Berlin zum Thema Neo-Faschismus. Bei dieser Veranstaltung äußerten sich zwei Studenten offen antisemitisch. Fraenkel zeigte sich erschüttert über die fehlende Reaktion auf den Skandal, was er auf einen verbliebenden Antisemitismus zurückführte. Die tödlichen Schüsse auf Benno Ohnesorg führten 1967 zu einer Radikalisierung der (linken) Studentenschaft, was auch zu Verleumdungen von Lehrtätigen führte, dies und die Sprengung von Veranstaltungen durch linke Studenten (SDS), erinnerte manche Professoren an die letzten Jahre der Weimarer Republik, als nationalsozialistische Studenten etc. genauso vorgingen. Auch wurde den USA von den Studenten Völkermord (!) in Vietnam vorgeworfen. Götz Aly, zu der Zeit Student am OSI, sieht nachträglich (2008) Parallelen zwischen den Dreiundreißigern und den Achtundsechzigern und eine „eigentümliche Abwehr der 68-Bewegung, sich mit dem Antisemitismus in der deutschen Geschichte auseinanderzusetzen“, was in der Aussage Rudi Dutschkes gipfelte, der gesagt haben soll, „man kann nicht gleichzeitig den Judenmord aufarbeiten und die Revolution machen“. Die 68er traten dann den Marsch durch die Institutionen an…
Gerd-Rüdiger Erdmann

In diesen Tagen hat man oft Gelegenheit sich zu wundern über absurde Äußerungen mehr oder weniger prominenter Persönlichkeiten zum Nahost-Konflikt. So sagt der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, „Von allen Seiten wurde viel dafür getan, dass es zu keiner guten Lösung kommt.“ Und nennt als erstes Beispiel „Der Oslo-Friedensprozess in den Neunzigerjahren.“ Um dann fortzufahren, „Jetzt konkret die Hamas, die sich an der Annäherung von Saudi-Arabien an Israel gestört hat.“ Wenn auf diesem Niveau argumentiert wird, ist in der Tat eine friedliche Lösung des Israel / Palästina-konflikts in weiter Ferne!
Wolfgang Fischer


Leserbriefe zu „Kann man Klimaschutz kaufen?“ von Heike Buchter und Paul Middelhoff

Der legendäre US-Finanzminister wurde bekannt mit der Aussage: der US-Dollar ist unsere Währung, und euer Problem! …. Der US-Währungshegemon will nicht auf seine Vormachtstellung verzichten – trotz einem Klimarisiko, das entgegen gängiger Wirtschaftstheorie eine monetär unabhängige Unsichtbare Hand im Markt offenbart!
Matthias Losert

In der Sekunde, da ich es lese, greife ich zum IPad um einen Leserbrief zu schreiben. Voller Bewunderung schreiben die beiden Autoren von Billionen, ja, Billionen, die in USA für den Klimaschutz eingesetzt werden sollen. Wenn ich mich recht erinnere, redet Amerika von Billionen, wenn Milliarden gemeint sind. Wäre Journalisten früherer Generationen wie z. B. Michael Jungbluth nicht passiert.
Klaus Grasenick

In den USA gibt es die große Gruppe der Evangelikalen. Sie nehmen die Bibel sehr ernst, z.B. in Fragen der Abtreibung und der Sexualität. Wie wäre es mit 1. Timotheus 6 Vers 8: „Wenn wir aber Nahrung und Kleider haben, so lasset uns genügen.“
Lambertus Wanink

Vor knapp fünfzig Jahren durfte ich im Erdkunde-Unterricht ein Referat halten zum Thema „Wasserprobleme in den USA“. Zwei Kernsätze daraus: 1. In schlechten Jahren mündet der Colorado nicht, sondern versiegt, bevor er die mexikanische Grenze erreicht hat. 2. Phoenix / Arizona ist die am dümmsten platzierte Metropole dieser Erde.
Martin Wiener


Leserbriefe zu „Mir hilft es aber“ ZEIT Doctor, Beilage ZEIT

 

Ich möchte Ihnen zu Ihrer Beilage „Doctor“ gratulieren, dass Sie die Kraft oder den Mut oder die Weitsicht gefunden haben, sich mit der Medizin als Ganzes, mit ihren verschiedenen Methoden und Wurzeln zu beschäftigen. Es war nun bereits eine lange Zeit so, dass von den Medien eine klare Front gegen die Komplementär-Integrative Medizin (KIM) aufgebaut wurde. Daher meine hohe Anerkennung für den nun getätigten – ich hoffe nicht letzten – Schritt zu einer anderen, viel menschenfreundlicheren Betrachtung.  In allen seriösen Umfragen sprechen sich 60 bis 70 % der Befragten für eine Gleichberechtigung der KIM gegenüber der konventionellen Medizin aus. Auch die Zeit hat hierzu mal eine Statistik veröffentlicht. Es gibt also auch von dieser Seite einen Anlass zum Umdenken bei den Medien und ihrer Polarisierung zu diesem Thema. Machen Sie weiter auf diesem Weg. Darf ich dazu noch eine Empfehlung geben. Setzen Sie sich wissenschaftlich fundiert mit der Homöopathie und den dazu vorliegenden Studien auseinander. Die Studienlage ist bei ehrlicher Betrachtung, insbesondere wenn sie ins Verhältnis zur konventionellen Medizin setzt, für ihre Anwendung sehr ermutigend. Gerne möchte ich Sie in Bezug auf Forschung auf die Seite www.gesundevielfalt.org verweisen.
Jedenfalls erlauben es die Studien nach wissenschaftlichen Standards zur Homöopathie (siehe S. 19 Ihrer Broschüre) nicht, diese auf den „Zuwendungseffekt“ zu reduzieren. Die signifikant positive Wirkung der Homöopathie wurde im Verhältnis zu Vergleichsgruppen mit Placebo und gleicher Zuwendung festgestellt. Mit reiner Zuwendung lassen sich solche Heilerfolge nicht erreichen. Die Homöopathie ist eine unglaubliche Herausforderung für unser Weltbild, der wir neugierig, lern- und forschungswillig begegnen sollten – insbesondere, wenn man auf die zahlreichen Erfahrungen von Heilungserfolgen (siehe auch Seite 11 Ihrer Broschüre) schaut. Vor der Erkenntnis steht oft die ehrliche Einsicht des Nicht-Wissens. Der gesamte Behandlungsansatz der Homöopathie ist absolut personotrop, auf den einzelnen Menschen bezogen. Ein hochmoderner, zukunftsweisender Ansatz! Vergleichen Sie auch: www.hri-research.org Ich möchte mich bei Ihnen bedanken dafür, dass Sie mit Ihrer Broschüre einen Austausch in gegenseitiger Achtung begonnen haben.
Michael Geisler

 

In der Beilage Doctor extra DER ZEIT 52 werden Schulmedizin und Homöopathie als gleichwertige Alternativen dargestellt, ein für mich unheilvolles Heft. Ich empfehle „Homöopathie wirkt doch, MAITHINK X vom 18.9.22“, eine gut recherchierte, wissensbasierte, allgemeinverständliche Beschreibung von Homöopathie und ihren Grenzen. Homöopathie ist ein Geschäftsmodell, wie die Werbung im Sonderheft zeigt, und arbeitet mit den Ängsten der Menschen, die sich vom aktuellen Fortschritt der Medizin überfordert fühlen. Ich hätte von DER ZEIT eine wissenschaftsgeleitete, überprüfbare Analyse unterschiedlicher Thesen erwartet, um komplexe Informationen einem breiteren Publikum nahezubringen. Eine verpasste Chance, schade. Durch solche Artikel, die Homöopathie und Schulmedizin gleichsetzen, sterben Menschen – wie ich gerade im weiteren Umfeld erlebe. Eine an – bei der Diagnose noch behandelbarem – Darmkrebs erkrankte Person vertraute der homöopathischen Behandlung und nicht dem Arzt – nun ist es zu spät. Dies ist erschütternd.
Annette Beck-Sickinger

Die große Bühne, die der angeblichen Alternativmedizin mit der aktuellen Beilage nahezu ohne kritische Einordnung dieses wissenschaftlichen Unsinns gegeben wird, lässt mich ernsthaft an der Seriosität der von mir abonnierten Zeitung zweifeln. (Von den zusätzlichen großflächigen Anzeigen einschlägiger Firmen gar nicht zu reden.) Gerne empfehle ich den Mitlesern und der Redaktion stattdessen das Format Quarks Science Cops aus dem WDR, wo viele Themen, darunter Homöopathie und TCM, wissenschaftlich aufgearbeitet werden.
Anna Dell

 

Danke für die verbindende Artikel zu Naturheilkunde und Schulmedizin. So eine Sichtweise habe ich schon lange in der Zeit gesucht, aber selten gefunden. Ich bin selbst Heilpraktiker aber auch kritischer Denker und finde, dass die Polarisierung und das Heilpraktikerbashing in den Medien niemandem hilft, auch nicht den Patienten. Und meinen Patienten rate ich, nicht nur zu glauben, sondern zu denken und zu beobachten, die Schulmedizin zu nutzen, wo sie ihre Stärken hat. Die Welt ist sehr bunt bzw. Enthält viele Grautöne, nicht nur Schwarz oder Weiß. Dazwischen bewegen wir uns als Menschen im Leben und in der Medizin. Wenn wir das anerkennen, findet jede ihre gute Lösung!
Jens Albrecht


Leserbriefe zu „Schuldenbremse? Ja, aber lockern!“. Gespräch mit Gita Gopinath geführt von Kolja Rudzio

Finanzethik. Ich befasse mich seit einigen Wochen mit dem Thema der Finanzierungsmethodik der beiden letzten Finanzminister.  Diese besorgten sich bis 2021 häufig die Finanzmittel durch die Aufstockung bestehender Bundesanleihen mit einem hohen Kupon statt zu den marktüblichen sehr attraktiven Konditionen, die meistens einen Nominalkupon zwischen minus 0,4% bis plus 0,6 % hatten. Das primäre Ziel dieser Vorgehensweise war es, für das jeweilige Haushaltsjahr fiktive Zinserträge (ohne Vermögenssubstanz) in hohen Mrd. Beträgen zu kreieren und diese dann mit den Schuldzinsen des jeweiligen Haushaltsjahrs zu saldieren. (Stichwort: schwarze NULL) Die Reduzierung der Nettozinsbelastung des Bundes um mehr als 80% bei einem leicht steigenden/ relativ stabilen Verschuldungsniveau seit 2013 macht das sehr deutlich. Der Preis dafür war sehr hoch, da zukünftige Haushalte mit unnötig hohen Zinskosten in Höhe von mittleren zweistelligen Mrd. Beträgen belastet wurden. So wurde es in einem Artikel von Herrn Dr. Stelter kürzlich bestätigt.
Wenn eine Kreditaufnahme unmittelbar zu Zinserträgen (= Börsenkurs minus 100%) führt und der Geldzufluss aus der Kreditaufnahme nur zu ca. 75% bis 90 % als Neuschulden definiert wird, gibt es auch ein moralisches Problem im „Debt Management“ der vergangenen Regierungen.  Ein normaler Bürger kann so eine Handhabung nicht mehr nachvollziehen. Diese Art von Verschleierung und Umwidmung   über viele Jahre zu Lasten der nächsten Haushalte/ Generation hat durchaus eine andere Qualität im Sinne einer „Finanzethik“ als die einmalige Umwidmung des Coronafonds. Wie Karlsruhe diesen nachträglich genehmigten Umwidmungsfall missbilligte, ist hinreichend bekannt. Vielleicht kommt die Union mit der FDP zu dem Ergebnis, dass eine sinnvolle Modifizierung der Schuldengrenze im Sinne von notwendigen Investitionen ist, sofern zukünftige Finanzminister darauf verzichten, durch haushaltstechnische/ buchhalterische Aktivitäten die wahre Schuldensituation/ Zahlungsverpflichtungen des Bundes zu verschleiern. Schulden bzw. Zahlungsverpflichtungen sollten auch den Namen „Schulden“ haben!!
Ebenfalls unverständlich ist die Aussage der FDP, dass sich die Schuldenquote (= Bruttoschulden im Vergleich zum Bruttosozialprodukt) trotz der regelmäßigen Nichteinhaltung der Schuldengrenze  in den letzten  zwei  Jahren reduziert hat. Es ist nicht stimmig, dass ein Überschreiten der Schuldengrenze zu einer geringen Verschuldungsquote führen kann. Wenn das stimmen würde, hätten wir kein Problem.
Roland Framhein

In der gegenwärtigen Haushaltskrise vermisse ich in der breiten Debatte um deren Lösung das Thema Lastenausgleich. Ihre Zeitung hat dankenswerterweise wiederholt in letzter Zeit auf die eklatante Ungleichheit zwischen Reich und Arm in Deutschland hingewiesen, und auf die Strukturen, die diese Ungleichheit im Rahmen des Neo-liberalen Umbaus der Weltwirtschaft in den letzten Jahrzehnten hervorgebracht hat und weiter zementiert und vergrößert. Aber was ich vermisse, sind Leitartikel auf der ersten Seite, eine leidenschaftliche Kampagne, um zur Lösung der derzeitigen Krisen einen angemessenen Sonderbeitrag der Reichen, im Sinne eines Lastenausgleichs, in die Öffentlichkeit zu bringen und politikfähig zu machen. Als Vorbild kann und muss dabei auf den historischen Lastenausgleich nach dem zweiten Weltkrieg verwiesen werden – vor allem als Antwort auf die damalige Flüchtlingskrise. Sie wurde durchgeführt von einer Regierung der CDU unter Adenauer. Damit kann man jedem Versuch, solch einen Vorschlag als sozialistisch oder gar kommunistisch linkes Gerede abzutun, wirksam den Boden entziehen. Und auch dem psychologischen Argument, das da lautet, dabei gehe es ja nur um eine Neiddebatte. Und schließlich auch dem Argument, dass man damit den Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet. Denn ein entscheidendes Argument Adenauers für den Lastenausgleich war damals, dass die Lösung der Krise den Standort stärkt, die Belebung der Wirtschaft auch den Reichen wieder zugutekommt.
Die Abgabe damals belief sich auf unglaubliche, heute natürlich undenkbare 50% (sic !!!) des Vermögenswertes, einschließlich Immobilien etc.! Ein solcher Vorschlag würde heute mit dem Ende von Demokratie und Kapitalismus gleichgesetzt, also mit dem Weltuntergang. Aber es zeigt, was in diesem Land unter einer CDU-Regierung einmal möglich war. Um Bestand nicht verkaufen zu müssen, konnten diese Gelder über 30 Jahre gestreckt gezahlt werden, also von den Einkünften der Bestände. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung DWI hat 2020 im Auftrag der Linke Fraktion eine Begutachtung dieses Vorschlags durchgeführt und ihn befürwortet. Damals, zur Lösung der Corona Krise, hat nur die Linke es gewagt, einen solchen Vorschlag zu machen. Weil offenbar die Politiker auch der SPD und Grünen die Öffentlichkeit fürchteten, bei der sie in den Jahren zuvor – auch wegen mangelnder Unterstützung der Medien – immer wieder mit Forderungen nach mehr Steuern für die Reichen auf die Nase gefallen sind, obwohl davon 90% der Bevölkerung profitieren würden. Hier zeigt sich die enorme Macht der Lobby der Reichen, das Denken in Politik und Öffentlichkeit in ihrem Sinne zu gestalten – entgegen den Interessen der großen Mehrheit. Es wird höchste Zeit – vorbereitet durch Ihre Artikel zum Thema Ungleichheit und untermauert mit Fakten – dass Sie Ihren großen Einfluss auf die öffentliche Debatte nutzen und einen entschiedenen Vorstoß unternehmen, um die öffentliche Meinung dafür zu bereiten, dass das, was der gesunde Menschenverstand und jedes Gefühl von Gerechtigkeit uns eingibt, endlich mehrheitsfähig wird.
Tobias Schüth

Anmerkungen zur Schuldenbremse aus kommunaler Sicht. Schulden entstehen im Privatleben der Bürger entweder (1), weil ihre laufenden Einnahmen (Gehalt, Löhne, Pensionen, Renten, Mieteinkünfte, Aktiendividenden usw.) die laufenden Kosten des Lebensunterhalts nicht decken oder (2) weil sie sich bei der Finanzierung privater Investitionsprojekte übernommen haben. Ähnlich verhält es sich bei den (öffentlichen) Haushalten des Bundes, der Länder und der Kommunen. Auch hier ist zwischen den regelmäßigen Einnahmen und Ausgaben und den von Fall zu Fall auftretenden einzelnen Investitionsprojekten zu unterscheiden. In besonders deutlicher Weise zeigt sich diese Notwendigkeit in den kommunalen Haushalten, die bekanntlich die große Masse der öffentlichen Einrichtungen im Lande unterhalten und betreiben. „Der Staat herrscht, die Gemeinde wirtschaftet“. Der Investitionsstau allein im kommunalen Bereich wird gegenwärtig auf rd. 300 Mrd. € geschätzt. Das kommunale Haushaltsrecht kennt keine Schuldenbremse. Zwar bedarf der Umfang der zur Finanzierung der geplanten Projekte erforderlichen Kredite der Genehmigung durch die Kommunalaufsicht, doch entscheidend ist, ob der laufende („ordentliche“) Haushalt die Mittel für den Schuldendienst zur Deckung der Investitionen hergibt.
Die Urteile unserer obersten Gerichte sind unanfechtbar. Es gibt gegen sie keine Rechtsmittel. Sie genießen ein hohes Maß an Anerkennung. Dies gilt insbesondere das Bundesverfassungsgericht. An der Weisheit seiner Entscheidungen zu zweifeln, ist unüblich, ja es ist eigentlich ungehörig. Dennoch: In der völlig überdrehten Diskussion dieser Wochen über die Schuldenbremse und ihre Folgen scheint es angebracht, einige kritische Fragen und Anmerkungen zur Schuldenbremse und zum aktuellen Urteil zu äußern. Die Richter des zweiten Senats, die das Urteil sprachen, dürften zum mindesten überrascht, vielleicht sogar erschrocken gewesen sein über das Erdbeben, das sie verursachten. Die erste noch unreflektierte Reaktion des unbefangenen Lesers jedenfalls war es, dies ist die vielberufene außergewöhnliche Notsituation, die die Regierung zu außergewöhnlichen Maßnahmen ermächtigt. „Fiat justitia et pereat mundus?“ Aber das kann es wohl nicht sein.
Die Schuldenbremse, ein Begriff, den das Grundgesetz selbst nicht kennt, wurde 2009 von der Großen Koalition von CDU und SPD als Teil der Föderalismusreform eingeführt. Beide Parteien gemeinsam verfügten über die dazu erforderliche verfassungsändernde 2/3 Mehrheit. Während im alten Recht die Höhe der jährlichen Nettoneuverschuldung lediglich dadurch eingeschränkt wurde, dass sie die Gesamtsumme der Investitionen nicht übertreffen durfte, bestimmen die neugeschaffenen Art. 109 und 115 GG, dass die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Eine Kreditaufnahme von bis zu 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts soll aber noch als dem Gesetz entsprechend angesehen werden. Auch sollen aus konjunkturellen Gründen und eben den in nicht vom Staat zu kontrollierenden außergewöhnlichen Notlagen Ausnahmen möglich sein. Das Bundesverfassungsgericht stimmte der Neuregelung wenig später zu. Es begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Selbstbindung des Parlaments, sprich Aufgabe seiner Souveränität in diesen Fällen, im Interesse der langfristigen Erhaltung der demokratischen Gestaltungsfähigkeit notwendig sei. Das Ziel der Reform, in Bund und Ländern so eine auf die Dauer nachhaltige und tragfähige Haushaltsentwicklung zu ermöglichen, ist m.E., wie die jüngste Entwicklung zeigt, spektakulär verfehlt worden. Die Schuldenbremse erweist sich, indem sie die Nettoneuverschuldung im Normalfall auf einen absoluten, nicht veränderbaren niedrigen Betrag begrenzt, als eine Art von Schuldenblockade. Die Kreditbremse errechnet sich wie folgt:
Bruttoinlandsprodukt                 Kreditbremse
100 v.H………4 Bln  €
10 v.H……..       400 Mrd. €
1 v.H.                              40 Mrd. €.
0,1 v.H……                      4 Mrd. €
0,35 v.H………                            14 Mrd. €
Mit solch niedrigen Krediten lassen sich die immensen Aufgaben, vor denen die Bundesrepublik steht, in keiner Form lösen. Es droht eine lange Kette von Sondervermögen, Nebenhaushalten und außergewöhnlichen Notlagen. Keine Regierung, wie immer sie sich zusammensetzt, entgeht diesem Schicksal. Es ist deshalb m.E. unumgänglich, alsbald eine erneute Verfassungsänderung vorzunehmen. Eine Wiederherstellung des status quo ante wäre sehr zu begrüßen.
Hendrik Groettrup,

Nach der Überschrift könnte man erwarten, Frau Gopinath plädiere wie so viele für eine weitgehende Schwächung der Schuldenbremse, die ohnehin ja schon viele Ausnahmen zugelassen hat und zulässt und dadurch de fakto seit ihrem Bestehen im Durchschnitt der Jahre deutlich mehr Kreditaufnahmen ermöglicht hat als die viel kritisierten 0,35 %, die selbst ich auch den Bundesländern gern zugestehen würde, die sich seinerzeit auf Null geeinigt haben.  Frau G. äußert sich, wenn man den Text genauer liest, aber sehr viel differenzierter und kritischer zu den vielfachen Ansprüchen und Erwartungen an „den Staat“, und sie nennt mehrere wichtige weitere Alternativen zu den oft nur 2 genannten oder als einzig mögliche vorgegaukelten:  Entweder die (Sicherung und Arbeit für die) Zukunft zu vernachlässigen oder aber die Vorsorge für und Investitionen in sie mit Schulden zu bezahlen.  So nennt auch sie Priorisierungen, Einnahme-Verbesserungen und Kürzungen von Subventionen.  Und sie warnt auch, dass es „einfach nicht möglich“ ist, dass die Regierungen weiterhin — wie bei Corona eingeübt — in jeder neuen Krise als „Versicherer erster Instanz … jedem helfen“ werden oder können.  Das Haushaltsdefizit der USA von 8% in diesem und voraussichtlich von 7% in jedem der nächsten Jahre bedeutet ja ein Rasen in Richtung noch weit höherer Staatsverschuldung als den gegenwärtig 121% des BIP trotz aktuell 5,7% Wachstum des BIP.  Und sie weist verdienstvoller Weise hin, dass die Ausgaben der Welt in Zukunft noch eher deutlich steigen infolge  alternder Bevölkerungen (mit resultierenden Arbeits- und Fachkräfte-Mängeln) mit steigenden Gesundheits- und Rentenleistungen,  grüner Transformation der Wirtschaften (und/oder wohl auch Folgen des Klimawandels bei Verspätung oder Versäumen rechtzeitiger Transformation), weiter notwendig steigender Verteidigungskosten wegen zunehmender Aggressivität einiger Staaten, Verteuerungen von Leistungen und Gütern infolge nötiger Fokussierung auch auf Resilienz bzw. Unabhängigkeit  einiger Wirtschaften etc.   Dass alles lässt auch mich sehr zweifeln, ob es ehrlicherweise erwartbar sein kann, dass die Menschen der Zukunft die steigenden Kreditschulden besser bezahlen können als wir in den jetzigen Generationen. Wir haben wahrlich große Probleme und Aufgaben, die aber sicher noch viel größere; das verbietet einen egozentrischen Tunnelblick auf nur die jetzigen Probleme.
Und selbst eine moderate Steigerung der erlaubten Rate — schon ohne Krisen — auf 1% des BIP jährlich   wären lange nicht das Geld für alle nötigen oder gar gewünschten/geforderten Mehrausgaben.  Mein zentrales Anliegen wäre, dass   möglichst viele über diese Frage nachdenken:  Sollte die Liebe und Verantwortung für die jetzigen Kinder und Enkel und ihre spätere Zukunft wirklich nur soweit reichen und gelten, wie es uns jetzt Netto nichts — zusätzliches — kostet?  Weder mehr durchschnittliche Steuern noch mehr Arbeit noch irgendwelche „Verzichte“?  Dürfen die Arbeiten an einer weniger belastenden Zukunft, wodurch auch immer, nur dann sein, wenn die in der Zukunft selbst es — als Tilgung von Schulden — bezahlen?  Dafür, dass wir ihnen meist nicht etwa etwas aufbauen, was sich von selbst bezahlt macht, sondern nur dafür ihre von uns geerbten Lebensbedingungen nicht noch mehr zu „versauen“?   Interessiert z.B.  der Klimaschutz ansonsten nur, wo uns selbst bereits jetzt Gesundheitsgefahren drohen, egal ob die Folgen für deren Zukunft um ein Vielfaches höher sein werden?  Oder nur, wenn und soweit bereits jetzt Ernte-einbußen, Wassermangel und zerstörerische Fluten zu klagen sind?
Zu den fehlenden Milliarden — damals im Bereich des Klimaschutzes — hat Herr Mojib Latif mal gesagt: „Wir haben genug Geld. Es ist nur in den falschen Händen“.   Auch darüber, was die falschen und was die richtigen Hände sind, kann man sich natürlich endlos streiten.  Der Satz enthält aber einen sehr wahren Kern:  Man kann viele als die falschen Hände sehen: Sei es Subventionsempfänger, Steuerbetrüger, Reiche, Leute, die sich jährliche Flugfernreisen oder dicke SUVs oder Fleischberge leisten können oder auch AG-Vorstände oder Fußball-Spieler mit irrsinnig hohen Gehältern, vielleicht daneben auch Leute, die trotz Gesundheit mit nur wenig oder Null Arbeit dennoch recht gut leben, um nur einige Beispiele zu nennen. Vielleicht muss man überall Teile der fehlenden 30 Milliarden holen, je nach Zumutbarkeit und Leistungsfähigkeit wie es beim Steuersystem ja ohnehin üblich und teils noch anzustreben ist, aber auch unter Berücksichtigung dieser Zumutbarkeit bei den künftigen Steuerzahlern und Kürzungs-, Infrastruktur- Klima- und Inflationsopfern in den nächsten Generationen.  Deren Zumutbarkeit ist über die Summe von allem zu betrachten, dass wir Ihnen hinterlassen:  die Summe aus allen Mängeln der Infrastruktur, des Klimas, der Bildung, der Gesundheit, der Verantwortung für alle Rentenzahlungen, und schließlich — auch — der Finanz- und Schuldenlage.  Unser Erbe ist bereits jetzt derart belastet, dass die Summe von all diesen Belastungen nicht noch größer werden darf als bisher, egal auf welchem Feld verursacht.
Immer wieder hört/liest man Begründungen „warum die Schuldenbremse weg — oder „reformiert werden“ — muss“:  Natürlich braucht (nicht nur) Deutschland Geld für Modernisierungen und den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft, und natürlich ist das im Interesse aller Generationen.  Aber die kommenden Generationen werden nicht nur entweder durch jetzt mangelnde Investitionen oder durch hinterlassene Schulden belastet, sondern durch beides und vor allem die Summe von allem unguten (, was wir ihnen hinterlassen). Und es ist eine sehr  generations-egoistische Einengung, wenn wir ihnen nur die Wahl zwischen den beiden Alternativen lassen:  „entweder noch viel größere Schuldenberge oder aber weiter verfallende Infrastruktur, Bildung, Klima, Sicherheit etc. etc.“,  und dabei unterschlagen, dass es auch Geld und sonstige Leistungen oder Verbesserungen aus anderen Quellen geben könnte:  Mehr — durchschnittliche — Steuern, von wem auch immer, mehr Arbeit und Lernen, ohne das mehrfache Plus an Geld dafür, mehr „Verzichte“, sei es auf luxuriöse oder verschwenderische Varianten des Lebensstils, weniger Subventionen, weniger Wahlgeschenke oder gar deren Rücknahme, etc. etc.  Das alles wäre im Sinne des berühmten Satzes von J.F. Kennedy „frage nicht nur was dein Land für dich tun kann, sondern auch, was du für Dein Land tun kannst!“  Als Mantra gibt es nicht nur das der FDP und anderer für die Erhaltung der Schuldenbremse,  sondern mindestens genauso problematisch die Mantras  gegen jegliche Steuererhöhungen oder gar für Senkungen,  das Mantra fast aller Gewerkschaften für immer mehr Geld und Urlaub für immer weniger Arbeitsstunden und möglichst noch weniger Arbeitsjahre im Leben, das Mantra der  „freien Fahrt (incl. Rasen auf Autobahnen, incl. dicker SUVs) für freie Bürger“, das Mantra  der beliebigen Fleischmengen für „bezahlbare“ Preise für jeden, das Mantra,  dass der Aufbau einer guten Zukunft für den einzelnen wie für das Volk  nur „zumutbar“ sei,  wenn diese Arbeit und Lernen  „Spaß“ und keinesfalls Opfer oder größere Anstrengungen bedeute.  Und schließlich das bisher unbewiesene Mantra, die künftigen Generationen könnten alles viel leichter bezahlen als wir heute, die vielfach klagen am Rande der Armut und/oder der Erschöpfung zu sein, auch wenn die meisten sich viele Dinge und Freizeit leisten können, von denen frühere Jahrzehnte/Jahrhunderte und viele ferne Länder nur träumen konnten bzw.  können. Und nachdem wir den künftigen Menschen bereits viele sichere oder drohende Verschlechterungen hinterlassen, ohne diese durch kompensierende Verbesserungen rechtfertigen zu können.  Es ist keine Verbesserung,  wenn ich etwas zuvor weggenommenes oder zerstörtes teilweise wieder repariere oder zurückgebe, egal ob in Form von Geld  oder  in Form von  sonstigem.
Dass viele Vertreter der künftigen Generationen wie die FFF sich selbst keine Sorgen über einen — noch größeren — Schuldenberg machen, beweist nicht, dass dieser harmlos wäre, sondern kann genauso ein Hereinfallen auf die genannte falsche einseitige Alternative sein,  oder bedeuten, dass sie sich die Belastungen  und Umstände der Rückzahlung der jetzt geliehenen Gelder  gar nicht vorstellen können.  Ich weiß auch von Leuten, die glauben, man könnte einfach mit immer neuen Schulden zurückzahlen, ohne zu erkennen, dass das ein Schneeball-System ist oder wäre.  Auch die teilweise Tilgung durch Inflation wäre nicht gratis, sondern auf Kosten der baldigen oder künftigen Inflationsopfer.  Die zu „besteuern“ wäre natürlich besser als alles Nötige zu unterlassen, aber eine nicht gerade gerechte „Steuer“, denn gerade die reichsten sind dagegen geschützt durch Sachwerte und Aktien.  Vielleicht meinen Schuldenbefürworter der FFF auch, die Schulden notfalls einfach teilweise gar nicht zu tilgen oder die Ansprüche darauf extrem zu besteuern zu können.  Wenn das aber klar wird, wer wird dann noch Kredite an unseren oder andere Staaten geben?  Insolvente Drittwelt-Länder können –vielleicht — noch von wohlhabenden Ländern durch Übernahme/Bezahlung der Schulden „gerettet“ und entlastet werden.  Wer aber sollte Deutschland oder ganz Europa „retten“?  Wie eine Rettung durch chinesische Kredite aussieht, sollte sich inzwischen herumgesprochen haben.   Eine Tilgung oder Relativierung/Entschärfung der Schuldenquote durch Wachstum wird auch immer illusionärer in einer Zeit, in der Wachstum mehr und mehr an Demographie, Fachkräftemangel, abnehmender Arbeitszeit, Klimarisiken des bequemen fossilen Wachstums, Kriegsrisiken, Bürokratie und vielerlei Ansprüchen an seine Grenzen stößt.  Dass das alles durch Innovation durch wissenschaftliche Fortschritte mehr als kompensiert würde,  steht im Gegensatz zu allen gegenwärtigen Problemen,  die immer mehr durch Verkauf von Zukunfts-Chancen zu lösen versucht werden, bei den einen durch Belastung der Zukunft mit Schulden, bei den anderen durch Verweigerung  von anders dargestellten Problemlösungen.
Die vielfachen Hinweise auf die anderen um vieles höher verschuldeten Länder beweisen allenfalls, wie lange das „gut gehen“ kann, nicht aber, dass schlimme Folgen für die weitere Zukunft auszuschließen wären. Selbst jetzt gibt es Verlierer von deren Verschuldung, z.B. durch Risikoausgleichszinsen, durch Inflation, durch Platzen von Blasen, durch verlorenes Vertrauen in die Chancen, dass alle Gläubiger dieser Staaten am Ende noch ihr Investment zurückerhalten, von Rendite ganz zu schweigen, etc.  Und innerhalb der Euro-Zone betreffen einige Folgen wie die Inflation oder die Haftung im Fall der Zahlungsunfähigkeit alle beteiligten, so dass sich die Risiken sozusagen verdünnen. Es handelt sich also teilweise um Trittbrettfahrer auf dem Zug der Disziplin der anderen.  Wenn selbst Deutschland sich am Wettbewerb um einen bequemen Platz auf dem Trittbrett beteiligen würde, wären bald alle Trittbrettfahrer und es fehlte immer mehr an Kräften, die den Zug überhaupt am Laufen halten, der dann unweigerlich immer langsamer und immer hinfälliger würde.
Peter Selmke


Leserbriefe zu „Vielleicht so?“ von Peter Dausend

Klassische SPD-Wähler können weder von dem führungs- und orientierungslosen Rumgeeier in der Regierung noch von dem überzogenen Fokus auf Sozialhilfeempfänger und Randgruppen begeistert sein. Beides widerspricht den Zielen der Sozialdemokratie ebenso, wie ideologische Realitätsverweigerung beim missliebigen Thema Flüchtlinge, das das Volk reihenweise in die Arme der Bauernfänger von der AfD treibt und unsere ausländischen Mitbürger insgesamt zu Unrecht in Generalverdacht bringt. Es wird Zeit, dass die SPD zu ihrem inhaltlichen Urgrund zurückfindet: Universalistische Sozialpolitik, die anpackt und der Grundsatz „Fördern und Fordern“ müssen zur Lösung der brennenden sozialen Frage endlich wieder in den Mittelpunkt gestellt werden.  Doch um das umzusetzen, müsste man erst einmal den lautstarken parteiinternen Splittergruppen auf die Füße treten. Wenn Verena Hubertz also erklärt, es brauche „weniger Streit“, könnte sie falscher nicht liegen: Es braucht, im Gegenteil, wieder mehr Streit in der Partei, braucht gerade die offene Auseinandersetzung über einen neuen Konsens für die Zukunft. Wo will die SPD im Bund hin? Weiter abwärts in Richtung 5%-Hürde? Dann dürfte das Merkelsche Mantra am zuverlässigsten zum Ziel führen: Weiter so!
Lukas Pfeiffer

Die SPD kann nur froh sein, einen Abgeordneten wie Erik von Malottki in ihrer Bundestagsfraktion zu haben. Einen Abgeordneten, der gegen die 100 Milliarden Sondervermögen sowie gegen die Bundeswehreinsätze in Mali und im Irak gestimmt hat. Chapeau! Mit seiner Meinung, dass Deutschland so viel Krieg in die Welt getragen hat, dass es sich für alle Zeit militärisch zurückhalten sollte, führt er die politische Vision des Friedensnobelpreisträgers Willy Brandt fort.
Roderich Buhlheller

deutschland auf dem weg in den abgrund.  ein beispiel: die spd (früher einmal arbeiterpartei) jetzt die partei der ?? und nun auf dem weg (wenn sie so weitermachen) unter die 5% grenze.  vier junge spd-mdb´s haben ideen wie man das ändern könnte. alle gerade 30 jahre alt und von beruf ???. das heißt sozial- und polikstudienabsolventen, wollen noch mehr geld verteilen und migranten fehlintegrieren.  die spd hält sich zugute immer mehr junge menschen zum abitur und studium zu führen. aber was ist das ergebnis: millionen studenten in sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen fachbereichen. mint fächer im abstieg begriffen.  deutschlands stärken werden verspielt. die zahlreichen soziologen (sozialarbeiter) politik-, rechts-und wirtschaftswissenschaftler werden sich wohl kaum am erhalt oder der verbesserung der infrastrukturellengrundlagen unseres landes gewinnbringend beteiligen. die fehlintegrierten migranten zumindest in dieser und den nächsten generationen wohl auch nicht. und wenn man den anteil der rechts-und wirtschaftlich gebildeten abgeordneten ins verhältniss zur qualität der erzielten fortschritte, die sich gerade auch in den beschlossenen (auch abgestürzten) gesetzen zeigen, setzt, kann einem schwindlig werden.
wolfgang kreipe


Leserbriefe zu „Verdampfte Hoffnung“ von Max Hägler und Felix Lill

Auf der IAA-Transportation ist Ihren wahrscheinlich eine interessante Entwicklung verbogen geblieben: Die H2-Direktverbrennung. Dort stellte die Firma KEYOU zwei einsatzfähige Fahrzeuge vor: Stadtbus und Gespannzug-LKW für den Verteilverkehr (18t).  Beide Geräte konnten auf der Messe die Zulassung zum zeitweiligen Betrieb erhalten und verfügen auch über §29 StVZlgO. Insoweit Ihr Marktüberblick vollständig ist, bleibt doch anzumerken: Typisch deutsch!  Sie und ihr Publikum (und natürlich auch die Branchengrößen) erwarten „flip the switch“, Umstellung aller Transportlösungen von einem auf den anderen Tag. Sofortige Realisation der Entwicklungskosten am Markt dank schneller Marktdurchdringung. Die kleinen Perlen sind es doch, die gegebene Marktstrukturen radikal hinterfragen und neue, innovative Lösungen hervorbringen können. Brachte es nicht die Erfindung von H. Benz mit sich, dass die Pferdetram und das Fuhrwerk noch Jahrzehnte im Einsatz waren?
Völlig richtig, oder? Was für H. Benz galt – Benzin gab es nur in der Apotheke – gilt auch hier, weswegen KEYOU-Produkte, manufactured by Paul (https://paul-nutzfahrzeuge.de/paul-hydrogen-power-h2-truck/) mit Full-Service (https://www.keyou.de/) im Angebot sind. Sozusagen: „Benz“ hat ein „Apotheken-Abo“ aufgebaut, sodass Truck-Anwender als auch H2-Produzenten sich gegenseitig im Aufbau effizienter Anwendungsstrukturen unterstützen können. Gerade die bevorstehende Weihnachtszeit erinnert daran, dass Hoffnung, inhärent, nicht „verdampfen“ und einem kleinen Anfang Großes folgen kann.
Walter Neumeister

Viele wichtige Aspekte wurden bei diesem Artikel aufgeführt, die gegen Wasserstoff in der Mobilität sprechen, auch bei großen Fahrzeugen. Was ich jedoch vermisst habe, sind Ausführungen zur Effizienz der verschiedenen Antriebstechnologien, vor allem im Vergleich BEV gegenüber der Brennstoffzelle. Dies hat gerade auch vor dem Hintergrund der Diskussionen zum Thema des insgesamt steigenden Energiebedarfs eine hohe Relevanz. Umso mehr verwundern mich die Aussagen des Daimler-Truck-Chefs, da gerade bei Brennstoffzellenanwendungen noch einmal ein signifikant höherer Energiebedarf nötig ist als bei batterieelektrischen Anwendungen. Statt Stromengpässen entgegenzuwirken, würden wir die Probleme noch verstärken. Wasserstoff wird natürlich eine Rolle spielen; dies vor allem jedoch in der Industrie, im Flugverkehr oder in der Schifffahrt.
Florian Lipowski

Vielen Dank für den o.g. Artikel über den derzeitigen Stand der H–Nutzung in Fahrzeugen etc. als Energiequelle. Wenn genug Menschen in Deutschland und anderswo diesen oder ähnliche Aufklärungen lesen und verstehen würden, wäre wohl Schluss mit der Illusion oder dem Märchen als — grüner — Wasserstoff vom quasi „neuen Öl“ oder bequemen Ersatz für das Erdgas.  Vielleicht auch mit der Verschwörungstheorie, dass dies nur durch „den Kapitalismus“ oder „die fossile Industrie“ verhindert würde. Denn mit den Kosten hätte jedes „System“ zu tun, nicht nur in Geld, sondern auch in Arbeit, und in Rohstoffen für einerseits die H-2-nutzenden Fahrzeuge und ggf. Heizungen und sonstiges, und genauso für die gebrauchten Unmengen an Gas und Flächen zur EE-Produktion, die ja mindestens das Doppelte oder Mehrfache sein müssten wie für direkte Nutzung von Strom, sei es für Mobilität oder für Heizungen etc.  Bei Nutzung von Wüstenflächen in fernen Ländern käme dann noch das Riesenproblem des Transports und seiner Kosten dazu trotz des Riesenvolumens und schwierigen Kompression oder Verflüssigung des H-2 dazu, und bei der Alternative dazu einer Transportierung nach Umwandlung in Ammoniak oder flüssige Treibstoffe kämen die nochmaligen die Umwandlungsverluste und -Kosten auf mindestens noch einmal das doppelte.  Am ehesten lohnen könnte sich das alles bei Blockheizkraftwerken im Winter, wo sowohl Strom als auch die Abfall-Wärme als Heiz-Quelle gebraucht werden könnten.
Dennoch wird der Wasserstoff natürlich in Unmengen gebraucht, für z.B. Stahl- und Chemie-Produktion, wo er nicht oder schwer durch direkte Elektrizität ersetzbar ist und als Speicherform für Stromenergie für die dunkle Jahreszeit, insbesondere, wenn dann noch zu wenig Wind weht.  Und natürlich kann die Konsequenz auch nicht sein, dann doch lieber fossil weiterzumachen, sei es „einfach so“ oder aber mittels Einfangen des CO-2 und Verpressen tief unter der Erdoberfläche. Auch das wird natürlich nötig sein, aber viel zu teuer, zu energiefressend, zu wenig vollständig und zu unsicher, um damit dann weiterzumachen wie bisher, schon gar nicht, wenn man es nicht vor oder direkt bei der Verbrennung macht, sondern „hoffnungsvoll“ oder als Ausrede der Zukunft überlässt. Was wir außer direkter Stromnutzung als alternative brauchen, ist nicht die Hoffnung auf künftige „Wundertechnologien“ in den verbleibenden wenigen Jahren, auch kein „Kampf für ein besseres System“, sondern mehr Effizienz der Energienutzung, mehr ÖPNV etc. und schlicht in Frage Stellung von sehr vielen entbehrlichen oder gar luxuriösen Verwendungen von Energie, von immer weiterem schnellen Wachstum von Immobilien, Vehikeln und auch Menschenzahlen und ihrer Aktivitäten und Bequemlichkeiten  auf diesem wunderbaren, aber  begrenzten Planeten.

Peter Selmke


Leserbriefe zu „Seit Jahren wird das Warenhaus für tot erklärt – jetzt ist es wirklich soweit“ von Jens Jessen

Eine kleine Korrektur. Die Intention Adolf Jandorfs, des Gründers des KaDeWe, war auch, dass dieses Kaufhaus nicht nur die Wünsche der oberen 10.000 befriedigen sollte, sondern auch die der obersten 1000 oder allerobersten 500. Es war von vornherein auf Luxus ausgerichtet, entsprechend dem wohlhabenden Klientel, dass sich im Neuen Westen Berlins ansiedelte. Dieses Kaufhaus ist nach wie vor ein Zentrum West-Berlins bzw. Berlins. Es ist eines der besten Kaufhäuser der Welt. Sollte es in den Strudel geraten, wäre dies ein entsetzlicher Verlust für Berlin, aber auch für den (Wirtschafts-) Standort Deutschland. P.S.: Ist nicht in Paris das Kaufhaus Samartaine nach langer Zeit wieder eröffnet worden. Warum?
Gerd-Rüdiger Erdmann

Dieses ondit kam auf, weil die Leute im Internet online kaufen können. Da stimmt was nicht. Karstadt lebt und das Alsterhaus am Jungfernstieg auch. Die Käufer wollen sehen und anfassen können und probieren was sie kaufen mit Beratung vor Ort. Ohne Retouren. Mithin ist das Warenhaus lebendiger als je zuvor. Und jetzt zur Weihnachtszeit, süßer die Kassen nie klingeln.
Hans-Emil Schuster

Meine Mama half meiner Oma väterlicherseits einmal in der Woche in ihrem Nürnberger Haushalt. In der Zeit, da meine Mama die Wohnung von meinen Großeltern auf den Kopf stellte, da gingen meine Oma und ich ins Kaufhaus „Merkur“ am Aufseßplatz, später wurde das Kaufhaus in „Horten“ umbenannt, danach in „Kaufhof“ zu shoppen, damals wurde eingekauft oder eingeholt. 2012 schloss auch der Kaufhof und seit einem guten Jahr ist dort eine megagroße Baulücke. Daran kann ich mich noch sehr gut erinnern, dass die Aufzüge im „Merkur“ noch von Personal bedient wurden und die Rolltreppen fuhren nur nach oben. Im „tiefen“ Keller des Warenhauses, da befand sich der sogenannte Weinkeller, da wurde der Wein aus den riesengroßen Weinfässern gezapft. Für mich dagegen, da gab es meist Limo zu trinken und ein Paar heiße Wiener Würstchen oder eine dicke heiße Bockwurst mit einem Brötchen. Der Höhepunkt des Kaufhausbesuchs war gekommen, wenn wir beide die Spielzeugabteilung geentert haben. Hier durfte ich mir meist ein „Matchbox-Auto“ raussuchen. Was damals in war, das war die Ahoj-Brause, die gab es in allen (un)möglichen Geschmacksrichtungen zum Auflösen im Wasser. Ahoj-Brause gibt´s noch immer, die Brause hat sämtliche Stürme überlebt! In Nürnberg wurde nun vor kurzem das Kaufhaus „Galeria Kaufhof“ in der Innenstadt geschlossen, ob das und wie lange es noch die „Karstadt“ in der Innenstadt geben wird, das wird sich zeigen, das ist ungewiss!
Klaus P. Jaworek


Leserbriefe zu „Einer gegen China“ von Marc Widmann

Danke für Ihren Artikel zur Rettung der deutschen Solarindustrie-Reste! Statt Subventionen könnten gemäß der internationalen Handelsabkommen bei Dumping durch China (und der USA!) ZÖLLE erhoben werden, die die Handelsverzerrungen abschöpfen. Bitte korrigieren Sie die Höhe der US- Ausgaben im Rahmen der IRA (Inflation Reduction Act): Sein Volumen beträgt 370 Milliarden $ und streckt sich über einen Zeitraum von zehn Jahren. Inklusiv Steuererleichterungen, deren Höhe nicht gedeckelt ist, könnten die Gesamtsubventionen sogar 1 400 Milliarden $ erreichen, nicht 1,4 Milliarden $, wie im Zeit-Artikel gedruckt :-)! Besonders effektiv wären auch für Deutschland nicht tarifäre Handelshemmnisse. Danke daher für Ihr US-Beispiel, den Markt über Nachweisanforderungen zu schützen, dass keine uigurischen Zwangsarbeiter im China-Export involviert sind. Hoffentlich hilft Ihr Artikel die industriepolitischen Ministeriums-Schlafmützen aufzuwecken, damit die von Deutschland maßgeblich entwickelte und einst in den neuen Bundesländern aufgebaute Solarindustrie in Deutschland wenigstens wissensmäßig erhalten bleibt. Eine führende Volkswirtschaft der Solar-Industrie zu bleiben, wurde schon durch die industriepolitische Lethargie um 2010 ff versäumt.
Johannes Reintjes

Eine Staatengemeinschaft wie die EU sollte endlich erwachsen werden, und es endlich schaffen ähnlich wie die Vereinigten Staaten einen starken eigenen Binnenmarkt zu schaffen der auch ohne äußere Einflüsse stabil bleibt. Dazu gehört sicher auch eine Subventionierung regenerativer Energien, auch wenn das Wort EU-Subvention im Zusammenhang Auto-, Industrielobby und Landwirtschaft keinen guten Ruf hat. Wenngleich die Ökolandwirtschaft durchaus mehr Subvention brauchen könnte. Nur eine Energie unabhängige EU ist eine starke EU. Und regenerative Energien sind doch wohl das größte Potenzial der EU.
Stefan Burda

Ein Bekannter von mir führt ein europaweit tätiges Unternehmen, das Industrieheizanlagen installiert. Seit gut zwei Jahren, so erklärte er mir, baut er in Deutschland mehr Anlagen ab als auf; diese werden dann überwiegend nach Polen, Ungarn, Rumänien – also in osteuropäische Länder – exportiert und dort bei den Firmen aufgebaut, die zusammen mit der Heizungsanlage Deutschland den Rücken gekehrt haben; das seien einige Dutzend – bislang. „Deutschland biete der Industrie keine Räume“: ewig andauernde Genehmigungsverfahren in allen Phasen eines Unternehmens, ständig neue Auflagen, unsinnige Abgaben und hohe Steuern, kaum sinnvolle Förderung u.v.m. Ein Großteil der osteuropäischen Länder bieten ansiedlungswilligen Industrien viel an: preiswerte Flächen, steuerliche Anreize, gut ausgebildetes und motiviertes Personal, anpassbare Infrastruktur. Herr Erfurt – der Herr mit der Solaranlagenproduktion – gab seine Erfahrungen mit Amerika wieder; so ähnlich scheint dies ein paar Kilometer östlich von Deutschland auch zu sein. Deutsche Politik hingegen ist offensichtlich darauf aus, die vorhandene Industrie so lange zu gängeln, bis nur noch prestigeträchtige Großprojekte mit Milliardenförderung übrigbleiben und man sich – auch ohne das Bundesverfassungsgericht – die Frage stellt, woher diese Milliarden eigentlich kommen? Dass Schulabgänger seit Jahren eine Dezimalzahl nicht in einen Bruch umwandeln können, sei nur am Rande erwähnt, zeigt aber auch damit wenig politischen Willen, staatlicherseits den Arbeitgebern gut ausgebildete Menschen an die Seite zu stellen.
Ralf Moritz


Leserbriefe zu „War’s das mit meiner Intelligenz?“ von Ulrich Schnabel

Die Gefahr, die durch übermächtige KI droht, dürfte wohl eher zu bändigen sein als die Gefahr durch den Klimawandel. Es gäbe vielleicht sogar die Hoffnung, dass KI den Weg aus unserem aktuellen Schlamassel aufzeigen könnte. Das ergibt eine seltsame Sachlage. Die Sibirischen Schneeeulen richten die Zahl ihren Nachkommen (Baugröße, Brutabstände) nach der Verfügbarkeit ihrer Ressourcen (75% Lemminge) und können so das Überleben ihrer Spezies sichern. Uns Menschen gelingt ähnliches offenbar nicht. Und nun sieht es so aus, als bräuchten wir – als letzten Ausweg – die superkluge KI, damit sie uns zeigt, wie wir die Eulen als Vorbild nutzen können. Dabei stellt sich die Frage, ob KI in diesem Falle deshalb so schlau ist, weil sie einen immensen Teil unseres gespeicherten Wissens gelesen hat. Oder ist sie deshalb so schlau, weil sie – ähnlich wie beim Spiel GO – durch Ausprobieren ein neues Patentrezept gefunden hat. Gäbe es ein solches Rezept, dann stellt sich immer noch die Frage, wie wir es zur Wirksamkeit bringen könnten. Denn das Schlamassel entstand durch das exponentielle Wachstum von Kopfzahl und Konsum. Und die Frage ist offen, wie wir die Verursacher des Wachstums veranlassen können, ihren Beitrag für eine sanfte Landung zu erbringen.
Aber man kann ja schon mal spekulieren darüber, was KI uns raten könnte. Der Untertitel meines Buchs «Die Technik reicht nicht» lautet «Was ist nötig, damit die Menschheit noch lange gut fortbestehen kann?». Und so habe ich diese Frage an KI gestellt, und zwar mehrmals. KI hat daraufhin in ihrer ersten Antwort zunächst mit einem Verweis auf eine Kernthese meines Buchs geantwortet: Wir müssen unsere unbegrenzten immateriellen Potentiale nutzen, um mit unseren begrenzten materiellen auszukommen. Sie empfiehlt das Nutzen des biographischen, mythologischen und technologischen Potentials der Menschheit. Beim biographischen geht’s um Erfahrungen, beim mythologischen ums Diskutieren der Gesichtspunkte und beim technologischen ums Strukturieren und Präsentieren. In weiteren Antworten von KI ging es um Aspekte. Eine typische Antwort von KI beschrieb sieben Aspekte: Nachhaltigkeit und Umweltschutz, Frieden und Zusammenarbeit, Bildung und Wissensverbreitung, Gesundheit und Wohlbefinden, Technische Innovation und Forschung, Ethik und Verantwortung, Anpassungsfähigkeit und Resilienz.
Aber worin unterscheidet sich die Brauchbarkeit der zwei Begriffe „Aspekt“ und „Potential“? Bei den Aspekten geht es darum, dass Leistungen erbracht werden müssen. Offen ist aber zunächst, wer sie erbringen soll. Offen ist auch, was das Steigern der Leistungen erbringen kann. Zum Beispiel ist der Mensch in Bezug aufs Anpassen ja bereits das erfolgreichste Lebewesen. Zum Thema Ethik und Verantwortung gibt es ganze Bibliotheken und eine Vielzahl von Vorstellungen. Und der Fortschritt etwa in den Bereichen Gesundheit und Innovation hat wesentlich das exponentielle Wachstum von Kopfzahl und Konsum befördert. Hingegen besteht das Nutzen etwa des biographischen Potentials darin, dass man die Erfahrungen von einzelnen Gesellschaften als Vorbild nimmt. Es geht um Gesellschaften, die gezwungen waren – mangels Hilfe von außen – mit eigenen Ressourcen auszukommen, um ihr Fortbestehen zu sichern. Zum Thema „mythologisches Potential“ wird in meinem Buch die Runde der Götter Griechenlands (erweitert um eine Göttin der Evolution) beschrieben, als Gremium, das streitlustig über die genannte Frage diskutiert. Vielleicht wäre es ja tatsächlich ein Weg aus dem Schlamassel, KI zu nutzen fürs Erarbeiten von Lösungsvorschlägen und zusätzlich die Akzeptanz von KI zu erhöhen.
Gernot Gwehenberger

Es ist ein schon angsteinflößend zu lesen, dass eine wenigstens mahnende Stimme im Zusammenhang mit der Entwicklung von KI durch Entlassung kaltgestellt wird, wie die von OpenAI´s Chief Scientist Sutskever, dem Prognosekompetenz abzusprechen wohl ähnlich ignorant wäre, wie Selbiges den großen Physikern des letzten Jahrhunderts geschah, als sie vor den Gefahren der Kernspaltung warnten. Wer Ausblicke auf mögliche Folgen einer zu Ende gedachten KI bekommen möchte, gesellschaftlich, rechtlich oder ethisch, der möge Stanislaw Lem lesen, dessen Studium als Voraussetzung zu jedweder Betätigung in diesem Bereich wünschenswert wäre. Es braucht schon seine Fantasie, um zurzeit noch undenkbare Szenarien im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz zu entwickeln und ihre Auswirkungen auf das Leben von Menschen aus Fleisch und Blut zu analysieren. Eigentlich müssten die Regierungen aller großen Nationen jetzt bei Sutskever Schlange stehen, um einen Beratervertrag mit ihm abzuschließen, damit die Gefahr, am Ende kalt erwischt zu werden, nur jenen droht, die in selbstverliebter Fortschrittsbegeisterung und in Erwartung der sprudelnden Dollars alle Behutsamkeit als kontraproduktive Miesmacherei beiseite schieben. Und bei Gedankenspielen kann jeder, wenn er denn mag, ganz banal beginnen, z. B.: Vor hundert Jahren wäre niemand mit dem Gesetz in Konflikt geraten, der sein Tier quält.
Andre Kruß

Laut Scientific American (https://www.scientificamerican.com/article/i-gave-chatgpt-an-iq-test-heres-what-i-discovered/) hat ChatGPT einen IQ von 155, 99,9 % der Menschen sind „dümmer“ :-).
Peter Pielmeier


Leserbriefe zu „Die Position: Mehr Akademiker in die Pflege“ von Wolfgang Wick

Ich arbeite in der Altenpflege, und ich erlebe jeden Tag, wie ineffizient und zeitverschwendend wir arbeiten müssen, da wir selbst als examinierte Pflegekräfte keine Verantwortung auch nur für kleinste ärztliche Tätigkeiten übernehmen dürfen. Wir dürfen kein Pflaster kleben, keinen Verband anlegen, kein freiverkäufliches Schmerz- oder Abführmittel verabreichen, ohne die detaillierte Anordnung eines Arztes. Wir dürfen einem Bewohner nur die Mittel geben, die für ihn persönlich rezeptiert wurden, fest angesetzt für die Woche und einiges für den Bedarf. Leidet ein Bewohner z. B. unter Verstopfung und es gibt kein Mittel und keine Anordnung für diesen Bedarf, müssen wir den Arzt anrufen und um beides bitten, am Wochenende den Bereitschaftsarzt. Bewohner und Angehörige sind sich dieser Tatsachen oft nicht bewusst und können es nicht fassen, dass wir keine hauseigene Apotheke haben. Wir haben natürlich auch keine Notfallmedikamente, z. B. ein starkes Beruhigungsmittel, es sei denn, der Notfall wurde für einen bestimmten Bewohner antizipiert und es gibt das Medikament und die Anordnung. Wenn nicht, müssen wir den Notarzt rufen. Meiner Meinung nach ist diese Situation untragbar. Den Pflegekräften nimmt sie jegliche Kompetenz und den Ärzten viel zu viel ihrer kostbaren Zeit.
Maud Downs

„Die jungen Pflegekräfte haben kein Herz, bis auf wenige Ausnahmen!“ – so die Aussage einer älteren Pflegekraft „mit Herz“. Wahrscheinlich sind die Herzen so strapaziert, dass sie abschalten. Der Selbsterhaltungstrieb von Pflegenden führt dazu, dass Pflegebedürftige wie Gepäckstücke – ohne den Hinweis: Vorsicht zerbrechlich – behandelt werden oder mit veralteter Pädagogik wie ungezogene Kinder. Menschen menschlich „mit Herz“ zu behandeln – der Einsatz ist zeitlich nicht so lange zu leisten wie bei anderer Arbeit. Schließlich haben Pflegekräfte wie andere auch noch reichlich „Arbeit mit Herz“ außerhalb des Berufs zu leisten. Dass Ausbildung und Arbeitsteilung besser werden können – keine Frage! Es ließe sich in der Praxis auch Zeit einsparen bzw. für mehr Zuwendung einsetzen, wenn nicht bei jedem Zipperlein der Arzt verständigt werden muss (Beispiel Augentropfen). Danke der „Zeit“, dass wiederkehrend zum Thema „Pflege“ unter verschiedenen Aspekten Artikel zu lesen sind.
Annette Lukat


Leserbriefe zu „Die Macht und die Zeitung“ von Matthias Nass

Am 27. Mai 1923 wurde in Fürth (Mittelfranken) das Kind Heinz Alfred Kissinger geboren, bekannt wurde er unter dem Namen Henry Kissinger. Im Jahr 1938 ist der Jude Henry Kissinger aus Nazi-Deutschland geflohen. Unter anderem war er unter den US-amerikanischen Präsidenten Nixon und Ford von 1969 bis 1977 US-amerikanischer Außenminister und in dieser Rolle war er auch an der streng geheimen „Operation Menu“, und damit an der völkerrechtswidrigen Bombardierung in Kambodscha mitverantwortlich. Henry Kissinger blieb Zeit seines Lebens ein Hardliner, d.h. er war immer ein radikaler Vertreter von US-amerikanischen Interessen. Ach ja, den Friedensnobelpreis hat er 1973 trotz dieser völkerrechtlichen Bombardierung erhalten, daneben erhielt er in der Zeit von 1959 bis 2023 zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen. Henry Kissinger war ein großer Politiker, der auch sehr große Schattenseiten hatte! Im Jahr 1998 wurde er Ehrenbürger von Fürth und Ehrenmitglied bei der SpVgg Greuther Fürth; seine Geburtsstadt Fürth hat er immer wieder besucht. Am 29. November 2023 ist Henry Kissinger gestorben.
Klaus P. Jaworek

Bei der Lektüre des Nachrufs von Matthias Nass auf Henry Kissinger dachte ich – nicht zum ersten Mal: Die ZEIT-Redaktion scheint doch sehr stark von ihrem eigenen Nimbus beeindruckt. Muss diese Selbstgefälligkeit sein?
Oliver Claussen


Leserbriefe zu „Ist der Ausstieg doch kein Muss?“ von Stefan Schmitt

Merchants of Doubt (siehe die vorherige Ausgabe der ZEIT, als Sie die Autorin, Naomi Oreskes, interviewt haben). Die sauditexanisch-russisch-iranische Fossilmafia übernimmt die Strategien der Tabakmafia. Verwirrung zu stiften ist die oberste Priorität. Die OPEC sollte man in OPIG umbenennen. Wer glaubt deren Lügenmärchen eigentlich noch? Und wer braucht diese alljährlichen Klimakonferenzen, wenn doch nichts dabei herauskommt? Immerhin waren der diesjährige Austragungsort und der Veranstalter so bekloppt genug, dass diese Idiotien ausreichend Aufmerksamkeit bekommen haben. Jeder blamiert sich so gut wie er kann. Der Sultan und die VAE sind jetzt weit vorne. Die Tabakmafia hat es geschafft, die Erkenntnisse der seriösen Wissenschaft, die schon in den 50ern unumstößliche Beweise für die gesundheitsschädlichen Auswirkungen von Nikotin hatte, fast 40 Jahre in Zweifel zu ziehen. Mal sehen, wie lange dies der Öl- und Gasmafia noch gelingt. Sowohl erstere als auch letztere WISSEN selber ganz genau, dass sie lügen, nicht umsonst wurden eigene Studien immer wieder zurückgehalten.
Thomas Manthey

Die COP28 in Dubai hat schon jetzt den Weltmeistertitel in Sachen Volksverdummung verdient, denn sie beleidigt die Intelligenz aller Teilnehmer. Die „planetaren Kaufmannsrechnungen“ zur Ermittlung des „zulässigen CO2- Ausstoßes“ haben geradezu erschreckend auffällige Parallelen zur Mathematik- Performance deutscher Grundschüler: Im Jahr 2050 wird nach weltweiten Regierungsplänen allein dreimal so viel Öl gefördert werden wie für das Erreichen des 1,5°C- Klimazieles notwendig wäre (s. DIE ZEIT Nr.51 „Das Öl ist zurück“). Die Gründe für diesen Boom fossiler Energieträger sind vielfältig und leider real, denn eine Energiewende erfordert unfassbar gigantische Materialmengen konventioneller Metalle wie Stahl, Aluminium und Kupfer die sich wirtschaftlich vorerst nur mit fossilen Energien erschmelzen bzw. produzieren lassen. Leider lässt der Artikel den Aspekt der Verweildauer von Treibhausgasen in der Atmosphäre unerwähnt; angesichts einer Verweildauer von bis zu 120 Jahren (CO2) erscheinen die „Klimaziele“ 2030 / 2050 geradezu grotesk. Auch die natürlichen Emittenten wie Vulkanismus, Auftauen von Permafrostböden oder die Trockenlegung der Moore, Waldbrände usw. finden keine Erwähnung.
Der letzte Strohhalm, das Auffangen und Wegpumpen von verflüssigtem CO2 in tiefe Bodenschichten (CDR / CCS) hat fast schon satirischen Charakter, denn es liegt jenseits aller energetischen und finanziellen Möglichkeiten. Fazit: Die Diskrepanz zwischen notwendiger Emissionsverringerung und realer Prognose der Emissionszunahme ist zutiefst besorgniserregend. Die katastrophalen Folgen des bereits existierenden Klimawandels sind spürbar und werden sich apokalyptisch verstärken. Das Schaulaufen In Dubai wird daran nichts ändern.
Michael Deil


Leserbriefe zu „Auf rasender Fahrt durch ein versehrtes Land“ von Tuvia Tenenbom

Was bitte hat dieser Aufruf zu hemmungsloser Gewalt gegenüber anderen Menschen im Feuilleton zu suchen und dann noch in einer Ausgabe, die mit „Wie geht Verzeihen“ betitelt ist. So gerade nicht.
Volker v. Moers

Der Untertitel des Hauptartikels im Feuilleton der jetzigen Zeit-Ausgabe sagt es trefflich: Herr Tenenbom spricht mit Menschen in Tel Aviv und im Westjordanland. Und die gewaltige Nährstoffflut für einseitige Hass-Entwicklung legt die Schlussfolgerung nahe, dass Gesprächspartner der anderen Seite als unwürdige Wesen, als Tier-Menschen für den Autor nicht relevant sind. Was bezweckt die Redaktion mit einem derart einseitigen und provokativen Artikel? Mir stehen die Haare zu Berge, denn diese Klassierung von Menschen ist für mich leider nichts anderes als rassistisch! E. von Thaddens sanfter Artikel über ein Gespräch mit F. Abdelnour taugt da leider überhaupt nicht als Gegengewicht, denn die Jahrzehnte langen, unsäglichen Leidensgeschichten der palästinensischen Seite kommen ebensowenig zum Ausdruck, wie die terroristischen Aktivitäten von Seiten der Siedler im Verbund mit der israelischen Polizei/Armee. Dass diese jetzt noch zunehmen bis zur gänzlichen „Reinigung“ von der anderen Gattung Mensch, liegt auf der Hand. Ich habe echt den Eindruck, die Welt soll vorbereitet werden auf eine Zukunft, in der es überhaupt keinen Lebensraum für Palästinenser mehr geben wird. Der angesprochene Artikel scheint dies mitzubezwecken.
Peter Früh


Leserbriefe zu „Sie schieben ab“ von Trisha Balster und Kim Lucia Ruoff

Danke für Ihren offenbar sehr gut recherchierten Artikel zu diesem Thema. Ich möchte meine Empörung über diese unglaublichen Fälle sturer und blinder Bürokratie gerne sinnvoll kanalisieren und bitte Sie, die Reaktion Ihrer Leser den zuständigen ministeriellen Dienststellen zuzustellen.
Inke Gaede-Kramer

Ihr Artikel aus der aktuellen Ausgabe hat mich sehr aufgewühlt. Ich würde mich gar nicht als woke bezeichnen und eher mit einem rationalen Blick auf die (bedauerlicherweise) regional ausgetragene Migrationsdebatte blickend, aber das Menschen von ihren Arbeitsplätzen auf dem Bau oder nach der Spätschicht abgeholt werden, um abgeschoben zu werden, erschüttert mich zutiefst. Klar, man weiß, dass es diese Fälle gibt – aber die plastischen Beschreibungen der Polizeibeamten machen mir persönlich das Thema noch greifbarer. Daher zweierlei Gedanken:
Vorschlag 1: Eine Ausgabe Streit zu diesem Thema – warum werden solche Menschen abgeschoben? Ich fürchte, dass sich hier oft in das „Einzelfälle, dazu kann ich nichts sagen“ geflüchtet würde, aber ich möchte gern verstehen, wie jemandem, der der Volkswirtschaft zuträglich ist und mit seinen Abgaben ja vor allem auch das deutsche Rentensystem noch zusammenhält, der Aufenthaltstitel entzogen werden kann. Hierzu auch die Frage: Was ist eigentlich mit dem groß angekündigten liberalen Einwanderungsgesetz nach kanadischem Vorbild geworden? Ich werde mich nicht in FDP-Bashing ergehen, aber ich möchte gern wissen, wieso diese Frage – zur Halbzeit der Legislatur – nicht angegangen wurde. Oder wurde sie?! Und wo sind dann die Ergebnisse?
Vorschlag 2: Das zuvor geschriebene als Artikel. Nüchtern, die Grundlage erklärend. Es wird nicht helfen, die Einzelfälle sind zu prägnant, aber es erschließt sich mir einfach nicht; welches Gesetz schreibt uns vor, Menschen abzuschieben, die hier im Land leben und arbeiten, während Wirtschaft und Sozialsysteme wahlweise unter Fachkräftemangel und der Demografie leiden? Pisa setzt dem Ganzen ja nun noch die Krone auf. Platt gesprochen könnte man sagen: Wir schaffen es nicht, die Menschen richtig auszubilden, dann lass uns doch noch die rausschmeißen, die es könnten, um uns über die, die es nicht können, aufzuregen. Es ist doch wirklich so naiv. Das hat mich sehr nachdenklich gestimmt.
Daniel Drexlin-Runde


Leserbrief zu „Wir kriegen‘s gebacken!“ von Markus Rohwetter

Für den obigen netten Artikel danke ich Ihnen sehr herzlich. Ich sende jeweils im Advent eine Dose mit Kemm’schen Kuchen an einen pensionierten ehemaligen Chef (93 Jahre alt) nach Süddeutschland. Das hat überraschenderweise auch in diesem Jahr über einen Internet-Shop geklappt.
Manfred Wiech


Leserbrief zu „Nichts als Fassaden“ von Ingo Malcher

Benkos Reich war eine Spekulationsblase. Bewertungsgewinne aufgrund der Niedrigzinsen wurden wie aus dem Nichts zu Geld gemacht, ein schlichter Bilanztrick, der nun ins Gegenteil umschlägt. Unverständlich, wie darauf Finanzprofis und Geldhäuser hereinfallen konnten. Alle haben offenbar nichts gelernt aus der Finanzkrise 2008, bei Raffgier setzt der Verstand aus. Das Mitgefühl mit den Investoren, die jetzt vermutlich massig Geld verlieren, hält sich jedenfalls in Grenzen. Die verbleibenden Investitionsruinen dürften dennoch ein Mahnmal sein.
Christoph Schönberger


Leserbrief zum Titelbild

Manchmal fragt man sich (auch als Mann), in welcher Zeitrechnung Ihre Bildredaktion steckengeblieben ist. Da liest man also dieses wunderbar vielversprechende Titelthema und sieht zwei jungen Frauen, die sich ziemlich verkrampft so in den sehenswerten Armen halten, dass ihre sorgfältig gelegten Frisuren nicht in Unordnung geraten. Und schon kommt einem die erste Frage: Warum eigentlich junge Frauen? Und warum gleich zwei davon? Die Antwort ist nicht schwer zu erraten. Aber, liebe ZEIT, muss das denn wirklich sein, haben Sie solche billigen Lockmittel ökonomisch wirklich nötig?
Außerdem kann ich Ihnen als Mann versichern, dass meine Geschlechtsgenossen einiges zu verzeihen hätten. Und selbst wenn Männern Gefühligkeit grundsätzlich schwerfällt und sie nur widerstrebend Verantwortung übernehmen, gäbe es doch einiges, was auf der Liste des Vergebens stehen müsste: Ein Großteil der gesellschaftlichen Gewalt (namentlich an Frauen), praktisch alle Kriege, die Klimakatastrophe als Folge einer sehr männlich konnotierten Form der Energiegewinnung, ein zerstörerisches Wirtschaftsmodell usw. usf. Wäre es vor dem Hintergrund nicht angemessen, auf Seite 1 zumindest einen Mann abzubilden, der seine Reue erkennbar ausdrückt, vielleicht ein Alter Weißer Mann und am besten noch einer Frau gegenüber? Anstelle der Frau würde ich mir das mit dem Verzeihen dennoch zumindest so lange überlegen, bis die Schlimmsten der derzeitigen Krisen von den verantwortlich zeichnenden Männern zumindest ansatzweise erfolgreich gelöst wurden. Und das, so würde ich vermuten, kann noch ziemlich lange dauern.
Thorsten Kerbs


Leserbrief zu „Fast wie Touristinnen“ von Anastasia Tikhomirova

Vielen Dank für Ihre gute Berichterstattung zu Israel in den Wochen seit dem 7.10. Der Artikel „Geiseln der Hamas: Fast wie Touristinnen“ enthält jedoch leider einige Fehler. Z.B heißt es da: „Am 7. Oktober, zum jüdischen Fest Sukkot, planten die Kaminers eigentlich, von Jokne’am in der Mitte des Landes in den Süden Israels zu Yehudit Waiss und ihrem Mann Shmulik zu fahren.“ Das (in Israel) siebentägige Sukkot-Fest war zu diesem Zeitpunkt schon vorbei. Am 6.10. begann dagegen das Fest Simchat Torah, das bis zum Abend des 7.10. andauerte. Später heißt es: „Nachdem sie beim Kaddisch-Gebet, dem Gebet für die Verstorbenen, mit Wein anstoßen…“ Mit Wein angestoßen haben die Menschen dort ganz bestimmt nicht zum Kaddisch (was übrigens nicht nur ein Gebet für die Verstorbenen ist, sondern auch als ‚Platzhalter’ zwischen verschiedenen Gebeten fungiert), sondern später zum Kiddusch, der nach dem Shabbat-Gottesdienst gesprochen und zu dem in der Tat mit Wein angestoßen wird. Der Name klingt für Uneingeweihte vielleicht ähnlich, es handelt sich dabei aber um zwei völlig verschiedene Dinge. Etwas mehr Sensibilität für jüdische Bräuche wäre schön! Sie haben doch gewiss in der Redaktion Personen, die sich damit auskennen, lassen Sie diese doch solche Texte in Zukunft kurz durchlesen. Jedem jüdischen Leser wären die Fehler sofort ins Auge gesprungen.
Mia Betzar


Leserbrief zu „Sie sagten mir, ich sei nutzlos“ Gespräch mit Katalin Karikó, geführt von Ulrich Bahnsen

Danke für o.g. Interview. Leider, leider keine kritische Frage zum Impfstoff BioNTech. Mittlerweile ist ja durch Studien erwiesen, dass sich bei den C Impfstoffen große gesundheitliche Risiken verbergen. Praxen sind voll mit Impfschäden. Prozesse sind bereits am Laufen. Nun kommt da ein solch wachsweiches Interview daher, mit einer wichtigen Ex Mitarbeiterin von BioNTech. Leider kann ich nur vermuten, dass auch bei Der Zeit Pharma Lobby am Werk ist. Traut sich der aktuelle Journalismus keine kritischen Fragen mehr? Frei nach dem Zitat:“ Im Seichten ist noch keiner ertrunken.“
Christoph Ammon


Leserbrief zu „So fremd wie nie“ von Elisabeth von Thadden

Interessant und wichtig für den Austausch der – hoffentlich – geistigen (Neu-)Justierung von Vertretern der Konfliktparteien Palästina und Israel nach den furchtbaren Ereignissen des 7.Oktober. Erschreckend das Bekenntnis des Palästinensers Fadi Abdelnour, dass seine Landsleute grundsätzlich ratlos sind, was sie tun sollen. Seine Einschätzung, dass den meisten Deutschen es am liebsten wäre, wenn die Palästinenser ihren Anspruch auf (legitime) Rechte aufgeben, kapitulieren und stillhalten, teile ich allerdings nicht. Die Deutschen gelingt es nur kaum, den politisch-historischen Dreisatz, Schuldgefühle gegenüber den Juden, ihre daraus abzuleitende Verpflichtung gegenüber den Juden und die legitimen Interessen von Israelis und Palästinensern am eigenen Staat, unter einen Hut zu bringen.  Die Palästinenser haben mit Israels Sechstagekrieg von 1967, ihre Siedlungsgebiete Gaza-Streifen, Westjordanland und Jerusalem an Israel verloren. Die Gebiete gehörten vor dem Krieg zu Ägypten und Jordanien. Die politische Vertretung der Palästinenser wie PLO und später die Hamas entwickelten seitdem immer extremere Forderungen nach dem eigenen Palästinenser-Staat – ohne den Staat Israel. Der sollte sozusagen vom Erdboden verschwinden! So entstanden die extrem konträreren politischen Positionen zwischen Israelis und Palästinensern, die bis heute das Pulverfass des Nahen Ostens verkörpern, die gleichzeitig ein absurdes politisches Gleichgewicht herstellten. Israel dachte unter Ministerpräsident Netanjahu nie daran auf das Prinzip der 2-Staatenlösung einzugehen, wofür seine Siedlungspolitik im Westjordanland der schlagende Beweis ist.
Dazu kam eine historisch unscharfe, religiös verbrämte Politik, die, getragen von extremen Koalitionspartnern (Siedler-Fundamentalisten), eine Politik der ewigen Ablehnung palästinensischer Forderungen zementierte. Die Palästinenser mussten sich vorkommen wie Aussätzige auf dem Land was früher ihr Land war. Das war der Nährboden für die Hamas und dem palästinensischen islamischen Dschihad, die eine verunsicherte und ständig eingeschüchterte palästinensische Bevölkerung seitdem politisch unterdrückt. Es muss aber – wenn die Menschheit nicht für immer den Kopf verloren hat – einen politischen Weg geben, der Israelis und Palästina erkennen lässt, das nur die 2-Staaten Lösung das Ende der furchtbaren Kriege bringen kann. Völlig klar aber auch, dass ein Netanjahu das mit seiner Methode verbranntes und zerstörtes Stadt- und Wohngebiet im Gaza-Streifen nie schaffen kann. Im Gegenteil. Er befördert nur die gefährliche Entwicklung von 2 Todfeinden, die sich höchsten noch im Jenseits vertragen – erst dort wird ihnen ihre abrahamitische Verwandtschaft wieder bewusst. Palästinensern muss es schwerfallen über die Verbrechen der Hamas am 7.Oktober zu reden. Hier halten sich wahrscheinlich Scham und Hass die Waage.
Klaus Reisdorf


 

Leserbrief zu „Ein bisschen zu dicht an der Sonne“ von Berit Diesselkämper

Eva Menasse ist keine dumme Frau, ganz im Gegenteil. Und wenn sie in ihrer Empörung über die Dummheit der Menschen ab und an zu weit gegangen sein mag, ist eine relativ beliebige Zusammenfassung des von ihr Gesagten in spöttischem Ton noch lange keine Kritik, ganz im Gegenteil. Das einzig annähernd Kritische, das der digitale Eingeborene vorbrachte, ist, dass sie keine Handlungsempfehlungen aus ihrer Analyse ableitet oder ableiten kann. Aber man muss nicht kochen können, um festzustellen, dass eine Suppe versalzen ist (und gegen Dummheit kämpft ohnehin mancher und manche vergebens).
B. S. Orthau


Leserbrief zu „Vietnam“ von Lucy Fricke

Was ist falsch im Land der Herzchen und Schweineohren? Auf jeden Fall ist die Aussage, dass die Entfernung Hanoi- Saigon fast so weit sei wie die zwischen Berlin-Nepal falsch. Frau Fricke sollte lieber zu Hause bleiben!
Burkhard Voges


Leserbrief zu „Vorwärts, aber im Zickzack“ von Anant Agawala

Seit 2015 habe ich als ehrenamtlicher Lehrer und Mediator für Deutsch als Fremdsprache sehr unterschiedliches Interesse am Erlernen der deutschen Sprache beobachtet. Menschen mit einer Vorstellung davon, was sie vorhatten, waren sehr daran interessiert, Deutsch zu erlernen. Sie arbeiteten im Unterricht aktiv mit und beschäftigten sich auch in der Freizeit mit den besprochenen Themen. Mit einigen stehe ich immer noch in Verbindung. Mein Freund H. hat sich später im Selbststudium auf die Sprachprüfung B1 vorbereitet, weitere Sprachkurse besucht und in diesem Jahr in Berlin ein duales Studium mit dem Bachelor abgeschlossen. Ein anderer ist seit Jahren als Englisch-Lehrer angestellt. Leider war das eine Minderheit. Die Mehrheit betrachtete den Unterricht als Abwechslung, um dabei etwas über den Alltag in Deutschland zu erfahren. Sie gingen davon aus, Deutsch im „Selbstlauf“ irgendwann zu beherrschen. Wenn in den Familien und in den Moschee-Gemeinden nur Arabisch gesprochen wird, bleibt Deutsch eine fremde Sprache außerhalb des persönlichen Alltags.
Eine ebenfalls ehrenamtliche Lehrerin (Unterstufe) berichtete von ihren Erfahrungen im Beruf. Dort sitzen Kinder von Zuwanderern in den Klassen und warten auf das Pausenzeichen. Sie bekommen im Unterricht nichts mit, denn sie sprechen und verstehen kein Deutsch. An ihrer Schule waren es in den ersten und zweiten Klassen 46 Schüler. Die Schulleiterin lehnte einen Bericht über diese Wirklichkeit an das Schulamt ab. Das Schulamt hatte in einem ähnlichen Fall mit der Bemerkung reagiert, „Sie schaffen das, wenn Sie sich als Schulleiterin der Angelegenheit persönlich annehmen“. Wenn die Geschichte, die Kultur und die Mentalität der Migranten nicht kennt, wird die Probleme Kaum bewältigen können. In diesem Zusammenhang spielt der soziale Druck der Moschee-Gemeinden ebenfalls eine meistens unterschätzte Rolle. Das habe ich in der Erstaufnahme für Flüchtlinge und Zuwanderer hinsichtlich Akzeptanz erlebt. Was der Einzelne heute im Beisein eines Mitglieds seiner „Gemeinde“ erlebt, sagt oder erhält, weiß am nächsten Tag die ganze Gemeinde. 650.000 Jugendliche sind gegenwärtig ohne Ausbildung, ohne Arbeit. Jährlich verlassen 200.000 Schüler die Schule, ohne richtig schreiben und lesen zu können. Die Wirklichkeit des Schulunterrichts kann jeder zur Kenntnis nehmen, wenn er dazu bereit ist. An letzterer mangelt es offensichtlich in den „Führungsetagen“.
R. Reiger


Leserbrief zu „Die Kunst und das Unrecht“ von Tobias Timm

Uwe Timm will UNS in die deutliche Richtung UNRECHT mit der KUNST orientieren, in eine Erkennbarkeit des weiteren Daseins von fälschlich einbehaltenem Besitz ohne Rechtsanspruch: in den Museen und in dementsprechenden privaten Sammlungen… Wo ich in den großen Museen der zeitanteiligen Menschen-Welten (mit mehr oder weniger persönlichem Wissenshintergrund plus doch logistischem Erkennen) hinschaue, sehe ich geraubte-geklaute Kunst, eingesammelte künstlerische Werke von Kriegszügen als Kriegsbeuten aus den verschiedenen Ländern und Kontinenten: je nach dementsprechenden zeitvergangenen Machtbeeinflussungen und Okkupationsbeherrschungen – z.B. das „Pergamon-Panorama“ im so benannten Pergamon-Museum zu Berlin: Woher kommt es denn, und wieso steht es (nun) nicht dort, wo es ursprünglich endgültig zu verbleiben hätte…? Der Pergamon-Altar, all die antiken Kunstschätze und das Ischtar-Tor (übersetzt: Herrin des Himmels), die Antikensammlungen, die Islamische Kunst… Es ist das meistbesuchte Museum auf der Museumsinsel in Berlin – doch wen von den (deutschen) BesucherInnen bewegen diesbezügliche Gedanken: wie diese Kunstwerke in den Besitz dieses Berliner Museum gekommen sind und welche jeweilige Gewalt und deren Bewältigungen: somit diese Gefangenheiten auf fremdem Boden dem Publikum präsentieren – die kunsthistorischen Schätze aber den Ursprungsländern und deren (auch ausgebeuteten) Kulturen letztlich „vor Ort“ verloren gehen, egal wie gut konserviert und aufbewahrt letztlich der Verbleib dadurch irgendwie zu rechtfertigen sein könnte; wäre doch all das vielleicht am Ursprungsort längst schon verfallen und zerstört worden…?! Das sind die Gegenargumente des Verbleibs bzw. des Bestehens auf dem Okkupationsbestand dieser Bestände nicht nur dieses Museums in Berlin. Einvernehmliche Kausalitäten somit als bewirkende Restitutionen der wertvollen (zudem politischen) Gesten gegenüber den Kulturidentifikationen dieser Länder und deren Völker als Anteiligkeit eines mitbeteiligten Weltfriedens…
Ob nun irgendein reicher Fuzzi (z.B. Lord Elgin) im 18./19. oder noch 20. Jahrhundert (um nur 3 Jahrhunderte diebische-räuberische Revue passieren zu lassen) Kunstwerke angeblich aufkaufte, um diesen Kunstraub nach Europa, nach Paris, Berlin, London zu verbringen – in Griechenland z.B. die osmanische Besatzungsmacht mit viel Geld bestach, um antike griechische Werke (und dadurch die Identifikation des Landes und der Bevölkerungen anteilig mit zu zerstören!) außer Landes zu bringen… All das wird nicht berücksichtigt, können die „Anspruchsländer“ noch so sehr um die Rückgaben bitten oder dies mit politischem Druck möglichst zu fundamentieren: die Museen mit dem „Raubinhalt“ aber vergewissern sich der (politischen) Protektionen ihrer Länder – und weiterhin strömen bedenkenlos die Millionen Menschen in diese Kunst-Tempel der „fremden geklauten-geraubten Erinnerungen“ zu diesen Verlusten der kulturellen Ursprungsländer: die in den verschiedenen Zeitverteilungen jeweilige politische Veränderungen durchliefen – was kein Argument des Verbleibs in fremden Ländermuseen zu bedeuten haben kann! Quo vadis Germania restitutio ad integrum?
Aber nehmen wir doch genauen Bezug auf DIE KUNST UND DAS UNRECHT zu dem notwendig berechtigten und versierten Artikel von Tobias Timm – und vergleichen wir nicht das hemmungslose Vereinnahmen von Raubkunst eines Napoleon I. in den eroberten Ländern bis hin zum einstigen Raub der Quadriga vom Brandenburger Tor: alles dementsprechend durch kaiserlichen Befehl zum Abmarsch nach Paris organisiert – und ob das nun auch mal eben Obelisken aus Ägypten waren: oder die Engländer zehntausende von ägyptischen Mumien in den Öfen der Lokomotiven dort im besetzten Ägypten für die eisenbahnliche Beweglichkeit, verheizten: Moral und Ethik gab und gibt es nicht, nurmehr absolute Hemmungslosigkeit der Sieger gegenüber den Besiegten und Besetzten jener unterdrückten, beraubten Länder… Tobias Timm schreibt in DIE ZEIT rückblendend sehr verdeutlichend: „Sehr spät, nämlich genau vor 25 Jahren, einigten sich 44 Staaten, darunter Deutschland und die USA, in der Washingtoner Erklärung auf eine Aufarbeitung dieses Naziverbrechens. Geraubte Kunst sollte identifiziert werden, um dann mit den rechtmäßigen Eigentümern eine gerechte Lösung zu finden. In Berlin wird an diesem Donnerstagabend das Jubiläum der Washingtoner Erklärung gefeiert. Doch zum Feiern gibt es keinen Grund. Zwar wurden unterdessen Tausende Kunstwerke, Antiquitäten und Bücher restituiert oder Entschädigungsgelder gezahlt, auch weil einige engagierte KunsthistorikerInnen, Museumsdirektoren und RechtsanwältInnen durch ihre akribische Arbeit geholfen haben, wenigstens einen Teil des Unrechts wiedergutzumachen…“
Aber glaube doch niemand, dass den (deutschen) Museen zum Feiern zumute sei, wenn ihnen die besten Bestände sozusagen unterm Museumshintern wegverwendet werden, um nun den Nachfahren der einstigen dies Besitzenden an Kunstwerken, wieder zurückzuerstatten bzw. sich für horrende Gelder-Auszahlungen diesen Bestand erhalten zu können… Richtig ist: diese brutalen Nazi-Enteignungen auch an Kunst von jüdischem oder anderem Besitz, müssen restlos zurückgegeben oder ausgeglichen werden – und da kann man sich überhaupt nicht auf sogenannte Verjährungen berufen: das würde ja geradezu nochmals eine weitere Raubfortsetzung mitbewirken! Und Uwe Timm vermerkt in seinem Artikel konsequent: „Seit Jahren wird von der Bundesrepublik angekündigt, das Verfahren müsse vereinfacht werden, passiert ist bisher nichts.“ Und des Weiteren: „Endlich müssen auch Gesetze, die Rückgaben bisher verhindern, reformiert werden.“ Was das aber grundsätzlich mit dem Antisemitismus zu tun haben soll, wenn Uwe Timm diesbezüglich äußert: „Doch im Kampf gegen den Antisemitismus sollte die Aufarbeitung des unbewältigten Unrechts jetzt dringend zu einem zentralen Projekt der gesamten Bundesregierung und der Länder werden.
Nichts, was im direkten Zusammenhang mit dem größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte steht, darf verjähren.“  Diese bewussten Verzögerungen (der RvM benennt dies so!) sollen doch möglichst den (unrechtmäßigen) Besitzstand in den deutschen Museen erhalten – aber das hat nichts mit Antisemitismus zu tun, sondern bedeutet nichts anderes als sich weiterhin mit demjenigen Inhalt der Museen zu schmücken und damit möglichst viele Menschen als BesucherInnen anzulocken! Wir sollten uns endlich davon befreien, alles irgendwie jüdisch-offensichtliche Vorhandene an Einforderungen grundsätzlich mit einem deutsch-„orientierten“ Antisemitismus zu verbinden und zu koppeln, um nur möglichst viel Druck aufgelastet zu erhalten… Wahr ist doch hoffentlich auch: dass die „Bundesrepublik Deutschland“ als verantwortlicher Nachfolgestaat des Nazi-Deutschland (letztlich des deutschen Volkes) so viele Leistungsforderungen als möglich, fast übererfüllt hat – und viele Milliarden an sogenannten „Wiedergutmachungsgeldern“ diejenigen einfordernden Menschen (irgendwie) erreichte und weiterhin erreicht… Dennoch sind die deutschen Generationen nach dem II. Weltkrieg nicht auf ewig in diese kollektive Schuldverantwortung einzubelasten – die Zukunft ist ein Wegweiser für die Ermöglichung einer verantwortungsvollen Loslösung von historischem Geschehen in der Vergewisserung der kultivierten Mitmenschlichkeit aus der Verinnerlichung heraus…
Selbstverständlich müssen die Kunstwerke (in der Überprüfung zu der historischen Tatsächlichkeit der vielseitigen Beraubungen) restituiert werden, bedingungslos und unbedingt in der zeithistorischen Verantwortung gegenüber den Leidtragenden, den Opfern und der Verantwortung zu den Erbberechtigten… Eine kollektive Wiedergutmachung im Sinne eines erwünschten Vergebens und „Vergessens“: wird es zu diesem Holocaust der Nazi-Verbrechen niemals geben können – und es ist ein unbegreiflicher Wahnsinn, wenn in anderen Teilen dieser unfassbaren Menschenwelt dieser Adolf Hitler quasi als Vorbild verehrt wird, dort in arabischen Ländern das damalige Nazi-Deutschland und deren Schergen weiterhin in hohem Kurs stehen. Warum wird ein Alexander von Makedonien, ein Napoleon I., auch ein Stalin: auf die hohen Denkmalssockel zu so manchen Völkern weiterhin gestellt, als nationale Größen erhoben? Das sind doch allesamt grauenvolle Verbrecher gegen die Menschlichkeit – wie dann dieser Österreicher Adolf Hitler von all jenen der allergrößte Massenmörder, ein bestialischer Verbrecher war – und noch viel schlimmer in dieser Befehlsstruktur: dass sich dann die Menschen dazu bereitfanden: diese furchtbaren Verbrechen auszuführen, sich in den Konzentrationslagern zu den ausführenden Bestien aufzeigten… Und was will UNS Tobias Timm mitteilen (ins deutsche Gewissen?), wenn er beschreibt: „Viel war in jüngster Zeit vom Anti-Antisemitismus die Rede, davon dass die Politik gegen den grassierenden Judenhass vorgehen müsse. Doch was passiert? Außer dringlichen Worten ist kaum etwas zu vernehmen. Selbst dort, wo sich konkret etwas tun ließe, wird weiterhin gezögert. So kommt es, dass noch immer Menschen von den Judenverfolgungen und dem Holocaust profitieren. Noch immer hängen in den Museen und in den privaten Villen Kunstwerke, die jüdischen Sammlerinnen und Sammlern einst unter der Naziherrschaft seit 1933 „abhandengekommen“ sind. Es geht um Werke von Picasso, Klimt und Monet. Und um viele Millionen Euro. Vielleicht sogar Milliarden.“
Soweit richtig – aber der RvM-Leserbriefschreiber wehrt sich gegen die Pauschalierung „des grassierenden Judenhasses“ in Deutschland (so wie sich Uwe Timm aufschreibend, extrem äußert…): Fakt ist, dass hier in diesem Land die Konfrontation der anteiligen arabisch-muslimischen Migration in der politischen Miteinwanderung: sich gegen Israel stellt und sicherlich dies auch einen Antisemitismus beinhaltet! Gleichwohl können dafür nicht die große Mehrheit der Biodeutschen oder andere eingebürgerte Menschen verantwortlich gemacht werden – es ist Krieg im Gazalandstreifen seitens des israelischen Militärs, doch es war da zuvor der grauenvolle Terror der Hamas gegenüber Israel: und all diese historischen Verantwortungen auf den Seiten der damaligen Besatzungsmächte (der Osmanen-Türken, des britischen Besatzungs-„Protektorats“) – wozu dies alles doch erst führen konnte… Warum aber kann die KUNST kaum etwas gegen den Menschenwahnsinn ausrichten – habe ich als Kind nie verstanden: dass überall diese gekreuzigte Figur uns Kinder so schrecklich zugemutet wird in der alltäglichen Betrachtung zu unserem doch so kindlichen, frohen Gemüt.
Nurmehr Schmerz und Traurigkeit und Trostlosigkeit und all das auch in den Museen zu der sogenannten religiösen Kunst und hierzu auch noch die Propaganda der Auferstehung vom Tode in die himmlischen Gefilde, in ein phantasiertes Paradies. Stünde das den modernen Museen mit ihren alten Beständen nicht gut an: wenn sie Aufklärung bezeugen könnten, die Menschen als Betrachtende endlich von ihrem religiösen Wahnanteil moderat allmählich zu befreien – und somit auch die Religionen zu enttarnen: als die gefährlichsten Ideologien einer grotesken Irrealität: dass nämlich die Religionen uns zu dem gemacht haben, was wir bis heute noch sind: Menschen ohne Vernunft und klarem Geist! Das wäre die Verantwortung der „modernen“ Museen mit ihren alten Beständen aus/zu welcher Herkunft auch immer…
Mäzenatentum – unbedingt erforderlich und willkommen für die Künstlerinnen und Künstler und für die Kunst insgesamt! Um aber zeitnah auf den Boden der begierigen Kunstwelt-Tatsachen zu kommen – ganz besonders kapitalistisch räuberisch empfindet es der RvM- Leserbriefschreiber: wenn superreiche und reiche Geldbesitzer sich Kunst zusammenkaufen und diese Kunstwerke dann in ihren privaten Bereichen sozusagen ganz privat für sich vereinnahmen: jedwede Öffentlichkeit damit ausgeschlossen wird. Das ist meines Erachtens der absolute Kunst-Raubzug im Kapitalismus – wird dem Volk, den Völkern diese Kunst räuberisch (durch „privates“ Geld) entwendet und hierzu werden auch noch diese geldreichen Sammler und Sammlerinnen massenhaft bewundert, wenn dann z.B. ein van Gogh, ein Gauguin, ein Picasso, ein Modigliani in den Auktionen für hunderte Millionen Euro oder Dollar usw. (an harten Währungen) ersteigert werden: in den Privatgemächern der Luxusvillen (oder in den Safes der Verborgenheiten) verschwinden… Das sind doch die modernen Raubzüge gegenüber der Kunst in unserem System des Kapitalismus – ein hemmungsloses Einkassieren von Kunstwerken, nur weil dafür die Kohle und die Arroganz der Überheblichkeit und eitlen Selbstdarstellung vorhanden ist: und hierbei das „billige Volk“ sehn kann, wo es bleibt, und eben diese Kunstwerke nicht an/sehen darf! Der RvM betrachtet sich (ebenso) als ein Kunstverlierer dieser geldüberfüllten Reichen (die doch letztlich das Volk zuvor kapitalistisch beklaut haben) und die UNS die Kunst aus der vorstellbaren Wirklichkeit des jeweiligen jetzigen Daseins, hemmungslos entwenden und wegrauben… „Bert Brecht hat einmal verlautbart: „Wenn ich irgendwo in einer Villa teure Kunst privat hängen sehe, könnte ich mir vorstellen: den Besitzer dazuzuhängen.“  Und Georg Büchner umbenannte die extreme Ungleichheit und Ungerechtigkeit von Reichtum und Armut – zuvor in: „Friede den Hütten, Krieg den Palästen.“ Doch bitte (zu den jeweils revolutionären Veränderungen) hierbei keine Kunst zu zerstören – und auch die besondere Architektur (der Paläste) dabei zu verschonen. Besser wäre es: wir alle könnten in Palästen leben (und selber Künstlerinnen und Künstler sein) – und die Kunst zuvor dort abhängen und für alle Menschen in den (Eintrittsgeldfreien) Museen öffentlich besichtigbar machen! Vorrangig aber gälte für die gesamte Menschheit in der Erkenntnis einer gemeinsamen Friedlichkeit: Make Love not war!
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld


Leserbrief zu „Wortschatz: Krabbenacht“ von Franz-Josef Petschenka

„Der Name Krabbenaze setzt sich aus dem alemannischen „Krabbe“, was so viel wie Rabe oder Rabenkrähe bedeutet, und „naze“ (Nase), hinweisend auf den großen Rabenschnabel der Tierfigur, zusammen. Im Mittelalter wurden auf dem Galgenfeld in Bohlsbach, zwischen Bundesstraße und Bahn, die Gerichteten gehängt, wodurch dort auf den Feldern auch viele Raben lebten. Der Sage nach trieben die Gehängten dort auch nachts als Nachtkrabben ihr Unwesen. Diese Gruselfigur kennt man nicht nur in Bohlsbach, auch in anderen Regionen sind Sagen, Märchen und Mythen mit der Rabengestalt bekannt. Der Europa-Park beispielsweise führt den „Nachtkrabb“ auch als Themenfigur. Diese düstere, schwarze und geheimnisvolle Gestalt wurde zum Vorbild für unsere Hauptfigur, halb Mensch, halb Tier mit vogelartigem Aussehen.“.
Walter Funk


Leserbrief zum Wochenmarkt „Nie wieder krank“ von Elisabeth Raether im ZEIT Magazin

Seit Jahren ist der „Wochenmarkt“ die einzige Seite aus der ZEIT, die ich jede Woche zuverlässig lese. Just nun bin ich krank, doch nachdem ich mein „italienisches Aspirin“ ausgelöffelt habe, fühle ich mich schon ein wenig besser! Dafür, und für die vielen Jahre bisher, möchte ich einfach „Danke“ sagen.
Ariann Taherie


Leserbrief zu „Was ich gern früher gewusst hätte“ von Mick Hucknall, Autor im ZEIT Magazin

Vom Durchgehalten haben Mick Hucknall und seine Band Simply Red in ihrem Hit „Holding back the years“ aus dem Jahr 1985 gesungen und irgendwie haben sie tatsächlich durchgehalten. Musikalisch und finanziell scheint es sich gelohnt zu haben. Wir leben derzeit in sehr rauen Zeiten mit ganz viel Schwarz-Weiß-Malerei und einem Hü oder ein Hott; die Zwischentöne scheinen gänzlich zu fehlen. „Menschen, die andere hassen, sind mit sich selbst im Unreinen“, recht hat er damit, der Mick Hucknall!
Klaus P. Jaworek


Leserbrief zu „Prüfers Töchter“ „Ich muss leider lernen“ von Tillmann Prüfer im ZEIT Magazin

„Ich muss leider lernen“ das sagt Prüfer Tochter Greta. Muss leider lernen? Greta, seien Sie froh, dass Sie lernen dürfen. Millionen würden das gerne, können aber nicht. Weil es keine Schulen für Sie gibt oder die zu teuer sind. Also Augen zu und durch. Oder sind Sie zu faul und hängen lieber ab auf Papas Tasche? Wer soll Sie denn heiraten? Eine dumme Kuh. In der Behörde mit dem großen roten A an der Fassade heißt es „schwer vermittelbar“. Also lernen, nur kein Spanisch. Das ist übertrieben, also nix mit Paraguay.
Hans-Emil Schuster


Leserbrief zu „Es kann doch nicht schaden, noch geiler auszusehen!“ Protokolle von Amelie Apel und Ubin Eoh im ZEIT Magazin

Soso, laut Direktor «DREAM» ist also die Gesellschaft mit ihren Schönheitsidealen verantwortlich dafür, dass er sich genötigt sieht, sich mit 26 unters Messer eines Gesichtschirurgen zu legen. Bei dieser Problemstellung hilft kein Chirurg, sondern ein Therapeut.
Andi Pfaff