Lesezeichen
‹ Alle Einträge

13. Juni 2024 – Ausgabe Nr. 26

 

Leserbriefe zu „Die Bestürzten“ von Giovanni di Lorenzo

Mit Inbrunst werfen sich die meisten Medien in den Kampf gegen Rechts. Doch trotz beeindruckender Mobilisierung ist die AfD nicht klein zu kriegen. Für Giovanni di Lorenzo liegt die Rezeptur in der inhaltlichen Auseinandersetzung. Lebensader der Partei ist die Flüchtlingsmisere. Also ist da anzusetzen. Drittstaatenlösungen funktionieren aber nur auf dem Papier, da hunderttausende keine Aufnahme finden werden und – ganz banal – die Rechtsweggarantie im afrikanischen Busch illusorisch wäre. Am Ende steht die Einsicht, dass seit 30 Jahren ohne Erfolg nur Symptome kuriert wurden. Ein mehrheitlich gewünschtes Ende des Zustroms wäre nur mit einem Ende des bisherigen Asyl- und Flüchtlingsregimes möglich. Noch wird das viele zum Frösteln bringen, aber die Staatsräson und der Schutz des Gemeinwesens haben Vorrang vor humanitären Gesten.
Christoph Schönberger

Wenn physische und kulturelle Gewalt gegen Andersdenkende als Ausdruck von Freiheit und Demokratie gesehen wird, „Cancel Culture“ und „Deplatforming“ an die Stelle aufklärerischer Kritik bei der Suche nach Erkenntnis und Erklärung von Ereignissen tritt, Meinungskampf die argumentative Debattenkultur ersetzt, Verschweigen und Verharmlosen von Tatsachen die Öffentlichkeit beherrscht, das gegenseitige Zuschreiben von Eigenschaften politische Auseinandersetzungen beherrscht, die persönliche Meinung zur ausschließlichen Wahrheit erklärt und jegliche gemeinsame kulturelle Identität ersetzt, ist früher oder später das Ende der Demokratie zu befürchten. Viele Intellektuelle, Wissenschaftler, Insider der aktuellen Themen, Fragen und Streitthemen haben auf diese Entwicklung hingewiesen. Sie wurden und werden nicht debattiert. Scheinbar gilt immer noch die Empfehlung von Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates vom 08.06.2018. Er empfahl, die Themen Flüchtlinge und Islam nicht mehr in ARD und ZDF zu thematisieren. Die daraufhin entwickelte Selbstzensur der Medien hält wirkt bis heute nach. Offenbar leben viele Verantwortliche in der Politik im Käfig ihrer eigenen Gedanken, unfähig einen Perspektivwechsel zu Vollziehen. Bestürzt über das Ergebnis der Wahlen am 09.06.2024 kann m. E. nur sein, wer nicht bereit ist, mit der eigenen Vernunft die ganze Wirklichkeit zu erkennen.
R. Reiger

Sie verlieren allmählich mein Vertrauen in eine loyale Berichterstattung. Hier meine Begründung: Ich vermisse seit Laufzeitbeginn der Ampelregierung die wichtigste Frage auf Ihrer Titelseite: Welchen erheblichen großen Anteil wohl die ges. Opposition an der jetzigen prekären dtsch. Wirtschaftslage – auf Grund der 16 Jahre Stillstandspolitik durch die Frau Merkl – wohl hat!!! Versagen in fast allen grundlegenden Bereichen.!! Dies wissen Sie. Wieso stellen Sie diese konkrete berechtigte – längst überfällige und alles klärende Frage nicht. Dürfen oder trauen Sie sich das nicht zu?!! Die Folge davon: Die Jugend läuft Ihnen nun davon – niemand hat sich um sie gekümmert. Nicht mal die Opposition. Die gesamte Medienlandschaft hat hier an wichtigen Wahrheitsaufklärungen mit Hintergründen gänzlich versagt – Sie ebenso. Sie berichten evtl. offensichtlich – nach den Vorgaben Ihrer CDU/CSU. Diesen Eindruck kann ich mir nicht verwehren. Es ist eine große Schande – tut mir leid!!! Ich bin maßlos enttäuscht. Von wem stammt Ihre nachfolgende Titelüberschrift?
Rudolf Trummer

Ich schätze Ihre Arbeit ebenso wie die DIE ZEIT und die damit verbundenen Angebote sehr. Umso mehr hat mich Ihr Kommentar zur Europawahl gewundert. Noch vor zwei Wochen habe ich in Ihrer Zeitung gelesen, wie undurchsichtig, national-strategisch und post-faschistisch die Politik von Georgia Meloni zu bewerten ist und jetzt raten Sie zur Zusammenarbeit mit ihr, um sie nicht zurückzuradikalisieren. Verstehe ich das richtig? Glauben Sie wirklich an ihre Wandlung? Brandmauern dienen dazu, Flächenbrände zu verhindern. In diesem Sinne halte es für wichtig, dass die Ausbreitung des Politikstils von AfD und BSW verhindert wird. Ihre Analyse habe ich als achselzuckende Haltung verstanden, im Sinne von: Es ist zwar nicht schön, aber dann sollen die bürgerlichen Parteien halt mit den Extremen paktieren. Das halte ich für brandgefährlich. Finden Sie wirklich, dass in den Wahlergebnissen eine genaue Gebrauchsanweisung steckt und alles schon irgendwie gut geht, wenn die Politiker*innen entschlossener vorgehen? Dann wünsche ich mir Medien, die diese Politik nach journalistischen Prinzipien konstruktiv begleiten.
Was mir in Ihrer und vielen anderen Analysen, die ich in den vergangenen Tagen gehört und gelesen habe, fehlt, ist eine selbstkritische Analyse der Pressevertreter*innen. Meiner Meinung geben alle Medien dem Extremen zu viel Raum, Journalist*innen pflegen zu oft ihre Lust am Skandal, an der Empörung und schüren so Ängste, befeuern die Unsicherheiten. Über die Politik der Ampel zu schimpfen ist zur allgemeinen Gewohnheit geworden. In allen von mir regelmäßig konsumierten Medien (DIE ZEIT, Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel, WDR, Instagram, Rheinische Post, Gabor Steingarts Morningbriefing, Handelsblatt) wurde ich sehr ausführlich über Sarah Wagenknecht und die Spitzenkandidaten der AfD informiert, aber sehr wenig über Terry Reintke und VOLT. Meine Medienkritik bezieht sich nicht in erster Linie auf DIE ZEIT, aber das Nachdenken über Ihren Kommentar hat mich zu diesem Leserbrief veranlasst.
Tatjana Kimmel

Die Analyse von Giovanni di Lorenzo bringt es treffend auf den Punkt. Schließlich gilt nicht nur im Fußball, sondern auch der Politik der Grundsatz, dass man nur so gut spielt, wie es der Gegner zulässt, wobei es die Ampelparteien der AfD leider derzeit extrem einfach machen, indem sie viele Themen, die der Bevölkerung auf dem Herzen liegen, lieber aus ideologischen Gründen ignorieren. Deshalb hilft hier nur ein deutlich anderes Demokratie- und Politikverständnis aus der Misere, damit Deutschland nicht dem Beispiel von anderen Ländern wie Italien folgt, wo der Aufstieg des ersten postmodernen Populisten Silvio Berlusconi ziemlich eindeutig mit dem gleichzeitigen Niedergang der dortigen klassischen Volksparteien durch eine rapide Entfremdung von den einfachen Menschen und deren Lebensmilieus verbunden gewesen ist!
Rasmus Ph. Helt

„Besser regieren“ ist für Giovanni Di Lorenzo die Antwort gegen „rechts“. Wenn das ginge, hätten es die Politiker schon vor Jahren getan. Ein kluger Beobachter erkennt freilich, dass es in der Politik eher zufällig und entsprechend selten um gute, politische Lösungen geht, sondern darum, nicht negativ aufzufallen-im Gleichschritt zu bleiben-mit den Wölfen zu heulen. Manchmal wird eine Partei vom Zeitgeist empor getragen und wer Glück hat, ist mit dabei. Wenn ein Politiker dieser autonomen Dynamik in die Quere kommt, wird er so schnell entsorgt, wie einst Gerhard Schröder für die Agenda-Politik. Angela Merkel hat das verstanden und sich als Galionsfigur beliebiger Mehrheiten unangreifbar gemacht. Das ging 16 Jahre und hat so viele Defizite angehäuft, dass ein neuer Zeitgeist zum Jagen ruft. Und nun profitieren die rechten, rechtskonservativen, rechtsnationalen eine Weile. Auch sie werden so tun, als lenkten und steuerten sie die Geschicke. Aber auch sie sind nur Flöhe auf einem Hund, die sich einbilden, sie wären die Herrschenden. Was wir alle tun, ist, nicht runterfallen und unter die Räder kommen. Wir bespielen unser Milieu, verdienen Geld und glauben an irgendwas Vernünftiges, weil sich das so gehört. Gegen den neuen Zeitgeist gibt es keine Brandmauer. Und wenn Schlimmes heraufzieht, hat jeder noch genug Gelegenheit, sich zu opfern. Jedenfalls ist es nicht Klever, klüger zu sein als die Zukunft. Mal sehen, was die Rechten wirklich draufhaben!
Fred Klemm

Mag ja sein, dass Giovanni Di Lorenzo Recht hat, wenn er feststellt, dass der Kampf gegen die politische Rechte nur über die politische Praxis gewonnen werden kann. Doch das Ergebnis der Europa- und Kommunalwahlen ist jedenfalls in höchstem Maße beunruhigend. Ob auf europäischer oder auf kommunaler Ebene muss die Zunahme rechtsextremer Kräfte registriert werden. Doch die Union hat gegenüber diesem Gemeinwesen die heilige Pflicht und Schuldigkeit, die Brandmauer gegenüber der AfD eben nicht einreißen zu lassen. Als Sozialdemokrat bin ich zwar auf jeder Ebene ein geradezu leidenschaftlicher Gegner großer Koalitionen, weil ich auch der Auffassung bin, dass große Koalitionen nur in Notsituationen gerechtfertigt sind, Doch diese Notsituation ist angesichts des Erstarkens der braunen Demokratiefeinde auch kommunal und auf Bundes- und europäischer Ebene jetzt gegeben. Es fällt schwer nachzuvollziehen, dass eine unheilvolle Gruppierung wie die AfD, die außer Vorurteilen und Ressentiments und einer neoliberalen Programmatik nichts, aber auch gar nichts zu bieten hat, von den Wählerinnen und Wählern hohe Stimmenergebnisse erhalten hat. Deshalb plädiere ich das erste Mal überhaupt in meinem politischen Leben für ein Bündnis aller Demokratinnen und Demokraten gegen die braunen Feinde der Demokratie und hielte eine große Koalition, die auch eine Koalition der Vernunft wäre, für angebracht. Die demokratischen Volksparteien haben die Pflicht und Schuldigkeit, auf europäischer, Bundes- und kommunaler Ebene alles dafür zu tun, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen und die in großen Teilen rechtsextreme AfD weiter als das zu entlarven, was sie ist, nämlich ein Sammelsurium von Antidemokraten und Feinden der Republik. Noch nie hat mich ein Kommunal- und Europawahlergebnis so deprimiert wie der Urnengang am 9. Juni. Wenn ich mir die politische Großwetterlage betrachte, so kommen bei mir Gedanken hoch, die darauf hinauslaufen, diese Republik zu verlassen. Hier erhebt sich allerdings die Frage, in welchem Land angesichts des weltweiten Rechtsrucks man als Demokrat ein menschenwürdiges Leben führen kann. Leider sind diese Gedanken angesichts der realen Bedrohung durch die Rechten konkreter und realistischer denn je.
Manfred Kirsch

Ich möchte zu Ihrem Leitartikel der aktuellen Ausgabe bezugnehmen. Auch mich schockiert es, dass eine eindeutig rechtsextreme Partei so viele Stimmen bekommen konnte und natürlich könnte eine bessere Regierungsarbeit daran vielleicht etwas ändern. Ich glaube aber, dass die Leute etwas ganz anderes stört und sich nur vordergründig an Themen wie Migration oder Klimaschutz abgearbeitet wird. Ich habe leider den Eindruck, dass es den Parteien immer weniger um das Land und seine Bürger geht, sondern ausschließlich darum an die Macht zu kommen oder diese zu behalten. Es ist einfach diese Unehrlichkeit, die sich in jedem Winkel der Politik breitgemacht hat, der die Leute zu Parteien wie der AfD treibt. Wenn sich die Union jetzt weigert die Schuldenbreme zu reformieren und vermutlich genau dies als erstes tun wird, wenn sie die nächsten Wahlen gewinnt, wenn die Grünen jahrelang die Verkehrswende fordern und dann in den Koalitionsverhandlungen bloß nicht das Verkehrsministerium übernehmen wollen, weil die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass die vorher im Wahlkampf geforderten Ergebnisse nicht erreicht werden können, wenn Olaf Scholz uns erzählen will, dass sich alle Experten mit ihren Zahlen zur Rente verrechnet hätten, damit er eine wahnsinnig unpopuläre Maßnahme, wie die Erhöhung des Renteneintrittsalters nicht beschließen muss, hat man nicht den Eindruck, dass es um die Zukunft des Landes geht, sondern nur darum sich irgendwie an der Macht zu halten oder diese wieder zu erlangen. Sicherlich sind wir als Wähler auch nicht unschuldig daran, dass die Politik sich schwertut, unpopuläre, aber notwendige Maßnahmen durchzusetzen, wenn sie dann beim nächsten Wahlgang dafür abgestraft wird. Man sollte es aber wenigstens auf den Versuch ankommen lassen, um mit Ehrlichkeit und einem wirklichen Einsatz für Bürger und Land, den Menschen wieder den Glauben an die Politik zurückzugeben. Vielleicht würden wir dann nicht über 16% für eine Partei von rechten Demagogen reden.
Patrick Illian

Warum ist es auch in einer Zivilgesellschaft wie der unsrigen so schwer, einen Teil als natürlich rechtsradikal anzuerkennen? Eine biologische Erklärung, dass jeder gesunde Organismus naturbedingt faule Stellen aufweist und ein gesunder Zustand die stetige Erneuerung erreicht, ohne die faulen, weil natürlichen Stellen auszurotten, darf auch für einen gesellschaftlichen Organismus respektiert sein. So respektiert, erfährt der gesunde überwiegende Teil den fortwährenden Kontrollvorrang, ohne die Wachsamkeit für die faulen Stellen zu vernachlässigen. In unserer derzeitigen politischen und öffentlichen Aufmerksamkeit für die gesellschaftlich faulen Stellen wie AFD und BSW – im historischen Verständnis auch stellvertretend für Faschismus und Sozialfaschismus stehend – verliert die überwiegend demokratische Mehrheit ihre adäquate Würdigung und dieses führt zu fatalen, die Demokratie schädigenden Anpassungsfolgen der verängstigten politischen Parteien und der geradezu neurotisch reagierenden Öffentlichkeit. Die geradezu dämliche Benennung von einer Brandmauer bestärkt die Politik auf beiden Seiten, sich, statt mit den notwendigen politischen Inhalten zu beschäftigen auf ominöse Wehrhaftigkeiten zu kaprizieren. Die von di Lorenzo genannte falsche Deutungshoheit wird von gerade solchen Leitartikeln geschürt.
Jürgen Dressler

Die Europawahl hat leider den Trend einer rechten Abwanderung vieler Bürger, so auch in Deutschland, bestätigt. Auch ich muss gestehen, dass ich mich von den etablierten Parteien nicht mehr in ausreichendem Maß vertreten fühle. Gleichwohl käme ich nie auf die Idee eine Partei wie die AFD zu wählen. Im Vorfeld der Europawahl bin ich jedoch auf eine Partei gestoßen, die tatsächlich eine für mich kaum mehr mögliche unideologische Bürger orientierte politische Herangehensweise zum Ziel hat. Hierbei handelt es sich um die Partei des Fortschritts (PDF). Sowohl das Grundsatzprogramm als auch das Programm zur Europawahl haben mich überzeugt, sodass ich die Partei bei der Europawahl gewählt habe. Falls ihnen diese Partei, genauso wie mir vorher, nichts sagt hat, empfehle ich wirklich einmal einen Blick auf die Internetseite dieser Partei. Mein ungewöhnliches Anliegen an ihre Redaktion wäre nun, ob sie bei aufgekommenem Interesse vielleicht ein Interview mit dem Parteivorsitzenden oder dem Pressesprecher führen könnten, um die Partei etwas mehr in den öffentlichen Fokus zu stellen, da ich davon überzeugt bin, dass es so wie mir vielen anderen Bürgern geht und diese Partei auch für zahlreiche Wähler der AFD ebenfalls eine wirkliche Alternative darstellen könnte. Nennen sie mich naiv, aber ich denke ohne eine Neuausrichtung im politischen Diskurs werden wir den Ruck nach rechts auf Dauer nicht aufhalten. Dafür braucht es allerdings neue Player im Politikgeschäft, da ich den Eindruck gewonnen habe, dass die meisten etablierten Politiker zu einem Politikwechsel einfach nicht mehr in der Lage sind. Beispielhaft hierfür sind die zahlreichen Äußerungen von Politikern nach der Europawahl, die zu der Feststellung gelangten, dass man einsehen müsste, dass ein Teil der Wähler im Dialog nicht mehr zu erreichen wären. Was ist das für ein Armutszeugnis und was soll das für die Zukunft bedeuten? Es kann doch nicht wirklich verwundern, wenn man über Wochen und Monate eine nicht kleine Gruppe von Bürgern pauschal in eine rechte Ecke stellt, dass diese nicht mehr empfänglich für einen Dialog sind. Ich fände es daher toll, wenn mein Anliegen bei Ihnen auf offene Ohren stoßen würde, um vielleicht hierdurch eine neue Politikstildiskussion anzustoßen.
Arndt Kievelitz

Mit Pauken und Trompeten verliert die SPD die Europawahl, das ist nur der Anfang vom Ende einer ehemals großen Volkspartei. Bundeskanzler Olaf Scholz ist dieses Desaster nicht einmal eine vernünftige Stellungnahme wert. Ich bin stinkesauer darüber. Giovanni die Lorenzo fasst in seinem Leitartikel zusammen, was die Menschen in diesem Land bewegt. Und, was besonders treffend ist: Unter den SPD – Kanzlern Helmut Schmidt und Gerhard Schröder gab es in schwierigen Zeiten nicht diese Friede Freude Eierkuchen Attitüde, die die SPD heute einnimmt. Und damit meine ich nicht die Einstellung der Genossinnen und Genossen an der Basis. Bundeskanzler Scholz wollte führen, das gelingt ihm so gar nicht. Der Ampel wird es auch vor der Sommerpause nicht gelingen, die Probleme in diesem Land anzupacken. Wie denn? Sie hat keinen Plan und steht mit dem Rücken zur Wand. Für die AfD ist damit leider der Weg geebnet; und das hängt viel weniger mit der Dummheit oder Gleichgültigkeit ihrer Wählerinnen und Wähler (abgesehen von den Hardcore-Rechten unter ihnen) zusammen, sondern mit dem Versagen der etablierten und demokratischen Parteien in diesem Land. Die SPD sticht dabei besonders hervor, sie hat ihre Orientierung komplett verloren.
Regina Stock

Von all den Sorgen, die die Menschen umtreiben, dürfte, nicht nur meiner Meinung nach, das Thema unkontrollierte, unbegrenzte Einwanderung dasjenige sein, das der AfD die meisten Wähler zutreibt. Allerdings ist dieses Problem mit dem bestehenden Asylrecht faktisch unlösbar. Wenn wir nur noch die aufnehmen wollen, die auch Asylanspruch haben und nicht die große Mehrheit derer, die keinen haben, die wir aber trotzdem nicht wieder loswerden, bleibt nur die von Thorsten Frei (CDU) vorgeschlagene Kontingentlösung, also das „Kanada-Modell“: die Flüchtlinge suchen sich nicht uns aus, sondern wir suchen uns (aus den Flüchtlingslagern des UNHCR) sie aus, nämlich so viele, wie unsere Strukturen nicht überfordern und solche, die gleichzeitig anerkannte Flüchtlinge und potentielle Fachkräfte sind. Also: Asyl ja; Recht auf Asyl nein, es kann nicht funktionieren.
Gebhard Boddin

Stellen wir uns kurz einmal eine Koalition vor, die sich um die Dinge kümmert, die den Menschen in diesem Lande wirklich betreffen. Die durch ein einfaches und gerechtes Steuersystem den Bürgern Vertrauen gibt. Die endlich die Rente auf eine gute Basis stellt, indem alle zu ihrer Finanzierung beitragen. Die, statt über die Schulden zu klagen, die Vermögenssteuer wieder einführt und so Spielräume zur Finanzierung von Infrastruktur gewinnt. Die, statt abstrakt Klimaängste zu beschwören, das naheliegende tut, den Wald aufforsten, die Ostsee und das Wattenmeer schützt, das Problem der Moore effektiv angeht. Die zumindest alle klimaschädlichen Subventionen aufgibt (Kerosin, Diesel, Dienstwagen etc.). Die, statt die Vermieter über Sozialtransfers zu subventionieren, wirklich Wohnraum schafft. Die Bauen dort ermöglicht, wo die Menschen hinwollen z. B. über die Deckelung der Notargebühren und der Grunderwerbssteuer. Von der Beseitigung des Wahnsinnes unseres Bildungssystems ganz zu schweigen. Wenn die Ampel so arbeiten würde und dann immer noch die AFD mit ausländerfeindlichen Parolen gewinnt, wo es gar keine Ausländer gibt, dann wäre die Bestürzung verständlich. So ist es schlicht politische Blindheit.
Dieter Schöneborn

Diese Wahlen sind das Damaskus für die Grünen. Sie haben die Quittung erhalten für ihren Kurs als selbsternannte moralische Gralshüter und Visionäre einer sauberen Zukunft. Bevormundung und Verbote heißen die dazugehörigen Attribute. Symptomatisch, dass die Jungwähler sich als geborene Kernklientel von ihr abgewandt haben, was sogar verständlich ist. Denn wer das Leben noch vor sich hat, sucht vor allem Freiheit, Sicherheit und keine Überregulierung. Die Ökopartei hat ihren Zenit überschritten, für Deutschland nicht die schlechteste Ansage. Aber warum hat die CDU davon kaum profitiert? Weil sie in der Migrationsfrage noch immer laviert und vor radikalen Lösungen zurückschreckt, die sich die Mehrheit wünscht.
Christoph Schönberger

Das Ergebnis der Europawahlen bei uns war vorhersehbar und erwartbar, so im Original die Co-Vorsitzende der SPD im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Die Gründe warum so viele Wähler sich der AFD zugewandt haben liegen in erster Linie in dem kleinbürgerlichen Verhalten einer Wählerschaft, die ausschließlich auf ihre eigene Pfründe beharrt und diese keinesfalls gewillt ist antasten zu lassen. Der Spagat zwischen Zumutung und Entlastung durch kompromissorientierte politische Entscheidungen war mit der Bundestagswahl 2021 durch die Allianz ideologisch völlig unterschiedlicher Koalitionsparteien geboren und dadurch vorgegeben. Hinzu kommt ein knapper Kanzler, der nur umfragebestimmte Entscheidungen trifft und diese allenfalls mit einer Basta-Erklärung sogar noch verschleiert. Machtpolitik führt hierbei Regie und in den direkten Abgrund seiner eigenen Partei. Die bremsende Unternehmensfraktion der Koalition freut sich schon auf 2025 und eine erneute Zusammenarbeit mit der CDU. Wer mit wem dann sonst noch regiert ist nur eine Frage des richtigen Angebotes.
Herbert Büttner

Sie fordern in Ihrem Artikel Selbstkritik und Kurskorrektur der etablierten Parteien angesichts der „rechten Gefahr“. Dieser unscharfe begriffliche Sammelcontainer verstellt den Blick auf das Hauptproblem. Die Präferenz der Wähler, also die „message“ dieses Weckruf-Wahlsonntags, ist sonnenklar. Leider ist derzeit nur noch für 12 % ausschlaggebend, dass die Grünen als einzige Partei den echten politischen Willen mitbringen, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Auf der anderen Seite sehen mindestens 30% bei keiner der Ampelparteien, am wenigsten bei den Grünen, den echten politischen Willen, ihre Sorgen zum Thema Zuwanderung zu berücksichtigen. „Was Zuviel ist, ist Zuviel“. Das finden manche beim CO2 und andere bei Migranten. Es ist bequem aber verhängnisvoll, diese Menschen in erster Linie als „rechts“, und damit quasi diskursuntauglich, einzuordnen. Ob es uns gefällt oder nicht: Auf dem Wahlergebnis prangt das Wort „Migration“ als große, rot blinkende Warnleuchte. „It‘s the refugee, stupid!“
Sven Krengel

Nun stimmt also auch Giovanni di Lorenzo, bislang stets auf Äquidistanz zu den politischen Grundorientierungen bedacht, in den Chor der ungeduldigen Dauerkritiker und journalistischen Besserwisser ein und wirft der Regierung „Simulation von Entschlossenheit“ statt tatkräftiger Handlungen vor. Er gibt zwar zu, dass es keine einfachen Lösungen für komplexe Probleme gibt, empfiehlt der SPD jedoch eine stärker an „Law and Order“ ausgerichtete Politik, wobei er sich auf seinen verstorbenen langjährigen Interviewpartner und ZEIT-Herausgeber Helmut Schmidt beruft. Dabei dürfte doch klar sein: Für die Sozialdemokraten gibt es auf diesem Feld nichts zu gewinnen, der Wähler belohnt das Original rechts der Mitte und ignoriert die nachgelieferte Kopie. Die Autorin der SPIEGEL-Chefredaktion, Susanne Beyer, hat in einem lesenswerten Beitrag das Dilemma derjenigen Journalisten beschrieben, die sich der gängigen Polarisierung verweigern wollen und differenziert auf das aktuelle Zeitgeschehen schauen. Um dem weit verbreiteten Klischee eines „links-grün versifften“ Berufsstandes zu entkommen, achteten sie in ihrer Berichterstattung und Analyse stets darauf, nicht in die Nähe von „links-grün“ zu geraten. Diese Art von Selbstzensur verstärkt einseitig konservative und populistische Positionen – und trägt obendrein keinesfalls zur Ehrenrettung des Journalismus bei. Leider gerät auch DIE ZEIT zunehmend in diese von rechten Kulturkämpfern geschickt aufgestellte Falle.
Rüdiger Paul

Ich gehöre zu den drei Vierteln, die mit Radikalen nichts am Hut haben. Und hier ein ganz entschiedenes: Nein, ich möchte nicht regiert werden. Wäre dies mein Anliegen, wäre ich wohl überzeugter AfD-Wähler. Und ein Ja: Der Schlusssatz des Leitartikels bestürzt mich, weil der den Erfolg rechter Metakommunikation anzeigt, wodurch sich die Mentalität des Autoritären in den alltäglichen Sprachgebrauch einschleicht, einnistet, gar. Ich möchte, dass mit linksliberaler Vernunft die Angelegenheiten des Staates geregelt werden und die hoheitlichen Belange nicht vom überbordenden Verstand linker, mittiger, rechter Konservativer und Reaktionärer gesteuert werden. Eine Vernunft, die dem Wohl eines jeden Menschen, der diesen Staat mit bildet, ob als Staatsbürger oder Gast, soweit als irgend möglich dient — und sich entschieden gegen all jene stellt, die diese Vernunft blamieren wollen. Und kein Verstand, der die Menschen zu Dienern für die eigenen Interessen sogenannter Eliten macht. Oder Bürger/innen gar zum Mittel derer degradiert, die sich als nicht elitär hinstellen und doch das Sagen haben wollen. Dies sind die Übelsten. Dafür wähle ich eine/n Repräsentant_n für mich ins Parlament, den Landtag oder Stadtrat, der meiner politischen Grundhaltung und persönlichen Einstellung am ehesten entspricht. Denn ich bin ein Teil des Demos, mithin ein Agent des Souveräns — und regiere die Abgeordneten. Sozusagen, freilich.
Volker Homann

Es war einmal eine SPD die für Schwächere, Arbeiter und Soziale Projekte und für Menschen gekämpft und sich politisch dafür engagiert hat. Das war als das Wünschen noch geholfen hat und sozialer Frieden kein abgedroschenes Schlagwort war. Und wenn diese Sozialen-Ideen der SPD nicht gestorben sind, leben sie, zumindest in vielen Herzen aber leider nicht in den Hirnen, noch weiter. Aber bisher nimmt das Wahlmärchen kein gutes Ende. Mit dem Bundeskanzler Gerhard Schröder hat sich die „Gute alte Tante SPD“ zu einer von der Basis abgehobenen Partei der Politikprofis ohne jeglichen Bezug zur normalen Wirklichkeit für die alten SPD-Wähler entwickelt. Der amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz ist noch bürokratischer, weltfremder und der „normalen“ Welt der Bürger ziemlich entrückt. Er lebt offensichtlich in einer hermetischen Blase. Das merken die „Stammwähler“ der SPD und wählen andere Parteien oder gehen gar nicht zur Wahlurne. Mit diesen erkennbaren Tatsachen und bitteren Erkenntnissen kann die Parteispitze nicht angemessen umgehen. Statt die Fehler bei der eigenen Arbeit und im Umgang mit den Koalitionspartnern in der Ampel zu suchen wird der politische Gegner, z.B. die AfD unnötigerweise öffentlich diffamiert. Was nun wieder der AfD hilft. Eine Nabelschau und Selbsterkenntnis von falschen Weichenstellungen wäre ein Weg aus den eigenen Fehlern zu lernen.
Dieser Zeitpunkt ist ungenutzt verstrichen. Wenn 70 % der Wähler die AfD nicht wählen ist es angebracht für diesen Teil der Bevölkerung eine Politik zu machen die sich an den Themen orientiert die den Leuten auf den Nägel brennen (Kinder- und Altersarmut wirkungsvoll bekämpfen, Bezahlbarer Wohnraum für Normalverdiener, Ausreichende Kita-Plätze, Schulen mit benutzbaren Toiletten, Eine Bildungspolitik mit Chancengleichheit, Einen Arbeitsmarkt für qualifizierte -und unqualifizierte Kräfte, Ein Gesundheitswesen für alle Kranken, Rentenzahlungen die für Teilhabe am sozialen Leben reicht und so weiter und so fort.) Es fehlt für die Umsetzung nicht am Geld, sondern und vor allem am politischen Willen der Regierung diese Umsetzungen anzustoßen und mit geeigneten Gesetzen voranzubringen. Aber die Realität ist, dass auf offener Bühne unerbittlich um die Aussetzung der Schuldenbremse gestritten wird. So wird es bei den nächsten Wahlen, jetzt schon prognostiziert, erhebliche Denkzettel, Schlappen für die SPD und den Rest der Ampelparteien geben. Es ist ganz dringend an der Zeit die Probleme nicht schön zu reden. Was im Übrigen nur unschön ist. Vielmehr sollte endlich sachorientierte Politik für den großen Teil der Bevölkerung und nicht für Lobbyisten, Parteienklientel und Ideologische Verblendungen gemacht werden. Die Zeit bis zur nächsten Bundestagswahl vergeht ansonsten im Sinkflug.
Felix Bicker

Der 1959 in Stockholm geborene Mutter-deutsche und Vater-italienische Giovanni Di Lorenzo: ist bestürzt über die Wahlreaktionen seiner beiden Heimatländer Deutschland und Italien und wohl auch über das Wahlverhalten seines schwedische Geburtslandes – wo sich jeweils der Rechtspopulismus durch die hohen Wahlorientierungen seine starken Positionierungen verschaffen konnte… Giovanni Di Lorenzo schreibt in dem Artikel „Die Bestürzten“ auf der Titelseite DIE ZEIT: „Besonders bestürzend an den bestürzenden Ergebnissen der Europawahl ist, wie wenig aus ihnen folgt. Die nun wirklich nicht überraschenden Erfolge der Rechten in vielen europäischen Ländern, auch in Deutschland, werden gern auf der Metaebene erklärt. Dass sich Menschen in Zeiten rasanter Veränderungen nach einfachen Lösungen sehnen. Dass sie für die großen Probleme Sündenböcke brauchen, zum Beispiel Migrantinnen und Migranten. Oder dass Armeen von Trollen im Dienste von Populisten und fremden Mächten systematisch Hass säen und das Wahlvolk manipulieren. All das trifft zu, aber es bei diesen Befunden zu belassen, heißt, den Kampf gegen die rechte Gefahr ein Stück weit aufzugeben. An die Stelle der politischen Analyse, der Selbstkritik und Kurskorrektur tritt dann eben: die große Bestürzung.“
Armeen von Trollen gibt es wohl märchenhaft nur in der skandinavischen Mythologie – und hat wohl eher doch mit dem Geburtsland (Geburtsort Stockholm) von Giovanni Di Lorenzo unaufklärlicher zu tun… -Außerdem widerspricht sich doch vehement der Autor zu diesem Titelseite-Text – wenn er von politischer Analyse, Selbstkritik und Kurskorrektur schreibt, und gleichzeitig die große Bestürzung mit verbreitet… Die klare Analyse ist doch in all diesen europäischen Ländern mit dem Rechtstrend deutlich bekannt darzustellen: das Migrationsproblem! Dieses unkontrollierte Hineinströmen von Wirtschaftsflüchtlingen in die bevorzugten europäischen Länder – und dies betrifft im besonderen auch Italien und Deutschland sowie zuvor Schweden (nur um diese drei Länder zu benennen). Italien und Schweden (und andere europäische Staaten) reagieren nun auf diese massenhaften Migrationen – und ebenso auch die Niederlande (Holland) haben durch die Rechtsregierung ihrem Volk hierbei eine resolute Veränderung versprochen! Das ist der Hauptbeweggrund: warum so viele Menschen in den jeweiligen Ländern – wie auch in Deutschland – die Rechtsparteien wählen, ebenso dadurch auch die AfD: die genau dieses Migrationsproblem zuvorderst in ihrem Parteiprogramm festverankert hat… Wie denn sonst: sollen sich in den Demokratien die jeweiligen Einheimischen wehren, wenn nicht durch die Wahlen (und auch durch den diesbezüglichen Protest!) – da doch besonders auch hier in Deutschland die Ampel-Regierung die Grenzen offenbelässt! Wiederum wird im Jahr 2024 mit über 300.000 Migranten zu rechnen sein – bis Mai waren es bereits 113.000 Asylanträge, ohne dabei die seitherigen in Deutschland lebenden 1,4 Millionen UkrainerInnen zu berücksichtigen… Die Deutschen helfen gerne – lassen sich aber auf Dauer nicht mehr benutzen und ausnutzen nach dem Motto: Die Deutschen haben diese Verpflichtungen hierzu – müssen dies aus ihrer verdammten Vergangenheit heraus, weiterhin entsprechend ableisten…
Wird eigentlich dieser jetzigen Ampel-Regierung trotz der Wahlniederlagen zu der Europa-Wahl nicht bewusst: dass noch mehr Menschen sich nach rechts wenden werden – die SPD hat knappe 14% an Wählerstimmen abbekommen, und die Grünen über 8% an Wählerstimmen verloren… Genau so schaut die Stimmung im Volk aus! – und da kann doch der journalistisch hochversierte Giovanni Di Lorenzo nicht von einer extremen Bestürzung seitens der Bestürzten schreiben, wenn dies in Italien (seinem Vaterland) sich schon längst in eine volksnahe Selbstverständlichkeit verfestigt hat und die ItalienerInnen doch eine weltoffene Gesellschaft sind und es auch bleiben wollen: aber nicht unter diesen unkontrollierten Zwangsbedingungen der europäischen Richtlinien am jeweiligen nationalen Volk, politisch vorbeidirigiert… Giovanni Di Lorenzo sollte doch zudem bewusst sein, dass durch die Öffnung innerhalb Europas: der Wohnort und die Arbeitsmöglichkeit für jeden europäischen Menschen möglich ist – und dadurch Millionen Europäer in das wirtschaftlich starke Deutschland kommen und hier leben wollen… Das kann doch aber nicht bedeuten: dass hierher Menschen kommen können, die ohne Geld eintreffen und sofort ihre sozialen Forderungen stellen: quasi versorgt werden im sozialen Netz der Bundesrepublik Deutschland. Diese Menschen sind dann (früher oder später) die Konkurrenz für die entsprechende deutsche Bevölkerung – und es betrifft zumeist die einfacheren Arbeiten, zu diesen Arbeitsplätzen dann die Deutschen zusätzliche Konkurrenz bekommen… Hinzukommen die Migranten zu Millionen und auch anteilig die UkrainerInnen – solch einen Ansturm kann ein einheimisches Volk nicht verkraften!
Und die Konsequenz dieser offenen Grenzen: ist die Stimmung in Deutschland und in den entsprechenden Ländern der Migrationsüberflutungen in der Europäischen Union. Der Journalismus in den deutschen Zeitungen ist von diesen Migrationen insoweit nicht betroffen, dass es keine Konkurrenz zu den Arbeitsplätzen in den Redaktionen geben wird – die perfekten Deutschkenntnisse sind diesbezüglich nicht vorhanden! Aber eine Vielzahl an Menschen des einfachen deutschen Volkes – wie schon beschrieben: muss um die Arbeitsplätze kämpfen und auch Wohnraum ist kaum mehr vorhanden, sind die Mieten auf dem Wohnungsmarkt zudem extrem gestiegen… Und schließlich zahlt der deutsche Steuerzahler diese gesamten Rechnungen der Kosten der Migrationen nach Deutschland – wird ihm dies als selbstverständlich abverlangt. Die Ampelregierung spielt sich hierbei großzügig auf – wird die deutschen Grenze weiterhin „unbegrenzt“ offen belassen: selbst wenn dabei zur Bundestagswahl im Jahr 2025 immer mehr WählerInnen dadurch sich nach rechts orientieren werden… Soll so eine mühsam aufgebaute (kapitalistische) Demokratie-Oligarchie kaputt gehen – selbst wenn dieses System letztlich doch die Menschheit ohne vorausschauende politische Zukunft belassen wird: dieser extrem verbrauchende Kapitalismus das Leben und Überleben der Menschen bzw. der Menschheit auf längere Sicht unweigerlich zerstört…
Giovanni Di Lorenzo schreibt in DIE ZEIT sehr nachsichtig scheinbar aufklärerisch: „Wenn Ursula von der Leyen den Kontakt zu Giorgia Meloni sucht, dann entspringt das nicht dem Machterhaltungstrieb (oder vielleicht nur ein bisschen), sondern auch der Überlegung, dass jemand, der sich in wesentlichen politischen Fragen gewandelt hat, nicht weiter mit Kontaktverbot belegt werden kann. Es sei denn, man wolle ihn zurückradikalisieren. Völlig überraschend nimmt Emmanuel Macron nun in Kauf, dass die von ihm ausgerufenen vorzeitigen Parlamentswahlen Marine Le Pens rechten Rassemblement National an die Macht bringen könnten. Und bei uns? Die Brandmauer zur AfD wird wohl leider an der Realität zerbrechen, zumindest in den Kommunen. Wenn dort die AfD die Hälfte der Stimmen oder mehr kassiert, was bei den Europawahlen schon der Fall war, wer soll die Mauer dann noch hochziehen?“ Scheinbar hat Giovanni Di Lorenzo absichtlich den Überblick verlieren wollen, beschreibt zumindest so in seinem vorgeblichen Resümee: „Keine schönen Aussichten, gewiss, aber der Kampf gegen die politische Rechte kann nur über die politische Praxis gewonnen werden. Die Voraussetzungen sind immer noch ganz gut: Rund drei Viertel der Deutschen haben mit Radikalen nichts am Hut. Sie wollen nur besser regiert werden.“ Bei allen guten Geistern dort in der Chefredaktion in DIE ZEIT – genau daran hapert es doch „am besser regiert werden“! Und welche Partei oder Parteien sollen dies ermöglichen? Die Ampel-Regierung bis kurz vor der Bundestagswahl?
Ganz richtig schreibt der Autor des Textes in der Unterüberschrift zu „DIE BESTÜRZTEN“ – die Reaktionen der Parteien auf die Wahlen sind von beunruhigender Ratlosigkeit!“ Diesen Rat könnte der RvM-Leserbriefschreiber gerne vermitteln: Hört endlich auf die Stimme und Stimmung im deutschen Volk und regiert diesen Staat so vernunftvoll: dass sich vor allem auch die deutsche Bevölkerung hier wieder heimisch fühlen kann – und nicht überflutet wird von Entfremdungen an Mentalitäten und fundamentaler Religionsauffassung. Wir haben uns noch nicht lange von der Macht der „eigenen“ Religion befreien können – und wollen nun nicht wiederum eine erneute Ohnmacht gegenüber einer Religion erleben, deren Ziel es lt. dem Koran sein muss: die gesamte Menschenwelt dem Islam zu unterwerfen! Und genau dies sollte bedeuten, wie es Giovanni Di Lorenzo in einer seiner Kapitelüberschriften vermerkt: „Was nicht hilft, ist die Simulation von Entschlossenheit.“
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld

Hipp Hipp, Hurra die deutschen Wähler, und nicht wenige, haben es geschafft, bei der Europawahl vom 9.Juni mit der AfD eine mentale Brücke zur Zeit der Nazi-Herrschaft zu schlagen. Ihre erschreckende Unkenntnis (oder gar Kenntnis?) des dunkelsten Kapitels der deutschen Geschichte, oder ihre naive politische Vorstellung vom Sinn einer Protestwahl, haben bei der Europawahl am letzten Sonntag, vor allem im Osten, dafür gesorgt, dass Parteien wie die SPD ins bodenlose abstürzten. Nur die CDU kam glimpflich davon. Ein Hoffnungsschimmer, dass es noch eine intakte politische Mitte in der deutschen Gesellschaft gibt -besonders auch im Westen der Bundesrepublik. Und wenn jetzt der SPD-Parteivorsitzende plötzlich von der Nazipartei AfD spricht, fragt man sich entgeistert, warum nicht schon Wochen vor der Europawahl? Das Verhältnis der im Bundestag vertretenen Parteien zu den Wählern ist grundsätzlich geprägt von Scheinheiligkeit und einem gefährlichen Opportunismus. Die SPD etwa wagte es nicht wankelmütige Wähler mit mutigem Protest und Verweis auf die eigene Parteigeschichte mit Verfolgung und Unterdrückung unter Hitler davon abzuhalten, diesmal gerade deswegen SPD und nicht etwa AfD zu wählen. In völliger Verblendung glaubte die Parteispitze, dem armen Wähler zu nahe zu treten, wenn man ihn über den wahren Charakter der AfD aufklärt. Etwa so, wie wenn ein hoher Geistlicher die Kritiker von Kirche und Glauben ermahnt nur ja nicht die Gefühle der Gläubigen zu verletzen! CDU/CSU, Grüne und FDP verhielten sich gegenüber der braunen Gefahr von extrem rechts ähnlich diffus und -man muss fast sagen- politisch verhaltensgestört. Die AfD stellt, wie alle radikalpopulistischen Parteien, die Sehnsucht nach Frieden und Abschottung gegen Einwanderer und Flüchtlinge das Gespenst eines europäischen Krieges mit Putin gegenüber.
So auch Sarah Wagenknecht die im Schüren von Kriegsangst das beste Mittel sieht, um Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine zu verharmlosen. Das Putin ein Diktator der übelsten Sorte ist, seine Kritiker ermorden oder, wie Nawalny, in Einsamkeit und sibirischer Kälte verrecken lässt stört weder die AfD noch Sarah Wagenknecht. Eine Figur wie der Neonazi Björn Höcke prägt den Charakter der AfD entscheidend und seine Anhänger verkörpern nicht nur den Bodensatz dieser rechtsradikalen Partei. Im Hintergrund dieser Partei wirken noch andere Strömungen, die der Mitte bzw. Spitze der deutschen Gesellschaft entspringen. Eine Parallele zum Aufstieg Hitlers erscheint nicht so fernzuliegen. Es ist die alte deutsche Krankheit zu glauben, Systemänderungen an dem vermeintlich überdemokratisierten Staat durch ein autoritär verfasstes Staatswesen zu erreichen. Eine Schicht scheinbar gebildeter Meinungs- und Führungspersönlichkeiten glaubt schon wieder an diesen hochgefährlichen politischen Unfug. Wenn in schlagenden Verbindungen rechtsradikales Gedankengut erschreckende Urstände feiert und die politisch verklemmten Hintermänner das fördern, kann man hier getrost von einem akademischen Proletariat sprechen. Der Österreicher Martin Sellner von der identitären Bewegung oder der Deutsche Götz Kubitschek sorgen ebenfalls aus dem Hintergrund dafür, dass manche Beobachter glauben, dass es sich bei der AfD um eine seriöse Partei handelt. Die Europawahl hat leider gezeigt, wie sich der Rechtsradikalismus ausbreitet, nicht nur bei uns sondern auch in Frankreich. In Italien wird er (in gemilderter Form) mit Ministerpräsidentin Meloni sogar politisch salonfähig.
Klaus Reisdorf

Gedanken eines zunehmend ungeduldigen Wahlbürgers, der immer und immer wieder die schneidigen Sprüche der Ampelmänner hört, denen, wenn überhaupt, Tatentorsi folgen:
– Sofortiger Ämtertausch zwischen Scholz und Pistorius
– Randprobleme in die Warteschleife, Hauptaufgaben auf die Dringlichkeitsliste
– Wenn schon keine Volksabstimmung, dann ein Deutschlandpakt ohne Brandmauern zur Lösung aller Großprobleme! So, wie die Grünen selbstverständlich beim Klimaschutz mit Klimaaktivisten und Naturschützern am Verhandlungstisch sitzen, so die Rechten mit Wertkonservativen und Patrioten bei Asyl und Dauerimmigration, so die Linken mit Russlandfreunden und Pazifisten bei Kriegsbeteiligung! Dann gelänge – vielleicht – ein größtmöglicher gesellschaftlicher Konsens, und die tiefen Gräben des Hasses würden allmählich zugeschüttet. Entschieden werden darf jedoch nie nach Zeitgeistmoral und Parteiideologie, sondern nur mit Vernunft und Weitsicht! Die allerdings erwarte ich von einem klugen Kanzler!
Ulrich Pietsch

Eine Niederlage schmerzt – egal ob sportlich, politisch, oder sonstige. Entscheidend ist, wie man damit umgeht. Und die Reaktionen sind überwiegend erbärmlich – sowohl von Rot-Grün, wie von der überwiegenden Zahl der Medien hierzulande. Es wird nicht helfen, die Wählerinnen und Wähler der AfD immerzu als rechtsradikal zu beschimpfen und damit demokratisch zustande gekommene Wahlergebnisse zu diskreditieren. Ein Nachrichtensprecher des ZDF bezeichnete kürzlich in seiner Sendung Giorgia Meloni als Postfaschistin – was fällt diesem „Linksfaschisten“ eigentlich ein? Wie würde ihm diese – öffentliche – Einordnung gefallen? Und genau darin liegt das Problem – die jahrelangen linksliberal dominierenden Politiker und Medienkaste sind nichts weiter als schlechte Verlierer. Herr Höcke steht vor Gericht wegen dem Ausspruch „Alles für Deutschland“. Für mich ist es völlig unerheblich, ob vor ca. 90 Jahren eine Nazi Organisation diesen Spruch verwendet hat. Es wäre dagegen sehr angebracht, etwas von diesem Spruch mal in die Tat umzusetzen. Aber solange ein Wirtschaftsminister Habeck mit an der Macht sitzt, der bekannt hat, dass er mit dem Begriff „Deutschland“ nichts anfangen kann…das hat er mit seiner bisherigen Politik leider nachdrücklich bewiesen. Das gilt übrigens für die Mehrzahl der gerade Regierenden. Also auf zu neuen politisch rechts-konservativen(!) Ufern – linksliberal hat jetzt hoffentlich bald ausgedient.‘
Reinhard Mayer

Der Kommentar von Giovanni di Lorenzo stammt mal wieder aus dem von mir oft kritisierten Elfenbeinturm, in der Sache hat er aber zumindest stellenweise recht. Während in den Artikeln in derselben Ausgabe „Schön kompliziert“ und „Der Politik trauen Sie wenig zu“ erneut der Rechtsruck beklagt wird, verordnet di Lorenzo die Ursache für den Rechtsruck im Wesentlichen bei der Ampelkoalition, sprich deren Politik und deren Verhalten. Unzutreffend ist sicher, wenn di Lorenzo meint, dass Armeen von Trollen im Dienste von Prokuristen und fremden Mächten großen Einfluss durch ihre Manipulation auf das Wahlvolk haben. Das haben sie nicht. Die Zeit hat in einer ihrer vorherigen Ausgaben hierzu bereits die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, die aufzeigen, dass der Wähler viel weniger als allgemein von der Politik und den Medien angenommen von Fake-Nachrichten oder Fake-Profilen in sozialen Medien beeinflusst wird. Im Wesentlichen bildet sich der Wähler eben seine Meinung selber oder mittels Absprachen mit Freunden und Vertrauten. Dementsprechend ist auch der Lösungsansatz von Jeanette Otto nicht zielführend. Es hapert bei dem Wähler nicht an der politischen Bildung, sondern es hapert an einer vernünftigen Politik. Solange allerdings Medien wie z.B. Die Zeit weiter der Auffassung sind, dass der Wähler größtenteils verblödet bzw. politisch ungebildet ist und auf Fake-Nachrichten in sozialen Medien hereinfällt oder auf das Geschrei von Rechtsextremisten, wird sich wenig ändern, denn solange kann die Regierung die Schuld für das eigene Versagen verschieben. Tatsächlich ist der Wähler aber im Wesentlichen ausreichend gebildet, um eine vernünftige Wahlentscheidung zu treffen. Dazu gehört dann eben auch, daß man den etablierten Parteien, wenn sie mit Überheblichkeit oder Arroganz auf einen herabschauen, den Rücken zukehrt. Das bedeutet aber nicht, daß Deutschland einen Rechtsruck erfährt oder 25 % der Bevölkerung undemokratisch sind. Es bedeutet einfach nur, daß der Bürger das etablierte System in der bisherigen Form nicht mehr akzeptiert. Der Wähler möchte gern gehört und nicht weiter übergangen werden.
Volker v. Moers

Der Autor will „Ansätze gegen rechts“ aufzeigen. Er tappt in dieselbe Falle wie die linken Parteien. Er wendet sich gegen die Hälfte des politischen Raums – inclusive seiner Bewohner. Dass nur die Rechtsextremen gemeint sein sollen, ist keineswegs selbstverständlich. Die Linken, und als solcher outet sich der Autor, können es immer weniger ertragen, dass es konservative Standpunkte gibt, deren Inhaber ebenfalls um die Gunst der Wähler buhlen. Der Linke ist für Inklusion jeglicher Art, nur diejenigen, die er für weniger inklusiv hält, die schließt er im Geiste aus, aus dem Kreis der Demokraten. Interessant auch, dass diejenigen, die unerbittlich gegen Terroristen Kurs halten, als „autoritär“ gelten und daher von dafür „Anfälligen“ gewählt werden. Diese Diktionen und die dahinter stehenden Haltungen sind Gift, erwecken Trotz, und wenn man die AfD stärken will, dann am besten so. Der Autor verbleibt trotz des schlussendlichen Appells in einer abschreckend-elitären Denk- und Sprechweise.
Christian Voll

Sie legen mit Recht den Finger in eine ganze Reihe von Wunden und haben mit dem allermeisten irgendwo Recht. Dennoch empfinde ich die Kritik einerseits etwas zu unbarmherzig, zumal Bestürzung und etwas mehr Zeit brauchende selbstkritische Analyse sich ja überhaupt nicht ausschließen; vor allem aber finde ich Ihre Analyse und Korrekturvorschläge unvollständig: Die erschwerenden Faktoren für die Ampelparteien für einen besseren Wahlerfolg haben Sie ja schon zu Beginn richtiger Weise angeführt. der Liste könnte man noch das BVG-Urteil hinzufügen, dass der Ampel mit einem Schlag einen großen Teil der verfügbaren Finanzmittel aus der Hand geschlagen hat, die derart fest einzuplanen aber schon von vielen gewarnt wurde.  Und das wäre aus meiner Sicht das erste und einfachste, was man hätte besser machen können, bei allen dreien: Nämlich die Wähler auf die Gefahr der „einfachen und viel zu hohen Lösungserwartungen“, der „Sündenbocksuche“, des Wunsch- oder Wutdenkens und des Hereinfallens auf die Trolle aus Russland aufmerksam zu machen, möglichst mit guten, leicht verständlichen Beispielen, warum solche Einflüsse abseits von nicht nur Gerechtigkeit und Humanität, sondern vor allem auch von Realitäten zu sehen sind. Besonders könnte man dies am Beispiel der Klimaängste deutlich machen, denn die dies bzgl. Gefahren werden ja gerade durch die Pläne und Forderungen der AFD massiv verschlimmert. Und beim Thema Frieden könnte man statt der wiederholten Zögerlichkeit viel offensiver deutlich machen, dass ein „Im-Stich-Lassen“ der Ukraine bestenfalls kurzfristig einen sehr inhumanen völkerrechtswidrigen Friedhofsfrieden schafft, der längerfristig gleich mehrere Keime und Ermutigungen und Anreize für weitere Angriffe und Kriege mit sich bringt.
Man könnte dann an die Wähler gerichtet, sagen oder schreiben: Lasst Euch nicht verarschen! Fallt nicht auf die Verdrehungen und Viertelwahrheiten von Putin und seinen Trollen und Freunden herein! Frieden um jeden Preis unbedingt sofort bedeutet Weltherrschaft der Tyrannen und / oder weitere Kriege! Ähnliches gilt bei der Angst vor drohendem Wohlstandsverlust und vor abnehmender sozialer Sicherheit: Die Vertreibung aller Migranten wie auch andere Ideen der AFD und Co. würde unter dem Strich keinen höheren Wohlstand bringen, sondern für die nur Erhaltung des bisherigen Wohlstandes und der Renten und Pflege müssten die zahlenmäßig stark abnehmenden noch arbeitsfähigen Deutschen dann noch viel mehr arbeiten. Allerdings wären die Migranten deutlich wertvoller, wenn sie alle schon sprachkundig, integriert und ausgebildet oder nachqualifiziert sind, was hinzukriegen aber nicht durch Wahl der AFD, sondern nur über den Weg von mehr Arbeit und Geld dafür geht, ggf. ergänzt durch mehr Fordern von bisher wegen Motivationsmängeln nicht teilnehmenden. Ähnlich ist es bei der Sicherheit, die zu stärken sogar auch von grünen wie Boris Palmer und Cem Özdemir angemahnt wird: Auch hier braucht es mehr Personal und dafür mehr Geld, vielleicht auch längeres Arbeiten bis zur Rente bzw. Pension, die bei manchen Beamten gerade bei der Polizei schon mit 60 Jahren beginnt, ein völliger Anachronismus in Zeiten von Fachkräftemängeln gerade auch in Polizei und Justiz. Gerade bei der Polizei gibt es auch reichlich Arbeitsplätze, wo keine Reflex- und Bewegungsschnelligkeit für „Kampfeinsätze“, sondern „nur“ Erfahrung, Gesprächs- und Schreibfähigkeit gebraucht wird. Natürlich wäre auch eine bessere Betonung und Priorisierung der Sicherheit und Befugnis-Ausstattungen der Kräfte hilfreich.  Das alles wäre besser oder mindestens eine wichtige Ergänzung zur weitgehend abgenutzten „Nazi-Keule“.
Ein weiterer wichtiger Faktor wäre auch in Zusammenhang mit all dem vorgenannten: Mehr Ehrlichkeit bei den Kosten und Anstrengungen der zu erreichenden Ziele, statt alle erdenklichen Besserungen zumindest als „Vision“ ganz bequem und ohne mehr Steuern oder mehr Arbeit in Aussicht zu stellen, allein durch „gute“ oder „kluge“ Politik statt durch Anstrengungen und Gelder und vielleicht auch Verzichte aller beteiligten. DAs hätte vielleicht den Wahlkampf erschwert und die Wahlchancen vielleicht etwas gemindert, aber vermieden, bei Enttäuschungen durch eben diese Nebenwirkungen gewaltige Wutreaktionen und Rückschläge zu erreichen. Vielleicht wären dann auch einige Gewerkschaften in den Tarifkämpfen ein bisschen bescheidener gewesen, deren Ergebnisse Staatskasse und Personalausstattungen noch weiter geschwächt haben, denn der Staat und andere Arbeitgeber sind genauso Opfer der Inflation wie Arbeitnehmer und Rentner. Auch hier wäre es mit AFD oder Union wohl kaum besser gelaufen, denn auch die haben mehr Versprechungen und Forderungen an die Regierungen gemacht als an Wähler und Arbeitnehmer und Selbständige, die alles zu Verteilende ja erst einmal erwirtschaften müssen, eben auch gemeinsam mit den schon befühigten Migranten.  Insgesamt plädiere ich für deutlich mehr Flucht nach vorn statt Flucht nach hinten oder Nachgeben gegenüber de falschen Forderungen und Erwartungen. In meinem neuesten Gedicht lasse ich „die Demokratie“ sprechen: „…
Ich kann nicht immer, überall, die Zukunft garantieren Erst recht, wenn ihr nicht auch euch müht sie produzieren Um wenigstens dorthin zu kommen weiter. Das Ideal auf Erd‘, die schöne Himmelsleiter Baut Euch kein Staat, keine Partei, kein Führer noch Tribun, das müsst ihr für- und miteinander selbst auch tun: Ich bin nicht reich, allmächtig, kann nur geben, was erstmal ihr mir gebt aus eurem Leben, an Arbeit, Geld, Pflicht und Verzicht, wo ihr geklärt, was Wichtigstes, was nicht, was ihr von denen nehmt, die’s müssen, beitragen Arbeit, Geld, an Minus von Genüssen.  Ihr alle seid mir Arme, Lippen, Sinne, Geist Und auch mal Schild und Schwert, wo’s kämpfen heißt Gegen der Egos, Aggros Gier und Macht, Zukunftsvergessenheit, wenn die erobern wollen Räume viel zu weit, …“
Peter Selmke

Ich teile Ihre Zeilen voll! Was wir brauchen, sind klare Ansagen und vor allem Erklärungen! Der Karren steckt schon länger fest. Aber wir alle können daran ziehen und ihn wieder frei bekommen. Dafür muss aber die Politik den Takt angeben – wer sonst? Bei den vielen zu lösenden Problemen, werden wir sicher unsere lieb gewonnenen Komfortzonen verlassen müssen! Ich bin dazu auf jeden Fall bereit. Herumzueiern, zu beschwichtigen, mit den Fingern auf anders Denkende zu zeigen, Angst zu haben, Wähler zu verlieren, ist der falsche Weg. Ich bin mir sicher, dass viele Menschen die Wahrheit sehr gut verstehen und einsehen, dass wir – als Demokraten – für eine bessere Welt richtig arbeiten müssen! Die Zeit läuft…
Achim Bothmann

Der Leitartikler übersieht, dass der dauerhafte Erhalt unserer Demokratie die Mitwirkung der gesamten wahlberechtigten Bevölkerung voraussetzt. Die Verteidigung der Demokratie ist zwar Aufgabe der gewählten Vertreterinnen und Vertreter demokratischer Parteien, die Bevölkerung ist aber aufgerufen, dabei aktiv mitzuwirken und nicht nur Forderungen an den Staat stellen. Die AfD, die die Grundrechte ungeniert in Anspruch nimmt, aber zB. die Freiheit der Medien als Lügenpresse verunglimpft oder einer Ausbürgerung von Deutschen mit Migrationshintergrund das Wort redet, kann für sich nicht in Anspruch nehmen, eine Volkspartei zu sein. In Deutschland hat die AfD durch staatsgefährdende Hetze der Parteispitze die demokratische Legitimation längst verloren. Parteien, die sich der Verfassung verpflichtet fühlen, müssen gemeinsam, solange sie bei Wahlen über die notwendige Mehrheit verfügen, mit rechtstaatlichen Mitteln Parteien wie die rechtspopulistische und in Teilen rechtsextreme AfD, die vorsätzlich den Bestand unserer Demokratie gefährdet, aus den Parlamenten entfernen. Auf europäischer Ebene scheidet eine Zusammenarbeit mit der postfaschistischen-rechtsextremen Fratelli d‘Italia unter MPIn Meloni wegen der drastischen Beschränkung der Vierten Gewalt, Medien aus. Höcke, Weidel & Co. wären in der NSDAP willkommen gewesen und hätten im März 1933 für die Errichtung der Diktatur unter Hitler gestimmt. AfD-Wähler riskieren eine Neuauflage des NS-Regimes und seiner entsetzlichen Gräueltaten. Zukünftig werden sie sich mit der Parole konfrontiert sehen: „Nur Nazis wählen Nazis“. Wollen sie das wirklich?
Manfred Eckelt

Es nervt. Ein Hauen und Stechen, Schubsen und Schlagen, – man könnte meinen auf einem Spielplatz zu sein, wo sich Kinder gegenseitig hänseln, und Schnippchen schlagen. Wenn es nur nicht so ernst wäre…. Diese Europawahl ist eine niederschmetternde Niederlage. Es ist eine Ohrfeige für all diejenigen, die sich in der Verantwortung sehen, das Erbe ihrer Väter und Großväter weiter zu tragen, für welches so viele ihr Leben aufs Spiel gesetzt oder gar verloren haben. Es ist ein Tiefpunkt für Europa. Wenn sich die demokratische Mehrheit nicht schnell, klug und umsichtig zusammenschließt, um diesem erschreckenden Rechtsruck standzuhalten, dann werden wir dieses Europa auseinanderfallen sehen. Die Selbstverständlichkeit, mit der wir in diesem Europa aufgewachsen sind, schwindet. Die Werte, mit denen ich (Jahrgang 1968) heranwuchs, verlieren an Bedeutung. Wir leben in einer Wertezeitenwende, in der offensichtlich junge Leute dieses Erbe, das so große Opfer gekostet hat, bereit sind, leichtsinnig aufs Spiel zu setzen oder wegzuwerfen, – als sei ohnehin alles schon verloren. Wofür noch kämpfen? Ich verstehe den Unmut der Jugend, aber diese so zum Ausdruck zu bringen, ist ebenso leichtsinnig wie das Hauen und Stechen unserer Parlamentarier. Wir sind alle in der Verantwortung: die Wähler und die Gewählten. Wenn man aber den Diskussionen nach den Europawahlen vom Sonntagabend folgt, dann erschüttert einerseits die Genugtuung und Siegesgewissheit – von wegen „die Mitte hat gehalten“ – mit der die einen reagieren, ebenso wie das Schweigen und die Ratlosigkeit der anderen. Hier gibt es keine Gewinner, außer den Anti-Demokraten. Die Demokraten sind die Verlierer, und zwar alle ausnahmslos. Die Anti-Demokraten machen ein beängstigendes Drittel aller abgegebenen Stimmen aus, – Zweidrittel wählen immerhin noch demokratisch.
Und das ist der entscheidende Punkt: es ist egal, für welche Partei die Wähler stimmen, solange diese demokratisch ist, und für unsere Verfassung und vor allem für Europa steht. Alles andere ist zu diesem Zeitpunkt nur Semantik. Deshalb sollten die Demokraten, alle, jetzt zusammenhalten, um einen Eindruck von Einheit und Geschlossenheit in der Krise zu geben. Die jetzt geführten Diskussionen sind Wasser auf die Mühlen aller unzufriedenen Wähler, die sich abgewandt haben, von ihren Parteien, und die ihren Unmut auf dem Stimmzettel Luft gemacht haben. Nationalwahlen sähen womöglich anders aus. Leider werden leichtsinnigerweise Europawahlen noch immer dazu genutzt, nationalen Regierungen einen Denkzettel zu verpassen. Das schwächt die EU immer wieder aufs Neue. Im Anbetracht der immensen Herausforderungen, die nur die EU, also die Gemeinschaft aller europäischen Staaten, und kein Nationalstaat allein bewältigen könnte, ist solches Wählerverhalten unverantwortlich. Wenn so viele junge Wähler sich von den traditionellen Parteien abwenden, und aus Protest AfD wählen, dann haben wir alle etwas falsch gemacht. Noch 30 Jahre nach der Wende sind die Bürger im Osten der Republik empfänglich für die Rhetorik und Versprechungen der Rechten, und haben keine Hemmung, ihr Kreuz bei einer rechtspopulistischen Partei zu machen. Die Sehnsucht nach dem dursetzungsstarken Versorgerstaat der DDR ist hier noch zu spüren, vor allem wenn man hört, sie wollen einen Staat, der sich mehr um sie kümmert. Im Westen hingegen lässt sich solches Wahlverhalten vielleicht mit einer Wohlstandsverwahrlosung erklären, – zu viel des Guten, lässt das Gute nicht mehr gelten? Ed sieht nach einer gefährlichen Mischung aus Desillusion (Stichwort: Klimaziele) und jugendlichem Leichtsinn aus. Die Entwicklung ist beängstigend und mit nichts mehr schön zu reden.
Und nun zu Regierung und Opposition: wenn sich nach einer solchen Wahl die demokratischen Parteien in ihrem gewohnten parteipolitisch gesteuerten Aufeinander-Herumhacken und gegenseitigen Anschuldigungen ergehen, dann hat man den Eindruck sie haben den Blick für das Wesentliche verloren. Das Haus brennt und sie streiten, ob man das Wasser mit Eimern oder einem Gartenschlauch holen sollte. Beides! In Ausnahmezeiten, wie wir sie im Augenblick erleben, die bedrohliche Klimakrise, ein Krieg vor der Haustür und ein weiterer Krieg im Mittleren Osten, das Gebaren Chinas, eine mögliche Wiederwahl Trumps, – die Herausforderungen sind enorm, dafür gibt es keine einfachen Lösungen noch lassen diese Zeit für taktisches Herumdiskutieren. Diese Wahlen bestätigen es aufs Neue: wieder reden die Politiker an den Themen vorbei und beschuldigen sich nur gegenseitig. Wenn Abstimmungen zu essentiell wichtigen Themen stattfinden, verhindert oder blockiert die Opposition aus parteitaktischem Kalkül. Das nervt! Und zwar schon lange. Wir haben keine Zeit für solche Spielchen. Es gilt die Klimaziele zu erreichen. Es gilt die EU zu reformieren und widerstandsfähig zu machen. Es gilt eine Europäische Union und vor allem eine Nato auf die Beine zu stellen, die auch ohne USA auskommen. Und es gilt vor allem, den Rechten das Wasser abzugraben. Die Politik hat den Blick für das Wesentliche verloren. Die Konservativen haken auf der Ampelkoalition herum, als trage sie allein die Verantwortung für alle Probleme, die es zu lösen gilt. Viele Probleme haben sich in den letzten Jahrzehnten schon abgezeichnet, ohne dass sie seinerzeit ausreichend adressiert wurden. Hinzu kommt der Krieg und die sich stetig verschlimmernden Auswirkungen der Klimakrise.
Das Problem ist wie die Parteien miteinander umgehen. In Zeiten wie diesen sollten alle Demokraten zusammenhalten, und den Bürgern zeigen, dass sie um die Ernsthaftigkeit der Lage wissen. Es gilt: Tue Gutes und rede darüber. Stattdessen wird alles zerredet, schlecht gemacht oder gar verhindert, nur damit eine Partei gegenüber der anderen einen Vorteil hat. So können wir den Herausforderungen unserer Zeit nicht begegnen. Eines ist gewiss: keine Partei ist in der Lage im Anbetracht der fehlenden Mehrheiten allein zu regieren. Nur im Konsens, gemeinsam, ohne Taktiererei und parteipolitisches Kalkül lassen sich die Aufgaben bewältigen. Es ist an der Zeit, dass sich die demokratischen Parteien an einen runden Tisch setzen, und technokratisch an die Lösung der Themen herangehen. Die Gefahr einer braunen, anti-europäischen Welle, unterstützt und unterwandert von Russland und China, die in Europa in unseren Parlamenten Mehrheiten verhindert und einen bürgerlichen Konsens aushebelt, ist größer denn je. Es gilt zu zeigen, dass wir Demokraten, auch wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, uns am Ende einigen können und zusammenhalten, wenn es gilt unser europäisches Erbe zu wahren und in die Zukunft zu tragen. Bürger und Parlament, Wähler und Gewählte müssen jetzt an einem Strang ziehen.
Raffaela von Salis

 


 

Leserbriefe zu Titelthema „So wenig Zeit. So viel Druck“ von Tina Hildebrandt

Dass die ZEIT nun auch in die Merz- und Söder-Suada einstimmt und so tut, als hätte eine Bundestagswahl stattgefunden, enttäuscht mich. Die Bundesrepublik ist nicht Frankreich, wo Macron nun verständlicherweise die Flucht nach vorn antritt, in der Hoffnung, dass er diejenigen für sich mobilisieren kann, die nicht zur Europawahl gingen, aber vielleicht doch keine rechtsextreme Regierung möchten. Der Stimmenanteil von AfD, Freien Wählern und CSU, also des Rechtsaußenlagers liegt unter dem der französischen extremen Rechten. Die Überschrift „Drei Wochen haben sie noch“ könnte ohne weiteres in der Bild-Zeitung stehen.
Susanne Roether

Scholz muss ein Spieler sein. Seine Mission des Friedenskanzlers hat er bereits vergeigt. Nächster Hoffnungsträger soll der Aufschwung sein rechtzeitig zur Wahl nächstes Jahr. Doch deutet nichts auf ein neues Wirtschaftswunder hin. Was er nicht auf der Rechnung hat, ist der Ausgang der Wahlen in den USA. Sollte Trump ins Weiße Haus einziehen, würde die Unterstützung der Ukraine möglicherweise wanken. Zu befürchten wäre eine neue Fluchtbewegung apokalyptischen Ausmaßes. Mit oder ohne Wahlen müsste eine überparteiliche Große Koalition geschmiedet werden wie im Falle eines Notstands. Der Rettungsanker vielleicht auch für Scholz
Christoph Schönberger

Der Artikel endet damit, dass Olaf Scholz glaubt, dass er wie immer als Letzter lacht. Olaf Scholz wird auch keine Vertrauensfrage stellen, er findet so was dumm. Er wartet einfach, bis die Wahl nahe rückt. Der Artikel beschreibt schön die aktuelle politische Lage und was Einfluss auf Wahlen haben könnte. Aber was entscheidet denn bei uns so eine Wahl, warum wurde denn Olaf Scholz damals gewählt? Doch nicht, weil die Wähler alles so gut analysierten und dann auf Fakten entschieden. Es war doch eher so, dass Laschet im falschen Moment gelacht hat und ein Journalist das dann publiziert hat. Dies wurde zig-mal in allen Medien wiederholt. Die Wahl wurde wohl mehr dadurch beeinflusst als durch große politische Diskussionen. Die Grünen Partei stand mal nicht so gut da, in Japan explodierte ein Kernkraftwerk und schon stiegen ihre Werte rasant. Man findet noch viele solche Beispiele. Liegt Olaf Scholz da falsch mit seiner Taktik? Wenn kurz vor der Wahl Friedrich Merz in so ein Fettnäpfchen tritt oder es passiert sonst was nicht Vorhersehbares zu seinen Gunsten, dann lacht Olaf Scholz als Letzter.
Rainer Berger

Scholz setzt alles auf eine Karte. Wie Macron, nur anders. Scholz sieht seinen magischen Moment in der Zukunft (im Wahljahr), wenn die losen Enden zusammenfinden. Macron schafft den magischen Moment hochfahrend und kurzatmig in der Gegenwart, wo Scholz langatmig in seiner geheime-Agenda-Attitude agiert. Beide kalkulieren in einem Glasperlenspiel kühl ihren Machterhalt. In einem Spiel, in dem die Menschen Objekte sind. Beide sehen sich auf der höchsten Stufe einsamer Einsichten, von wo sie mit klarem Blick und eine weite Aussicht haben. Mit der Europawahl allerdings reklamieren die Menschen im Dickicht ihrer Lebenswelten bestürzend deutlich, als Subjekte auf Augenhöhe wahrgenommen zu werden. Es ist ein großer Fehler, es den Rechtsparteien zu überlassen, dieses große Bedürfnis der Menschen anzusprechen. Scholz und Macron sollten die Menschen ernst nehmen und dafür die abgehobene Rolle des einsamen Glasperlenspiel-Meisters aufgeben. Vielleicht kann die Vorstellung hilfreich sein, Lehrer der Nation zu werden. Und zwar in einem Verständnis, bei dem Lehrer und Schülern voneinander lernen. Ernsthaft, nicht gespielt, nicht manipulativ. Die Menschen wollen nicht (nur) Brot und Spiele, sie wollen auf Augenhöhe ernst genommen werden. Und statt einem nie ernst gemeinten „Wir haben verstanden“ hieße es dann „Ich beginne, zu verstehen.“. Das würde Wunder bewirken. Das würde den Raum schaffen, um in der so komplizierten Gemengelage das Notwendige tun zu können.
Reinhard Koine

„Drei Wochen haben sie noch.“ Was denken Sie bei der Zeit, wie die Mitglieder der Regierung auf die Schlagzeile reagieren? Vielleicht so? „Oh, Die Zeit macht Druck! Wir müssen uns jetzt sputen bis zur Sommerpause, denn sonst stellt sich für Olaf Scholz die Vertrauensfrage“. Woher weiß Tina Hildebrandt so genau, was Olaf Scholz glaubt, hofft und womit er rechnet? Der Artikel macht mich so wütend. Keine Regierung seit der Wiedervereinigung ist solchem Druck von Seiten der Medien ausgesetzt wie diese. Sind Sie im Ernst der Meinung, dass eine Regierung mit Beteiligung der CDU unter Friedrich März klüger und kommunikationsfreudiger gehandelt hätte? Sie sollten sich schämen, nun auch in das Mobbing des Kanzlers einzustimmen.
Elisabeth Hartmann

Abwärtstrend. Im August herrscht „Götterdämmerung“ auf dem „Hügel“. Am 1. September zieht sie dann wohl in Berlin auf. Der Vorbote gab am 9. Juni seine Prognose ab. Bei der Ampel steht seit geraumer Zeit nur ein einziges Stück auf dem Spielplan: „Die Kesselflicker“ mit wechselnder Besetzung und wechselnden Dirigenten. Bis zur Sommerpause wird Christian Lindner wohl am Pult stehen. Der Regisseur hat es sich längst auf der Besetzungscouch bequem gemacht. Er sieht dem bunten Treiben zu, sagt, wenn er mal was sagt, „Nö“ oder schnarcht. Weder das CORRECTIV erwies sich als das erhoffte Korrektiv noch hielt der Glaube, den Gegner zu verteufeln enthebe davon, sich mit seinen Argumenten herumzuschlagen, den Abwärtstrend auf. Haben die Verlierer etwas gelernt? Haben sie auch nur eine Sekunde in Erwägung gezogen, das Wahlergebnis könnte die Folge ihrer Politik sein? Nein! Der Zweitstärkste wird als „Nazi“ verunglimpft, was indirekt bedeutet, dem Wähler, also dem Souverän, ist nicht zu trauen. Das Innere der Wagenburg, in der sich die sehen, die fest glauben, nur sie seien im Besitz der Wahrheit, ist erneut kleiner geworden. Kurt Tucholsky definierte: „Ich glaube jedem, der die Wahrheit sucht. Ich glaube keinem, der sie gefunden hat.“ Wer referiert (Habeck), seine Politik sei nur ein Test gewesen, wie weit man habe gehen können, kann von Glück sagen, dass das Land offensichtlich immer noch so baff ist, dass es sich nicht mit der Verachtung für die Bürger auseinandersetzt, die darin zum Ausdruck kommt. Der Bundestag wird sich 2025 von einigen SPD- und Grünen-Abgeordneten verabschieden, um es mal vorsichtig auszudrücken. Warum sollten diese vorzeitig „kündigen“? Sie werden bis zur letzten Sekunde auch dafür sorgen, dass die sich aus den von ihnen verabschiedeten Gesetzen ergebenden Folgen nicht oder nur eingeschränkt rückgängig gemacht werden können. Diese letzte Sekunde ist der Tag, an dem der im September 2025 gewählte Bundestag zum ersten Mal zusammentritt.
Wolfgang Pilz

Die Europawahlen, ein politisches Desaster bei den Nachbarn Frankreich und Deutschland, für Bundeskanzler Scholz und seiner SPD, für Staatspräsident Macron und seiner Partei der Mitte. Die Gründe dafür sind bei den Franzosen und Deutschen (vor allem im Osten) sehr verschieden. Mit ihren unterschiedlichen politischen Mentalitäten gehen die beiden Völker auch ihre politischen Probleme verschieden an. Macron wurde aufgrund seiner Unbeliebtheit abgestraft -weniger wegen seiner im Grunde vernünftigen und erfolgreichen Politik. Natürlich hat er als Produkt der politischen Elite Frankreichs Neider und seine teils abgehoben wirkende Überlegenheit gegenüber dem Durchschnitt französischer Politiker ist so eklatant, dass eine politisch nützliche Beziehung zu den anderen Parteien kaum entsteht. Mit Scholz verbindet ihn eine Beziehung, die man nur schlecht nennen kann. Hier liegt die Schuld aber eher bei Scholz der gar nicht versteht, dass ein Franzose wie Macron anders denkt als ein Polit-Biedermann wie er. Scholz ist grundsätzlich transatlantisch fixiert, was militärische und sicherheitspolitische Fragen betrifft. Im Grunde traut er dem französischen Vorpreschen in Fragen europäischer Einigung oder Verteidigung wenig bis gar nicht. Scholz lässt Schritte zur stärkeren Verteidigung der Ukraine nur in kleinen Schritten zu -fast nur in Trippelschritten. Große Worte oder plakative Ideen zur Zukunft Europas kann man von Scholz nicht erwarten. Hier ist er als Politiker eine Nummer zu klein formatiert. Im Gegensatz eben zu Macron. Scholz gibt kaum preis, was er politisch wirklich denkt oder plant. Oft kommt als Antwort auf Fragen von Journalisten nur das eindimensionale, berühmt berüchtigte „Nö“.
In Frankreich findet am 30.Juni der erste und am 7.Juli der zweite Wahlgang zum neuen Parlament statt. Die Entscheidung traf Staatspräsident Macron kurz nach der Europawahl und könnte zu einer politischen Katastrophe für Frankreich führen. Gewinnen nämlich Extrem-Links (Bündnis Melenchon) und Extrem-Rechts mit Le Pen kann es passieren, dass Macrons Regierungspartei nicht mehr im zweiten Wahlgang antreten kann. Macron stünde da wie der König ohne Land und seine Position als Staatspräsident bis 2027 wäre auch gefährdet. Es wird eine Wahlschlacht zwischen dem demagogischen Melenchon und der chauvinistischen Le Pen erwartet. Beide zeichnet eine gewisse Deutschlandfeindlichkeit aus. Der dann folgende Premierminister von Extrem-Links oder Extrem-Rechts würde aufgrund einer extrem ausgabenfreundlichen Finanz- und unkalkulierbaren Wirtschaftspolitik Frankreich auf dem europäischen Markt isolieren und Deutschland wäre gezwungen, sich einen anderen verlässlichen Partner zu suchen -etwa Melonis Italien? Für Bundeskanzler Scholz und seine gebeutelte SPD sieht es nicht viel besser aus. Für Deutschland insgesamt schon, da vorgezogene Neuwahlen oder die im kommenden Jahr stattfindende Bundestagswahl stabile politische Verhältnisse erwarten lassen.
Ein Sieg der Konservativen von CDU/CSU lässt nur noch die Frage nach einem gefügigen Koalitionspartner offen. Das Sarah Wagenknecht sich da schon Hoffnungen macht, auch für die kommenden Landtagswahlen im Osten, kann man nur mit Kopfschütteln quittieren. Nachdem sie es abgelehnt hat im Bundestag dem ukrainischen Präsidenten zuzuhören muss man vermuten, dass ihre Sympathien für Putin ungebrochen sind und sie glaubt, das probate Mittel des Schürens von Kriegsangst sei ein solider Köder für den Stimmenfang. Dem CDU Vorsitzenden Merz traue ich noch am ehesten zu hier die Schranken für eine Verbindung mit Wagenknechts Partei hochzuziehen. Für die SPD ist der Abstieg zu einer Klein-Partei unaufhaltsam da es die führenden Köpfe nicht begriffen oder verstanden haben, dass die verhängnisvolle Nähe zu Putins Gewaltherrschaft ein riesiger politischer Fehler war und historische Bezüge zu einem Verständnis der neueren russischen Geschichte sich als unseriös entpuppten -Altkanzler Schröder lässt grüßen. Der zweite Fehler wurde von der SPD gemacht, indem sie ihre Wähler nicht ernsthaft aufklären wollte über die Gefährlichkeit der AfD. Unter Hitler musste die älteste deutsche Partei Unterdrückung und Verfolgung ihrer Mitglieder erleiden. In der AfD denken viele Mitglieder ähnlich wie früher in der NSDAP über Abgrenzung, Ausweisung und Diskriminierung von Emigranten, Minderheiten, Andersdenkende oder Geschlechterfragen. Ein Björn Höcke als ehemaliger Gymnasiallehrer für Geschichte ist sozusagen der Anführer einer schweigenden Mehrheit von Neonazis und Rechtsradikalen in der Partei. Die Parteiführer Crupalla und Weidel sind zu schwach, um den wahren Kern der rechtsradikalen Partei zu verändern. Das die Ostdeutschen diese Partei in der Europawahl favorisierten ist mehr als bedenklich und lässt noch Schlimmeres für die kommenden 3 Landtagswahlen im Herbst befürchten.
Klaus Reisdorf

Liebe Zeit, es ist schon faszinierend, wieso nach einer Europawahl unter anderem in dem oben genannten Artikel so gern auch in guten Medienhäusern permanent von Neuwahlen geredet wird. Diese ständige Forderung einer Neuaufstellung einer Mannschaft bringt doch nur weitere Unruhe in das aufgewühlte Empfinden vieler offensichtlich sensibler Mitmenschen. Schließlich scheint immer wieder vergessen zu werden, dass dies nur eine Europawahl gewesen ist. Eine Europawahl, hatte stets eine andere Dimension als die Wahl zum Bundestag. Die Bundestagswahl liegt in naher Zukunft. Warum möchte man dann neue Wahlen vorziehen? Schließlich kann ich aus eigener Beobachtung berichten, dass ich zum Beispiel bei einer Bezirkswahl eine andere Partei wähle wie bei einer Bundestags- oder Europawahl. Dies liegt zum einen daran, dass einige Parteien regional zum Beispiel etwas für die Verkehrsberuhigung von Wohngebieten tut, aber überregional, gegebenenfalls europaweit gibt es völlig andere Präferenzen. Gern auch zu diesen Themen mehr differenzierte Sachlichkeit.
Werner Schulze

Otto von Bismarck (1815-1898) war der maßgebliche Politiker in Preußen und in Deutschland. Er gilt als der Vater der staatlichen Einheit Deutschlands (1870/71). In seiner Amtszeit im Kaiserreich war er der erste Reichskanzler (1871-1890) des Deutschen Reiches. Otto von Bismarck war ein geschickter Diplomat und irgendwie auch der „Vater der Sozialversicherung“. In den Geschichtsbüchern wird er als „Eiserner Kanzler“ bezeichnet! Die Bilanz von Bundeskanzler Olaf Scholz, dürfte nach meinem Empfinden, nicht so ganz erfolgreich sein. Bei der EU-Wahl 2024 wurde seine SPD und damit auch er, ziemlich harsch für seine Politik abgestraft; einige wollen sogar, dass er sofort seinen Hut nehmen solle. Olaf Scholz macht das bisher nicht, indes will der Bundeskanzler weiter sehr „eisern“ an seinem Stuhl kleben!
Klaus P. Jaworek

Kann man seiner Denkweise treu bleiben, wenn sich die Wirklichkeit verändert hat? Eine Bundesregierung hat sich aus drei sehr verschiedenartigen Parteien, in denen wiederum recht unterschiedliche Strömungen existieren, gebildet. Ein angesichts der Wahlergebnisse notwendiger Vorgang. Die Aufgabe dieser Regierung muss es sein, in einem intensiven Diskussionsprozess, der durchaus als Streit bezeichnet werden darf, große Herausforderungen, die sich zum Teil kurzfristig ergeben haben, zu bewältigen. Die Regierung spiegelt die Segmentierung unserer Gesellschaft, die einen weitreichenden Individualisierungsprozess durchlebt, in zahlreiche Einzelsichtweisen und „Empfindlichkeiten“. Das Besondere ist hierbei, dass der Einzelne seine auf sich bezogene Rezeption der Wirklichkeit sehr weitgehend als Maßstab zur Beurteilung der Realität über ein kollektives Verständnis setzt. Dies gilt für alle Bereiche, ob Gendern als Gerechtigkeitssymbol oder Agrardieselsubventionswegfall zur Bedrohung der Lebensgrundlage empfunden bzw. zu einem Prostestprozess hochstilisiert werden. So können sich Parteien (wie AFD, BSW …) aus Machtinteresse zum Vertreter aller subjektiv empfundenen Missachtungen von Interessen machen, die Emotionen als Aufstand gegen Herrschaft und Establishment verstärken und auch kräftig manipulieren. Damit die Probleme (Spaltung) schaffen, die zuvor nicht derart extrem existent waren.
Nun ist keine sachlich fundierte Kritik an der Bundesregierung vernehmbar, sondern es wird kritisiert, dass es verschiedene Vorstellungen innerhalb einer Regierung zum richtigen Handeln gibt. Fachlich scheint alles gut zu funktionieren, auch das Heizungsgesetz ist eine sinnvolle Sache. Trotzdem vermitteln die Medien, dass Deutschland auf die Katastrophe zusteuert, alles schlimm und schlecht ist, die Regierung gescheitert und voller Versager usw. und richten alle Überlegungen darauf, wie das arme Land, in dem es den meisten recht gut geht, aus all dem Schlamassel herauskommt. Vertrauensfrage, Neuwahlen, Rücktritt etc. Müssen Medien so berichten und damit auch Stimmung machen? Wäre nicht eine realistische Sicht auf unsere Gesellschaft hilfreicher und ein Eintreten für ein Sowohl-als-auch hilfreicher (wahrscheinlich auch umsatzstärker für die Medien) als das Denken und Propagieren des Gegeneinanders? (Siehe die Artikel in der Zeit über VOLT oder Oklahoma-City) Trauriger Höhepunkt waren die Auseinandersetzungen, Ausgrenzungen, Radikalisierungen, Diffamierung in der Coronazeit, die insbesondere auch von den Medien befeuert wurden und einen Scherbenhaufen hinterlassen haben. Es würde mich sehr freuen, wenn die ZEIT auch in Bezug auf die Bundesregierung genauer analysieren würde, was die Grundlage von Gegensätzen ist und wie sich diese bewältigen lassen. Welche Auffassungen und welches Verständnis in einen Findungsprozess einfließen und warum das unsere Gesellschaft repräsentiert. Die Gesellschaft in Deutschland wird sich weiter individualisieren und zersplittern. Das bedeutet nicht, dass es ein Gegeneinander geben muss. Eine Akzeptanz des Anderen ist ebenso möglich. Genau das zu fördern, wäre eine hilfreiche Aufgabe der Medien für Demokratie und Rechtsstaat.
Michael W. Geisler

Ich bin sehr enttäuscht darüber, dass auch Sie trotz der Mitarbeit zahlreicher Kollegen nicht bereit sind Artikel, noch dazu den Leitartikel in einer lesbaren korrekten Schreibweise zu verfassen. Der richtige Gebrauch von Konjunktionen und Nebensätzen gerät immer mehr in Vergessenheit. Was soll ein Gestammel wie: „Doch das wäre eine Bankrotterklärung der Ampel. Und des Kanzlers.“ Leider gibt es in dem Artikel noch zahlreiche ähnliche Beispiele. Wer lernt wo so zu schreiben? Es ist einfach nur noch traurig.
Winfried Materne

In der aktuellen Zeit ist Ihnen ein Fehler unterlaufen. Ob dies mit oder ohne Absicht geschah, vermag ich nicht zu beurteilen. Sie behaupten auf Seite 6, 3. Absatz folgendes: „FDP, SPD und Grüne kommen bundesweit zusammen auf weniger Prozentpunkte als die CDU/CSU“. Dies ist falsch. Die 3 Parteien bekommen nicht weniger, sondern mehr Stimmen als die CDU. Festgestelltes Ergebnis: SPD 13,9 % Grüne 11,9 % und FDP 5,2 %. Summe: 31,0 %. Die CDU / CSU bekommt 30 %. Auch wenn es gut in Ihre Argumentation passt: Bei der Wahrheit sollte man schon bleiben. Ich bitte Sie, dies klarzustellen.
Peter Michael Geierhaas

Sie schreiben, „nirgendwo, wirklich nirgendwo im ganzen Land, hat die Ampel. hat Olaf Scholz noch eine Mehrheit.“ Ergebnis Europawahl 2024 Hamburg: Ampelparteien 45,9 %, CDU 18,4 %, CDU einschl. AFD, Linke und Volt (alle über 5 %) 37.8 %. Auch ihre Verstärkung „wirklich nirgendwo“ ändert nichts an diesen Fakten. Noch nicht einmal am Sitz ihrer Zeitung sind sie richtig informiert. Ich habe den Eindruck, es passte in den Tenor ihres Beitrages, Olaf Scholz und die Ampel niederzumachen. Das ist unseriös. Wenn Kritik, dann bitte mit korrekten Fakten.
Paul Busse

Der Kommentar von Herrn Busse gibt mir Anlass, ins selbe Horn zu blasen. Unser Land ist ein Land der Meckerer geworden. Schauen Sie sich an, wo und was sich in unserem Umfeld ereignet. Wir benötigen keinen Showmaster als Kanzler, sondern kopfgesteuerte Menschen. Die unqualifizierten Angaben über Rankingpositionen unseres Landes sind völlig unpassend. Ein Drama daraus zu machen, dass unser BSP z.Z. nur um 0,2% steigt (und Herr Merz und Herr Linnemann daraus gar eine Katastrophe machen) ist nicht neutral und wenig zielgerichtet. Opposition machen, nur um die Regierung in Misskredit zu bringen, ist viel zu wenig. Bitte Fakten streng betrachten, Luft holen und dann schreiben!
Siegmund Lipiak

 


 

Leserbriefe zu „Über Radwege in Peru und die Angst vor zeichensetzenden Deutschen bei der Fußball-WM“ von Harald Martenstein im ZEIT Magazin

Muss ich mich eigentlich ärgern oder wundern über Ihre jüngste Kolumne? Sie waren also schon mal in Peru, soso. Ich eben auch nämlich auf Google Maps. Und siehe da, Lima ist potteben in weiten Teilen. Viele Autos, keine Fahrräder. Soweit erstmal zur Notwendigkeit, den Modalsplit zugunsten des Fahrrades zu verbessern. Geld aus Deutschland, das besser hierzulande auszugeben wäre…“Unser Land zuerst!“? Ist das Ihr Narrativ? Es geht allerdings mehr darum, dass die internationale Staatengemeinschaft zugesagt hat, Geld für Klimaschutz dort auszugeben, wo es ansonsten dafür fehlt. Haben Sie denn Ihre CO2-Emissionen im Griff, z.B. für Ihren Flug nach Peru?
Martin Falke

Ich finde es unverantwortlich, ein widerlegtes Gerücht zur sinnlosen Förderung von Radwegen in Peru immer und immer wieder zu wiederholen. Haben Sie nichts aus dem Erstarken der AfD, der Politikverdrossenheit der Jüngeren gelernt? Wieso müssen Fake News wiederholt werden und dann noch nicht mal richtiggestellt und in den Kontext gesetzt werden? Es geht nicht um Bergradwege für Spaßfahrten von Hochleistungssportlern, sondern ein Schnellwegenetz in der stark wachsendendne Hauptstadt, es geht um Emissionen, die nicht an Ländergrenzen haltmachen, es geht um verantwortungsvolles Unterstützen ärmerer Länder durch reichere. https://www.diesachsen.de/politik/zahlt-deutschland-wirklich-fuer-fahrradwege-in-peru-eine-aufklaerung-2907319Ja, das ist eine ironische Kolumne, aber Gerüchte immer und immer wieder zu wiederholen, führt einfach dazu, dass sie sich festsetzen.
Sonja Rümelin

Bisweilen gelingen Martenstein amüsante und geistreiche Anmerkungen zum Zeitgeschehen – immer öfter jedoch fragt man sich bei der Lektüre seiner Kolumne, wie es möglich ist, mit unterirdischem Schwachsinn bei einer Zeitung wie der ZEIT gutes Geld zu verdienen. So lässt er sich „mit Befremden“ darüber aus, dass aus dem Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit 44 Millionen Euro für den Bau von Radewegen in Peru bereitgestellt werden sollen. Dabei verweist er belustigt darauf, dass Peru zu großen Teilen aus einem Gebirge besteht mit Gipfeln von fast 7000 Metern Höhe, was den Unsinn des Projekts wohl illustrieren soll. Eine derartige Verdrehung der Tatsachen hat mit Satire nichts mehr zu tun und stellt Martenstein in eine Reihe mit populistischen Stimmungsmachern, die sich über „die da Oben“ empören und demokratiefeindliche Ressentiments schüren. Denn er verschweigt – mit Sicherheit wider besseres Wissen – dass der Radwege­bau in der küstennahen Metropolregion Lima (ca. 11 Millionen Einwohner!) dazu dienen soll, die peruanische Regierung bei ihren Bemühungen zu unterstützen, die Menschen von unerträglichem Lärm und schädlichen Abgasen zu entlasten und gleichzeitig einen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels zu leisten. Für die Verbreitung von „fake-news“ sollte sich die ZEIT zu schade sein!
Wolfgang Fischer

Laut Tucholsky darf Satire alles! Dabei müssen allerdings die Fakten, die der Satire zugrunde liegen, der Wahrheit entsprechen. Schade, dass Herr Martenstein für seine satirische Glosse fake-news einer ehemaligen Bundestagsabgeordneten der AfD weiter verbreitet. Demgegenüber halte ich es nicht für skandalös, wenn Deutschland tatsächlich im Rahmen der Entwicklungshilfe Peru zum Schutze der Umwelt zugunsten der Infrastruktur von Lima einen Kredit gewährt. Armes Deutschland!
Dieter Peschke

Da haben Sie sich wohl auf die imaginäre panamerikanische Velo-Route der AfD verirrt. Suchen Sie dazu ‚mal im Netz nach „Faktencheck Radwege Peru“ und klicken Sie die Tagesschau-Seite an. Auch die Seite der Kreditanstalt für Wiederaufbau ist interessant. Da sieht man, dass die zweite Tranche von 24 Millionen Euro als Kredit der KfW vergeben wurde. Aus Steuermitteln wurden die ersten 20 Millionen vor Jahren vom CSU-Minister gegeben. Das Projekt fördert den Bau von Velo-Routen nur in Lima. Große Teile von Lima liegen auf der Küstenebene. Was in Kopenhagen und Hamburg CO2 vermeidet, kann das in Lima dann doch auch! Ich fahre regelmäßig auf den Hamburger Velo-Routen. Machen Sie doch auch mit! Radeln lüftet den Geist, ich fühle mich handelnd in der Klimakrise, diskutiere Optionen und rutsche nicht so leicht in bodenloses Meckern ab.
Almut Stribeck

Wenn Martenstein den Eindruck erwecken will, dass Fahrradwege in Peru überhaupt keinen Sinn machen, dann ist das schlichtweg falsch. Wovon man sich leicht bei Google überzeugen kann: https://images.app.goo.gl/2WiaHGfL81k4tfp2A Im Ballungsraum der Hauptstadt Lima – an der Küste und am Fuße der Anden – leben 10 Millionen Einwohner. Ein Körnchen Wahrheit sollte doch auch in der Satire stecken. Sonst ist sie einfach nur blöd. Um die Entwicklungspolitik zu kritisieren, hätte man mit etwas Recherche bestimmt auch zutreffende Beispiele finden können.
Roland Schörry

Bevor sie auf den „Entwicklungszusammenarbeits-Bashing-Zug“ mit aufgesprungen sind, hätten sie sich auch etwas genauer über Hintergründe und Zusammenhänge der Projekte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit informieren können. Ich verstehe, dass Sie in ihrer Kolumne provozieren möchten, aber in Zeiten in denen große Teile der deutschen Bevölkerung das Vertrauen in die Politik verloren haben sollten Sie ihre Reichweite nicht missbrauchen, um dies durch Wiederholungen unqualifizierter Äußerungen zu verstärken. Wenn Sie sich das nächste Mal zu Projekten der deutschen Entwicklungszusammenarbeit äußern möchten, können Sie sich vorab z.B. hier informieren: https://www.bmz.de/de/fragen-an-das-entwicklungsministerium
Luisa Bergande

Polemik ist ja häufig sehr unterhaltsam. Wenn allerdings ein Thema, wie das der von der Bundesrepublik geförderten Radwege in Peru schon vor Monaten in einem völlig anderen Licht diskutiert wurde (Tagesschau Faktenfinder 23.01.24, siehe Link), braucht es meiner Meinung nach nicht noch einen Erguss dazu von Ihnen. https://www.tagesschau.de/faktenfinder/radwege-peru-entwicklungshilfe-100.html
Olaf Schroeter

Früher hat man gesagt „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ und das kann sicher nicht mehr Ziel unserer Politik sein. Als Moralapostel wird Deutschland die Welt auch nicht besser machen-soweit haben sie recht. Als Aufhänger dazu das Radwegeprojekt in Peru zu nutzen ist aber nicht nur populistisch. Sondern leider auch handwerklich mangelhaft. Eine oberflächliche Recherche oder Nachfrage bei ihren Redaktionskollegen hätte ergeben, dass es sich um ein umfassenderes Mobilitätsprojekt in der Millionenstadt Lima handelt, und das Peru 80% selbst zahlt. Solides Handwerk und Recherche schaden auch einem angesehenen und gern gelesenen Kolumnisten nicht. Quelle: https://eur06.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.kfw-entwicklungsbank.de%2FSDG-Portal%2FSDG-11%2FPeru%2F&data=05%7C02%7Cleserbriefe%40zeit.de%7C22b77f11644445040bd008dc8f69d536%7Cf6fef55b9aba48ae9c6d7ee8872bd9ed%7C0%7C0%7C638542932277506925%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C60000%7C%7C%7C&sdata=Tryz3Dmn%2F%2B%2FZPrW48de15s9HLlE3gKRSJBtSA4sCRuI%3D&reserved=0
Matthias Ertel

Ganz ehrlich: meist lese ich bei der wöchentlichen Zeit-Lektüre als erstes Ihre Kolumne. Journalistisch/sprachlich/rhetorisch einfach so hinreißend, dass ich Ihre den jeweiligen Objekten gewidmete Kritik gar nicht mehr so genau hinterfrage. Dass es zu letzterem aber gelegentlich Grund gäbe, vermutete ich schon länger, mit der Radwegesache in Peru ist es aber zu viel geworden. Es stimmt einfach nichts daran, außer der Höhe des Huascarán, die steht nämlich so nicht nur in Wikipedia, sondern auch in allen Atlanten, und unterschiedliche Angaben wären schon irgendwann aufgefallen. Sie reden von Radtouren, für die das Land ungeeignet sei. Wieso Radtouren? Das, was die UN im Auge hatte, als sie den 3. Juni zum World Bicycle Day erklärte, war der Beitrag des Radfahrens zu nachhaltiger Entwicklung, also den enormen sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Vorteilen des Radfahrens; nicht bei Touren, sondern im Alltag. Und der spielt sich nicht hoch in den Anden ab, sondern zunächst mal in Lima, wo schon mal über ein Viertel der Bevölkerung Perus lebt. Es ist Ihnen vielleicht nicht aufgefallen, weil Sie in den Anden waren, aber Lima liegt so in etwa 160 m Höhe, kann also für Radfahren nicht schwierig sein, wenn es denn Radwege gibt. Weiterhin ist für Sie Deutschland eine Supermacht der Entwicklungshilfe. Den Unterton kann man nicht überhören: „erst mal genügend Geld für die deutsche Polizei“. Für den CSU-Generalsekretär Huber „Wenigstens reden Sie nicht von 400 Millionen wie die AfD, aber auch die 44 Millionen lohnen ein genaueres Hinsehen, inwieweit diese Zahl allein für Radwege vorgesehen ist. Dass diese Gelder aber auch für ein Bus-System sind und weitgehend nur Kredite sind, die mit Zinsen zurückzuzahlen sind, wird verschwiegen. Im Übrigen: Dass das gerade jetzt hochkocht und der Ampel angelastet wird, ist seltsam. Sie springen da auf einen Zug auf, der von der CSU im Jahr 2020 auf die Schienen gesetzt wurde, und zwar vom damaligen Entwicklungsminister Gerd Müller / CSU. Er hat damals (sinngemäß) geäußert: „wenn wir glauben, unsere Geschäfte weiterhin auf dem Rücken der Menschen in den armen Ländern machen zu können, dann werden die eines Tages kommen und holen was ihnen zusteht“. Ein einleuchtendes Statement angesichts der Slums von Lima, für die – um zum Thema zurückzukommen – sicher Fahrräder sinnvoller sind als SUVs.
Lothar Braun

Ich habe einen Ohrwurm. Er will mir nicht mehr aus dem Kopf: „Wo fing das an? Was ist passiert? Was hat dich bloß so ruiniert?“ in endloser Wiederholung mit hämmernder Betonung aller Viertel im Schluss-Crescendo. Der Song von Die Sterne hat sich bei mir festgebissen, seit ich „Gute Zeichen, schlechte Zeichen“ von Harald Martenstein gelesen habe. Nun, was ist da passiert? Herr Martenstein schreibt über die mittlerweile längst sprichwörtlichen „Radwege in Peru“. Eigentlich bedeutet nur schon die Erwähnung dieser missliebigen Radwege, dass man sich als voreingenommener Haudrauf zum Thema Entwicklungsgelder fachlich disqualifiziert hat. Denn ständig werden diese Radwege in Unkenntnis der Zusammenhänge im Netz und in Reden, auch von Politiker:innen, als Paradebeispiel für die Vergeudung von Geldern im Entwicklungshaushalt angeführt. Wenigstens verwendet Herr Martenstein die korrekte Zahl, nämlich 44 Millionen. Doch dann wird es abenteuerlich. (Durch seinen Exkurs über Wikipedia will er eventuell nachdrücklich darauf hinweisen, dass wir uns im postfaktischen Zeitalter befinden. Bedeutet das auch, dass wir alles, was er im Folgenden schreiben wird, gefälligst nicht so auf die Goldwaage legen sollen? Oder bewegt sich eventuell die ganze Kolumne auf der Metaebene als Plädoyer für weniger Oberflächlichkeit?) Er war also schon mal in Peru, als Rucksacktourist. Na, dann! Es ist jedoch wirklich leicht herauszufinden, dass die Zuschüsse zum Ausbau von Radwegen nicht in den Anden, sondern in der Hauptstadt Lima verwendet werden. Und dort ist es bis auf einige Erhebungen flach. Es handelt sich um eine Unterstützung gemäß des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015. Lima ist vom Verkehr verstopft und voller Abgase. Für das von Herrn Martenstein genannte unwegsame Gebiet der Sierra gilt, dass auch dort Projekte zur Förderung des Radverkehrs existieren, z.B. das Projekt Baika, durch das Schulen Fahrräder zur Verfügung gestellt werden, damit Kinder aus Bergregionen überhaupt zum Unterricht kommen können. Diese Kinder sind übrigens keine „Hochleistungssportler“ und das Projekt ist bewundernswert und erfolgreich. Es gehört aber meines Wissens nach überhaupt nicht unter die von Deutschland geförderten Projekte.
Dass man grundsätzlich die Gelder, die das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung als Zuschüsse oder die KfW als Kredite ausgibt, kritischer hinterfragen sollte, ist völlig klar. Ganz sicher werden da ärgerlicherweise tatsächlich auch Projekte finanziert, die nicht die gewünschten Effekte erzielen und absurd erscheinen. (Wer weiß, ob das mit den Radwegen wirklich funktionieren wird? In Peru lieben nämlich viele Menschen ihre Motorisierung; der Verkehr ist ziemlich regel- und rücksichtslos. Wenige trauen sich bislang als Radfahrer in dieses Chaos. Aber dennoch sehe ich – drei Jahre habe ich dort gelebt und war auch mit dem Rad unterwegs – es als eine interessante und durchaus lohnenswerte Chance.) Wollte man jedoch garantieren, dass alle Gelder sinnvoll und effektiv ausgegeben werden, müsste man zuvor vermutlich in einem aufwendigen Prozess die Projekte über Jahre hinweg noch genauer prüfen lassen. Das könnte man machen, aber schon im Vorfeld würde das dann vermutlich Unsummen kosten. Ein kritisches Hinterfragen der Ausgaben an Entwicklungsgeldern ist extrem komplex, denn es spielt ja nicht nur der unmittelbare Erfolg des Projekts eine Rolle, sondern es geht auch, ganz grob angedeutet, um Entwicklungspartnerschaft, wirtschaftliche Zusammenarbeit, die auch deutschen Firmen Aufträge bringt, und um internationale Abkommen. Ich habe bislang im öffentlichen Diskurs, wie man so gerne sagt, noch nirgendwo eine wirklich differenzierte und vorurteilslose Analyse bzw. Kritik zu irgendwelchen Förderprojekten gelesen oder gehört. Ich hoffe doch, dass es solche gibt.
Zurück zu unserem wackeren Anwalt gegen das woke Linke. Herr Martenstein wählt für diese Kolumne drei Beispiele aus. Das zweite Beispiel, die Schulkurse für „positive Maskulinität in Ruanda“, führt er genüsslich ins Absurde. Vielleicht könnte das ja tatsächlich ein Musterbeispiel für die Verschwendung von Steuergeldern sein, ja sogar für eine, die diese verdammte woke Ideologie auf dem Gewissen hat. Wenn seine Aussagen stimmen, dann kann, ja dann muss man voll Empörung … Moment mal! Sein erstes Beispiel war hinsichtlich Fakten ja nun nicht so sehr gelungen. Ach, Schwamm drüber! Im dritten Beispiel geht es um „Gendertraining in China“. Ausgerechnet! Gendern und Martenstein sind ja nun nicht die besten Freunde. Auch hierbei scheint er darauf aus zu sein, dieses Projekt ins Lächerliche zu ziehen. Ob das, was er schreibt, stimmt, ist spätestens jetzt leider sekundär geworden. Postfaktisch geht es ihm um seine Message, nicht um sachliche Kritik. Ernsthafte und seriös recherchierte Auseinandersetzung mit dem Thema „Entwicklungszuschüsse und -kredite“ wäre die bessere und klügere Option gewesen.
Mir drängt sich die Frage auf, wieso er gerade diese Beispiele wählt. Und was hätte er noch wählen können? Irgendwas mit Elektromobilität oder veganer Wurst oder was zu LGBT oder – noch besser – was zur EM, zu den rosafarbenen Trikots oder zu verfemtem Nationalstolz oder zum Zeichensetzen für Toleranz, vielleicht zur Regenbogenarmbinde. Was wie plakative Spinnerei klingt, verwandelt Herr Martenstein in der Nachspielzeit seines Beitrags eiskalt ins rechte untere Eck. Respekt! Harald Martenstein bedient in dieser Kolumne üble populistische Klischees, Themen, die in ganz ähnlicher Weise von Rechtsextremen in den sozialen Netzwerken fleißig beackert werden und für empörte Aufschreie sorgen sollen. Dafür kann er nichts, es besteht aber auch keine Notwendigkeit, es denen gleich zu tun. Ich bin irritiert, enttäuscht und einfach auch traurig. Soll etwa Herr Martenstein der ZEIT als Quotenpopulist, als Kämpfer für das von Globalisierungsängsten gepeinigte Volk dienen, um den perfiden Vorwurf der regierungstreuen, woken Presse abzumildern? Dann sollte man seine Kolumne doch „Martensteins populistischer Aufschrei“ nennen – trotzdem oder weil ja gerade er eine inflationäre und kontraproduktive Verwendung des Begriffs „Populismus“ kritisiert. Ich habe seine Kolumnen übrigens mal gern gelesen und fand sie häufig geistreich und anregend, aber jetzt werde ich diesen verdammten Ohrwurm nicht mehr los. „Wo fing das an? Was ist passiert? Was hat dich bloß so ruiniert?“
Martin Schad

 


 

Leserbriefe zu „Der Sprung ins ganz hohe Alter“ von Philipp Daum

Erfreulich, dass am Ende doch die Zufriedenheit als wichtigster Maßstab herausgestellt wird. Ansonsten wird im Beitrag deutlich, dass „longevity“ eine weitere Facette des allgemeinen Trends der Selbstoptimierung ist. Das passt perfekt zur Zielgruppe „Senatorklasse Mensch“, um ein altes Zitat von Konstantin Wecker zu gebrauchen. Das eigene Ich scheint so wichtig und wertvoll, dass alles dafür getan werden muss, es so lange wie möglich zu erhalten. Und wenn es unweigerlich doch irgendwann dem Ende entgegen geht, dann am besten noch den Körper oder wenigstens das Gehirn per Kryokonservierung in eine erträumte Zukunft des ewigen Lebens beamen, wie kürzlich im Zeit-Magazin zu lesen war. Ich bin 67 Jahre alt, noch einigermaßen fit und beweglich, doch falls ich morgen von einem Auto überfahren werde und dabei zu Tode komme, ist das auch ok. Ich hatte bisher ein gutes und erfülltes Leben, ohne mich sklavisch an selbst auferlegte Optimierungsvorschriften zu halten, und ich träume auch nicht davon, unbedingt 120 Jahre alt zu werden.
Heinz Wohner

Im Angesicht aktueller Gräuel in unserer Welt sich über solch einen Blödsinn aufzuregen, den Philipp Daum hier über drei Seiten ausbreitet, hat schon etwas Nostalgisches: Das waren Zeiten, als noch darüber gestritten wurde, was im Leben sinnstiftend sei! „Möglichst lange leben“ war jedenfalls kein Selbstzweck! Zu diesem Zweck in einem hässlichen Kellerraum tagein tagaus gegen die Decke hopsen? Herr Daum denkt noch tiefer: „Was kann man tun, damit der Traum (vom möglichst langen Leben) wahr wird?“ Außer Sport (der, nebenbei bemerkt, die Lebenszeit in Gesundheit für viele selbsternannte Schicksalsgötter und Göttinnen durch Sportverletzungen und Unfälle drastisch verkürzt hat) soll auch Exorzismus helfen: die Austreibung von Butterbrezeln und Streuselkuchen aus unseren Wünschen! An solchem Stuss hatte man zuweilen seinen befremdlichen Zeitvertreib bei der Lektüre der Klatschblätter im Wartezimmer. Heute muss ich dazwischen die lesenswerten Artikel in der ZEIT zusammensuchen.
Kilian Rinne

Da ich selber die 100er Marke anpeile und sie vielleicht auch noch überspringen möchte, interessierte mich natürlich besonders Ihr Dossier “Der Sprung ins ganz hohe Alter”. Schmunzeln musste ich über die “Kraftanstrengungen” Ihrer Gewährsleute, speziell die der Influencerin Kristina Zeller, die mit Fitnessstudio, Nahrungsergänzungsmitteln (habe ich noch nie geschluckt), oder andere nachts Messgeräte tragen und mit sonstigem „Firlefanz“ krampfhaft versuchen, das Leben zu verlängern. Ich gehe es gelassener und einfacher an.
Siegfried Neubauer

Diese Verabsolutierung des Ziels „Langes Leben“ finde ich befremdlich, da diese Longevity-Freaks offensichtlich überhaupt keine äußeren Lebensumstände in ihre Planungen einbeziehen. Ein soziales Netz, worauf Sie am Ende des Textes verweisen, ist ebenfalls wichtig, vielleicht wichtiger als isolierte Selbstertüchtigung. Und möchte man bei evtl. vorzeitigem Tod der eigenen Kinder (Unfall, Krankheit, Verbrechen o. ä.) vieler anderer lieber Menschen, unter einer faschistischen Diktatur, auf einer fast nicht mehr bewohnbaren Erde, etc. wirklich 100 Jahre und älter werden??? Diese Annahme, dass bei möglichst frühzeitigem Trainings-Beginn bis zum späten seligen Ableben immer alles so bleibt, wie es ist, finde ich reichlich naiv. Und um dann, allem zum Trotz, ganz allein weiter am möglichst ewigen Leben zu werkeln, muss man schon sehr selbstverliebt sein.
Sabrina Hausdörfer

Ich verstehe nicht, warum so viele Menschen uralt werden wollen und sich dafür quälen. Es kommt doch nicht auf die Jahre an, sondern auf das, was man daraus macht.    Curd Jürgens, ein Filmstar der 50iger Jahre des vorigen Jahrhunderts, sagte: “ Gebt den Jahren Leben und nicht dem Leben Jahre!“ Er ist früh gestorben, hat aber nichts ausgelassen.  Oft sind die Anstrengungen zum sehr alt werden sogar schädlich. Mein Schwager führte ein asketisches Leben, gönnte sich nichts und lebte total gesund. Mit 60 Jahren fiel er beim Joggen tot um. Mein Mann wurde auch nicht alt, aber er hat intensiv und oft auch exzessiv gelebt, und wurde dabei immerhin 65 Jahre alt.  Unsere Jahrgänge gehörten ja den aufmüpfigen 60er Jahrgängen an und wir haben wirklich nicht gesund gelebt: Alkohol, mitunter auch Drogen, Sex, nächtelange Partys, alles, was ging. Mittlerweile bin ich 86 Jahre alt, und es geht mir gut. Ich habe eine nette Familie, Kinder, Enkel, Verwandte, viele Freunde. Ich lebe unabhängig von meiner Familie völlig autark. Meine Familie findet mich etwas crazy, das bin ich wahrscheinlich auch. Ich esse, was mir schmeckt und trinke, was ich will. Ich habe keine Angst vor dem Tod, schließlich habe ich mein Leben genossen, und wenn ich morgen sterbe, dann ist es gut so. Hauptsache, es war schön!
Ingrid Grenzmann

Mein Tipp: Früh anfangen maßvoll zu leben. Entweder so weit wie möglich aktiv entspannt oder anstrengende Phasen durch entspannende ausgleichen. Und: Ein hohes Alter nicht durch Höchstleistungen welcher Art auch immer erreichen wollen.
Christoph Müller-Luckwald (80)

Beim Lesen geriet ich in ein Wechselbad der Gefühle von Staunen über Ärger hin zur Versöhnung. Welch ein Vorbild ist die porträtierte Mutter für ihre Kinder auf ihrem Egotrip? Wo bleibt die Freude am geschenkten Tag, wenn immer die Frage der alterslosen Zukunft im Raum steht? Sind soziale Kontakte auf die sogenannten sozialen Netzwerke beschränkt, mit denen sich Geld verdienen lässt? Selbstverständlich sollen wir unseren Körper und Geist nicht vernachlässigen. Aber wir sind Geschöpfe Gottes und es ist anmaßend zu denken, wir hätten unser Leben und Sterben ganz und gar selbst in der Hand. Zu meiner Erleichterung spannte der Autor, Philipp Daum, schließlich den Bogen zum sozial verträglichen Altern. Ein wunderbares Beispiel des sportlichen 80jährigen, der sich um seine Fitness kümmert, sich aber auch in der politischen und kirchlichen Gemeinde engagiert, der gerne arbeitet und das Zusammensein mit Familie und Freunden pflegt. Schließlich bestätigt die zitierte Harvard Studie, dass lebenslange soziale Beziehungen unser geistiges und körperliches Altern besser begleiten und verzögern können als die krampfhaften einzelgängerischen Verrenkungen.
Christine Schlieter

Das, was in einem humanen Maße (und mit Zugang für alle) erstrebenswert ist, nämlich die Abkehr von industriell zu Tode verarbeiteter Nahrung und die Etablierung gesunder Ernährung mit Respekt vor Natur, Tier und Mensch, wird zu einer elitären und narzisstischen Zwangsstörung, die den eigenen Körper wie ein Goldenes Kalb umtanzt und die ausblendet, dass der Mensch in erster Linie ein Gemeinschaftswesen ist, das in seiner Vergänglichkeit Verbundenheit, Solidarität, Freude und Liebe braucht. Die Frage, wie wir als Gemeinschaft leben wollen und was wir als Menschen brauchen, wird nur im letzten Satz aufgegriffen, wenn der Blick auf die Familienfotos des fitten 80jährigen fällt. Vorher drei Seiten Platz für die verblendeten Fantasien einer wohlhabenden Elite, die sich für auserwählt hält, ihre individuelle Lebensspanne so auszudehnen, dass die Schere zwischen arm und reich, zwischen gesund und krank noch weiter auseinanderreißt.
Dorothee Menden

Ich kann mir nicht vorstellen, mein Leben nur der Lebensverlängerung mit Sport und mit Nahrungsmittelergänzungen zu leben.  Uns genügt es, einige altersgemäße Gymnastikprogramme mitzumachen, dazu Gartenarbeit, die Wege der Erledigungen zu Fuß bzw. per Rad zu machen und auf eine ausgewogene Ernährung zu achten. Ein Leben zu führen wie Kristina Zeller – absolut nein. Und auch dem Herrn Friedhelm Adorf nachzueifern ist nicht in meinen Intentionen
Alfred Pretzler (84)

 


 

Leserbriefe zu „Sollen wir Flüchtlinge nach Ruanda schicken?“ Streit von Gerald Knaus und Marcus Engler moderiert von Simon Langemann und Mark Schieritz

Die Diskussion ist bezeichnend dafür, warum wir in der Migrationsdebatte nicht weiterkommen. Wer sein Herkunftsland aus dem legitimen Grund verlassen muss, Schutz vor Verfolgung, Krieg usw. zu suchen, wird im Völkerrecht anders behandelt als jemand, der zu seinen Angehörigen will oder Arbeit sucht. Das Völkerrecht zieht diese klare Trennung zwischen Flüchtlingen und Migranten. In Deutschland hat die Verwässerung dieser Trennung nun zu einer generellen Ablehnung von Ausländern geführt und schadet somit denen, die Hilfe so dringend bräuchten: den Flüchtlingen. Unsere moralische Verpflichtung, Flüchtlingen Schutz zu gewähren hat also zur Folge, dass wir irregulärer Migration entschlossen entgegentreten müssen.
Michael Reichert

Ziel des Türkeideals waren weniger Flüchtlinge und weniger Tote im Mittelmeer. Als Vorbild nur tauglich, wenn alle Fluchtruten entsprechend gesichert würden, faktisch also alle Länder Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens. Bei den instabilen politischen Verhältnisse nahezu unmöglich, wie das Beispiel Tunesien zeigt. Und wer mit Drittstaatenlösungen sympathisiert, verabreicht nur Beruhigungspillen. Eine Chimäre und ein Armutszeugnis für Knaus als Protagonist, hunderttausende ausfliegen zu wollen, die schon am Schlagbaum stehen, von den rechtlichen Hürden (Rechtsweggarantie) ganz abgesehen. Kurzum ein weiterer Versuch ohne Erfolgsaussichten wie schon seit 30 Jahren. Irgendwann wird die Einsicht reifen, dass die in der Nachkriegszeit ersonnen edlen Modelle mehr und mehr die Gesellschaft vergiften und spalten. Die Antwort kann nur in einer Radikalreform bestehen, auch wenn manche das frösteln lässt.
Christoph Schönberger

Erweiterter Realitätscheck zu tödlichen Fluchtmodellen: Lt. Frontex kamen im 1. Hj. 2023 die gleiche Zahl an Flüchtlingen aus Venezuela, Columbien und Peru nach Europa wie aus ganz Schwarzafrika. Die einen sicher bei Visafreiheit mit regulären Verkehrsmitteln, die anderen auf unsicheren und oft tödlichen Fluchtwegen. Nicht einmal die von der Bundesrepublik als sichere Herkunftsländer ausgerufenen afrikanischen Länder Ghana und Senegal haben nach 30 Jahren bis heute sichere Zugangswege erhalten. Was sagen Herr Kauder (und Sponsor Spahn) denn dazu? Zur UNHCR und Ruanda: Da vermisse ich von Herrn Kauder nach fünf Jahren Praxis eine etwas konkretere Einschätzung als nur ein „Etikett“. Nur Abschreckung ohne jede faire Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern wird im Übrigen nicht funktionieren.
Martin Hommel

Was bei dem Streit völlig unter den Tisch gefallen ist: In Deutschland gilt noch Artikel 16 des Grundgesetzes, der politisch Verfolgten Asyl gewährt – und das selbstredend nicht in Ruanda. Offenbar ist die Verfassungsänderung zur Abschaffung des Asylrechts, die Voraussetzung für eine „Ruanda-Lösung“ wäre, schon eingepreist – es wird jedenfalls gar nicht mehr nach Lösungen gesucht, die Masseneinwanderung mit verfassungskonformen Lösungen zu steuern. Im Prinzip könnte eine großzügigere legale Einwanderung eine solche Lösung sein – Herr Knaus übersieht aber, dass die rechte Mitte, die jetzt in Europa zur dominierenden Kraft geworden ist, genau das nicht will. Gerne wird immer wieder in Sonntagsreden davon geredet, mehr legale Einwanderung zu ermöglichen – getan wird aber wenig. Die Hürden – etwa bei der Anerkennung von Studienabschlüssen und Berufserfahrungen sind immer noch viel zu hoch – und das ist auch so gewollt. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz von 2023 geht immer noch von der Fiktion aus, dass wir unseren Fachkräftebedarf vor allem mit gut verdienenden Spezialisten decken können, die dann in ihren Ländern fehlen; zu Stimulierung einer Einwanderung gemäß dem europäischen Bedarf (etwa bei der Pflege) ist es daher nicht geeignet. Mit dem Erfolg der Rechtsextremen bei der Europawahl sehen sich die Konservativen in ihrer jahrzehntelangen Abwehr einer „Einwanderungsgesellschaft“ (wieder) bestätigt. Ihr erstes Opfer wird daher Artikel 16 GG sein, da die linke Mitte in dieser Frage den Kampf um „europäische Werte“ offenbar klammheimlich aufgegeben hat.
Dirk Kerber

Im Gespräch wird die Phrase „In die Boote steigen“ auffallend oft genutzt. Und auffallend unreflektiert. Bevor jemand „ins Boot steigt“ wird Kriminellen zunächst einmal ein Betrag gezahlt, der in den Herkunftsländern zur Gründung einer Existenz reichen würde. Für eine Fahrradreparaturwerkstatt, für ein Stück Land etc. etc. Das Verlassen der Herkunftsländer führt dazu, dass diese Menschen mit Geld und Initiative verlieren. Das weniger Menschen und weniger Geld für die Verbesserung der Lebensverhältnisse vor Ort zur Verfügung stehen und mehr Geld in den Händen von Kriminellen landet. Wenn Herr Engler behauptet, dass die Leute „in die Boote steigen“, weil sie „keine anderen Optionen haben“, ist das nicht mehr nur billiger Populismus. Es ist jene Art der Erfindung „alternativer Fakten“, die unseren politischen Diskurs vergiftet und leider – wie das Beispiel von Engler zeigt – kein Alleinstellungsmerkmal der Rechtsextremen ist. Von den Moderatoren der ZEIT hätte ich mir hier eine analytisch klarere und kritische Haltung gewünscht. Und vom Staat wünsche ich mir, dass er Demagogen wie Engler nicht mit meinen Steuergeldern finanziert.
Thorsten Brandes

Nun, Ruanda mag kein Paradies sein, aber es gewährt den notwendigen Schutz. Willkommene Migration nach Europa kann auch von Ruanda aus stattfinden. Wichtigster Effekt ist, dass Wirtschaftsflüchtlinge abgeschreckt werden und damit die Zahl der Flüchtlinge drastisch sinken wird. Abschiebungen aus Europa sind kaum möglich, wie wir erleben. Nach Ruanda geht nur, wer wirklich ein ernsthaftes Problem hat. Die beiden Herren – insbesondere Herr Egler – sollten auch den Wählerwillen der Europäer zur Kenntnis nehmen, wir sind ja eine demokratische Union. Die andauernden Massenflüchtlingsströme werden von einer Mehrheit als Überforderung angesehen und ein immer größerer Teil möchte, dass dies aufhört. So sehen viele Menschen, die nichts mit irgendeiner braunen Soße zu tun haben, die einige Möglichkeit ihren Wunsch verwirklicht zu sehen darin, AFD oder vergleichbare Parteien zu wählen. Wenn also Lösungen wie Ruanda nicht rasch verwirklicht werden, werden Parteien wie AFD weiter Zulauf bekommen. Sowohl Herr Egler als auch Herr Knaus befürworten eine Seenotrettung. Dabei sollte sich die Weltgemeinschaft überlegen, ob ein vorsätzliches In-See-stechen mit einem seeuntauglichen Wasserfahrzeug eine Seenotrettung bedingungslos rechtfertigt. Außerdem muss klar sein, dass ein Teil der so genannten Seenotrettung eher einer Transportleistung entsprach: es wurde abgewartet bis rettende Schiffe anwesend waren, dann wurden diese gezielt mit seeuntauglichen Wasserfahrzeugen angesteuert.
Christian Voss

Einer der Gründe, dass in Europa ein Erstarken des rechten Lagers zu verzeichnen ist, sind die fortwährenden Einladungen an Flüchtende: „Kommt her wir brauchen euch alle“, mit dem Resultat, dass die, die sich dann in der täglichen Praxis mit den Folgen konfrontiert sehen, eher in Fatalismus verfallen, als die Arme weiter auszubreiten. Aber forschen sie nur ruhig weiter und beharren auf ihren Ansichten. Herr Knaus hat es treffend festgestellt, es gibt ein Recht auf Schutz aber keines auf Migration. Aus ideologischen Gründen wird das von ihnen negiert. Wenn wir uns nicht allmählich ehrlich machen und anerkennen, dass eine absolute Mehrheit in Europa nur eine streng gesteuerte Migration befürwortet, dann werden es rechte Mehrheiten mit weitaus drastischeren Mitteln umzusetzen wissen. Damit ist am Ende niemandem geholfen, den Flüchtlingen nicht und unseren Demokratien schon gar nicht. Forschen sie gern einmal zu den Ansichten unserer Erstwähler zwischen 16! und 25, die der AfD mit 17 % ihre Stimme gegeben haben und deren Begründungen…
Thomas Harnisch

Erstens sollte sich die Ampel-Regierung selbst an die gültigen Gesetze halten und diese strikt umsetzen, dann wären so gut wie keine Asylanten in Deutschland. Zweiten sollte die Ampel sämtliche Vergünstigungen abschaffen, die für die Asylanten der Anreiz Nummer Eins sein dürfte, um nach Deutschland zu kommen und nirgends anderswo hin. „Das deutsche Asylrecht lässt zu, dass angeblich Verfolgte im „Verfolgerstaat“ Urlaub machen.“ Dieses Zitat stammt vom deutschen Politiker und CDU-Mitglied Heinrich Lummer (1932-2019)
Klaus P. Jaworek

 


 

Leserbriefe zu „Not in my Villenviertel“ von Charlotte Parnack

Das in Hamburg die Stadtteile und das Wohnen und Leben vom Geldbeutel abhängig ist und wer sich etwas Luxus leisten kann, der möchte gern unter sich bleiben. Wer die Gesellschaft weiter spalten will, der darf- keinen Zaun- um Klein- Flottbek oder Blankenese bauen. Nicht vor meiner Haustür, das ist schon bei den Windrädern, ein Problem. Eine ganze „Zeit – Seite“ wird nun alles im Detail vorgestellt – doch die gesellschaftlichen Zielkonflikte sind damit nicht gelöst. Angst vor der AFD – ist keine gute Grundlage, um den sozialen Frieden in einem Stadtteil von Hamburg zu sichern.
Thomas Bartsch Hauschild

Mit Interesse habe ich beide Artikel gelesen. Die Welt der Reichen ist nicht meine Welt und ich möchte gerne wissen, wie solche Leute denken und handeln. Die Zeit informiert immer mit viel Hintergrund und lässt unterschiedliche Menschen zu Wort kommen. Deswegen finde ich die Kritik „So jemand sollte hier nicht zu Wort kommen /frei reden dürfen“ völlig unangemessen. Schon im antiken Rom gab es den Rechtsgrundsatz „audiatur et altera pars.“ Heute nötiger denn je! Meine Meinung bilde ich mir dann nach der Lektüre selbst und fühle mich gut informiert: danke, ZEIT! Zum Thema Flüchtlingsunterkunft und Argumente dagegen: Ein Satz fiel mir auf „Er zeigt einen Parkplatz um die Ecke, den er für viel geeigneter hält.“ Mich hätte interessiert, ob das eine praktikable Alternative wäre. Ich arbeite selbst in einem Kommunalparlament auf unterster Ebene und finde solche Bürgeranregungen wichtig und immer prüfenswert. Trotzdem bleibt die Frage, ob nachvollziehbare Gründe vor allem angeführt werden, um schlicht die Unterkunft zu verhindern. Ähnliche Argumente kenne ich aus meinem Ehrenamt gut, z.B. soll die gehbehinderte Nachbarin doch mit dem Auto zur Reinigung fahren können und deshalb darf auf einer an sich breiten Straße kein Ausbau des Radwegs erfolgen. In Wirklichkeit ist es die – berechtigte – Angst vor Verlust von Parkplätzen im öffentlichen Raum.
Ein ähnlicher Fall kürzlich in München: Die populistische Verhinderung der Tramverbindung durch den Englischen Garten durch die CSU-Landesregierung, v.a. wegen massiv auftretender Bürgerinnen und Bürger. Letzteren ging es aber vor allem darum, die Tram vor ihrer Haustür zu verhindern – u.a. wieder die Parkplätze! Die CSU hat sich bereitwilligst auf diesen Fall gestürzt, es war ja eine gute Gelegenheit, der ungeliebten grünroten Stadtregierung Münchens eins auszuwischen. Seehofers Zusage vor zehn Jahren war Söder 2024 nichts mehr wert. Pikant: Diejenigen, die tatkräftig mitgeholfen haben, die 2,4 km neue Tram über eine bestehende Straße und damit den genialen Lückenschluss im Münchner Tramnetz verhindern, machen sich jetzt stark für ein Bauwerk im Englischen Garten, für das statt 19 dann Hunderte von Bäumen im Englischen Garten fallen würden, das 17 m in die Tiefe reicht (d.h. tief ins Grundwasser in der hochsensiblen Flussaue!), für das neue Zufahrten gebaut werden müssten – also eine weitere massive Versiegelung, das den Trambau um Jahre verzögert, wegen kompletter Neuplanung, und ihn viel teurer macht, weil doppelt so viele Gleiskilometer gebaut werden müssen, um nur die wichtigsten Punkte zu nennen. Neu ist die Idee auch nicht… https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-englischer-garten-mittlerer-ring-isarring-tunnel-hermann-grub-petra-lejeune-tram-nordtangente-lux.NsTMpzeeUGYpEax8EUqp5Y
Die Vorstellung, den Englischen Garten oberirdisch wieder mit dem Nordteil zu verbinden, ist charmant, und wird auch von der bayrischen Schlösser- und Seenverwaltung favorisiert. Kosten und v.a. Risiken für die Natur stehen aber in keinem Verhältnis zum Nutzen. Darum hatte der Münchner Stadtrat den „Gartentunnel“ Ende 2022 ad acta gelegt. Eine Grünbrücke, die wesentlich günstigere Möglichkeit, den Englischen Garten wieder zu verbinden, blockiert übrigens der Denkmalschutz.
Barbara Epple

Herr Reich und seine Mitstreiter*innen mögen eigennützig handeln, weil sie um Ruhe und Frieden im Viertel fürchten, aber unbesehen alle Flüchtlinge ins Land zu lassen, wie es wohl diejenigen wollen, die die Veranstaltung im Gymnasium Christianeum gekapert haben, kann meines Erachtens auch nicht die Lösung sein. Das würde die Bevölkerung Deutschlands finanziell und mental überfordern und die Integration der Flüchtlinge aufgrund der schieren Menge verunmöglichen. Zwar braucht Deutschland wegen des demografischen Wandels Zuwanderung, und auch unter den Flüchtlingen mögen viele sein, die Deutschland guttäten, aber andererseits möchte jedenfalls ich nicht, dass Muslime, die an ihre moralische Überlegenheit über alle „Ungläubigen“ glauben, oder Männer, die von der Minderwertigkeit der Frauen überzeugt sind, oder Lesben- und Schwulenhasser*innen nach Deutschland einwandern. Eine Auswahl unter solchen Gesichtspunkten und nicht nur nach der Nützlichkeit für den Arbeitsmarkt halte ich für angebracht. Es sind nun einmal auch nicht alle Flüchtlinge edel, hilfreich und gut. Und wer verhindern will, dass die Rechtsextremen immer stärker werden, muss das Problem der irregulären Migration lösen.
Ulrich Willmes

Es ist natürlich legitim gegen eine Flüchtlingsunterkunft im eigenen Quartier zu sein. Jedoch ist es auch erforderlich, Flüchtlingsunterkünfte angemessen zu verteilen. Denn nur dann schaffen wir es. Es darf eben nicht sein, diese nur in den finanzschwächeren Gebieten unserer Stadt anzusiedeln. Sorgen und Ängste dort, ob begründet oder unbegründet, sollten genauso respektvoll behandelt werden wie in den finanzstärkeren Stadtteilen. Not in my Hochhaussiedlung. Probleme treten dort ohnehin schon verstärkt auf. Aus mangelnden Sprachkenntnissen resultierende Probleme in Schulklassen bspw. oder der auftretende Wohnungsmangel in finanzschwächeren Stadtteilen. Schließlich dürfte die Sozialbehörde eher eine Wohnung in Billstedt als in Blankenese finanzieren. Am besten wäre es ohnehin, Fluchtursachen zu bekämpfen, das würde unnötiges Leid in betroffenen Regionen mildern oder gar verhindern und dadurch letztlich auch Probleme in Zielländern mindern.
Reiner Gorning

Dazu kann ich nur allen Herrn Reichs von Hamburg bis München sagen, auch Ihr müsst enger zusammenrücken. Im Ruhrgebiet, beispielsweise bei uns in Essen gibt es jede Menge solcher Unterkünfte unter ähnlichen Bedingungen wie im Artikel geschildert. Dass hier aber gleich Bürgerinitiativen gegründet werden, wüsste ich nicht. Wir leben in außergewöhnlichen Zeiten in denen Städte auch mal an die Grenzen der Belastbarkeit kommen. Wenn Herr Reich wirklich meint es fehlen ein Spielplatz für die Kinder der Geflüchteten, warum stellt er dann nicht ein Stückchen seines vermutlich riesigen Gartens zu Verfügung? Das klingt wahrlich nicht nach wirklicher Besorgnis um die Belange der Geflüchteten, sondern eher um die eigenen: das schöne Villenviertel wird verschandelt.
Stefan Burda

„Es hat eben seinen Preis, wo man steht“ – so endet der Artikel zur geplanten Unterkunft für Geflüchtete in Flottbek. Ich möchte gerne hinzufügen: Und manche können sich aussuchen, wo sie stehen wollen – andere nicht. Sie fragen sich, wie politische Debatten noch geführt werden können und zeigen auf, wie es besser nicht geschehen sollte: Einseitig. Einer Person, deren Auftreten von Unbekannten finanziert wird den Raum zu geben, sich selbst und die fadenscheinige Argumentation darzustellen, trägt wenig zu echtem Diskurs bei. Versehen mit einigen Falschinformationen, die wieder nur weiter Unmut bei denen streuen, die sich ihre eigene Meinung noch nicht bilden konnten. Es bleiben Parkplätze für Menschen mit Behinderung bestehen. Direkt am botanischen Garten. Und der Rest darf einmal die Straße überqueren, das ist wohl zumutbar. Das ist keine geheime Information und ich schätze Herrn Reich klug genug, diese auch wahrgenommen zu haben. Von Diskriminierung betroffene Gruppen gegeneinander auszuspielen, um eigene Interessen zu verfolgen: ganz schlechter Stil würde ich meinen. Oder eben Taktik einer elitären Gruppe, die ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen im Sinn hat. Wer finanzielles Kapital investiert, um sich eine „Bürgerinitiative“ zu kaufen, untergräbt eher demokratische Prozesse, hat offensichtlich kein Interesse an politischem Diskurs und setzt sich damit vor allem für nur eine Personengruppe ein: die Eigene.
Marie Meyer

Der Bericht berührt einen zentralen Punkt: Wir leben in einer dauerhaften Notsituation. Das ist angesichts der Anzahl der Menschen, die zu uns kommen, nicht verwunderlich. Viele Bürger hätten gerne eine Antwort auf die Frage, wie denn der absehbaren Notsituation von morgen vorgebeugt wird. Der irgendwie desaströse Kommentar des ansonsten eher eloquenten Herrn Kühnert nach den letzten Landtagswahlen – mit jeweils starken Zuwächsen für die AfD: „Wir haben verstanden. Aber illegale Migration lässt sich halt nicht begrenzen“. Wen wundert‘s angesichts eines derartigen Offenbarungseides der Kanzlerpartei, wenn die Wähler nach „Alternativen“ suchen?
Christian voll

Der Stil von Frau Charlotte Parnack gefällt mir nicht. Natürlich eignet sich ein Anwalt mit Namen Reich (nomen est omen) wunderbar zur „Elitenkritik“, so wie heute modern, vorzubringen. Hier springt Frau Parnack zu kurz und es ist unter der Würde der Zeit, einen steuerzahlenden sich engagierenden Bürger und seine Bürgerinitiative in so eine Art Schmuddelecke zu drängen und mit der Suffgesellschaft von Sylt zu vergleichen. Übrigens es gibt sehr wohl in Othmarschen, keine 2 km entfernt vom Botanischen Garten, seit Jahren eine Flüchtlingsunterkunft an der Bernadotte Str. Meine Meinung ist, der Platz ist total ungeeignet, u.a. auch wegen der Statue des nackten, hässlichen Adams, der dort 3 m hoch seit 1968 in den Himmel ragt, und um den es schon damals große Aufregung unter den Anwohnern gab. Der würde nun den Muslimischen Flüchtlingen täglich mit seinem nackten Gemächt vor Augen sein.  Im Übrigen stehen dort seltene Bäume und Sträucher, für deren Entfernung ein einheimischer Bürger nie eine Erlaubnis bekommen würde. Wenn es nicht anders geht, würde der große Parkplatz hinter dem Botanischen Garten am Hemmingstedter Weg wesentlich besser passen. Von dort zum EEZ sind es nur 3-400 m und zu den Schulen an der Osdorfer Landstraße weniger als 2 km. Last but not least bürgert sich eine staatliche Willkür ein gegen die Bürger. Erst wird entschieden und danach gibt man den wahlberechtigten Bürgern die Chance nochmal Frust abzulassen. In gewisser Weise läuft das neuerdings so ab wie in China, besonders im Bezirk Altona. Aber seien Sie sicher, die nächste Wahl kommt bestimmt und der Souverän wird sich erinnern! Damit kein falscher Eindruck aufkommt, meine Familie und ich haben 2016 einen minderjährigen Flüchtling aus Syrien aufgenommen, der uns sehr ans Herz gewachsen ist, seine Schule und Ausbildung gemacht hat, inkl. deutsch 4 Sprachen fließend spricht, einen unbefristeten Arbeitsvertrag in Hamburg bei einer renommierten Firma hat, seine Steuern zahlt und Anfang des Jahres zu Recht seine deutsche Staatsbürgerschaft erhalten hat.
Thomas Schwieger

 


 

Leserbriefe zu „Im Osten funktioniert die Demokratie anders“. Gespräch mit Steffen Mau geführt von Tina Hildebrandt und August Modersohn

Mit meinen 30 Jahren Kommunalpolitik in Thüringen machen mich die Vorschläge zur Stärkung der Demokratie von Steffen Mau verdrießlich. Erstens funktioniert die Demokratie auch im Osten, auch wenn die Parteien schwach aufgestellt sind. Zweitens sind die Bürgerräte seit vielen Jahren von den Linken dominiert und untergraben die Willensbildung die Parteien. Die linke Räterepublik ist nicht erwünscht! Das Landesparlament auch durch Auslosen zu besetzen ist ein vollkommen unsinniger Versuch, unerwünschte Parteien klein zu halten. An unsinnigen Ideen und solch linker Humorlosigkeit kann man erkennen, dass West und Ost doch nicht so unterschiedlich sind. Nach meiner Erfahrung tun Musiker, Soziologen und Sozialpädagogen der Politik in ganz Deutschland nicht gut.
Fred Klemm

Die ausschließliche Betonung der Spaltung in Ost und West ist schlichtweg falsch. Wir müssen auch mal die vielen Aktivitäten der produktiven Zusammenarbeit erwähnen. Nicht ein Wort zu diesen positiven Aktivitäten. Ein kleines Beispiel: Ich selbst habe schon im Oktober 1989 in Leipzig mit der dortigen Universität vertrauensvoll meine Dr.-Arbeit über die DDR vorbereitet. Dann habe ich von 2018 bis 2023 mit der Psychiatrischen Klinik der Universität Jena sehr gut zusammen gearbeitet, natürlich dort auch mit vielen ostdeutschen Kollegen:innen. Ich plädiere dafür, an den bewundernswerten Schwung aus der Wendezeit 89/90 gerade heute im Rahmen der 75-Jahr Feier des Grundgesetzes zu erinnern, anstatt ständig in der hypnotischen Trance der Spaltung depressiv zu verharren.
Lothar Schattenburg

Im Osten funktioniert die Demokratie anders, nämlich als „Demokratie der Straße“? Da muss ich bitter auflachen. Meine Erfahrung der letzten Wochen ist eher, dass undemokratische „Regeln der Straße“ das politische Leben hier im Osten substanziell mitbestimmen – von gezielten Einschüchterungsversuchen politischer Gegner per Wahlplakat bis hin zu gewalttätigen Aktionen. Statt per Los bestimmte Bürgerräte zwangsweise zu Politikerinnen und Politikern zu machen, wie es Herr Mau vorschlägt, sollten wir die Arbeit der Orts- und Stadtteilbeiräte unterstützen und ihre Erfolge wertschätzen. Ich jedenfalls freue mich, im Stadtbezirksbeirat Dresden-Blasewitz in den kommenden fünf Jahren meinen Teil dazu beitragen zu dürfen!
Anne-Katrin Haubold

Gerade las ich Ihren Artikel. Vielen Dank dafür – und es fielen mir ca. 1000 Kommentare ein. Ich belasse es aber bei einer Frage: wieso genau ist Dresden die Heimatstadt der Selbst(ver)achtung? Und wessen Selbst(ver)achtung? Das ist wirklich eine ernsthafte Frage, da ich den Inhalt des Artikels weitestgehend neutral und gut finde. Ich muss ja nicht jede Meinung teilen; und dass die Wiedervereinigung komplett und unheilbar daneben gegangen ist, dazu braucht es jetzt auch nicht meinen Senf.
Thomas Kunert

Das Anderssein der Ostdeutschen in Sachen Demokratie, so wie es Steffen Man beschreibt, kann man gut nachvollziehen. Zwei Generationen hat die Einheitspartei SED bestimmt, was fürs Volk gut ist. Jetzt traut man keiner Partei mehr, will selbst festlegen, wo’s langgeht. Bürgerräte sind der erste Schritt dahin, die ersten 20 bundesweiten Bürgerräte mit weit mehr als 200 Empfehlungen an die Bundesregierung zeigen es. Aber es darf nicht bei Empfehlungen bleiben. Der Bürgerrat DEMOKRATIE ist mit seinen Formulierungen sehr vorsichtig. Er sagt u.a.: „Unsere bewerte parlamentarisch-repräsentative Demokratie soll durch weitere Elemente der Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie ergänzt werden.“ Und „Die Regierung muss sich zu Empfehlungen der Bürgerbeteiligung verpflichtend äußern.“ Die 22 Empfehlungen (mehr darüber auf https://demokratie.buergerrat.de/dokumentation/) wurden Wolfgang Schäuble im September 2019 überreicht, beschlossen wurde bis heute nichts. Soweit man hört, haben sich einige Unterausschüsse inzwischen damit beschäftigt. Aber hat sich unsere parlamentarische Demokratie wirklich bewährt? Die Politikwissenschaftlerin Helene Landemore an der Universität Yale ist ganz anderer Meinung. In ihrem Buch OPEN DEMOCRACY stellt sie fest, dass die heutige Demokratie eine Fehlkonstruktion aus dem 18. Jahrhundert sei.
„Die Berufspolitiker sind eine Minderheit mit eigenem Kalkül und beschränktem Blickwinkel. Narzissten und Psychopaten sind dort überpräsentiert.“ Sie fordert eine Bürgerdemokratie, eine Demarchie, ähnlich wie im alten Griechenland. So stellt sich auch Timo Rieg unsere künftige Demokratie in seinem 2013 erschienenen Buch DEMOKRATIE FÜR DEUTSCHLAND und David Van Raybrouck in seinem Buch WAHLEN SIND UNDEMOKRATISCH 2016 vor. Und wenn wir gerade beim Revolutionieren sind, sollte man auch gleich eine Gemeinwohl-Wirtschaft einführen, wie Fabian Scheidler in seinem Buch CHAOS 2017 vorschlägt. Der Weg dorthin ist lang und schwer. Vielleicht schafft es die Generation Z? Zunächst einmal müssen die Berufspolitiker überzeugt werden, dass ihre Zeit vorüber ist. Am 14.3.24 wurden die Empfehlungen des Bürgerrats ERNÄHRUNG IM WANDEL dem Bundestag übergeben. Gero Clemens Hocker (FDP) bezeichnete die Kompetenz der Teilnehmer (auch wenn sie durch Fachleute eingewiesen und begleitet wurden) als minderinformiert wie jede andere Bürgerbewegung. Und Philipp Amtor (CDU) meinte gar: „Unser parlamentarisches Regierungssystem steht unter großem Druck. Unter dem Druck der Entparlamentarisierung.“ Es ist noch ein langer Weg. Aber auf ihm können die demokratischen Ungleichheiten zwischen Ost und West ausgeglichen, die vielen Querelen zwischen den Parteien und das Problem AFD nebenbei gleich miterledigt werden.
Jan Christiani

Danke für dieses Interview mit Steffen Mau. Ich, Berliner mit gut 30 Jahre DDR-Sozialisierung, hatte beim Lesen des Interviews das erste Mal das Gefühl, dass hier die tieferliegenden Ursachen des Anderseins der Ostdeutschen angesprochen werden. Insbesondere das Verhältnis zu Russland muss ein anderes sein als der Westdeutschen. Aus Gesprächen mit Westkollegen höre ich teilweise panische Angst vor den Russen, die erst aufhören, wenn sie in Dresden, dort war Putin KGB-Offizier, stehen. Dann antworte ich: Ich habe über 30 Jahre unter russischer Besatzung gelebt und die haben mir eher leidgetan. Junge Kerle, teils 18/19-Jährige aus Kasachstan oder Usbekistan, mussten 3 Jahre in Kasernen hausen. Es gab einen Heimaturlaub. Wenn das Heimweh zu groß war, haben sie sich selbst auf den Weg gemacht und versucht über die Oder in Richtung Heimat zu fliehen. Ich bin nahe der Oder aufgewachsen. Wenn wir sowjetische Soldaten an den Kreuzungen sahen oder sie an der Oder auf Sichtweite standen, wussten wir: Es hat wieder jemand versucht. Und: Die Verfolger waren nicht zimperlich, es wurde scharf geschossen. In meinem Bekanntenkreis im Osten rechtfertigt keiner Putins Angriff auf die Ukraine, nur hat der Westen bisher Russland immer falsch eingeschätzt. Erst hieß es die Russen werden die Ukraine in ein paar Wochen überrollt haben, dann sollten die vielen Sanktionspakete das Ende der Wirtschaft und damit den Krieg verkürzen und dann wurde plötzlich umgeschwenkt, so als ob Russland die ganze westliche Demokratie bedroht. Obwohl die russische Armee seit über zwei Jahren kaum vorwärtskommt, wird hier ein Dämon aufgebaut. Dass wir die Ukraine militärisch unterstützen, finde ich richtig. Aber man sollte parallel auch diplomatische Lösungen suchen. Man kann dabei auch neuere, bessere Waffen als Druckmittel benutzen. Einen militärischen Sieg der Ukraine gegen Russland, das die viel größeren Ressourcen hat, halte ich für sehr unwahrscheinlich.
Axel Voss

 


 

Leserbriefe zu „Igor, du regst dich zu sehr auf“. Gespräch mit Igor Levit und Christian Thielemann geführt von Christine Lemke-Matwey

Frau Lemke-Matwey hat es auch nicht gemerkt, dass Thielemann flunkert, wenn er Dinu Lipatti erlebt haben will. Dieser ist 1950 gestorben und Thielemann 1959 geboren. Sie können sich also schlecht begegnet sein.
Alfons Raith

C.Thielemann spricht in dem Gespräch davon, dass er auch Dinu Lipatti noch persönlich erlebt habe. Da Lipatti aber schon 1950 früh verstorben ist, kann das wohl nicht stimmen.
Bernd Lörges

Der Dirigent Christian Thielemann glaubt, sich im Gespräch mit dem Pianisten Igor Levit daran erinnern zu können, Größen wie Claudio Arrau, Wilhelm Kempff oder Dinu Lipatti noch erlebt zu haben. Da muss Thielmann, geb. 1959, sich täuschen, denn der rumänische Pianist Dinu Lipatti ist bereits 1950 tragisch früh in Genf gestorben.
Helmuth Fiedler

Ein großes Dankeschön an Christine Lemke – Matwey für das einfühlsame, mutige, intelligente Interview. Ich freue mich schon auf die angekündigten Bücher! Welch wunderbares Paar sind Igor und Christian!
Rudolf Widmann

Die Frage bezüglich Richard Wagner beantwortete Igor Levit wie viele andere bekannte Juden auch. Ich glaube, es gibt kaum einen intelligenten jüdischen Musiker – außerhalb Israels versteht sich (da steht eine spezifisch verstandene Staatsraison dagegen. Barenboim versuchte bekanntlich vergeblich mit seinem West- Östlichen Divan Orchester dagegen anzuspielen) – der von Wagners Musik nicht fasziniert ist. (Ein bisschen Übertreibung darf sein!) Ich betone: von seiner Musik. Ich rede nicht vom Menschen! Hier gilt das Wort des späten Adorno, dass das Werk eines wirklich großen Künstlers nicht selten größer ist als der dahinterstehende Mensch, der es geschaffen hat.
Hans-Joachim Becker

Ist ja interessant: Christian Thielemann hat bis Januar 2024 13 Jahre lang den „Tristan“ nicht mehr angefasst. Da frage ich mich doch, wen ich 2016 in Bayreuth unter seinem Namen und in seiner Maske dieses Werk habe dirigieren hören und beim Schlussapplaus auf der Bühne gesehen habe. Mögliche Erklärungen: Thielemann übertreibt es etwas mit der Selbststilisierung oder (wahrscheinlicher) hat eine gewisse Schwäche im Kopfrechnen.
Holger Grünewald

 


 

Leserbriefe zu „Der Politik trauen Sie wenig zu“ von Jeannette Otto

Ich bin 67, war 40 Jahre Pfarrer, habe die DDR mit entsorgt, war 30 Jahre im Kreistag, in AWO und in Ilmenau Vorsitzender des Mietervereins. Ich bin politisch überaus erfahren und viel gebildeter als Monika Oberle und diese Artikelschreiber. Wem meine selbstherrliche Arroganz nicht passt – es ist die gleiche, die einem aus diesem Artikel ins Gesicht spuckt. Ihr geplanter Politunterricht lässt mich daran zweifeln, dass wir die DDR wirklich entsorgt haben. Die jungen Leute haben doch recht reif gewählt. Und Sie ändern bei den Jugendlichen gar nichts. Sie versorgen sich nur mit Posten und Gehältern. Sie alle müssten erst einmal bei mir in philosophische, geschichtliche und politische Bildung gehen, bevor man Sie auf Kinder loslässt. Aber wahrscheinlich sind Sie für eine bessere Prognose ihrer Bildung schon zu alt. Also Finger weg von den Kindern!
Fred Klemm

Und die beruflichen Schulen? Warum werden in Medienberichten über beklagenswerte Defizite schulischer politischer Bildung nur höchst selten auch die beruflichen Schulen mit in den Blick genommen, obwohl die Schülerzahl dort insgesamt höher ist als in allgemeinbildenden Schulformen? In dem Artikel „Der Politik trauen sie wenig zu“ (Nr-26, J. Otto) wird dieser Bereich mit seinen vielfältigen Schulformen und seinen spezifischen Bedingungen und Potentialen auch für die politische Bildung nicht einmal erwähnt. Schade!
Ludwig Henkel

Applaus für diesen hervorragenden Artikel zum Wahlrecht und Wahlverhalten der Jugendlichen samt allen diesbzgl. Mängeln und Notwendigkeiten vor allem im Bildungswesen. Vieles ist ja absolut kein Alleinstellungsmerkmal von großen Teilen der Jugendlichen, sondern auch bei vielen älteren gang und gäbe: So die Neigung zu Verdrängung, Abwehr und Desinteresse, die Sorgen vor Diskriminierung, Klima, Inflation, etc. etc. wie auch die Frustration durch die Verhältnisse, vermeintlich nur durch „Versagen“ der politisch Verantwortlichen wie auch der Eindruck, dass „die da oben“ ihre Meinung nicht interessiere. Gemeinsam sind auch die großen Unterschiede zwischen den verschiedenen Angehörigen der Generationsgruppe wie auch die oft hohen Erwartungen an „die Politik“ oder „den Staat“, oft ohne zu sehen, dass andere mit gleichen Rechten oft mit den eigenen unvereinbare oder gegensätzliche Forderungen haben, und dass die beste Demokratie nicht Quadraturen des Kreises lösen oder unendlich viel Geld und Arbeitskraft zur „Lösung“ aller Probleme im Sinne der Erfüllung aller Wünsche mobilisieren kann, was oft geradezu als Vorbedingung für „Zusammenhalt“ genannt wird. Diese „unendlichen“ Geld- und Arbeitsmengen zur Erfüllung der Wünsche sind ganz besonders dann nicht möglich, wenn die Wähler eher Steuersenkungsparteien Mehrheiten geben, und die Staaten sich von den „Steuer-Sparern“ und Steuervermeidern gegenseitig ausspielen lassen und in einen Wettbewerb nach unten treiben lassen und gleichzeitig Gewerkschaften und Generation Z sich immer geringere Arbeitszeiten erkämpfen. Der Politik wenig zuzutrauen ist auch keine Besonderheit der Jugendlichen. Eine Politik, von der quasi Zauberkunststücke oder Ideales erwartet wird, kann den überhöhten Erwartungen auch kaum „gerecht“ werden. Sogar ich selbst als Demokrat und Realist und Idealist in Balance traue „der“ gegenwärtigen Politik wenig zu, allerdings nicht nur dieser und nicht nur demokratischer Politik: Der größte Teil der Menschheit und auch der Wähler in Demokratien kann sich nicht einigen, was bessere Politik wäre und wer sie praktizieren würde, und Mehrheiten wählen immer wieder eine Politik zwecks — vermeintlicher aufgrund Versprechungen oder wirklicher — Maximierung der Annehmlichkeiten, Besitzstände und Bequemlichkeiten dieser Mehrheiten, aber meist in der Gegenwart oder nahen Zukunft, aber auf Kosten der langfristigen Zukunft und/oder von Menschen außerhalb dieses Wählerkreises. Das sind allgemein menschliche Schwächen und nicht nur solche der — gegenwärtigen — Politik.
Die teils mehr angedeutete als klare Kritik auch aus Ampelparteien am Kanzler und ihren anderen beteiligten ist typisch für die Widersprüchlichkeit und Zerrissenheit auch bei vielen anderen Kritikern, die allzu oft Veränderungen in eine Richtung wollen, während andere genau in die umgekehrte Richtung „etwas“, oft auch ganz viel ändern wollen, manche gar gleichgültig wohin, nur irgendetwas ändern wollen. Das wollten einst auch die Kommunisten oder Nationalsozialisten, mit bekannten Folgen, die weit schlimmer waren als die Übel, gegen die sie die „Rettung“ bringen wollten und sollten. Dass die ganz jungen Wähler so gar nicht alle in Richtung der Fridays for Future denken und wählen, war besonders interessierten und informierten schon seit Beginn des Jahrzehnts bekannt, da es auch eine Gruppe „Fridays for Hubraum“, desinteressierte oder begeisterte Urlaubsfernflieger gab und andere, die zwar „mehr“ Klimaschutz wollten, aber wie selbst manche Grüne ohne zu wissen, wieviel mehr denn ausreichend und noch rechtzeitig ist und bitte so, dass es auch für sie selbst nicht anstrengt und nichts kostet, kein Geld und keine zusätzliche Arbeit. Was jetzt „cool“, unterhaltsam, witzig oder Mode ist, kann natürlich auch das Gegenteil sein von dem, was das eigene Wohl in mittlerer bis ferner Zukunft erfordern würde, wie bei auch immateriellen Süchten. Und auch bei allzu vielen ganz Jungen gilt oft das gleiche wie für alte: Vorrang hat, was jetzt angenehm ist und weniger, was sich erst in Jahrzehnten „auszahlt“ oder schlimmes verhindert.
Das ist frustrierend für jemand (älteren), der sich gerade für die Zukunft der jetzt noch sehr jungen oder noch kleinen Generation Sorgen macht, anstrengt, arbeitet und auf manches verzichtet, allerdings „versagt“ bei der Herausforderung, die Argumente und Botschaften in ein peppiges witziges 20-Sekunden-Video für Tiktok zusammen zu pressen. Recht haben viele Kritiker allerdings mit der Enttäuschung über die Nichterfüllung von vielen „Versprechen“, die allerdings eher „Ziele“ oder „Visionen“ waren, aber oft versuchten vorzugaukeln, dass Maximal-Erwartungen und -Forderungen, selbst in sich oder zur Wissenschaft oder zu anderen im Widerspruch stehende oder durch die Mehrfachkrisen stark erschwerten, doch erfüllbar seien, wenn man nur die (eigene) „kluge“, „mutige“ oder „richtige“ Politik machte oder wählte. Auch die Protest- und Alternativparteien können zwar rücksichtsloser sein und Opfer im Stich lassen, aber keine Wunder wirken; eine maximale Verurteilung von Mängeln und Fehlern ist nicht einmal eine Qualifikation für überhaupt bessere Politik statt noch viel schlimmerer, auch nicht, wenn von Mehrheiten gewählt, wie die Geschichte schon mehrfach gezeigt hat. In Wirklichkeit reicht es sehr oft nicht, wenn nur eine Regierung sich anstrengt oder zahlt, oder „erklärt“, sondern es braucht sehr viele, die zumindest die Kosten und Anstrengungen akzeptieren, die eine „bessere Politik“ mit sich bringt, die auch keine Wunder oder Quadraturen des Kreises vollbringen kann oder ein „Waschen ohne nass zu machen“, zumindest nicht für mehr als Teile der Menschen um den Preis von Rücksichtslosigkeit und Schädigung anderer Gruppen und/oder der Zukunft gegenüber.
In all diesen Punkten hätten die demokratischen oder alten Parteien wesentlich ehrlicher sein können und sollen, denn wer schönes, aber zu viel davon und als zu Leichtes verspricht, wird irgendwann Enttäuschungen und das Gegenteil von Wahlerfolgen erleben. Churchill mit seiner Motivationsrede für den Kampf gegen die Nazis hat aber gezeigt, dass man auch mit Ehrlichkeit zu nötigen Mühsalen und Opfern mitnehmen und Erfolg haben kann, wo andere immer noch den kurzfristig leichteren Weg nehmen wollten. In meiner Tageszeitung vom 11.6.24 in einem Artikel „So sehen Erstwähler den Wahlausgang“ waren zum Wahlverhalten ihrer Generation die klügsten und weisesten Einsichten zu lesen, tröstlicherweise von 3 interviewten Erstwähler, wenngleich die wohl leider nicht repräsentativ für ihre Altersgenossen sind. Sie waren zwar auch verständlich enttäuscht, aber wiesen auch auf die Notwendigkeit hin, sich über solche Emotionen hinaus auch „weitere Gedanken“ zu machen. Die schon berechtigte Forderung nach „vernünftigen Social-Media-Kampagnen“ hat offenbar auch der FDP nicht so viel geholfen. Aber die Einsicht dieser Erstwähler, sich nach einem Wahl-O-Mat-Ergebnis noch weiter zu informieren, ist allzu berechtigt, wie auch die Forderung zu mehr (Prinzipien der) Politik in der Schule incl. Aufklärung über alle Propagandistischen Verdrehungen und Manipulationstricks und Erfolge von Lügen, worüber mal gesagt wurde „die Lügen können fliegen, und die Wahrheit humpelt hinterher“.
Vorbildlich in der Einsicht wie in der eigenen Verantwortungsbereitschaft waren auch die Worte „Wir müssen ganz stark darauf schauen, dass wir im Austausch bleiben und uns nicht im Hass gegeneinander verfangen“, und dass man bei Jugendlichen durch (geduldige) Gespräche noch eher als bei Älteren Nachdenken anregen und Meinungen auch wieder verändern kann. Insofern ist der Satz Ihres Artikels sehr richtig und wichtig, wie wichtig die „politische Bildung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist“. Ich hoffe, Sie richtig zu verstehen, dass diese politische Bildung mehr umfasst als die Möglichkeiten für Individuen und Gruppen, möglichst viel Druck für ihre jeweils eigenen Interessen, Forderungen und Wünsche zu machen, die zu erfüllen immer wieder als Bedingung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt genannt wird. In Wirklichkeit sind die verschiedenen Gruppen und manchmal sogar Ziele und subjektive oder objektive Interessen derselben Gruppe oft im Widerspruch miteinander, so dass es schier unmöglich ist alle Forderungen zu 100% oder gar gleichzeitig und ohne Gegenleistungen oder Gegenverzichte zu erfüllen. Um dennoch gesellschaftlichen Zusammenhalt hinzubekommen, braucht es daher weit mehr als „Forderungskompetenz“, nämlich auch das Bewusstsein dieses Gegensatzes oft gleich legitimer Interessen anderer oder gar der Unvereinbarkeit verschiedener eigener Ziele, u.a. auch zwischen kurzfristigen und langfristigen Zielen: Die kurzfristige Erfüllung von Wünschen soll schließlich nicht mit einem auf Dauer schlimmen unverantwortbaren Preis bezahlt werden auch nicht für die Kinder und Enkel der jetzigen Wähler, sei es maroder Infrastruktur, Bildung, Schuldenberge oder Umwelt- und Klimakatastrophe. Bei den bekannten Entwicklungsleistungen von Kindern ist es nicht so überraschend, dass diese, wenn richtig erklärt schon mit 9 oder 10 schon sowohl die Schwierigkeit als auch die Wichtigkeit von Kompromissen verstehen können.
Auch die Fähigkeit sich in andere hineinzuversetzen und Empathie zu empfinden, gibt es ja schon im frühen Schulalter. Dagegen sind die meisten Begründungen für die bisher stiefmütterliche Behandlung des Politik-Unterrichts und sonstiger Demokratie-Förderung und -bildung eher faule Ausreden, besonders in einer Zeit, wo dessen Fehlen oder Mangel dann oft nicht von reifen und verantwortungsvollen Eltern, Freunden und Verwandten ausgefüllt wird, sondern von anderen teils aus dem Internet, sei es Extremisten, Terroristen, Drogendealern, sonstigen Kriminellen oder noch legaler Werbung und Medien, die aber mit ganz anderen „Lernzielen“ arbeiten als möglichst demokratisches, realistisches, gerechtigkeitsorientiertes, gemeinsinniges und ausreichend auch zukunftsorientiertes Bewusstsein für Gesellschaft und Politik zu vermitteln. Um auf die ganzen missbräuchlichen Einflussnahmen nicht hereinzufallen oder denen durch Desinteresse das Feld zu überlassen, gehört es auch zur politischen Bildung, Kenntnisse und Bewusstsein für alle gängigen Denkfehler zu vermitteln und die oft unfairen Tricks von Propaganda, Werbung, Hetze und Manipulation. Dazu gehören z.B. die Prinzipien der oft unvermeidlichen Paradoxien, des Wunsch- oder Wutdenkens, der Verdrehungen, der falschen Alternativen von angeblich nur zwei Möglichkeiten, der Halbwahrheiten oder sonstigen Tunnelblicke, der Einengung auf kurzfristige oder egozentrische Aspekte oder von überhöhten oder in sich widersprüchlichen Erwartungen. All das gut vermittelt würde erst ein reifes politisches Bewusstsein und eine Impfung gegen die vielfachen Manipulationen aller Art schaffen können. Um das zu schaffen und gut zu vermitteln, dürfte es weniger einer speziellen politischen Ausbildung als einer reifen nüchternen Persönlichkeit mit sozialer Kompetenz brauchen, denn auch in manchen nicht naturwissenschaftlichen Studiengängen besteht keine Immunität gegen Mythen, Vorurteile und Ideologien.
Peter Selmke

Bei den Europawahlen haben viel Jugendliche rechts gewählt, und wieder soll die Schule diesen Fehler korrigieren. Meiner Meinung nach ist der Einfluss des Elternhauses und der Gleichaltrigen auf soziale Kompetenz viel stärker als die Schule. Und die Schüler sollen lernen, Wahrheit und Lüge zu unterscheiden. Dies ist zweifellos richtig, aber die absurden Diskussionen während der Corona-Pandemie haben doch gezeigt, dass auch die meisten Erwachsenen damit überfordert sind.
Peter Pielmeier

 


 

Leserbriefe zu „Die Auferstehung“ von Adam Soboczynski

Ich lese gerade Ihren Artikel über den Erfolg positiver Berichte über die ex-DDR. Komisch. Kennen Sie das Buch der australischen Schriftstellerin „Stasiland“, das Anfang des Jahrtausends erschien? Es hatte einen riesigen Erfolg in England, wurde immer wieder neu aufgelegt, erhielt den Samuel-Johnson-Preis und wurde vor zwei Jahren mit einer Sonderausgabe, vergleichlich der französischen Pléiade Edition, geehrt. Gibt es zwei Rezeptionslager, eines, das empfänglich für DDR-Kritik, und eines, das die DDR positiv sehen will? Was meinen Sie?
Gisela Triesch

Mein Dank an Adam Soboczynski für seinen Beitrag „Die Auferstehung“. Noch ist guter, unabhängiger Journalismus – auch im Sinne der Warnung von Hajo Friedrichs… – nicht verloren. Völlig zu Recht erinnert der Autor an die ausgestoßenen Schriftsteller Jürgen Fuchs, Sarah Kirsch und Wolfgang Hilbig. Hier möchte ich diese Reihe um den polnisch-litauischen Nobelpreisträger von 1980 Czeslaw Milosz ergänzen. Sein m.E. durchaus aktuelles Buch „Verführtes Denken“ ist im Buchhandel so gut wie nicht zu erhalten. Höchste Zeit diese Unruhestifter – gegen den Zeitgeist – wieder ins Gedächtnis zu rufen – und zu lesen.
Katrinka Delattre

Ich kann nur über Kairos von Jenny Erpenbeck schreiben, das ich gelesen habe. Aber was ist das für ein seltsamer kunstferner Korrektheitsanspruch, der in der Kritik von Soboczynski zum Ausdruck kommt. Kairos ist, wie auch dargestellt, ein hervorragend geschriebenes Buch. Aus welcher Perspektive soll Erpenbeck denn schreiben, sie kennt die DDR. Soll sie Fußnoten zum freiheitsfeindlichen Wesen der DDR einfügen? Es gab dort eben Nischenfreiheiten und die wurden genutzt. Wir Wessis wären natürlich schon 10 Jahre früher aufgestanden und hätten das Regime hinweggefegt, aber hallo….
Eckart Rolshoven

Was hat Herrn Soboczynski, den ich sehr schätze, wohl veranlasst, einen solchen Schwarz-Weiß-Artikel zu schreiben?  Natürlich gab es „… die gleichgeschalteten Medien, die Indoktrination in Schulen und an Universitäten …“, etc. – aber eben nicht nur!  Und warum soll durch die tatsächlich erstaunliche Resonanz auf einige Bücher im Ausland „… die Diktatur ihren Schrecken eben gründlich verloren …“ haben? Ob Herr Kowalczuk, der gerade eine seltsame Ulbricht-Biografie veröffentlicht hat, ein guter Kronzeuge ist, sei dahingestellt.  Zumindest zwei der von Herrn Soboczynski besprochenen Bücher sind einfach herausragende Literatur!  Ich selbst (73, viele Seiten Stasi-OPK-Akte, Professur erst 2004, …) empfinde mein Leben in der DDR gelegentlich als Panoptikum.  Falls er es nicht kennt, empfehle ich Herrn Soboczynski „Bittere Brunnen“ von Regina Scheer.
Joachim Selbig

 


 

Leserbriefe zu „Er pflückt unser Obst, für 40 Euro am Tag“ von Elke Sasse und Jonas Seufert

Wieder einmal ein „schönes Beispiel“ (von leider vielen!) für überall auf der Welt tagtägliche Ausbeutung von (arbeitendem) Mensch und Natur, damit andere, namentlich marktbeherrschende und preisbestimmende Konzerne bzw. die dahinterstehenden Eigner, noch reicher werden … Faktisch sog. freie – und gerade nicht soziale – Marktwirtschaft also!
Thomas Stähler

Der Artikel „Er pflücken unser Obst, für 40€ am Tag“ hat mich bewegt. Besonders da ich weiß, wie viele Lebensmittel vernichtet werden! Eine Aldi-Filiale in Sachsen zum Beispiel. Jemand vom Personal nimmt dort große Tüten mit entsorgten Lebensmitteln mit nach Hause, verteilt an Eltern und Großeltern und Nachbarn… nur, um ein bisschen weniger zu vernichten! Einmal beispielsweise 10 Packungen Heidelbeeren – davon waren insgesamt 3, 4 Beeren nicht mehr gut! Obst, Gemüse, Fleisch, Käse – und nichts davon ist über das Verfallsdatum! Aber es wird weggeworfen! Die neue Lieferung ist da, also muss das Alte weg. Es wird – wenn überhaupt – nur minimal im Preis gesenkt, lieber entsorgt. Auch in einem Großmarkt habe ich erlebt, wie Käse aus dem Regal in einen großen Container geworfen wurde. Die Verkäuferin sagte das, was auch meine Meinung dazu ist: Es ist eine Schande!! So viel Arbeit, so viele Tiere, so viele Früchte… landen am Ende auf dem Müll, statt für wenig Geld noch von Nutzen zu sein! Diese Mail wird leider nichts ändern. Ich bin nur meinen Ärger einmal losgeworden.
K. Eisentraut

Das ist ein hervorragend recherchierter Artikel und ein guter Ansatz für weitere Überlegungen. Wir haben die schlechteste Qualität der Lebensmittel in Europa. Die Bauern werden geknebelt und die Arbeiter geknechtet. Die Kunden bekommen keine gute Ware für ihr Geld. Die Macht der Supermärkte schadet vor allem der Wirtschaft. Die geringe Wertschöpfung in diesem fünftgrößten Sektor der Volkswirtschaft bedeutet im Klartext: kein Sozialprodukt entsteht. Der Nullpunkt ist fast erreicht, weitere Qualitätsverschlechterungen sind unmöglich, im Klartext: kein Wirtschaftswachstum. Wenn die Macht der Einkäufer eingegrenzt wird, kann sich die Qualität erholen. Wir sollten eine Qualitätsbremse ziehen und die Anzahl der Filialen auf 100 pro Unternehmen begrenzen. Davon profitieren alle, außer den wenigen Lebensmittelkonzernen. Wer ist dafür zuständig?
T. Hildebrandt

 


 

Leserbriefe zu „An den Grenzen des Wachstums“ von Marcus Rohwetter

Spruch, von meiner Oma geerbt: „Wer keene Sorjen hat, der macht sich welche“. In Mika Waltaris historischem Roman „Sinuhe, der Ägypter“ war es vor einigen tausend Jahren für den liebenden Mann ein ganz besonderes erotisches Highlight, der Angebeteten, nachdem sie Perücke und/oder Kopfputz abgelegt hatte, ihre Glatze streicheln zu dürfen. Betrachtet man die Büste der schönen Nofretete, erscheint mir die Kahlköpfigkeit vornehmer Damen zu dieser Zeit glaubhaft. Jungs, emanzipiert Euch doch endlich mal: Auf die Glatze ein Smily-Tattoo, schicke Perücke drüber und: Mehr Exotik in der Erotik. Traut Euch! Und keine Kohle mehr an die Kosmetik- und Lifestyle-Industrie.
Sabrina Hausdörfer

Wir Glatzköpfe können erhobenen Hauptes durch die Lande gehen, sind wir der heutigen Menschheit doch entwicklungsgeschichtlich mindestens 200 Jahre voraus. Der Abstand zum Affen ist bei uns doch deutlich größer als bei den Männern mit vollem Haupthaar.
Klaus Kornmann

Zum Thema „Haarwuchsmittel für Kahlköpfe“ gibt es eine wunderbare Folge von Comics aus der Serie „Bloom County“ (leider wohl nie ins Deutsche übersetzt). Ich weiß ja nicht, ob die ZEIT diese (laut Wikipedia) 27 Einzelcomics oder zumindest einen Teil davon mal abdrucken will — die wären eine schöne Illustration zu dem Artikel gewesen, auch wenn die Episoden eher als satirische Auseinandersetzung mit der US-Anti-Drogen-Politik gemeint sind. Ist 1988 erschienen und in dem Band „The Night of the Mary Kay Commandos“ veröffentlicht (siehe https://en.wikipedia.org/wiki/The_Night_of_the_Mary_Kay_Commandos).
Corinna Friesen

 


 

Leserbriefe zu „Prüfers Töchter: Ich geh zu Rossmann“ von Tillmann Prüfer im ZEIT Magazin

Vorab möchte ich folgendes feststellen: Ich gehörte früher zur Pelikan-Fraktion und kaufe aus Bequemlichkeitsgründen heute bei Rossmann. Aber ich erinnere mich noch an andere Distinktionsmerkmale meiner Jugend: Beatles oder Rolling Stones, Gauloises oder Rothändle, Wrangler oder Levis, später 2CV oder R4, Bayern München oder BVB…. Es war damals einfach, sich einer Gruppe zugehörig zu fühlen. Wie schwer muss es heutigen Jugendlichen fallen, sich bei dem medialen Überangebot für irgendwas zu entscheiden. Ihre Juli macht das ganz pragmatisch und klug. Mir fällt dabei noch ein Werbeslogan der 80er-Jahre ein. Der lautete frei nach Oscar Wilde: Mit dem guten Geschmack ist es ganz einfach: Man nehme von allem nur das Beste. Großes Kompliment für Ihre herzerfrischenden Töchterstorys jede Woche im ZEIT-Magazin. Ihre vier Töchter sind ganz tolle Mädels.
Mia Herber

Seit der Sache mit der 75 Jahre Deutschland Ausgabe, sind meine Sinne geschärft für meine folgende Beobachtung … Damals war im ZEITmagazin ich muss sagen DER Artikel, der sich mit der gleichzeitigen deutschen Entwicklung im Osten der heute vereinten Republik auseinandersetzte. Danke Ute und Werner Mahler und der ZEITmagazin Bildredaktion. Meine These ist: die ZEIT ist immer noch ungeheuer westdeutsch und sich darüber gar nicht sehr bewusst. Kleines Exempel: Pelikan versus Geha. Ca. 17 Millionen Leute konnten sich weder zum einen noch zum anderen bekennen, selbst wenn sie es gern getan hätten, denn es gab weder den einen noch den anderen Füller. Und die paar Schüler*innen, die dann doch einen Pelikan oder Geha hatten, ohne das besonders auszudifferenzieren, weil, beide waren aus dem Westen, waren einfach nur froh bis eingebildet darüber und die anderen eher neidisch. Ich glaube, auch die Ostpatronen passten hinein, aber sicher bin ich nicht mehr. Und erst die, die im Besitz eines Tintenkillers waren! Damit manifestierten sich Klassenunterschiede. Und letztlich waren sogar No Names aus dem Westen willkommen. Hauptsache Westen.
Als ich neulich meine Runde im Vintage Revival drehte, hielt ich eine nagelneue Ost Jeans Shorts in den Händen. Vermutlich Dead Stock. Weil, es hingen verschiedene Größen da. Ich erkenne eine Ostjeans, wenn ich sie sehe, denn meine Ablehnung sitzt tief. Zu kaufen gab es auch die selten. Und die, die sie trugen, die hat man eigentlich eher abgestempelt, ah, Ostjeans. Wenn man so hochnäsig war, weil man welche von drüben hatte. Ich befürchte, ich war so hochnäsig. Es galten einfach NUR die Westjeans. Marke egal. Jedenfalls prangt in dieser Jeans Shorts, die ich jetzt tatsächlich gekauft habe und trage, ein fettes C&A Logo und alle anderen Zettel, die verbaut sind, rufen laut: DDR. Ich erkenne nämlich auch DDR-Papier. Und der Knopf! Mit so Sternen, aber die nicht kreisförmig angeordnet, einfach nicht richtig angeordnet. Ich weiß es noch genau. DDR. Verrückt, dafür heute irgendwelche West € ausgegeben zu haben. Ich wünsche mir sehr, dass diesbezüglich in der Redaktion weniger The-winner-takes-it-all Mentalität herrscht und mehr Schreibe mit Herz, Kopf und Bauch, was im Osten der Republik vor sich ging. Und heute noch an ist auf der Gefühls- und Erinnerungsebene. Die Deutschlandkarte der Europawahlergebnisse sind deutlich. Eine ganze Himmelsrichtung fühlt anders. Aus meiner eigenen Migrationsgeschichte als Ostdeutsche vor der Mauer in Westdeutschland und lange nach der Wende zurück im Osten des Landes kann ich sagen: Da ist noch viel Raum für Verständnis und Rücksicht im Westen auszufüllen. Und wünsche mir natürlich von meiner ZEIT, dass sie das hinkriegt. Es gibt NUR westdeutsche überregionale Zeitungen. Keep this in mind. Die ZEIT hat einen Auftrag. Oder?
Annette Apel

Etwa 1986 hat der ZEIT Redakteur Rolf Zundel gemeinsam mit seiner Ehefrau Edith Zundel faszinierende Psychotherapeuten besucht: praktische Seminare und Interviews formten eine Serie, die im Kösel Verlag als Leitfiguren der Psychotherapie erschien( habe mein Exemplar an Jüngere verschenkt, denn das Werk verdient es  weitergegeben zu werden) Dirk Rossmann wird im Kapitel zu Ruth Cohn genannt.  In einer tiefen persönlichen Krise fand er zu Ruth Cohns Themenzentrierter Interaktion (TZI)
Bernd Hoppenstock

 


 

Leserbriefe zu „Kommentar: Faule Pause“ von Jens Tönnesmann

Ich biete Herrn Tönnesmann an, den Umgang mit dem Lieferkettengesetz in der Praxis zu begutachten. Ein jugendlicher Träumer, wer glaubt, dass dadurch eine saubere Lieferkette entstünde. Nicht mehr als ein Verantwortungsverschiebungsmisstrauenssystem.
Thomas Rank

Diese Ampel betreibt Deindustrialisierung pur, das beherrschen diese gewählten Politiker aus dem Effeff. Jetzt kommt der Ober-Deindustrialisierer Robert Habeck auch noch auf die Idee das deutsche Lieferkettengesetz aussetzen. Dieses Lieferkettengesetz ist mehr als überflüssig, das rein gar nichts bringt, als nur Nachteile für den Standort Deutschland! Wie müssen jetzt stark bleiben, denn diese unerträgliche Ampel mit ihrer noch unerträglicheren Politik, die müssen wir höchstwahrscheinlich noch über ein Jahr ertragen?
Riggi Schwarz

 


 

Leserbriefe zu „I love OK“ von Amrai Coen

Ich wage die Vermutung: Das hat mit „Watchmen“ zu tun. (Spoiler-Alarm!) Nachdem die White-Supremacy-Typen alle von Lady Trieu ausgeschaltet worden sind, blieben nur noch gemäßigte Politiker und Politikerinnen in Oklahoma übrig. Quot erat demonstrandum. Bleibt nur die Frage: Quis custodiet ipsos custodes? Laut Homer Simpson macht das dann die Küstenwache, aber vielleicht prüft „Die Zeit“ das nochmal nach?
Florian Lahmann

Als Zeit-Leser ist man ohnehin einiges gewohnt an Umständlichkeiten, was die Einleitung von berichten betrifft. Jener von Amrai Coen über Oklahoma City übertrifft jedoch alles Bisherige: vom Bürgermeister, der Würstchen schneidet, die Frau, die die Speisen bringt, die Kinder, die das beste Gericht der Stadt auszeichnen. Munter geht diese Art von oberflächlichem Geplauder weiter: wo der Bürgermeister seinen SUV parkt, und was auf seinem Jackett prangt. Langatmiger gehts nicht mehr. Da könnte einem wirklich die Lust am Lesen der ZEIT vergehen, die ich ansonsten schon schätze – vor allem wegen der interessanten Interviews.
Josef Redinger

 


 

Leserbriefe zu „Ein unmöglicher Ort“ von Hanno Rauterberg

Ewig ist nur die Natur, selbst mit ihren menschengemachten Deformationen. Die Naturgesetze gelten unabhängig vom Menschen. Stets versucht der Mensch, die Natur zu beherrschen. Es ist Teil dieses Beherrschungsversuchs, die Natur auf den Bunker zu zwingen. Dabei nutzt die Überformung des Bunkers mit Naturelementen deren organischen Entfaltungseigenschaft, um den monumental materialisierten babylonischen Anspruch der Nazis zu brechen. Der totale Überdauerungsanspruch wird mit dem natürlichen Prinzip des Wandels, der auch den Aspekt der Vergänglichkeit beinhaltet, konfrontiert. Die Naturalisierung humanisiert den Bunker, der nun in unser Leben, unsere Kultur, unsere unschuldige Alltäglichkeit und unsere geschichtliche Zeit integriert wird. Dabei hat doch allein schon das Fortschreiten der Geschichte längst den angemaßten Ewigkeitsanspruch der Nazis gebrochen. Wir wurden befreit und leben Individualisierung und Vielfalt in einer gewachsenen Demokratie. Natürlich nicht konfliktfrei, und das ist gut so. Gegen Atomwaffen und bunkerbrechende Waffen bietet der Bunker längst keinen Schutz mehr. Schon immer hat der Fortschritt der Wehrtechnik die gegen die Waffen der jeweiligen Zeit errichteten Schutzbauten nach relativ kurzer Zeit in Frage gestellt. Paradox: Mit der Naturalisierung und Humanisierung des Bunkers entsteht nun die Notwendigkeit der Substanzerhaltung. Und offenbar setzt sich die Sprachverwirrung fort. Bei allen Unsicherheiten ist nur eines sicher: Unsere Schuld bleibt.
Reinhard Koine

Dieser Bunker ist weder ein Schlachthof und noch ein Festplatz. Dafür gelten wohl andere Maßstäbe. „Nein, nichts davon muss, aber vieles kann man sich denken“? Nein, ich finde das grüne Hütchen lächerlich, wie es versucht, die einstige Fluchtburg vor den Schrecken der Bomben, das Grauen erregende Nachkriegs-Mahnmal zu verstecken – eine weitere peinliche Bausünde in unserer durch renditemotivierten Hamburger Nachkriegsarchitektur. Und: Ich befürchte, eines Tages verdorrt das lebendige Grün und es bleibt ein grün angestrichener Betonaufsatz.
Uwe-Carsten Edeler

 


 

Leserbriefe zu „In die Binsen“ von Anna Sauerbrey

Vorneweg: „Als der Iran im April Israel bombardierte…“ – Moment!!! Das beginnt mit der Bombardierung der iranischen Botschaft (!!!) im Libanon! Ohne mit Iran im Krieg zu sein! Die (sehr inszenierte!) Bombardierung „Israels“ war eine ANTWORT! – Es gibt nicht nur die Alternative Nationalismus-Aufgabe der eigenen Identität! Beides ist gefährlich (Nationalismus – selbstverständlich! Mangelndes Identitätsbewusstsein: Deutschland, die zu spät gekommene Nation, mit ihrer daraus folgenden „Kraftmeierei“ – der 1. Weltkrieg! Frankreich und England waren sich ihrer Identität sehr sicher – und damit friedfertiger! Was soll daran schlecht sein, dass wir Bayern und Sachsen haben, die – Gott sei Dank! – auf ihrer Identität bestehen – und in einem „Freistaat“ leben!? „Nationale Identität“ verhindert doch nicht solidarisches Verhalten – gewiss nicht mehr als der von einer, medial sehr präsenten, Gruppe angestrebte „Einheitsbrei“ ! Und: der Unterschied macht den Reiz aus!
R. Patschan

Zweifelsohne hat Deutschland sehr viel Kriegserfahrung, unter anderem unter Kaiser Wilhelm II (Erster Weltkrieg 1914-1918), dann unter dem in Österreich geborenen Adolf Hitler, der erst 1932 in Deutschland eingebürgert wurde (Zweiter Weltkrieg (1939-1945). Beide Kriege wurden haushoch, mit Millionen von Kriegstoten, verloren. In der Schweiz werden aktuell Friedensgespräche, natürlich ohne Beteiligung von Russland, geführt! Mit einem “ russischen Teufel“ in Menschengestalt kann man natürlich nicht reden, deshalb wird gleichzeitig auch für den Ernstfall geprobt. Der US-Amerikanische Pastor und Bürgerrechtler Martin Luther King (1929-1968) hatte einst seinen Traum: „I have a dream“: Ich träume auch von einer friedlichen Welt, träumen kann ich ja davon!
Klaus P. Jaworek

 


 

Leserbriefe zu „Mein Vater hat nie etwas von der Arbeit erzählt“ von Stefan Willeke

Lese in der “Zeit“ zum ersten Mal von Kai Höß und bin zu Tränen gerührt: Eine Geschichte durchaus ebenbürtig den Geschichten des Alten wie Neuen Testaments: Letzte werden erste sein, und auch aus einer solch scheinbar hoffnungslosen und in Schuld verstrickten Familie können Menschen zum rettenden Glauben durchdringen! Habe selber über Jahre intensiv versucht, einigen Kindern von Nazischergen wie Edda Göring das Evangelium anzutragen – leider ohne Erfolg. Umso mehr freut mich von Kai Höß zu erfahren, wie er durch das Auffinden einer Bibel (vermutlich von den Gideons) im Krankenhaus und deren Lektüre zu Jesus fand und der Fluch gebrochen wurde, der auf der Familie lastete. Gott scheint sich der gottesfürchtigen Mutter des Rudolf Höß erinnert zu haben. Die Gnade Gottes hat wirklich triumphiert!
Marcel Haldenwang

Der Artikel von Stefan Willeke hat mich als im Krieg geborenes Kind sehr berührt. Nach erster Beschäftigung mit dem Holocaust stellte ich meiner Mutter die Frage: Mama, woran erkennt man einen echten Nazi, zeigst du mir mal einen? Ihre Antwort hat mich so erschüttert, dass ich bis heute Menschen auf der Basis ihres Verhaltens und Redens als ‘potenzielle Nazis’ einstufe.
Manfred Mutter

 


 

Leserbriefe zu „Er gegen sie, sie gegen ihn“ von Birgit Schönau

Literatur braucht, um frei atmen zu können, Liberalität. Einschränkungen in der Liberalität zwingt Literatur in den offenen oder verdeckten Widerspruch. Extrem konservativ und rechtsextrem geprägten Regierungen geht es um Identität. Kulturpolitik wird zu einem Herrschaftsinstrument. Das falsche Verständnis der geliehenen Macht: Wer die Macht hat, hat die Deutungshoheit und darf diese auch durchsetzen. So wird ein freier kultureller Raum zwangsläufig zur Kampfzone. Und die Frankfurter Buchmesse wird zur erweiterten Kampfzone. Die schlichte Teilnahme wird zu einem Wagnis, zu einem ungewollten Bekenntnis, zu einem Feigenblatt für die Programmatik der Illiberalität. Nur in der Abwesenheit zeigt sich die Liberalität. Verwurzelt in der Zukunft? Was für ein furchterregender Anspruch: die Zukunftsfähigkeit des Faschismus zu feiern. Es ist anzunehmen, dass die Frankfurter Buchmesse zur Kulisse für die internationale Anerkennung eines harmlos daherkommenden Postfaschismus werden soll. Eine Anerkennung, die intern als Stabilisator für die eigene Herrschaft und die Ausweitung der Illiberalität genutzt werden soll. Was tun? Einem der Abwesenden den Nobelpreis für Literatur verleihen.
Reinhard Koine

Zu diesem Artikel fällt mir nur ein: Ist das die Bücherverbrennung des 21. Jahrhunderts? Mir wird angst und bange!
Karin Wendt

 


 

Leserbriefe zu „Bachbekloppt“ von Christina Rietz

Sie schreiben über Herrn Maul: „…er ist Fußballfan des RB Leipzig…“ Wenn er Fußballfan ist, kann er kein Fan von RB Leipzig sein. Wenn er RB Leipzig Fan ist, kann er kein Fußballfan sein. Sie bezeichnen Bach als „weltgrößten Kirchenmusikkomponisten“ und „Kirchenmusiker“. Dabei übersehen Sie, dass Bach lange Jahre das weltliche Collegium Musicum leitete und ebenso etliche weltliche Werke komponierte. Den Einfluss von Bach auf jegliche Musik ist nicht hoch genug zu schätzen. Genug gemeckert, ein sehr schöner Beitrag über Maul, Bach und Leipzig!
Michael Kluge

Vor kurzem fand ich im Bücherschrank meiner Mutter ‚Die kleine Chronik der Anna Magdalena Bach‘, Wieder aufgelegt A. D. 1937, 21. Auflage, Koehler & Amelang, Leipzig (Zuerst aufgelegt 1930) Es ist ein Geschenk an meine Mutter, 1938, von ihren Freundinnen Hanna, Irmgard und Hildegard. Hildegard ist meine Patentante, sie wurde im Frühjahr 100 Jahre alt. Um auf Anna Magdalena zurückzukommen: Nachdem Bach gestorben war, bekam sie Besuch von Caspar Burgholt, einem seiner Schüler, der ihn sehr verehrte. Er bat sie, ihre Erinnerungen aufzuschreiben. Das hat sie gemacht. Schön, dass Bach heute von der Stadt Leipzig so in Ehren gehalten wird. Bach hat zu Lebzeiten sehr unter dem Rat der Stadt Leipzig gelitten. Wenn er z. B. Geld brauchte, um Instrumente reparieren zulassen, wurde das immer wieder verwehrt. Nach seinem Tod war Bach ziemlich schnell vergessen und Anna Magdalena völlig verarmt. Sie musste alles verkaufen, was sich zu Geld machen ließ: S. 11: „Wie bitter kam es mich an, dass ich nicht einmal die golden und achatne Schnupftabakdose, die er so gernhatte und die ich so oft in seiner Hand gesehen, so oft für ihn gefüllt habe, habe behalten dürfen.“ Bach schrieb jede Woche die wunderbare Musik für die Gottesdienste, und er und Anna Magdalena kopierten sie bei Kerzenschein für die Sängerknaben. Zu seinen Aufgaben gehörten der Lateinunterricht, die Musik und der Chor, aber Bach mochte die Sängerknaben nicht. Sie waren faul, frech und ruinierten ihre Stimmen, weil sie in der Stadt rumgrölten. Zitat S. 10/11 „… denn eigentlich, wenn ich’s recht bedenke, waren ihm nur die unnützen Jungen aus der Thomasschule eine Plage.“ Ich habe im Internet nur alte Ausgaben der Chronik aus den 30er Jahren gefunden. Die sind in Sütterlin geschrieben, das können die jungen Leute heute nicht mehr lesen. Ich finde, das Buch sollte neu aufgelegt werden.
Annette Heinbokel

 


 

Leserbriefe zu „Wie man eine Sonne baut“ von Robert Gast

In dem Artikel zu dem Kernfusionsreaktor Iter (Wie man eine Sonne baut) steht, dass alle bisherigen Reaktoren mehr Energie verbraucht haben als sie erzeugen. 2022 hat ein Reaktor in den USA jedoch zum ersten Mal mehr Energie erzeugt als verbraucht (https://www.tagesschau.de/wissen/kernfusion-forschung-durchbruch-101.html) wie z.B. in diesem Artikel der Tagesschau steht. Der Reaktor hat ein grundlegend anderes Funktionsprinzip, ist aber auch ein Fusionsreaktor,
Lukas von Bredow

„In Südfrankreich errichten 5.000 Menschen den Kernfusionsreaktor Iter. Es ist ein Rennen gegen die Zeit. Denn das Technikwunder soll die Energieprobleme der Menschheit lösen.“ Eine wichtige Frage ist jedoch, ob das Lösen des Energieproblems geeignet ist, der Menschheit eine gute Zukunft zu sichern. Oder aber, ob ein solcher Erfolg nicht auch kontraproduktive Aspekte hat, weil der technische Erfolg den Blick auf andere Maßnahmen verstellt, die ergriffen werden müssen für eine gute Zukunft. Dazu folgende Überlegung aus dem Buch «Die Technik reicht nicht» (BoD 2016): „Mal angenommen, die Erde wäre zehnmal kleiner, wäre dann die Menschheit längst untergegangen? Oder umgekehrt, wäre ihr eine gute Zukunft gesichert, wenn unser Planet zehnmal grösser, zehnmal reicher wäre? Geht man diesen Fragen nach, wird man finden, dass Größe und Reichtum der Erde nicht entscheidend sind für die Überlebensfähigkeit der Menschheit. Daraus ergibt sich aber auch, dass der technische Fortschritt nicht reicht, diese Überlebensfähigkeit zu sichern. Denn die übliche Leistung der Technik besteht darin, immer mehr Nötiges und Unnötiges verfügbar zu machen und dadurch gleichsam die Erde grösser zu machen, was – wie gesagt – nicht entscheidend ist. Vermutlich wäre eine kleinere, übersichtlichere Erde sogar günstiger für die Überlebensfähigkeit der Menschheit. Was für den technischen Fortschritt gilt, gilt leider auch für die sich dank dem technischen Fortschritt ergebenden Möglichkeiten wie Entwicklungshilfe, soziale Netze, Reagieren auf die Klimaerwärmung, etc. Auch diese Dinge können die Erde zwar gleichsam grösser machen, aber das reicht nicht, der Menschheit ein langfristiges, gutes Fortbestehen zu sichern. Die Technik kann allerdings Zeit gewinnen, um zusätzliche Kreativitäts-Potentiale zu nutzen für die wichtigste Aufgabe der Menschheit, nämlich sich selbst Grenzen zu setzen.“
Es ist eine interessante Frage: Könnte grenzenlos verfügbare Energie helfen, Katastrophen wie den Krieg im Nahen Osten zu vermeiden? Eine Ursache des Kriegs ist das dortige hohe Bevölkerungswachstum. Im Gazastreifen wird dieses ermöglicht durch die mit der wachsenden Bevölkerung exponentiell steigende Hilfe von außen. Beliebig viel verfügbare Energie kann den Zeitraum verlängern, in dem diese Hilfe möglich ist. Die Geburtenrate im Gazastreifen beträgt 3.5. Bei gleichbleibender Rate gäbe es nach vier Generationen statt heute 2 Millionen 18.9 Millionen Bewohner im Gazastreifen. Um diese zu ernähren wäre es sicher hilfreich, wenn die Geberländer beliebig viel Energie für die Hilfe nutzen könnten. Doch einerseits wäre damit die Situation im Gazastreifen noch viel schlimmer als sie bereits vor dem Krieg war, und andererseits muss das Wachstum ohnehin beendet werden. Je später, desto brutaler würde dieses Beenden vermutlich ausfallen. Die mögliche Entwicklung im Gazastreifen illustriert mögliche Entwicklungen in anderen Teilen der Welt. Auch dort wird das Setzten von Grenzen durch begrenzte Ressourcen erzwungen werden. Doch auch dort erlaubt beliebig viel Energie, das Wachstum länger fortzusetzen. Der Schaden für die Umwelt und schließlich die Menschheit erinnert an den Schaden den Hauskatzen anrichten. Diese können den Bestand an Vögeln und Kleintiere in ihrem Umfeld zu 100 Prozent vernichten. Die Katzen sind ja auf diese Nahrungsquelle nicht angewiesen. Ein ähnlicher Mechanismus ermöglichte bisher das exponentielle Wachstum. Doch wird es nicht vom Menschen beendet, erfolgt ein Beenden durch die Natur, das umso dramatischer erfolgt, je mehr technischer Fortschritt dieses Beenden hinausschiebt. Daher verpflichtet der technische Fortschritt, geeignete Wege zu suchen fürs Beenden des Wachstums. Die Erfolge des Fortschritts sind enorm. Dies auch weil für einen Erfolg wie etwa die Mondlandung zunächst die nötigen Potentiale geschaffen wurden. Die nötigen Potentiale fürs Beenden des exponentiellen Wachstums sind vorhanden (auch in Form von historischen Vorbildern). Sie müssen aber genutzt werden.
Gernot Gwehenberger

 


 

Leserbriefe zu „Auf der Meile des Irrsinns“ von Martin Machowecz im ZEIT Magazin

Für diesen herrlichen Artikel verleihe ich dem Autor Martin Machowecz den Golden Ballermann am Band.
Kurt Eimers

„Du hast alles erreicht, Du hast alles gegeben! Hast Millionen Menschen zum Singen vereint!“ Mit diesem Songtext-Anfang offeriert Ben Zucker seine Laudatio zu dem (altersbedingten) Bühnenabschied von Jürgen Drews als dem „König von Mallorca“ – und desweiteren geradezu persönlich verzückt im Sinne seiner Millionen Fans: „Du bist ein König, bleibst für immer unser Held. Ohne Dich wird es hier sehr leise, verdammt leise sein…“ Aber könnte es nicht auch insular unmajestätisch lauten: – …hast Millionen Menschen zum Saufen vereint?! Entalkoholisiert betrachtet und erachtet, liest sich diese Zusammenfassung AUF DER MEILE DES IRRSINNS auf Malle oder Mallorca von Martin Machowecz gegenüber den Klatschspalten der Regenbogenpresse und BILD: eher nüchtern aufklärerisch und farblich wie in einem großen Kristallglas Sangria versenkt – gleichwohl prägt dieser seriöse Bericht die reale geile Stimmung und Bestimmung auf/an der Ballermann-Meile: schlussendlich dann als Inselgast (ohne Gastlichkeit) besoffen zu sein, bewirken diese Berauschungen eine Seins-Dämpfung und die Verdunstung der menschlichen Vernunft! Und somit ist dann wohl auch der allgegenwärtige Trieb vorerst ausgeschaltet und diese lalligen Lebewesen werden derart narkotisiert keinen Auftrieb mehr veranstalten: die Birne ist zugeknallt und zugedröhnt und begibt sich ins Koma! (Manche bewusst hierzu nüchtern Gebliebenen: haben dann die größeren Chancen auf ein Rendezvous zu einem One-Night-Stand! Jawoll – es gibt dieses abtörnende Koma-Saufen und wahrlich sind die Angetrunkenen und Besoffenen schon am hellichten Sonnentag auf dem Ballermann und am Strand entlang, zu erkennen und zu besichtigen oder auch schon flachgelegt vom Suff zu diesem Inselpuff am Ballermann auf Malle… Und das macht uns Alle alle! Atención: – los Allemanes ante portas de nostra Isla Mallorca.
Wir hatten eine pauschale Kultur-Reise gebucht mit Hotel nahest am Strand, uns aber nicht bewusst: dass dieses Viersterne-Hotel direkt am Ballermann sich vorfand mit pauschalem Hinterzimmerblick direkt auf die Schinkenstraße, klarste Sicht zum „Bierkönig“. Der Stimmungspegel dort etwa 200 Meter entfernt stieg dann tagsüber in die Nacht bis in den frühen Morgen hinein: immer heftig an, alles irgendwie noch Zweibeinige war unterwegs dorthin und dahin mit den entsprechenden Erwartungen und Aufwartungen: auf die inneren und äußeren Haltungen und Einhaltungen kommt es dabei nicht an… Im „Bierkönig“ ist die Bestimmung: die pure ausgelassene Stimmung, der Alkohol fließt in permanenten Einströmungen und die vielen Grüppchen an buntdekorierten Menschen beiderlei Geschlechts singen und tanzen die banalen Schlagertexte rauf und runter… Und immer bunter geht es zu bis zumeist mann/frau auch randvoll dabei zu sind… So blieben und verbleiben dort am Ballermann die Spielregeln – und jede/r weiß das, kommt mit diesem erwartungsvollen Vor-Wissen auch auf Malle an im Flieger: dann direkt dorthin verfrachtet in diese hierfür vorbereiteten (davon profitierenden) Hotelanlagen für jene austauschbaren, ewig gleichen massenhaften Pauschaltouristen der Ballermänner und Ballerfrauen… Schließlich kann nicht jede/r mit prall aufgepumpten Geldbeutel zum wartenden Rolls-Royce über das Meer nach Mallorca ankommen oder sich einen Privatjet leisten bzw. eine Luxusjacht zur Verfügung haben… Dafür arbeitet ja das allgemeine Volk beständig: damit sich die Reichen dieses separate Luxusleben leisten können! Nicht nur in Andratx und auf dem Immobilienmarkt: werden dortige Villen bis zu 20 Millionen Euro angeboten! Doch diese KäuferInnen auf Mallorca scheinen ziemlich rar zu sein unter den ansonsten jährlichen etwa 14 Millionen Touristen auf der Insel… Geht das etwa an die Galle bei den Massentouristen auf Malle? Bloß kein Neid – dazu fehlt letztlich die Zeit für eine Woche! Und man kann ja volkstümlich dagegen ansingen: „Wenn ich einmal reich wär…“
Und nun neue Verordnungen im Chaos der Ordnungslosigkeit zwischen Geld-machen und Ordnung-machen „auf der Meile des Irrsinns“ oder der zukünftigen Bannmeile der öffentlichen alkoholischen Verbannung – wobei Martin Machowecz dies ordnungsgemäß so beschreibt: „Die Regel, die die Inselregierung (aus Konservativen und Rechtspopulisten) vor einigen Wochen erlassen hat, trägt den Titel: „Dekret für verantwortungsvollen Tourismus“. In einem begrenzten Gebiet gelten künftig Strafen von bis zu 1.500 Euro, wenn man mit Alkohol im Freien erwischt wird. Die deutschsprachige „Mallorca Zeitung titelte: „Ballermann wird trockengelegt“. Kern der neuen Gesetzeslage: Vor allem eben an der Playa de Palma, in der großen Bucht direkt vor der Hauptstadt – dort wo die allermeisten deutschen Billigurlauber sich aufhalten, wo sie auf einer Strecke von zweieinhalb Kilometern am Strand und in den Bars und in den Nachtclubs ihre Schlüpferlieder singen, wo sich Bar an Bar reiht – dort also darf sich niemand mehr außerhalb von Lokalen mit Bier in der Hand erwischen lassen, niemand mehr mit einem Cocktail im Plastikbecher. Die Regeln gelten auch für einige weiter Hotspots des Alkoholtourismus, etwa den Küstenstreifen von Magaluf, an dem sich vermehrt Briten die Kante geben.“
Eine sehr genaue und deutliche Beschreibung von Martin Machowecz zu den Zuständen am Ballermann und gleichzeitig auch mit den promilleheftigen Belustigungen zum alkoholischen Vergnügen textlich bedacht, wenngleich die künstlerischen Fotos nichts von alldem „Irrsinn“ wirklich widerspiegeln – vielleicht dürfen auch keine Persönlichkeitsrechte fotografisch (von Martina Borsche) abgeballert werden, wenn es ernst wurde mit dem Zuballern bis zum Umfallen… Aber ins Detail kommend: Unser „Besuch“ im Bierkönig war buntestes Tralala – zuvor noch war „Schürze“ am späten Nachmittag kurz aufgetaucht, stellte sich mit an unseren Tisch draußen am Bierausschank des „Bierkönig“ und war herzlich leutselig, echt zum Anfassen und nahest zum Fotografieren: ein offener Typ, der des Nachts dann Stimmung machen kann und sicherlich nicht „von oben herab“ sich dem Bierkönig-Volk präsentiert – vielleicht sogar eher einer „wie Du und Ich“… Und das kommt an beim derartig feinfühligen Publikum! Und um es mal auf den Punkt zu bringen: Es ist doch absolut menschlich, sich von der Kultur fernzuhalten, einen über den Durst zu trinken mit der entsprechenden Bewusstheit, so auch sein Jungsein für eine Woche im Jahr (auf Malle) zu entregulieren von all den Regeln zu Hause – als wie in früheren (germanischen) Zeiten für das Militär uniformiert zu sein, in Kriege kommandiert zu werden, andere Länder zu okkupieren… Deutschsein zu diesen Malle-Darbietungen der Ausgelassenheit für einige Tage (und dann ab nach Deutschland zurück in die regulierte Arbeitsfleißigkeit): hat sicherlich keine optischen Ausgeglichenheiten zu bieten, dennoch: solcher Art von schwankenden Lockerungsübungen haben allemal mehr mitverständliche Menschlichkeit, als zu damaligen Zeiten auch als Jugend strammstehen zu müssen und nummeriert in die eingeordnete Registrierung zu kommen: und auf Aaachtungs-Befehle und Jawoll in namenloser Dressur sich auszurichten…
Auch das haben wir erlebt – eine als Ganter getarnte Männergruppe, die am späten Vormittag noch fast im Gleichschritt und im singendem Gleichklang den Ballermann entlanggingen, in Kneipen versanken und am späteren Nachmittag diese Ganteriche dann kaum mehr watscheln konnten – und somit eingehakt von Strass-Schmuck-dekorierten Prinzessinnen – die selbst sich blaublütig abgefüllt, an den Gantern festklammerten: und diese vermischte Truppe Richtung „Bierkönig“ sich so blau beflügelt, dorthin ins Ziel ausbreitete… In dieser legendären Stimmungslokalität wird jedes Lied („Schürze“ war auch daaaa!!!) textgenau mitgesungen und mitgegrölt: solange die Zunge durch den Befeeehl aus der Hirnvernebelung des Alkohols noch mitlallen kann… Martin Machowecz stellt DJ Robin (dem Mitsänger von „Schürze“ zu deren Hit Layla – „sie ist schöner, jünger, geiler“) auf Malle die momentane Standardfrage: „Alkoholverbot, wie findet er das?“ – und dessen Antwort lautet: „Eigentlich gut! – Man wolle den Sauftourismus hier ja seit 15, 20 Jahren eindämmen. Ein bisschen was sei schon erreicht: Es gebe kein Eimersaufen mehr. Und manches Massensaufgelage am Abend werde aufgelöst. Das sei im Sinne des ehrlichen Touristen!“ Na ja – ehrlicher Tourismus? Am liebsten wäre es den Mallorquinern: wenn man von Deutschland aus das Urlaubs-Geld direkt auf die Insel überweisen würde und dann der Insel fernbliebe…
In Corona-Zeiten kam kein (deutsches) „Schwein“ nach Malle, und somit wurde auch keine touristische besoffene Sau gesichtet: waren die Strände, die Hotels, die Bars, der „Bierkönig“ das „Oberbayern“, der „Mega-Park“ leer wie ein geleerter Eimer Sangria… Mallorca stöhnte zwei Jahre lang vor Enthaltsamkeit an/zu der fehlenden Touristenplage! -und die Mallorquiner wollten nun unbedingt wieder von (im Jahr 2023) über 14 Millionen Touristen geplagt werden… Disziplin im Urlaub ohne viel Alkohol und Freude am Rausch mit Gesang und Gegröle – von wem wollte das verlangt werden können: nicht von den jungen Leuten und ihren Bedürfnissen nach derartigen (kausalen) „Freiheiten“ für zumeist nur einer Woche dort auf Malle mit evtl. nahestem Körperkontakt… Der Artikel von Martin Machowecz verdeutlicht das lebensprall: „Abend. Die Promenade wird immer voller, die Pegel steigen immer höher, es beginnt: die Jagdphase. Balzzeit. Männer tragen Frauen, die sie vor fünf Minuten noch nicht kannten, in ihren Armen. Frauen sitzen auf Männerschößen. Tennissocken, verbrannte Dekolletés, Straßenhändler, die fragen: „Weed, Bro?.“ Frauen mit Pilotenmützen. Ein Opa mit E-Gitarre spielt „Let it Be“. Eine, dem Gesprächsdialekt nach, sächsische Zunge wandert in einen sächsischen Mund. Als die Zunge raus ist, fragt sie ihn: „Noch `ne Runde, oder langt´s jetzt?“
Nein – es langt nicht! Und mann/frau wollen dann noch richtig hinlangen – zumeist doch ohne Hemmungen und lästigem Anstand. Was soll´s: Die Birne ist zugeballert und auf dem Ballermann ist fast jede „Unanständigkeit“ erlaubt, ja fast schon vorprogrammiert, wird erwartet und sowie erwünscht. Neben wem mann/frau dann am späten Vormittag aufwacht – Hola und Huch: wer bist Du denn und wie heißt Du eigentlich noch?: ist dabei nur zu oft die duale Frage an beide Geschlechter unbekannter Herkunft. Tja denn: Ein neuer Tag mit Kater ohne die gleiche Katze, eine neue Begegnung mit anderen polygamen Gleichgesinnten zum Umtrunk als spätes Frühstück: Prooost Gemeinde – beim Saufen gibt es keine Feinde! Vor der Bucht des Ballermann-Strandes, draußen nicht weit entfernt, besichtigbar: liegt eine riesige Luxusjacht vor Anker, fährt ein schnittiges Beiboot junge schöne Mädels dorthin von Land aufs Schiff… – und glaube doch niemand: dass da nicht auch gesoffen wird oder anderweitig sich nicht berauscht werde… Und dass man dort an Bord nicht auch das will, was alle normalen Touristen und Touristinnen (ohne viel Moos) auf Malle und am Ballermann nicht auch haben woll(t)en… Auch „vornehm“ geht die Welt zugrunde – und mann/frau könnte sich auch zuvor sittsam zieren und sich dennoch alsbald verführen! – dies in etwa sind die Spielregeln von uns allen an Land, auf einer Insel, einem Kontinent oder auf einer Luxusyacht… Da wie Dort wird es irgendwie und irgendwo nach den Regeln der Verführungskunst so durchgezogen und veranstaltet – und von wegen Kultura: Die Sexualität plus Sex ist für alle zwischenmenschlich Beteiligten das absolute Nonplusultra – mit oder ohne Alkohol, aber bitte nicht zu sehr nüchtern sich gegenseitig an die Wäsche gehend… Ein wenig mehr Enthemmung erlöst einen von den oft zu sehr genormten Regeln und Verriegelungen dieses allgemein beliebtesten Spiels zwischen den Menschen…Der Schluss-Satz zu dem hemmungslos gerne gelesenen Bericht über Malle von Martin Machowecz – endet entspannt lebensnah: „Hinten pisst jemand ins Meer.“ Somit aber noch als Hinterfragung die RvM-Befragung zur Doppeldeutigkeit der Doppelmoral (auch im Zusammenhang mit dem allgemeinen Alkoholverbrauch): Warum ist das verboten – und gleichzeitig wird von über 14 Millionen Touristen pro Jahr plus der Mallorquinischen Stammbesatzung der Insel: deren gesamte Kloake ins Meer verbracht – mehr oder weniger scheinbar durchreinigt. Das Leben – mal ganz genau betrachtet: bietet doch verdammt viel Scheinheiligkeit! Ergo: In vino veritas! Und ohne Bier kein Daseins-Hier! Der exzessive Spaß (mit nunmehr öffentlich versteckterem Alkohol auf Malle) ist nicht vorbei – der sexzessive Spaß bleibt sowieso stets anbei dabei…
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld

 


 

Leserbriefe zu „Alt, weiß, männlich sucht…“ von Daniel Haas

Aus meiner Sicht braucht man kein Vorbild für das Leben ab Mitte 50, übrigens ein Alter, in dem ich mich auch seit einigen Jahren bereits befinde. Dementsprechend muss man sich auch kein Vorbild aus verschiedenen lebenden Menschen zusammenbasteln. Es reicht das Beherzigen einer einfachen Handlungsempfehlung von (natürlich) Johann Wolfgang von Goethe: „Edel sei der Mensch, hülfreich und gut!“. Eigentlich kann also das Leben, wie man sieht, in jedem Alter so einfach sein.
Volker v. Moers

Ihr Autor hat sich bei seiner Vorbildsuche ganz schön verzettelt. Dabei sieht er nicht, dass er in seiner offenen Selbstkritik und seinem Versuch, sich in der heutigen Gesellschaft einzuordnen, in dieser Hinsicht schon mehr geleistet hat als alle aufgezählten Kandidaten zusammen.
Felix Rabe

 


 

Leserbrief zu „Fußballeuropameisterschaft: Wer ist hier der Boss?“ von Oliver Fritsch

selten lobe ich Zeitungsartikel „über den grünen Klee“ und vermeide in Leserbriefen auch Schmeicheleien wie „Dank und Respekt für diesen großartigen Artikel!“ – aber in diesem Fall wäre es in der Tat angebracht. Mir ist keine Vorbetrachtung zur Fußball-EM bekannt, in der mit solcher Sachkenntnis und Nüchternheit die Situation der deutschen Mannschaft dargestellt und analysiert wird. Insbesondere imponiert mir, wie Sie, ganz anders als so gut wie alle Ihrer Kollegen, die Rolle von Kroos darstellen und bewerten (ich selber sehe sie noch kritischer als Sie). Leider gilt man in Zeiten, in denen ein neues „Sommermärchen“ herbeigesehnt und herbeigeschrieben wird, geradezu als Nestbeschmutzer, wenn man die Spieler und den Trainer nicht vorab schon zu fast unfehlbaren Helden hochjubelt. Ich wünsche der deutschen Mannschaft viel Erfolg, aber ich fürchte, anders als Sie, dass am Ende kein Deutscher „das Stadion anzünden“ wird, zumindest nicht im Endspiel das Berliner Olympiastadion.
W.-R. Heilmann

 


 

Leserbrief zu „Komm, gib mir deine Daten“ von Johanna Jürgens

Mit Entsetzen lese ich Johanna Jürgens‘ Artikel zum Thema Training der Meta KI. Allein die Überschrift ‚Gib mir deine Daten’ ist irreführend und Wasser auf die Mühlen der Boomer, die zwar bereitwillig überall ihre Kundenkarten durchziehen, in diversen Discounter-Apps fleißig Punkte sammeln und mit ADAC- Dongles rumfahren, um so 5€ pro Jahr beim Kfz-Versicherungsbeitrag zu sparen, aber dann Angst davor haben, dass jemand das letzte Gruppenfoto vom Betriebsausflug postet? Jeder, der sich Facebook, Instagram und Co. exponiert, weiß, dass diese Daten veröffentlicht sind. Wieder mal eine Datenschützer-Panikmache, die ihresgleichen sucht und dafür sorgt, dass Deutschland auch als Digitalstandort in der datengeschützten Bedeutungslosigkeit verschwindet. Wenn KI-gesteuerte Roboter bald Aufgaben in der Pflege übernehmen sollen und zuverlässig medizinische Diagnostik unterstützen sollen, weil es gar nicht genug Ärzte gibt, müssen sie trainiert werden. Wer das eine will, muss das andere mögen.
Anne Bäro

 


 

Leserbrief zu „Ich mach das schon für dich“ von Lisa Hegemann und Jakob von Lindern

Schlimm genug, dass es Menschen also nicht mehr mit eigenem Verstand und vernünftigem Nachdenken allein hinbekommen sollen, ihr Leben zu organisieren, und sich hierbei dann auch noch von einem digitalen Assistenten künftig helfen lassen sollen/können, wobei sozusagen dann ganz nebenbei selbstverständlich auch ihre persönlichen (personenbezogenen) Daten von Apple „abgegriffen“ und weiter genutzt werden – „Schöne neue Welt“ … nur für wen am Ende?
Thomas Stähler

 


 

Leserbrief zu „Stimmt’s? Der Klimawandel führt auch zu mehr Erdbeben“ von Christoph Drösser

Für mich heißt Klimawandel, dass sich das Klima, wenn man so will, von einer zur anderen Sekunde wandelt. Klimawandel ist ein eben ganz natürlicher Vorgang. Keiner kann die Zeit anhalten, deshalb ist all das, was um uns herum passiert, einem ständigen Wandel unterworfen. Irgendwann einmal kam ich auf die Welt und irgendwann einmal verlasse ich wieder diese Welt. Alles ist ein ständiges Kommen und Gehen, heute scheint die Sonne, danach regnet es oder es regnet und die Sonne scheint trotzdem dazu!
Riggi Schwarz

 


 

Leserbrief zu „Reise: Dortmunder Ethologie“ von Tobias Lentzler

Habe mich sehr gefreut in der Inhaltsangabe der Zeit einen „Reisebericht“ über Dortmund zu sehen. Dazu muss ich sagen, dass ich den Times Artikel leider nicht gelesen habe, auf den Sie sich hier berufen. Enttäuschend fand ich dann den eher zynischen Inhalt der Beschreibung über Dortmund. Wahrscheinlich steht im Times Artikel nichts über die Simpsons-Ausstellung gegenüber vom Bahnhof (und in der Nähe des Fußballmuseums), die umsonst besucht werden konnte? Nichts vom U-Turm mit seinen 7 Etagen – wechselnden und festen Ausstellungen, ebenfalls Eintritt umsonst? (Mit übrigens netten, bereits in die Jahre gekommenen Museumsaufsehern, die die Kinder darauf hinweisen, was man alles doch bitte anfassen und ausprobieren soll)? Vom Opernhaus Dortmund mit einem der interessantesten Ballettensembles des Landes und Aufführungen, wo man tatsächlich noch mehrere Karten einen Tag vorher für das Musical „Rent“ bekommt (übrigens auch sehr nette, nicht mehr junge Ticketverkäuferinnen am Ticketverkaufszentrum direkt an der Oper)? Nichts vom Rombergpark mit seinen schönen Bäumen, Pflanzen und seiner Ruhe inmitten der „Ruhrmetropole“, welcher sicherlich mit dem Palmengarten in Frankfurt und Planten und Blomen mithalten kann (Eintritt muss in Dortmund nicht gezahlt werden…). Nichts vom Westfalenpark in der Nähe des Fußballstadions (diesmal mit Eintritt): Florianturm, Gondelfahrt, Riesenspielplatz, Bötchentour… Wenn davon nichts in dem Reisebericht der Times stand, wäre dies anzumerken…Über Currywurst, Bier und Fußball hinaus hat diese Stadt tatsächlich noch einiges zu bieten!
Mareike Strehl

 


 

Leserbrief zu „Verwandelt diese Villa!“ von Alexander Cammann

Im Plädoyer für seine Villa wird der Verleger Unseld recht hoch gehoben. Dass ein Verleger Kritikerempfänge veranstaltet, kann man als Taktlosigkeit sehen; als schmierig. Die Briefwechsel Unselds mit Bernhard und Handke zeigen einen Verleger ohne Format.
Paul Zwirchmayr

 


 

Leserbrief zu „Nix Mittel, sehr Meer!“ von diversen Autoren

Gerade las ich den Reise-Artikel im „Entdecken“-Teil der ZEIT. Eine Frage fehlt: Was mache ich, wenn meine Kinder am Strand einen ertrunkenen Flüchtling finden?
Astrid Raimann

 


 

Leserbrief zu „Anna Mayr entdeckt: Alleinlesefreiheit“

Meine Alternative zur Hotelbar, selbst praktiziert: legen Sie sich auf einen Liegestuhl, im Garten unter einen Baum, am Strand zwischen die Dünen; in der einen Hand 1-3 Gläser Prosecco, besser 1 Flasche, in der anderen DIE ZEIT – schwierig, doch Papier kann man falten! Sie sind mit sich allein, doch in Gesellschaft guter virtueller Freunde (m, w, d). Jeder von ihnen möchte Ihnen etwas Wichtiges oder Belangloses mitteilen. Sie aber brauchen nicht zu antworten, Sie dürfen schmunzeln oder sich auch mal ein bisschen ärgern. Nach jedem Beitrag empfiehlt sich ein kräftiger Schluck aus der Pulle. Dann rutscht das Gelesene in die richtige Ecke im Gedächtnis! Wenn Sie der Hafer sticht, können Sie auch einen lobenden oder leicht kritischen Leserbrief schreiben. Mit etwas Glück erhalten Sie sogar eine kurze, meist wohlwollende Antwort! Sie sind nur umgeben von der Natur, sich selbst und den gedruckten Worten Ihrer journalistischen Kolleg(inn)en. Da Sie zwischendurch auch mal schlafen und was essen müssen, flanieren, sonnenbaden, nachdenken, können Sie locker 2 Tage allein mit sich, der ZEIT und einem wohlschmeckenden geistigen Getränk verbringen! Das sind die retardierenden Momente, die jeder Mensch in der täglichen Hektik des meist oberflächlichen Quasselns und des permanenten Rücksichtnehmens zur Erhaltung seiner inneren Stabilität braucht!
Ulrich Pietsch

 


 

Leserbrief zu Titelbild ZEITmagazin

Als langjähriger Leser, der Zeit und Ihres Magazins fiel mir zur aktuellen Ausgabe doch auf (ich kann mich irren), dass das Titelbild des Magazins zum Motto „Deutscher Widerstand“ für sich alleine steht in dieser Ausgabe. Jedenfalls habe ich keinen weiteren Wortbeitrag, weder im Magazin noch in der Zeitung, zum Thema oder zum Bild bisher gefunden. Auch keine Angaben zur/zum Autor/in des Bildes. Nichtsdestotrotz empfinde ich das Titelbild als äußerst gelungenen Kommentar zum Verhältnis der Ausmaße der prodemokratischen Demonstrationen der letzten Monate in unserem Land zu den Ergebnissen der Europa und Kommunalwahlen an vielen Stellen, was die durchgehende Zunahme abgegebener Stimmen für die bezüglich der Glaubwürdigkeit ihrer vorgeblich demokratischen Ziele so fragwürdigen AfD betrifft. Ich jedenfalls sehe in dem Titel Bild Anspielungen auf eine gewisse Doppelgesichtigkeit dessen, was sich in unserem Land alles als Widerstand geriert: vom Widerstand gegen die so genannten Altparteien und ihre bisherige politische Dominanz bis hin zum Widerstand eben gegen Strömungen, die eine Rückkehr zu einem einheitlicheren, homogeneren und weniger vielfältigen Modus unserer Gesellschaft und Nation fordern oder gar meinen erzwingen zu müssen.
In der Tat scheinen Demonstrationen für Recht und Vielfalt in Freiheit zur Posse zu geraten, wenn sie trotz der hohen Zahlen teilnehmender Menschen nur wenig von der tatsächlichen Verteilung entsprechend Gesinnter in der Wählerschaft widerspiegeln. So ganz alleine mit meiner Interpretation des Titelbildes hätte ich natürlich zumindest gerne einen Namen der/des Künstler/s/in, noch lieber ein paar hilfreiche Zeilen, die mich ein bisschen vergewissern, dass ich beim Betrachten dieses Bildes nicht meiner bloßen eigenen Fantasie erliege. Vielleicht ist das aber auch so beabsichtigt!? Besonders schwer zugänglich, scheint mir, ikonographisch gesehen, das pausbäckige Püppchen in den Armen dieses diabolischen Zorro-Narren zu sein.
Bernd Stummvoll

 


 

Leserbrief zu „Mitgehört“ von Dmitrij Kapitelman

In dem berührenden Artikel „Ein Stein auf dem Herzen“ machte mich das Sternchen bei „Kyjiw“ neugierig. Lange suchte ich nach der Auflösung und fand sie versteckt in der Mittelfalte des Heftes: „Der Autor legt Wert auf diese vom ZEIT-Standard abweichende Schreibweise der ukrainischen Hauptstadt“.  Es wäre fair gegenüber Herrn Kapitelman, auch über seine Gründe zu informieren. Viele Ukrainer und Ukrainerinnen bevorzugen nämlich die Transkription des ukrainischen Namens ihrer Hauptstadt (Kyjiw) gegenüber der Transkription der russischen Version (Kiew). Dies gilt auch für Eigennamen, wie man auf Seite 28 erfährt. Gerade zu diesem Text, der sich stark mit Identität und Wandel beschäftigt, wäre eine kurze Erläuterung hilfreich.
Susanne Teichmann

 


 

Leserbrief zu „Liebe Leute: Koitus finitus“ von Claire Beermann im ZEIT Magazin

Ihre Kolumne „Liebe Leute“ schätze ich außerordentlich und lese sie mit großem Vergnügen. Ich danke Ihnen für diese Freude. Heute habe ich eine winzig kleine Kritik, die Sie mir nicht übelnehmen dürfen: Der korrekte Artikel des Wortes „Zölibat“ ist tatsächlich maskulin, also muss es „der Zölibat“ heißen.
Dorothee-Charlotte Eren