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20. Juni 2024 – Ausgabe Nr. 27

 

Leserbriefe zu „War’s das jetzt, Genossen?“ von Bernd Ulrich

Ein bitterer Abgesang auf die SPD und ein zutreffendes Psychogramm von Scholz. Sein Markenzeichen: er verwaltet ohne Visionen. Auch Merkel hatte sich damit kaum belastet bis auf ihr historisches „Wir schaffen das“. Doch genoss sie Vertrauen. Ihr Stammkapital war ihr unprätentiöses Auftreten, das sie glaubwürdig erscheinen ließ. Scholz nimmt zwar Stimmungen auf etwa bei Waffenlieferungen an die Ukraine, die meisten spüren aber den Opportunismus, der sich in dürren, emotionslosen Statements manifestiert. Und dann fehlt das Bewusstsein für Staatsräson. Altkanzler Schröder hatte seine Agenda durchgesetzt, wissend, dass ihn das sein Amt kosten könnte. Analog müsste Scholz, obwohl das unbeliebt ist, die Ukraine maximal aufrüsten, weil Putin unausgesprochen keinen regional begrenzten Krieg führt, sondern es insgesamt auf westliche Werte abgesehen hat. Der falsche Mann zur falschen Zeit.
Christoph Schönberger

Vor der letzten Bundestagswahl kam die SPD in Umfragen auf 14%. Die (angeblich) unbedeutenden Plätze auf der Wahlliste wurden aus dem Juso-Bereich besetzt. Bei der Wahl bekam die SPD dank Olaf Scholz bekanntlich 25% und schwupp sind ca. 50 Jusos in der SPD-Fraktion, die zusammen mit Herrn Mützenich Olaf Scholz ausbremsen – egal wo: Ukraine-Hilfe, Sozialpolitik, Innenpolitik, Verteidigungspolitik, Migration, Wirtschaftspolitik. Olaf Scholz fürchtet, von seiner eigenen Fraktion im Stich gelassen zu werden und dass er so endet wie einst Helmut Schmidt (wg. dem Nachrüstungsbeschluss). Olaf Scholz ist das Synonyme für Sprechblasen und fehlende Führung – mehr lässt seine eigene Fraktion nicht zu.
Hans-H. Hrabowski

Die Analyse der darbenden SPD von Bernd Ulrich ist engagiert und hat viele Treffer. Doch seine Hinweise, was die SPD anders machen müsste, überzeugen nicht. Verzicht und Wohlstandsverlust für Kriegstüchtigkeit und um das Weltklima in die Schranken zu weisen? Und ehrliche Selbstkritik für die fragwürdige Politik der vergangenen Jahrzehnte. Die anderen Parteien würden das Angebot gerne aufgreifen und ihren eigenen Müll gleich bei der SPD mit entsorgen. Und wenn man diese Ausgabe liest, finden sich noch andere Parteien in gleicher Lage. Das politische System der Bundesrepublik hat für alle Parteien eine Fehlentwicklung befördert. Seit Jahrzehnten wird den Bürgern nichts zugemutet, werden die Probleme unter den Teppich gekehrt oder mit Geld in die Zukunft verschoben. Statt zu investieren hat man konsumiert und nun denkt der Wähler – das ist Politik. Warum hört ihr damit auf? Ob die SPD oder eine der anderen Altparteien zu retten ist, darum geht es doch gar nicht mehr. Die Zukunft dieser Form von Demokratie steht zur Disposition. Eine Antwort wäre aus meiner Überzeugung der Wechsel zum Mehrheitswahlrecht. Man muss diese Meinung ja nicht teilen. Aber billiger wird es gewiss nicht werden für das Parteiensystem. Die SPD ist 161 Jahre alt geworden. Da darf sie auch gehen, solange ihre Geschichte noch ehrenvoll ist.
Fred Klemm

Gesellschaftliche Verantwortung, Solidarität, Begeisterung, Überzeugung: Das wären die Ressourcen, aus denen die Politik zur Bewältigung der großen Krisen unserer Zeit schöpfen müsste. Aber die Quellen versiegen. Sie werden nicht genährt, weder von der Regierung noch von der Opposition. Noch zu Beginn seiner Kanzlerschaft hatte Scholz immer wieder angekündigt, das Notwendige zu tun. Zeitenwende! Nun schweigt er und tut weniger als das Mögliche, ertränkt alles in lähmende Besonnenheit. Wo keine Reibung, da auch keine Wärme, kein Funke, der die nörtige Begeisterung auslösen könnte. Wo die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken sollen, schieben sie den von Individualisierung, Entsolidarisierung und Egoismus geprägten Volkswillen vor sich her und fördern im Namen einer verkürzt verstandenen Demokratie Stilltand und Rückschritt. Vor allem die Oppositionsparteien versagen, da sie nicht vorantreiben, wo es vorangehen müsste, sondern mit Verweis auf den Volkswillen alles ausbremsen. In diesem Klima stirbt unsere repräsentative Demokratie ab. Regieren wird quasi zu einem antidemokratischen Akt. Verantwortungsangst geht um. Wer sich bewegt, hat verloren. Nichts geht mehr. Keineswegs geht es nur um die Flamme der Sozialdemokratie, es geht mindestens genauso um die Flamme der Christdemokratie. Je kälter die Mitte, um so mehr brechen die Ränder weg, zurzeit am stärksten am rechten Rand.
Reinhard Koine

Seit Beginn der Amtszeit von Bundeskanzler Olaf Scholz arbeitet Herr Ulrich sich – warum auch immer – an ihm persönlich ab. So schrieb Herr Ulrich am 11.02.2022 (ZEIT Online) „… die Nicht-Kanzlerwerdung von Olaf Scholz. … Die Ampel ist nur bedingt politikfähig. Letztlich erklärt sich das Schweigen des Kanzlers genauso wie das Schweigen, das wir alle kennen, das am Küchentisch, im Büro oder im Bett: aus der Angst, dass die Worte zu viel Wirklichkeit an den Tag bringen könnten. Also keine Taktik, vielmehr: Tabu.“ Und im Anfang des Artikels (11.02.2022) äußerte sich Herr Ulrich damals so: „… Die Sprachlosigkeit kommt aus der Ratlosigkeit. … Scholz kann … auch keine Rede halten, die etwas Substanzielles zur Russland-Krise besagt, nicht zuletzt, weil seine eigene Partei in dieser Frage gespalten ist und zudem noch anders tickt als die beiden Koalitionspartner. Beim Thema Russland kann sich Scholz den Realitäten allenfalls beugen, gestalten kann er sie nicht.“ Wie falsch Herr Ulrich damals lag, zeigte die „Zeitenwende“-Rede nur gut 2 Wochen später. Hinterfragt Herr Ulrich auch einmal seine offensichtlich extrem früh felsenfest gebildete Meinung zum Bundeskanzler? Wie denn, am 30.05.2022 (ZEIT Online, der Scholzsche Boomerrealismus) bedient sich Herr Ulrich an vielen Stellen des Sarkasmus und kritisiert den Bundeskanzler für die seiner Ansicht nach „gefährliche Attitüde der Mäßigung“. Mit dem aktuellen Artikel hat Herr Ulrich nun das ganz große Besteck hervorgeholt. Nun spekuliert er über einen Untergang der SPD, natürlich auch Olaf Scholz geschuldet: „… tatsächlich lässt sich die vielleicht nicht tiefste, gewiss jedoch kälteste Krise der Sozialdemokratie ohne die politische Persönlichkeit dieses Mannes nicht erklären. Die Grenzen seiner politischen Möglichkeiten limitieren die Ampel und noch mehr die SPD, und wenn er noch lange so weiter regiert, dann werden uns seine individuellen Beschränkungen als die Grenzen des Politischen überhaupt erscheinen: The Olaf is the limit. …“
Und Herr Ulrich steigert sich immer weiter hinein: „ … sein politisches Butlertum gegenüber dem Demoskopie-Bürger …“ Nur um es klarzustellen: Natürlich kann man die Klimapolitik der rot-grün-gelben Bundesregierung kritisieren, auch mit Leidenschaft in der Sache. Selbst wenn sogar Robert Habeck kürzlich selbstkritisch einräumte, beim Heizungsgesetz zu weit gegangen zu sein. Und natürlich kann man auch Bundeskanzler Scholz kritisieren, auch ich kritisiere Aussagen und Handlungen von ihm und argumentiere dagegen. Aber um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Das eine ist die Sache, das andere ist die Person, der Mensch. Einen vergleichbar polemischen, persönlichen herabsetzenden Artikel habe ich in meinen 45 Jahren als Abonnent der ZEIT nicht in Erinnerung, jedenfalls nicht als ernsthafte journalistische Arbeit abseits von Glossen. Ich verstehe nicht, wieso die ZEIT den persönlichen Antipathien von Herrn Ulrich solch großen Raum gibt. Gerade in Zeiten, wo der häufig falsche Ton im politischen Diskurs beklagt wird. Wäre auch nicht ein kurzer Disclaimer angebracht, dass Ihr früherer stellvertretender Chefredakteur Herr Ulrich (laut Wikipedia) von 1988 bis 1990 Büroleiter beim Vorstand der grünen Bundestagsfraktion war, also einer mit der SPD konkurrierenden Partei verbunden ist bzw. ihr zumindest sehr nahesteht. Ob man in einem Disclaimer auch sein 2021 veröffentlichtes Buch mit Luisa Neubauer erwähnen sollte, sei einmal dahingestellt.
Wilfried Meister

Krisen sind während der Ampelzeit von Rot- Grün- Gelb, kein farbenfreudiger Trialog – die Europawahl und das Ergebnis der SPD nicht gut, aber Olaf Scholz bleibt der Bundeskanzler. Mit der Gelassenheit eines “ Hamburger – Hanseaten, ist der Kommentar mit einem „Nö“ knapp und emotionslos. Regieren in dieser unruhigen Zeit von Krieg – warten auf den Frieden –, muss jetzt erst einmal mit der Kriegstüchtigkeit angefangen werden – das 2% Ziel und das Sondervermögen sind vorrangig. Das Europa der EU – tanzt jetzt besser „rechtsrum“ und konservativ. Die „grüne Welle „von 2019 rutscht 2024 weit ab. Die 16-Jährigen als Erstwähler politisch gut informiert auf TikTok entscheiden sich für die AFD. Bildung findet nicht mehr in der Schule und im Politikunterricht statt. Olaf Scholz und seine SPD- Regierungskompetenzscheint die 16-Jährigen nicht zu überzeugen. Die Wahlkampfstrategie der SPD – mit einem Plakat von Olaf Scholz und Katarina Barley knappen Botschaft „Frieden „, viel zu weit weg von der Realität des Krieges in der Ukraine. Die Zeit der fröhlichen Botschaft des Jahres beginnt erst mit der Weihnachtszeit und für die SPD, die große Angst, dass Olaf Scholz nicht wiedergewählt wird.
Thomas Bartsch Hauschild

Danke für die wegweisende und fundierte Kommentierung der aktuellen Krise der SPD! Mit diesem Tenor wird auch in künftigen Geschichtsbüchern der eigentlich zu bedauernde Niedergang dieser Partei und der Beitrag des Kanzlers analysiert werden müssen.
Martin Kirchner

Wie so oft sorgt ein von Ihnen verfasster Artikel für eine (meine!) innere Zerrissenheit. Viele Aspekte, die Sie nennen und darlegen sind natürlich nachvollziehbar und aus meiner (persönlichen) Sicht sogar „richtig“, andere dagegen oder vielmehr die Schlüsse und/oder Vorwürfe, die aus diesen dargelegten Aspekten gezogen werden, zielen aus meiner Perspektive völlig am Thema (oder vielmehr am Ziel?) vorbei. „Tatsächlich trägt Deutschland wegen Scholz‘ Demoskopie-Bias und wegen seines Rhetorik-Defizits dazu bei, dass die Ukraine diesen Krieg wahrscheinlich verliert.“ Dieser Satz ist schon ein starkes Stück. Mal abgesehen davon, dass er die Rolle des deutschen Bundeskanzlers (bei aller Wichtigkeit, die diese Position aufgrund der deutschen Wirkungsposition in Europa und der Welt sicher innehat) maßlos überbewertet oder er hier vielmehr geschickt suggerieren soll, Scholz habe eine große Wirkungsmacht und damit noch größere Verantwortung. Weil, wenn man den Satz rein faktisch analysiert, erkennt man zwar, dass hier nur von einer Wahrscheinlichkeit gesprochen wird und von einem Beitrag. Jedoch wird hier nicht gesagt, wie groß dieser Beitrag ist und wie viele andere Beiträge es in diesem Zusammenhang sonst noch so zu betrachten gälte und um was für weitere Beiträge es sich dabei handeln könnte,… also solchen von Scholz selbst, anderen Personen der Regierung, der Opposition, anderer Nationen oder Institutionen oder -man glaubt es kaum- sogar von Rahmenbedingungen, die gar nicht direkt personenabhängig sind. Könnte ja doch einige Gründe (Beiträge) geben, warum die Ukraine diesen Krieg (wahrscheinlich?) verlieren könnte, abgesehen von Scholz‘ Demoskopie-Bias und seines Rhetorik-Defizits, welche als Aspekte hier beide nicht weiter beschrieben und genauer definiert werden und deshalb Kategorien (gemein formuliert könnte man auch Worthülsen sagen) darstellen, die so genutzt eine populistische, da vereinfachend-verzerrende und „meinungsmachende“ Wirkung nach sich ziehen. Muss das sein?
Bei den nachfolgenden Ausführungen zur Klimapolitik kann ich nur zustimmen, auch weil hier spezifischer und exemplarischer formuliert wird und auch konstruktiv fragend eine Art alternative Vorgehensweise präsentiert wird, der ich auch inhaltlich zustimme. Denn ja, in Bezug auf den Klimawandel darf sich die politisch-gesellschaftliche Diskussion nicht daran orientieren, was den Menschen zugemutet werden kann, sondern muss sich an wissenschaftlichen Fakten und Daten orientieren. Denn mit dem Klima kann ich weder verhandeln noch diskutieren. Physik wirkt und das ziemlich unbeeindruckt von den Wünschen der Menschen, das gilt im Übrigen ebenso für Atmosphärenchemie und alle anderen Naturwissenschaften. Wenn also naturwissenschaftliche Informationen als eine Zumutung interpretiert werden vor denen die Menschen geschützt werden müssen, dann wird die Problemlösung in einer Demokratie unmöglich und Verschwörungstheorien und Demokratiefeinden wird Tür und Tor geöffnet. Dass politisches Handeln gesellschaftlich diskutiert werden muss, also die Vor- und Nachteile möglicher Maßnahmen genauso wie natürlich unterschiedliche Maßnahmen an sich und deren Konsequenzen für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen, ist dabei selbstverständlich. Momentan werden diese beiden Aspekte von Akteuren der Politik verwechselt oder gleichgesetzt: Die grundsätzliche Diskussion sowie der Austausch darüber was ist und was kommen wird und das auszuhandelnde/auszulotende politische Handeln, welches dann auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen umgesetzt werden muss. Dabei darf nicht vergessen werden, dass das Umsetzen nicht von Politiker:Innen, sondern von den Menschen in den unterschiedlichsten Wirkungsfeldern von Wirtschaft und Gesellschaft, von Privatpersonen und Dienstleistenden aller Ebenen, geleistet wird, bzw. werden muss.
Am meisten treibt mich jedoch um, dass insbesondere der SPD und ihren Akteuren implizit vorgeworfen wird, sie trügen eine Art Hauptverantwortung für die heutige Situation, in der wir uns national und global befinden. Es klingt so (egal wo man hinhört, sei es auf der Geburtstagsfeier, im Büro, am Esstisch, in Interviews, Zeitungsartikeln oder sonst wo, wo Meinungen schnell mal formuliert werden), als hätte die Sozialdemokratie wahlweise falsch, zu viel, zu orientierungslos zu einseitig oder gar nicht gehandelt in den letzten vierzig (?) Jahren. Dass die SPD seit 1980 nur einmal unter einem SPD-Kanzler (Gerhard Schröder,1998 – 2005) eine Regierung anführte, ansonsten jedoch nur als Juniorpartei unter CDU-Führung im Rahmen einer großen Koalition (!) mitregierte, mutet in diesem Zusammenhang fast unglaubwürdig an. Bedeutet dies eigentlich, dass man inhaltliche und gestaltende Politik grundsätzlich nur der SPD (selbst als Juniorpartei) zutraut und zumutet, weil die CDU als konservative Partei per Definition eher verwaltend und wenig gestaltend agiert? Übrigens meiner Meinung nach wurde inhaltliche Politik zu Zeiten großer Koalitionen fast ausschließlich von der SPD vorangetrieben und im positiven Fall als gute Regierungsarbeit unter CDU-Führung und im negativen Fall als schlechte Arbeit der SPD verkauft, wofür diese von Wählerinnen und Wählern dann auch prompt abgestraft wurde. Gerne wurde hier kritisiert, die SPD verkaufe ihre sozialdemokratischen Werte und Kernthemen, weil sie sich als mitregierende (!) Partei gegenüber dem konservativen Koalitionspartner CDU kompromissfähig (man könnte es auch als regierungsfähig und eben nicht blockierend formulieren) zeigte. Dazu muss man sich einfach die (Kern)Themen in den jeweiligen Koalitionsverträgen anschauen, das geht sogar ganz einfach auf Wikipedia und diese abgleichen mit den Themen der Sozialdemokraten und der Christdemokraten. Um hier nur beispielhaft drei auch heute zentrale und wichtige Themen zu nennen über die aus sehr unterschiedlichen Positionen heraus gestritten wurde und deren Umsetzung wohl eher von der SPD vorangetrieben und von der CDU eher gebremst wurde, seien hier der Mindestlohn und das ErneuerbareEnergienGesetz (EEG) sowie die Mietpreisbremse genannt.
Dass in den letzten 40 Jahren zweimal 16 Jahre CDU-Regierung zu verbuchen ist und man somit bei der CDU eine gewisse Mitverantwortung für die „heutige Situation“ vermuten könnte, hört man erstaunlich wenig. Ich frage mich ernsthaft, woran das liegt. Kernthemen des Klimawandels, der Digitalisierung, der Bildung (Lehrermangel!), der Integration,… wurden (und das ist auch in aller Munde) in diesen letzten 40 Jahren verschleppt und verschlafen, zu kleinteilig oder überhaupt nicht angedacht. Und die Partei, die sich im Kern sogar als konservativ definiert und damit nicht gerade ein Aushängeschild für Fortschritt, Veränderung und zukunftsgerichtete Gestaltung darstellt, sondern eben für das Bewahren von Bewährtem (sehr positiv formuliert) und dem Festhalten am Althergebrachten (konservativ: am Hergebrachten festhaltend; Def. Duden) steht, ja diese Partei scheint von jeder Verantwortung freigesprochen; über sie wird in diesem Kontext gar nicht gesprochen (und wenn dann sehr gerne nur mit einem sehr engen Blick auf die ehemalige Kanzlerin Merkel als eine Art Alleinverantwortliche). Dieser Partei, der CDU, wird laut der letzten Wahlergebnisse und Umfragen am ehesten zugetraut die „Probleme unserer Zeit“ zu lösen. Das ist lachhaft. Meine Meinung. Aber gut, Meinungen gibt es viele.
Sie sagen außerdem, lieber Herr Ulrich, dass „ein unsozialdemokratisches, ein letztendlich selbstzerstörerisches Zeitalter droht“, in welchem sozusagen „die populärste Reaktion [der Menschen] auf die neue Epoche darin besteht, alle Kräfte, die man noch hat, und den Wohlstand, über den man noch verfügt, maximal egoistisch (und damit maximal kurzsichtig) einzusetzen.“ Und daran ist nun also, wie könnte es anders sein, die SPD schuld, weil sie als „Partei der Solidarität [dabei] natürlich nicht so richtig mitmachen“ kann und hier nicht angemessen und klar gegensteuert. Ein klares politisches Handeln und Gegensteuern ist natürlich absolut notwendig, wenn wir die riesigen Herausforderungen, die der Klimawandel mit all seinen Unterthemen mit sich bringt (dazu gehören übrigens unter anderem Themen wie Migration und Kriege!), meistern wollen. Nur ist es in einer Demokratie nicht möglich, zumindest nur für sehr kurze Zeit, am Volkswillen vorbeizuregieren und noch dazu sind sich die Menschen in diesem Lande (leider!) ziemlich uneins darüber, was die zentralen Probleme überhaupt sind. Es werden ja noch nicht einmal die wirklich wichtigen Probleme als die zentralsten Probleme erkannt. Die Ergebnisse der letzten Wahlen und die Gründe für die Wahlentscheidungen zeigen laut Infratest dimap, dass das mitunter prominenteste „Sorgenthema“ der deutschen Wähler (53%) die Migration und nicht der Klimawandel ist, obwohl die Migration zum Themenkomplex des Klimawandels gehört und nicht umgekehrt und durch diesen in der Zukunft noch stärker beeinflusst und verstärkt werden wird. Komplexität und Vernetzungsgrad des Themenbereichs „Klimawandel“ scheinen für viele Menschen fachlich und emotional überfordernd zu sein, das kann unter anderem mit der zurückhaltenden und zu vorsichtigen Kommunikation der jetzigen Regierung zusammenhängen, aber sicherlich auch mit der Tatsache, dass das Thema viele Jahre zuvor schon stiefmütterlich behandelt wurde. Auch benötigt es spezifische Kompetenzen, um mit naturwissenschaftlichen Daten und Inhalten sachgerecht umgehen zu können und diese beschreiben, erklären und bewerten zu können. Nun müsste das Fass „Bildung und Bildungspolitik“ aufgemacht werden,… aber vielleicht ist es leichter zu sagen, dass auch hier die SPD schuld ist, die die zentralen Aspekte der Bildungspolitik in diesem Land ganz allein verschlafen hat.
Christina Hildebrandt

Was ist bloß aus der SPD Willy Brandts geworden? Seinetwegen bin ich im November 72 bei dichtem Schneetreiben zur Bundestagswahl von meinem damaligen Studienort Göttingen in meinen Hauptwohnsitz Karlsruhe gefahren. In den hessischen Bergen steckte ich stundenlang in einem zig km langen Schnee- und Verkehrschaosstau fest und habe trotzdem noch rechtzeitig das Wahllokal erreicht, um stolz bei Willy Brandts-SPD mein Kreuzchen zu machen! Analoge Begeisterung damals, digitale Ratlosigkeit heute! Die jetzige SPD gleicht einem völlig entkernten schlabberigen Blaumann, der richtungslos im Zeitgeistwind flattert; ihr Führungspersonal wirkt ausgelaugt, ideen- und kraftlos! „Wir haben in dieser Legislaturperiode doch schon so viel erreicht!“ Ja, Nebensächliches, fürs Anpacken und Lösen der Großprobleme fehlt jegliche zündende Idee! Da macht man lieber Politik nach Vorschrift, hangelt sich an überholten, verstaubten Gesetzen entlang und blickt ängstlich auf das kleinste Augenbrauenzucken der Verfassungsrichter! Wenn die SPD unter die Fünfprozenthürde zu rutschen droht, sollte Pistorius eine neue Partei gründen: die SPD-VP (nicht „Volks-Partei“, sondern der „Vision“ und des „Pragmatismus“, beides von Ulrich schmerzlich vermisst)! Noch besser wäre, er würde die Wagenknecht-Partei entern, Sarah vom Thron stürzen und sich selbst zum Vorsitzenden aufschwingen! Doch dazu ist er leider zu honorig und loyal! „Wunder gibt es immer wieder“ – vielleicht steigt im kommenden Wahljahr ein Brandt – oder Schmidt – 25 wie Phönix aus der SPD-Asche? – Der muss erst noch geboren werden!? Also – 50! So schafsgeduldig wird das arg gebeutelte deutsche Wahlvolk wohl noch auf den klimaneutralen Genossen Messias warten können!
Ulrich Pietsch

Die Meinung von Herrn Ulrich, dass die SPD zurzeit keinerlei Aufbruchstimmung verbreitet, teile ich. Ebenso teile ich seine Meinung, dass unser Bundeskanzler in der Kommunikation mit den Koalitionspartnern und mit den Wählerinnen und Wählern noch Luft nach oben hat. Vielleicht gilt das auch für unseren Bundespräsidenten, doch dann hören meine Meinungsübereinstimmungen mit dem Autor des Artikels auch schon auf. Denn das, was Herr Ulrich in seinem Artikel ausschließlich auf die SPD bezieht, gilt in gleicher Weise für die beiden anderen Mitglieder der Ampelkoalition und ebenso für die CDU/CSU. In seiner Begründung führt Herr Ulrich u.a. das Klimageld an, ein Projekt der Grünen, dass sie aber ab irgendeinem Zeitpunkt überhaupt nicht mehr ernsthaft beworben und nach vorne getrieben haben. Man könnte viele weitere Beispiele von Ampelprojekten anführen, die aus Mangel an Initiative und Elan nicht mehr angegangen worden sind. Ich will damit sagen, den Artikel, den Herr Ulrich verfasst hat, der lässt sich in den allermeisten Bereichen 1:1 auf die anderen beiden Ampelkoalitionäre übertragen. Statt etwas tiefer in die Seele der SPD einzudringen und weitere Ursachen zu analysieren, kommen polemische Sprachhülsen wie, dass wir alle verdrängen, wer für unsere Waren geblutet hat, dass uns allen das Klima, die Flüchtlinge und die Entwicklungshilfe, egal sind, Amerika first, Deutschland first, Deutsche first, Heutige first, Boomer first. Als langjähriges SPD-Mitglied hatte ich mir vor dem Lesen des Artikels neue und fundiertere Erkenntnisse versprochen, die dabei helfen könnten, ein Konzept zu entwickeln, um von Seiten der SPD dem Vormarsch der Populisten von rechts und links etwas Wirkungsvolles entgegenzusetzen. Übrigens sind diese eben genannten Populisten in ganz Europa auf dem Vormarsch. Es muss also Gründe geben, die parteiübergreifend sind.
Ulrich Schwitzner

Zu der Feststellung von Autor Ulrich, dass tatsächlich Deutschland wegen der Scholz Demoskopie-Bias und wegen seines Rhetorik-Defizits dazu beiträgt, dass die Ukraine diesen Krieg wahrscheinlich verliert, möchte ich bemerken; es wäre ganz sicher besser gewesen, wenn Scholz auf seinen Vizekanzler Robert Habeck gehört hätte, der bekanntlich von Anfang an für die militärische Unterstützung der Ukraine war. Alles, was Kanzler Scholz aber nicht passte, ignorierte er ganz einfach oder setzte dagegen. So sollte auch nicht vergessen werden, dass die zugegeben, nicht immer diplomatisch vorgetragenen Vorwürfe, von dem damaligen Botschafter der Ukraine Andre Melnyk in Berlin berechtigt waren, aber dazu geführt haben, dass er abberufen wurde. Es hat sich gezeigt, dass Melnyk frühzeitig erkannt hat, wohin die Politik des Kanzlers führt.
H. Justin

Sie haben die aktuelle Krise der SPD gut und pointiert beschrieben, und es ist wie immer ein Vergnügen, Ihrer Analyse und Darstellung zu folgen, auch wenn einen der Sachverhalt traurig stimmt. Zwei Aspekte schneiden Sie allerdings nur am Rande an, obwohl sie mir ganz wesentlich und fundamental für die Krise der SPD scheinen: Der erste Aspekt ist, dass die SPD in den letzten Jahrzehnten ihre Stammklientel verloren hat – nämlich die Industriearbeiterschaft, vor allem Stahl- und Kohlekumpel, die im Zuge des industriellen Umbaus in Deutschland verschwunden ist – und keine neuen Anhänger und Unterstützer gefunden hat. Übrig geblieben sind wohlwollende Akademiker mit einer sozialen Ader, aber mit keinerlei Lebenserfahrung und -praxis aus den unteren Einkommensschichten. Ich erinnere den Auftritt einer Putzfrau auf einem SPD-Parteitag vor Jahrzehnten: das war wohl der letzte Kontakt mit „dem einfachen Volk“. Das, was wir heute Prekariat nennen, und die SPD sind sich gegenseitig so fremd wie Tag und Nacht. Die SPD hat damit ihre ursprüngliche Kernkompetenz für das Erkennen von sozialer Ungerechtigkeit und deren Bekämpfung verloren. Der zweite Aspekt liegt in der Strategie und in den Werkzeugen, wie soziale Gerechtigkeit befördert werden könnte. Die gute alte Vorstellung, man müsste den Reichen nur das Geld abnehmen und es an die Armen verteilen, ist nicht mehr zeitgemäß und effektiv, wie man unschwer an der monströsen Sozial-Bürokratie erkennen kann. So kann es nicht weitergehen, wir stecken hier in einer Sackgasse. Notwendig sind smarte, effektive Regeln und Maßnahmen, die das Anwachsen der Einkommens- und Vermögensunterschiede systemimmanent verhindern und wieder reduzieren.
„Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung“ sagte schon Ulrike Herrmann, kommt es doch darauf an, den Kapitalismus nicht abzuschaffen, sondern zu domestizieren und in den Dienst des Allgemeinwohls zu stellen: wie kann der Wohlstand, den wir erwirtschaften, sozial gerecht verteilt und gleichzeitig der bürokratische Aufwand dafür reduziert werden? Hier ein paar Ideen und Vorschläge eines einfachen Mitbürgers: Zum Beispiel die Umwandlung der 2-Klassen-Krankenversicherung (die ein anachronistisches Relikt aus dem 19.Jahrhundert ist) in eine solidarische Grundversicherung für alle, mit freiwilligen Zusatzversicherungen für nice-to-have Leistungen. Zum Beispiel eine gesetzliche Rentenversicherung für alle (also auch Beamte, Selbständige und Millionäre) ohne Beitragsbemessungsgrenze (also solidarisch), bevor man eine kapitalgedeckte Altersvorsorge aufbaut, die sowieso erst greifen würde, wenn alle Boomer bereits verstorben sind. Zum Beispiel eine kontinuierlich steigende CO²-Abgabe, die gleichmäßig auf alle Bürger aufgeteilt wird (ein Säugling bekäme dann genauso viel wie ein CEO). Zum Beispiel die notwendige Grundversorgung der Bevölkerung (wie Wohnen, Gesundheit, Mobilität, etc.) dem Renditestreben des Kapitalmarktes zu entziehen, ohne sie durch eine staatliche Verwaltungsbürokratie zu ersticken. Leider kommen von der SPD keine innovativen, zukunftsweisenden Ideen, mit denen sie dann auch wieder mehr Wähler gewinnen könnte.
Wolfgang Heckl

Bernd Ulrich baut die Analyse auf dem von der Vorgängerregierung geschaffenen planlosen und desolaten Zustand auf. Die Voraussetzungen und Randbedingungen der Ampel waren äußerst herausfordernd. Auch ohne Corona, Wirtschaftskrieg, Russlandkrieg, Hamas limitiert die Ampel einen Kanzler, der eine noch schlechtere Merkel2 gibt. Wir, die Leute, haben längst verstanden, daß aktuell mangelnde Führungskompetenz an die Grenzen des Politischen überhaupt geführt hat. Das Tal des Abstieges scheint aber noch nicht erreicht, denn eine vertrauenswürdige Perspektive ist nicht in Sicht. Die Demokratie braucht aber eine Herrschaftsorganisation und richtungweisende Herrschaftsausübung, die planvoll mit dem Volk kommuniziert. Das gilt besonders für Härten und Verluste im Übergang zum Ziel. Ein durchgängiger Plan für jede der politischen Großbaustellen – Energie, Wirtschaft, Verteidigung, Rente, Finanzen, und weitere – kann die Hoffnung wecken und bei erfolgreicher Umsetzung auch Vertrauen beim Volk zurückgewinnen.
Klaus Lamontagne

Ich habe lange Zeit meines Lebens SPD gewählt, aber sehr wichtige Männer in der SPD haben mich davon abgebracht. So hat Helmut Schmidt einmal gesagt, wer Visionen habe, solle zum Arzt gehen. Er hätte aber Visionen haben müssen, nur dann hätte er etwas tun können und wir hätten eine bessere Gegenwart. Und Gerhard Schröder hat einmal gesagt, Lehrer seien faule Säcke. Dieser Satz braucht keine Erklärung, genauso wenig wie Schröders Zuneigung zum Menschenverachter Putin.
Bernd Lienesch

Ein sehr emotionaler, gleichwohl meines Erachtens sachlich richtiger Artikel. Und es stimmt: Wenn gesamtgesellschaftlich weniger Geld für Konsum zur Verfügung steht, weil Investitionen u. a. in Klimaschutz und Verteidigung anstehen, sollte nicht zuerst bei jenen Menschen gespart werden, die sowieso wenig haben, sondern es sollte zunächst umverteilt werden. Aber die Klientel der SPD ist dazu – jedenfalls nach Einschätzung von SPD-Politiker*innen – fast genauso wenig bereit wie die Klientel von AfD, FDP, BSW und CDU/CSU. Bei der Aufzählung der Parteien, die das „große Lied vom Ich“ schmettern, haben Sie übrigens die derzeit wichtigste, nämlich mitregierende, vergessen: die FDP.
Ulrich Willmes

Kürzlich habe ich zu Josef Beuys‘ 7000 Eichen von 1982 in meiner Heimatstadt Kassel recherchiert und fand ein Statement von Hans Eichel, der sich damals als Oberbürgermeister für das sehr umstrittene Projekt einsetzte und auch den Diskurs dazu und die heftigen Auseinandersetzungen positiv bewertete. Das damals visionäre Kunstwerk hat der Stadt wunderbar schattig-grüne Straßen und Plätze geschenkt. Und ich dachte mir: tatsächlich – das gab‘s ja damals noch: SPD-Politiker, die sich für Visionen und Umstrittenes einsetzen und die Auseinandersetzung nicht scheuen. Hans Eichel: sicher nicht mit extrovertiertem Charisma ausgestattet – aber als OB mit der Flamme der SPD, die damals noch wärmte. Gibt‘s das heute überhaupt noch? Mir scheint, als hörte ich ein „Nö“ aus dem Kanzleramt. Bernd Ulrich spricht mir aus dem Herzen mit seinem Artikel. Man möchte ihr so gern helfen, der SPD. Aber es scheint, dass die einzige Fähigkeit, die sie noch deutlich ausgebaut hat, die der Selbstdemontage ist. Und neben dem tiefen Mitleid regt sich in mir auch Anklage: die SPD stellt einen Kanzler, der wesentlichen Anteil an der Gefährdung unserer Demokratie hat. Nicht gewollt – aber das ist im Ergebnis egal. Allein das Festkleben am Kandidaten zur nächsten Bundestagswahl ist fatal und irrational – dabei hätte man mit Pistorius auf jeden Fall die Möglichkeit, gut gegen Merz zu punkten und frustrierte Wähler zurückzugewinnen. Sie sollte sich wieder der Verantwortung fürs Land stellen, die SPD. Anstatt sich nur noch mit sich selbst zu beschäftigen. Wäre das nicht Ihre Aufgabe? Fast scheint’s mir vom Regierungssitz zu tönen: Nö
Gerhard Kampe

Die Kanzlerschaft des Olaf Scholz entstand aus einer Mischung von Not und Elend. Die nach-Merkel CDU wurde abgestraft; blöderweise hatte es die SPD versäumt eine respektable wählbare Person aufzubauen und zu richtigen Zeitpunkt zu präsentieren. Programmatisch war eh schon längst die Luft raus aus der alten Tante. Stattdessen kam dann das letzte Aufgebot. Diese orientierungs- und führungslose Notmannschaft führt den Laden nun in den sicheren Abgrund. Kühnert, Klingbeil und wie sie alle heißen mögen verbiegen sich bis zur schmerzhaften Unkenntlichkeit und Olaf sagt: nö! Im ZDF-Sommerinterview vom Sonntag, 23.06. stolperte, oder besser stümperte der Kanzler unerträglich in die laufenden Kameras. Auf zum letzten Gefecht Genossen! Bald seid Ihr Geschichte.
Bruno Fey

Ich gebe zu: Ihr Artikel bereitet mir erhebliche Kopfschmerzen! Unglaublich, was Sie dem Herrn Scholz alles anlasten; warum schreiben Sie nicht gleich: Bundeskanzler Olaf Scholz, ein Versager auf ganzer Linie! Wollten Sie einen konstruktiven Beitrag leisten – oder eine Schmähschrift? Und sollte es wirklich so sein, wie Sie es darstellen, dann ist es doch auch so, dass wir Bürger nicht besser dass . Ich nehme als Beispiel das Klima: Vier von fünf Menschen weltweit fordern mehr Einsatz für den Klimaschutz (aktuelle UNDP-Umfrage). Allerdings nur unter folgenden Bedingungen: 1. ich muss nichts tun, 2. es darf mich nichts kosten, 3. mein Wohlstand muss gewahrt bleiben, 4. nur, wenn mein Nachbar sich beteiligt! Und wie jetzt sollen uns Herr Scholz oder Herr Habeck für Klimaschutz begeistern? Schließlich haben wir sie gewählt, also müssen die das auch machen! (Übertrieben?). Im Grunde genommen habe ich Sie schon verstanden, worauf Sie hinaus wollen. Ich wollte mich nur im Rahmen meiner Möglichkeiten schützend vor Herrn Scholz stellen!
Peter Waltenberger

Was für ein Schreckensbild, dass Bernd Ulrich vom Kanzler, Bundespräsidenten und der SPD insgesamt zeichnet. Aber stimmt dieses Bild? Wir haben die diverseste Regierungskoalition seit Bestehen der Bundesrepublik, mit einer FDP, die offenbar glaubt, dass einzig der Markt alles richten kann und die mächtige und wohlhabende Bürgerinnen und Bürger a priori mit Leistungsträgern gleichsetzt und als Veto-Player gegen alle Veränderungen ist, die diese „Leistungsträger“ beschränken könnte, mit Grünen, denen die Methoden der Klimakatastrophenbekämpfung egal erscheinen, wenn sie denn nur eingesetzt würden, und sich wundert, dass ihr Pragmatismus nicht ankommt, und einer SPD, denen (seit langem) die Arbeiterklasse abhanden geraten ist, und die nun nicht weiß, ob sie sich eher für die Menschen am untersten Rand oder eher für die in der Mitte einsetzten soll. Keine ganz einfache Ausgangslage für die Regierungspolitik, zumal nun der durch den seit der Industrialisierung ansteigende Anteil an CO2- und anderen Treibhausgasen ausgelöste Klimawandel mit weltweit auftretenden, zunehmenden Dürren, Überschwemmungen und großräumigen Flächenbränden auch empirisch zeigt, dass er kein Phantasieprodukt der Wissenschaft ist. Der Klimawandel steigert zukünftig vermutlich auch die Wahrscheinlichkeit von (Bürger-) Kriegen und damit, sowie mangels hinreichender Lebensbedingungen, Migrationsbewegungen, die sich nicht durch „Rückführungen“ eindämmen lassen, zumal einige hunderttausend Einwanderer pro Jahr sogar wünschenswert wären, wenn sie denn dem deutschen Arbeitsmarkt am besten als Fachleute oder Pflegekräfte zur Verfügung stünden. Dazu eine Bevölkerung, der es mehrheitlich immer noch ganz gut geht (auch wenn das nicht für alle gilt), die aber ausweislich von Umfragen (weniger nach den Ergebnissen von Europa- und Kommunalwahlen) unzufrieden ist, sich vor der Zukunft ängstig und zudem die Möglichkeiten der Soziale Medien lieber durch Häme und Hass im Netz als durch Kooperationsanbahnungen nutzt. Dann doch lieber diese Regierungskoalition, die zwar langsam und wenig kommunikativ, aber nicht ganz ohne Erfolg vor sich hin wurstelt und keine unerfüllbaren populistische Versprechungen ankündigt, die weder durchsetzbar sind noch die realen Probleme lösen können.
Steffen Kühnel

Es macht großen Spaß, Bernd Ulrichs Abgesang auf die SPD und ihre Spitzenkräfte zu lesen. Die Partei wirkt tatsächlich aus der Zeit gefallen – das hat Ulrich in seiner typischen Art wunderbar beschrieben. Auch, dass weder Scholz noch Steinmeier in der Lage sind, den richtigen Ton zu treffen – auch diese Analyse stimmt ja – leider. Dass es in unserer Demokratie auf den Kanzler ankommt, macht alles noch viel schlimmer. Denn Scholz kann es einfach nicht. Aber er weiß es nicht oder will es nicht wahrhaben. Stattdessen ist er von sich so überzeugt, dass er fest daran glaubt, er werde die Deutschen bis zur Bundestagswahl im kommenden Jahr schon noch von sich überzeugen. Aber diese Rechnung macht er ohne den Wirt – den Wähler. Der hat von Scholz und seiner gesamten SPD-Entourage die Schnauze voll.
Wolfgang Wendling

„War’s das jetzt, Genossen?“ Als Altsozi mit mehr als 50 Jahren Mitgliedschaft auf dem gramgebeugten Parteibuckel neige ich dazu, diese Frage mit „ja“ zu beantworten. Ich sehe nicht, wie wir aus dieser von Bernd Ulrich zutreffend beschriebenen Krise herauskommen. Es fehlt an allem: Ideen, Persönlichkeiten, Überzeugungskraft, Gestaltungswillen, vor allem an Mut, sich aus dieser Situation mit einem Befreiungsschlag zu lösen, und wird unsere einst so stolze Partei über kurz oder lang zugrunde gehen.
Christoph Diehl

In dem Artikel wird die gestellte Frage, „…warum sie so schwach sind und dennoch an der Spitze stehen. Warum hat die SPD sie dorthin gestellt?“, nicht wirklich beantwortet. Warum ist das so (gilt ja auch für die anderen Parteien)?. Hatte nicht mal ein Bundeskanzler gesagt, wer Visionen habe, solle zum Arzt gehen? Visionen in Deutschland? Da müsste man die Angst vor Visionen bzw. Visionär:innen überwinden. Da man aber offiziell gar keine Visionsangst hat, kann man sich der Angst auch nicht stellen. Man macht ja Realpolitik (womit man auf der sicheren (!) Seite ist), die Realität treibt einen zwar vor sich her, was aber kein Grund ist, die Richtungsfrage zu stellen. Lieber wurschteln. War Scholz ein guter Bürgermeister in HH? Dagegen spricht, dass er offensichtlich nicht „wusste“, dass das Schanzenviertel, in dem viele „Autonome“ wohnen in der Nähe des Messegeländes liegt. Dort einen Wirtschaftsgipfel zu veranstalten, ist kühn, da Krawalle vorprogrammiert waren. Muss ich als Bürgermeister wissen, wo was liegt? Nachdem er sich für Frau Merkel, die den Gipfel initiierte, die Finger verbrannt hatte, wurde er mit dem Posten des Finanzministers belohnt. Eignung für den Job unklar. Thema Finanzen: Cum-Ex. Dieser Kanzler konnte sich nicht erinnern, wie weiland „Old Schwurhand“ Friedrich Zimmermann. In den USA würde sofort gefragt, ob er gesundheitlich noch dazu in der Lage ist, den Job zu machen (s. auch die Zitteranfälle von Frau Merkel). Nicht so in Deutschland. Hatte die NZZ nicht während des Wahlkampfes zum Bundestag Scholz als „Scheinriesen“ bezeichnet? So nimmt ein ausländisches Medium den Kanzlerkandidaten der SPD wahr. Warum fragte niemand nach, wie diese Beurteilung zustande kam? Wer in einer Partei (egal welcher) oben ist, wird, unabhängig von der Eignung, irgendwann Bundeskanzler, sofern die Partei die Wahl „gewinnt“. Ein innerparteiliches Kandidatenrennen wie in den USA ist „undenkbar“ (vielleicht auch nicht der Weisheit letzter Schluss, aber immerhin müssen die pot. Kandidaten die Wähler überzeugen). Die deutsche „Politikkultur“ und die dazugehörenden „Inner-Parteienkultur“ (s. Umgang der SPD mit dem Schröder/Putin-Problem. Es sei Privatsache) sind ein großes Problem. Hatte nicht mal ein Kanzler mehr Demokratie wagen wollen? Aber dieser Visionär wurde von seiner eigenen Partei „erledigt“. Es war die SPD.
Gerd-Rüdiger Erdmann

Ich habe heute Morgen wie immer beim Frühstück die ZEIT gelesen. In Bernd Ullrichs Essay „SPD: Ja, dann weint doch wenigstens mal!“ habe ich mich sehr verstanden gefühlt. Der Beitrag bringt meine Gefühle der Regierung und aktuellen Politik fachlich gut aufgearbeitet und literarisch mitreißend auf den Punkt. Ich würde mir ein Durchgreifen seitens der Politik sehr wünschen, Zumuten von Verantwortung und von Veränderungen. Aber auch die Verbindlichkeit fehlt mir, das Durchsetzen von Plänen, die Führungskompetenzen. Danke, für das Aussprechen und Zusammenfassen der aktuellen Situation, das tat sehr gut!
Janina Lingner

Ich habe Willy Brandts Kniefall in Warschau 1970 als Vierzehnjähriger am Bildschirm erlebt. Trotz der unterschiedlichen Perspektiven, die man zu dieser Aktion haben kann, ist man sich heute doch weitgehend einig, dass der Kniefall eine wichtige Rolle bei der Entspannung zwischen den Blöcken spielte. In jedem Fall war es eine mutige und radikale Handlung, die mich zutiefst beeindruckt und politisiert hat. Seither brannte die sozialdemokratische Flamme auch in meinem Herzen. Zugegeben, sie flackerte bedenklich von Zeit zu Zeit, aber wir hielten durch. Die SPD und ich. Aber nun geht es mir wie dem Autor des Artikels: Fast möchte man weinen, ob der tiefen Ratlosigkeit, die die SPD in diesen Tagen ausstrahlt, wenn die Empörung darüber nicht noch überwiegen würde. Und dann wünschte ich, dass Bernd Ulrich seinen so hoffnungsvollen wie mutigen Aufschrei direkt ins Kanzleramt ausgestoßen hätte, und dass dort ein Bundeskanzler säße, der sich doch noch hinhören wollte und sich beeindrucken ließe. Aber „Nö“, so wird es wohl nicht gewesen sein.
Hannes Jahn

 


 

Leserbriefe zu „Plötzlich alt“ von Jana Hensel

Wer mit knapp 12 % Zustimmung Kanzlerambitionen verspürt, muss an Hybris leiden. Aber da liegt vielleicht das Problem. Geblendet von den bisherigen Erfolgen und im Bewusstsein der Unfehlbarkeit droht Realitätsverweigerung. Selbst ihre stärksten Bataillone in den öffentlichen Funkhäusern konnten jetzt nichts mehr ausrichten. Hochmut kommt vor dem Fall.
Christoph Schönberger

„…irre geworden an der krisengeschüttelten Realität“? „… dass die Grünen nicht mehr wissen, wer sie sind.“? Ursachenforschung: Die üble Lügen-Kampagne gegen GRÜNE (Fossilindustrie mit KKR- Medien, willigen CxU – u.a. Lobbyisten) hat gewirkt! Flächendeckend als Sündenbock – ja Feind etabliert, wollte nun auch Liesl Müller GRÜNE nicht mehr wählen – wegen Ideologie, Wohlstandsverlust, Verboten und so. Frau Hensel tutet ungeniert in dieses Horn: „…böse Niederlagen eingebrockt“ Nein. Nicht Herr Habeck. Wer ihn nach den Aufklärungen der Verleumdungen noch als bösen Erfinder des „Heizungsgesetzes“ nennt, ist nicht mehr ernst zu nehmen. Glänzende Erfolge: Merz rudert jetzt mit Wärmepumpen- Anerkennung zurück. Die Förderungen und Einsparungen sprechen sich rum. Energiewende funzt…
Sylvia Creuzburg

Tja…; der Zeitgeist ist doch eine wunderbare Sache. Munteres Mitspuken und in wohlige Selbsttrunkenheit versinken ist da so billig wie ein Aldieinkauf. Analyse wird durch Polemik ersetzt („Veränderungsfuror“), Sachlichkeit durch Metaphernschläue („unerledigte Aufgaben wie Berge giftigen Atommülls“), Analogiewille zur Analogiegewalt (zu Habeck vgl. Scholz – dazu ein herzlicher Glückwunsch, das ist eine buchstäblich sagenhafte Pointe). Alles in allem: Zeitgeist halt. Leider neigt der, vgl. Enzensberger, zur Borniertheit.
Harald Martin

Während ich den Leitartikel Plötzlich alt von Jana Hensel lese, frage ich Sie, weshalb die deutsche Presse (in diesem Fall DIE ZEIT eingeschlossen) sehr häufig die Grünen als politischen Buhmann darstellt? Einen Artikel, über die vielen grünen Ziele (z.B. Tempo 130, Ausbau des Schienennetzes, Vorantreiben der Wind- und Solarenergie, faire Landwirtschaft, Kindergrundsicherung u.a.), die in Berlin einzig an der FDP scheitern und gescheitert sind, würde sicher nicht nur ich sehr interessiert lesen.
Gaby Setzer

Was soll das erklären? Eben waren die Grünen noch jung und jetzt sind sie alt und sogar „ältlich“. Und Habeck „ist ein Grübler“? Was soll das denn? Versuchen wir es doch mal mit politischen Kategorien. Die Grünen waren das Sprachrohr einer wohlhabenden Zeit mit wolkigen Problemen, in denen man sich selbstgefällig suhlte. Politik bestand aus Behauptungen mit großen Spielräumen für sprachbegabte Karrieristen. Jetzt ist Krieg, das Geld knapp, die Wirtschaft lahmt, die Kommunen senden SOS, unsere jüdischen Mitbürger sind nicht mehr sicher und der Wähler erwartet plötzlich für richtige Probleme richtige Lösungen. Das ist ein vollkommen anderes Berufsbild für Politier und lässt nicht nur die Grünen wirklich alt aussehen. Wobei – nicht wirklich alt. Ich bin alt und das bedeutet weise, witzig, ehrbar, erfahren und viel weniger eitel als die Typen, die erst vor Kurzem auf diesem Planeten angekommen sind. Die Grünen sind nicht alt – sie sind nur… grün.
Fred Klemm

Natürlich kann Robert Habeck es nicht allein richten – und die Grünen sind schließlich kein Habeck-Wahlverein. Das Problem sind aber nicht nur das Erscheinungsbild der Grünen und handwerkliche Fehler beim Gesetzemachen. Das Dilemma der Grünen ist, dass sie dachten, die „Fortschrittskoalition“ könne die Energiewende mit technischem Fortschritt und praktisch ohne Wohlstandseinbußen hinbekommen. Das war schon immer unwahrscheinlich, und nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine ist es wegen dessen direkten und indirekten Folgekosten für Deutschland ganz unmöglich, die Energiewende derart mit Subventionen abzufedern, dass Unternehmen und Wähler*innen nicht selbst mehr zahlen müssen. Das andere Problem der Grünen ist, das ihre Regierungsmitglieder insgesamt viel weniger grüne Ziele durchsetzen konnten, als die (früheren) Wähler*innen und die Parteimitglieder gehofft/erwartet hatten. Was haben denn Cem Özdemir, Lisa Paus und Steffi Lemke erreicht? Große Erfolge fallen mir da spontan nicht ein. Die Sache mit der grünen Volkspartei hat sich wohl erledigt: Sobald die Menschen merken, dass Klimaschutz, Naturschutz, Tierschutz usw. ihnen nicht einfach geschenkt werden, wenn sie die Grünen wählen, sondern trotzdem (ihr) Geld kosten, ist es mit der Unterstützung offenbar schnell vorbei. Dann lautet das Motto doch wieder: Nach mir die Sintflut! Dumm nur, wenn die Sintflut noch zu ihren Lebzeiten kommen sollte.
Ulrich Willmes

Besserwisserisch und verächtlich – ist das jetzt das Niveau der „Zeit“, repräsentiert durch einen Leitartikel? Schade!
Andrea Frings

Ja, die Grünen müssen sich neu erfinden. Ein-Themen-Partei, Volkspartei, Milieu-Partei sind keine geeigneten Ansätze mehr. Die Grünen sollten sich vom schwer kontaminierten Image der „alten“ Grünen mit einem modernen Auftritt klar absetzen. Sie sollten in der historischen Situation, die mutiges Handeln erfordert, unbeirrt einen Führungsanspruch erheben. Sie sollten mit einer umfassenden Erzählung im Kern auf das Thema der ökologischen Transformation setzen und sich darin von den anderen ängstlichen Parteien klar unterscheiden. Die ökologische Transformation ist ein globales Thema, betrifft z.B. auch Russland und China, betrifft auch die Nato. Die anderen Parteien leiten aus dem auch von ihnen mitverursachten Heizungsgesetz-Desaster und den zum Teil von ihnen geschürten Bauernprotesten ab, dass die Menschen keine Transformation in die Nachhaltigkeit wollen. Das ist falsch! Die Menschen brauchen eine Lebensperspektive für sich und ihre Kinder. Die Wirtschaft braucht Planungssicherheit, keine Illusionen und keinen Eiertanz. Die Grünen sollten Robert Habeck bitten, noch einmal durchzustarten.
Reinhard Koine

Das gewohnte, realitätsfreie Grünen-Bashing der FDP-orientierten Zeit. Wenn man stattdessen die Fakten ansieht, muss man feststellen, dass die Grünen die einzige Partei in der Ampel sind, die gemäß Umfragen ihren Wähleranteil stabil halten kann. Wirkliche Probleme hat die FDP, die aktuell nicht mehr im nächsten Bundestag sitzen wird. Und da Herr Lindner seine Regierungsverhinderungspolitik nicht ändern will, wird sich daran wohl nichts mehr ändern.
Frank Zehnle

In ihrem Artikel erwähnen Sie eine gewisse Verzagtheit und selbstkritische Haltung der Grünen. Wenn ich mir die Energiepolitischen Schritte vom Minister Habeck anschaue, ist dies aus meiner Sicht wohl die Quittung für das Handeln. Umweltschutz – oder auch Klimaschutz genannt – kostet leider Geld. Das haben die Grünen versäumt den Bürgern vorher aufzuzeigen. Im Gegenteil beim Strom wurde immer behauptet, dass der Windstrom der billigste ist. Ja, wenn man den dafür erforderlichen Umbau des Stromnetzes außer Acht lässt, stimmt das sogar – vielleicht! Beim sogenannten Heizungsgesetz hat der Minister m.E. die warnenden Experten bewusst ignoriert und ein Wunsch Szenario auf Kosten der einzelnen Bürger erstellt. Der Blick, was wie und welcher Reihenfolge erfolgen muss, ist schlichtweg verloren gegangen. Dabei haben die Grünen noch nicht mal ernsthaft das Thema Tempolimit auf den Autobahnen angepackt, wahrscheinlich aus Angst vor der Autolobby. Ja wer mündige Bürger so “an der Nase herumführt” muss sich nicht wundern, dass diese eine andere Partei wählen. Aus meiner Sicht ist bedauerlich, dass der Umweltschutz so nun in den Hintergrund gerät.
T. Gruber

Meinen Sie wirklich, dass es Aufgabe Ihres Blattes ist einen Demagogen und Blender wie Habeck dem links-grünen Mainstream gemäß zum „Messias“ hochzuschreiben. Es ist zu viel passiert, Habeck und seine Clique haben die Bevölkerung in die Arme der Antidemokraten der AfD getrieben (Heizungsgesetz, ungebildetes Führungspersonal ohne Berufsabschluss wie Frau Lang und Herr Nouripour, eine Außenministerin, die keinerlei diplomatisches Geschick hat und jedes Fettnäpfchen mitnimmt, auch die zum Schminken, wir bezahlen es ja….).Das muss endlich aufhören. Leider können Sie meinen Beitrag nicht mehr veröffentlichen, weil vmtl. nicht mehr jedes Wort von der freien Meinungsäußerung gedeckt ist. Das hatten wir in der unsäglichen DDR schon mal. Ich glaube, dass auch Sie als Teil der Medien dieses Landes, ihrer Aufgabe in der Gewalteinteilung gerecht werden müssen und es gilt die Dinge beim Namen zu nennen. Trittbrettfahrerei, auf dem Drahtesel von Herrn Kretschmann, der mit seinen Ideen gerade versucht zu retten, was nicht zu retten ist, gehört aus meiner Sicht nicht zu ihren Aufgaben. Frau Hensel empfehle ich, in die Grünen einzutreten. Vom Bündnis90 kann da keine Rede mehr sein, diese Ideale wurde von den Besserwessies, wie Herrn Habeck, Frau Künast, Herrn Trittin usw. schon lange verraten. Und ob Philosophen und Kinderbuchautoren zu Wirtschaftsministerin taugen steht dahin. Ich hatte in der DDR mal einem Chef, strammer SED-Genosse, der hat mir mal gesagt: „Je weniger man von einer Sache versteht, um so unvoreingenommen er geht man an sie ran…“ Sind wir schon wieder soweit? Was ich damit sagen will, ist, wir hier im Osten sind sehr sensibel, wenn man uns verarschen will, wir merken das!
Uwe Kertscher

Von einem Leitartikel erwarte ich u.a. eine sachliche und faire Analyse der Politik der Grünen, an der es wahrlich einiges zu kritisieren gibt. Stattdessen bekomme ich eine Kritik an deren Personal. Dies ist enttäuschend und bleibt unter dem Niveau dieser Zeitung. Sinnvoll und notwendig wäre eine Analyse unserer Gesellschaft, die nicht bereit ist zum Umdenken und Verzicht und zu dringenden Reformen.
Hermann Beutnagel

Die schlechten Wahlresultate der Grünen haben Gründe, die voraussehbar waren, weil sie in der Natur der Sache liegen. Zunächst ist es naheliegend, dass auch die anderen Parteien nichts gegen grüne Anliegen haben, abgesehen von den Kosten. Den Grünen kommt somit mit der Zeit das diesbezügliche Alleinnutzungsrecht abhanden. Zudem ist klar, dass die grünen Ziele nicht allein durch Deutschland erreicht werden können. Es muss auch auf anderes Fehlverhalten und auf andere „schuldige“ Staaten verwiesen werden. Es ist sozusagen eine Form des Patriotismus nicht die Alleinschuld zu akzeptieren. Schließlich sind da noch die Zielkonflikte bei der Finanzierung. Die grüne Ideologie muss sich demnach weiter entwickeln, um in den genannten Bereichen die Themenhoheit zu behalten. Was den ersten Punkt betrifft, so wäre es vorteilhaft sich auch mit den Themen zu beschäftigen, bei denen andere Parteien ein Monopol anstreben. Bei all diesen Themen gibt es auch grüne Aspekte. Etwa, dass auch die demographische Entwicklung der Länder mit hohen Geburtenraten eine Gefahr für eine gute Zukunft der Menschheit und für den Schutz der Natur ist. Es gibt Verhaltensweisen, die in großen Teilen Europas die Anpassung der Geburtenraten an die verfügbaren Ressourcen erzwangen. So war es auf dem Land üblich, dass ein Kind den Hof erbte und seine Geschwister ihr Leben oftmals als Dienstboten verbringen mussten und keine Familie gründen konnten. Nur als Beispiel: Auf dem größten Hof in dem Dorf, in dem mein Vater geboren ist, gab es 21 Dienstboten (14 Knechte und 7 Mägde).
Es ist eine Art Diskriminierung, wenn die Opfer, die dabei erzwungen wurden, heute bei der Diskussion um unsere Zukunft ignoriert werden. Nötig ist darauf hinzuweisen, dass auch heute Einschränkungen nötig sind, die aber weit tragbarer sind als die früher erzwungenen. Ein weiteres Problem, das gelöst werden muss, um die grünen Grundlagen für unsere Zukunft zu sichern, ist der ungelöste Zielkonflikt zwischen dem Menschenrecht auf Eigentum und den Menschenrechten auf Lebensunterhalt. Neben dem Asylrecht gehört zu letzteren Rechten das abgeleitete Recht, mehr Kinder in die Welt zu setzten, als die eigenen Ressourcen erlauben. Zu hohe Geburtenraten ergeben hohe Jugendarbeitslosigkeit, was zu Perspektivlosigkeit und damit zu Krisen führt, die dann zu einer unbegrenzten Nutzung des Asylrechts berechtigen. Das Recht auf Eigentum, sinnvoll genutzt, ist ein wirksames Mittel gegen etwas das man mit «Tragik der Allmend» bezeichnen kann. Dabei ist die übernutzte Allmend die beschränkte Aufnahmekapazität der Erde für Kopfzahl und Konsum der Menschheit. Um den sanften weltweiten Ausstieg aus dem exponentiellen Wachstum von Kopfzahl und Konsum zu ermöglichen, muss ein breites Spektrum von Themen behandelt werden. Der grüne Gesichtspunkt ist dabei wichtig, darf aber nicht isoliert verfolgt werden.
Gernot Gwehenberger

 


 

Leserbriefe zu „Muss die Schuldenbremse weg?“ von Kolja Rudzio

Bei der Schuldenbremse geht es doch nicht um Geld, sondern um Vertrauen oder genauer um Misstrauen! Dass Schulden nur für Investitionen aufgenommen werden dürfen, hatte schon vor dieser Schuldenbremse Verfassungsrang. Es hat die Parteien nie gehindert, mit Haushaltstricks und Fantasie dem Grundgesetz zu zeigen, was es sie mal kann. In einem Moment der Verzagtheit hat sich die politische Klasse mit der neuen Schuldenbremse das Misstrauen selber ausgesprochen. Und da ging es dem Land noch gut. Wollen wir der heutigen Politikerkaste tatsächlich einen weiteren Blankoscheck zugestehen? Haben diese Parteien dieses Vertrauen verdient, dass sie mit dem neuen Geld das Land und nicht nur sich selbst wieder flott machen? Die schlichte Wahrheit ist doch: Hat man Vertrauen, ist alles möglich. Und ohne Vertrauen geht nichts. Also ist die Frage nicht, wo neues Geld herkommt, sondern neues Vertrauen! Nur eine Knalltüte füllt neuen Wein in alte Schläuche. Jetzt fallen mir so viele lustige und tödliche Bilder ein, dass ich hier leider schließen muss…
Fred Klemm

Vielen Dank für den Artikel, mit dem Sie so vieles geraderücken, was an teils gefährlichen Missverständnissen und Mythen zur Schuldenbremse und auch zu den dies bzgl. Aussagen der Wirtschafts- und Finanzexperten wie auch zu den Chancen und Vorteilen einer Abschaffung der „Schuldenbremse“ im Umlauf ist. Bei manchen hört es sich ja fast so an, als seien allein mit dieser Abschaffung die Finanzierungs-Probleme aller Wünsche und Notwendigkeiten gelöst, und als gebe es keine Probleme die Kredite irgendwann zu tilgen bzw. zurückzuzahlen, durch eine eher schrumpfende Zahl von nennenswerten Steuerzahlern und arbeitstätigen, die nicht in andere Länder oder „Steueroasen“ „geflüchtet “ sind. „Kein Problem“ meinen vermeintlich besonders geniale „Problemlöser“: Wir bezahlen die alten Schulden und ihre Zinsen „einfach“ durch immer wieder (und dann immer größere) neue Schulden. Sie merken gar nicht, dass das dann auf ein Schneeballsystem hinausläuft. Und als rechtfertigende „Investition“ wird in letzter Zeit fast alles tituliert, was eine Partei befürwortet oder durchsetzen will, allzu oft nicht wegen Notwendigkeiten insbesondere für die Zukunft, sondern wegen der Erhaltung oder Neugewinnung von Wählern oder Spendern zwecks Machterhalt auch nach der nächsten Wahl. Solange die bzw. zu viele Wähler so ein Verhalten belohnen oder umgekehrt eine langfristig auch für die Zukunft noch nicht wählender Kinder verantwortungsbewusste Politik abstrafen, haben einige Parteien leider fast keine Wahl als zumindest teils einseitig nach kurzfristigem oder gar nur vermeintlichem Wohl und Interesse ihrer Klientele zu entscheiden und plädieren.
Deshalb ist dieser vor allem an die Öffentlichkeit gerichtete Artikel sooo wichtig, wenngleich ihn leider nur eine geringe Zahl der allgemeinen Wählerschaft zur Kenntnis nehmen oder gar akzeptieren wird. Das Schicksal der Schuldenbremse, ihrer Akzeptanz und auch der sonstigen langfristigen Zukunft unseres Gemeinwesens hängt ja entscheidend von der demokratischen Mehrheit ab, die auf Dauer auch eine Verfassung aushebeln oder einfach ignorieren kann, wie es schon vielfach bei den vertraglichen EU- und Euro–Regeln geschehen ist. Vielleicht sollte man die Schuldenbremse trotz aller guten Gründe ihrer Einführung und Einhaltung „reformieren“, was eigentlich bedeutet, sie in moderatem und noch verantwortbarem Umfang abzuschwächen, etwa so wie etliche wirkliche und nicht befangene einseitige Experten das befürworten, deren Einschränkungen Sie so umfangreich dokumentiert haben. Gleichzeitig muss man aber warnen vor überhöhten Erwartungen an und Missbrauch von dann möglichen zusätzlichen Krediten: Ein kaputter Planet und/oder sonstige kaputte Infrastruktur oder Bildung ist zwar vielleicht noch schlimmer als ein noch weit riesigerer Schuldenberg; aber es wäre zynisch, den Inflationsopfern und besonders den kommenden Generationen und ihren Fürsprechern nur die Wahl zwischen diesen beiden Übeln zu lassen um für sich selbst alle Besitzstände und Annehmlichkeiten und Bequemlichkeiten erhalten oder gar noch steigern zu können. Bei den erlaubten Krediten kommt es auch sehr darauf an, für wann die Tilgung incl. der Zinsen geplant und durchgeführt wird: Ob z.B. noch von der jetzigen Generation, oder ob man das in die weite Zukunft verschiebt, wenn die jetzigen Kinder und Enkel dafür zuständig sind, sei es als Zahlpflichtige oder als ggf. leer ausgehende Gläubiger. Es heiß nicht ohne Grund „Wehret den Anfängen“, was besonders wichtig ist bei allem, was süchtig entarten kann, weil zu schnell die Gier nach immer mehr und Gewöhnungseffekte eintreten. Diese Gefahr sehe ich auch bei der — ungebremsten — Aufnahme von Krediten, insbesondere wenn auch nur indirekt für sofortige Annehmlichkeiten und nicht für eine noch zumutbare Zukunft.
Sie schreiben mit Recht, dass es nicht stimmt, dass (nur) wegen der Schuldenbremse das Land kaputtgespart werde. Diese Schuldzuweisung ist allzu bequem für diejenigen, die das vorhandene Geld statt für die langfristige Zukunft lieber für Wahlgeschenke ausgegeben haben oder zur Vermeidung härterer Auseinandersetzungen mit Steuerzahlern und Parteispendern, mit teils unverantwortlichen gruppenegoistischen Gewerkschaftsforderungen, mit dem Tabu von irgendwelchen neuen oder nur bleibenden „Belastungen“, Lern- oder Arbeitsanforderungen oder mit Steueroasen, mit illusionären Erwartungen, mit Cum-Ex-Tätern, oder über mehr Steuerfahnder mit Steuerhinterziehern oder mit mächtigen Konzernen, die kaum etwas von ihren Gewinnen in unserem Land versteuern. Wie wenig ein Fehlen von Schuldendisziplin oder Beschränkung auf echte wertsteigernde Neuinvestitionen, die sich wirklich von selbst bezahlt machen statt nur Verfall zu vermeiden, auf Dauer dem Wohl des Landes und seiner Menschen dient, ist gut zu sehen an Ländern wie Griechenland, Italien oder Frankreich, die in der EU die größten Kredite — auch gegen die Euro-Verträge — aufgenommen haben ohne entsprechend mehr Wohlstand oder Wohlergehen zumindest nachhaltiger Art für ihre Bürger vorweisen zu können.
Und die vielbeschworenen Notlagen gibt es ja inzwischen – vermeintlich oder wirklich – fast jedes Jahr neu: Die nächste Pandemie lauert schon, ebenso die nächsten Flüchtlingswellen, die nächste noch lokale Klimakatastrophe, der nächste Krieg, insbesondere wenn der jetzige für den Aggressor „belohnt“ wird, der nächste Streik, die nächsten Rekorde an Pflegebedürftigen oder bildungs-armen oder arbeitslosen. Auf Dauer kann nicht jedes Jahr eine neue Krise mit wieder neuen ‚zig Milliarden Schulden „finanziert“ werden, ohne dass die Gläubiger oder Kreditgeber Zweifel am Glauben der Rückzahlungsfähigkeit oder -bereitschaft in realem Wert statt nur nominal bekommen, was dann das Ende bzw. platzen des Schneeball-Systems einläuten würde. Besonders droht dies dann, wenn das BIP nicht wie gewohnt weiter wächst, sondern unter dem Druck aller Krisen, der Fachkräftemängel und der Demographie in realem Wert schrumpft, so dass die Tilgungen immer schwieriger werden. Trotz aller Wissenschaft und ihrer Fortschritte gibt es immer noch kein Zaubermittel wie ein wirtschaftliches Perpetuum Mobile, um echtes weiteres Wachstum zu garantieren, ohne die Zukunft zu zerstören und vor allem ohne Anstrengungen hinsichtlich mehr zahlen, Lernen und Arbeiten, denn Computer und Roboter können und teilweise sollen sie noch lange nicht alles, abgesehen davon, dass auch sie gebaut, bezahlt und erarbeitet werden müssen.
Peter Selmke

Ich finde es hilfreich, dass Kolja Rudzio sich der im Titel des Beitrages gestellten Frage unaufgeregt und faktenorientiert widmet. Zwei Aspekte kann man noch ergänzen: (a) Wenn Gebietskörperschaften sich verschulden, hilft das zunächst einmal denen, die über Kapital verfügen. Staatliche Nachfrage nach Darlehen treibt die Zinsen nach oben. Man darf sich schon wundern über den Chor der Populisten, die die Aufweichung der Schuldenbremse fordern, aber gleichzeitig Krokodilstränen vergießen über das sich verschiebende Verhältnis zwischen Arbeits- und Kapitaleinkommen. (b) Wenn der Staat als Konkurrent auf dem Kapitalmarkt auftritt, verteuern sich Darlehen – gerade auch Immobiliendarlehen – für den Bürger. Auch hier können wir den Populisten zuschauen, die einerseits bezahlbaren Wohnraum versprechen, auf der anderen Seite aber mit der Forderung nach weiterer Staatsverschuldung dazu beitragen, dass dieses Versprechen nicht einzulösen ist.
Thorsten Brandes

Deutschland braucht viel Geld für Klimaschutz, Verkehrsinfrastruktur, Verteidigung usw. Woher nehmen? Man könnte die Schuldenbremse abschaffen. Doch so einfach ist das offenbar nicht, wie der Artikel zeigt. Die einfachste Möglichkeit wäre, die Vermögenssteuer wieder einzuführen. Den reichsten 1 % der Deutschen gehört ein Drittel des gesamten Vermögens. Da wäre einiges zu holen. Kann mir jemand erklären, was eigentlich gegen eine Vermögenssteuer spricht?
Peter Dodel

Zwei Seiten der Schuldenbremse/Staatsverschuldung bleiben unterbelichtet. Die eine ist die Generationenbalance. Es wird zwar glaubhaft versichert, mit Schulden finanzierte Investitionen seien quasi das Startkapital für die junge Generation. Das Problem: gefragt hat sie keiner, nur dürfen sie dereinst die Rechnung begleichen. Auch das globale Umfeld wirft Fragen auf. Schon innerhalb der EU ist die Dynamik unterschiedlich ausgeprägt, Frankreich oder Italien ringen seit Jahren um Haushaltsdisziplin. Und in den USA sind fast alle Hemmungen gefallen. Solide Finanzen könnten Begehrlichkeiten wecken. In einer Finanzkrise wären Eurobonds der Rettungsanker. Und ob sich Deutschland als “ Krösus“ dem entziehen würde auf die Gefahr hin, dass der Euro zerbricht, ist eher unwahrscheinlich. Wir wären Zahlmeister. Am Ende stellt sich die Frage, ob ein fiskalisch und ordnungspolitisch sauberer Alleingang nicht sogar kontraproduktiv ist.
Christoph Schönberger

Bis Anfang Juli will die Bundesregierung den Haushalt für 2025 festzurren. Dazu einige ergänzende weitere Überlegungen. Wenn wir, nach Ministerien aufgeteilt, die Ausgaben für Arbeit und Soziales, Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Gesundheit, und Bildung zusammenrechnen, sind im Bundeshaushalt 2024 €228 Mrd. oder rund 48 Prozent für Sozialausgaben veranschlagt. Das klingt großzügig: aber werden diese Ausgaben der öffentlichen Verantwortung eines Sozialstaates gerecht, in dem Alters- und Kinderarmut zunehmen, und immer mehr Menschen, davon viele Frauen, Alleinerziehende und Menschen mit Asylhintergrund zur Tafel gehen müssen? Der zweitgrößte Einzelposten ist die Verteidigung, mit 11 Prozent oder 52 Mrd., und das schon seit vielen Jahren, obwohl oft beteuert wird, die Bundeswehr sei kaputtgespart worden. Das derzeit vielverschmähte Entwicklungsministerium kommt mit 11 Mrd. € gerade mal auf zwei Prozent des gesamten Haushalts. Entspricht das denn den Vorgaben des Koalitionsvertrags, demzufolge z.B. die Ausgaben für Krisenprävention, Humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit im Maßstab eins-zu-eins wie die Ausgaben für Verteidigung steigen sollten? Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz bekommen ein halbes Prozent des Budgets! Entspricht dies dem Aufwand, der nötig wäre, um die Klimakatastrophen bei uns und global einzudämmen?
Aber: warum muss überhaupt gekürzt werden? Die Schuldenbremse sieht bekanntlich eine Schulden-zu-BIP-Quote von 60 Prozent und eine drei-Prozent-Obergrenze fürs Haushaltsdefizit vor, jedoch sind diese Kennzahlen politisch willkürlich gesetzt. Wie hoch sich ein Staat verschulden kann, hängt makroökonomisch zuvorderst davon ab, ob die Ausgaben mittelfristig produktivitätsfördernd sind, dann von Zinssätzen, aber auch von vielen politischen Faktoren, wie u.a. den Einschätzungen der Kreditratingagenturen. Wie Kolja Rudzio (DIE ZEIT 20.6.24) aufzeigt, gibt es vielerlei politische wie wissenschaftliche Bedenken zu einer strikten Schuldenbremse in Krisenzeiten. Und: wenn schon Schuldenbremse, warum erhöhen wir nicht die Steuereinnahmen, um das Defizit zu stemmen? In Großbritannien gibt es seit 2022 eine Übergewinnsteuer. Die G20 diskutiert politisch über die Machbarkeit einer Steuer auf Multimilliardäre; wissenschaftlich erscheint dazu am 26. Juni eine Studie der Nobelpreisökonomin Esther Duflo und dem Direktor der Europa-Steuerbeobachtungsstelle Gabriel Zucman. Auch der UN-Zukunftspakt, unter deutsch-namibischer Federführung, plädiert für eine Reichensteuer. Es wäre sinnvoll, diese Überlegungen in die deutsche Haushaltsdebatte einzubringen, auch wenn sie erstmal verschrecken. Denn: soziale Solidarität, Klima- und Kinder- und Geschlechtergerechtigkeit sollten die entscheidenden Kriterien der Haushaltsdebatte bleiben.
Gabriele Köhler

Die Meinung der Experten zur Schuldenbremse. Es gibt ja viele Experten, die uns die Notwendigkeit der Schuldenbremse predigen. Das wäre viel überzeugender, wenn uns die Experten erläutern könnten, wie viele Jahre die Bundesrepublik ohne Schuldenbremse existiert und welche Katastrophe das ausgelöst hat? Wenn sie die Frage nicht beantworten können, leidet doch ihre Glaubwürdigkeit. Wieso ist die Schuldenbremse notwendig, wenn ihr Fehlen keine Katastrophe auslöst?
G. Zeyer

In dem ansonsten sehr lesenswerten Artikel fehlt mir ein Aspekt: Die Möglichkeit, höhere Einnahmen zu erzielen und so weniger Schulden machen zu müssen. Auch wenn sich gegenwärtig keine parlamentarische Mehrheit dafür finden dürfte – es wäre interessant zu wissen, wie sich die Bilanz verändern würde, wenn man den Mut hätte, dort die Steuern zu erhöhen, wo es kaum wirklich weh tun dürfte: Erbschaftssteuern, Vermögenssteuern, ein Spitzen-Einkommenssteuersatz wie zu Helmut Kohls Zeiten, vielleicht höhere Mehrwertsteuern auf bestimmte Luxusgüter…Den Fachleuten dürfte da einiges einfallen.
Wolfgang Salzert

Ich verstehe nicht, warum es eine Schuldenbremse geben muss, wenn es schon eine europäische Defizitregelung gibt. Ist die nicht ausreichend? Oder ist Deutschland jetzt das Griechenland Europas. Die größte Wirtschaft der EU lahmt, weil die Schuldenbremse sie teilweise zurückhält. Also ein deutsches Griechenland mit zu wenig Schulden? Dass seit Jahrzehnten zu wenig in Schulen oder Infrastruktur investiert wurde, hat nichts mit der Schuldenbremse zu tun, sondern mit der Unfähigkeit der Politik vorausschauend zu handeln (Stichwort: Überalterung oder Fachkräftemangel). Die Probleme Deutschlands sind hausgemacht und nicht abhängig von der Schuldenbremse. (wenn schon der Vergleich mit der schwäbischen Hausfrau hinkt – nur weil es im Deutschen „Bundeshaushalt“ heißt und nicht Budget, ist es noch lange kein Privathaushalt – könnte man ja auch sagen, warum soll sich der Berliner beschränken, wenn er sein Leben genießen will).
W. Michel

Vielen Dank für diesen ausgewogenen Beitrag! Als Laie war ich vollkommen überrascht, dass es die Politik geschafft hatte, sich die Schuldenbremse selbst aufzuerlegen. Ein seltenes Eingeständnis der Wirkungsweise des politischen Betriebes, der man Grenzen aufzeigen sollte. Eine weitere Krankheit des politischen Betriebes ist die Tatsache, dass man Fehler unter keinen Umständen zugeben darf. Man würde sich der Opposition und den Medien selbst zum Fraß vorwerfen. Das verhindert Reformen, oder direkter formuliert, das Lernen aus Fehlern und das Umsetzen der nötigen Korrekturen. Es kann also nicht um eine Abschaffung der Schuldenbremse gehen, sondern um deren Weiterentwicklung. Die genannten Reformideen erscheinen mir alle vernünftig und konsensfähig. Allerdings frage ich mich warum es so schwierig sein soll zwischen Investitionen und konsumptiven Ausgaben zu unterscheiden. Es würde mich wundern, wenn es keine wasserdichten Definitionen für diese beiden Begriffe geben würde. Hierüber würde ich gerne mehr erfahren.
Wenn ich die Zahlen, die Sie nennen, richtig verstanden habe, dann würde selbst eine reformierte Schuldenbremse den Kreditrahmen nicht so weit ausweiten, wie es die „Ausgabenwünsche der Ministerien“ erfordern. Die Diskussion um die Schuldenbremse ist also ein Nebenkriegsschauplatz. Tatsächlich geht es darum die „konsumptiven Ausgaben“ zu begrenzen, oder zurückzufahren. Davor drückt sich die politische Kaste traditionsgemäß. Ich wünsche mir eine Artikelserie über mögliche Einsparpotentiale bei dieser Ausgabenklasse. Ohne populistischen Schaum vor dem Mund und das Wort „Abschaffen“. Es gibt unendlich viele Beispiele von Verschwendung, Ineffizienz, Inkompetenz, etc. Und es gibt sie noch immer, die soziale Hängematte. Es ist sogar schädlich diese Tatsache zu beschweigen. Es mag mühsam sein darüber zu recherchieren, aber es lohnt sich. Ich sehe das als Aufgabe der Medien. Die Politik ist dazu selbst nicht in der Lage. Es mag sein, dass das Bauchgefühl des Steuerzahlers das Einsparpotential bei den konsumptiven Ausgaben überschätzt. Klären Sie mich auf!
Bernd Roos

 


 

Leserbriefe zu Titelthema „Rechts, links oder was?“ „Was ist das für euch?“ Gespräch mit Linus Broll, Almut Fischer, Lucca-Maria Engels und Dan Woldeyesus geführt von Hannah Knuth und Paul Middelhoff

Gratulation – zum Interview Was ist das für euch: Deutschland? Durch pointierte Fragen, ein Nachhaken der Moderatoren Hannah Knuth und Paul Middelhoff bleibt das Gespräch offen, ernsthaft und locker. Im Austausch der jungen Menschen erfahre ich als Leser einerseits, wie junge Wähler politisch aufgestellt sind und vor allem weshalb. Andererseits klingt etwas über das Leben, das Denken und den Alltag sowie die Probleme der Vier durch. Eine gute Möglichkeit Anknüpfungspunkte zur jungen Generation zu finden. Ja, gerade weil ich persönlich einen der vier Standpunkte überhaupt nicht nachvollziehen konnte. Denn: Nur im Miteinander bewirken wir etwas! Mein Vorschlag: Machen Sie eine ZEIT-Serie daraus! Die Idee: Interviews zum aktuellen Zeitgeschehen (Wahlen, Klima, Migration, Demokratie etc.) mit unterschiedlichen Menschengruppen (junge Erwachsene, Familienfrauen, -männer, Senioren, quer durch alle Berufsgruppen).
Gaby Setzer

Eine Schülerin hat bei der Europawahl eine in Deutschland zugelassene Partei, die AFD, gewählt, darf aber nicht mit richtigem Namen genannt werden, weil die Mutter Nachteile im Leben befürchtet. Was sagt das über die bei uns gefühlte und erlebte Demokratie aus? Denn so unbegründet sind diese Befürchtungen der Mutter nicht, wie etliche zuletzt bekannt gewordene Beispiele unterstreichen. Eine Mitschuld an diesem Klima können die „Altparteien“ sicher nicht bestreiten.
Ingo Wilken

Könnten nicht die jungen Erstwähler, die den Grünen ihr Kreuzchen verweigert und es stattdessen bei der AfD – nicht leichtfertig – gemacht haben, die gebetsmühlenartig widergekäuten Hohlphrasen unserer Zeitgeistmoralisten und die Tatenlosigkeit unserer Regierung einfach satthaben? Um nur einmal beim AfD-Hauptthema „Dauerimmigration“ zu bleiben: „Weltoffenheit“ heißt eben auch, dass durch unsere stets offenen Grenzen Menschen aus aller Welt, oft unter Vertuschung ihrer Herkunft oder ihrer wahren Gründe, oft auf krummen Wegen zu uns kommen, um mit dem Zauberwort: Asyl dauerhaftes Bleiberecht zu erlangen; „Buntheit“ und „Vielfalt“ heißt auch: immer größere Parallelgesellschaften, ethnische und religiöse Konflikte, Pseudointegration, Gewaltkriminalität, Islamismus, der auf unsere Regeln und Gesetze pfeift! Lieber hält sich unsere Regierung pedantisch an wirklichkeitsfremde, untaugliche und verstaubte Gesetze, bürdet uns Bürgern ungefragt Lasten auf, die uns noch lange drücken werden, statt sich um das Wohl ihres Wahlvolks zu kümmern, ja es zu mehren, wie es der Amtseid von ihr fordert! Es dauert nicht mehr lange, und die Menschen, die seit Generationen hier leben, fühlen sich wie Fremde in ihrer Heimat! Die Antworten der vier Jungwähler fallen recht oberflächlich und verhalten aus, fast wie Politikersprech; eigentlich erwartet man von jungen Menschen, dass sie klar, meinetwegen auch mit radikalen Worten aussprechen, was sie denken. Sie wollen nirgends anecken, denn jeder gedruckte Satz könnte sie ihr Leben lang begleiten und ihrer künftigen Karriereleiter einen irreparablen Knick verpassen! Welch selige Zeiten, als man noch folgenlos sagen konnte: was schert mich mein Geschwätz von gestern! Gefallen hat mir die Antwort der sächsischen Alias-Almut auf die Frage: „Wollt ihr Kinder?“ „Ja! Und dabei geht es mir nicht nur um mich persönlich, mir geht es auch um die Bevölkerung. Wir werden immer weniger. Ich fühle mich verantwortlich, eine nächste Generation in die Welt zu setzen, auch für das Land.“ Da keimt wieder etwas Zukunftshoffnung auf! Warum bringt kein verantwortlicher Politiker so einen Satz über die Lippen? Als Hausarzt haben mich schon einige junge Patientinnen gefragt: soll ich noch ein drittes Kind bekommen? Da meine Frau und ich drei Töchter haben: dreimal dürfen Sie raten, was ich wohl geantwortet habe?
Ulrich Pietsch

So, so. Eine Auswahl aus unserer jungen Elite gibt einen Einblick aus dem reichhaltigen Erfahrungsschatz ihres bisherigen Lebens. Klingt jetzt vielleicht etwas herablassend, ich weiß. Aber: Teilweise auch meinen Respekt für manch geäußerte Ansicht! Zu „Almut“ (Die, deren Name nicht genannt werden soll!) bleibt nur zu sagen: Dass jemand die Zehnte eines Gymnasiums besucht, das „Abi“ höchstwahrscheinlich auch schaffen wird, sollte nicht zwangsläufig zur Annahme verführen, man hätte es mit einem klugen oder gar weisen Menschen zu tun! Dafür steht „Almut“ beispielhaft. Einige der schlimmsten Verbrecher der Menschheitsgeschichte waren „studierte Leute“.
Stefan Striegel

Außerordentlich interessant fand ich die frischen Einblicke im Titelgespräch, die Sie den Lesern durch die jungen Interviewten gegebenen haben. Von ihrer Fähigkeit, andere Meinungen und Standpunkte zu akzeptieren und kritisch auszuhandeln, kann sich so mancher „Erwachsener“ noch mal eine Scheibe abschneiden! Allerdings frage ich mich auch, ob Sie den Querschnitt der „Generation Z“ hier auch wirklich abbilden? Die Bemühung war ja aus der Zusammenstellung der Gesprächsrunde sehr wohl ersichtlich! Aber ein 20-Jähriger, der Marc Aurel liest oder Sonntagabends gemeinschaftlich „Tatort“ schaut, dürfte in ihrer Altersklasse dann doch wohl eher die Ausnahme bleiben.
Maximilian Knaup

Die Gesprächsteilnehmer beeindrucken durch wechselseitige Wertschätzung, gute Gesprächskultur, Offenheit und Ehrlichkeit. Im Gespräch zeigen sich bei den Teilnehmenden je unterschiedliche Phasen der Entfaltung von Persönlichkeit. Ein starkes Autonomiebedürfnis fördert die Entwicklung einer differenzierten Weltsicht und eines geweiteten Verantwortungsbewusstseins, das in gesellschaftlichem Engagement münden kann. Ein starkes Bindungsbedürfnis macht anfällig für die Absonderung in eine enge Weltsicht. Wo eine gefestigte Binnensicht als Autonomie verstanden wird, sind Differenzierungsschritte stärker blockiert. Insgesamt verweist das farbige und authentische Bild verschiedener Sichtweisen auf den liberalistischen Hintergrund, vor dem ein solches Gespräch so stattfinden kann. Es ist ermutigend zu sehen, wie die Prinzipien unserer offenen Gesellschaft in der jungen Generation gelebt werden und dass Selbstbestimmung auch die freie Wahl von selbstverpflichtenden Bindungen einschließen kann. Die jungen Menschen zeigen den Parteien, die sich aktuell in einem Härtewettbewerb überbieten, wie offene Gesellschaft geht. Danke dafür.
Reinhard Koine

Drei weltoffene junge Menschen mit relativ klarer Haltung, zugänglich auch für Argumente anderer. Und eine junge Dame als verschwörungstheoretischer AFD-Sprechapparat mit Mutterkreuz-Ambitionen. Und alle wollen politisch bleiben, wo sie jetzt sind. 3:1 für die Demokratie? Gutes Spiel!
Kurt Eimers

Sehr lobenswert, dass Die Zeit jungen Menschen an prominenter Stelle eine Stimme verliehen hat. Leider bestätigt sich aber im Interview der Eindruck, dass Jugendliche im politischen Diskurs kaum vorkommen. Das eine ist, dass sie nicht (mehr) hörbar, ihre eigenen Ideen und Forderungen artikulieren; das andere ist: Es fragt sie auch keiner danach. Keiner Wunder, dass sie Politiker für abgehoben und ihre Meinung für wenig maßgeblich halten. In allen Großstädten gibt es inzwischen Seniorenbeiräte und oft auch Bürgerräte, aber Jugendbeiräte sind mir keine bekannt. Vielleicht ist das ein Ansatz für mehr Beteiligung. Junge Menschen mit ihren Ideen und Anliegen ernst zu nehmen, wäre die beste Stärkung für unsere Demokratie. Und noch lehrreicher als schulischer Politikunterricht sind eigene Erfolge und Erfahrungen in der politischen Auseinandersetzung.
Adalbert Pollerberg

Als Mutter, die 5 Kinder in 2 Bundesländern durch ihre Schulzeit begleitet hat, beschäftigen mich immer wieder 3 Ansätze deren politische Umsetzung meines Erachtens wirklich Grundlegendes in diesem Land bewirken können – bildungspolitisch und gesamtgesellschaftlich. Durch die genannten Artikel fühle ich mich einmal mehr bestätigt, wie sehr Änderung nottut! Als erstes zu nennen wäre die Umstellung auf möglichst langes gemeinsames Lernen im Ganztagsmodus – die Liste anderer Länder, die das praktizieren und deutlich erfolgreicher sind als Deutschland, ist lang. Der zweite Punkt ist eng mit dem ersten verbunden: eine Umsetzung wäre nur unter deutlicher Beschneidung der Kultushoheit der Länder möglich. Zum dritten sollte den massiv geänderten Lebensverhältnissen von Kindern Rechnung getragen werden. In Zeiten, in denen viele Eltern ihren Kindern aus unterschiedlichen Gründen und Gemengelagen heraus, nicht ausreichend Unterstützung für die Schule und für die allgemeine Orientierung im Leben geben, wird dringend ein neues Konzept nötig. Warum gibt es nicht schon lange ein neues Grundlagenfach “Allgemeine Lebenskunde”?
Dieses müsste immer auf das jeweilige Lebensalter der Kinder zugeschnitten sein, beginnend in der Grundschule bis hin zu den Abschlussklassen. Das eröffnet jedem Kind die Chance, unabhängig von Elternhaus und sonstigen Einflüssen (Internet!), einen Leitfaden für das ganze Leben zu entwickeln. Zu diesem Kanon gehören ethisch-moralische Grundlagen ebenso wie Wissen zu Gesundheit und Ernährung; in den höheren Klassen kommen dann Gesellschaft und Politik sowie juristisches Basiswissen (z. B. Vertragsrecht, Kaufverträge etc.) hinzu. Eine mögliche Wiederholung in diesem Rahmen von Schnittmengen aus den grundständigen Fächern wie Biologie oder Politik/ Gemeinschaftskunde wäre gewiss kein Schaden. Zeitlich ließen sich durch eine ohnehin überfällige realtitätsbezogene Prüfung aller Fachlehrpläne zweifellos entsprechende Fenster realisieren; es wäre auch ein ideales Fach für den Nachmittagsunterricht, weil hier ohne Leistungsdruck zu den genannten Themen altersgemäß, und im Idealfall durchaus mit Spaß, reflektiert werden kann. Von der enormen positiven Wirkung auf jedes einzelne Kind ebenso wie von den gesamtgesellschaftlichen Vorteilen solcher bildungspolitischen Quantensprünge bin ich zutiefst überzeugt.
Christiane Hermann

Die Meinungen der interviewten jungen Leute sind erschreckend und faszinierend. Ich bin selbst Anfang 20 und finde diese Meinungen in meiner Blase gar nicht wieder. In meinem Umfeld haben alle eine liberale Einstellung und zum Großteil links oder kleinere aktivistische Parteien gewählt. Für mich war die Auswahl der Interviewpartner*innen gar nicht repräsentativ, fand den Einblick in die Köpfe derer, die in meinem Alter diese Parteien gewählt haben spannend. Ich würde mich jedoch auch sehr freuen, wenn differenziertere Meinungen ebenfalls in der ZEIT abgebildet werden würden, sodass klar wird, dass die junge Generation nicht nur aus den vier interviewten Meinungen besteht. Danke für diesen Einblick!
Janina Lingne

 


 

Leserbriefe zu „Kein Bürgergeld mehr für Ukrainer?“ Streit von Thorsten Frei und Stephanie Aeffner

Es wäre hilfreich gewesen, wenn Sie in dem Artikel erwähnt hätten, dass neben dem Bürgergeld von 563 Euro pro Monat für einen alleinstehenden Ukrainer bzw. 460 Euro pro Monat für einen alleinstehenden Syrer im Asylverfahren der deutsche Staat diesen beiden Personengruppe auch noch die Miete und Teile der Mietnebenkosten bezahlt. In welchem Land der Erde gibt es derart großzügige Anreize? Ein praktisches Beispiel aus unserer Gemeinde. Wir haben einer alleinstehenden Ukrainerin einen Minijob als Haushaltshilfe in unserem Haushalt angeboten. Die Frau ist seit ca. 2 Jahren in Deutschland und besucht aktuell einen Deutschkurs. Nebeneffekt wäre gewesen, dass die Dame durch die Anleitung meiner Frau quasi nebenher auch noch Deutsch gelernt hätte und Familienanschluss gefunden hätte. Nach 4-wöchiger Probezeit teilte uns die Dame mit, dass sie aus finanziellen Gründen kein Interesse an dem Job hat, denn der Minijob würde nicht dazu führen, dass sie am Ende des Monats mehr Geld im Portemonnaie hätte, da durch die Minijob-Einkünfte das Bürgergeld gekürzt wird. Frage: wie bescheuert kann eine Gesellschaft sein, die sich ein solches ‚Anreiz-System‘ leistet? Vorschlag: warum motivieren wir nicht die Ukrainer und Syrer zur Arbeit, indem wir das Bürgergeld und/oder die Mietzahlung nach 1-2 Jahren des Aufenthalts in Deutschland schrittweise reduzieren?
Eberhard Grötzner

Das Herr Frei die seit Wochen lancierte, populistische Neiddebatte gegen das Bürgergeld durch CDU/CSU und der AfD auf die ukrainischen Flüchtlinge ausweitet, ist beschämend. Glaubt er im Ernst, durch die Minderung von Sozialleistungen wäre die Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme zu erhöhen? Keine unserer Parteien, auch Herr Frei nicht, hat bisher die Frage nach der Bedürftigkeit dieser in der Mehrheit gut ausgebildeten, bilingualen Flüchtlinge gestellt. Heute ist es möglich von jedem Punkt der Erde Finanzgeschäfte, IT-Dienstleistungen oder eine andere Tätigkeit zu bewerkstelligen. Für solche Geschäftsleute wäre 563 € oder nur 460 € lediglich ein Taschengeld. Frau Aeffner legitimiert mit: „Menschen, die vor einem schrecklichen Krieg fliehen“, dass sich diese wehrfähigen Männer dem Dienst gegenüber ihrem Land verweigern. Eine Rückkehr in die Ukraine bedeutet nicht zwangsläufig einen Dienst an der Waffe. Im Land gibt es genug andere Aufgaben. Sollte dieser Krieg, hoffentlich bald, zu Ende gehen, werden diese als Kriegsgewinnler in ihr Land zurückkehren.
Gerhart Herzig

Über die Frage ob nun 460 EUR oder 563 EUR viel oder wenig Geld für Flüchtlinge ist und ob es diesen oder jenen Namen hat, kann man viel streiten. Fakt ist aber: – Deutschland zahlt mehr als andere und zieht damit die meisten an, – Deutschland hat ein Haushaltsproblem, – in Deutschland mangelt es an Arbeitskräften, – große Teile der Flüchtlinge haben aus der Versorgung in Deutschland Geld „übrig“, um es an Ihre Angehörigen im Ausland zu schicken. Hier erwarte ich von der Regierung deutlich mehr Rücksicht auf die Fakten und auf Wahlergebnisse zu nehmen und verantwortungsvoller mit Steuergeld umzugehen. Insbesondere Frau Aeffner bringt nur Argumente, warum etwas nicht geht und kein einziges wie es gehen könnte. Wenn es juristische Hürden für ein sinnvolles Vorgehen gibt, dann auch die Beseitigung dieser Hürden geprüft werden, statt sich dahinter zu verstecken. Wehrdienstverweigerung gibt es aus gutem Grund. Je mehr sich ein Land allerdings mit dem Untergang konfrontiert sieht werden die Hürden dafür extrem hoch werden. Spätestens dann wirkt es absurd Wehrfähige Ukrainer in Deutschland zu alimentieren. Die Sprache lernt man übrigens am besten bei der Arbeit (insbesondere sprechen), das kann ich aus eigener Erfahrung sagen.
Christian Voss

In dem Streitgespräch wurde aus meiner Sicht ein wichtiger Punkt gar nicht angesprochen: Es geht um Gehaltszahlungen in der Ukraine. Dort wurden vor dem Krieg Gehälter gezahlt, heute nicht? Was ist mit den Gehältern für Die Soldaten, wer bekommt die? Die müssten doch so manch einer geflohenen Familie hier zur Verfügung stehen, oder? Die brauchen dann das Geld nicht. Als die ersten Juden Deutschland 1935 verlassen (wollten oder mussten) wurde Deren Vermögen eingezogen, und sie mussten in England und Frankreich Dafür bezahlen, dass sie als Flüchtlinge dort aufgenommen wurden. Geld von Gab es für sie nicht. Darüber sollten wir auch mal nachdenken. Sogen machten Mir auch die Äußerungen, dass man ja bei Arbeitsaufnahme langfristig denken müssen von wegen Sprachenlehrgänge und so. Wer, bitte schön, soll den dann Die Ukraine wieder aufbauen, wenn die alle hier bleiben wollen? Noch eine Letzte Frage: verrechnen die Krankenkassen Deutschland – Ukraine die Leistungen, die hier gebracht werden?
Manfred Mengewein

Nehmen wir mal an, dass die Lage umgekehrt wäre! In Deutschland würde Krieg herrschen und ich, als deutsche Frau, würde in die Ukraine flüchten, ob ich dort wohl auch so eine „Rundumversorgung“ bekommen würde, wie das gerade hier bei uns in Deutschland praktiziert wird!? Ich sehe die Rolle von Deutschland im Krieg zwischen Russland und der Ukraine, als die des Friedensstifters, das würde Deutschland besser zu Gesicht stehen. Die Mehrheit in Deutschland will nicht, dass wir in einen Krieg auf europäischen Boden hineingezogen werden. Unsere gewählten Volksvertreter sollten sich eines besseren besinnen und daher überhaupt keine Waffen mehr in ein Kriegsgebiet liefern.
Riggi Schwarz

Natürlich kann man darüber streiten, ob geflüchtete Ukrainer sofort Bürgergeld erhalten müssen oder wie andere Kriegsflüchtlinge Leistungen als Asylbewerber bekommen sollen. Jeder Krieg ist für jeden Menschen fürchterlich, egal woher er kommt. Die Ukraine steht uns nahe und aus guten Gründen erfährt sie eine besondere Solidarität aus Deutschland, ganz abgesehen von den Waffenlieferungen. Zu dieser Solidarität kann aber nicht gehören, dass wehrfähige ukrainische Männer in Deutschland bleiben dürfen, während ihre Landsmänner seit mehr als zwei Jahren ihr Land verteidigen, diese Soldaten sind ausgelaugt und brauchen nicht nur Waffen. Dieser Krieg ist brutal, das erkennt Frau Aeffner schon richtig; dass die ukrainischen Soldaten wohl kaum weniger Angst vor dem Sterben haben dürften, ist Frau Aeffner kein Wort wert, sehr traurig. Die Wehrpflicht ist in Deutschland zurzeit zwar ausgesetzt. Dass das in Deutschland geltende Recht auf Kriegsdienstverweigerung nur für männliche deutsche Staatsbürger gilt, die wehrpflichtig sind, weiß Frau Aeffner anscheinend nicht einmal, sehr befremdlich. Es ist richtig, hierüber offen zu debattieren. Was daran brandgefährlich sein soll, kann ich nicht erkennen, denn unsere Aufmerksamt muss sich auch weiterhin auf die Menschen richten, die in der Ukraine geblieben sind.
Regina Stock

Merz auf wish bestellt – die Debatte steht sinnbildlich für die momentane Interaktion zwischen CDU und Grünen und die mangelnde Akzeptanz anderer politischer Sichtweisen. Herr Frei von der CDU versucht von vornherein, mit einschlägigen und verallgemeinernden Argumenten negative Emotionen gegen die Seite der Grünen zu erwecken, ohne dafür eine rechtfertigende Basis im Gespräch aufgebaut zu haben. Frau Aeffner von den Grünen entgegnet faktenbasiert und diplomatisch. Daraufhin weicht die CDU-Seite auf die bekannte Denunziation der Grünen aus. Insbesondere ist es schade für eine Demokratie, wenn die beleidigte CDU-Seite in ihrer Absolutheit eine zukünftige Zusammenarbeit mit den Grünen ausschließt, weil Stimmungsmache gegen andere heute wohl attraktiver ist als ein vernünftiger Diskurs.
C. Döhmen

Wenn man die Zahlen der erwerbstätigen Ukrainer vergleicht, sollte man beachten, dass Integrationskurse bei uns laut BAMF meist als Vollzeitkurse angeboten werden, während die Dänen sie grundsätzlich nur in Teilzeit durchführen, damit die Teilnehmer parallel arbeiten können. Auch deshalb sind dort laut zuständigem Ministerium bereits 55 % der Geflüchteten – wenn auch nicht 81 %, wie Herr Frei meint, – berufstätig. Aber auch in Dänemark wird veranschlagt, dass der Spracherwerb insgesamt 1 bis 2 Jahren Vollzeit entspricht. Eine Sprache so zu lernen, dass man damit qualifiziert arbeiten kann, ist nun einmal zeitaufwendig. Für Menschen, deren Konzentrationsfähigkeit durch die Folgen des Krieges beeinträchtigt ist, besonders. Das Arbeitslosigkeit psychisch zusätzlich belastend ist, gilt für Ukrainer natürlich genauso wie für jeden Deutschen. Ich erlebte die Teilnehmer meiner Kurse großenteils als sehr gewillt, hier zu arbeiten und oft als frustriert über die Zeit, die bis dahin vergeht.
Stefanie Wiech

 


 

Leserbriefe zu „In die Tonne“ von Merlind Theile

Vielen Dank für den o.g. Artikel S. 1 „In die Tonne“ und das Schlaglicht, dass Sie damit auf diesen irrsinnigen Missstand – Lebensmittelverschwendung – geworfen haben, für den so viele mit verantwortlich sind: Landwirtschaft, Discounter-Ketten, Handel, Verbraucher und natürlich auch „die Politik“, die immer wieder allein für fast alles verantwortlich gemacht wird, obwohl sie ja bei uns gewählt wird, zumindest als relativ geringstes Übel unter allen ungeliebten Parteien, die natürlich alle nicht zaubern und alles gewünschte billig und bequem für alle Wähler verwirklichen können. Ich bin noch in einer Zeit groß geworden, in der Nahrungsmittel etwas „heiliges“ waren, die mutwillig oder unnötig wegzuwerfen quasi eine Sünde war, eine Beleidigung der uns versorgenden Schwerarbeit der Landwirte, oder der „Güte Gottes“ oder ein Zynismus allen Hungernden der Welt gegenüber, denen man das überschüssige zwar nicht über den halben Globus abgeben konnte, für die man aber mit durch vollständige Verwertung – vor ggf. drohendem Schimmel oder Bakterien und statt reinen Lustkäufen und Lustmahlzeiten – eingespartem Geld etwas spenden konnte. Heute kommt als noch wichtiger dazu, mit welch heiklem ökologischen und Klimabelastenden Fußabdruck und „Züchtung multi-resistenter Keime“ besonders Fleisch und Milchprodukte erzeugt werden, teils erzeugt werden müssen, um die Ansprüche und Bequemlichkeiten von Handel und Konsumenten noch befriedigen zu können. Diese Ansprüche haben Sie dankenswerterweise auch beim Namen genannt, wie auch die teils irrsinnigen Ängste und Vorstellungen zur Bedeutung eines MHD, das nur einem Garantiedatum für völlig unbeeinträchtigten Genuss und keineswegs einer Gefahrengrenze für die Gesundheit entspricht. Greenpeace hat in Experimenten vor Jahren nachgewiesen, dass etliches im Kühlschrank bis zu Monate nach dem MHD noch gut essbar war. Ich habe meinen Mitmenschen gelegentlich gesagt „Ein Auto schmeißt ihr ja auch nicht als gefährlich zu fahren weg, wenn das Garantiedatum überschritten ist“.
Die geschilderten Möglichkeiten, wie in anderen Ländern, dagegen vorzugehen, müssen allerdings nicht nur von „der Politik“ gewollt, sondern auch vom Wähler akzeptiert und teils bezahlt werden, wogegen dann leicht der Vorwurf der „Verbote“, der „Gängelung“, oder der „Freiheits-Beschneidung“ von Verbrauchern oder Betrieben populistisch vorgebracht wird, um Wählerstimmen oder Spenden zu gewinnen. Jeder verweist gern auf die Verantwortung von irgendwem anderen und auch Medien und ihren Nutzern ist das Thema und dieser Missstand oft nicht interessant oder wichtig genug. So müssen sich sehr viele auch an die eigene Nase fassen, ehe sie allein „die Politik“ kritisieren oder gar verurteilen. Italien und Frankreich sind auch insofern nur fragwürdige Vorbilder, weil sie mit ihrer gewaltigen Verschuldung die Rechnungen für vieles nicht den gegenwärtigen Steuerzahlern und Wählern aufbürden, sondern auf die Inflationsopfer und kommenden Generationen abwälzen.
Peter Selmke

Vielleicht wäre es angesichts der beschriebenen Situation an der Zeit zu prüfen, wie man Essensreste wieder als Tierfutter zulassen kann.
Christian Voss

Papst Franziskus (*1936) bringt es auf den Punkt dem kann ich auch nichts mehr hinzufügen: „Es sei wirklich beschämend und besorgniserregend, dass Essen nicht an die vorgesehenen Empfänger gelange. Es gibt genug Nahrung auf der Welt, damit niemand mit leeren Magen ins Bett gehen muss! Es werden mehr als genug Nahrungsmittel produziert, um acht Milliarden Menschen zu ernähren“.
Klaus P. Jaworek

Der Artikel ignoriert eine weitere Möglichkeit, mit unverbrauchten Lebensmitteln umzugehen: Warum nicht HVO100 daraus herstellen? Bei 59 Millionen Tonnen Rest-Lebensmitteln dürfte da doch einiges an klimaneutralem Diesel zusammenkommen. Damit könnten dann auch Menschen ohne den für E-Mobilität nötigen großen Geldbeutel (fast) klimaneutral Auto fahren. Das wäre sozial, ökologisch sinnvoll, potenziell sogar als „Lebensmittelreste zu HVO100 Technologie“ exportierbar. (P.S.: Wenn ein Diesel-Hybrid-Auto außerorts mit HVO100-Diesel und innerorts elektrisch fährt, dann fährt es 1. beim gegenwärtigen Strommix klimaneutraler als ein E-Auto, dann ist 2. das Feinstaubproblem des Diesels gelöst [denn auf der Autobahn spielt der keine Rolle], 3. gibt es kein Reichweitenproblem, 4. entfällt das Problem, dass die hier teuer subventioniert angeschobene E-Mobilität dazu führt, dass die bisherigen Verbrenner im Ausland weiter laufen – also kein nennenswerter CO2-Einspar-Effekt erreicht wird und 5. dürfte das Tempo des CO2-Einsparungs-Fortschritts erheblich steigen [denn es muss einzig eine HVO100-Herstellungstechnologie, ansonsten gar keine Infrastruktur aufgebaut werden. Ich vermute, dass das schon erreicht wäre, wenn dieser Weg seit 15 Jahren protegiert worden wäre.] Einzig der Preis ist ein Gegenargument. Meines Erachtens ist es sachlich sehr unbegründet, dass die Diesel-Hybrid-Technologie nur ein Schattendasein führt!)
Nando Röckemann

Mit einem Leitartikel möchte man den Finger in die Wunde legen, also dorthin, wo es weh tut. Und weh tut es dort, wo und wodurch der größte Teil der Lebensmittelabfälle anfällt, nämlich in den privaten Haushalten durch selbstverantwortetes Fehlverhalten der Verbraucher. Dies wird in Ihrem Leitartikel stark relativiert, in dem zum einen die Industrie mit den großen Verpackungseinheiten, der Handel mit den großen Einkaufswägen verantwortlich gemacht oder eine statistische Verzerrung durch Vernichten der Lebensmittel auf den Bauernhöfen vermutet wird. Die Wahl des Aufhängers des Artikels – Verschwendung in den Hotels – lässt ebenfalls die Selbstverantwortung der Verbraucher im Verein mit zunehmender Gefährdungshaftung statt Verschuldenshaftung in den Hintergrund treten. Als Schlusssatz wird der FDP, die die Selbstverantwortung hochhält, unterstellt, sie würde das Berichtswesen der österreichischen Händler nicht gut finden. Ist das ideologisch motiviert? Letztendlich lässt sich Verschwendung von Lebensmitteln, die ich persönlich unerträglich finde, in einem ersten Schritt nur dadurch verringern, dass man Anreize im privaten Bereich schafft, dies nicht zu tun. Dazu gehört auch, Kinder dazu zu animieren, ihre Teller nicht zu voll zu laden und selber einmal ein Brötchen vom Vortag zu essen. Man kann dieses Verhalten als Sekundärtugend abwerten, aber Lebensmittelverschwendung beginnt im eigenen Kühlschrank. Fragen Sie Greta Prüfer (ZEITmagazin der gleichen Ausgabe).
Peter Janknecht

Transparente Berichterstattung über den Lebensmittelverbleib, freiwillige Selbstverpflichtung, Lebensmittel-Steuergutschriften, verpflichtende Lebensmittelspenden, alles gutgemeinte Miniaktionen gegen die Lebensmittelvernichtung ohne Wirkung. Was fehlt, ist eine grundsätzlich andere Haltung gegenüber lebenswichtigen Ernährungsprodukten, es fehlt an Wertschätzung. Aber wie kann ich etwas wertschätzet werden, dass so billig und bequem zu bekommen ist? Es gibt ein einfaches Mittel, dass unbürokratisch und direkt auf alle Lebensmittel angewendet werden kann: die Preisgestaltung. Je teurer ein Produkt ist, um so sorgsamer und überlegter ist der Umgang damit, d.h. um so größer wird auch seine Wertschätzung. Niemand schmeißt ein Brot weg, das anstatt 2.50 €,7.50 € gekostet hat, niemand kauft massenhaft „überflüssiges“ Gemüse ein, das im Vergleich zu heute doppelt so teuer ist. Auch die Milliardensubventionen für die Landwirtschaft könnten so halbiert werden. Ein Gewinn auf allen Seiten. Und noch etwas: niemand würde verhungern, aber vielleicht würde nur das Tattoo am Arm kleiner ausfallen.
Reinhard Schmitz

«Die Lebensmittelverschwendung ist monströs. Sie schadet Umwelt, Tieren und Klima.» Nur, es ist schwierig mit den Schuldzuweisungen. Nötig ist eine Gesamtsicht. Verschwendung beginnt schon beim Einfamilienhaus-Besitzer, der seinen Vorgarten durch einen Parkplatz oder einen Carport ersetzt. Früher standen da vielleicht ein Apfel- oder Pflaumenbaum oder ein paar Beerensträucher. Die gemeinsame Ernte war eine willkommene Bereicherung. Es wurde Marmelade gekocht oder eingefroren. Heute rentiert das nicht mehr. Die gewonnene Zeit wird für eine Wochenend-Reise oder einen Autotrip genutzt. Der Schaden für die Natur ist doppelt. Wie weit Lebensmittel verschwendet werden, ist auch eine Kostenfrage. Bei weniger Verschwendung würden die Lebensmittel vermutlich teurer. Werden Lebensmittel aus der Tonne geholt, werden weniger gekauft. Was dann weniger verkauft werden kann, landet wieder in der Tonne. Es gilt ein Optimum zu finden. Bei zu wenig Ware, wandern Kunden ab oder es wird zumindest weniger Umsatz erzielt. Bei zu viel Ware wurde zu viel Geld für den Einkauf ausgegeben. Am wenigsten verschwendet wird bei Knappheit, etwa in Krisenzeiten. Und was die Landwirtschaft betrifft, so ist der Umfang des Ertrags von der Natur abhängig. Wer trägt die Verantwortung, wenn es vermeidbaren Mangel an Lebensmitteln gibt, weil der Ertrag bei gleicher Anbaufläche weit unterdurchschnittlich war?
Steuerung der Produktion über Planwirtschaft wäre vielleicht hilfreich. Nur würde das vermutlich zu weniger Wettbewerb und damit zu höheren Preisen führen. Auch höhere Preise wären vielleicht hilfreich. Denn: «59 Prozent und damit der Hauptteil der Lebensmittelabfälle fallen laut Agrarministerium in den privaten Haushalten an.» Es stellt sich die Frage: Um wie viel müssten die Preise höher sein, um die Verschwendung um sagen wir mal 10 Prozent zu reduzieren? Ideal wäre natürlich, wenn wie dazumal Selbstversorgung für Erfolgserlebnisse und merkbare finanzielle Entlastung sorgte. In meiner Kindheit ging’s mit den Eltern zum Himbeeren- und Blaubeerensammeln in die Natur. Der Schrebergarten sorgte für Kontakte. Der Gemüseanbau verlangte und vermittelte Einfühlungsvermögen in natürliche Abläufe. Der Rückweg ist weitgehend versperrt durch dichte Besiedlung und günstige Discounter-Preise. Es bleibt die Erkenntnis, dass das Verringern von Lebensmittelverschwendung zwar ein Baustein ist fürs gute Fortbestehen der Menschheit, doch einer der Ergänzung braucht. Genauso wichtig wäre es, den Weg zurück zur Natur zu fördern, durch Ermöglichen von mehr Freude an eigenen Radieschen, Salat, Rhabarber, Erdbeeren und Co..
Gernot Gwehenberger

 


 

Leserbriefe zu „In welcher Welt werde ich leben?“ von Ijoma Mangold

Herr Ijoma Mangold hat ein neues Wort entdeckt: das Narrativ. Nach häufigerem Gebrauch wechselt er auch auf „die Erzählung“. Das Buch von Philip Monow über die Bedingungen moderner Demokratien findet er da ganz „toll“ – obwohl es Manche in den Wahnsinn treiben werde. Die Balance zwischen Legislative und Judikative ist wohl ein völlig neues Problem! Manow scheint immerhin zu ahnen, dass er nichts Neues erzählt, möchte aber unsere Wahrnehmung hierfür schärfen. Herr Mangold könnte sich einmal das Bild einer Balkenwaage vergegenwärtigen: Legt man mehr Gewicht in die eine Waagschale, so geht die andere hinauf und umgekehrt … das hätte er so immer und immer wieder beschreiben können, und es wäre nicht langweiliger geworden (aber auch nicht besser) als diese Buchbesprechung – da helfen auch noch so viele neue und alte Modebegriffe bzw. bildungssprachliche Angeberei nichts!
Kilian Rinne

Was in Marlows Buch (jedenfalls nach der Rezension von Ijoma Mangold) zu fehlen scheint, ist der Blick auf die gegenwärtige Entwicklung in den USA: Hier sind die „checks and balances“ ja gegenwärtig gefährdet. Ein Präsident und eine antidemokratische Mehrheit im Parlament haben die Chance genutzt, das oberste und zum Teil die nachgeordneten Bundesgerichte parteipolitisch zu besetzen und sind dadurch jetzt in der Lage, ihre zum Teil rechtsextreme Agenda durchzusetzen (die „rohe“ Demokratie kann sich, wie bekannt, auch selbst abschaffen).
Michael Woernle

Der Beginn ein Teil dieser Welt zu sein beginnt mit der Geburt. Der erste Unterschied – ist es ein Junge oder Mädchen? Was haben meine Eltern eigentlich gewählt- AFD oder eine andere Partei. Die Gestaltungsmacht der Regierungspolitik besteht darin Gesetze im Bundestag zu beschließen und treten erst dann durch den Bundespräsidenten in Kraft – wenn das Gesetz nicht gegen die Normen der Verfassung verstößt. Der Vergleich mit dem EU – Parlament – umfasst hier die Mitsprache und Konsultation mit seiner notwendigen Zustimmung. Das Grundgesetz ist die eigentliche Voraussetzung für die Bestandsgarantie der Demokratie. Die liberale Demokratie ist nicht in Gefahr – sie ist gut geschützt. Mit Politik gewinnt niemand einen Deutschen Literaturpreis oder den Goldenen Bären.
Thomas Bartsch Hauschild

„Auch die Künftigen müssen noch eine Chance haben, ihren Politischen Willen zu verwirklichen“. Dieser Satz von Herrn Manov zu seinem Buch über „die Bestimmung der liberalen Demokratie“ ist so richtig und wichtig wie ambitioniert und erinnert an die Begründung des Klimaschutz-Urteils des BVG von 2021, woraufhin dann das damals neue, inzwischen aber wieder verwässerte oder (nach den Worten von Mojib Latif) „kastrierte“ Klimaschutzgesetz verabschiedet wurde. In Wirklichkeit sind schon viel bescheidenere Interessen und Rechte der jetzt noch jugendlichen und kleinen Kinder schwerst bedroht, nämlich ein noch einigermaßen würdevolles und notfreies oder überhaupt noch mögliches Leben angesichts aller Folgen des Klimawandels und anderer Entwicklungen. Insofern ist die Überschrift, S. 47 „In welcher Welt werde ich leben?“ wesentlich zutreffender und freier von Illusionen und Zweckoptimismus. Die genannte „Überlebensfähigkeit“ einer Gesellschaft oder der ganzen Menschheit ist tatsächlich ein Wert, der absolut wichtig, aber schwierig zu gewichten ist, wenn er in Konkurrenz zur Demokratie und der Herrschaft von Mehrheiten oder Verfassungen oder rigiden, absoluten und immer zahlreicheren Werten und Bürgerrechten steht, besonders wenn die zugehörigen Pflichten für ihre Gewährleistung niemanden außer „den Staat“ belasten sollen. Denn alles kann übertrieben werden, und in diesem Fall und bei Missbrauch oder zu großer Priorisierung von Gegenwartswünschen und -bequemlichkeiten können beide die Überlebensfähigkeit bedrohen oder gar unmöglich machen und nicht nur eine bestimmte Vorstellung von Demokratie.
Letztere beanspruchen ja praktisch alle für sich, auch totalitäre, Tyrannische oder korrupte Systeme, die dann z.B. von Volksdemokratie, gelenkter oder illiberaler Demokratie sprechen. Und selbst Wählermehrheiten haben schon mehrfach aus falschen Hoffnungen oder aus Emotionen oder Protest heraus Regierungen gewählt, von denen sie hätten wissen müssen, was diese längerfristig anrichten können oder werden. Das Prinzip der „Balance“, manchmal eher „Drahtseilakte“ ist ja allerorten im Leben nötig und wichtig, nicht nur zwischen Verfassungshütern und Mehrheits-Regierungen oder Mehrheits-Entscheidungen. Und auch in den Verfassungen und den demokratischen Werten gibt es immer wieder Zielkonflikte und nötige Abwägungen vom einen gegen das andere Ziel oder den anderen Wert, der allzu oft auf schreckliche Dilemmas hinausläuft, manchmal auf nur scheinbare Paradoxien, denn es sind bekannte Verfahren, dass eine Feuerwehr einen unlöschbaren Waldbrand mit einem selbst, aber kontrolliert entzündeten Gegenfeuer bekämpft oder dass ein Arzt eine Krankheit oder Verletzung mit eigentlich gefährlichen oder giftigen Substanzen behandelt oder mit großen gefährlichen Verletzungen, die man dann „Operationen“ nennt. Für Populisten aber und ihre Gegenpropaganda ist jedes solches Paradox nur ein Beweis für die Unsinnigkeit oder Bosheit und Rücksichtslosigkeit von Maßnahmen.
Einerseits können Mehrheiten tatsächlich tragische Fehler oder „Quatsch“ wählen, da auch sie natürlich nicht unfehlbar sind besonders in emotional aufgeheizten Notlagen wie seinerzeit der Weltwirtschaftskrise in Deutschland. Andererseits können Landungen allzu weit auf der Seite von Recht und Verfassung auch die Demokratie gefährden, indem sie die Akzeptanz der Verfassungs- und sonstigen Gerichte unterhöhlen. Wohl auch deshalb hat unser BVG mehrfach versucht salomonische Urteile zu finden, damit jede Seite eines Streits wenigstens ein bisschen „gewonnen“ hat. Wegen all der Risiken und Probleme von allzu weit oder allzu oft vom „Volkswillen“ abweichenden Gerichtsentscheidungen bin ich auch skeptisch gegenüber zu einseitiger Betonung von Rechtsgütern und Gerichtsentscheidungen und eher für mehr Öffentlichkeitsarbeit, Bildungs-Arbeit schon in der Schule und notfalls Propaganda, um eine Welt zu erhalten oder zu fördern, in der auch die jetzigen Kinder auch in einigen Jahren noch gut leben können. Wie eingeschränkt die Wirkung eines BVG-Urteils selbst in Deutschland ist, zeigt ja gerade der Umgang mit den Inhalten und Zielen des Klima-Urteils des BVG von 2021.
Peter Selmke

Es ist sicherlich richtig, dass z. B. nicht alles ins Grundgesetz geschrieben werden sollte, um es der Veränderbarkeit durch künftige andere Mehrheiten möglichst zu entziehen, aber die Gefahr, dass Machtwechsel faktisch unmöglich gemacht werden, geht in der Regel nicht von den Befürwortern eines starken Verfassungsgerichts aus, sondern von denen, die mit dem „Volkswillen“ argumentieren, sei es Viktor Orbán in Ungarn, Donald Trump in den USA oder die AfD in Deutschland. Das sind die Leute, die künftige Machtwechsel auf krummen Touren zu verhindern versuchen, sobald sie selbst an die Macht gelangt sind, und dabei vor Verfassungsänderungen und Entmachtung des Verfassungsgerichts, vor allerlei juristischen Tricks, vor der Beschneidung der Pressefreiheit und der Rechte der Opposition, vor Propaganda und Desinformation und manchmal auch vor Gewalt oder Aufrufen zur Gewalt nicht zurückschrecken. Und das sind auch die Leute, die am ehesten Sündenböcke suchen und gegen Minderheiten hetzen. In England mag die Demokratie auch ohne Verfassung und Verfassungsgericht funktionieren. In Ungarn, den USA und vielleicht bald auch in Deutschland ist meines Erachtens tatsächlich die Demokratie – und nicht nur „die heikle Austarierung zwischen verschiedenen Staatsorganen“ – durch Populist*innen, die sich zunächst auf den Volkswillen berufen und dann die Demokratie abzuschaffen – oder wie in Russland unter Anwendung von Gewalt gegen Oppositionelle gänzlich auszuhöhlen – versuchen, in Gefahr.
Ulrich Willmes

Während die reale Welt immer komplizierter wird, wächst Sachverstand zu vielen Themen eher langsam mit. Der naheliegende Ausweg bei Sachdiskussionen: Mangels Kompetenz konzentriert man sich auf „gute und edle Absichten“ und Werte; leider ohne Wissen zur konkreten Umsetzung!
Wolfgang Ströbele

Ich kann Ihre Begeisterung für die Analyse von Philip Manor nicht nachvollziehen. Das mag daran liegen, dass eine Rezension den Ursprungstext stark filtert. Die Begriffe „liberale Demokratie“ und „elektorale Demokratie“ sind mir zu akademisch. Ich bevorzuge eine einfachere Definition: Eine Demokratie ist dann eine Demokratie, wenn sie einen geordneten Machtwechsel durch Wahlen ermöglicht. Wichtig bei dieser schlichten Sichtweise ist die Tatsache, dass dieser Vorgang unendlich wiederholbar sein muss. Eine Partei oder Koalition, einmal an die Macht gekommen, darf diesen Kreislauf nicht anhalten können. Und das ist die Gefahr, die derzeit gesehen wird. Sie ist real. Auch ich habe in der Schule gelernt, wie die Weimarer Republik zu Grunde gerichtet wurde, ganz demokratisch. Unsere derzeitige Verfassung versucht eine Wiederholung zu erschweren. Darüber haben wir gerade in den letzten Tagen wieder viel gelernt, oder uns in Erinnerung gerufen. Das Narrativ, die Demokratie sei durch den Populismus unter Druck geraten, stimmt. Der Populismus wird allerdings von allen Parteien des politischen Spektrums betrieben. Unpopuläre, aber notwendige Entscheidungen werden verschleppt, bis eine Krise zum Handeln zwingt. Das Handeln wird dann nicht vernünftig erklärt, oder bis zur Unkenntlichkeit zerredet. Das Parlament nutzt noch nicht einmal die angeblich so eingeschränkte Beinfreiheit, die es hat. Stattdessen „drückt sich die Politik gern mal um ihre Aufgaben und lässt dann Karlsruhe entscheiden“.
Ich frage mich schon, warum hier die Verfassungsgerichtsbarkeit für die Schwächen des Parlamentes beklagt wird. In den genannten Ländern (man vergisst immer mal wieder die USA und Italien in diesem Zusammenhang zu nennen) wird nicht nur die Demontage der Verfassungsgerichte betrieben, sondern es werden auch die öffentlich-rechtlichen Medien systematisch demontiert. Private Medien spielen dabei eine wesentliche Rolle. Von den asozialen Medien ganz zu schweigen. Der Blick nur auf die Balance zwischen Parlament und Verfassungsgericht ist also unzulässig verengt. Was treibt uns derzeit um? Es ist die Frage, ob eine AfD in der Regierungsverantwortung ausbalanciert werden kann, oder ob dadurch ein Kipppunkt erreicht wäre, der in den Abgrund führt. Für beide Szenarien gibt es Beispiele aus Vergangenheit und Gegenwart. Also müssen wir uns überlegen, ob die derzeitige Balance zwischen Parlament und Verfassungsgericht dem einen oder dem anderen Szenario Vorschub leisten könnte. Meines Erachtens liegt da Problem nicht beim Verfassungsgericht, sondern bei der Unfähigkeit des Parlamentes die Themen anzupacken, die die Wähler umtreiben. Das Parlament kann die angebliche Einschränkung seines politischen Möglichkeitsraumes ganz einfach beseitigen, indem es eine 2/3-Mehrheit zu Stande bringt. Hier liegt das eigentliche Problem.
Es werden zu viele Brandmauern gebaut und rote Linien gezogen, als dass man punktuell Mehrheiten herstellen könnte. Es ist brandgefährlich von einem „politisch-medial-juristischen Komplex“ zu reden. Die begriffliche Nähe zum „militärisch-industriellen Komplex“ ist wohl Absicht. Was will uns der Autor damit sagen? Gewaltenteilung und mediale Kontrolle sind essenzielle Bestandteile unserer Verfassung. Sie beruhen auf unserer historischen Erfahrung. Sind diese Erfahrungen in den Augen des Verfassers nicht mehr „weise und vernünftig“? Darf man die daraus abgeleiteten Normen „in Frage stellen“? Der Verweis auf die mangelnde demokratische Legitimierung der EU ist im Zusammenhang mit der Balance zwischen Parlament und Verfassungsgericht in den einzelnen Mitgliedsstaaten erscheint mir seltsam. Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Die Mitgliedsstaaten der EU sind frei das Joch der suprastaatlichen Konstitionalisierung abzuwerfen. Siehe Brexit. Der Nebel des Diskurses verdeckt eine große und allgemeine Hilflosigkeit. Offenbar hat niemand eine Antwort auf die Frage, ob wir in der Lage wären eine AfD-Regierung wieder abzuwählen. Teile der AfD haben nämlich mit Demokratie nichts am Hut, ganz abgesehen von der Abwesenheit eines moralischen Kompasses.
Bernd Roos

 


 

Leserbriefe zu „Erklären Sie’s uns, Herr Sloterdijk“. Gespräch mit Peter Sloterdijk geführt von Peter Neumann

Vielen Dank für den interessanten Beitrag. „Je besser es Menschen geht, desto eher vergleichen sie sich nach oben.“ Gerade implodiert eine Erwartungshaltung, die nicht von dieser Welt war, die aber heftige Gereiztheit/Phantomschmerzen hervorruft.
Michael Scheppler

Dieser Herr Sloterdijk hat meist sehr gute, aber immer nachvollziehbare Argumente für oder gegen eine Sache und das gefällt mir gut, deshalb muss ich nicht unbedingt immer getreu auf seiner Linie sein und dieser folgen. Wenn es um die EU geht, dann rückt einfach niemand mit der vollen mit der Wahrheit raus, was er von diesem Staatenverbund hält. Für mich hat die EU in dieser Form längst fertig; dieses ständige mit hineinregieren voll in jedes Mitgliedsland hinein, das muss endlich beendet werden. Nicht nur die AfD will diese EU reformieren; aber wer halt an der Geldquelle sitzt, der will auch Geld sprudeln sehen und hören! Trotzdem sollte es nicht länger so weitergehen, wir wollen nur, dass uns unsere Volksvertreter anständig vertreten, nicht mehr, aber auch nicht weniger!
Klaus P. Jaworek

DIE ZEIT verteilt keine Texte zur geistigen Gleichberechtigung – will seinen LeserInnenkreis im deutschen Volk möglichst relativ klein belassen… – jenseits vom kaufmännischen Kalkül? Wie also darf sich das DIE ZEIT-lesende Publikum fühlen: als elitär-evolutionär oder eher im Sinne des Philosophen: auserwählt als Anmaßungen gegenüber dem Massen-Park des Volkes zu einer geistreicheren Zunft…? Wenn der Philosoph Peter Sloterdijk mit professoraler Deutungshoheit als europäischer Mitbürger – beides jedoch kann nicht in dieser Verbindung in einer Figuration sich vertiefen, sondern: man muss hierzu Weltbürger sein in der Positionierung einer elementaren politischen Übersichtlichkeit, um hierbei dann ein bedeutendes Überlegungsszenario zu Peter Neumanns Befragungen in DIE ZEIT für unserer Zeit zu vermitteln… Peter Sloterdijk (mit nunmehr 76 Lebensbeja(h/r)ungen) vermeint sibyllinisch zu referieren: „Europa sei ein „Kontinent ohne Eigenschaften.“ – erkennt dieser sich selbst stets optimierende Schriftgelehrte mit seinen Offenbarungen zu den Regulierungen und „Regeln für den Menschenpark.“ Und wahrlich, es ist erstaunlich: was mit diesen Menschenmassen auch in heutigen Zeiten für Auf-und-Abtriebe veranstaltet werden können – und besonders in der Beteiligung eines doch auch europäischen angrenzenden Russlands oder nennen wir es eher ein Putin-Russland: einer Putin-Diktatur in der jener Beherrscher (dieses Volkes oder der Völker dieses Riesenlandes) bestimmt, wo und wann Krieg geführt wird… Ein Mann aus dem Nichts, irgendein KGB-Mann (dort von 1975 bis 1990 installiert) im auch einstigen DDR-Ostberlin, deutsch-sprechend und vermutlich auch deutsch mitbedenkend bzw. ein erkennbarer Gegner der westlichen kapitalistischen Demokratien, wenngleich doch einer der extrem reichen Männer dieser Ausbeutungswelt… Ein Land der hemmungslosen: dieses ausbeutende(r) Oligarchen und Nomenklaturen, der unglaublichen Korruptionen unter dem Zepter dieses Zaren Wladimir Wladimirowitsch Putin oder nennen wir es geschichtlicher: Putinismus… Welche Bedeutung sollte da der Putin-Haftbefehl des „Internationalen Gerichtshofs“ bewirken – das wäre doch in etwa so, als ob dieser Befehl an ein Grüppchen von Seepferdchen erteilt würde, um einen Orca in stürmisches See zu verhaften!
Geschichte hat immer auch eine zusammenhängende Vergleichbarkeit! Doch leider wurde in dem zweiseitigen Text „Erklären Sie´s uns, Herr Sloterdijk“ – kontinuierlich unberücksichtigt belassen, dass die Versuche einer „europäischen“ Gesamtintegration schon in der römischen Antike vorgenommen worden waren, zwar im Sinne eines Imperiums unter römischer Regie, gleichwohl aber auch in dem (militärischen, kulturellen, zentralintegrativen) Bewusstsein, dass die Überlebenserhaltung dieses machtpolitisch so Rom-konstruierten Kontinents sich nur durch eine gemeinsam einverständliche Machtverfügung ermöglichen ließe… – zu gefährliche militärische Außenmächte waren in der (stets auch wirtschaftlichen) Gegnerschaft vorhanden… Wir kennen diese Auswirkungen bis in die heutige Zeit in der Abtrennung von Okzident und Orient oder Abendland und Morgenland! Und hatte (zuvor) nicht das antike Griechenland der Poleis (Stadtstaat-Polis) und Inseln unter der erzwungenen Hegemonie des Alexandros (ho Megas) den Versuch unternommen: ein einigendes Griechenland (plus der Kolonien) zu verwirklichen – damals das (militärische und geistige-philosophische) Zentrum Europas, jedoch in der insgesamten griechischen Überheblichkeit (alle Nichtgriechen bzw. nichtgriechisch sprechenden Menschen: wurden zu Barbaren apostrophiert) als Expansion hin zu einem Weltreich: bis an das „Ende der Welt“. Der Philosoph Aristoteles war der Erzieher und Lehrer des jugendlichen Alexander gewesen – hatte ihn auch „weltpolitisch“ indoktriniert…
Dieses „Weltreich“ waren die Träume von Alexander (dem „Großen“) – auch nach seinem Tod im Jahre 323: späterhin dies symbolisierend in den sich bekämpfenden Epigonen der Diadochenreiche (zu der rivalisierenden griechischen politischen Unvernunft…). Napoleon I. hatte zu seiner persönlichen Glorifikation und der fatalen (französischen) Überheblichkeit die Chance vertan: ein geeinigtes Europa zu den freiheitlichen „Reglementierungen der Vernunft“ (ohne die Religionszwänge) für die Massenmenschen der Verschiedenheiten der Länder und Mentalitäten in den Bauplan der möglichen europäischen Gemeinsamkeit zu integrieren: Der Code Civil des Napoleon I. hätte hierzu die Grundlage einer europäischen Rechtsprechung als Befreiung des „Individuums“ werden können – und für die späteren nationalistischen Staaten der Länder in Europa wären all die folgenschweren Kriege nicht vorhanden gewesen, hätte es keinen I. Weltkrieg, keinen II. Weltkrieg gegeben: auch nicht den Krieg von 1870/71 und dadurch die fatale deutsche Reichseinigung als Fortsetzung zur faschistischen Diktatur des größenwahnsinnigen, verbrecherischen Adolf Hitler. Dieser unvorstellbare (unüberschaubare) Machtmensch hatte in kürzester Zeit eine Diktatur mit sich im Zentrum erschaffen, dass mit keinem anderen geschichtlichen Ereignis zu vergleichen sein kann und in den Auswirkungen bis heute zudem auch die mögliche Vereinigung eines gemeinsamen Europas besonders mit beeinflusst hat. Hitlers wahnsinnige Diktatur in dem Ausmaß dieser Okkupationen, Zerstörungen und Vernichtungen: ist letztlich die Einsicht zu einem politischen Vernunft-Europa moderner Prägung geworden – wenngleich die Menschenmassen der jeweiligen Länder in der Verinnerlichung zu diesem Prozess noch lange nicht innerlich integrierbar sind oder darin langfristig auch verbleiben… Schon ein tragischer politischer Eklat zwischen Ländern und Nationen kann „den Laden“ auseinandertreiben! Menschen sind unberechenbar! – als sich selbst unverständliche Menschenschablonen in diesem Menschenpark!
Ein geeinigtes politisches (und wirtschaftliches) Europa in unserem Zeitrahmen bedeutet dennoch und vor allem auch von Zeitmoment zu Zeitmoment: „Si vis pacem para bellum.“ Und wie würde dieses gesamtmilitärische Europa – sich gegen wen und wann positionieren müssen, quasi im Bekennen zu den wehrhaften Konfrontationen bzw. den notwendigen Allianzen? Nur die Atombombe der „Ausgeglichenheiten“ hat verhindert, dass die Großmächte „der Blöcke“ sich nach 1945 direkt bekriegt haben, wobei die „Stellvertreterkriege“ bis heute vorhanden sind – und der Krieg zwischen Russland und der Ukraine ebenfalls als die Folge des Untergangs des sowjetischen Imperiums, verbleibt: da die kapitalistischen Westmächte diesen Zerfall der politischen Sowjetunion: benutzten, um jene zusammengebrochene Macht zudem noch in den eskalierenden Folgeerscheinungen (planvoll) zu demütigen… Adolf Hitler (nicht nur als GröFaZ) sah sich in der Nachfolge von Alexander und Napoleon I. – waren seine (nationalsozialistischen) Europa-Pläne in seiner vorstellbaren Neuorientierung des Kontinents unter deutscher Führung (als Großdeutschem Reich im Zentrum) ausführbar: wären zu diesen insgesamten Machteinbindungen jene Länder in einer gesamteuropäischen Verfügungsgemeinsamkeit, vielleicht vorstellbar und politisch auch erreichbar gewesen…? Denn Hitler war sich dessen bewusst, dass (sein angedachtes „Tausendjähriges Reich“) langfristig – wohl eher auf Jahrhunderte besehen: dieses geforderte Deutschland (ohne europäische Gemeinsamkeiten) dann die okkupierten Länder nicht besetzt halten, noch die jeweiligen Bevölkerungen unter deutscher Kontrolle und Disziplin in den Abhängigkeiten einbezwingen könnte… Dazu waren die militärischen, wirtschaftlichen und die deutschen Menschenvorhandenheiten als Grundlagen der dafür notwendigen Verfügbarkeiten: nicht ausreichend genug (gewesen)… Der Nationalsozialismus aber war von der philosophischen Ideologie her: dem (theoretischen) Internationalismus des Kommunismus gegenüber: nicht weltkonkurrenzfähig – und das wusste Adolf Hitler in der Bewusstheit zu den (begrenzten-ideologischen) faschistischen Auswirkungen und Bewirkungen… Ebenso, dass er den Nationalsozialismus niemals gegenüber der „christlichen“ Religion als einen eigenständigen Religionsersatz anzubieten und anzupreisen vermochte – den Himmel konnte Hitlers Luftwaffe zwar über eine gewisse Zeit hinweg erobert halten, nicht aber das Prinzip Hoffnung einer Auferstehung von den Toten und den Einzug an ein geglaubtes (aber unbeglaubigtes) Paradies im Himmelreich. Auf Erden aber agieren die Menschen in den Machtzentren ihrer verschiedenen Ideologien und Absichten und den eigentümlichen Plänen – egal in welcher Zeit sich diese Bedingungen verdeutlichen und absorbieren. Die militärischen (aber nicht mehr wirtschaftlichen) Abhängigkeiten von der Militärmacht Nr. 1 in der Welt, den USA: müssen die Europäer endlich reduzieren bzw. ihren eigenen militärischen Machtausbau forcieren und autark werden… Der Nationalismus aber ist aus den Köpfen der Menschen nicht zu absorbieren, höchstens zu neutralisieren in dem Auslöschen von geschichtlichen Erinnerungen…
Wie aber wird nun die Gefahr einer scheinbar russischen erweiterten militärischen Expansion – dieses Europa als einen gemeinsamen Militärblock ausbauen können? Man muss das realistisch sehen: China, Russland, die USA und Europa (in einer Geschlossenheit des Kontinents der europäischen Länder): sind die militärischen Machtblöcke – und in ihrer jeweiligen Machtstärke dennoch auf Allianzen angewiesen! Dies ist eine politische Conditio sine qua non zu einer realen Vernunftpolitik! Ebenso muss in diesem Zusammenhang des Vernunftvollen: ein gemeinsames Europa nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich in einem wesentlichen Verbund sich zusammenfinden – das eine funktioniert nicht ohne das andere! Die europäischen Menschen (wenn sie denn sich so einverbunden: irgendwann auch identisch so identifizieren wollten) müssten in einem ähnlichen gemeinsamen Lebensstandard auch im jeweiligen eigenen Land ihre Lebensgewohnheiten beleben können – um nicht wegen des Geldes in einem anderen Land den Lebensunterhalt dort zu bestreiten… Das ist keine positive Auswanderung nur nach dem Prinzip des Geldverdienens – sondern: die europäische Politik muss in einer Umverteilung der wirtschaftlichen Vereinnahmungen, dann diese wirtschaftlich unterprivilegierten Länder ähnlich „europäisch“ gleichstellen: ansonsten funktioniert ein gemeinsames Europa nicht; selbst, wenn es eine europäische Armee zusätzlich zu den nationalen Armeen gäbe. Die Menschen können nur dann den Vorteil eines vereinten Europas darin sehen: dass ihnen ihr Lebensstandard als gemeinsamer Wohlstand erkennbar wird – die freizügigen Regularien der Freiheiten an sich werden dabei ja (zwischenzeitlich) als selbstverständlich angesehen! Europa ohne wirtschaftliche und soziale Gleichberechtigung und Angleichung (an den maximalen Wohlstand des Erreichbaren) wird sich als Chimäre der Zukunft aufzeigen…
Der Philosoph und Geistesdompteur Peter Sloterdijk umschreibt diese europäische vereinheitlichte Verdeutlichung einer notwendigen Maxime der (nicht nur wirtschaftlichen) Gleichberechtigungen: „In einer Zeit, in der Sozialpsychologie noch schlagkräftiger war als heute, gab es ein Theorem, das von einem Gesetz des abnehmenden Grenznutzens von Verbesserungen sprach. Das lässt sich psychologisch direkt übertragen auf ein anderes Theorem – das sogenannte Gesetz, wonach die Unzufriedenheit schneller wächst als die Verbesserung. Was ich damit sagen will: Je besser es Menschen geht, desto eher vergleichen sie sich nach oben. In Zeiten, in denen es noch wirkliche Armut gab, hat man sich eher nach unten verglichen. Ich höre noch meine Großmutter sagen: Man muss daran denken, dass es Leute gibt, denen es schlechter geht. Das war eine Art vorpolitische Lebensklugheit, die die Menschen davor gerettet hat, sich selbst zu vergiften. Heute möchte man fast glauben, die Deutschen erleben ihr In-der-Welt-Sein als ein vergleichendes Schierlingsbecher-trinken – und der eigene Becher ist immer der bitterste.“
Nun wissen wir doch, dass Demokratien aus zumeist wählenden Massenmenschen bestehen – und damit und darin verbunden verbleibt die Tatsache, dass die ungebildete und schlichtgestrickte Mehrheit eines jeweiligen Volkes (besonders auch in Europa!): die gebildete und kultivierte Minderheit überstimmt: und damit die „Diktatur des Proletariats“ sich bestätigt (abseits von der marxistisch politischen Ideologie), nurmehr dadurch: dass dieses Proletariat immer existieren wird solange nicht die notwendige Erkenntnis dieser bildungsprekären Mehrheit käme: dass sie ungeeignet sei für das Wählen in dieser somit unwirksamen Demokratie. Des Philosophen Platons Staat wäre: „Die Herrschaft einer Aristokratie von Philosophen! Zerfällt diese Herrschaftsform, so entwickelt sich der Reihe nach vier Verfallsformen des Staates: in der Timokratie regiert das Geld.“ Und genau diese Timokratie (einer Staatsform, in der die Rechte der Bürger nach ihrem Vermögen bemessen werden) ist letztlich in der Ideologie des Kapitalismus zur Verwirklichung geworden – in diesen kapitalistischen sogenannten Demokratien westlicher Prägung (angeführt von den USA): werden der materielle Reichtum durch die Oligarchien und Nomenklaturen zur Macht im Staate, wird das jeweilige Volk ausgebeutet und ausgenutzt und ist eigentlich immer nur das Stimmvieh für die nächsten Wahlen… Die vom „Stimmvieh“ gewählten Politiker und Politikerinnen lassen aber erkennen, dass diese zwangsläufig als Gewählte immer in der Abhängigkeit des Kapitals, der Wirtschaftsbosse, der Reichen: ihre scheinbaren (demokratischen) Entscheidungen nur unter deren Aufsicht einbringen können…
Und genau zu dieser Unausweichlichkeit beschreibt der Philosoph Sloterdijk seine deutliche Erkenntnis aufgrund der Frage von Peter Neumann von DIE ZEIT: „Schon mit 27 Möglichkeiten in der EU steht man vor einer riesigen Herausforderung.“ – und des Philosophen Antwort: „Die größte Aufgabe für all die Unzufriedenen in den Ländern wird sein, dass sie lernen müssen, Vertrauen in ihre Eliten zurückzugewinnen. Es gibt ja allzu viele, die nicht nur ihre Unzufriedenheit kultivieren, sondern auch ihre Provinzialität vor sich hertragen. Dieses Statement würde ich dem Volk der Antielitisten vor die Füße werfen, jenen, die so gern glauben, dass ihre Eliten sie verraten. Sie machen es sich mit ihrem Argwohn zu leicht. Wie Sartre seinerzeit sagte, der Mensch sei zur Freiheit verdammt, müssen wir heute wohl sagen: Wir sind zum Vertrauen verdammt.“ Damit zeigt sich doch auf, dass dieser Philosoph Peter Sloterdijk eigentlich in dem Staat der Philosophen nach Platons Mustervorbild: einen gesicherten Platz dort gefunden haben würde… Gleichwohl wird in dem zeitnotwendigen ZEIT-Artikel von Peter Neumann „Erklären Sie´s uns, Herr Sloterdijk“ erkenntlich – wie weit das geniale Denken und Bedenken des elitären Philosophen Sloterdijk jedoch von der Verständlichkeit des Volkes entfernt existiert… Cogito ergo sum. Leider bleibt die Masse des Volkes weiterhin dumm! (Obwohl doch im Volksmund verlautbart wird: „Dumm fickt gut“.) Und vor allem verbleibt doch in dieser kapitalistischen Demokratie dem Volk der überwiegende Anteil von angefressener Freiheit zur Fettheit, vorbei an dem eher unbekannteren Leitspruch: „Mens sana in corpore sano.“ Na ja – ist doch nur ein Sprüchlein des römischen Satirikers Juvenal und es eigentlich genauer heißt: „Orandum est, ut sit mens sana in corpore sano“ – was deutlicher übersetzter bedeutet: „Man solle darum beten, dass sich ein gesunder Geist mit einem gesunden Körper verbinden möge…“ Alles ist eben auch nur eine Umverdeutung der Undeutlichkeiten zur jeweiligen Deutungshoheit! Übrigens: hatte der Vegetarier und Antialkoholiker Adolf Hitler seinen Generälen empfohlen (anstatt Philosophen): Karl May zu lesen! Und verkündete im kleinen Kreis seiner Clique und seiner Claqueure überwältigt von seiner unglaublichen Selbsteinschätzung als Ausdruck der Verehrung zu seiner Person: „Sie irren sich alle. Sie unterschätzen mich. Weil ich aus der „Hefe des Volkes“, weil ich keine Bildung habe, weil ich mich nicht zu benehmen weiß, wie es in ihren Spatzenhirnen als richtig gilt. Wenn ich einer von ihnen wäre, dann wäre ich etwa der große Mann, heute schon.“ Und desweiteren im Originalzitat: „Was für ein Glück für die Regierenden, daß die Menschen nicht denken.“
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld

Ich habe eine lokale Zeitschrift abbestellt, weil nicht nur die Qualität der Inhalte dünn, sondern auch die Orthographie schmerzhaft schwach war. Umso mehr betrübt mich, dass ich in den letzten Ausgaben auch immer wieder in der Zeit auf Rechtschreibfehler gestoßen bin, die doch mit einem Programm für Rechtschreibprüfung mehr als einfach zu verhindern wären. Ich bin auf Ihrer Seite, dass fachliche Inhalte mehr zählen als die reine Form. Dennoch frage ich mich, ob man sich auf die Qualität des Inhalts wirklich verlassen kann, wenn schon die Form zu wünschen übriglässt.
M. Schmidt

„Die Wehrhaftigkeit des Mannes ist nicht mehr das Epizentrum der Erziehung“ P. Sloterdijk (2024, Paris) „Wir müssen unsere Männlichkeit wiederentdecken…“ B. Höcke (2015, Erfurt) Zwei Männer beklagen den Verlust von Männlichkeit in unserer Gesellschaft. Im Vergleich zu Scholz, Habeck und Lindner machen beide doch einen eher kümmerlichen Eindruck – jedenfalls wenn das Bewertungskriterium „Männlichkeit“ ist. Projizieren die beiden da etwas?
Dirk Brinker

Das hat wieder mal lange gedauert bis ein deutscher Philosoph sich auf das Feld der Politik wagte, um endlich mit seiner Sicht des Weltgeschehens die von der deutschen Geisteswelt nicht gerade verwöhnten politisch interessierten Landsleute unterhaltsam zu informieren. Politik und Philosophie scheinen in Deutschland immer noch, wenn nicht sogar dauerhaft, unter Berührungsängsten zu leiden -ganz im Gegensatz zu Frankreich. Egal wer dort Staatspräsident ist oder war, ob Macron oder Mitterand, ihr Interesse für Literatur und Philosophie ist einfach präsent und wird auch gezeigt. In Deutschland glauben viele Politiker eher, Philosophie sich vom Leibe halten zu müssen da das eine zum anderen ja doch nicht passt und der Wähler solche geistigen Turnübungen gar nicht versteht? Aber wenn das in Frankreich möglich ist, warum eigentlich nicht auch in Deutschland, dem einst viel gerühmten Land der Dichter und Denker. Sloterdijk guckt auf die im Moment hochgradig nervösen Impulse der französischen Innenpolitik. Ursache dafür sind die vorgezogenen Neuwahlen am 30.Juni und der folgende 2. Wahlgang am 7.Juli. Ein wahres Vabanquespiel, von Präsident Macron initiiert und auch bei seinen Gefolgsleuten umstritten. Was wahrscheinlich folgen wird ist der politische Absturz von Macron und seiner Regierungspartei. Gewinner, ebenso wahrscheinlich, der RN unter Le Pen und der neu aufgelegte „Nouveau Front Populaire“ (früher: Nupes) unter der Knute von Melenchon, dem LFI-Vorsitzenden. Innerhalb dieser Art „Volksfront“ (die dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts in Deutschland lassen grüßen) sind aber schon Rivalitäten und Ungereimtheiten für eine gemeinsame Strategie ausgebrochen. Raphael Glucksmann, der Europa-Kandidat der Sozialdemokraten sieht Melenchon in dem neuen Links-Bündnis eher kritisch.
Es wird ein Hauen und Stechen von Extrem-Links und Extrem-Rechts geben und die moderate Mitte um Macron und seiner Regierungspartei werden für den 2.Wahlgang aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr antreten können da sie zerrieben werden. Was bedeutet das Polit-Drama aus der Sicht des Philosophen? Klar ist, dass beide, Politiker wie Philosophen, im Denken und Handeln grundsätzlich verschieden sind. Der Philosoph versucht sein Denkgebäude in die Sprache zu übersetzen und achtet peinlich darauf, genau das zu vermitteln, was er denkt. Der Politiker konzentriert sich verstärkt darauf, das, was er denkt und für seine politischen Schritte plant, seinen Wählern nicht direkt oder sogar verfälscht mitzuteilen. Er behält es sich vor, seine Absichten zu verschleiern, um sich nicht der Möglichkeit zu berauben, später politische Korrekturen vorzunehmen. Für den politischen Prozess ist das ein prägende Merkmal. Also können Politiker und Philosophen nichts voneinander lernen? Doch, aber eher einseitig. Indem der Politiker lernt, seinen Drang zu zügeln, gegenüber dem Wähler seine Absichten zu verschleiern oder unseriöse Wahlversprechen aufzutischen und den politischen Gegner fair zu behandeln. Auch der Wähler, das Zielobjekt der politischen Parteien, um die Machtausübung durch Wahlen zu ermöglichen, muss sich einer kritischeren Betrachtung als bisher üblich gefallen lassen. Wähler und Parteien, besonders die von extrem rechts und links, haben es geschafft, eine gefährlich oberflächliche Berührung zwischen sich zu installieren die oft den rassistischen, völkischen, ausländerfeindlichen und antisemitischen Kern ihrer Programme oder ihres Denkens verdeckt. Hier liegt noch viel Überzeugungsarbeit für unsere Philosophen, um das recht unbekannte aber keinesfalls ungefährliche Wesen Wähler zum Nachdenken zu animieren. Nur wie erreicht der Philosoph den Durchschnittswähler zwecks Aufklärung?
Klaus Reisdorf

 


 

Leserbriefe zu „Er will Geschichte schreiben“ von Ingo Malcher

Dieser Artikel suggeriert von einem Liberalismus in fernen Welten. Auch wenn „unsere“ FDP nie ein Alleinstellungsmerkmal des Neoliberalismus besaß, stehen aber insbesondere ihre aktuellen Protagonisten um Lindner wie Javier Milei als teilweise hässliches Gesicht dieser asozialen Weltanschauung, weil – ihm gleich – aus ihnen der Schlund der Egomanie wabert. Man spricht von Wettbewerben und Selbstheilungskräften und dass diese unser aller Wohlstand sichern, pflegt das Narrativ von einer Vollbeschäftigung, bezweifelt den prekären Arbeitsmarkt und erklärt den Markt als großen Weltenlenker. Für mich ist dieses neoliberal-etablierte Denken ein versteckter Rechtsextremismus, um damit, wie Milei in Argentinien, vielfältige Spannungen zu erzeugen, welche es Eliten ermöglichen, mit rechtsradikalen Techniken an die Macht zu kommen.
Jürgen Dressler

Beim diesjährigen Besuch in der Provinz Buenos Aires stießen wir überall auf verfallene Bahnhofsgebäude und stillgelegte Bahngleise. Opfer des letzten Privatisierungswahns unter der Regierung Menem, der Teile der staatlichen Bahn veräußerte oder stilllegte. Nun müssen Menschen in Bussen, das Getreide in Lastwagenkolonnen transportiert werden, was volkswirtschaftlich ein Mehrfaches kostet, nur dem Staat kurzfristig Kosten gespart hat. Milei wird diesen Irrsinn vervielfältigen, das Land ärmer machen und die wirklichen Reformen für einen schlankeren Staat, eine breitere Basis für Steuereinahmen etc. werden auch unter seiner Regierung nicht angegangen. Es ist wirklich ein Trauerspiel für dieses reiche Land und seine wunderbaren Menschen.
Dieter Schöneborn

Verleihung der Hayek-Medaille an den bekennenden Anarchokapitalisten und derzeitigen argentinischen Präsidenten Milei – … ein weiterer Treppenwitz der Geschichte, passt andererseits selbstverständlich, aber auch absolut in die Reihe von Preisen, wie sie vor allem hier in Deutschland sonst so schon an zahlreiche sog. „verdiente Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens von nah und fern“ verliehen wurden! Ob dies im Falle des jetzigen Preisträgers Milei jedoch tatsächlich im Sinne des verstorbenen renommierten Ökonomen Friedrich August von Hayek gewesen wäre, mag man durchaus bezweifeln.
Thomas Stähler

Geschichte wird Milei schreiben. Nur dürfte die kaum schmeichelhaft sein. Sein, im übertragenen Sinne, Kettensägenmassaker (Anspielung auf seine Wahlkampfauftritte) im Sozialbereich, führt dazu, dass die Unterstützung der Ärmsten (z.B. mittels Lebensmittelspenden) seitens der Regierung eingestellt wurde. Die ohnehin hohe Armutsquote ist seit Mileis Amtsantritt noch weiter gestiegen und auch die Mittelschicht und kleine Unternehmen leiden unter gestiegenen Energiepreisen. Der informative Artikel verweist auf ein ähnliches, gescheitertes „Experiment“ in der jüngeren Geschichte Argentiniens. Manchmal wiederholt sich Geschichte eben doch, wenn Staatenlenker nicht willens oder in der Lage sind aus ihr zu lernen. Die zahlreichen und zunehmenden Proteste im Land könnten den selbstgerechten Präsidenten schließlich dazu veranlassen, gar autokratische und repressive Maßnahmen zu ergreifen. Die Menschen im Nachbarland Chiles waren vor 50 Jahren bereits die ersten Opfer einer ähnlichen exzessiven Wirtschaftspolitik. Dem ging allerdings die Diktatur voraus.
Reiner Gorning

Vielen Dank für diesen Beitrag! Schon Ihren Artikel im April habe ich mit großem Interesse gelesen. Ich frage mich, warum die lateinamerikanischen Staaten, trotz ihres Reichtums an natürlichen Ressourcen, einfach nicht vom Fleck kommen. Argentinien ist ja nur ein besonders krasses Beispiel. Den aufgeblähten Staat gibt es auch in Venezuela. Brasilien ist seit Jahrzehnten Hoffnungsträger, bleibt aber massiv hinter den Erwartungen zurück. Peru, Bolivien pendeln zwischen den Extremen. Darf ich mir Artikel zur Beantwortung meiner Fragen wünschen? Das Thema ist sicherlich kein rein wirtschaftliches, aber journalistisch spannend.
Bernd Roos

 


 

Leserbriefe zu „Über das Sterben im Krieg und die Freiheit, sich trotzdem für ihn zu entscheiden“ von Harald Martenstein im ZEIT Magazin

Wenn die ZEIT kommt, schaue ich erst ins Magazin, ob ich die Schachaufgabe gelöst habe. Meist nicht. Dann ob ich die neue Aufgabe vielleicht lösen kann. Meist nicht. Dann blättere ich vor, ob Martenstein mich erfreut. Meist ja. Aber auch wenn ich anderer Meinung bin, bringt er mich zum Nachdenken. Heute muss ich jedoch widersprechen. Die Frage des Friedens lässt sich nicht reduzieren auf die Alternativen: Krieg führen oder „pazifistisch nachgeben“. Eine kluge Friedenspolitik verhindert sowohl einen Krieg als auch ein einfaches Nachgeben. Kissinger erklärte: „Eine Ukraine, die keinem Verteidigungsbündnis angehört, kann durch Verhandlungen alles erreichen.“ Einige Staaten, eingeklemmt zwischen zwei mächtige, beweisen, dass man mit friedlicher Neutralität sehr gut leben kann. Z.B. die Schweiz, Uruguay, Finnland und Schweden. Die letzten beiden waren sogar in der EU, ohne russische Proteste. Und sie haben im kalten Krieg von ihrer Neutralität wirtschaftlich sehr profitiert. Hätte die Ukraine auch haben können. Sie sagen Kriege lassen sich oft nicht verhindern, wie 1939. Ja 1939 war der Krieg nicht mehr zu verhindern. Die Frage ist, wann hat er angefangen? In der Geschichte des 2. Weltkriegs legt Winston Churchill den Anfang auf 1919, als General Foche sagte: „Dies ist kein Friedensvertrag, sondern ein Waffenstillstand auf 20 Jahre.“ Hätte sich Wilson mit seiner Friedenspolitik durchgesetzt, hätte der Krieg verhindert werden können. Aber Frankreich tat alles, um seinen Rachekrieg zu erreichen. NB sowohl 1870 als auch 1914 und 1940 hat Frankreich den Krieg erklärt. Es geht auch anders. Nach dem Sieg bei Königs Grätz hat Preußen dem besiegten Österreich keinen Quadratfuß Land abgenommen und auf einen Triumphzug durch Wien verzichtet. Ergebnis, kein Rachefeldzug Österreichs. Ich bedaure, wenn jemand Friedenspolitik als Pazifismus, der dem Aggressor alles überlässt, bezeichnet. Friedenspolitik bedeutet das Bohren von dicken Brettern und setzt voraus, dass man Frieden will.
Martin Wilmers

Zunächst: Danke für den angenehmen Einstieg in die donnerstägliche ZEIT-Lektüre mit Ihrer Kolumne. Aber: Warum diese defätistische Feststellung in Nr. 27, es würde immer Kriege geben? Wir sagen doch auch nicht: Betrogen und gestohlen wird immer, finden wir uns eben damit ab. Wir unternehmen etwas dagegen. Warum nicht etwas gegen Kriege unternehmen? Gehen wir‘s an. Was braucht man für einen Krieg? a) Waffen. Die abzuschaffen, wurde oft versucht (z.B. Abrüstungsverhandlungen), aber ohne Erfolg, die Waffen-Lobby ist zu groß, es ist zu viel Geld im Spiel. b) Soldaten. Ein Staat ohne Soldaten funktioniert: siehe Costa Rica. Andere versuchen es mit Zwang (Wehrpflicht) oder mit Werbung (jüngster Pistorius-Vorschlag). Es ist ein langer Weg: Training, bedingungslos Befehle auszuführen, mit wenig Materialaufwand feindliche Soldaten zu töten, Soldaten und Zivilisten zu unterscheiden (Vermeidung von Kriegsverbrechen). Hier bietet sich an, die Kriegslist mit dem trojanischen Pferd zu toppen: Die Armee bekommt statt Uniformen Arbeitskleidung und einen Spaten in die Hand. Zurück zum Ernst: Gelänge es, den Soldaten beizubringen, niemanden zu töten, weder Zivilisten noch feindliche Soldaten, gäbe es keine Kriege. Hier kommen die Religionen ins Spiel: Russisch-orthodoxe Christen und ukrainisch-orthodoxe Christen kennen das 5. Gebot: Du sollst nicht töten. Alle Weltreligionen kennen es. Warum gelingt es den Religionsführern nicht, es bekannter zu machen? Der Einsatz für ungeborenes Leben klappt doch auch. Warum nicht für jedes Leben? Die Grundfrage bleibt: Muss man es im 21. Jahrhundert für vernünftig halten, dass junge Menschen Lebenszeit opfern für eine Ausbildung, die ihnen abverlangt, unter Einsatz ihres Lebens auf Befehl auf andere Menschen zu schießen, wenn ein machtgieriger Staatenlenker einen Krieg erklärt? Jugendliche aller Länder, vereinigt euch friedlich, lasst die Machthaber persönlich gegeneinander antreten. Putin gegen Selenskyj, auf allen Kanälen, höchste Einschaltquoten garantiert!
Dieter Marenbach

„Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ Das sagte einst der große deutsche Dichter, Philosoph, Historiker und Arzt Friedrich von Schiller (1759-1805). Alles (un)klar? Warum gibt es dann ständig immer noch Kriege auf der Welt und keinen lebenslangen Frieden? Hatte der olle Schiller doch irgendwie und – wo recht!
Riggi Schwarz

Als jetzt 75jähriger des Baujahrs 1949 – muss ich (während der Lektüre der Harald Martenstein Kolumne) zurückschauen in meine Zeit als Jugendlicher, umgeben von nahen Verwandten: die im II. Weltkrieg als Soldaten an den Fronten waren: der junge Fähnrich zur See (als mein zukünftiger Vater), ein Großvater mit der Pensionierung als Generalmajor, die Schwester meiner Mutter dreimal verlobt – ihre Verlobten waren alle vom Krieg ermordet worden… In der weiteren Verwandtschaft ein Ritterkreuzträger, ein anderer trug den Nazi-Blutsorden aus seiner Münchner Zeit zu Hitlers Putschversuch mit dem „Marsch auf die Feldherrnhalle“, kannte Hitler von Lokalbesuchen in der „Osteria Bavaria…“ Leider habe ich nie eine negative Meinungsäußerung über das Soldatsein für jenes Nazi Deutschland damals zu Gehör bekommen, und Diskussionen als 15-und-16jähriger wurden nicht zugelassen, falls es zu antinazideutschen Hinterfragungen meinerseits kam – die Devise war: es galt damals das Vaterland zu verteidigen, wie man damals auch gegen das verbrecherische System des Kommunismus gekämpft hatte… Dieser Krieg galt als ein Präventivkrieg – es hieß: Die Sowjetunion hätte uns – hochgerüstet – einige Jahre später angegriffen und Europa dazu… Das Regime unter der Diktatur dieses Adolf Hitler aber blieb in dieser Ideologie (für diese Soldaten an den Fronten) nicht angreifbar, und nicht nur einmal hörte ich in deren treudeutschen Überzeugungen sinngemäß: „Right or wrong: my Country!“ Im übertragenen Sinne dieser oft auch unausweichlichen Definition: „Recht oder Unrecht: (es ist) mein Land“. Und man berief sich (als Deutscher) dabei auf diese Überzeugung so vieler US-Amerikaner in dieser Schablonen-Unbedenklichkeit für ihr Land…
Was aber sollen geschlagene Soldaten nach dem (verlorenen) Krieg bedenken oder sich selbst noch beschuldigen – die ja dem Führer Adolf Hitler ihren Eid geschworen hatten und gleichzeitig hierzu an den Fronten um ihr Leben kämpfen mussten: ansonsten wären sie vom deklarierten Feind selbst niedergemacht worden; mussten sich gegenseitig darauf verlassen können: dass die Kameraden füreinander einstehen, sogar ihr eigenes Leben dafür zu riskieren… Auch im heutigen Russland, der ehemaligen Sowjetunion: werden die (letzten) Veteranen des Krieges gegen Nazideutschland sicherlich keinen Moment darüber nachdenken, ob nun ihr Oberbefehlshaber Stalin ein verbrecherischer Massenmörder war… Nein, sie haben für ihr Land gekämpft, für ihre Heimat und den deutschen Feind bis nach Berlin hinverfolgend, besiegt! Nur diese Vergangenheits-Betrachtung zählt – denn, alle intellektuell berechtigten schrecklich erkennbaren Gegenbilder dieses Stalin-Systems: können doch nicht verhindern, dass so viele Kameraden und eigene Soldaten zu Millionen ihr Leben lassen mussten in diesem Krieg… Also war dieser Krieg eine hohe Handlung des Kämpfen-müssens für sein Land und die Heimat. Und so sahen es auch viele deutsche Soldaten – sowieso im Rückzug später an den deutschen Grenzen in Pommern und Schlesien: wo die Rote Armee dann schrecklich unter der Zivilbevölkerung vergewaltigte, schändete und mordete… Gefangene Männer der Waffen-SS in Kreuzform an die Scheunentore genagelt wurden, das abgeschnittene Geschlechtsteil in den Mund gestopft… Man kann nicht „gegenrechnen“, sondern nur aufrechnen: zu welchen Bestialitäten die Menschen sich programmieren lassen können – nein: diese Menschenart ist unter den Tieren: die schrecklichste Auffindung und Entwicklung der Evolution… Und die Pfaffen und Priester haben auf den Seiten der jeweiligen Kriegsfeinde die Waffen der Soldaten gesegnet im Namen eines Gottes in ihren unterschiedlichen Anbetungen… Der RvM-Leserbriefschreiber war Kriegsdienstverweigerer und dennoch eingezogen worden – und dann nach zwei Wochen bewusst (als eine Art „Till Eulenspiegel“ unehrenhaft aus der Bundeswehr entlassen… Damals war ich ohne Skrupel zufrieden mit meiner bewussten Handlung gegen den Wehrdienst – heute weiß ich aus Vernunftgründen und in diesem Bewusstsein verändert: dass es immer wieder Aggressoren unter den Menschen-Ländern geben wird: „Si vis pacem para bellum!“ Doch „unserem“ jetzigen Deutschland wurde das Kriegerische total ausgetrieben – kein großes Land der Welt ist wohl pazifistischer als diese Bundesrepublik zu deren Wunschbild einer weltweiten Friedlichkeit a la: Friede, Freude, Eierkuchen…
Harald Martenstein schreibt in der Titelüberschrift zu seiner Kolumne „Über das Sterben im Krieg und die Freiheit, sich trotzdem für ihn zu entscheiden.“ – im erweiterten Text: „Manchmal ist klar, wer das Recht auf seiner Seite hat, etwa im Fall der Ukraine. Trotzdem weiß man zu Beginn nicht, ob Widerstand Sinn hat. Sind die Opfer denn nicht umsonst, wenn man am Ende verliert? Aber wenn der Mensch frei ist, dann ist er eben auch frei, zu entscheiden, ob er sich einer Despotie unterwirft, ob er seine Heimat aufgibt, oder ob er kämpft und lieber sein Leben riskiert, als ein Leben zu führen, wie seine Feinde es für ihn vorgesehen haben.“ Harald Martenstein beschreibt diese schwierigste Selbstfindung sehr intensiv und verdeutlichend – und in der Nachdenklichkeit, ob dieser Krieg für die Ukraine von Beginn an schon verloren sein könnte: ist von der möglichen Vernunft des Bedenkens her auch begründet… Und dann träfe nach einer Kapitulation auch zu, darüber nachzudenken: Warum haben wir es bis zu diesem Zeitpunkt überhaupt soweit kommen lassen: all die vielen toten und verwundeten Soldatenmenschen, die Not, das Elend, die Zerstörungen, die Flüchtlingsströme ins Ausland… Und welche Antworten gäbe es dann darauf in der eigenen Nachdenklichkeit? Eine Freiheit zu verteidigen, die dann später noch mehr in Unfreiheit sich veräußert durch die Niederlage, durch die Kapitulation… Wäre der Sieger das Regime Putin – und hinter ihm doch die Mehrheit des manipulierten russischen Volkes: mit welchen Bedingungen müssten dann die Ukrainerinnen und Ukrainer leben in ihrem Land des berechtigten Widerstandes auf Leben und Tod… Die Illustration von Martin Fengel zeigt in knapper Illuminierung: den Tod unter dem Stahlhelm plus der zuvorigen Ordensauszeichnungen – jede/r auf seiner Seite im Kampf gegen den politisch deklarierten Feind. Aber verdeutlichend und erkennbar nahest: die UkrainerInnen und die RussInnen sind doch Brüder-und-Schwestern-Völker – ebenso (?) wie im Jahr 1866 die Österreicher und Bayern (der Deutsche Bund) gegen die Preußen gekämpft haben – allesamt deutschsprachige Soldatenmenschen…
Harald Martenstein führt erkennbar rein rechnerisch auf, dass: wenn sich die Welt nicht gegen das Nazi-Deutschland unter dem Diktator Hitler, gewehrt hätte – „…wäre unterm Strich die Menschheit wohl billiger weggekommen als mit den geschätzt 60 bis 80 Millionen Leben, die der Weltkrieg gekostet hat, einschließlich der Kriegsschauplätze in Fernost.“ Solcherlei Rechenexempel hat schon Napoleon I. negiert, wenn er gegenüber dem Fürsten Metternich bei einem Vieraugengespräch am 26. Juni 1813 im chinesischen Zimmer des Palais Brühl in Dresden dort kundtat: „Ich bin im Felde aufgewachsen, und ein Mann wie ich schert sich wenig um das Leben einer Million Menschen… Die Franzosen können sich nicht über mich beklagen; um sie zu schonen, habe ich die Deutschen und die Polen geopfert. Ich habe in dem Feldzug von Moskau 300.000 Mann verloren; es waren nicht mehr als 30.000 Franzosen darunter.“ Fürst Metternich antwortete dem angeschlagenen Kaiser der Franzosen: „Sie vergessen, Sire, dass Sie zu einem Deutschen sprechen!“ Der Abschluss des negativen Gespräches für Napoleon – lautete aus dem Munde des Imperators (aus Korsika gebürtig): „Es kann mich den Thron kosten, aber ich werde die Welt in ihren Trümmern begraben.“ Wir kennen doch ähnliche Wortlaute von einem anderen Diktator – jenem Österreicher aus Braunau am Inn (der seine Heimat heim ins Reich geholt hatte!). In den letzten Kriegswochen befahl Hitler gegenüber Albert Speer: „Alle militärischen Verkehrs-, Nachrichten, Industrie- und Versorgungsanlagen sowie Sachwerte innerhalb des Reichsgebietes, die sich der Feind zur Fortsetzung seines Kampfes irgendwie sofort oder in absehbarer Zeit nutzbar machen kann, sind zu zerstören.“ Und desweiteren: „Wenn der Krieg verloren geht, wird auch das Volk verloren sein. Es sei daher nicht notwendig, auf die Grundlagen, die das Volk zu seinem primitivsten Weiterleben braucht, Rücksicht zu nehmen. Im Gegenteil ist es besser, selbst diese Dinge zu zerstören. Denn das Volk hat sich als das schwächere erwiesen, und dem stärkeren Ostvolk gehört ausschließlich die Zukunft.“
Europa und die USA mit ihren Waffenlieferungen an die Ukraine (und der Flüchtlingsaufnahme von alleine über 1,3 Millionen UkrainerInnen in Deutschland) – den finanziellen und ideellen Hilfen gegen das militärische aggressive Putin-Russland: vielleicht würden all diese jeweiligen Hilfsmaßnahmen in und zu diesem Krieg dann durch die Kapitulation der Ukraine (wenn es denn so käme) als vergebliche Investitionen zu verbuchen sein… Und zudem wird das politische Europa sicherlich eine finanzielle Hauptlast für den Wiederaufbau mit allen Bewirkungen: für die Ukraine leisten, Deutschland eines der hauptfinanzierenden Länder sein… Uns Menschen aus dem Volk wird von der Politik erklärt, dass wir die Ukraine zu unterstützen haben, weil ansonsten Putin-Russland uns (also Deutschland?) als nächstes angreifen würde, sobald der Krieg in der Ukraine von ihm gewonnen worden wäre…Diese Angstmacherei ist ein Anteil der so suggerierten vorgeblichen zukünftigen „Wirklichkeit“, damit das Volk als Steuerzahlende diese Milliarden an Kriegsinvestitionen für ein fremdes Land, mitträgt bzw. erträgt bis evtl. zum bitteren Ende… Was aber sagt uns die Vernunft? – wenn die militärischen Anzeichen in diesen Kriegszeiten eher einen Sieg Putin-Russlands andeuten… Ohne die westliche Hilfe wäre die Ukraine bereits längst zur Kapitulation gezwungen gewesen – somit werden die weiteren Kriegshandlungen noch sehr vielen Soldaten-Menschen (auf beiden Seiten der Fronten) und den Zivilisten den Tod bringen, die schweren Verletzungen, das Zerstören und Vernichten von Gebieten, Häusern und Lebenszentren in der Ukraine…
In Moskau aber hört und sieht man nichts vom Krieg, geht das Leben so weiter: als ob es keinen Krieg gäbe – sehr weit entfernt scheint das Morden an den Fronten dort zu sein, bewusst von Putins Propaganda fern gehalten: auch das ist die Diktatur des Verschweigens und der Desinformation durch die staatlichen Medien: des Fernsehens, der Berichterstattungen, der kontrollierten Presse… Dissidenten werden verhaftet, eingesperrt und auch wahlweise ermordet! Putins Propaganda spricht nicht von Krieg, sondern von „Militärischen Sonderoperationen zur Befreiung von Volksrepubliken und will die Ukraine vom „Nazismus befreien“. Dieser Euphemismus zu diesem Kriegsgeschehen gehört mit zu Putins Strategie gegen die Meinungsfreiheit der eigenen Bevölkerung – das russische Volk wird von der Staatspropaganda zugetextet und zugebildert zu und in den Versionen aus dem Kreml. Überhaupt – wie kann ein einzelner Mann in heutiger Zeit solch eine Macht in und für sich ermöglichen: und man kann das schon daran erkennen, dass seine Minister in Reih und Glied devot dastehen, wenn Putin in den Sitzungssaal des Kremls hereinkommt, starr die Augen gerade aus: ein Herrscher aus dem Nichts, und daher so gefährlich in seiner Unberechenbarkeit! Napoleon I. äußerte gegenüber dem Fürsten Metternich am 26. Juni 1813 in Dresden: „Eure Herrscher, geboren auf dem Throne, können sich zwanzigmal schlagen lassen und doch immer wieder in ihre Residenzen zurückkehren; das kann ich nicht, ich, der Sohn des Glücks! Meine Herrschaft überdauert den Tag nicht, an dem ich aufgehört habe, stark und folglich gefürchtet zu sein…“ Und damit stellt sich doch auch die Frage: Was kommt nach der Ära Putin? – wie wird dann das politische Russland in der Welt agieren?
Harald Martenstein hat mit seiner Kolumne, sowie Martin Engel mit seiner tödlichen Illustration: weiterführend zum intensiven Nachdenken die Leserschaft eingefordert – und wiederum in dieser Nachdenklichkeit bewusst zynisch in der Verzweiflung der kriegswahnsinnigen Hinfindung, a la Martenstein hinterfragt: „Was würde ich als Pflichtverteidiger des Krieges sagen? Es steht außer Frage, dass Frieden besser ist als Krieg.“ Einige Absätze später kommt Martenstein dann zum Schlussakkord seiner bemerkenswerten (genau durchdachten und bedachten) Offenheit gegenüber dem ZEIT-MAGAZIN-Publikum und der DIE ZEIT-Leserschaft: „Pazifist zu sein, bedeutet letzten Endes, dass Menschen sich alles gefallen lassen müssen, sofern die anderen nur brutal genug sind. Mit dieser Demütigung aber werden die meisten Menschen sich niemals abfinden. Ich könnte mich auch nicht damit abfinden. Auch deshalb wird es immer Kriege geben: weil Menschen irgendwann anfangen, Nein zu sagen und sich zu wehren.“ Dem gibt es nichts mehr hinzuzufügen, außer: Bewaffnet den RvM-Briefschreiber mit seinen 75Jahren oder später noch – falls ein Aggressor unser Deutschland angreifen würde, und wenn ich selbst auch noch (Molotow)-Cocktails mit Wodka auffüllen müsste für die Panzerbesatzungen… Dennoch: Putin ante portas Germaniae? Da kann ich nur absolut für die Zukunft des Friedens radikal verdeutlichen: Her mit der Atombombe – Made in Germany! Und zwar richtungsweisend als Abschreckung gegen einen jeweiligen potentiellen Feind. Mit der netten Bundeswehr plus der regulären-konservativen Waffen ist kein abwehrbereiter Staat zu machen – auch nicht nur im Verbund mit Europa und einer entfernten Atommacht USA! Berlin würde hierbei eher geopfert als der Big Apple New York im atomaren Ernstfall?!?! Carl von Clausewitz (1780-1831) erkannte deutlich militärstrategisch zudem auch zukunftsweisend: „Selten ist in Europa überall Frieden, und nie geht der Krieg in anderen Weltteilen aus.“
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld

Vielen Dank für Ihren sehr guten Artikel „Über das Sterben im Krieg und die Freiheit, sich trotzdem für ihn zu entscheiden.“ Dieses Thema erinnert mich sehr an Diskussionen, die ich in der Schule Anfang der 80’er Jahre mit Wehrdienstverweigerern führte. Damals wie heute, konnte ich deren Argumentation angesichts der Bedrohungslage nie wirklich nachvollziehen. Für mich war immer klar, dass wir bereit sein müssen, unsere freie Gesellschaft auch unter Einsatz des eigenen Lebens zu verteidigen. Konsequenterweise habe ich mich nach dem Abi dann auch für 15 Jahre „beim Bund“ verpflichtet – eine Zeit übrigens, die ich unter keinen Umständen missen möchte. Ich werde mir erlauben, einige Ihrer Aussagen in Gesprächen zu übernehmen und ich wünsche mir, dass unsere Politiker dies auch täten, insbesondere in Diskussionen mit den, für mich nur schwer erträglichen, Putin-Freunden von AfD und BSW. Was mich übrigens in diesem Zusammenhang beschäftigt, ist die Frage, was diese Leute – zusammen mit den hunderttausenden Pro-Putin-Russlanddeutschen – eigentlich machen würden, sollte es wirklich zum „V-Fall“ kommen? Und wie wir als Gesellschaft dann mit diesen Leuten umgehen?
Gianfranco Dimarsico

Ja, der Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine ist ungerecht. Gleichzeitig sind die Dinge wie sie sind und wir können nicht wie ein Kleinkind sagen, das ist aber ungerecht wir fordern jetzt bis zum letzten Meter Gerechtigkeit. Der Preis ist einfach zu hoch. Täglich sterben Menschen. Täglich werden Frauen zu Witwen und Kinder zu Waisen. Von den furchtbaren ökologischen Folgen, insbesondere für das Klima einmal abgesehen. Es kann nicht mehr um Schwarz oder Weiß gehen. Russland gewinnt oder die Ukraine gewinnt. Es braucht eine intelligente diplomatische Lösung, die die Interessen aller abwägt. Sehr viele Menschen möchten genau das, was oft in den Medien nicht genügend widergespiegelt wird. Ansonsten gibt es bald niemanden mehr, der oder die in den zurückeroberten Gebieten leben möchte. Deutschland tut ja einiges dafür (wegen des Mangels an Fachkräften?), dass Ukrainer hierbleiben. Das ist nicht fair, denn die Menschen werden dort gebraucht, je besser ihre Ausbildung ist, desto mehr. Gleichzeitig muss man sich bei fast allem, was geschieht fragen: „Wer profitiert davon?“ Da ist natürlich die starke Rüstungsindustrie, die durch Kriege in der Welt profitiert und die Industrie, die wieder aufbauen wird. Margaret Mead, eine Anthropologin, hat auf einer ihrer Forschungsreisen ein Volk entdeckt, bei dem nicht der Aggressor bestraft wurde, sondern derjenige, der zur Aggression provoziert hat. In den allermeisten Fällen ist das sicher Unsinn. Gleichzeitig lehrt uns die Systemtheorie unterschiedliche Perspektiven zu betrachten.
Aelin Galan

 


 

Leserbriefe zu „Und der Zukunft zugewandt“ von Mariam Lau

Wo SPD, die Unionsparteien, FDP und Grüne mit Programmen und einer je eigenen konkreten Agenda um die Gunst der Wähler buhlen, erhebt sich Sahra Wagenknecht mit einer alleinstellenden Erzählung über die gewachsene Parteienlandschaft. Diese Erzählung bietet mit dem Anschein von stichhaltigen Analysen, stringenten Ableitungen und der geschickten Vereinnahmung von Traditionen, die zum Wesenskern anderer Parteien gehören, die Bühne für große Dramaturgie. Vor den eigenen Bühnenbildern kann sich die Heldin Wagenknecht stets mit dem scheinbar besseren Wissen auf der Höhe der Zeit in Szene setzen und als anschlussfähig präsentieren, während sie die anderen Parteien in Rechtfertigungssituationen verstrickt und dort schwach, alt, dümmlich, verkniffen und verzweifelt aussehen lässt. Ein Trick, der verfängt, da die anderen Parteien anstelle einer überzeugend integrierenden Erzählung nur lose Aufzählungen haben, die trotzig vorgetragen werden. FDP und Grüne merken in der Regierungsverantwortung, wie schwer es ist, unter Laborbedingungen gewonnenes vermeintlich besseres Wissen in überzeugende Politik umzuwandeln. Der Überzeugungsüberschuss ist längst aufgezehrt. Beide Parteien merken nun auch: Es ist leichter, die Macht zu erringen, als zu halten. SPD, die Unionsparteien, FDP und Grüne müssen den Blick heben und weiten, um die Erfolgsgeschichte unseres Landes neu zu erzählen, statt sich wechselseitig immer nur ein Scheitern um die Ohren zu hauen. Es geht nicht um Schönreden, sondern um überzeugende Identifikationsangebote, die an die vielen Punkte der großen Herausforderungen unserer Zeit führen. Es geht um Erzählungen, die einladen, mitzukommen und mitzumachen.
Reinhard Koine

Wagenknecht nennt Bedingungen für ein Bündnis. Sie unterschlägt clever ihre fast pikante Kremlnähe und ihren latenten Antiamerikanismus, den sie mit ihrem Gatten teilt. Auf Landesebene indes zu verschmerzen für die CDU als möglicher Partner, weil diese Themen eher in Berlin zu verorten sind. Und ob mehr direkte Demokratie wirklich wünschenswert ist, haben schon manche anderen politischen Strömungen ventiliert, mit eher verhaltener Begeisterung besonders nach Erstarken der AfD.
Christoph Schönberger

Der erste Schritt der BSW-Partei ist bei der EU-Wahl gut gelungen, die 3 ostdeutschen Landtagswahlen schrauben die Erwartungen nach oben – gleich in jedem Bundesland mitzuregieren. Die politische „Zeitenwende“ trifft auf eine CDU-Partei im Osten auch auf eine AFD die ebenfalls mit auf der Regierungsbank sitzen möchte. Wie soll sich die CDU entscheiden – zwischen der Person Sarah Wagenknecht/BSW-Partei; gilt da noch die Brandmauer von links und rechts nicht in ein Regierungsamt kommen darf. Rettet im Osten – Sarah Wagenknecht die „Werte“ der Demokratie mit ihrer Aussage; Keine deutschen Waffenlieferungen mehr an die Ukraine. Das „süße“ Gift der Macht lässt fast alles möglich erscheinen- nur wer regiert ist nicht mehr in der Opposition. Ein Bündnis der Machterfüllung steht für die CDU natürlich an erster Stelle.
Thomas Bartsch Hauschild

Nach Bestsellerbüchern und Preisträgern wie Reimann, Oschmann, Hoyer und Morina verfällt Frau Lau 35 Jahre nach der Wende wieder in das übliche Klischee „Stasi und Bautzen“ in ihrer BSW-Analyse verbunden mit historischer Einseitigkeit. Stalin wurde erst 1927 Alleinherrscher und erreichte tatsächlich, die UdSSR in 25 Jahren von einem rückständigen analphabetischen Agrarland zu einer Weltmacht zu entwickeln und die Voraussetzungen für den ersten Atomeisbrecher, das größte Wasserkraftwerk der Welt und den „Sputnik“ zu schaffen. In diesen ohnehin schon belasteten Zeiten hat er auch noch die Befreiung Europas durch den erzwungenen Rückzug der Deutschen von Moskau 1941 / 42 begonnen und mit Stalingrad / Kursker Bogen der Wehrmacht die entscheidenden Niederlagen zugefügt. Man mag es kaum glauben, Churchill – der die von Stalin geforderte 2. Front bewusst verzögerte – erwog im Mai 1945 die Fortsetzung des Krieges gegen die UdSSR! Die historischen Verzerrungen anlässlich des „d-day“ sind beschämend. In seiner Schreckensherrschaft sorgte Stalin aber auch für positive „Kleinigkeiten“: u.a. bekamen wir Ostkinder weniger Schläge, denn die Prügelstrafe in der Schule war auf Weisung Stalins -wie in der UdSSR- verboten (in der den Nächsten liebenden BRD endgültig erst 1983, das „Züchtigungsverbot “ 2001). Übrigens: welchen Sprung nach vorn hat Deutschland in der Welt seit 1999 – also innerhalb von 25Jahren- geschafft?
Dieter Beuschel

 


 

Leserbriefe zu „Was machen wir mit 25 Millionen?“ von Julia Friedrichs im ZEIT Magazin

Mit Interesse habe ich ihren Insider Bericht über die Vergabe von 25 Millionen Euro von Frau Engelhorn gelesen. Und auch mir ist die Instruktion des Bürgerrates durch ein Moderatoren Team in einigen Punkten mehr als befremdlich vorgekommen, aber das nur am Rande, ich war auch einer der Zehntausend, welche im ersten Auswahlverfahren zufällig ausgewählt wurden, bin aber letztlich nicht zu den fünfzig gewählt worden. Meine Agenda wäre es gewesen mich für diejenigen einzusetzen die nur wenige Stimmen in der Gesellschaft haben, die sich für sie einsetzen, und die selbst nicht für sich sprechen können, gemeint sind damit unsere Mitbewohner auf unserem Planeten, die Tiere wir sind letztlich auch ein Teil von ihnen. Es gibt viele Vereine die sich auf vielfältige Weise für diese, von unserer Gesellschaft oft so mitleidlos behandelten Wesen einsetzen, fast immer sind sie auf Spenden angewiesen. Und kein einziger dieser Vereine befindet sich unter den siebzig ausgewählten Projekten? Sie sind alle wert sie zu unterstützen, und für manche von ihnen spende ich regelmäßig, aber der Umstand das sich kein einziger ehrenamtlicher Tierschutzverein darunter befindet, oder man es nicht für wert erachtet hat einen mit einem kleinen Teil dieses Geldes damit zu unterstützen finde ich mehr als traurig und eigentlich erschreckend.
Herbert Mayrhofer

In Ihrem Artikel hat sich auf Seite 30 ein Fehler eingeschlichen: Sie bezeichnen Marlene Engelhorn als Ur-Ur-Urahnin von Friedrich. Diese Verwandtschaftsbezeichnung ist aber nur den Vorfahren vorbehalten; Marlene ist eine Ur-Ur-Urenkelin. – Die Recherche hat mir jedoch insgesamt gut gefallen.
Angela Friesen

Wer etwas bewirken will, braucht in der Regel finanzielle Mittel dazu. Vermögensungleichheit bekämpfen zu wollen, indem man die eigenen zur Verfügung stehenden Mittel weggibt, ist m.E. keine gute Idee. Es könnte durchaus sein, dass die viel beachtete („Die gesamte Welt guckt zu.“) Aktion der Erbin Marlene Engelhorn, 25 Millionen Euro an diverse gemeinnützige Organisationen abzugeben in kurzer Zeit in ihrer Wirkung verpufft und abbrennt wie ein Strohfeuer. Die – moralische – Diskussion ist ja nicht neu: soll man als Erbe bzw. Erbin eines größeren Vermögens dieses einfach weggeben, loswerden oder will man damit Wirkung erzielen, indem man es und die Möglichkeiten, die es eröffnet, annimmt und nutzt. Es gab vor vielen Jahren, in den Achtzigern, ein Spiegel-Streitgespräch zwischen Tom Koenigs und Jan Philipp Reemtsma, in dem es um genau diese Frage ging. Tom Koenigs hatte sein Erbe (zwischen 500.000 und 5 Millionen DM, nach eigenen Angaben) dem Vietkong und chilenischen Widerstandskämpfern zukommen lassen, wohingegen Herr Reemtsma mit seinem Vermögen unter Anderem das Hamburger Institut für Sozialforschung gründete, jahrzehntelang leitete und finanzierte (50 Mitarbeiter). Herr Koenigs zog später als Abgeordneter für Bündnis 90/Die Grünen in den Bundestag und war zeitweise Menschenrechtsbeauftragter im Kosovo; das Hamburger Institut für Sozialforschung von Reemtsma hat in den neunziger Jahren die Wehrmachtsausstellung konzipiert und gezeigt, die das Wissen und Denken über die Rolle der deutschen Soldaten im 2. Weltkrieg vor allem an der Ostfront entscheidend verändert hat. Wenn Einen das Schicksal also mit einem z.B. zweistelligen Millionenbetrag in Form einer Erbschaft bedenkt, dann hat man tatsächlich eine W a h l und ich persönlich würde immer für die Möglichkeit von Gestaltung und Einflussnahme plädieren -etwa indem man ein ökologisches oder soziales Unternehmen gründet und dann gemäß den Regeln der Gemeinwohl-Ökonomie (ecogood.org) arbeitet. Denn Alles, was man tut, sollte doch unter dem Aspekt von Langfristigkeit und ja – von Nachhaltigkeit gedacht werden.
Irmingard Weise

Wenn Frau Engelhorn zu mut- und phantasielos ist, um mit fünfundzwanzig Millionen etwas Vernünftiges anzufangen, sollte sie, die ohnehin findet, sie zahle zu wenig Steuern, die Summe still ans Finanzamt überweisen, statt die Parodie eines demokratischen Prozesses zu veranstalten, bei dem die Teilnehmer wie unmündige Kinder behandelt werden. Maharadschas und Großmogule pflegten bei besonderen Gelegenheiten kleine Goldmünzen in die jubelnde Kinderschar werfen zu lassen.
Andreas Guitzwiller

 


 

Leserbriefe zu „Gefährdet diese Ministerin die Freiheit der Wissenschaft? …“ von Anna-Lena Scholz und Martin Spiewak

Dass Bildung in Deutschland im Ranking mit anderen Ländern in Europa immer wieder in den letzten Jahren auf den hinteren Plätzen gelandet – das ist ein Dauerproblem egal ob Kita, Schule, oder Berufsausbildung der Fachkräftemangel macht es nicht besser. Wenn eine Ministerin nicht weiß – was ihre vertraute rechte Hand tut, das ist schon mehr verwunderlich. Wenn es um die Meinungsfreiheit geht die Uni- Präsidentin nicht sofort zu reagieren – das Gelände durch die Polizei zu räumen. Der Staat sollte nur dann eingreifen, wenn Leib und Leben gefährdet ist. Ein politischer möglicherweise motivierte Eingriff in die Entscheidungsfreiheit der Uni-Leitung mit Sanktionen durch Kürzung oder Streichung von Bundesmitteln zu reagieren ist übergriffig. Frau Strack-Watzinger besitzt nicht mehr das Vertrauen der Uni – Leitungen und wissenschaftliche Personal.
Thomas Bartsch Hauschild

Endlich! Danke Anna-Lena Scholz und Martin Spiewak für diesen Artikel. Endlich bringen Sie Licht ins Dunkel, weshalb dieses Ministerium vor 3 Jahren in die Versenkung und öffentliche Bedeutungslosigkeit abgerutscht ist. Und das in Zeiten größter Herausforderungen in Schule und Bildung. Drei verlorene Jahre. Wenn das kein Grund ist, um zurückzutreten.
Kinga Bogdain

Nein, für einen Nahost-Deutungsstreit oder für das vielfältige im Beitrag zitierte Grummeln, dafür kann vermutlich weder die Ministerin noch die von ihr vertretene Partei. Alles das ist eher Wetterleuchten einer größeren Wende unserer Republik, einer Wende, die nun Verteilungsängste und Verteilungskämpfe triggert. Noch vor wenigen Jahren konnte der einmal als BMAt gestartete, kräftigere Arm des BMBF seine nukleare Haut fast vollständig abstreifen – ohne erkennbare Folgen für das Portefeuille, für die fast noch einmal so kopfstarke Projektträger-Landschaft und sogar für das Hochgebirge der Großforschungszentren, die einmal gemeinsam für das „gute Atom“ unterwegs waren. Cyril Northcote Parkinson muss sich im Himmel auf die Schulter geklopft haben! Freudig hatte man sich zu Zeiten gerühmt: Es „komme schon schwer, einer BMFT- (später: BMBF)-Förderung zu entwischen“. Das „vorwärts immer“ hat sich mit neuen politischen Prioritäten aber nun nicht nur inkrementell, sondern gründlich und disruptiv geändert. Dabei wird der eher als feminin wahrgenommene Bildungsteil gegenüber dem eher maskulinen Technologen-Part – der halt auch mit sehr viel stabiler institutioneller Förderung und sogar mit ein wenig Verteidigungsforschung aufwarten kann – heute die deutlich schlechteren Karten haben. Die Nervosität mag daher noch zunehmen. Viel verständnisvolle Fürsprache wäre nötig, auch der Hinweis: Bildung, Lernprozesse und Übersetzung führen typischerweise schneller zum Frieden und zu mehr Handel und Wandel als mehr und bessere Technik.
K. U. Voss

 


 

Leserbriefe zu „Aufpassen, Boris!“ von Jens Jessen

„Seit Jahren fehlen der Bundeswehr zigtausend Soldaten, die Bewerberzahlen fallen, das Personalfehl wird immer größer. Nun soll eine Rückkehr zur Wehrpflicht oder eine allgemeine Dienstpflicht für Frauen und Männer Abhilfe schaffen. Zunächst sollte geprüft werden, wie der Bedarf an Soldaten gesenkt werden kann. Dazu wären alle im Geschäftsbereich des Verteidigungsministers mit Soldaten besetzten Dienstposten daraufhin zu überprüfen, ob für die jeweilige Aufgabe eine militärische Qualifikation zwingend erforderlich ist oder nicht eine zivilberufliche Befähigung möglich oder sogar zwingend wäre: Die Zahl der militärisch besetzten Dienstposten in der von den Streitkräften unabhängigen Bundeswehrverwaltung (und in entsprechenden Aufgaben im Ministerium) ist bekannt: Über 6.000. In diesen „Aufgaben des Personalwesens und der unmittelbaren Deckung des Sachbedarfs der Streitkräfte“ dürfen aber nach Art. 87b des Grundgesetzes (GG) grundsätzlich nur entsprechend qualifizierte Beamte und Tarifbeschäftigte eingesetzt werden. Die Verwendung von Soldaten dagegen ist nach Art. 87a GG grundsätzlich nur in den Streitkräften (und in entsprechenden Aufgaben im Ministerium) zulässig. Die somit in der Bundeswehrverwaltung verfassungswidrig eingesetzten Soldaten müssten entsprechend ihrer bekannt guten militärischen Qualifikation in die Streitkräfte zurückversetzt werden. Als verfassungskonformer Ersatz wären im Gegenzug vermehrt zivile Mitarbeiter einzustellen und zu qualifizieren; Bewerber für eine zivile Verwendung werden leichter zu finden sein als für den Soldatenberuf. Dieser erste Teil der Prüfung ist einfach, er könnte sofort entschieden und umgesetzt werden.
Der zweite Teil der Prüfung, welche der in den Streitkräften mit Soldaten besetzten Dienstposten auch von Zivilbeschäftigten wahrgenommen werden könnten, dürfte zeitaufwendiger sein. Das quantitative Ergebnis bleibt abzuwarten, es könnte aber auch die o.a. Zahl erreichen, wenn nicht sogar übersteigen. Als Ersatz für diese Soldaten wären im Gegenzug ebenfalls vermehrt zivile Mitarbeiter einzustellen und zu qualifizieren. So würde sich insgesamt ein enormes Einsparungspotential an Soldaten ergeben; der bis zum Jahre 2031 prognostiziere Fehlbestand von rund 22.000 Soldaten würde sich in Richtung null bewegen. Und zum „guten Schluss“ wäre als weitere Möglichkeit der Bedarfsdeckung auch noch zu überlegen, die Berufssoldaten ein Jahr später in den vorgezogenen Ruhestand treten zu lassen; der Renteneintritt wird ja auch immer weiter hinausgeschoben.“
Bernd Henkel

Man muss gar nicht so viel rechnen. Pistorius‘ Strategie ist folgende: Putin wird sich totlachen über die zukünftige Kriegstüchtigkeit unserer Gummibärchen-Armee. Ziel erreicht.
Ulrich Niepenberg

Angenommen es ist Krieg und keiner geht hin. Wie wird sich wohl die Wehrdienstbereitschaft in Russland und in der Ukraine verändern, wenn sich herumspricht, dass die Verweigerung des Kriegsdienstes ein guter Grund für Asyl ist? Auch: Wehrpflicht in Deutschland würde zeigen, wie wenige- oder viele? Menschen den Dienst an der Waffe verweigern würden. Welche Kragenweite brauchen wir, um uns auf andere Art und Weise gegen Kriegstauglichkeit zu wehren? Danke an Herrn Jessen für seine Inspiration für meinen Brief.
Maria Nitsche

 


 

Leserbriefe zu Titelthema „Rechts, links oder was?“ „Schminken, tanzen, hassen“ von Maria Mitrov et al.

Die Jugend unstet? Nicht zu orten? Na wunderbar! Vielleicht ist der parlamentarische Bezugspunkt inzwischen zu repräsentativ geworden, zu selbstgenügsam, zu stabil durchgesintert. Vielleicht ist gar nicht das Mandat, die Lobby, das Bewahren des Bewährten das Höchste der Gefühle. Sondern die Initiative ad hoc. Lass‘ den Nachwuchs doch politisch löten, schrauben, feilen, auch manches verbauen! Wie es die Schweizer so halten, sehr lange und sehr erfolgreich. An deren schönem Genfer See campe ich gerade. Und studiere die Schweiz-Ausgabe der ZEIT, völlig sine ira et studio.
P.S. ein Beispiel, das man sich hier erzählt. Von dem wir m.E. derzeit am besten lernen können, dass Demokratie kein Etablissement ist, sondern eine Aufführung. Das pädagogisch wertvolle Exempel ist die (mehrfache) Volksabstimmung über die Schweizer Bundesarmee: „Völlig zwecklos!“ hieß es vorher, eher könne man „im Vatikanstaat den Papst zur Disposition stellen“ als die noch tiefer geheiligte Institution Bundesarmee. Aber das Quorum wurde erreicht und der Abstimmungsprozess lief an. Über mehrere Wochen diskutierte man in Wirtshäusern, Bahnen und Zügen, am Küchentisch oder gar noch im Bett über Aufgaben und Etat des Militärs. Und darüber hatte sich – bei Jung und Alt und in allen sozialen und politischen Spektren – eine breite Professionalisierung „ereignet“. Man war dabei und konnte nun auch mitreden. Die Armee gibt’s noch. Odr? Aber mit einer durchleuchteten Struktur und mit enger geschneidertem Etatansatz. „Gut, dass wir darüber geredet – und gepostet – hatten!“
U. Voss

Der Artikel lässt mich ratlos zurück. Auf welchem Programm des BSW lässt sich die Begeisterung der angehenden Politikwissenschaftlerin zurückführen? Vielleicht liegt es auch an meiner mangelnden Bildung, da ich weder über ein Abitur noch über ein Studium verfüge. So verstehe ich auch nicht die Geschichtsversionen eines Herrn Höcke. Anscheinend bin ich aus meiner Jugend nicht als lupenreiner Demokrat hervorgegangen. Ich sollte auf die Abendschule und die Abschlüsse nachholen. Vielleicht mache ich mein Kreuz dann doch an der richtigen Stelle und nicht mehr bei einer angeblich staatsragenden demokratischen Partei.
Michael Schmitz

Lügen nachträglich mit sachlichen Informationen als Lügen zu entlarven ist keine sonderlich erfolgreiche Strategie, wie allerorten am Aufstieg der Populist*innen zu sehen ist. Auch objektiv betrachtet gute Lebensverhältnisse helfen nicht zwingend gegen Unzufriedenheit, Angst und Hass, wie daran zu erkennen ist, dass durchaus nicht alle AfD- und BSW-Wähler*innen mittellos sind. Sozialkundeunterricht und die Vermittlung von Medienkompetenz mögen eine Wirkung haben, aber erst irgendwann in der Zukunft. Hilfreich wäre es meines Erachtens zum einen, öffentliche Lügen tatsächlich zu bestrafen und nicht alle Lügen, Verleumdungen, Beleidigungen, Aufrufe zu Hass und Gewalt usw. als „Meinungen“ durchgehen zu lassen, und zum anderen, jene Unternehmen finanziell zur Verantwortung zu ziehen, die all das verbreiten. Wenn die Unternehmen, die die sogenannten sozialen Medien betreiben, mehr an Geldstrafen für die Verbreitung von Lügen, Hass usw. zahlen müssten, als sie an Einnahmen durch die Verbreitung von Lügen, Hass usw. erzielen können, hätten Desinformation und Hetze zumindest in den sogenannten sozialen Medien wahrscheinlich rasch ein Ende.
Ulrich Willmes

 


 

Leserbriefe zu „Einwanderung führt zu Wirtschaftswachstum“. Gespräch mit Carsten Spohr geführt von Jonas Schulze Pals und Roman Pletter

Liest man das Interview mit dem langjährigen Lufthansa-Chef in Ihrem Wirtschaftsteil (Ausgabe 20.6.), hat man den Eindruck, im Prinzip sind alle anderen (Politik, wirtschaftliche Rahmenbedingungen, arbeitsscheue Deutsche etc.) Schuld daran, dass wir Kunden der Fluggesellschaft unzufrieden, das Renommée und der Aktienkurs des Unternehmens im Keller sind. Dabei wirkt es doch so, als seien viele Probleme hausgemacht und auf die fehlende Vision eines technokratischen Managements zurückzuführen. Als Vielreisender frage ich mich: Wofür steht Lufthansa eigentlich heute? Dazu sagt Spohr interessanterweise so gut wie nichts. Ist es ein hohes Service-Niveau wie bei Singapore Airlines? Eher nicht. Ist es ein charmantes Savoir vivre wie bei Air France? Garantiert nicht. Ist es Schweizer Gastfreundschaft wie bei der Tochter Swiss? Leider auch nicht. Früher dachte man bei Lufthansa an Spitzentechnik und Pünktlichkeit, eine gewisse deutsche Effizienz. Nicht besonders „sexy“, aber immerhin. Leider ist das lange vorbei, wie Spohr selbst einräumt. Die Lufthansa wirkt wie ein Spiegel ihres Heimatlandes. Der Ruf ist ramponiert, und das Führungspersonal scheint keine Ahnung zu haben, was dagegen zu tun wäre – außer über die äußeren Umstände zu klagen.
Peer Stahmer

Auf eine Frage bezüglich des nationalistischen und Internationalismus-kritischen Programms der AfD antwortet Herr Spohr: „…Lufthansa hat unter Linksextremismus in den Siebzigerjahren gelitten und unter Rechtsextremismus in den Dreißiger- und Vierzigerjahren. Wir wissen, dass Lösungen nie an den extremen Rändern liegen“. Dass er als Antwort auf eine Frage, die Rechtsextremismus thematisiert, implizit die Hufeisentheorie bekräftigt, sei einmal dahingestellt. Der RAF-Terror war schrecklich und verachtenswert. Meiner Meinung nach sollte man ihn jedoch nicht mit dem staatlichen Terror der Nazi-Herrschaft gleichsetzen, da sie sich hinsichtlich des Ausmaßes, der Systematik und der Ideologie grundlegend unterschieden haben, womit ich explizit keine Hierarchisierung der Opfer betreiben möchte. Schwerwiegender ist seine Darstellung der Lufthansa als angebliches Opfer der Nazi-Herrschaft, wodurch er gut dokumentierte historische Tatsachen verdreht. Positiv zu vermerken ist, dass er mit seiner Aussage die Kontinuität zwischen der von 1926 bis 1945 bestehenden „Deutsche Luft Hansa AG“ und der 1953 gegründeten „Deutsche Lufthansa AG“ anerkennt. Dass er sich dazu allerdings augenscheinlich nur durchringen kann, wenn er gleichzeitig die angebliche Opferrolle der Lufthansa im Dritten Reich betont, ist problematisch. Der Historiker Lutz Budrass hat in seinen Forschungen zur Geschichte der Deutschen Lufthansa vor ihrer Neugründung im Jahr 1953 die enge Verstrickung der Lufthansa im System der Aufrüstung und Kriegswirtschaft sowie ihre Beteiligung am menschenverachtenden System der Zwangsarbeit umfassend aufgearbeitet. Mit der Machtübergabe an die Nazis begann 1933 für die Lufthansa eine wirtschaftliche Blütezeit, ihre Manager unterhielten enge Kontakte zu Nazi-Granden und bekleideten militärische Ämter. Zu sagen, die Lufthansa hätte in den 30er und 40er Jahren unter dem Rechtsextremismus in Deutschland „gelitten“, ist deshalb schon fast zynisch. Im Gegenteil zeitigte das Handeln der Lufthansa zwischen 1933 und 1945 viel menschliches Leid und Aussagen wie diejenige von Herrn Spohr verdrehen solche historischen Tatsachen. Ich bin mir sicher, dass dies nicht die Absicht von Herrn Spohr ist, aber wenn ein Lufthansa CEO knapp 80 Jahre nach Ende des Krieges die Lufthansa immer noch als Opfer der Nazis stilisiert, während er das mit dem Handeln der Lufthansa in der Zeit des Dritten Reiches verbundene humanitäre Leid unerwähnt lässt, handelt es sich meiner Meinung nach um nicht hinnehmbaren Geschichtsrevisionismus.
Julian Jeiler

aus dem Zusammenhang gerissene und veränderte Zitate sind immer ein Ärgernis. Die Überschrift über ihrem Interview mit Herrn Spohr ist hierfür ein Beispiel. Herr Spohr hat gesagt:“ In den USA läuft die Wirtschaft auch deshalb besser, weil es eine stetige Migration in den Arbeitsmarkt gibt. Einwanderung führt so zu Wirtschaftswachstum.“ In Deutschland heben wir es aber überwiegend mit einer Migration in die Sozialsysteme zu tun und die führt sicherlich nicht zu Wirtschaftswachstum.
Hans-Jürgen Eißing

 


 

Leserbriefe zu „Zuwanderung ist nicht nur eine Chance“. Gespräch mit Kai Maaz geführt von Anant Agarwala

Nein, es liegt NICHT an Migranten. Bitte kommen Sie aus dem populistischen Sündenbockmuster raus. Irgendwo läuft etwas schief: „Die da“ sind schuld. Bitte schauen sie genauer ins echte Leben – Studien kratzen nur auf der Oberfläche. Bitte legen Sie den Fokus auf Kinder OHNE Zuwanderungshintergrund. Auch deren Sprach- sowie ihrer sozial-emotionaler Entwicklung bedarf mehr Förderung. Wir Erzieher (ich arbeite in einer Kita und in einem Grundschulhort) sehen das, wissen das, wollen und können fachlich fördern, Umsetzung unmöglich – zu wenig Kollegen. Offiziell liegt der Betreuungsschlüssel eins zu sechs bis neun. Im echten Leben liegt er bei eins zu 12 bis 15. Die Bildungspläne der Länder sind wunderbar, lassen sich unter den Rahmenbedingungen niemals umsetzen. Zu zweit 25 Kinder (Alter: 3 oder 4 Monate bis 3 Jahre) einer Krippengruppe versorgen (wickeln, füttern, Mittagsschlaf) gibt wenig Spielraum für notwendige individuelle Förderung. Mein Eindruck: Kinder in Deutschland wachsen in einer kaputten Gesellschaft auf (deren Kaputtheit hat auch nichts mit Zuwanderern zu tun). Kinder werden, sobald es geht, weggeschoben, Krippe, Kita, Hort. Zuhause lernen auch deutsche Kinder Sprache nicht, genauso wenig Werte und Normen. Keine Zeit, alle Eltern müssen Geld verdienen. Wohlhabende müssen an ihrer Karriere arbeiten. Chancen auf Entwicklung bekommt kein Kind, unabhängig von finanzieller Ausstattung des Elternhauses. Wohlstandsverwahrloste Kinder kennen den Wochenendausflug nach Sylt. Aufräumen kennen sie nicht „zuhause macht das die Frau, die morgens putzt“. Alle Kinder, auch die kleinsten, agieren problemlos mit digitalen Geräten. Sedierte Kinder stören nicht beim Feierabend.
Sabine Wilms

Der Studienleiter des Bildungsberichts hat in dem Interview völlig Recht, wenn er den sehr hohen Stellenwert der frühkindlichen Bildung anspricht, wenn es um den Bildungserfolg generell geht. Und er stellt erschreckt fest, dass vor allem ausländische Eltern ihre Kinder eben nicht in die Kita schicken. Aufklärung über deren Nutzen ist sicher gut, aber das Problem ist in meinen Augen ein anderes: Frühkindliche Bildung ist in Deutschland die Einzige, die kostenpflichtig ist! Bei mehreren Kindern, jeweils ganztags über mindestens drei Jahre, kommt da ein hübsches Sümmchen zusammen. Das Studium, überwiegend von Kindern begüterter Eltern absolviert, ist dagegen kostenfrei. Das passt überhaupt nicht zum Vorrang für frühkindliche Bildung, das ist das fatale Denken in Elitenförderung, wie es unser Schulsystem mit der zementierten Separierung der Zehnjährigen seit ewigen Zeiten gegen jedes bessere Wissen betreibt. Wenn die Kinder mit so unterschiedlichen sprachlichen, kulturellen, sozialen Voraussetzungen dann in zu großen Klassen in die Grundschule kommen, werden sie in Watte gepackt. Bloß nichts zumuten, es soll alles leicht sein, Spaß machen. Das Lernen Anstrengung bedeutet, lernen Schulkinder nicht. Das Anstrengung Spaß macht, der Erfolg der Anstrengung stolz macht, erfahren sie auch nicht. Und sollte ein Lehrer doch mal Anforderungen stellen, stehen garantiert die Eltern auf der Matte. Oder die Kinder fallen durch den Rost, wenn die Eltern sich nicht kümmern können oder wollen (Es soll Eltern geben, die arbeiten müssen, die mehrere Kinder großziehen, keine Au Pairs haben, für ältere Menschen sorgen müssen …).
Ich arbeiten ehrenamtlich mit Realschülern der achten Klassen zum Thema Berufsorientierung/Arbeitslehre. In zwei Jahren hatte ich noch keinen „Biodeutschen“ in meinen Gruppen, aber jede Menge neugierige, wissbegierige, zukunftsfrohe junge Menschen, deren unterschiedlichen Hintergründe einen großen Wert darstellen. Lesen und Rechtschreibung? Na ja. Prozentrechnen? Eher nicht. Kein Wunder, dass Ausbildungsbetriebe erst mal Nachhilfe organisieren. Schule kann nicht alles, aber die elementarsten Kulturtechniken muss sie vermitteln, jedem Kind! Würde man das Geld, das man in das Anwerben ausländischer Fachkräfte steckt, in die Schulen geben, könnten wir sieben Prozent jeden Jahrgangs als Fachkräfte gewinnen, statt sie ohne Abschluss in den Regen zu schicken. Diesen „Luxus“ kann sich eine alternde Gesellschaft nicht mehr leisten.
Ulrike Heitzer-Priem

Kai Maaz hat recht; ohne eine sehr viel bessere Vorschulbildung werden sehr viele Kinder bildungsarm bleiben…! Nicht zu vergessen sind bitte die z.B. sprachbehinderten Kinder; über sie spricht man kaum.
Klaus Busch

 


 

Leserbriefe zu „Die Würde ist erstmal im Eimer“ von Urs Willmann

Ich möchte Herrn Urs Willmann, Autor des Artikels „Baustelle Pergamonmuseum“ auf der o.a. Seite, gern einmal zu dem Bild „Im Saal des Pergamonaltars stehen die Tonnen fast in Reih und Glied“ befragen. Herr Willmann, ich glaube, Sie haben es sich mit der (auch von mir) verinnerlichten Farbgebung und dem daraus folgenden Schluss auf den Inhalt ein wenig zu einfach gemacht. Sie sollten diesbezüglich einmal nachrecherchieren. Was bedeuten denn die an den Tonnen angebrachten kleinen Hähne? Was landet in den untergestellten Eimern? Diese haben unterschiedliche Größe, unterschiedliche Farben…sogar rot sieht man dort… Was sollen uns die in unterschiedlicher Höhe angebrachten Auslasshähne erzählen? Hierzu müssen Informationen her! Im Artikel werden ja schon einige Zusammenhänge erklärt, aber: was ist mit den Tonnen? Fragen über Fragen… Herr Willmann, ich bitte Sie: bleiben Sie dran!
Gerhard Nawo

Nun hätten wir aber gerne noch gewusst, was es mit den kleinen Zapfhähnen an den Mülleimern auf dem Foto auf sich hat?
Einar Landschoof

 


 

Leserbriefe zu „Ihr Ziehsohn“ von Matthias Krupa

Matthias Krupa Ihr Ziehsohn: Da heißt es im Text „… werden in Frankreich vom Präsident berufen“. Muss es nicht heißen „vom Präsidenten“? (Der Artikel gefällt mir, also keine Kritik am Inhalt!). Etwas Ähnliches fand ich im ZEIT MAGAZIN Nr. 27. In „Liebe Leute – Rattenscharf“ schreibt Claire Beermann “ … stimmt die DNA … mit der des Bonobo-Affens überein“. Habe ich vielleicht die Einführung des doppelten Genitivs verpasst?
Heike Miethe-Sommer

die Großwohnsiedlung Cité Gabriel Péri, in der Jordan Bardella „aufgewachsen“ ist, liegt südlich von Paris. Nicht nördlich.
Norbert J. Heikamp

Der Artikel über Jordan Bardella ist aus meiner Sicht inhaltlich gelungen. Gleichwohl ist es sicherlich lebensnaher, dass der Mann lediglich die gleichen „eng geschnitten Anzüge trägt wie alle ambitionierten jungen Männer in Paris…“ und nicht deren (dieselben) Garderobe auftragen muss. An meinem Urvertrauen, dass DIE ZEIT – bei aller journalistischen Expertise – auch ein Garant für die zutreffende Anwendung der deutschen Sprache ist, wurde schon so manches Mal gezerrt.
Heinrich Klipp

 


 

Leserbriefe zu „Und niemand greift ein“ von Andrea Böhm

Tote in der Ukraine schaffen es auch unter einer Anzahl von 10 Personen tagesaktuell bis in die Tageschau. Die Toten im Gazastreifen müssen schon mit einer geschätzten Gesamtzahl aus dem Krieg seit Oktober auskommen. Über die Opferzahl im Sudan weiß man nichts Präzises und will auch nicht so genau hinschauen, ob es nun Zehntausende oder Hunderttausende sind, die dort sterben. Das Zerbröseln der internationalen Strukturen, um diese Menschen wirksam zu schützen ist zum Großteil auf die westliche Heuchelei zurückzuführen, die sich eben auch in der medialen Repräsentanz äußert.
Dieter Schöneborn

Die Lage der Zivilbevölkerung im Sudan ist natürlich eine große Tragödie und sollte beendet werden. Nur: wer soll eingreifen? Die UN-Blauhelme? Die Erfahrung im Libanon und auf Haiti ist nicht ermutigend. Internationale Koalitionen? In Libyen, Westafrika und Syrien hat sich leider die Lage der Bevölkerung nicht verbessert. Wie in dem Artikel aufgeführt, wäre es am besten, wenn afrikanische Nachbarn eingreifen würden, nur haben die kein Interesse daran.
Peter Pielmeier

 


 

Leserbriefe zu „Das haben jetzt alle: Renova Geschenkbox buntes Toilettenpapier“ von Daniel Haas

mal ehrlich, 6 farbige toilettenpapierrollen für 16€, deutlicher kann man die degeneration der gesellschaft bzw deren sogenannter leistungsträger nicht auf den punkt bringen, denn es werden wohl vornehmlich jene besserverdienenden eliten sein, die sich einen derart dekadenten luxus leisten und immer wieder argumente dafür finden, warum das gerechtfertigt ist und alle, die das anders sehen als neider abqualifizieren. alleine, dass sie darüber neutral berichten und die angelegenheit damit irgendwie gutheißen, empfinde ich schon als provokation, noch dazu unter der nonchalanten überschrift „was jetzt alle haben“. das verdeutlicht, aus welcher perspektive ihre journalisten die welt sehen und es würde mich nicht wundern, wenn ein großteil der wut, den viele gegenüber den großkopferten und den medien empfinden, genau da herrührt und die armen menschen, die sich weiß und dreilagen den hintern abwischen müssen dazu veranlasst, dem abschaum der politischen landschaft in scharen ihre stimmen zu schenken, einfach nur, weil das der größte stinkefinger ist, den das volk zur zeit in petto hat.
p. stampe

Ich habe das nicht, Herr Haas. Es geht um buntes Toilettenpapier. Hab ich nicht, ich benutze weißes. Na also wenn es sein muss. Toilettenpapier in bunt. So mal die ganze Farbscala rauf und runter. Eben nur nicht weiß und auf keinen Fall kackfarben. Da lässt es sich nämlich nicht feststellen, ob der Arschwisch schon benutzt worden ist. Toilettenpapier in bunt. Hübsch gefaltet macht das sicher auch gute Servietten und ein Einstücktüchen im Jackett. Für die Toilette sollte das bunte Papier leicht abwaschbar sein. Oder will man ein bemaltes Gesäß haben? Ganz Mutige können ohne Hose in der Öffentlichkeit herumlaufen. Denn was alle haben, haben auch die Ordnungskräfte, die werden Verständnis zeigen. So ist das Leben kunterbunt.
Hans-Emil Schuster

 


 

Leserbriefe zu „Männer! Nackt! Im Wald!“ von Thomas Thiemeyer

Sie geben dem/der voyeuristischen Leser*in etwas zu tun, vor/bei/nach dem Lesen des Artikels: Das großformatige Blatt ‚mühsam‘ umdrehen, um den ‚vollen Blick‘ auf die Kopfstände der nackten Männer genauer zu betrachten. Wird es demnächst öfter diese Vexierbilder im Blatt geben?
Hartmut Wagener

Im Namen der Kunst ist vieles möglich und machbar, auch dass Männer nackt im Wald umher hopsen. Früher lebte der Mensch mit der Natur im Einklang, heutzutage gelingt dieser Einklang nur noch selten. Vielleicht gelingt dieser Einklang im Urlaub? Der Bayerische Wald ist für mich meine Urlaubsregion Nummer Eins. Hier konnte ich und hier kann ich immer wieder diesen Ein- und Gleichklang zwischen mir und der Natur immer vorfinden. In meinem Wohnort auf dem Lande, da bin ich von der Natur umzingelt. Gerade heuer mit dem vielen Regen, da grünt und blüht es auch hier an Allerorten und das erfreut mein Gemüt, mein Herz und meine Seele; mich eben total als Mensch.
Klaus P. Jaworek

 


 

Leserbriefe zu „Dann bleibt sie erstmal Kind“ von Kristina Ratsch

Warum kann ein Mensch nicht sein, was dieser Mensch ist? Hormone spritzen und operieren bis ein Mensch einem vorgegeben Gesellschaftlichen Mainstream-Bild entspricht. Die Argumentation dafür steht auf sehr wackeligem Boden. Das wird im Text an zwei Sätzen, die am Anfang und am Ende stehen, deutlich: „Auch wenn Mathilda sich wie ein Mädchen fühlt …“ und „… natürlich könnte es in zehn oder zwanzig Jahren sein, dass Mathilda als Mann lebt …“ Als ob tatsächlich jemand wüsste, wie ein Mädchen/Frau/Junge/Mann fühlt. Was für eine Anmaßung. Wer bestimmt den mit welchem Recht, wie eine Frau oder ein Mann zu leben hat. Eine zerstörerische Annahme und Akzeptanz von Rollenzwängen und Gruppendruck. Eine Analogie, die den Irrsinn verdeutlichen kann: Was, wenn ein Schwarzer weiß werden möchte oder umgekehrt. Ein Schwarzer/Weißer fühlt wie ein Weißer/Schwarzer und möchte am Ende doch wie ein Schwarzer/Weißer leben. Es ist verrückt zu glauben, dass die Farbe einer Haut zwingend Unterschiede begründet. Eine Gesellschaft wird nicht frei durch Möglichkeiten zu Verstümmelungen und kosmetische Operationen, sondern durch den Schutz von Menschen, ihrer Art und Persönlichkeit. Die individuelle freie Entfaltung der Persönlichkeit muss die Zielsetzung sein. Die Individuen in einer Gesellschaft, die Freiheit und Offenheit propagiert, muss lernen anzunehmen was da ist, wie Menschen sind. Der Grund für das Leid liegt nicht im unvollkommenen Individuum, sondern in der Unfähigkeit der Anderen (der Gesellschaft) zu akzeptieren was ist. Warum sollte ein Mann nicht leben, meinetwegen wie eine Frau (ohne das ich jetzt weiß, wie eine Frau zu leben hat) und umgekehrt. Die Gesellschaft muss sich ändern. Aber nicht so, dass Freiraum geschaffen wird, dafür, naturgegebene (körperliche) Individualitäten auszulöschen, um Menschen gesellschaftlichen Klischees und Vorurteilen anzupassen.
Christian Fahn

Ist es zu fassen. Die Diagnose „Störung der Geschlechtsidentität“ hat sich in knapp zehn Jahren verachtfacht. Was Wunder möchte ich als achtzigjährige Frau ausrufen. Viele junge Menschen fühlen sich also nicht wohl in ihrer Haut! Denkbare Gründe, die man nicht außer Acht lassen sollte: Die Umweltzerstörung, kriegerische Konflikte, zunehmendes Auseinanderklaffen zwischen Armut und extremem Reichtum, die Überflutung mit Optimierungsangeboten in den Medien, unproduktives Parteiengezänk, das populistische Parteien erstarken lässt, um nur einige Ursachen zu nennen. Diese Probleme, die uns alle und besonders junge Menschen verunsichern, anzupacken, ist unsere gemeinsame Aufgabe.
Ingrid Mennicken

 


 

Leserbriefe zu „Wo Rassismus halt dazugehört“ von Tom Kroll und Martin Nejezchleba

mit großem Entsetzen verfolge ich die Berichterstattung zu dem Vorfall in Grevesmühlen, insbesondere den Artikel „Was ist wirklich passiert?“. Haben die Autoren den korrigierten Polizeibericht überhaupt gelesen? Warum wird dieser mit Interpretationen gefüllt, die keinerlei Bezug zum Vorfall haben? Solche Berichterstattung ist eine Unverschämtheit gegenüber den betroffenen Jugendlichen und der Stadt Grevesmühlen. Ist dies der neue Standard für Qualitätsjournalismus? Zudem wird die Glaubwürdigkeit tatsächlicher Vorfälle untergraben. Wem ist damit geholfen? Als langjähriger Leser/Abonnent seit 1967 bin ich zutiefst enttäuscht.
Peter Loder

Weshalb gab es keinen roten Faden von den unzähligen Demos für Demokratie und Toleranz zu Jahresbeginn bzw. von den Wahlaufrufen sogar der deutschen Bischöfe hin zu diesem Wahltag und hin zu den Verhaltensweisen derer, die es kürzlich im Nordosten unseres Landes in die Nachrichten geschafft haben? Angesichts der dringenden Notwendigkeit, gerade junge Menschen zurückzugewinnen für das Evangelium, für die Demokratie und für die Errungenschaften einer transnationalen Weltenfamilie, kann es nur eine Parole für alle geben: Zurück zu den Menschen, zurück zur Seelsorge vor Ort. Ein Beispiel bei mir vor der Haustür: Der öffentliche Nahverkehr wird immer weiter ausgedünnt, die Kinder ziehen in die nächstbeste Großstadt, um eine geeignete Arbeit zu finden, ein eigenes Auto können viele nicht bezahlen, manche schlichtweg nicht mehr eigenständig fahren. Die Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Bedarfsgütern wird schwieriger, das Internet hilft Alten oder armen Familien nur wenig (auch weil es bis heute an manchen solcher abgehängten Orte eine schlechtere digitale Grundversorgung gibt als an manchen Urlaubsorten im fernen Ostasien). Wenn Menschen nicht mehr zur Kirche kommen können, dann kommen wir halt zu ihnen.
Das ist die altbewährte, grundeinfache Idee unseres gemeinsamen Projekts von „Rat auf Rädern – denn niemand soll verloren gehen!“ Die Caritas in meinem pastoralen Raum an der polnischen Grenze „Friedland, Stavenhagen, Neubrandenburg“ sorgt sich um Menschen, die auf mehr als 2.000 Quadratkilometern wahrlich in der Zerstreuung („Diaspora“) leben. Der vor sieben Jahren zu diesem Zweck angeschaffte Bus stellt ein mobiles Hilfezentrum dar. Mit diesem Bus fahren Seelsorgerinnen, Priester, caritative Berater und ehrenamtlichen Helfer dorthin, wo die Infrastruktur schlecht und das Hilfsangebot ausgedünnt ist. Sie spenden Sakramente, sprechen mit den Menschen, stellen Anträge für sie, leisten Hilfe zur Selbsthilfe, haben Pakete mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln an Bord – ein kleines Mittel gegen das elende Abgehängtsein. Mir sagte in Neubrandenburg ein Achtzehnjähriger, der straffällig geworden war durch das Zeigen des Hitlergrußes: „Ehe ich nichts bin, bin ich wenigstens rechts.“ Sein Anwalt betonte, dass dieser junge Mensch keineswegs ein überzeugter Neonazi sei; aber solange in Deutschland nichts so sehr Aufsehen errege wie der Hitlergruß, dürfe sich eine Gesellschaft nicht wundern, wenn „verlorene Mitglieder aus ihrer Mitte“ genau solche plakativen Methoden suchten, um einmal im Leben in der Zeitung zu stehen. Menschen wählen radikal, wenn sich niemand anderes um ihre Belange kümmert; ein Staat, eine Gesellschaft, eine Kirche, die sich aus der Fläche zurückzieht, versündigt sich.
Cäcilia Kowalski

 


 

Leserbrief zu „Wir haben das nächste pandemische Virus“ Gespräch mit Fabian Leendertz, geführt von Jan Schweitzer

Es geht gnadenlos so weiter, mit dieser Angstmacherei! Eine gewisse Grundangst muss im Volk grundlegend haften bleiben, damit ständige sofort weitere Angstwellen geschürt und gestartet werden können. Irgendwie haben wir zumindest nach dem Zweiten Weltkrieg in einer gewissen angstfreien Zone leben dürfen, das ist schon länger her. Wer kann sich noch daran erinnern? Jetzt schlittern wir fließend, aber Angst erschreckt von einer Angst direkt in die nächste Angst hinein. Gibt es überhaupt noch irgendjemand im Lande, der sich vorstellen könnte, (fast) völlig angstfrei leben zu wollen? „Angst hat eine große Familie“, das stammt vom deutschen Philologen und Philosophen Friedrich Nietzsche (1844-1900)
Riggi Schwarz

 


 

Leserbrief zu „Was ich gern früher gewusst hätte“ von David Libeskind

Weder bin ich prominent noch Star-Architekt. Wie Daniel Libeskind, der sagt: „Computer befreien einen von mühsamen Arbeiten, die man als Architekt erledigen musste.“ Was heißt „erledigen musste“? Ich erledige die mühsamen Arbeiten als Architekt mit 79 Jahren noch heute: Papier bezeichnen, mit dem Radiergummi oder Rasierklinge korrigieren, Zeichenwinkel und Lineal sowie Stifte zur Hand, nicht die banale Maus, die Herr Libeskind klickt und scrollt, wenn er zeichnet und radiert. Alles vollkommen steril, kein Blei oder Tusche, die über das Papier kleckert, kein Handbesen, mit dem man die Zeichenreste vom Zeichentisch abfegt, keine schwarzen Hände, nichts dergleichen. Man braucht in der Befreiung von der Maloche weder Zeichenlampe- noch Tisch, kann im Dunkeln hocken, oder sonstwo, draußen auf der Parkbank, im Café oder Zug. Und hantiert nur noch mit der Maus, um Wolkenkratzer auf dem Bildschirm zu entwerfen, täuschend realistisch animiert, dass der Laie Bauklötze staunt. Um der Welt und Menschheit einen kalten Bauklotz nach dem anderen zu entwickeln, tote Kunst aus der Retorte der Computer, die die Menschen in Scharen aus den modernen Lebenswirklichkeiten vertreibt, sich Ersatzbefriedigung in alten Städten und Bauwerken, die noch Architekten mühsam mit der Hand gezeichnet haben, zu holen. Die Baukunst ist nach Vitruv die Mutter aller Künste, der Computer ihr Tod. Das habe ich schon früher gewusst.
Axel Spellenberg

 


 

Leserbrief zu Kommentar „Auferstehung per Gesetz“ von Fritz Habekuß

Vielen Dank für den o.g. Kommentar zum „auferstandenen“ EU-„Gesetz zur Wiederherstellung der Natur“! Ob dies ein Grund zum Feiern ist, wird man aber leider erst in frühestens 10 Jahren sagen können, denn es wäre nicht das erste Gesetz oder der erste EU-Vertrag, der rücksichtslos und unsolidarisch umgangen oder gebrochen wurde. Auch gegen jetzige Vorschriften gibt es in Osteuropa großen Raubbau an besonders den noch natürlichen Wäldern, um angesichts der hohen Holzpreise, unzureichenden Mengen an Abfall- und Restholz und geringen Kontrollen und Verfolgungen für hohe Gewinne Holz zu „ernten“ für angeblich „erneuerbare“ Heizenergien oder Kraftwerke oder für schnell wechselnde, modische oder kurzlebige Möbel z.B. von Ikea oder für die angeblich „klimaneutrale“ Errichtung von Immobilien. Das ist entgegen allem Greenwashing ein Bärendienst für Klima und Natur, denn letztere kann in keinster Weise die Bäume so schnell wachsen lassen, dass diese Schritt halten mit der wachsenden Nachfrage und Ausbeutung. Die Unterstützung und Werbung für dieses Gesetz war leider nicht nur durch Bauern und vor allem konservative, liberale und wirtschaftshörige Politiker mangelhaft oder eher negativ, sondern auch durch einen Großteil der Medien und Wähler, wenn diese eher auf kurzfristige Kosten und Vorteile schauen als auf langfristiges Wohlergehen auch der jetzigen Kinder und Enkel.
Das Gesetz müsste eigentlich auch der zunehmenden Produktion von „Bio-Energien“ wie „Biogas“ oder „Bio-diesel“ oder „Bio-Kerosin“ einen Riegel vorschieben, denn die alle brauchen immer mehr Flächen auf Kosten von bisherigen oder neuen Wäldern und Mooren, abgesehen von Flut-Rückhalte-Flächen, Nahrungsmitteln oder Wohnungen, die ohnehin besser auf ohnehin versiegelten Flächen und/oder nach oben gebaut werden sollten statt auf Kosten von grünen oder natürlichen Flächen, die ja auch gegen die zunehmende Erhitzung der Städte gebraucht werden. Sie haben völlig Recht, dass all diese Klima- und Naturschutz, aber auch Menschen schützenden Maßnahmen und ihre Befürworter und Aktiven mit großen Teilen einer — unserer — Spezies aneinander geraten werden und nicht nur mit den Interessen und Zielen der Landwirtschaft, denn betroffen sind ja auch deren Handelspartner und Konsumenten, die mit weniger Flächen für die Produkte weniger Fleisch essen, weniger wegschmeißen könnten und/oder höhere Preise bezahlen müssten, ggf. auch für Holz oder „Bioenergie“, falls die weiter erlaubt sein sollte. Und die als Ausnahmegrund zugestandenen Krisen gibt es schon seit Jahren und zunehmend ja immer welche, eher mehrere gleichzeitig wie derzeit. DAs wird viel Munition geben für alle Populisten und Kämpfer für Natur und Klima nur ohne „Zumutungen“, also höchstens im Schneckentempo, also ohne jedes Ausreichen und ohne Rechtzeitigkeit vor dem Überschreiten der Kippunkte. Daher ist dieses Gesetz zwar zu begrüßen, aber überhaupt keine Rechtfertigung sich zurückzulehnen oder zu feiern, denn mit ihm fängt der Kampf erst richtig an, nur aussichtsreicher als vor der „Auferstehung“.
Peter Selmke

 


 

Leserbrief zu „Fridays for Future bringt es nicht“. Gespräch mit Bernhard Schlink geführt von Jeannette Otto und Maximilian Probst

Hier irrt Herr Schlink. Es ist nicht sinnvoll Engagement in Institutionen gegen Aktivismus auszuspielen. Es gibt auch zahllose Beispiele von Menschen, die auf ihrem langen Weg durch die Institutionen hängen geblieben sind. Beide Wege haben bei dem Vorhaben Verhältnisse zu verändern ihre Berechtigung und ergänzen sich letztlich. So ist der menschengemachte Klimawandel schon lange bekannt. Der populäre Publizist und Moderator, Hoimar von Ditfurth machte bereits in den 1970er Jahren das Thema zum Gegenstand einer seiner informativen Fernsehsendungen (zu sehen bei YouTube). Doch geschehen ist in den darauffolgenden Jahrzehnten kaum etwas. Erst als ein Mädchen im Alter von 15 Jahren Jahrzehnte später begann den Schulunterricht zu bestreiken und daraus eine weltweite Bewegung (Fridays for Future) erwuchs, erwachten die Politiker aus ihrem langen Schlaf des Nichtstuns, schließlich sind Jugendliche die Wähler von Morgen, und begannen widerwillig und schleppend, jedoch immer gepaart mit großen Worten, das Thema langsam auf ihre Agenda zu hieven. Da zwar jeder Klimawandel bedingte Starkregen und jede Flutwelle jedesmal die leeren Worte der Politiker wegspülten, rangen diese sich dennoch zumeist nur zum Schaulaufen und Gummistiefel-Polittourismus in den Katastrophengebieten durch.
Erst eine Klage aus der Zivilgesellschaft gegen die Untätigkeit der Regierenden veranlasste als letzter Instanz das Bundesverfassungsgericht 2021 eine deutliche Mahnung an verantwortungslose Politiker auszusprechen, wirkungsvollere Klimaschutzmaßnahmen durchzuführen, damit die Freiheit zukünftiger Generationen nicht unverhältnismäßig eingeschränkt wird. Dies ficht die selbsternannte Freiheitspartei FDP jedoch nicht an und setzte in der aktuellen Bundesregierung rücksichtslos die Beseitigung der Sektorziele im Klimaschutzgesetz durch. Könnte der FDP-Verkehrsminister Wissing doch gezwungen werden, dem Willen des Großteils des Volkes nachzugeben und ein klimaschonendes Tempolimit auf Autobahnen einführen zu müssen, was bei seinem Porsche fahrenden Parteivorsitzenden und Bundesfinanzminister vermutlich nicht so gut ankäme. Doch zurück zum eigentlichen Thema: Fridays for Future hatte es eben doch gebracht. Die Geschichte hat oft genug gezeigt, dass Aktivismus zumeist die Voraussetzung ist, damit sich Institutionen überhaupt bewegen. Gerade im Sozial- und Umweltbereich würde sonst noch weniger geschehen. So wurde das Frauenwahlrecht letztlich durch den Aktivismus engagierter Frauen vor rund 100 Jahren in Deutschland eingeführt. Ihre Geschlechtsgenossinnen im auf ihre plebiszitäre Tradition so stolzem Nachbarland Schweiz hingegen, mussten noch weitere 50 Jahre warten, bis sie auch endlich als vollwertige Menschen anerkannt wurden und wählen durften. Kaum zu glauben.
Reiner Gorning

 


 

Leserbrief zu „Beim Auto ist Schluss mit lustig“. Gespräch mit Jens Südekum geführt von Max Hägler und Mark Schieritz

Vielen Dank für diesen Beitrag! Es gibt also doch noch Volkswirtschaftler, die aus der Vergangenheit lernen, statt an dem „volkswirtschaftlichen Lehrbuch“ kleben. Es stimmt mich allerdings sehr nachdenklich, dass die Ansichten von Herrn Südekum sehr nahe am gesunden Menschenverstand liegen. Ist der den übrigen Vertretern seiner Disziplin etwa abhandengekommen? „Und die Industriearbeiter in Europa machen künftig eben etwas anderes…“ Auf diese Aussage hat Herr Südekum die richtige Antwort gefunden: „Aber das geht doch an der Realität vorbei!“ Die Realität nennt er an Beispielen aus der jüngsten Vergangenheit. Wieviele Industrien sollen noch abwandern oder verschwinden bevor die Lehre ihren Irrweg erkennt? Warum hat man aus den Beispielen nichts gelernt? Waren sie für die Volkswirtschaft zu unbedeutend? Warum wacht man erst bei der Automobilindustrie auf? Wie sieht das Andere aus, das die europäischen Industriearbeiter künftig machen sollen, angesichts der Geschwindigkeit, mit der in China Innovationen kopiert und dann „günstig“ auf den Weltmarkt gebracht werden?
Ja, die Interessen der großen Unternehmen unterscheiden sich massiv von jenen der Allgemeinheit! Betriebswirtschaftliche Logik ist nicht nachhaltig. Warum wird das so selten ausgesprochen? Ich wünsche mir mehr Beiträge, die gängige Lehrmeinungen hinterfragen, aber auch Alternativen aufzeigen. Da scheinen mir die Experten besonders phantasielos. Zuletzt meine Standardfrage. Wie stellen sich die Experten eine europäische Wirtschaft vor, deren Rechst, Sozial, Umwelt- Standards es schlicht nicht ermöglichen mit der chinesischen Industrie zu konkurrieren? Selbstverständlich unter Beibehaltung derzeitiger Standards. Eventuell hat es die Fachwelt noch nicht gemerkt: Die Zeiten der europäischen Exportnationen sind vorbei.
Bernd Roos

 


 

Leserbrief zu „Prüfers Töchter“ von Tillmann Prüfer im ZEIT Magazin

Die Forderung, dass man Lebensmittel nicht wegschmeißt, ist von der Prüfer Tochter Greta. Also Greta nicht diese plumpe Ausdrucksweise „wegschmeißen“ bitte. Man entsorgt sie. Darum ist ja auch auf den Packungen und Gläsern und Flaschen ein Verfallsdatum angegeben. Unverpacktes wie Salat oder Gemüse ist ja anzusehen, wenn es unappetitlich ist. Umweltbewusstsein kann man Verpackung und Glas trennen. Gemüse in die Biotonne. Schuld an der Misere ist der Verbraucher selber. Supermärkte locken mit billigen Sonderangeboten. Und da wird dann gekauft in unsinnig großen Mengen. Es ist ja so günstig. Und dann kommt das Verfallsdatum und verwelktes Gemüse. Ab in die Tonnen. Trotzdem guten Appetit.
Hans-Emil Schuster

 


 

Leserbrief zu „Liebe Leute“ von Claire Beermann im ZEIT Magazin

Die im aktuellen MAGAZIN veröffentlichte Kolumne von Claire Beermann wäre zu Zeiten von Petra Kipphoff vielleicht nicht ganz so schnittig geraten, denn physiognomische Vergleiche zwischen Mensch und Tier haben allein kunstgeschichtlich schon eine etwas längere Tradition, die eindrucksvoll belegt, dass auch Kunstschaffende schon früh dem vergleichenden Sehen anhingen und nicht erst die die Studierenden der Kunstgeschichte oder die gegenwärtigen Rezipientinnen der Filmwelt — letztere sei ausdrücklich in die Welt der Künste einbezogen. Wenigstens einen der folgenden Namen hätte Frau Kipphoff sicher einzuflechten empfohlen und damit die moralische Bringschuld umzukehren versucht, da diese unterhaltsamen Vergleiche auch und gerade historisch zu haarsträubenden Auswüchsen rassistischer Art beigetragen haben. Da gäbe es also unter anderem (und den ersten Titel praktischerweise schon vollständig digital und legal):
Charles Le Brun (einer der bedeutendsten, einflussmächtigsten Künstler unter Louis XIV., er leitete die Ausstattung der Schlösser Vaux-le-Vicomte und Versailles — so stilbildend, populär und bedeutend wäre heute nur Hollywood), dessen Rezeptionsgeschichte allein schon so weit reicht, dass Überblick geboten ist z. B. bei Thomas Kirchner, „Physiognomie als Zeichen. Die Rezeption von Charles Le Bruns Mensch-Tier-Vergleichen um 1800“ in: Kohle, Hubertus & Gersmann, Gudrun (Hrsg.) : Frankreich 1800. Gesellschaft, Kultur, Mentalitäten. Stuttgart: Steiner (1990). http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/289/ https://epub.ub.uni-muenchen.de/4709/1/4709.pdf http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/ihd/content/titleinfo/3183552
Johann Caspar Lavater, der ebenfalls sehr ‚populäre Wirkung‘ zu entfalten vermochte und in seinen Theorien — der Zeit und den historischen Entwicklungsmodellen entsprechend, wie man sich oft relativierend zu betonen bemüht — Nicht-europäische Menschen, welche in seinen Darstellungen deutlich nach Tiergestalten aussehen, anstatt dem Griechischen Schönheitsideal zu folgen, als (vermeintlich) biologisch und „von Natur aus“ … „untergeordnete Rassen“ darstellt. Dies besonders im Rückgriff auf die Gesichtswinkel-Theorie des holländischen Mediziners Petrus Camper. Siehe z. B.: Johann Caspar Lavater, Von der Physiognomik, Leipzig 1772. Sowie: Johann Caspar Lavater, Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe, Leipzig und Winterthur 1775-1778. Online unter: https://www.e-rara.ch/zut/doi/10.3931/e-rara-1099
Carl Gustav Carus, der gleichzeitig als Wissenschaftler und als Künstler gesehen werden muss … und das schon so lange Zeit vor der Erfindung von „artistic research“ oder Interdisziplinarität. Ein Romantiker eben … Giambattista della Porta wird als etwas angestaubter Renaissance Künstler die Leserinnen und Leser, die dem Hinweis „celebrities, that look like animals“ zu googlen folgen, nicht weiter interessieren. Doch stellt man die Google-Ergebnisse dann neben della Portas Zeichnungen, fällt doch auf, wie altehrwürdig — um das böse Adjektiv „verstaubt“ zu vermeiden — die visuellen Passionen von Hollywoods hotness-Charts zuweilen erscheinen könnten, wenn man das menschliche Begehren und die Geschichte der Familie als ’natürliche‘ und nicht auch als historisch kulturelle Angelegenheiten sieht. Seit den 1990er Jahren ist es ein Allgemeinplatz der literatur- , film- und kulturwissenschaftlichen Forschung, wie sehr das „Abjekte“, also Dinge, die Ekel und Aversion hervorzurufen vermögen, mit dem „rattenscharfen“ sexuellen Begehren zusammenhängen, besonders da, wo es vom „paisir“ zur „juissance“, also von der einfachen Lust zur Wollust geht und wie überwältigend der Anteil der Blickverhältnisse und der oftmals auch kolonial und sexistisch gelagerten Machtverhältnisse dabei ist.
Ch. Katti

 


 

Leserbrief zu „Entweder kippe ich ins Glück, oder ich kippe ins Pech“ von Anna Kemper im ZEIT Magazin

Auf der Titelseite des ZEIT-MAGAZINS Nr.27 schreiben Sie, dass die erfolgreichste deutsche Turnerin um den noch einzigen Platz für Olympia kämpft. Auf der Seite 15 erfahre ich dann, dass diese erfolgreichste deutsche Turnerin Elisabeth Seitz ist. Ohne die Leistungen von E. Seitz schmälern zu wollen, stimmt diese Aussage nicht. Die erfolgreichste deutsche Turnerin ist Karin Janz, spätere Karin-Büttner-Janz. Ab 1967 errang sie mehrere Siege/Medaillen bei Europa-und Weltmeisterschaften. 1972 wurde K. Janz als bisher einzige deutsche Turnerin Doppel-Olympiasiegerin im Turnen. 2006 wurde sie zur Turnerin des Jahrhunderts gekürt und 2011 in die Hall of Fame des deutschen Sports aufgenommen. Sprechen wir nun von der erfolgreichsten deutschen Turnerin der Gegenwart oder von der absolut erfolgreichsten. Ich bin irritiert. Bitte klären Sie mich auf.
P. Heinrich