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27. Juni 2024 – Ausgabe Nr. 28

 

Leserbriefe zu „Typisch deutsch“ von Jonas Schulze Pals

Ewige Negativkritik an Deutschland. Artikel ginge auch so: letzte 15 Jahre Verdoppelung Kita Mitarbeiterzahl. Robotik wir auf Platz 3 weltweit. Bruttoschuldensenkung 20-23 von 69 auf 64% trotz Corona. Staatsverschuldung EU-Vergleich an 12. Stelle, 25% unter Eurozone. Von 2.500 Mrd. Schulden sind 1.500 Mrd. der Wiedervereinigung geschuldet. Mit 30.000 Windrädern Platz 1 in Europa usw. usw. Im Übrigen: Handy- und Kartenzahlung sind behinderten- und seniorenfeindlich und damit rassistisch. Sie sind ein Sprachrohr der AfD und aller Unzufriedenen.
Andreas Schneider

Früher haben wir über die schlampige Organisation unserer Nachbarn im Süden Europas gelästert, fanden es aber trotzdem irgendwie entspannt und romantisch. Wir waren ja meistens nur im Urlaub dort. Heute lästern diese Nachbarn über uns und das trifft uns hart. Wir wollten doch immer bewundert und geliebt werden. Leider beherrschen wir aber die Kunst des „Darüber-Hinweg-Lächelns“ auch nicht. Was uns von unseren Gastgebern in den Urlaubsländern unterscheidet. Ein ganz anderer Aspekt ist der stete Verweis auf den Mangel an Geld, der vermeintlich dafür sorgt, dass keine neuen Schienen gebaut oder keine Glasfaserkabel verlegt werden. Mit Verlaub, das ist hanebüchen! Geld wäre wohl genug da, wenn es denn zum Einsatz käme. Es geht – wie so häufig – um die Frage der Haltung und des Wollens. Eine Baugenehmigung ist längst mit einer Doktorarbeit vergleichbar. Eine rekordverdächtige Zahl an Gutachten ist notwendig, um überhaupt in die konkrete Planung einzusteigen. Wie lange es dauert, bis ein Windpark gebaut werden kann, wie einfach eine Umgehungsstraße oder einen neue Schienentrasse blockiert werden können, wie kompliziert die Genehmigung eines Sendemastes ist…
Alles keine Frage des Geldes. So stolz wie wir Deutschen einst auf unsere Infrastruktur und die dazugehörige Organisation waren, so brüsten wir uns heute mit der Berücksichtigung aller Interessen damit ganz sicher alle Aspekte von allen Seiten beleuchtet werden. Das dauert. Die Beteiligung der Bevölkerung, das Anhören von Experten, das Zulassen jedweder Beschwerde, der Datenschutz und am Ende das Vertagen der Projekte. Nicht aus Geldmangel, sondern aus Erschöpfung. Auch das digitale Bezahlen passt in diese Aufzählung. Schließlich kämpfen doch gerade wir für den Erhalt des Bargeldes und damit für unsere „persönliche Freiheit“. Wenn Sie also eine neue Offensive fordern, dann bitte eine der Innovation: im Denken, im Zulassen, im Fördern und Wollen. Dazu wird es wohl leider nicht kommen. Die als „Fortschritts-Koalition“ angetretene Regierung ist das beste Beispiel dafür. Und der Begriff Bürokratieabbau ist mittlerweile zu einer Lachnummer verkommen. Nochmals Danke für Ihren Beitrag. Vielleicht bringt er die Entscheidungsträger dennoch zum Nachdenken…
Thomas Meichle

Leider braucht es für die Sanierung der Infrastruktur und die Realisierung Von komplexen Projekten mehr als einen Computer für einen schlauen Leitartikel.
Michael Großmann

Die Klagen über den Sanierungsstau sind so häufig wie berechtigt, aber wo liegt die Lösung? Sicherlich nicht im weiteren Ausbau der Autobahnen. Pläne des Bundes für eine zehnspurige Monsterautobahn bei Frankfurt stoßen auf Widerspruch der Stadt und des Landes Hessen. Häuser und Gärten müssten weichen, ein Vogelschutzgebiet würde zerstört. Das Monster würde noch mehr Autoverkehr anlocken: Los Angeles zeigt es mit seinen vielspurigen Straßen, auf denen sich jeden Abend endlose Staus bilden. Bei knappen Finanzen muss priorisiert werden, und nur kollektiver Verkehr kann die Lösung bringen. Ein gut funktionierendes U-Bahn-Netz in Städten wie Singapur und Tokio ist der Garant für Pünktlichkeit. Was not tut: Nachdem die Bahn jahrzehntelang heruntergewirtschaftet wurde, gehen ab sofort alle verfügbaren Mittel in ihre Wiederherstellung und ihren Ausbau!
Mechthild Dierlamm-Harth

Interessant, wie hier die negative Meinung der Ausländer über uns dargestellt wird. Warum sind wir rückständig, wenn wir Bargeld bevorzugen? Ist es richtig, wenn Sie den Guardian zitieren, dass die dt. Mannschaft im Spiel gegen die Schweiz so stotterte wie ein ICE? Dieser Vergleich hinkt aber wirklich! Egal, Hauptsache larmoyant. Zum Schluss dann doch noch die Nationalmannschaft, dass sie es ja dann doch noch geschafft hat. Wirklich? Haben Sie vergessen, dass die Gegner nicht gerade die Spitzenmannschaften waren?
Manfred Mengewein

Treffend für den Zustand der DB AG seit 30 Jahren beschrieben. Leider trifft das Phänomen fast alle öffentlichen Bereiche in Deutschland. Ganz offensichtlich hat Deutschland vor 40 Jahren festgestellt: „Wir sind gut!“ und entschieden: „Hier bleiben wir!“ Die DB AG hat Neuinvestitionen, Personal, Instandhaltungsintervalle und Qualitätsforderungen massiv reduziert – mit der Absicht, an der Börse reüssieren zu wollen. Öffentlicher Personenverkehr ist – wie öffentliches Gesundheitswesen – eine staatliche Dienstleistung für den Bürger und kann kein Profit-Center werden. Kommunikationstechnik blieb massiv hinter der weltweiten Entwicklung zurück, „wir brauchen 5G nicht an jedem Misthaufen“, noch 2016 wurden Neubaugebiete mit Kupferkabel erschlossen – obwohl die Material-Mehrkosten gegenüber den identischen Arbeitskosten absurd gering gewesen wären. In Schulen werden in Toiletten weder Seife noch Handtücher angeboten, defekte Spender und auch defekte Klos und Waschbecken durch die verantwortlichen Kommunen nicht ersetzt, weil das Geld fehlt – das fiel erst 2020 in der Corona-Pandemie auf. Gleichzeitig leisten wir uns einen Sozialhaushalt, der mehr als 33% des Bundeshaushalts ausmacht und aus dem Menschen alimentiert werden, die nicht regelmäßig einem steuer- und sozialversicherungspflichtigen Erwerb nachgehen wollen. In anderen Aktivitäten sind und bleiben wir Weltmeister – weil niemand uns den Titel streitig machen will: Verwaltungsvorschriften [neu schaffen, ergänzen, erweitern, zusätzliches Personal zur Durchsetzung einstellen (dort finden sich diejenigen, die als Fachkräfte in produktiven und dienstleistenden Gewerben fehlen!)], Gendern und Political Correctness. Es braucht keine neue Offensive, wir brauchen nicht noch eine weitere Wende – es braucht ein nationales Reset: Den Begriff „Schwerpunkt“ oder „Platz eins“ kann es nur im Singular geben; danach muss priorisierend gereiht werden: Was können wir uns in welcher Reihenfolge leisten – mit der Zielsetzung, wieder den Anschluss zu erreichen – nicht nur auf dem Bahnsteig.
P.S.: Ceterum censeo Kassenärztliche Vereinigung esse delendam! (frei nach Cat d. Ä.)
Klaus Thomas Kumpe

Ich bin vollkommen einer Meinung mit Ihnen, wenn Sie die Peinlichkeiten der deutschen Infrastruktur in Ihrem Artikel vom 27.06.24 in „Die Zeit“ beschreiben. Die Deutsche Bahn als Paradebeispiel aufzuzeigen, fällt leicht, da sie immer wieder den Vorurteilen genügt. In der täglichen Kommunikation mit dem Handy wird dies aber noch viel deutlicher, zumindest auf dem Lande. Ein Gast aus Holland machte mich darauf aufmerksam, er erklärte mir, dass das Wort „Funkloch“ eine deutsche Erfindung ist. „Kindergarten“ als deutsche Wortschöpfung im Angelsächsischen ist positiv zu bewerten, aber das Wort „Funkloch“ ist keine Werbung für unser Handynetz. Ich denke, die Weiterentwicklung unseres Landes liegt nicht am fehlenden Geld, sondern an den Menschen, die es verteilen und wenn sie es dann haben, nicht sparsam und zielgerichtet einsetzen oder nicht einsetzen können aus Mangel an geeignetem Personal. 15 Milliarden Schuldenerlass für viele Länder* und Kreditvergabe an Länder wie zum Beispiel China, wo ich keine Bedürftigkeit erkennen kann, lässt mich doch sehr an unseren von uns gewählten Volksvertretern zweifeln! Wer wird da von den Parteien zur Wahl aufgestellt? 15 Milliarden an Krediten zu vergeben, um sie dann abzuschreiben, ist auch ein Armutszeugnis für die Vergabepolitik und zeugt nicht von Hilfe zur Selbsthilfe. Almosen stärken nicht die Eigeninitiative.
Wolfgang Müller

Die vielfältigen Erfahrungen, die ausländische Besucher der EM in Deutschland mit den chaotischen Verkehrsverhältnissen bei uns gemacht haben, werden wohl dazu führen, dass in den nächsten Jahren die Ausrichtung von internationalen Veranstaltungen nicht nach Deutschland vergeben werden.
Horst Landsiedel

Typisch deutsch ist, immer nur das Negative zu sehen und vor allem herauszustellen. Hinzu kommt die erschreckend inhaltliche Leere dieses Leitartikels. Wie schon in dem erwähnten Beitrag in der New York Times beschränken sich die natürlich zu kritisierenden Vorfälle auf die Deutsche Bahn. Dass Herr Schulze Pals als zweites und im Übrigen letztes angebliche Problem die Warnung eines britischen Moderators, Bargeld mitzunehmen, thematisiert, hat wenig mit Fakten zu tun. Vielleicht war der britische Moderator zuletzt vor zehn Jahren in Deutschland. Wenn ein solch inhaltsloser Artikel es zum Leitartikel in Die Zeit schafft, dann ist vielmehr der Journalismus in Deutschland ein Problem. Klar, es gibt infrastrukturelle Schwierigkeiten. Und ja, Deutschland muss dringend aufholen und das in vielen Bereichen. Nur hat das wenig mit der EM zu tun. Vielmehr zeigt Deutschland als Gastgeber der EM eine andere Seite: Weltoffenheit, Freundlichkeit, Gastfreundschaft und so viel Positives mehr. Das wäre einen Leitartikel wert gewesen.
Sven Rothfuß

Die Bahn will nicht. Es geht nämlich nicht nur um Dinge, die Geld kosten. Seit mehreren Jahrzehnten sind die Informationen der Bahn unzureichend, bleiben ganz aus oder sind gar falsch. Weil z. B. Züge angekündigt werden, von denen dem Unternehmen längst klar ist, dass sie nicht fahren werden. Das hat mich schon Unmengen an Zeit gekostet. Trotz vieler Hinweise und Beschwerden unterlässt die Bahn jedoch selbst jene Änderungen, die ohne Geld machbar sind: Das Personal korrekte Informationen an die Anzeigetafeln senden sowie korrekte und auch verständliche Durchsagen machen lassen. Dass die Technik der Lautsprecheranlagen überholt werden muss, stimmt zwar. Aber mit „deutlichen Worten“ statt genuschelter Infos in Dieter-Thomas-Heck-Tempo wäre schon vieles besser. Ich kann daraus nur schließen: Die Bahn will einfach nicht!
Peter Scheibl

Die Schwächen der Bahn sind ja inzwischen allseits bekannt und die neuesten Beispiele teils geradezu irre. „Late in Germany“ statt „Made in Germany“, das ist eine peinliche Ernüchterung, aber nicht nur für die Regierung(en) unseres Landes, sondern weitgehend auch für die ganze Gesellschaft, die die bekannten vorhandenen oder fehlenden Prioritäten der Regierungsparteien ja mehrheitlich gewählt haben und die auch vieles gemacht oder unterlassen und gefordert haben, auch in Tarifkämpfen (insbesondere der GDL), bei der Anzahl der Kinder, bei Schul- und Berufsverhalten und Berufswahlen, bei der Integration und Sprachbildung und Ausbildung von Migranten, bei der teils freiwilligen Wahl des Renten- oder Pensionseintritts, was zu einer guten und bezahlbaren Funktion aller Strukturen und Aufgaben des Staates und der Gesellschaft in Konkurrenz tritt oder sie massiv behindert. Milliarden Euro und teils Arbeitsstunden können ja nicht allein von einem Ministerium „gegeben“ werden, sondern müssen auch von den Menschen erarbeitet werden, entweder oft zusätzlich oder auf Kosten von Arbeit für weniger prioritäres. Da herrscht in Japan z.B. immer noch ein viel besseres Maß an Gemeinsinn und Pflichtbewusstsein. Natürlich gibt es inzwischen immer wieder erschwerende Umstände durch immer neue Krisen, die allerdings wie der Sanierungs-Rückstand oft fahrlässig provoziert worden sind, statt ihnen besser vorzubeugen. Geld und Arbeitskraft wurde vielfach für populäres bzw. Wahlgeschenke geopfert, statt für die fernere oder auch nur mittelfristige Zukunft. Der „Wille“ fehlt allzu oft nicht nur in den Regierungen und Parlamentsmehrheiten, sondern auch Medien und Wähler stellen oft an auch bitter nötige Projekte Bedingungen, die in der Summe auch die beste Regierung nicht erfüllen kann — oder darf, will sie denn das jeweils aktuelle Problem nicht nur durch Schaffung baldiger oder künftiger anderer oder neuer Probleme und Krisen bewältigen.
„Das soll uns nicht nochmal passieren!“ Das wäre eine gute Reaktion und Haltung zur Lage. Aber wie und von welchen Mitteln nun alles besser und mehr machen? Und woran hat es gehapert? Da fasst sich kaum jemand an die eigene Nase, erst recht nicht die Kritiker aus den Medien und der Opposition, die meist selbst irgendwann mindestens indirekt zur Entwicklung beigetragen haben. Immer wieder werden Sündenböcke situativer oder menschlicher Art gesucht und gebrandmarkt, um nicht ernsthaft etwas ändern zu „können“ oder für die Regierung erst möglich zu machen, statt auch eigene bisherige Fehler und Illusionen einzusehen, zu erkennen und endlich auch Lösungswege zu akzeptieren, zu beschließen und auch zu gehen, die nicht zu den populären, den bequemen, den für einen selbst billigen und verzichtsfreien gehören. Sie haben völlig Recht: Es gibt Kippunkte, im Klima, in der Gesellschaft, aber auch in der Infrastruktur, nach denen etwas kaum noch rettbar oder reversibel ist. Dass die Nationalmannschaft noch lange nicht alles, aber einiges an Besserung erreicht hat, ist ein sehr guter Vergleich: kürzlich gab es in meiner Tageszeitung einen Kommentar „Deutsche, stellt das Meckern ein“, der auch auf die Leistungen der National-Fußballmannschaft verwies. Es war ein guter Appell und ein schönes Gedankenspiel, aus dem man noch viel mehr lernen konnte und kann: Man stelle sich vor, die Mannschaft würde sagen „Wir tun lange genug; der Trainer muss mehr machen — nur er –; eine bessere Strategie, bessere Motivierung, bessere Einschätzung der Konkurrenz-Mannschaften, mehr Optimismus vermitteln, noch höhere Prämien vermitteln“.
Vieles davon kann nicht schaden. Aber wenn die Spieler sich darauf beschränken, sich zurücklehnen ohne Bereitschaft mehr als bisher zu lernen, zu üben, aufeinander zu achten, sich abzustimmen, kreativ zu sein, auch zusammen mit unentbehrlichen Spielern mit Migrationshintergrund, sich auch außerhalb der Spiel- und Trainingsfelder gesund zu verhalten, vielleicht sogar in dieser Herausforderung mehr Freizeit und „Konsum“ erkämpfen, was könnte dann der beste Trainer der Welt noch ausrichten? Es kommt halt auf jeden an; und das gilt nicht nur auf dem Fußballplatz, sondern in jedem Gemeinwesen, in jedem Staat, wo oft viel zu viel allein von der Regierung erwartet wird, und eher immer weniger von allen anderen. Man hat den Effekt in deutschen Länderspielen schon erlebt, nachdem Berti Voigts, der mit den Europapokal geholt hatte, seinerzeit „in die Wüste geschickt wurde“ weil die Leistungen schlechter wurden. Bei den folgenden Nationaltrainern wurde es nicht besser, sondern nur noch schlimmer. Manchmal müssen viele sich auch an die eigene Nase fassen, nicht nur an die des Trainers oder der Regierung.
Peter Selmke

Typisch deutsch ist peinlich. Typisch deutsch ist negativ konnotiert. Keiner will typisch deutsch sein, aber die Züge der Deutschen Bahn sollen trotzdem zuverlässig und pünktlich fahren. Das kann nicht funktionieren. Was Franzosen, Engländer und Spanier von unserer Bahn oder uns Deutschen halten ist weitgehend irrelevant. Wichtig ist, wie wir uns selbst sehen. Diesem Land täte eine positive Erzählung gut, die bei allen Menschen Lust auf Identifikation weckt. Bislang streben in Politikbetrieb und Medien nur die AfD und ihre unsäglichen Presseorgane nach einem solchen Kulturwandel. Und zwar indem sie sich anschicken, die ranzigen Essensreste von letzter Woche ein drittes Mal aufzuwärmen. Nicht lecker! Bei den demokratischen Parteien sowie den sogenannten „Mainstream“-Medien vermisse ich positive Erzählungen jedoch fast komplett, außer es findet gerade ein großes Fußballturnier statt. Traurig! Dabei wäre mehr Identifikation nötig, damit Deutschland wieder näher zusammenrückt, die Menschen im Land füreinander einstehen wollen, und sich nicht an Stellvertreter-Problemen abzuarbeiten brauchen. Vielleicht reicht dann auch die Kraft, um auch die Deutsche Bahn wieder in die Spur zu bringen.
Maximilian Philipp

 


 

Leserbriefe zu „Sie war Deutschlands bekannteste Ermittlerin im Kampf gegen milliardenschweren Steuerbetrug“. Gespräch mit Anne Brorhilker geführt von Ingo Malcher et al.

Die Hunderten von Cum-Ex-Betrügern, die vom Staat eine Steuererstattung erhalten haben, für die gar keine Steuern gezahlt worden sind, war er es eine Staatsanwältin, die überhaupt in der Lage war für den Steuerzahler zu kämpfen. Auch der Politik war dieser Tatbestand bekannt und bewusst – angefangen von Wolfgang Schäuble ehemaliger Bundesfinanzminister bis zu Olaf Scholz in Hamburg, das hier ein Steuerbetrug vorliegt. Wenn Anne Brorhilker als Staatsanwältin hier jede Unterstützung gebraucht hätte, geschah das Gegenteil. Wegen mangelnder Unterstützung, den sicheren Job als Beamtin das Handtuch geschmissen. Mein Respekt für diese Haltung – während die Medien im Vorfeld lieber erst gar nicht berichtet haben – die Zeit-Überschrift: wie der Staat sich wehren kann, verfälscht die Wahrheit darüber – das politische Fahrlässigkeit und Aufsicht über die Prüfung durch das Finanzamt – ob die Rückerstattung überhaupt gerechtfertigt ist. Die Hamburger Finanzbehörde musste erst angewiesen werden zu handeln. Verantwortung muss man namentlich, institutionell und schonungslos öffentlich machen. Ohne Kritik- ist Journalismus wie ein zahnloser Tiger und zur Relativierung neigend wenig hilfreich.
Thomas Bartsch Hauschild

Wenn die Banken so wenig Unrechtsbewusstsein zeigen und derart die Aufklärung der gigantischen Betrugsvorgänge blockieren, wie kann man dann noch der Branche Vertrauen entgegenbringen. Bei den großen Betrügern ist es wohl wie bei den kleinen Betrügern: Seriosität dient nur dem Anschein, der den Betrug ermöglichen und nicht als Betrug erscheinen lassen soll. Im Unterschied zu den kleinen Betrügern haben die großen Betrüger allerdings viel mehr Macht, mehr Anwälte, mehr Rechenkapazitäten, mehr Geld. Sie sind globaler aufgestellt und besser vernetzt mit den Staaten. Es handelt sich um international organisierte Kriminalität. Wenn die Banken dem Prinzip folgen „Was nicht verboten ist, ist erlaubt“, dann hilft nur noch eine starke Bürokratie mit engmaschigen Regeln, während doch allseits das Lied der Entbürokratisierung und Eigenverantwortung gesungen wird. Wenn der Staat sich tatsächlich betrügen lässt, da er über die Landesbanken in das Betrugsgeschehen involviert ist, wie kann dann noch Vertrauen in staatliches Handeln entstehen. Wenn die Banken den Staat betrügen, dann betrügen sie die Steuerzahler, letztendlich alle Menschen in unserem Land, die hinnehmen müssen, dass das Geld überall fehlt. Zwischen den zu tragenden Schäden aus dem Betrugsvorgängen der Banken und dem Wirken der Schuldenbremse wird der Spielraum für die staatlichen Ausgaben für unser gegenwärtiges und zukünftiges Leben immer kleiner. Ich wünsche Anne Brorhilker viel Erfolg bei der Finanzwende.
Reinhard Koine

Danke Frau Brorhilker für diesen erhellenden Bericht! Ich bin fassungslos, dass von 1700 Angeklagten nur 17 verurteilt wurden. Das kann man nur als Kapitulation der deutschen Justiz vor der übermächtigen Finanzwelt werten, was ein absoluter Skandal ist. Nichts trifft hier so sehr zu als die Binsenweisheit: „Die Großen lässt man laufen, die Kleinen hängt man“. Was macht eigentlich Justizminister Marco Buschmann? Sieht er sich hier nicht in der Pflicht? Kann es sich Deutschland tatsächlich leisten, sich zweistellige Milliardensummen wegen Steuerhinterziehung entgehen zu lassen, wo dieses Geld doch so dringend z.B. für Infrastruktur und Bildung gebraucht würde? Dass sich unser Kanzler vor allem auch in dieser Angelegenheit zurückhält, ist ja schon hinreichend bekannt, auch was seine „Gedächtnislücken“ betrifft, als er als Hamburger Bürgermeister mit der Warburg- Bank zu tun hatte. Ich bin alles andere als Verschwörungstheoretiker, aber ist es Zufall, dass das Verfahren gegen den älteren Bankenfunktionär der Warburg Bank Christian Olearius, der an Bluthochdruck leidet, eingestellt wurde? Schwer vorstellbar, dass das auch bei einem „Durchschnittsbürger“ passieren würde, der nur wegen einer Lappalie angeklagt würde. Darf die Justiz vor der mächtigen Finanzlobby kapitulieren, nur weil die Verflechtungen zu kompliziert sind? Armes Deutschland! Dann wirst du eben noch ärmer…
Stefan Lang

Es ist erschreckend, wie die Nadelstreifen-Träger aus den allerhöchsten Gesellschafts-, Wirtschafts- und Politikkreisen mit ihrem Zugang zu den Entscheidungsträgern aus der Politik und der Verwaltung ohne jeden Skrupel die Gesellschaft in den Cum-Ex-Fällen um Milliarden betrogen haben. Lob und Anerkennung für die Staatsanwältin Anne Brorhilker, die ganz offensichtlich in ihrer Verantwortung nunmehr nach dem Ausscheiden aus der staatlichen Verwaltung andere Wege gehen muss, um die Aufklärung der Betrugsfälle weiter zu betreiben. Möge Ihr Artikel weitere Entscheidungsträger dazu veranlassen, Frau Brorhilker wirksam zu unterstützen.
Hans Josef Henerichs

Vielen Dank, dass Die ZEIT noch einmal auf den dreisten Steuerbetrug eines kriminell- organisierten Kartells aus Politik, Banken, Anwälten, Steuerberater, Promi-Millionären und weiteren Millionären aufmerksam macht. Der Bericht macht den Leser fassungslos und man weiß gerade nicht, worüber man mehr empört sein muss: über die Hilflosigkeit und strukturellen Defizite der deutschen Justiz oder über das erbärmliche Verhalten der deutschen Finanzlobby und deren Klientel. Oder muss der niedliche Begriff „Finanzlobby“ nicht, viel zutreffender, in Finanzmafia übersetzt werden: kriminell, korrupt, klandestin. Damit ist nicht nur der jahrzehntelange tatsächlich kriminelle Betrug der Branche am eigenen Staat und zulasten der Mehrheit der Bürger gemeint, sondern auch die Rolle dieser Finanzmafia in der Ermittlungs- und Aufklärungsphase. Einerseits ist in den letzten Jahren in Deutschland bei vielen Global Playern erfreulicherweise eine zunehmende Orientierung von Unternehmensführungen an Business-Ethics und Corporate Social Responsibility zu beobachten. Damit wird gleichzeitig auch ein Bekenntnis von Vorständen und Aufsichtsräten gegeben, Verantwortung jenseits von Cash, Market Value und Earnings-per-Share zu übernehmen – für Gesellschaft, Zivilität und Ethik. Andererseits haben namentlich der Bundesverband Deutscher Banken sowie die führenden deutschen Großbanken, bisher keinen einzigen positiven Impuls für die Wiederherstellung von Recht und Gesetz durch die Justizbehörden geleistet. Im Gegenteil, mit 100-ten von Anwälten habe einzelne Großbanken gar versucht, das eigene kriminelle Verhalten zu verteidigen. Mit freundlich-mafiöser Unterstützung der eigenen Lobby.
Mit diesem Verhalten, ebenso wie mit öffentlichem Schweigen, Abstreiten, Relativieren, mit einer durch-und-durch technokratisch-juristischen Sichtweise auf das Thema („nicht explizit verboten“) machen sich die hier Genannten zu Mittätern und bedienen damit gleichzeitig auf unheilvolle Weise das Ressentiment von der „globalen Elite“, die sich nicht um den Bürger schert, sondern reine kapitalistische Eigeninteressen verfolgt. Wie wir alle wissen, spielt genau das auch den rechtsextremen Antidemokraten in unserem Land in die Karten. Die AFD lässt grüßen. Höchste Zeit, dass sich der Bundesverband Deutscher Banken und die Vorstände der deutschen Großbanken endlich gemeinsam eindeutig positionieren. Leadership mit Haltung und Execution-Mentalität in der Aufklärung ist dringend gefragt. Benötigt werden Persönlichkeiten der Branche, die bei Cum-Cum und Cum-Ex voranschreiten, in die richtige Richtung, Vorbildfunktion ausüben, Aufklärung und Justiz nicht behindern und verklagen, sondern proaktiv unterstützen. Die schwarzen Schafe aussortieren und hart bestrafen. Den einst guten Ruf der Branche zu Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit wieder herstellen. Aufklärungs-Ergebnisse liefern und eindeutig kommunizieren. Klare, über jeden Zweifel erhabene, öffentlich kommunizierte Selbstverpflichtungen der hier Genannten könnten z.B. ein erster Schritt in diese Richtung sein. Keine Lippenbekenntnisse, kein Greenwashing.
Wir dürfen gespannt sein, ob die führenden millionenschweren Manager dieser Branche dazu die Kraft, den Wilen und Haltung aufbringen. Sollte es in der Branche jedoch an Haltung und Leadership mangeln, und/ oder an entsprechenden Persönlichkeiten mangeln, darf sich die Branche schon mal am Vorbild Anne Brorhilker orientieren. Soweit sich die Branche mit diesem Vorbild überfordert fühlen, kann als weitere Orientierung das Vorbild „Richter-Courage“ (DIE ZEIT 14/2020), Roland Zickler, empfohlen werden und dessen Frage an Politik, Banken, Rechtsanwälte, Steuerberater, Millionäre, „ob wir (weiterhin) in einer Gesellschaft leben wollen, in der jeder jeden bescheißt“.
Hans-Jörg Glaß

Erschütternd, beschämend! Ich schäme mich für die Justiz, der ich ein Arbeitsleben lang angehörte. Ich schäme mich, dass sie es nicht fertigbrachte, eine engagierte Staatsanwältin personell so auszustatten, dass sie jederzeit auf fachlich spezialisierte “Zuarbeiter” hätte zugreifen können. Und ich schäme mich noch mehr dafür, dass es die StA nicht geschafft hat, eine so hoch motivierte und inzwischen auch hoch spezialisierte Mitarbeiterin zu halten. Ich schäme mich für eine Anwaltschaft, die ihrer Aufgabe, Organ der Rechtspflege zu sein, offensichtlich nicht gerecht wurde, indem sie z.B. Durchsuchungen eklatant erschwerte. Ich schäme mich für die Sparkassen und Volksbanken, deren Geschäftsidee sich nicht ausschließlich in der Gewinnerzielung erschöpft, dass sie bei diesen “deals” mitgemacht haben. Für die eigentlichen Täter schäme ich mich nicht. Ihnen gelten mein Zorn und meine größtmögliche Verachtung. Jedem, ich wiederhole: jedem, der auch nur über ein durchschnittliches Maß an Gemeinsinn und Anstand verfügte, musste klar sein, dass cum- cum-, wie auch cum-ex-Geschäfte rechtswidrig waren. Etwas anderes widerspräche auch im Übrigen der Logik: man kann sich nicht erstatten lassen, was man vorher nicht geleistet hat. Welches Maß an Verworfenheit ist nötig, um einerseits seine Kinder die Vergünstigungen dieses Staates in Form z.B. preiswerter Schulen und Universitäten genießen zu lassen und andererseits ebendiesen Staat in hinterhältiger Weise um gerechte Steuern zu prellen? Ich versage es mir, an dieser Stelle vulgär zu werden. Der tapferen Staatsanwältin Frau Anne Brorhilker, vor der man nur “den Hut ziehen kann”, wünsche ich in ihrem jetzigen Arbeitsfeld größtmöglichen Erfolg und dafür auch die gebührende Wertschätzung.
Lieselotte Bruhn

Strafverfolgung bei Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäften: Entweder flüchten sich die ganz „großen Fische“ dieser für sie finanziell äußerst lukrativen schmutzigen Deals in Alter und Krankheit (jüngst Olearius) oder, wenn es etwa auch um Sachverhaltsaufklärung geht, in vorgebliche Erinnerungslücken (so v.a. beharrlich ein allseits sehr bekannter Politiker), überdies werden Strafverfolgungsbehörden vielfach auch noch gezielt ausgebremst. Diesbezüglich sind die Interviewaussagen der vorm. Staatsanwältin Frau Brorhilker, der für ihren konsequenten Schritt absolute Wertschätzung gebührt, sicherlich für viele Menschen dieses Landes in jeglicher Hinsicht äußerst erhellend.
Thomas Stähler

Danke, danke für so viele haarsträubende Erkenntnisse über kriminelles Finanzgebaren von in- und ausländischen Finanzinstituten und ihren willfährigen Helferlein. Und das Allerschärfste in diesem Räubertheater: Das Bundeszentralamt für Steuern, das mit elektronischer Highspeed den Wirtschaftskriminellen – quasi als deren Gehilfe – locker vom Hocker Steuermilliarden zuschießt und das ohne Prüfung von Nachweisen, dass die zu erstatteten Steuern vorher auch tatsächlich einmal entrichtet wurden. Statt in höchst dringliche Infrastrukturprojekte fließen diese Milliarden als Milliardärssozialhilfe vornehmlich ins Ausland in Projekte, von denen der deutsche Steuerzahler wohl kaum profitieren dürfte. Was für ein Wahnsinn! Was könnte man dagegen tun? Erstmal eine kleine Truppe in das Steuerverschleuderungsamt einbauen, das prüft, ob die beantragten Steuern jemals bezahlt wurden. Dafür reicht vermutlich eine Handvoll Beamte und Angestellte. Dann müsste man noch ein paar Hundertschaften damit beauftragen, für die bereits ausgezahlten Erstattungen Nachweise einzufordern und bei Ausbleiben derselbigen Rückforderungen zu erheben und gegebenenfalls mit angemessenen Säumniszuschlägen einzutreiben. Kämen so die verd(c)ummten Steuermilliarden in ein paar Jahren wieder zurück in die Kassen des Finanzministers, könnte der künftig seine lieben Kollegen zu größeren Investitionen auffordern, anstatt sie mit Sparvorschlägen zu quälen.
Theo Zimmermann

Vielen Dank auch an Frau Brorhilker für diese Einblicke in die immer noch so mühselige und schleppende Verfolgung der Delikte des Cum-Ex-Skandals! Sie ist ein leuchtendes Beispiel für gemeinsinnige Motivation und Engagement statt Beamtenmentalität mit Dienst nach Vorschrift, für sich selbst weiter informieren und teils unverschämte Widerstände und Behinderungen ihrer Arbeit — soweit möglich — zu überwinden. Man wundert sich beim Lesen, was alles an betrugsanfälligen Tricks, an zu betrügen geradezu anstiftenden Boni und Karrierebedingungen und Blockade- und Widerstands-Verhalten seitens der meist reichen Täter erlaubt oder an angeblich für den Rechtsstaat unentbehrliche „Freiheiten“ zugelassen wird, und wie wenig manchmal die Vorkämpfer für die finanzielle Grundlage des Sozial-staates und seiner auch sonstigen Aufgaben noch dürfen.  Da sind US-Amerikanische Ermittler teilweise weit besser dran, wo Anlügen von Bundes-Agenten und Behinderung der Justiz strafbar sein können. Es kommt eben nicht nur auf personelle und sonstige Mittel der Ermittler an, sondern vielfach auch auf ihre Befugnisse; ansonsten kann der Rechtsstaat am Ende ganz anders ausgehöhlt und geschädigt werden als durch „zu viele“ Befugnisse von Polizei und Staatsanwaltschaften. Insofern ist ihre Bemerkung allzu berechtigt, „Man müsste die Rechtslage dringend an die technische Realität anpassen, sonst laufen die Ermittlungen ins Leere“. Andere insbesondere in der Politik verhalten sich da vergleichsweise fast resignierend oder defätistisch. Die umfangreichen Schutzvorschriften und rechtsfreien Räume zugunsten von Finanztätern vor allem in anderen Ländern wie Großbritannien oder den Niederlanden sind empörend und zeigen einmal wieder, wie dringend beim Thema Steuern überhaupt mehr globale Kooperation nötig ist, notfalls auch Brandmarkung und Druck gegen egoistisch bleibende Länder, die ihre Kassen und Klientele auf Kosten anderer Länder bereichern. Insofern ist auch das Maß der staatlichen Beweislast irre. Es gibt bei Verfahren zu Medizinischen Schäden ja auch Beweislast-Umkehr-möglichkeiten im Fall der mangelhaften vorgelegten Dokumentation von Tätern.
Dass das alles immer noch so ist, ist sicher auch den unsäglichen ungleichgewichtigen Lobby-Einflüssen der Finanzlobby und auch von Banken zu verdanken. einiges hier berichtete an Worten der Anwälte ist ja geradezu eine Verhöhnung der Ermittler und mit diesen auch des Staates und aller, die eine gute Erfüllung der Staatsaufgaben — z.T. lebenswichtig — brauchen. Man kann all diesen und Frau Brorhilker nur wünschen, dass die Erfahrungen, die Frau Brorhilker „in die öffentliche Debatte einbringen“ will, „um notwendige Veränderungen voranzutreiben“ auch gehört, wahrgenommen und ernst genommen werden. Wenn es viel mehr von ihrer Qualität gäbe, wären die Chancen für alles Nötige incl. der Ertüchtigung des Staates zur Wahrnehmung und Finanzierung seiner Aufgaben deutlich besser als bisher, und auch die Chancen für künftig bessere Strukturen, politische Rückendeckung, Whistleblower-Anreize, Ausstattung mit Personal und Sachmitteln wie auch Befugnissen für die Aufgaben und deren Wahrnehmung seitens der Staatsanwaltschaften. Es erscheint angesichts all dessen irre, dass der Tatbestand der Steuerhinterziehung immer noch nicht zu den (geplanten) Aufgaben eines angekündigten Bundesfinanz-Kriminalamtes gehört.
Peter Selmke

Als die Nachricht an die Öffentlichkeit gelangte, dass Anne Brorhilker ihren Dienst als Staatsanwältin quittiert, war ich mir ziemlich sicher, dass „Die Zeit“ alles unternehmen wird, um der Leserschaft zeitnah ein Interview zu präsentieren. So schaute ich mit Spannung auf diese Ausgabe. Mein Interesse für diesen Fall geht auf das Jahr 1990 zurück, da kannte ich Cum-Ex noch nicht. Aber ich machte im Osten Bekanntschaft mit einem Finanzdienstleistungs- unternehmen, dessen Chef man in den Folgejahren zu einer prominenten Persönlichkeit aufstieg.  Dann kamen die ersten Berichte über die dubiosen Finanzgeschäfte auf. Und es tauchte auch der Name des Unternehmers auf, mit dessen Unternehmen ich unmittelbar nach der Wende Kontakt aufnahm. Die Erfahrungen dieser Phase waren sehr lehrreich. Und nun wurde dieser Unternehmer mit Cum-Ex in Verbindung gebracht? Leistungsträger unserer Gesellschaft, gepackt „….von der unersättlichen Gier der Finanzwelt….“ wie man es auf der Innenseite des Einbandes des Buches „die cum-ex-files“ von Oliver Schröm lesen kann. Im Herbst 2021 hielt ich dieses Buch in den Händen und habe es formlich verschlungen. „Ein Wirtschaftskrimi und ein Sittengemälde zugleich“, so steht es auf der Rückseite des Buches. Treffender kann man es nicht beschreiben. Das jetzige Interview mit Anne Brorhilker macht deutlich welche Arbeitsintensität erforderlich ist, um diesen Sumpf trocken zu legen. Und eine Frage im Interview ist wirklich legitim, was sind Wirtschaftskriminelle für Typen? Man kann in unserer Gesellschaft vieles zu Recht kritisieren, viele Dinge laufen nicht wie sie sollten. Tagtäglich werden die Menschen damit konfrontiert. Und daraus resultierende gesellschaftliche Entwicklungen bereiten mir durchaus berechtigte Sorgen. Die Frage ist, wann ist diese Gesellschaft bereit diesen Typen konsequent das Handwerk zu legen? „Wollen wir in einer Welt leben, wo es normal ist, dass jeder jeden bescheißt?“ Diese Frage stellte Roland Zickler, Richter am Landgericht Bonn im Jahr 2020. Für mich wurde Cum-Ex zu einer Inspiration. Ich habe im Herbst 2023 mein erstes Libretto für ein Operettenmusical fertiggestellt, der Titel „Die Göttlichen“. Man sollte sich bei allem gebotenen ernst nicht den Humor nehmen lassen.
Stephan Mücke

 


 

Leserbriefe zu „Sind Schulden eine Last für die Jungen?“ Streit von Max Mordhorst und Carl Mühlbach, moderiert von Nike Mosa und Mark Schieritz

Könnte Deutschland mit zusätzlichen nationalen Investitionen das „Weltklima retten“, so sollte man produktiv darüber diskutieren. Es gehen weltweit immer noch viele neue Kohlekraftwerke in Betrieb, die wachsende Weltbevölkerung vernichtet weiterhin Wälder (= CO2-Senken) zugunsten von Acker- oder Weideflächen (+ Methan-Emissionen bei Wiederkäuern); außerdem gibt es 7 Treibhausgase etc. etc. Die künftig notwendigen „Anpassungslasten“ fallen somit in jedem Fall recht groß an. Oder glaubt Herr Mühlbach an ein „nationales Klima“?
Wolfgang Ströbele

Wenn man das Gespräch so liest, dann kommt man ins Grübeln über die Frage: Lohnt sich das überhaupt? Mühlbach sagt Schuldenbremse stoppt Investition in Bildung und Infrastruktur. Er sagt nicht, dass die Bildung schon seit Jahren vernachlässigt wird. Herrn Mühlbach möchte ich sagen, dass man Gesetze ändern kann, allerdings setzt das Willen voraus. Was sind sinnvolle Ideen Herr Mühlbach? Und noch eins; Mühlbach sagt, Deutschland hatte über Jahre hinweg eine solide Finanzpolitik. Warum, Herr Mühlbach, hat Deutschland einen Schuldenberg von immerhin 2,3 Billionen (nicht Milliarden!!) aufgehäuft? Da kann man doch wirklich nicht von solider Finanzpolitik reden. Leider, leider hat er Mordhorst all diesen Argument nichts entgegenzusetzen.
Manfred Mengewein

Die häufig vorgebrachte Kurzform des Problems oder Dilemmas „Sparen oder Schulden machen?“ ist leider ein bisschen irreführend, eine unzulässig eingeengte falsche Alternative, insbesondere das, was meist damit gemeint ist, nämlich sozusagen „kaputtsparen, Investitionen vernachlässigen oder aber Kredite aufnehmen“. Wo aber sonst noch nicht „gespart“, sondern weniger ausgegeben werden könnte oder Geld kommen könnte für die dringend nötigen Ausgaben nicht nur des Staates, sondern der ganzen Gesellschaft, wird weitgehend verschwiegen oder tabuisiert: Weniger Prestige- oder Luxus-Ausgaben, weniger insbesondere fossile Subventionen, weniger Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst, die oft sehr weit über den monatlichen Einkunftssteigerungen beim Durchschnitt der Deutschen liegen, ergänzt auch angesichts der Demographie, Fachkräftemängel und Renten-Ausgaben des Staates durch weniger oder gar keine Arbeitszeitverkürzungen, angesichts der immer längeren auch relativ gesunden Lebenszeit auch längere Lebensarbeitszeit insbesondere bei einigen Beamtengruppen, die wie bei Feuerwehr oder bei der Polizei bisher teils immer noch schon ab 60 Jahren in Pension gehen, obwohl es dort auch Jobs gibt ohne die besonderen körperlichen Belastungen von Brand-einsätzen vor Ort oder von Straßeneinsätzen gegen muskulöse kriminelle. Mehr gesamte bezahlte Arbeit der Gesellschaft ergibt automatisch und ohne Steuersatzsteigerungen auch mehr Steuereinnahmen des Staates — neben teilweise geringeren Ausgaben insbesondere wenn es um die Lebensarbeitszeit geht.
Im kürzlichen Artikel S. 17 der ZEIT vom 20.6.24 „Muss die Schuldenbremse weg?“ hat Herr Manov schon so vieles gerade gerückt, was an teils gefährlichen Missverständnissen und Mythen zur Schuldenbremse und auch zu den dies bzgl. Aussagen der Wirtschafts- und Finanzexperten wie auch zu den Chancen und Vorteilen einer Abschaffung der „Schuldenbremse“ im Umlauf ist. U.a. wurde das Risiko thematisiert, dass selbst wenn es sich um wirkliche wirtschaftlich wertsteigernde Investitionen handelt, das Geld der Kredite indirekt doch für Konsumsteigerungen ausgegeben wird. Auch zum damaligen Artikel hatte ich schon eine Lesermail geschrieben. Es macht mich manchmal traurig, dass inzwischen die FDP, die ich in anderen Punkten sehr kritisiere, fast die einzige Partei zu sein scheint, in der noch die Schuldenbremse kämpferisch verteidigt wird, während die Union hier gespalten scheint und fast alle anderen, insbesondere die von mir sonst bevorzugten Grünen ähnlich argumentieren wie Herr Mühlbach, etwa dahingehend, dass „Investitionen“ auf Schuldenbasis sich von selbst bezahlt machen wie wenn man ein Haus damit finanziert. In Wirklichkeit wird aber inzwischen fast alles als „Investitionen“ tituliert, auch wenn sie wie bei Reparaturen oder Verfall aufhaltenden Maßnahmen bei einem Haus nicht amortisierende Verbesserungen finanzieren, sondern nur Verschlechterungen vermeiden und damit bestenfalls noch höhere Kosten in der Zukunft. Oft werden auch rein gerechtigkeitsbezogene oder sonstige Moralische Verbesserungen „Investitionen“ genannt, obwohl niemand dafür bereit oder in der Lage ist die Schulden zeitnah zu tilgen auch nicht die Profiteure der Verbesserungen. Es wird auch argumentiert, dass manches wie ein „toter Planet“ oder kaputte Infrastruktur oder kaputte Bildung noch schlimmer wären als ein noch viel höherer Schuldenberg: Vielleicht wahr, aber es schein zynisch, denn jetzigen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen wie auch ihren Fürsprechern nur zwischen diesen Übeln die Wahl zu lassen, um der jetzigen Generation und der großen Mehrheit der Wähler nichts weiter „zuzumuten“ als bisher und keine ihrer Gewohnheiten, Arbeitszeit-verkürzungen und immer längeren Pensions- und Rentenbezüge und Besitzstände anzutasten. Meiner Erinnerung nach hat Herr Mühlbach vor Jahren auch die Meinung vertreten man brauche sich wegen der Tilgungsprobleme der Schulden überhaupt keine Sorgen machen, denn die könne man ja „einfach“ durch Aufnahme immer neuer Kredite zurückzahlen. Da er das hier nicht mehr sagt, hat er vielleicht inzwischen verstanden, dass das ein Schneeball-System wäre, was die Kreditgeber irgendwann auch merken. Aber viele andere Illusionen sind immer noch sehr lebendig.
Herr Mordhorst hat hier mit fast allen Argumentationen Recht. Aber auch seine FDP hat ihre eigenen Tabus und Zynismen gegenüber der kommenden Generation und anderen: so die Weigerung zu irgendwelchen Steuermehreinnahmen oder härteren Verfolgungen von Steuerbetrügen oder Geldwäschen, wie etwa von Frau Brorhilker im Interview auf S. 17 angemahnt, oder die Unantastbarkeiten aller „Freiheiten“ wie Rasen auf Autobahnen, Fliegen für Urlaub und Vergnügen, Genuss von fossilen Subventionen oder Tabu eines besseren Vorbilds von Bescheidenheit bei den Abgeordneten-Diäten oder -Pensionen.  Am glaubwürdigsten bzgl. Zukunfts-Schutz der jüngsten Generation erscheint noch der Grüne Danial Bayaz in seinem Interview auf S. 24, wo er sagt: „. . . gibt es bei manchen auch einen Mythos: Zwischen uns und dem Paradies stehen nur noch Herr Lindner und die Schuldenbremse. Das stimmt nicht.“ Zusammengefasst glaube ich, dass wir wieder viel mehr Verantwortung, Gemeinsinn, Arbeits- und Bescheidenheits-Ethik und langfristiges Denken in der gesamten Gesellschaft brauchen und nicht alles — fast das Paradies — allein von „besserer Politik“ oder den Regierungen erwarten. Wenn man von Letzteren Wunder erwartet, Quadraturen der Kreise oder Waschen, ohne irgendwen nass zu machen: Bei solchen Ansprüchen wird auch die beste Regierung „versagen“.
Peter Selmke

Der erste funktionsfähige Digitalrechner weltweit wurde 1941 von Konrad Zuse gebaut. Die Z3 wurde in elektromagnetischer Relaistechnik ausgeführt. Funktionierte nie, da Relais ein sehr unzuverlässiges Bauteil sind. Wir leben jetzt im Jahr 2024, und diese Verkehrsampel ist in Relaistechnik aufgebaut, eine 83-jährige Schrott-Technologie, in der die „Intelligenz“ des Systems mit „Draht“ verdrahtet ist, und Änderungen an der Funktionalität „Ersatzteile“ benötigen, die „von Hand“ eingebaut und „verdrahtet“ werden müssen. Da tippte kein Polizist auf seinem Handy die Funktionalität um, Ruck Zuck, nein, der Werkstattwagen rollte an, Gartenstühle und ein Sonnenschirm werden aufgebaut, dann wird der Lötkolben angeheizt, grauslich, grauslich. In Sillenbuch war über ein Jahr eine Seitenstraße gesperrt, über ein Jahr standen Autofahrer vor einer roten Ampel, die Motoren liefen. Am Dienstag kommt ein Polizist zu Tode, ein anderer wird schwer verletzt, bei der Polizeieskorte des ungarischen Ministerpräsidenten zum Flughafen kann in der Löffelstraße eine Ampel nicht auf Rot gestellt werden. An der S-21-Baustellenkreuzung, „Unfallbrennpunkt Nummer eins“, krachen, wieder mal, zwei Autos ineinander, jeder behauptet, er hätte grün gehabt. Der „Schaltschrank“, der angekarrt wurde, kostet spielend 30.000,00 €, dasselbe haben die Amerikaner 1971 mit dem Intel 4004 realisiert, heute könnte das ein Attiny-45-20 für 1,60 €, und die Software wäre ruck-zuck angepasst und modifiziert.  Auf unserer S-21-Baustelle wird sowieso nichts fertig, ich behaupte mal: es gibt heute niemanden mehr der sich in dieser hochkomplexen vorsintflutlichen Ampel-Technik noch auskennt, sich in diesen Schwachsinn überhaupt einarbeiten will, und Verantwortung übernehmen will. Selten habe ich in der ZEIT so einen Schafscheiß serviert bekommen. Haben Sie niemanden, der Querliest, bevor Sie Ihren Lesern dieses Zeugs zumuten? „Stuttgart-21“ ist nun mal das Synonym für hemmungslose Geldvernichtung, und die zwei Politiker, Profiteure dieses korrupten Systems, haben Ihnen eine Nebelkerze gezündet, auf die Sie nun mal hereingefallen sind.  „Stuttgart-21“ ist nun mal die Spitze des Eisberges, die Überschrift einer meterlangen Liste von öffentlicher hemmungsloser Geldvernichtung.
Ulrich Bosshammer

Entscheidend ist Generationenbalance. Damit die Jugend nicht bei 0 anfängt, wäre zu unterscheiden zwischen Investitionen für den Grundbedarf wie Schulen oder Straßen und innovativen Projekten, die gewissermaßen die Zukunft bauen. Soweit es um Basics geht, wäre das laufende Budget gefordert ohne Schulden. Sonst ergäbe sich eine eklatante Schieflage zu den konsumtiven Ausgaben, die stets ohne Kredite bedient werden. Es wäre widersinnig, wenn die Steuereinnahmen nur für Beamtengehälter reichen würden, nicht jedoch für Bildung. Zukunftsinvestitionen verweisen dagegen auf einen anderen Planungshorizont. Schulden erscheinen vertretbar, weil erst die nächste Generation davon profitiert. Allerdings kein trivialer Abwägungsprozess, da deren Rentierlichkeit immer eine Unbekannte ist. Da Kinder nicht abstimmen können, sind die Eltern gefordert. In einer repräsentativen Demokratie freilich eher vage austariert. Deswegen aus Prinzip Schulden nur mit verhaltener Dynamik.
Christoph Schönberger

Die Argumentation von Herrn Mühlbach ist bestechend und nachvollziehbar, während Herr Mordhorst sich zumeist im Ungefähren bewegt, Behauptungen aufstellt und Gegenargumente einfach wegwischt, ohne seinerseits ein überzeugendes Argument zu liefern („Ich halte von solchen Studien nicht viel.“ „Dieses Argument wäre doch ein Armutszeugnis…“ u.a.). Und bei Herrn Mühlbachs Vorschlag, Vermögende stärker zu besteuern, behauptet Herr Mordhorst, dass sei das falsche Signal, da sich das Geld bspw. in Unternehmen und Aktien befände. Jedoch ist dies sehr wohl möglich und nötig, wenn zwei Familien in Deutschland mehr Geld besitzen als die Hälfte unserer Bevölkerung. Bspw. könnte man die von Herrn Mordhorst erwähnten Aktien, leistungslose Wertpapiere die Gewinne abwerfen (sollen), statt mit 25% mit 50% Kapitalertragssteuer belegen. Schließlich zahlen ja Arbeitnehmer bis zu über 40% Einkommensteuer. Die Schuldenbremse ist eine Investitions- und Zukunftsbremse. Deren Reform ist notwendig, um auch international wettbewerbsfähig zu bleiben. Wenn die USA und China ihre Industrie fördern, u.a. Inflation Reduction Act, kann man nur bei „Waffengleichheit“ mithalten. Zudem nützt es den heute Jungen morgen kaum, wenn die Infrastruktur noch mehr vernachlässigt wird und sinnvolle Zukunftsinvestitionen (Bildung, Förderung erneuerbarer Energien und innovativer Technologien) ausbleiben.
Auch sollte Herr Mordhorst wissen, dass andere zurzeit wettbewerbsfähigere Länder, z.B. USA und Frankreich, eine fast doppelt so hohe Schuldenquote haben wie Deutschland. Zudem dürfte die Beibehaltung der Schuldenbremse und Kürzungen oder fehlende Investitionen in notwendige Infrastruktur, mittelfristig auch die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung der Ukraine bzw. Flüchtlingen gegenüber verringern. Die Verteilungskämpfe könnten zunehmen, die Gesellschaft weiter spalten. Denn es ist ja kaum zu vermitteln, weshalb während der Pandemie eine Notlage ausgerufen wurde und unter den Bedingungen des Krieges in der Nachbarschaft, die bei uns eine enorme Hilfsbereitschaft mit unabsehbaren Kosten zur Folge hat, keine fiskalische Notlage vorherrscht. Zumal ja nun auch der Verteidigungsetat deutlich ansteigen wird. Im übrigen ist eine höhere Besteuerung besonders reicher Individuen notwendig und gerecht, da diese die Hauptverantwortung für die globale Erwärmung tragen und dadurch auch besonders für die Finanzierung der Förderung erneuerbarer Energien, innovativer Technologien sowie Sicherungs- und Anpassungsmaßnahmen herangezogen werden sollten.
Letztlich ist die Schuldenbremse mit ihrem festgelegten Grenzwert bei der Höhe der Neuverschuldung, was ja Herr Mordhorst indirekt einräumt, „ein Stück weit willkürlich.“ Schaut man in die Vergangenheit und berücksichtigt die Geschichte der Schuldenbremse erweist diese sich ohnehin als äußerst fragwürdig. So stieg nach der Finanzkrise ab 2007 der Schuldenstand der öffentlichen Haushalte an, weil u.a. Banken gestützt oder gar gerettet werden mussten. Die Schuldenquote stieg infolgedessen derart massiv an, weshalb letztlich Maßnahmen beschlossen wurden eine Neuverschuldung zu begrenzen. Das der enorme Schuldenanstieg zunächst aber ein (fast) singuläres Ereignis war, was die Schuldenquote in ungewöhnlich kurzer Zeit eben dermaßen in die Höhe trieb, wurde offensichtlich nicht berücksichtigt. Hinzu kam, dass als Orientierung eines annehmbaren staatlichen Schuldenstandes die EU-Konvergenzkriterien (oder auch Maastricht-Kriterien) herhalten mussten, die ihrerseits letztlich willkürlich entstanden (staatlicher Schuldenstand: 60% des BIP), denn ansonsten müssten ja Volkswirtschaften, deren Schuldenquote weitaus höher ist, als die Deutschlands, im Niedergang begriffen sein. Neben den bereits erwähnten Staaten mit einer etwa doppelt so hohen Quote, wie die Deutschlands, sei noch auf jene von Japan verwiesen: dessen Schuldenstand ist rund 4-mal so hoch wie der Deutschlands! Sicher nicht schön, aber offensichtlich auch keine Katastrophe.
Reiner Gorning

Während allerorten auf den verschiedensten Gebieten Nachhaltigkeit gefordert wird, soll das für die staatlichen Finanzen nicht gelten, wenn es nach den Gegnern und den Reformern der Schuldenbremse geht. Sie vergessen, dass mit der Öffnung der Kreditschleusen die weiterhin notwendige Inflationsbekämpfung der Europäischen Zentralbank (EZB) konterkariert und die Staatsverschuldung zu Lasten der Jugend verteuert wird. Die schon bisher weltweit angehäuften Schuldenberge bedrohen auf Dauer die Stabilität des internationalen Finanzsystems, wie sich auch an den Herabstufungen der USA und Frankreichs durch die Ratingagenturen ablesen lässt. Der Dauerbrenner Schuldenbremse, als Zukunftsbremse verteufelt, macht trotz der immer noch sprudelnden Steuereinnahmen und der weiter hohen staatlichen Investitionsausgaben eine Priorisierung staatlicher Aufgaben und Ausgaben dringend erforderlich, auch wenn diese Zukunftsentscheidungen bei schon jetzt hohen Lasten zwischen Not und Elend getroffen werden. Diesen Mut sollten die Regierungspolitiker endlich aufbringen, um dem Wähler bei seinen Entscheidungen klaren Wein einzuschenken und damit dem Extremismus entgegenzuwirken!
Hans-Henning Koch

Die Frage ist schon vom Moderator falsch gestellt – daher ergibt sich auch keine zufriedenstellende Antwort. Sie hätten fragen müssen „was muss getan werden, um die notwendigen Investitionen zu tätigen?“ Dann wäre man – hoffentlich – darauf gekommen, dass lt.  Bundesumweltministerium rund 70 Mrd. Euro jährlich für umweltschädigende Subventionen ausgegeben werden (Diesel-Privileg, Entfernungspauschale, Dienstwagenpauschale….machen davon fast die Hälfte aus). Wenn man noch das Ehegattensplitting dazurechnet, erreicht man fast 100 Mrd. Meist rückwärtsgewandte fehlende Ausgaben, die nur bestimmte – meist FDP – clientèle bedienen bzw. stillhalten sollen. Warum will unser Bundesfinanzminister nicht einsehen, dass er bei kompletter Streichung die Hälfte für Steuersenkungen, die andere Hälfte für Zukunftsinvestitionen verwenden könnte? Diese Frage an H. Mordhorst fehlt leider völlig.
Volker Ollesch

 


 

Leserbriefe zu „Für so kleine Ziele springt doch keiner ins Feuer“ von Mariam Lau

In der neuesten Ausgabe vom 27.06.2024 schreiben Sie ein ganzseitiges Porträt über Benedikt Kaiser, einen der extremsten Sprecher der AfD. Mehr oder weniger unkommentiert werden seine Aussagen reproduziert und einem Menschen eine Plattform geboten, der das Lebensrecht von Millionen von Deutschen in Frage stellt. Warum die Zeit das für notwendig hält, ist mir ein Rätsel. Einen Erkenntnisgewinn bringt das Porträt meines Erachtens nicht, jedenfalls nicht in einem Maße, der die Präsenz und damit Normalisierung rechtsradikaler Position rechtfertigt. Dass die Zeit sich nach all den Jahren der erstarkenden rechtsextremen Parteien dieser Verantwortung weiterhin nur stellt, indem sie sagt sie beziehe alle Meinungen in den Diskurs ein, ist meines Erachtens leider sehr traurig und realitätsfern. Es schmerzt, das lesen zu müssen. Nicht, weil ich die ZEIT nicht für ein tolles, relevantes Medium halte. Sondern weil die großen Sorgen vor einem Erstarken der AfD offenbar für die ZEIT kein Anlass sind, rechtsextremen Hasstheoretiker*innen keine Plattform zu bieten.
Simon Jantzen

Seit wann tritt die ZEIT in Person von Frau Lau als Entlastungszeugin für vermeintliche „ehemalige Neonazis“ auf? Herr Kaiser ist und bleibt ein Nazi. Die pseudo-akademische Verhüllung seiner menschenfeindlichen Ideologie ändert nichts daran. Eine ernstzunehmende Distanzierung von Gruppen wie den „NS-Boys“ oder den „Autonomen Nationalisten“ ist nie erfolgt (wird im Text von Frau Lau sogar erwähnt), von einem Ausstieg nach den Kriterien einer Organisation wie „Exit“ ganz zu schweigen. Auch seine enge Bande zu den extrem rechten Akteuren innerhalb der AfD wie Helferich („Das freundliche Gesicht des NS“) spricht eigentlich eine deutliche Sprache. Wie kommt Frau Lau also dazu, Herrn Kaiser als geläuterten „ehemaligen Neonazi“ darzustellen? Derlei Texte lassen mich an der Sinnhaftigkeit des fortwährenden Bezugs meines Abos zweifeln.
Malte Dreier

Ich bin nachhaltig irritiert von Mariam Laus Beitrag in der Ausgabe 28, in der sie Benedikt Kaiser ein Porträt angedeihen und ihn dann noch munter vor dem Karl-Marx-Denkmal für ein Foto posieren lässt. Der Artikel meint zwar, einen inhaltlichen Mehrwert zur sogenannten Neuen Rechten zu liefern, scheitert aber darin auf ganzer Linie: Die Gesprächspassagen mit Kaiser geben keine zusätzlichen Informationen, eher bekommt man den Eindruck, da doch einen vernünftigen jungen Mann kennenzulernen, der sich gewählt ausdrückt und belesen ist – über seine Zeit bei den Autonomen Nationalisten, also einer gewalttätigen Nazi-Organisation wird dann auch geschwiegen, denn Kaiser selbst will nicht darüber reden, der Beitrag Mariam Laus dazu bleibt erschreckend oberflächlich. All das, was Kaiser von sich gibt, ist ohne weiteres den einschlägigen Publikationen zu entnehmen. Warum also diese Aufmachung? Alles, was im Artikel steht, ist längst bekannt. Das Projekt Schnellroda, die Verlage und die Akteure sind bereits mehrfach analysiert und diskutiert worden. Dass es sich dabei um belesene Faschisten handelt, überrascht nun wirklich niemanden mehr. Längst beschäftigt sich auch die Wissenschaft mit dieser Strömung des Rechtsextremismus. Anstatt aber diese bestehende Expertise zu befragen, entscheidet sich Mariam Lau dazu, die Gedankengänge von Kaiser und Konsorten nachzuerzählen. Der Tiefpunkt steht schließlich bereits im Teaser: „Früher Neonazi, heute Vordenker der Neuen Rechten“ – als wäre das ein Widerspruch. Nur weil Kaiser sich heute vielleicht nicht mehr aktiv in militanten Gruppen organisiert, heißt das weder, dass er Gewalt gegen den politischen Gegner ablehnt, noch dass er sich inhaltlich davon unterscheidet. Wer den Wechsel der Organisationsform mit einem Wandel der Ideologie verwechselt, sollte sich vielleicht die einmal selbst gestellte Frage stellen: „Oder soll man es lassen?“ Kurzum, ein ärgerlicher, schlecht recherchierter Artikel, der am Ende nur zu einem führt: zu einer Normalisierung von bekennenden Menschenfeinden als Gesprächspartner für deutsche Leitmedien. Wenn man den ideologischen Strömungen im gegenwärtigen Rechtsradikalismus ganz zu Recht nachspüren will, so kann man das tun, ohne ihren Protagonisten wohlige Gespräche anzubieten.
Steffen Göths

Den Begriff „Rechtsintellektueller“ habe ich erstmalig in dem Portrait Benedikt Kaisers entdeckt. Bisher fehlte mir ein Existenzbeweis. Gibt es wirkliche Intellektuelle, die richtig rechts sind? Man muss Herrn Kaiser zugestehen, dass er einen interessanten Gedanken bezüglich der anstehenden Wahl in Thüringen ausformuliert: „Selbst 30% erreichen, die CDU in eine fragile Linkskoalition mit SPD und BSW zwingen … bei der nächsten Wahl CDU pulverisieren.“ Eines muss man dem Mann lassen: Er hat Visionen oder schlimmer noch: Einen realistischen Blick auf die Lage. Ähnlichen intellektuellen Scharfsinn vermisst man – wie trefflich im Dossier dargestellt — bei der erwähnten CDU. Diese ist in Thüringen zerrissen zwischen Skylla und Charybdis. Und von Westen her wird in bekannter Manier Kommando gegeben: Die Brandmauer muss stehen bleiben! Ich bin nicht im Osten sozialisiert, kann also nur in aneignerischerweise darüber spekulieren, wie Lebensgefühl und Lebenslage im Vorfeld der Wahl sind. Jedoch, so denke ich, dass Trotz eine zutiefst menschliche Verhaltensweise ist, im Osten ebenso wie im Westen. Auch bei Erwachsenen, die in Erinnerung an längst vergangene Wahlen angesichts gut gemeinter Ratschläge das altbekannte Gefühl haben, schon wieder keine Wahl zu haben. Dass Angela Merkel seinerzeit mit beteiligt war, die Wahl des FDP-Manns Kemmerichs zum Ministerpräsidenten schnellstmöglich „rückgängig“ zu machen, zahlt ebenfalls auf dieses Konto ein.
In Ermangelung eigener Gegenstrategien wird im Dossier den Christdemokraten eine Handlungsempfehlung vorformuliert: Cave CDU, bloß nicht nach rechts rücken. Im renommierten Oxford und an anderen Unis sei erarbeitet worden, dass sich für konservative Parteien eine Anbiederung an Rechtsradikale nicht auszahle. Auch ohne Studie kann man getrost behaupten, dass sich „rechts blinken“ langfristig rächt, wenn danach geradeaus weitergefahren wird. Wähler demonstrieren mitunter in der Wahlkabine Erinnerungsvermögen. Erschütternd an den Thesen Kaisers ist, dass ein gefährlicher Realismus aus seinen Worten spricht. Da wird keine völkische Allmachtsphantasie verkündet. 30% bei einem aktuellen Umfragestand von 28% zu erwarten, ist nur verhalten optimistisch. Es wird nicht von einer absoluten Mehrheit geschwafelt, sondern davon, dass man sich ruhig eine Legislatur lang Zeit nehmen kann, um die CDU zu pulverisieren. Zu einem letzten vielleicht noch interessanteren Aspekt: Die zukünftige Ausrichtung der AfD. Meine persönliche Prognose wäre eine aktive so wie bedächtige (Schein)ziviliserung der Partei gewesen. Kaiser lehnt so ein Vorgehen ab und deutet mit dem ausgestreckten Arm nach Rechts. Das entspricht dem Prinzip „mehr vom selben“. Dass dies zu ernsthaftem Gegenwind und einem Überspannen des Bogens führen könnte: Für ihn Papperlapapp. Soll die AfD seiner Empfehlung folgen, bleibt zu hoffen, dass es mit der rechten Intellektualität dann doch nicht so weit her ist und er sich irrt.
Maximilian Trattenbach

Ich bin entsetzt über das Foto, das den Artikel über Benedikt Kaiser in der aktuellen ZEIT begleitet. Wie kann man einen Neonazi so heroisch stilisiert ablichten? Die Perspektive von leicht unten, mit dem Marx Denkmal im Hintergrund, lässt den Betrachter zu Benedikt Kaiser emporschauen. Auch die Tatsache, dass der Fotografierte nicht direkt in die Kamera schaut, sondern in die Ferne, stilisiert ihn in einer Weise, die jede PR-Agentur glücklich machen würde – aber bitte nicht als Bebilderung eines journalistischen Artikels. Jede*r Fotograf*in hat Einfluss darauf, wie man sein Objekt in Szene setzt. Hier ist es irgendwie ziemlich schiefgelaufen. Ich beziehe mich hier v.a. auf das Foto in der Print-Ausgabe – das Foto in der Onlineversion ist beschnitten und der Effekt hier nicht so stark wie beim Original.
Emily Pelich

Ich hatte nach 52 Jahren Leserbindung an die ZEIT und mit ganz wenigen Ausnahmen im Besitz fast vollständiger Jahresausgaben die Absicht, weder diese Zeitung weiterzulesen noch zu kommentieren. Der Grund für diesen Verzicht liegt in der Nähe von ZEIT-Journalisten wie Miriam Lau zu rechten Politikern. Nun ist das Fass zum Überlaufen gebracht worden. Dieser Artikel beschönigt mit einer perfiden Sachlichkeit den Stil von Kaiser und lässt damit an allerschlimmste Personen des 3. Reiches wie Göbbels erinnern. Hier liefert eine deutsche Journalistin den Beweis entweder für eine ungeheuerliche Naivität oder für eine unverhohlene Sympathie für einen Menschen, der offen unserer Demokratie angreift und das Ende unserer, auf dem Grundgesetz fußenden Zivilisation erklärt. Mehr Werbung für die Ideen der Neuen Rechten und für die Ankündigung des von dort avisierten Umsturzes geht nicht. Die unbeugsamen Jünger dieser teuflischen Absicht werden den „bad News are good News“ nur zur gerne folgen, wird doch einer ihrer intellektuellen Scharlatane durch die ZEIT geadelt. Es wird notwendig, den deutschen Journalismus mit seiner Sicht für rechte Entwicklungen neu einzuordnen. Deren Neigung, sich mit fatalen Persönlichkeiten in Talkshows und solchen Artikeln zu „schmücken“, ist zu offenbar. Ich hege großen Zweifel an einer notwendigen Freiheit dieser sehr speziellen Presse.
Jürgen Dressler

Ist ein sogenannter „Vordenker der Rechten“ etwa kein Neonazi mehr, nur weil er studiert hat? Werden mit dieser Wortwahl nicht gerade die besonders gefährlichen Rechten in den verbalen Adelsstand erhoben? Herrn Kaiser und seine Untertanen dürfte es freuen!
Heike Schwehn

„Früher Neonazi, heute Vordenker der Neuen Rechten: Benedikt Kaiser verordnet der AfD mehr Mut zum Extremen.“ Doch die Resultate der kürzlichen Wahlen zum Europarat und in Paris zeigen zwar, dass rechte Thesen an Akzeptanz gewinnen, doch das gilt eher nicht für extreme Thesen. Extremismus ist nicht geeignet, die aktuellen Probleme zu lösen. Denn diese beruhen auf ungelösten Zielkonflikten. Zielkonflikte, die uns aktuell betreffen, müssen gemeinsam gelöst werden durch das Fokussieren auf ein übergeordnetes gemeinsames Ziel. Ein solches Ziel ist der Ausstieg aus dem exponentiellen Wachstum von Kopfzahl und Konsum der Menschheit. Um dieses Ziel zu erreichen, gilt es den Zielkonflikt zu lösen zwischen den Menschenrechten auf Lebensunterhalt und dem Menschenrecht auf Eigentum. Nach einer akzeptierten Interpretation lässt sich aus den Menschenrechten auf Lebensunterhalt ableiten, dass man mehr Kinder in die Welt setzten kann, als die eigenen Ressourcen erlauben. Das führt in vielen Ländern zu hoher Jugendarbeitslosigkeit und daraus resultierenden Krisen, die erlauben, das Asylrecht in einem nicht mehr verkraftbaren Ausmaß zu nutzen. Das tangiert dann die Eigentumsrechte in den Ankunftsländern der Asylanten. Dieser Zielkonflikt muss im Interesse eines gemeinsamen höheren Zieles gelöst werden, dem langen guten Fortbestehen der Menschheit. Dabei entspricht der Schutz der Eigentumsrechte zurzeit eher einer rechten Denkweise.
Dabei ist jedoch einiges zu berücksichtigen. Zunächst: Niemand hat eine solche Katastrophe über ein Land gebracht wie Hitler. Daher ist extreme Vorsicht angebracht bei Aussagen, die in irgendeiner Weise auch die NSDAP gemacht hat. Eine weitere Feststellung: Alle Menschen sind gleich wertvoll. Doch Unterschiede, auch ungerechte, müssen manchmal in Kauf genommen werden. Das Recht auf Eigentum ist dann eher ein ungerechtes Recht, wenn es von den Privilegierten durch Zufälle und nicht durch herausragende eigene Leistungen erworben wurde. Aber dieses Recht ist trotzdem nötig. Denn unser aktuelles Schlamassel beruht auf einer Art «Tragik der Allmend». Dabei ist die „Allmend“ die begrenzte Tragfähigkeit der Erde in Bezug auf Kopfzahl und Konsum. Das Menschenrecht auf Eigentum, fair angewandt, ist ein Mittel diese Tragik unter Kontrolle zu bringen. Zum Eigentum gehören auch die Vorteile, die mit der Staatsbürgerschaft verbunden sind. Zu offene Grenzen beseitigen das entsprechende Recht auf Eigentum und langfristig wohl auch das Eigentum gleich mit. Zu offene Grenzen reduzieren aber auch in den Herkunftsländern den notwendigen Zwang, mit den eigenen Ressourcen auszukommen. Dabei wäre dieser Zwang ein notwendiges Mittel, den Ausstieg aus dem genannten exponentiellen Wachstum zu realisieren. Ein ungerechter, aber früher nötiger Zwang war die in Europa übliche Regelung, dass ein Kind Hoferbe wurde und seine Geschwister oft nur die Wahl hatten zwischen Kloster und einem Leben als Dienstboten. Eine Familiengründung für Arme und Dienstboten war nicht vorgesehen.
Heute gibt es fairere Mittel, um das Wachstum den Ressourcen anzupassen. Doch diese Mittel müssen genutzt werden. Die genannte historische Erfahrung kann als zusätzliche Rechtfertigung gesehen werden, die demographische Eigenverantwortung einzufordern und nicht durch zu offene Grenzen zu beseitigen. Ein solches Einfordern liegt im Interesse aller Menschen, um den Ausstieg aus dem exponentiellen Wachstum zu erreichen. Sie entspricht aber auch der folgenden Feststellung: Wir alle sind nur Gast auf diesem wunderbaren Planeten und haben daher die Pflicht, diese Lebensgrundlage zu erhalten. Das betrifft Demographie und Ökonomie. Es wäre Aufgabe aller Parteien – im eigenen Interesse – Wege aufzuzeigen, wie die genannte Pflicht – wieder im Interesse aller Menschen – erfüllt werden kann, dies auch durch Sichern und geeignete Interpretation des Menschenrechts auf Eigentum.
Gernot Gwehenberger

Vielen Dank für diesen informativen Artikel über den Vordenker der Neuen Rechten. Aber, was heißt Vordenker? Ist das jemand, der vor mir steht und denkt? Ist es jemand, der zeitlich etwas vor mir denkt? ist es jemand, der in die Zukunft denkt, was eigentlich nicht geht, denn dann sind es Phantasien? Der Begriff Vordenker, so meine ich mich zu erinnern, wurde populär gemacht durch Kurt Biedenkopf, damals Ministerpräsident von Sachsen. Der Begriff wurde von Biedenkopf benutzt, um die Nachdenker als Bedenkenträger zu denunzieren, wobei wir in diesem Land immer schon zu wenig Nach-Denker aber viele Nicht-Denker hatten. Inhaltlich findet sich in dem Artikel im übrigen nur alter Wein in neuen Schläuchen. Vordenker?
Gerd-Rüdiger Erdmann

 


 

Leserbriefe zu „Hilft ja doch“ von Olivia Kortas

In Ihrem Artikel zu den Waffenlieferungen in die Ukraine beleuchten Sie den Aspekt, dass die Waffenlieferungen helfen. Falls Sie damit meinen, dass die Front quasi eingefroren ist, haben Sie recht. was Sie bei der Betrachtung völlig außer Acht lassen, ist der Tatbestand, dass in diesem – wie leider jedem Krieg – tagtäglich Menschen sterben. Am Ende des vorletzten Absatzes erwähnen Sie Entbehrungen der Bürger westlicher Länder. Ja das ist ein weites Thema, wenn Sie es als Entbehrung betrachten, dass zusätzliche Steuermittel für beispielsweise Waffenanschaffungen der Bundeswehr erhoben werden könnten, haben Sie recht. Bisher ist das aber nicht der Fall! In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass nur ein geringer Teil der deutschen Bevölkerung, die Besetzung Deutschlands durch die Russen in der DDR bis 1989 in Erinnerung hat. Insofern ist es sinnvoll zu überlegen, was es bedeutet, dass Putin die Grenzen von 1989 anstrebt.
T. Gruber

Sie schreiben als Quintessenz, die Ukraine sei (dank Handlungsspielraum ihrer Unterstützer) nicht verloren. Das wäre sie jedoch nicht einmal dann, wenn sie Putins formulierte Friedensverhandlungsbedingungen akzeptierte. Verloren wäre die Ukraine damit allerdings für die NATO, und damit ein von den USA (Präsident Clinton) ohne Rücksicht auf russische Befindlichkeiten initiiertes Hegemonialziel verfehlt. Ein US-Präsident Trump scheint diese NATO-Erweiterung aufgeben zu wollen. Dass eine Nation trotz erheblicher Gebietsverluste gut existieren kann, zeigt Deutschland nach dem wegen nationalistisch-maßloser Überschätzung seiner Kräfte verlorenen Krieg. Dass Neutralität und Begrenzung der Streitkräfte kein Hindernis für Prosperität sein müssen, zeigt Österreich, das sich mit Frieden von Besatzungsmächten befreite. Ihre zutreffende Feststellung, Russland sei nicht allmächtig (sichtbar an seinen militärischen Schwierigkeiten in der Ukraine), entlarvt das Schreckgespenst, ohne Niederlage gegen die Ukraine würde Putin weiter nach Westen marschieren (unsere Freiheit sei bedroht), als bloße Kriegspropaganda.
Hans Steffens

Frau Kortas greift leider daneben in ihrem Leitartikel. Dieser liest sich wie eine Aneinanderreihung von herausgesuchten Elementen, die ein wahrscheinlich vorhandenes Wunschdenken untermauern sollen – und gleichzeitig „die Fahne“ hochhalten soll, weil die Bevölkerung im Westen bekanntlich „kriegsmüde“ ist. Es fehlt der Blick auf grundsätzliche realpolitische Fakten, wie die Tatsache, dass die Ukraine rein rechnerisch den Krieg überhaupt nicht gewinnen kann – und auch die USA im Kern kein nationales Sicherheitsinteresse an der Ukraine haben – sonst würden amerikanische Soldaten längst dort kämpfen (vgl. Kissinger, Brezhinski, Mearsheimer). Dazu kommt offenbar eine eklatante Unkenntnis der aktuellen Lage im Donbas, welche deutlich wichtiger ist als die Kämpfe im Raum Charkiw. Genau wie viele westlichen Medien (und evtl. auch die Ukraine selbst) zieht Frau Kortas es nicht in Betracht, dass der Vorstoß in der Region Charkiw nie das Ziel hatte, die Stadt zu erobern. Und dass die ukrainischen Kräfte nicht den Angriff gestoppt haben, sondern dass dies das russische Militär aus freien Stücken getan haben könnte. Dass die EU-Länder die Ausfallrisiken für den 50-Milliarden-Kredit tragen, bleibt ebenso unerwähnt wie die immer noch nicht erschienenen F-16. Warten auf Godot! Auch die ausgesprochen jämmerliche Bereitstellung weiterer Flugabwehr und die erfolglose deutsche Initiative wird nicht erwähnt – bzw. die vernachlässigbaren Erfolge werden erwähnt, als wären es die letzten Grashalme, an die man sich noch klammern kann. Mit einem solch einseitig formulierten Artikel macht sich die Journalistin leider unglaubwürdig. Meinungsmache ist ok – sie sollte aber auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Eine weitere Tatsache: Über die zehntausenden gefallenen ukrainischen Männer wird ebenso wenig geschrieben wie in anderen Medien – und welche demographische, soziale und wirtschaftliche Katastrophe dies für die Ukraine darstellt.
Vincent Gressieker

Na toll, noch mehr Waffen in die Ukraine, das heißt dann auch, dass es noch mehr Tote in der Ukraine geben wird! Die Waffenhersteller jubilieren, die Aktienkurse der Waffenhersteller gehen durch die Decke und die getöteten Soldaten fallen im Kriegsgetümmel, aber die Kriegstreiber wollen mehr und mehr und immer mehr und dieser Herr Selenskyj stachelt weiter alle an: „mehr, mehr, mehr“! Das Spiel scheint längst nicht vorbei zu sein, den die Kriegstreiber setzen weiter auf Krieg!
Klaus P. Jaworek

Es ist wohl weniger der Mangel an Material als der Mangel an Personal, einsatzfähige Soldaten, der der Ukraine in ihrem Verteidigungskrieg mittelfristig deutliche Probleme bescheren wird. Da die benötigten Einsatzkräfte in absehbarer Zeit nicht (mehr) vorhanden sein werden bzw. sukzessive weniger werden und die Aussichten das angestrebte Ziel (die russische Armee aus der Ukraine zu drängen) zu erreichen, gegen Null zu gehen scheinen, wäre es wohl ratsam auch über einen anderen Weg nachzudenken, bevor die Verluste an Leben und Land noch größer werden. Auch wenn Präsident Selenskyj im vorvergangenen Jahr per Dekret Verhandlungen mit Putin verboten hat, wäre es vermutlich empfehlenswert, die von Moskau vor einigen Wochen angedeutete Verhandlungsbereitschaft zu prüfen. Zudem dürfte das unterstützende Umfeld zunehmend unwilliger werden (u.a. Wahlen in den USA und Frankreich) der Ukraine weiterhin bedingungslos zu helfen.
Reiner Gorning

Der Artikel ist politisch kurzsichtig und ethisch bedenklich. Die Autorin setzt auf eine militärische Lösung in der Ukraine, die es nicht gibt. Die verstärkte Waffenhilfe des Westens befördert faktisch den Dauerkrieg, ohne Perspektive und mit unendlichen Opfern. Wie kann das enden, und wann? Darüber sollte man in der ZEIT intensiv nachdenken – und bedenken, dass man dort einst vehement den amerikanischen Vietnamkrieg befürwortete. Der Ausgang ist bekannt.
Ludger Gaillard

Oliva Kortas hofft, dass im Ukrainekrieg mehr Waffen „sehr schnell etwas bewirken können“. Nur drei Seiten weiter wird diese Option in Gestalt des Artikels von Jens Mühling von der Realität eingeholt. Der Ukraine gehen die Soldaten aus. Und ohne Bedienung nützen noch so viele Waffen nichts. Kaum ein junger Ukrainer will in diesem Krieg noch sein Leben geben. Sie sind zu Hunderttausenden ins Ausland geflüchtet. Sie beginnen sich, zusammen mit ihren Familien, dort zu integrieren. Das heißt, in Zukunft geht der Ukraine auch die Bevölkerung aus. Es gibt nur eine Möglichkeit, um noch das meiste von der Ukraine zu retten. Der Westen macht Putin folgendes Verhandlungsangebot:  Die Ukraine tritt das russisch besetzte Gebiet und die Krim ab. Dafür bleibt das ethnisch ukrainische Gebiet mit Kiew und dem Meereszugang in Odessa erhalten und wird in die EU und die NATO aufgenommen. Der neue Staat und Russland starten ein Versöhnungsprogramm. Der NATO-Russland-Rat wird wiederbelebt. Alle Ukrainer können heimkehren.
Peter Hellwig

 


 

Leserbriefe zu „Immer auf die Kleinen“ von Stephan Seiler im ZEIT Magazin

Zum Thema Penislänge fällt mir immer ein Satz meines Kollegen Günter H. ein: Er kann so klein sein wie eine Grammophonnadel – Hauptsache er macht Musik.
Günter Kirchhain

Sorry, aber habt ihr sie noch alle? Mehr als die Probleme von Männern, die ihre Penisse zu klein finden, interessiert mich fast nur noch das Liebesleben von Maulwürfen!
Margit Brauch

Ich (weiblich) danke dem Autor für seinen mutigen Beitrag und will hiermit dem erwarteten Shitstorm etwas entgegensetzen. Mögen ihn viele lesen und (wie ich) darüber nachdenken, was eine unbedachte Bemerkung, ein blöder Witz in den Köpfen (und Penissen) von betroffenen Männern anrichten können. Auch ich bekenne mich schuldig, zumindest mitgelacht zu haben und gelobe Besserung.
Ines Möhring

Ich bitte vielmals um Verzeihung, wenn ich störe – mit meiner unmaßgeblichen Meinung eines durchschnittlichen unbedeutenden Lesers zum Hauptaufmacher in Ihrer letzten Ausgabe, dem Artikel über die Grüße des kleinen Unterschieds. Meine Meinungsäußerung, ist auch nicht ungebührlich lang und das Lesen für Sie nicht zeitraubend, denn es reichen mir dafür drei Wörter: Fade, dumm und prollig. Wie tief wollen Sie denn die Messlatte für das, was Sie wahrscheinlich als Qualitätsjournalismus bezeichnen, noch legen? Sie haben doch einiges zu verlieren, zuvorderst Renommee und außerdem eine – noch – stattliche Zahl an geneigten Lesern. Die Kollegen im deutschsprachigen Ausland wechseln inzwischen von immer heftigerem Kopfschütteln zu unverhohlener Häme in den Kommentaren zu Abstrusitäten, wie sie dieser Artikel darstellt. Er ist schon ein Extrem, aber doch auch stellvertretend für einen generellen Sound, für eine oft übertriebene und manchmal ins Absurde abdriftende Anbiederei an Wokeness und LBTQ sowie einen abstrusen Feminismus. Ich persönlich fühle mich durch eine solche gelinde gesagt Geschmacklosigkeit auf den Schlips getreten. Bitte lassen Sie sich das mal auf der Zunge zergehen; als Liebhaber der deutschen Sprache und des Genderns. Wir – die alten weißen Männer – konnten das auch schon, das Gendern, lange bevor die vermeintlichen Erfinder überhaupt das Licht der Welt erblickten, oder Frauen anfingen, Schlipse zu tragen. Meine Großmutter fühlte sich „auf den Schlips getreten“ wenn Sie sich über eine Respektlosigkeit zu beschweren hatte, und forderte damit Gleichbehandlung ein, denn Männer wurden ja respektiert und trugen als Zeichen ihrer Würde Schlipse. Da musste man allerdings ein Minimum an Grips (Synonym für graue Zellen im Aktivitätszustand) mitbringen, um die ganze schöne Ironie zu genießen – Männlein wie Weiblein. Wenn wir Journalisten und all die anderen mit unserer schönen Sprache befassten Berufsgruppen nicht aufpassen, könnte etwas Wunderbares verloren gehen über allem Gendern und allen Anglizismen und sonstigen oft seltsamen Sprachvereinfachungen, nämlich der Sinn für die feinsinnige ironische Verpackung, der Sinn für die Verwendung von Sprache zum – geistigen – Genuss. Überhaupt fehlt mir bei dem LBTQ- und sonstigem Wokeness-Gedöns heutzutage die Genussfreude. Ihr Artikel zum kleinen Unterschied ist jedenfalls kein Genuss, sondern ein Absacker. Die Gräfin schickt ein „Don‘t“ mit der Luftpost.
Gerlinde Schött-Pascual

Ich bin doch sehr verwundert, wie es dieser unmögliche Artikel in das Zeit Magazin geschafft hat, abgedruckt zu werden. Geeigneter wäre InStyle MEN gewesen.
Heide Dreher

Der hat Eier – der Kleine – einen Text zu einem tabuisierten und persönlichen Thema zu schreiben. Herzlichen Dank für Ihren Mut. Meine Anmerkung gilt dem vom Autor inflationär benutzten Begriff „Pimmel“, der m. E. bereits zeigt, wie sehr der Autor -als erwachsener Mann- in einer sein „bestes Stück“ abwertenden Babysprache verharrt. Wie kann sprachlich ein erwachsener Umgang mit unseren Geschlechtsmerkmalen aussehen? Ich wünsche noch zahlreichen Autor*innen die Eier/ den Mut sich mit diesem Tabuthema an die Öffentlichkeit zu wagen.
Maria Nitsche

Ein ausdrückliches und riesengroßes Danke für den Artikel über Penisse. Sie zeigen mutig, was mir schon lange durch den Kopf geht: dass wir alle Menschen sind und unter geschlechtsstereotypischen Leistungsklischees leiden, wenn wir diese nicht erfüllen. Egal ob Frau oder Mann. Danke, dass Sie diesen Artikel entgegen jeden Bedenkens und Skepsis von außen veröffentlicht haben.
Gabriel Tarmassi

 


 

Leserbriefe zu „Für die einen bin ich der böse Abschiebeonkel“ von Paul Middelhoff

Sie schreiben in Ihrem Artikel, dass Stamp den Herkunftsländern etwas anbieten muss, damit sie ihre Staatsbürger zurücknehmen. Warum muss man ihnen etwas anbieten? Warum kann man ihnen nicht etwas androhen? Zum Beispiel keine Visa mehr für die Eliten, die zum Einkaufen oder für medizinische Behandlungen nach Europa reisen. Und wenn man nicht offen drohen will, wieso bearbeitet man Visa aus diesen Ländern nicht einfach mal etwas langsamer, um die gewünschte Botschaft zu platzieren? Als jemand, der lange Jahre mit Afrika zu tun hatte und dort auch gelebt hat, bin ich zuversichtlich, dass die entsprechenden Länder auf dieser Klaviatur regelmäßig spielen und solche Botschaften sicher auch schnell verstanden würden. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass ein solcher Ansatz zumindest mal diskutiert wird, auch und gerade in einem Artikel wie Ihrem.
Michael Molter

Realpolitisch ist dieser Bericht über Joachim Stamm eine einzige Ansammlung „verlogener Wahrheiten“-der große Bruder von „fake news“. In jedem anderen westlichen Land ist Einwanderung ein restriktiver, rechtsstaatlicher Vorgang, zur, für das Land vorteilhaften, Einwanderung. Da dieser Prozess bei uns chaotisch und unter Missbrauch des Asylrechts abläuft, sind wir, im oben genannten Sinne, kein Einwanderungsland. Da diese Einwanderung bewusst ungesteuert und als Rechtsbruch (fehlende Dokumente, Einwanderung aus sicheren Drittstaaten) geschieht, gilt das in gleicher Weise für Abschiebung. Abschiebung, in welcher Zahl auch immer, ist nicht im Mindesten in der Lage, die Ergebnisse einer chaotischen Einwanderung zu heilen. Der „Sonderbevollmächtigte“ gehört nur zu den vielen kleinen Manövern, die vom Versagen der Regierungen in Berlin und Brüssel ablenken sollen. In diesen Tagen, wo eine unkontrollierte Einwanderung zu immer mehr Todesopfern unter der Bevölkerung führt, in arroganter Weise über Thilo Sarrazin und Kirsten Heisig hinweg zu schwadronieren, ist ein weiterer Beleg dafür, dass es darum geht, von den Ursachen abzulenken. Ich würde mich schämen, daran unkritisch mitzuwirken.
Fred Klemm

Unterm Strich – und dieser Gedanke drängt sich nach der Lektüre des Berichts fast unvermeidbar auf – ist die illegale Migration für die politischen Führungen der Quellenländer ein lohnenswertes Unterfangen. Ihre Verhandlungsposition wird gestärkt, es können Forderungen gestellt werden. Es besteht ein offensichtlicher Anreiz, illegale Migration zu fördern. Dieses Modell scheint vielen (wohl auch dem tapferen Herrn Stamp) alternativlos zu sein, doch viele Wähler wollen diese hilflos und schwach imponierende Position ihrer Länder nicht mehr hinnehmen und suchen nach grundsätzlich anderen Angeboten, welche die vermeintliche „Alternative“ teils schon im Namen tragen. Es ist die hohe Kunst, ein grundsätzlich anderes Modell anzustreben, ohne selbst in leeren Populismus zu geraten. Doch der Drang hin zu einem neuen Masterplan ist bei den wohlwollenden Kräften nicht zu erkennen, und so wird Herr Stamp weiterhin gegen Windmühlen kämpfen, und die AfD wird wohl die Gelegenheit bekommen, zu zeigen, dass sie es noch weniger kann.
Christian Voll

Unsere „wehrhafte“ Demokratie gleicht einem zahnlosen Papiertiger mit stumpfen Krallen: würdeloses Feilschen um eine Selbstverständlichkeit – die Rücknahme ausgewiesener Asylbewerber in ihre Heimatländer! Den Verweigerern, kleinen Möchtegerndiktatoren, kann man nur mit Standfestigkeit, um nicht zu sagen Sturheit, begegnen und mit Finanzentzug drohen: Einstellen staatlicher Förderung und Sanktionen. Großzügige Unterstützung und Hilfe dagegen für Staaten, die kooperieren. Wenn Geld fließt, spricht sich das schnell herum! Wir könnten diese beschämende Bittstellerei vermeiden, indem wir uns wieder der Regeln und Gesetze erinnern, die alle europäischen Regierungen unterschrieben haben: der Asylantrag wird dort gestellt und bearbeitet, wo ein Immigrant zum ersten Mal europäischen Boden betritt! Doch, die Pflichten schiebt man lieber seinem Nachbarn in die Schuhe, die Rechte aber nimmt man gern in Anspruch! Irgendwann wird die EU an den Länderegoismen zerbrechen! Selten nur springen Immigranten über Deutschland mit dem Fallschirm ab; wer etwa in Brandenburg aufgegriffen wird, sollte umgehend nach Polen, in Sachsen und Bayern nach Tschechien zurückgewiesen werden! Praktische Anwendung europäischer Gesetze!
Unsere Asylpolitik verkommt immer mehr zu einer Dauerimmigrationspolitik, die unser Land und unser Wahlvolk längst nicht mehr stemmen kann und will! Jeder wirklich politisch Bedrohte aus Asien oder Afrika wird dankbar sein, wenn er auch in der Türkei, in Albanien oder Bulgarien eine (vorübergehende) sichere Bleibe findet! Er wird nicht darauf bestehen, unbedingt in Deutschland aufgenommen zu werden! Zu unserer beliebten Worthülse „Weltoffenheit“, in der sich Asyl, Flucht und Immigration miteinander vermengen, gesellt sich wie ein siamesischer Zwilling das „Einwanderungsland“. Einwanderungswillige verstehen darunter, dass sie mit dem Wort „Asyl“ hier ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten; der Souverän dagegen, würde man ihn befragen, möchte mehrheitlich selbst auswählen, wer zu ihm passt und wie viele, wen er braucht und wie viele! Dann gelingt auch die Integration: die Eingliederung einer kleinen Minderheit in eine große Mehrheit! Jetzt dagegen, wo zur legalen die grenzenlose illegale Einwanderung kommt, soll eine immer größer werdende Minderheit in eine immer kleiner werdende Mehrheit „pseudointegriert“ werden! Heißt in Wirklichkeit: in immer größere Parallelgesellschaften! Denn immer noch schrillen durch unser Land Angela Merkels Worte deutscher Hybris: wir schaffen das!
Ulrich Pietsch

Wie naiv müssen manche Leute sein zu glauben, dass bei der Behördenfrage nach Asylgründen stets eine ehrliche Antwort gegeben wird? Wäre ich Geflüchteter und hätte eine entbehrungsreiche Odyssee hinter mir, womöglich noch viel Geld an Flucht-„Helfer“ bezahlt, würde ich alles daran setzen hier zu bleiben und auch nicht den Ämtern erzählen: „Auf meinem Mobiltelefon und in anderen Medien habe ich gesehen und gelesen, welcher materielle Wohlstand für mich und mein noch junges Leben möglich wäre. Daran möchte ich auch teilhaben“. Ich hätte ein legitimes Anliegen, aber es wäre eben kein Asylgrund. Die Behörden stehen vor einer kaum lösbaren juristischen wie moralischen Herkules-Aufgabe, jeden Einzelfall in angemessener Zeit zu bearbeiten.
Jörg Weddigen

Herr Spahn, dem gelegentlich lt. Zeitartikel ein feines Lächeln die Lippen umspielt, mag mit seiner „Wirtschaftskompetenz“ ja in der Lage sein, einen bevorzugten Hauskredit über „seine“ Sparkasse Westmünsterland abzuwickeln. In Asylfragen ist er jedoch genauso machtversessen (auf Kritik) wie machtvergessen (bei realen Lösungen) wie die gesamte CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Ob da ein von ihm aus Ruanda mitgebrachtes Asylabkommen der Realität besser standhält als seine Verträge zu FFP3-Masken in der Coronakrise darf man daher wohl bezweifeln.
Martin Hommel

 


 

Leserbriefe zu „Die Ampel hat eine allerletzte Chance“. Gespräch mit Danyal Bayaz geführt von Max Hägler und Ingo Malcher

Ja was! Ein Liberaler, wie ich (mir ihn malen würde), der Finanzminister Bayaz. Die Grünen haben ihn hochgetragen aber überleben kann der Liberale da nicht. Und im Gegensatz zu mir, glaubt der junge Mann noch an dieses Parteiensystem. Ich bin überrascht, dass so eine Pflanze überhaupt noch aufgeht. Aber wo soll sie Wurzeln schlagen, in diesem steinigen, toten Boden? Sie wird verdorren ohne Mehrheitswahlrecht und einem Geist der Freiheit, der den alten Mief aus dem Land orkanisiert (meine Worterfindung). Ach, ich werde alt. Da werden Träume immer wichtiger. Die Wirklichkeit kann mich mal!
Fred Klemm

Richtig: Deutschland funktioniert nicht mehr gut. Wir zehren in einer Zeit, in der es Entwicklungsschübe bei der Modernisierung unseres Landes geben müsste, von der Substanz. Wir sind längst nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Danyal Bayaz überzeugt mit seiner ehrlichen Einschätzung der Lage und mit seinem Vorschlag für eine Agenda 2030. Die Bundespolitik muss endlich ihre Gestaltungsmacht nutzen und eine konzeptionell integrierte Kraftanstrengung auf den Weg bringen. Ja, mehr Leadership! Und Wolfgang Schäuble als Vorbild: Ein glühender Europäer, der den Menschen nicht nach dem Mund redete, sondern ihnen etwas abverlangte! Mehr repräsentative Demokratie wagen! Weniger Eitelkeit! Die Schröder-Regierung hat gegen die Stagnation erst in ihrer zweiten Amtszeit die Agenda 2010 auf den Weg gebracht. Die Scholz-Regierung muss gegen die Stagnation auf den letzten Metern in der auslaufenden Amtszeit eine Agenda 2030 hinbekommen, um die Chance für eine zweite Amtszeit zu haben und die dringend nötige Modernisierung unseres Landes vorantreiben zu können. Es nützt auch unserer Demokratie, wenn sie sich als handlungsfähig erweist. Hoffentlich hört man in Berlin den konstruktiven Zwischenruf aus Stuttgart.
Reinhard Koine

Endlich einmal ein erfrischendes Interview eines Politikers und noch dazu von einem Grünen. Man merkt, dass der Mann vor der Politik noch in der praktischen Wirtschaft tätig war, analytisch denken und praktische Lösungsansätze formulieren kann. Lobenswert, dass er auch mit der eigenen Partei ins Gericht geht. Dass Habeck ein Ausnahmepolitiker sein soll, nehme ich ihm allerdings nicht so einfach ab. Ein Grüner als Wirtschaftsminister ist doch mit sich selbst permanent in der Diskussion und es hier beiden Seiten recht zu machen ist quasi unmöglich. Und wenn er heute deutlich sagt, dass eine Renovierung unseres Landes eher drei Legislaturperioden = 12 Jahre benötigt, ist das eine richtige Aussage, welche in den meisten Köpfen der anderen Politiker jedoch nicht enthalten ist. Dort steht eher der Wunsch nach Kontinuität (keine Veränderung) und die nächste Wiederwahl im Vordergrund. Aber vielleicht hat Herr Bayaz nach der nächsten Wahl die Möglichkeit seine Vorstellungen von der Gesundung Deutschlands an geeigneter Stelle umzusetzen.
Klaus Manzke

Erst heute in meiner Mail zum Artikel „Typisch Deutsch“ über die peinlichen angehäuften Verspätungen und sonstigen Mängel in Deutschland habe ich geschrieben “ „Das soll uns nicht nochmal passieren!“ Das wäre eine gute Reaktion und Haltung zur Lage. Aber wie und von welchen Mitteln nun alles besser und mehr machen?  Und woran hat es gehapert?  Da fasst sich kaum jemand an die eigene Nase … „Herr Bayaz ist anscheinend doch ein positives Gegenbeispiel  mit mehr Ehrlichkeit, Realismus, Nennung der Probleme, Hindernisse, die Notwendigkeit auch den Menschen etwas abzuverlangen  und Versäumnisse beim Namen:  z.B. “ … funktionieren Kernbereiche nicht mehr gut … das (lt. Olaf Scholz kommende grüne Wende und Konjunkturaufschwung) ist trügerisch. … haben wir die beste Zeit hinter uns? … mangelnde Führung an der Spitze … Gesellschaft wird motiviert, wenn man ein positives, aber realistisches Bild von Zukunft zeichnet und sagt:  Der Weg dorthin ist mit Zumutungen verbunden, aber er lohnt sich … Gegensätze wurden anfangs mit Geld überdeckt. Dann kam das Urteil aus Karlsruhe … klar, da ist eigentlich nichts dahinter … Ampel hat noch eine allerletzte Chance. … Muss über sich hinauswachsen … Agenda 2030 … noch recht guten Arbeitsmarktzahlen überdecken die gravierenden Probleme. Tatsächlich stagniert Deutschland seit etwa 5 Jahren, vor allem die mangelnde Produktivität … zu wenig Arbeitsanreize. …Paket wird jedem Ampelpartner, aber auch dem Sozialstaat etwas abverlangen. . . haben eine Anspruchshaltung kultiviert, vor der man jetzt schwer wegkommt … nicht glaube, dass es (nach Abwahl der Ampel) besser wird. … alles penibel genau geregelt. … einfach too much … Kippunkte … auch in der Gesellschaft . . . für weniger Mikromanagement …  (zum) Thema Islamismus … eine Beißhemmung … klarer alle Aspekte der Migration ansprechen … Zu guter Führung gehört allerdings auch, sich … führen zu lassen . . . Staat wird es allein nicht hinbekommen …  Reform der Schuldenbremse oder weitere Sondervermögen nur noch eine Frage der Zeit … allerdings gibt es bei manchen auch einen Mythos:  Zwischen uns und dem Paradies stehen nur noch Herr Lindner und die Schuldenbremse. Das stimmt nicht.“ . . . . Schuldenbremse . . . Errungenschaft um den nachfolgenden Generationen finanziellen Spielraum zu lassen . . . hilft priorisieren … Bürokratie lähmt uns …Genehmigungen und Personal fehlen (genauso wie oder mehr als Geld) … Vertrauen gewinnt, der lernfähig ist … Pioniere und mutige Veränderer … eher Aufgabe der Grünen … Verbindung (von Schwarz-Grün) halte ich für fruchtbar … (Schwarz-Rot) wird es kaum richten … für viele der Strukturprobleme verantwortlich: Die heruntergewirtschaftete Bahn, die Energieabhängigkeit von Russland, die marode Bundeswehr … bei damals bester Kassenlage … lassen sich wenig Aufwand und möglichst viel Einzelfallgerechtigkeit nicht zusammenbringen … Schäubles Amtsverständnis … immer fasziniert, ein glühender Europäer, der den Menschen nicht nach dem Mund redete, sondern ihnen auch etwas abverlangte“.
Da bleibt einem manchmal bildlich der Mund offenstehen angesichts der Kritiken, die fast genauso von Wirtschaftsverbänden oder Union kommen könnten, die allerdings auch ihr Fett abkriegt. Insgesamt ist es nahe an der auch von mir immer geforderte Verbindung von Zukunftsverantwortung, Ehrlichkeit, Idealismus und Realismus, anstelle allen fast alles in Aussicht zu stellen oder als „Vision“ vorzugaukeln, was angeblich für die Wähler leicht und billig und bequem zu erreichen sei, wenn sie nur die eigene „kluge und bessere“ Politik wählen, statt auch selbst Anstrengungen und Verzichte beizutragen.  Es wäre interessant zu erproben, ob Danial Bayaz als Bunds Politiker mit dieser nüchternen entschlossenen Haltung ähnliche Umfragewerte erreichen würde wie derzeit Herr Pistorius.  Jedenfalls würde er nach Nichteintreten aller „Visionen“ keine derartige Enttäuschung ernten wie derzeit viele andere. Nur eins erscheint mir zu „kapitalistisch“ und damit kritikwürdig:  Dass (nur?) die Steuerpolitik viele Leistungswillige demotiviere und der Soli (für Unternehmen, wenn nicht für alle) weg solle. Ich selbst glaube eher, dass der allgemeine Mangel an Arbeits- und Gemeinsinns-Ethik, der Glaube an Ansprüche und den allein von Politik vermittelten Fortschritt und der Mangel an Kennedy-artiger Forderungen auch an die Bürger und der Wust an Bürokratie und Vorschriften viele demotiviert, bei deren Abschaffung oder Kürzung im Einzelfall auch immer jemand protestieren wird, weil meist irgendein Wert oder irgendeine Pflicht kontrolliert werden soll.
Peter Selmke

Gratulation zum Interview mit Danyal Bayaz! Endlich ein junger Politiker, der Klartext spricht, sich nicht als Wohltäter des Volkes darstellt, sondern die aktuelle Politik kritisch analysiert, „den Menschen nicht nach dem Mund redet, sondern ihnen etwas abverlangt“(Schäuble). Deutschland hat sich in 16 Jahren Merkel-Kanzlerschaft in eine verwundbare Situation manövriert, wichtige Aufgaben wie Migration, Energiewandel, Klimakrise vor sich hergeschoben und die zunehmenden Haushaltsbelastungen mit Hilfe der Negativzinspolitik der EZB „gemeistert“. Taktische Fehler der Union (Söder) führten zu einer neuen Regierung mit heterogenen Partnern, die auf vielen Gebieten Feuerwehr spielen muss:
-Kosten der Energieversorgung in Grenzen halten
-Inflation bewältigen (durch die 50% der Bürger hilfsbedürftig wurden)
– exponentiell steigende Zinsen und erhöhte Sozialausgaben im Haushalt verkraften
– die Corona-Pandemie überwinden
– die Verfehlung der Klimaziele abwenden
-einem steigenden Migrantenstrom ein menschenwürdiges Leben ermöglichen
-Ukraine-Flüchtlinge in 7-stelliger Höhe menschenfreundlich aufnehmen
-Militärische Unterstützung der Ukraine in Abstimmung mit EU und Nato organisieren und finanzieren
– die Folgen des 7. Okt. 2023 mit Gaza-Krieg verarbeiten und finanzielle Belastungen tragen.
In dieser extremen Belastungssituation wäre es geboten gewesen, dass die „demokratische Mitte“ des Staates gemeinsam Kompromisse schmiedet und Prioritäten setzt, die auch von einer großen Mehrheit des Volkes getragen werden. An dieser Aufgabe ist die Politik dramatisch gescheitert. Schon die Regierungskoalition konnte sich nicht intern einigen, sondern führte über alles und jedes öffentlich Streit, wodurch die Ampel das ihr zunächst entgegengebrachte Vertrauen mehr und mehr verlor. Die Union betonte zwar ihre staatsmännische Verantwortung, ging aber de facto rasch dazu über, täglich das Ende der Ampel zu verlangen und die Grünen als Hauptgegner zu verdammen. In dieser kontraproduktiven Atmosphäre entwickelte sich ein permanenter, hasserfüllter Wahlkampf. Erschwerend kam hinzu, dass die deutsche Wirtschaft umfassende Subventionen des Staates zur Finanzierung notwendiger Transformationen verlangt und eigene Investitionen verweigert. In jahrzehntelanger Seilschaft mit der Wirtschaft unterstützt die Union diese Strategie mit dem Ziel, dass sie sich nach Ablösung der Ampel als Retterin der deutschen Wirtschaft hochspielen kann.
Hat die Ampel in dieser verfahrenen Situation überhaupt eine „allerletzte Chance“, das Ruder herumzureißen? Ich glaube nicht daran, weil „der Karren“ bereits mit zu hohem Tempo gegen die Wand fährt und parteipolitische Taktik einer psychologischen Wende entgegensteht. Dennoch ist dieses „Ruck-Interview“ sehr verdienstvoll, weil es Tag für Tag darum geht, wie hoch die Zeche sein wird, die die Bürger, vor allem die nächsten Generationen für die sturköpfige Politik bezahlen müssen. Da ist jede Schadensminderung wertvoll, zudem gilt es, die Überschreitung von Kipppunkten beim Klima und in der Gesellschaft zu vermeiden. Merkel hat in Zeiten der Negativzinspolitik versäumt, Billionen privaten Kapitals, das ertraglos auf eine sinnvolle Anlage wartete, für Investitionen einzusetzen, mit denen die europäische Wirtschaft ökonomisch und ökologisch zukunftssicherer geworden wäre. Hatten nicht die Japaner in den 90er Jahren ihren Staat mit privatem Kapital vor einem Finanzchaos bewahrt? Heute schaut Europa auf die Schuldenbremse wie das Kaninchen auf die Schlange. Hat nicht der Städtetag den richtigen Ansatz in die Diskussion gebracht, anlagesuchendes privates Kapital für privatwirtschaftliche Investitionen einzusetzen.
Eine moderate Rendite sollte ausreichen, sofern der Staat gewisse Risiken absichert (die Unfähigkeit des Staates als Unternehmer wurde nicht nur in der Maskenaffäre unter Beweis gestellt). Inzwischen steht doch außer Zweifel, dass jedes Hinausschieben notwendiger Veränderungen das Erreichen der Ziele immer teurer macht. Das Geheule über zu hohe Energiepreise hilft doch nicht weiter. Nicht der Staat muss die Investitionen im Energiesektor schultern, sondern in privatwirtschaftlicher Konkurrenz müssen die Kosten der Stromerzeugung und -verteilung reduziert werden, auch unter Einsatz bisher verschlafener Möglichkeiten der Stromspeicherung. Es muss aufhören, dass ungenutzter Solar- und Windstrom den Staat Milliarden kostet. Technologieoffenheit darf nicht bedeuten, dass der Staat jede technologische Entwicklung finanzieren muss, aber die Gewinne in private Kassen fließen. Es ist nicht verantwortbar, heute nicht vorhandene Milliarden in die Atomenergie zu stecken. Die Uhr läuft! Die parteipolitische Blockade muss dringend beendet werden. Der auf parteipolitische Polemik verzichtende Danyal Bayaz leistet hierzu mit seinen objektiven Analysen einen wertvollen Beitrag.
Gerhard Lempenau

Vielen Dank für das großartige Interview in der Zeit am 27.6. Das ein führender Grünen-Politiker so parteienübergreifend denkt und handelt gibt Hoffnung. Als (noch) treue Grünen-Unterstützerin bin ich froh über ihre klare politische Analyse und den Handlungsauftrag, den Sie den häufig weltfremden Grünen geben. Die Themen Bürgergeld und Migrationspolitik werden nach wie vor von den Grünen mit pädagogisch verklärtem Blick behandelt und es scheint keine Hoffnung für etwas mehr Bodenhaftung in Sicht. Das Interview mit Ihnen betrachte ich als richtungsweisend.
Sybil Frercks-Rehahh

 


 

Leserbriefe zu „Unbezahlbar“ von Stefanie Flamm

Es geht um Eis. Im Untertitel zur Erklärung: „Einst 30 Pfennig, heute 3,50 Euro? Wieso ist Eis inzwischen so verdammt teuer? Zum Beispiel weil es besser schmeckt!“ Warum hat Frau Flamm „3,50 Euro? mit einem Fragezeichen versehen? Stimmt da was nicht mit den 3,50 Euro? Und ob es besser schmeckt, eben das ist Geschmackssache und über Geschmack lässt sich streiten. Die 30 Pfennig waren vor Einführung des Euro. Wir hätten besser bei der bewährten D-Mark bleiben sollen Selber schuld. Und ohne diese Mehrwertsteuer. Nun müssen wir das Eis für 3,50 Euro lecken, Wie der Volksmund sagt wir sind die Gelackmeierten. Nein genauer ist die Gelecktmeierten.
Hans-Emil Schuster

Ich komme aus einer Zeit, wo die Kugel Eis noch für 0,10 DM zu haben war und es in Düsseldorf-Bilk mindestens eine Eisdiele gab, wo das Eis mit dem Spatel ins Hörnchen gepresst wurde, was auch nur 0,10 DM kostete! In Ihrem netten Artikel rechnen Sie vor, dass 2,70 € eine Steigerung von „fast 2.000 %“ für 0,15 € (Preis in den Achtzigern) bedeute. Also – genau wären es „nur “ 1.800! Aber auch das ist hoch genug! Ihr Vergleich mit dem Benzinpreis hakt! Eis wird schließlich nicht aus Erdöl hergestellt! Noch nicht! Rechne ich 1,35 DM in € um, so ergäben sich 0,68 € für ein Liter Benzin. Bei aktuell 1,91 € wäre das eine Steigerung von 281%! Irgendwie stimmen Ihre Prozentrechnungen nicht so ganz. Und real wäre es, würden Sie die Löhne von der 0,30 DM-Zeit mit denen der 2,70 €-Zeit ins Verhältnis setzen. Übrigens – wenn Ihnen Pistazie Vegan (gab’s 1950 noch nicht) zu teuer ist, empfehle ich, mal andere Sorten zu probieren! Könnte preiswerter sein!
Edwin F. Schreyer

Der Artikel „Unbezahlbar“ in der Ausgabe vom 27.6.24 gehört aus meiner Sicht nicht auf die Seite 62 unter der Rubrik ENTDECKEN, sondern ganz nach vorne auf die Seite 2 oder 3. Zumindest aber in dem Wirtschaftsteil, ganz nach vorne. Warum sehe ich das so? Zunächst beschreibt der Beitrag recht ausführlich, wie sich die Inflation entgegen offizieller Darstellung real entwickelt hat. Geht man im Betrachtungszeitraum noch etwas weiter zurück als im Artikel mit 30 Pfennig pro Kugel, sehen die realen Preis-Sprünge noch dramatischer aus. In meiner Kindheit (Jahrgang 1950) haben wir uns überlegt, bei welcher Konditorei oder Bäckerei wir uns für ein Zehnerle (10 Pfennig) eine Kugel Eis holen.  Aktuell zahlen wir so 2,00 -2,20 €. Also mehr als 40 x so viel. Für eine Laugenbrezel mussten wir ebenfalls 10 Pfennig über die Ladentheke reichen. Heute mit 1,00 € mehr als das 20 fache. In beiden Fällen hat sich der Materialaufwand nicht wesentlich verändert. Beim Eis, Milch oder Wasser, Früchte, Schokolade, Früchte, Zucker Gelatine, Aroma- und Farbstoffe. Bei der Brezel Mehl, Salz, Hefe und Wasser. Die Ladeninhaber waren zumeist Eigentümer und musste somit keine Pacht oder Miete zahlen. Heute werden Mieten für Ladenlokale zu völlig überteuerten Preisen an Eigentümer bezahlt, die so über Einnahmen verfügen die man kaum als leistungsgerecht bezeichnen kann. Ich nenne das leistungsloses Einkommen.
Meist geschickt verpackt als Kapitaleinkommen, sodass im Ernstfall maximal 25 % Kapitalertragssteuer anfällt. Wer von seinem Lohn ein Eis oder eine Brezel kauft, wird zuvor mit bis zu 45 % besteuert.  Könnte es sein, dass diese Missverhältnisse dazu führen, dass immer mehr Menschen das Gefühl beschleicht in einer ungerechten Gesellschaft zu leben. Ob es da einen Zusammenhang gibt mit der politischen Entwicklung? Kann es sein, dass die Zunahme rechter Parteien bei uns und in anderen Ländern Europas, der USA und z.B. Argentinien, etwas damit zu tun hat, dass das leistungslose Einkommen einiger Weniger auf der einen Seite und zunehmende Existenzsorgen bei arbeitenden Menschen auf der anderen Seite, auch etwas mit der Inflation alltäglicher Produkte zu tun hat?  Für mich ist die Kugel Eis ein Symbol eines zügellosen Kapitalismus. In der Französischen Revolution sind Menschen einst erfolgreich für einen stabilen Brotpreis auf die Straße gegangen. Wäre doch eine schöne Überschrift, wenn dies bei uns gelingen würde, für die bezahlbare Kugel Vanilleeis erfolgreich zu demonstrieren. Es muss ja nicht gleich eine ganze Revolution sein.
Jürgen Kübler

Als ich noch Kind war; lang, lang ist das her, damals kostete eine Kugel Eis 10 Pfennig! Das war für mich damals auch eine Menge Geld, denn als Kind war ich auf Taschengeld angewiesen oder die Eltern oder die Großeltern haben mir eine Kugel Eis spendiert. Damals, so um das Jahr 1960 herum, da gab es eine Kugel Eis in der Waffel in unserem Milchladen oder im Tante-Emma-Laden; die Auswahl an Eissorten war recht übersichtlich: Vanille- Schokolade, Erdbeer- oder Zitroneneis gab´s. Für uns Kinder war so eine Kugel Eis vor zig Jahrzehnten mit das höchste aller Gefühle! Heutzutage explodieren nicht nur die Eispreise, heute explodiert, dank unserer unnachahmlichen Ampel, so manches mehr! „Die Energiewende ist nicht teurer als eine Kugel Eis“, das sagte im Jahr 2004 der damalige grüne Politiker Jürgen Trittin (*1954), damals kostete eine Kugel Eis etwa 50 Cent.
Klaus P. Jaworek

Als ich klein war, kostete die Kugel Eis in Kiel Dietrichsdorf bei Meisner (Meißner?) in der Hertzstr. ’n Groschen, also 10 Pfg. Drei Sorten gab’s zur Auswahl. Geöffnet war der Verkaufsstand nur am Sonntag. Und bei Knigge damals, ein Café in Hitzacker/Elbe, auch.
Michael Krieg

 


 

Leserbriefe zu Dossier „Wahl in Thüringen“ von Caterina Lobenstein und August Modersohn

Bei den Koalitionsregierungen der vergangenen Jahre auf Bundesebene hat sich gezeigt, dass diejenige Partei, die ambitionierter die realen Probleme angeht, größeren Schaden nimmt. Die Partei mit geringerer Ambition kann wahlweise die Erfolge der ambitionierteren Partei für sich reklamieren oder sich distanzieren, um Punkte bei den Wählern zu sammeln. So hat es die Union in der Großen Koalition gemacht und die SPD auf diese Weise marginalisiert. So macht es jetzt die inzwischen stark geschwächte SPD mir den Grünen, um sich zu Lasten der Grünen wieder aufzubauen (was kaum gelingt). Und so würde es bei einer Zusammenarbeit zwischen CDU und Thüringen laufen: Die CDU entwickelt in einer Koalition mit der AfD großen Ehrgeiz, viel Gutes leisten zu wollen, um aller Welt zu beweisen, dass die Entscheidung für eine Zusammenarbeit mit der AfD kein Fehler war. Mit dem Übermaß an Ehrgeiz muss die CDU kompensieren, dass sie bei einem oder mehreren Herzensanliegen der AfD mitmacht. Die AfD ihrerseits schmückt sich mit den Erfolgen einer gutgläubigen CDU und opponiert, wo Distanz Vorteile für die eigenen Profilierung bringen. Ohne es zu merken, liefert die CDU täglich die Bühne für eine AfD, die als regierungsfähig und verantwortlich erscheint, und schaufelt damit selbst ihr eigenes Grab. Merke: Nur die Brandmauer sichert das Überleben der CDU und stabilisiert unsere Demokratie. Die demokratischen Parteien sollten ernsthafter an den Problemlösungen arbeiten und sich nicht durch destruktives Opponieren wechselseitig marginalisieren. Ernsthaftigkeit und Resultate können auch die Menschen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg überzeugen. Oder wollen wirklich alle AfD-Wähler an der Zerstörung des eigenen Landes mitwirken?
Reinhard Koine

Die CDU hat sich von den Hohepriestern des politisch Korrekten ohne Not ein Korsett aufbinden lassen und befindet nun in einer unerquicklichen Wagenburg. Brandmauern sind aber ein Armutszeugnis, weil sie den politischen Diskurs als demokratischen Nährboden unterbinden. Wer weiß, ob die AfD nicht wie Meloni in Italien lernfähig ist. Diese Chance ist noch nicht vertan. Putin-Nähe oder Migration sind Stolperfallen vor allem in Berlin, auf Landesebene ticken die Uhren anders. Und selbst Minderheitsregierungen sind ja nicht verboten und könnten sogar Testballon sein als Vorstufe zu engeren Bündnissen. Heftig wird vermutlich der mediale Gegenwind sein, doch wer davor zurückschreckt, ignoriert den Wählerwillen.
Christoph Schönberger

Wer glaubt, Faschisten und Konservative wären zusammen die Mehrheit, der irrt. Die extreme Rechte möchte nämlich auch die Union „pulverisieren“. Ich stimme Martina Schweinsberg zu, wenn sie sagt: „In jeder Partei gibt es Idioten.“ Den Nachsatz „Und in jeder Partei gibt es Vernünftige.“ stelle ich aber in Frage. Einmal gibt es Parteien, die abseits seriöser Naturwissenschaft für irgendwelchen esoterischen Blödsinn antreten. Da ist für Vernunft gar kein Platz. Solange solche Parteien unter der Fünf-Prozent-Grenze bleiben, geht von ihnen keine Gefahr aus. Man mag sie belächeln oder versuchen sie zu bekehren, bekämpfen muss man diese wirren Ideen aber nicht. Zum anderen gibt es aber Parteien, die faschistisches Gedankengut propagieren. Diese Parteien säen Hass, grenzen Teile der Gesellschaft aus und verbreiten Weltbilder, die zumindest politischer und ethischer Vernunft entgegenstehen. Bislang hatten sich Parteien aus diesem Spektrum nach gewissen Wahlerfolgen zuverlässig selbst wieder zerlegt. Deshalb haben wir sie nicht als Gefahr für die Demokratie wahrgenommen. Die AfD ist nicht als faschistische Organisation gegründet worden. Deshalb wäre es wohl auch falsch sie „in die Schmuddelecke (zu) stellen“. Nur haben nach Übernahme der AfD durch Höcke und Co. die „Vernünftigen“ reihenweise nach und nach die Partei verlassen. Geblieben sind Strategen, die mit besonders radikalen Positionen das Wählerpotenzial aus dem nationalsozialistisch geprägten, lange Zeit passiven Milieu, (re)aktivieren. Und eben die Idioten, die das tolerieren.
So ist der Thüringer Landesverband der AfD seit drei Jahren „erwiesen rechtsextremistisch“. Mit jeder Annäherung der Konservativen an diese Positionen wird die Brandmauer gegen den Faschismus ein wenig geschleift – zum Schaden der Konservativen. Der Drei-Punkte-Plan vom Rechtsaußen Benedikt Kaiser sollte in der CDU die Alarmglocken schrillen lassen. Wenn die Union mit jemandem in der Mehrheit ist, dann nämlich mit den anderen demokratischen Parteien. Deshalb ist es kontraproduktiv, wenn die Union ihre demokratischen Mitbewerber ächtet oder mit Häme überzieht. Also Finger weg von solchem Unfug wie dem bayrischen Genderverbot oder „Heizungsgesetz“-Bashing! Vielmehr sollte sie im Sinne der Demokratie die Gemeinsamkeiten ausloten. Denn allein wird die Union kurz- und mittelfristig nicht mehr regieren können. Scheitern in Thüringen SPD, Grüne und FDP alle an der Fünf-Prozent-Hürde, könnte das den Rechtsextremisten eine parlamentarische Mehrheit verschaffen. Wie schnell dann die demokratischen Parteien verboten werden, hat die Geschichte mehrfach gezeigt – in Deutschland mit besonders heftigen Folgen.
Ufke Cremer

Der von Frau Schweinsburg im Interview mit der ZEIT angestellte Vergleich der AFD mit Pippi Langstrumpf – einfach nur köstlich, andererseits zugleich jedoch erschreckend verniedlichend … heißt aber auch: indem man seitens der CDU und der anderen sog. Volksparteien immer nur „künstlich“ von irgendwelchen „Brandmauern“ usw. fabuliert und schwadroniert, lässt sich nicht das negieren und „wegzaubern“, was faktisch passiert: Der Wähler, gerade im Osten der Republik, fühlt sich im Wesentlichen allein schon infolge reinen Politikverdrusses umso mehr von der „Pippi-Langstrumpf-Partei“ angezogen und von dieser in seinen Belangen, „Sorgen und Nöten“, vor allem enttäuschten Hoffnungen angesprochen, jedenfalls offenkundig um Einiges besser, als es der CDU und den anderen sog. etablierten Parteien gelingt. Woran das wohl liegt?
Thomas P. Stähler

 


 

Leserbriefe zu „Kommentar: Grober Behandlungsfehler“ von Carla Neuhaus

Zur Sache im Untertitel: „Die Krankenkassenbeiträge dürften bis 2035 kräftig steigen. Das liegt auch an der Bundesregierung, die den Arbeitnehmern zu viele Kosten aufdrückt“ Was soll diese Panik? 2035 ist noch weit und welche Bundesregierung dann an der Macht ist, wer kann das wissen. Vielleicht eine Regierung, die die Beiträge wieder senkt. Und wie auch immer, man kann die Beiträge von der Steuer absetzen. Im Übrigen, es wird alles teurer. Das nennt man Inflation. Nur Mut, besser wird es nicht.
Hans-Emil Schuster

Haben Sie vielen Dank für Ihren Kommentar! Eigentlich verdient das Thema eine ganze Artikelserie, die ich mir hiermit wünsche. In dieser Artikelserie könnte auch geklärt werden, warum die Krankenkassen das mit sich machen lassen. Auch die Arbeitgeber mit ihren mächtigen Verbänden scheinen kein Interesse daran zu haben den Arbeitgeberanteil an den Sozialabgaben auf einem vernünftigen Niveau zu halten. Warum gibt es da keinen Aufschrei! Ein solidarisch getragenes Gesundheitssystem ist ein zivilisatorischer Fortschritt ersten Ranges. Warum gibt es keinen Aufstand gegen die permanente Aushöhlung des Solidarprinzips? Das Aushöhlen besorgen ganz unterschiedliche Interessengruppen. Jede verdient es getrennt an den Pranger gestellt zu werden: Politik, Lobby, Verbände, Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Kassen. Warum werden sinnvolle Gegenmaßnahmen, wie die Praxisgebühr, wieder kassiert? Warum ist die erste Frage des Hausarztes, wie lange man krankgeschrieben werden möchte? Warum werden Lehrer niemals in den Ferien krank, sehr wohl aber kurz davor und kurz danach? Warum können sich Arbeitslose dem „Fordern“ durch Krankschreibung entziehen, ohne auch nur die geringste Nachprüfung zu befürchten? Warum lässt die Politik eine Klassenmedizin zu, die das Solidarprinzip ad absurdum führt? Warum gibt es überhaupt so viele Ersatzkassen, deren Wasserkopf von den Versicherten getragen werden muss? Der Status quo ist für keinen der Beteiligten angenehm, warum ist er trotzdem so stabil? Das sind nur die Fragen, die mir spontan einfallen. Ihr journalistisches Berufsleben ist auf Jahrzehnte gesichert, wenn Sie sie aufgreifen und durch eigene ergänzen.
Bernd Roos

Ich denke, dass ein Teil der Bereitschaft Kosten auf die GKV abzuwälzen, aus der Sonderbehandlung der BeamtInnen im Bereich der Krankenversicherung kommt. Als ich 2002 eine Beamtenstelle auf Zeit (nicht auf Probe) antrat, war ich vor die Wahl gestellt, den Gesamtbeitrag zur GKV selbst zu zahlen oder mich privat zu versichern, mit dem Risiko danach keine weitere Beamtenstelle zu finden und nicht in die GKV zurück zu können. Ich schrieb damals eine Petition mit der Bitte, bei Beamtenstellen auf Probe den Verbleib in der GKV zu ermöglichen, indem der Staat, wie andere ArbeitgeberInnen auch, die Hälfte der Beitrag übernimmt. Der Vorschlag wurde abgelehnt mit dem Argument, dass dies für den Staat zu teuer wäre (was mir die Sprache verschlug). Indem der Staat die GKV belastet, vermeidet er also die zusätzlichen Kosten bei einem Teil seines Personals.
Sabine Möhler

In Ihrem Kommentar „Grobe Behandlungsfehler“ haben Sie m.E. zum Punkt Belastung der Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherungen mit Kosten, die aus Steuern zu bezahlen wären, einen wichtigen Punkt vergessen. Es werden die Beamten verschont. Und so funktioniert dieses Land, leider.
Manfred Wiech

 


 

Leserbriefe zu „Sind Klimaschutzprojekte in China bloß Fake?“ von Hannah Knuth

Da gehen Milliarden Euro der deutschen Steuerzahler unkontrolliert in die chinesische Provinz und machen Chinesen und ihre Partner sagenhaft reich. Hannah Knuth informiert kühl und mit einem Fragezeichen. Es soll ja keiner auf die Idee kommen, dass Klimaschutz im Ganzen Fake sein könnte. Wir erfahren, dass dieser Milliardenbetrug nicht etwa zu Lasten des Steuerzahlers geht, sondern zu Lasten des Klimas. Da möchte man gleich mehr Geld nachschießen. Aber die Beamten werden langsam misstrauisch. Alte und neue Regierung schieben sich die Verantwortung zu. Und die ZEIT berichtet so entspannt, als ginge es um die alljährliche Krötenwanderung. Ja wo laufen sie denn, wo sind sie denn hin – unsere Kröten? Weg sind sie!
Fred Klemm

Das symbolische Bild über der Überschrift lässt schon vorherahnen, wie gefährlich das Prinzip dieses Geschäftsmodells war, mit dem grünen Blatt, dessen Kehrseite verführerisches Geld als Teil des „Emission-Minderungs-„Modells zeigt. Theoretisch kann ja die Marktwirtschaft mehr Effizienz beim Klimaschutz liefern; aber nur dann, wenn die Anreize für wirksam kontrolliert wirklichen Klimaschutz gesetzt werden und nicht schon für dessen Anschein oder Fassade, seitens „Zahlmeistern“, die ganz andere Ziele haben als die Rettung des Planeten oder der menschlichen Zukunft: nämlich für sich selbst möglichst bequem und günstig die größten Profite zu machen. Das kennen wir schon von den Zertifizierern der „Triple A“-Produkte der Banken, die zur Subprime- und Weltfinanzkrise von 2008 geführt haben und vorher den Akteuren durch ein Schneeballsystem märchenhafte Profite verschafft haben wie zeitweise der Deutschen Bank, der Herr Ackermann seinerzeit Renditen von 25% versprach, ohne dass lange irgendwem auffiel, dass so etwas nicht mit rechten korrekten Dingen zugehen kann. Es gab ja schon mehrere Artikel der ZEIT zum Thema Klima(-Schutz) und insbesondere zur sogenannten „Kompensation“. Aber die hier beschriebenen Fälle schlagen dem sprichwörtlichen Fass sozusagen den Boden aus: Selbst korrekte Kompensationsprojekte ohne jede Irreführung sind ja ein Problem, denn sie bewirken bestenfalls etwas, was ohnehin getan oder bei armen Staaten unterstützt werden muss, ohne als Ausrede für nicht unbedingt nötige Emissionen andernorts herzuhalten.
Und selbst der größte Teil der „Bio-„Energien wie „Biodiesel“ oder „Biogas“ sind problematisch, wenn sie nicht aus — unvermeidlichen — Abfall- und Reststoffen produziert werden, die andernfalls ohnehin verrotten oder verfaulen würden, sondern mit Flächenverbrauch aus extra dafür angebauten Pflanzen erzeugt werden, schlimmstenfalls sogar Holz aus noch natürlichen Wäldern, deren Wachstum in keinster Weise schritthalten kann mit dem angesichts gewaltiger Nachfrage noch steigendem Verbrauch. Die Agrarischen Treibstoffe verbrauchen aber für die gleiche Energie ein Vielfaches der Fläche, die Windräder, Solarthermie oder PV benötigen würden, und diese Agrarenergie- Flächen entschärfen in der Zeiteinheit nur einen Bruchteil der Treibhausgase im Vergleich zu Wäldern oder Mooren. Also sind selbst korrekte betrugsfreie „Bioenergien“ und Kompensationen angesichts der aktuellen Menschenzahlen und dem schon prekären Zustand des Klimas eine Selbst- oder Fremdtäuschung, denn sie können allein niemals ausreichen um die in einigen Jahren drohende dauerhafte Überschreitung der 1,5 Grad, und wohl nicht einmal der schon sehr riskanten maximal verantwortlichen 1,75 Grad noch rechtzeitig zu verhindern. Dafür müsste die Menschheit ALLE Register ziehen und nicht nur die billigen, bequemen und fast Verzichts- und widerstandsfreien.
Hier aber wird nicht einmal das versprochene geliefert und damit werden sogar alle schon irreführenden tunnelblickartigen Argumente völlig ad absurdum geführt. Und auch Politiker, jedenfalls die, die das begonnen haben und andere Nutzer der Strategie werden vorgeführt, die ausgerechnet in einem so korrupten, zensur-hörigen und klima-ignoranten Land wie China kompensieren lassen wollten und die Wirksamkeit der „Kompensation“ durch Prüfer zertifizieren lassen, die deutlich falsch gepolte Anreize und Bezahlung hatten, ohne die Prüfer ihrerseits zu kontrollieren oder prüfen und für den Fall des Missbrauchs wirksame Strafen vorzusehen. Auch die Medien haben sich hierbei nicht mit Ruhm „bekleckert“, denn nicht sie oder von ihnen beauftragte Detekteien haben den Skandal enthüllt, sondern ein konkurrierendes „Biomethan-„Unternehmen, das weniger um das künftige Schicksal der klima-bedrohten jungen Generation besorgt war, sondern um den eigenen Profit, vielleicht auch das Überleben der eigenen Firma. Offensichtlich wollten fast alle, dass das so bequem und billig vermeintlich erfolgreiche Projekt seinen „guten“ Ruf nicht verliert, denn mit solchen Geschäftsmodellen gewinnen alle kurzfristig gefühlt Zuversicht, gutes Gewissen, zufriedene Wähler und Wohlstand, ohne nennenswert mehr dafür arbeiten, zahlen und/oder verzichten zu müssen. Für solche verlockenden Illusionen lassen sich allzu viele allzu gern hinters Licht führen oder gar betrügen. Diese Kritik trifft natürlich erst recht die Vorgänger-Regierungen, die das Ganze in Gang gesetzt haben und von denen die CDU jetzt so scheinheilig dem Umweltamt und dem Ministerium Versagen vorwerfen, obwohl sie außer dem Beginn ebenfalls die viel zu geringe Ausstattung des Amtes mit Personal, Mitteln und Befugnissen — mit — zu verantworten haben. Alle waren blind für die Weisheit, dass etwas, das zu schön erscheint, um wahr zu sein, meistens eben auch nicht wahr ist.
Peter Selmke

Leider sieht es auf europäischer Ebene nicht viel anders aus: es fehlen „echte“ Kontrolleure bei der Durchführung von Projekten. Mir ist eines aus den Philippinen bekannt, wo vor einigen Jahren auf der Insel Mindanao im Rahmen der Wiederaufforstung neue Bäume in einem Areal gepflanzt wurden, die kurze Zeit später wegen Wassermangel wieder eingingen. Als Beweis für den „Erfolg“ des Projektes wurden Fotos von einem benachbarten Waldstück an die EU geschickt. So einfach ist das.
Martin Grau

„Der Blick aufs Klima: Diagramme – eine wunderbare Möglichkeit, dem Betrachter Sand in die Augen zu streuen.“ (Zitat von Thom Renzie, *1959 Lehrer) Die Ampel wirft unsere Steuergelder mit beiden Händen voll zum Fenster raus. Eines dieser Fenster geht in Richtung China auf. Wer von dieser dort Geldern profitiert, das interessiert bisher eigentlich niemanden!!! „Klimaschutz ist nicht automatisch Umweltschutz“ (Quelle: „Hart aber fair“, ARD) (Zitat von Dirk Maxeiner, *1953, deutscher Journalist & Publizist)
Klaus P. Jaworek

 


 

Leserbriefe zu „Kommentar: Zusammen gegen die Flut“ von Marcus Rohwetter

Die Begründungen im Artikel sind schwach. Viele Flutschäden sind durch menschliche Fehler begründet, Begradigungen, keine Rückhaltflächen, Flutmulden und bauen in niedrigem Gelände. Ihr 2.letzter Satz ist der Gipfel. Wenn am Ende es alle so oder so bezahlen müssen, warum müssen dann noch Versicherungen daran verdienen?
Friedrich Clemens

In Ihrem Kommentar vermisse ich einen wichtigen Zusatz. Sie schreiben korrekterweise „Kommunen müssen ja keine Neubaugebiete im Überflutungsbereich ausweisen“. Hier sollte m.E. das „müssen“ durch ein „dürfen“ ersetzt werden. Es ist nicht einzusehen, wieso einerseits Solidarität der HausbesitzerInnen gefordert wird, während andererseits Kommunen weiterhin Einnahmen erzeugen können, indem sie Bauland in hochwassergefährdeten Gebieten ausweisen und vielleicht auch noch mit dem schönen Ausblick und der Flussnähe werben. In der Berichterstattung zum kürzlichen Hochwasser in Bayern konnte man Neubaugebiete sehen, die unter Wasser standen, deren Bauland also vermutlich in den letzten Jahren erst ausgewiesen wurde – trotz des Wissens um zunehmende Hochwassergefahren.
Sabine Möhler

Man darf sich nicht immer von berechtigten moralischen Überlegungen leiten lassen. Der Solidaritätsgedanke in Versicherungen ist natürlich sehr gut. Es funktioniert aber nur, wenn es einzelne nicht dazu verleitet, Risiken bewusst in Kauf zu nehmen, die dann von der Allgemeinheit getragen werden. Autoversicherungen beispielsweise funktionieren auch nur mit Schadensfreiheitsrabatten. Im Falle des Hochwassers ist nun aber so, dass Kommunen zwar keine Baugebiete in Überflutungsgebieten ausweisen müssen, mussten sie noch nie. Sie machen es aber, um Einwohner und Steuern zu gewinnen. Die Zuzügler machen es für die schöne Lage und die preiswerten Grundstücke. Wir müssen uns insgesamt auf mehr Hochwasser einstellen und dafür an vielen Stellen in diesen Prozessen umsteuern. Eine solche Kasko für alle würde das behindern. Damit plädiere ich nicht dafür, die Bewohner in alten Häusern, die jetzt von den stärkeren Fluten betroffen sind, allein zu lassen. Denen muss geholfen werden. Eine solche risikoblinde Versicherung ist aber definitiv der falsche Weg und würde das Problem verschärfen. Bitte im Wirtschaftsteil nüchterner analysieren.
Frank Scholze

Nur nach einer Pflichtversicherung für Hochwasserschäden zu rufen, ist zu einfach. Das wäre ein end-of-the-pipe Lösung, strukturell vergleichbar einer Kfz-Versicherung ohne TÜV. Voraussetzung für eine funktionierende Pflichtversicherung sind drei Dinge: Wirksamer Hochwasserschutz durch planerisch frei gehaltene Überflutungsgebiete und wasserwirtschaftliche Infrastruktur (Rückhaltebecken). Keine bauliche Überplanung (d.h. keine Genehmigung durch die kommunalen Aufsichtsbehörden) für Gebiete ohne diesen wirksamen Hochwasserschutz, Wettbewerb unter den Anbietern bei den Prämien und eine staatliche Rückversicherung für die Anbieter, die aber nur einen Anteil (die Hälfte?) der Regulierungen durch die Versicherungen übernimmt. Angesichts der häufigen, immer extremeren „Ereignisse“ kann nur eine Systemlösung wirken – die Zeit der Symptomkurierung ist vorbei.
Ralph Bürk

Eine Wahlkampfhilfe für die FDP! Auf einer Wiese, auf der ich in den neunziger Jahren Schlittschuh gelaufen bin, nachdem diese Wiese von Hochwasser überflutet wurde, das dann gefroren war, auf dieser Wiese stehen heute Häuser. Gegen Hochwasser wurde inzwischen aber nichts unternommen. Falls nun ein Hochwasser eintritt, dann mag ein Jurist beantworten, wer haftet: Derjenige, der etwas in einer Gefahrenlage genehmigt hat, oder derjenige, der dort gebaut hat. Völlig unschuldig ist aber jemand, der auf einem Hügel in der Geest in einem Haus ohne Keller wohnt und weder durch Hochwasser noch durch Erdrutsch noch durch Starkregen gefährdet ist. Warum soll der sich gegen etwas versichern, das ihn nicht betrifft, bloß weil andere etwas verbockt haben? Ihm bleibt jetzt nur noch eines übrig: Die FDP wählen!
Victor Blümel

 


 

Leserbriefe zu „Stimmt’s?“ von Christoph Drösser

Vielleicht färben Frauen den Makel ihrer grauen Haare nicht, weil sie älter wirken, sondern es ist umgekehrt: Im Gegensatz zu früheren Zeiten sieht man bei uns kaum noch Frauen in ihren Fünfzigern und Sechzigern mit grauen Haaren. Weil die Masse von ihnen ihre Haare färbt, fallen die wenigen, die zu ihren grauen Haaren stehen, gleich auf und wirken daher älter.
Peter Scheibl

Früher oder später bekommen alle graue Haare. Männer sehen das meistens gelassen, das ist eben so. Frauen nicht, da kann die Friseure einiges tun. Mit Färben. Aber was soll es? Sterben müssen wir alle, ob gefärbt oder grau meliert. Wenn der Deckel zu ist sieht es sowieso keiner.
Hans-Emil Schuster

„Gerade noch habe ich Indianer gespielt. Die Tante im Kindergarten hatte ich furchtbar lieb. Dann meine Runden auf dem Mofa gedreht. Erster Kuss, erste Krise. Wie schnell die Zeit vergeht. Und jetzt steh ich vorm Spiegel, viertel vor Acht. Die Party wird geil, mein Geburtstag. All die, die mich mögen, haben an mich gedacht. Doch was muss ich da sehen? Na was, Na was? Ein graues Haar, wieder geht ein Jahr, alles Gute, danke, klar, immer noch ein Grund zu feiern. Ich seh ein graues Haar.“ Diese Zeilen (von Hartmut Engler & Ingo Reidl) stammen aus dem Lied: „Ein graues Haar“ der Gruppe „Pur“. Die Single wurde im Jahr 1995 veröffentlicht, das „graue Haar“ ist auch auf dem Album „Abenteuerland“ zu finden. Männer sollen, aber nur rein statistisch gesehen, früher graue Haar bekommen als Frauen. Mein erstes graues Haar habe ich mit etwa 30 Jahren auf meinem Kopf entdeckt. Jetzt im fortgeschrittenen Alter habe ich fast nur noch graue und weiße Haare auf meinem Kopf, aber diese trage ich mit sehr viel Würde!
Klaus P. Jaworek

 


 

Leserbriefe zu „Wunsch und Wald“ von Johannes Mitterer

Ich als notorischer Nicht-Leserbriefschreiber sehe mich nun doch genötigt, auf den Artikel „Wunsch und Wald“ zu reagieren. Ich möchte hierbei nicht auf die beschriebene Situation im Eggegebirge eingehen, da ich hierzu inhaltlich keine Informationen besitze. Was der Artikel jedoch ausstrahlt und als Botschaft der Leserschaft vermittelt, ist: Das Nutzen des Waldes zur Rohstoffgewinnung ist nachteilig, wir sollten mehr Wald aus der Nutzung nehmen. Es wird die Direktorin des Senckenberg Biodiversität und Klimaforschungszentrums, Frau Böhning-Gase zitiert, die sagt: „Solche alten Bäume zu fällen (zur Info: es geht um 120-140 Jahre alten Eichen) scheint mir mit keiner Facette meines Gewissens eine gute Maßnahme zu sein, und sie ist verantwortungslos den nächsten Generationen gegenüber“. Diese Botschaft berührt uns alle und es gibt wohl wenige Bürger, die sagen würden, dass ein mehr an Naturschutz schlecht sei. Die Problematik ist jedoch viel komplexer, wird aber leider in dem Artikel nicht angesprochen. Wie in so vielen anderen Artikeln der nahen Vergangenheit in der Presse. Deutschland ist im Vergleich zu vielen anderen Ländern der Erde eher rohstoffarm, wir benötigen aber mit mehr als 80 Millionen Menschen sehr viele Rohstoffe. Einen der wenigen Rohstoffe, die wir in großer Menge zur Verfügung haben, ist Holz. Ein Rohstoff, wenn er nicht durch die Natur geschaffen würde, erfunden werden müsste. Er wächst auch in unserem Klima stetig nach, benötigt bei der weiteren Produktion wenig Energie, ist im Vergleich zu seinem Gewicht hochfest, ist ästhetisch und speichert in seiner Nutzungsphase das klimaschädliche CO2.
Aus diesen Gründen, vor allem dem der CO2 Speicherung, wird seit einigen Jahren von der Politik jedweder Couleur die Nutzung von Holz gegenüber anderen Materialien (wie Metallen, Kunststoffen, Beton etc.) – wie ich finde zurecht –, gefördert. Dazu kommt, dass das gewollte Material „Holz“ in seit Jahrhunderten Jahren durch die deutsche Forstwirtschaft nachhaltig bewirtschafteten Wäldern wächst, was bedeutet, dass nicht mehr Holz dem Wald entnommen wird, als wieder nachwächst. Und der Wald gleichzeitig Erholung bietet, Wasser speichert, in heißen Tagen Kühlung spendet und zudem ein vielfältiges Ökosystem darstellt. In der Kombination all dieser Elemente auf der gleichen Fläche zählt Deutschland in der internationalen Forstwirtschaft als Vorzeigeland. Mehr Wälder aus der Nutzung zu nehmen, würde rein aus Naturschutzgründen zu Vorteilen führen. Jedoch: Wo sollen die knapp 60-80 Millionen m3 Holz jährlich herkommen, die wir benötigen, um klimafreundliche Produkte herzustellen? Ökologisch gesehen am besten in der heimischen Umgebung der Holzindustrie, mit kurzen Transportwegen, kontinuierlich nachwachsend verfügbar. Und nicht in Monokulturen. Und ich möchte hier gar nicht auf den Aspekt weiter eingehen, dass es in der deutschen Forst-Holzwirtschaft mit ca. 1 Millionen Arbeitnehmer mehr Arbeitnehmer gibt als in der Automobilindustrie. Die Alternativen sähen so aus, dass die Holzindustrie, wie es bereits in einigen Bereichen geschieht, aus Deutschland abwandert und wir die von uns benötigten Produkte aus ferneren Ländern beziehen (wo dann auch die Wertschöpfung geschieht), mit langen umweltbelastenden Transportwegen. Oder, aber, wir müssen den Rohstoff Holz, weil nicht mehr ausreichend in Deutschland verfügbar, aus anderen Ländern importieren, in denen die Forstwirtschaft nicht so nachhaltig betrieben wird wie bei uns.
Um nachhaltiges Handeln im Forst anhand des oben erwähnten Beispiels des Fällens einer 120-jährigen Eiche aufzuzeigen: Eine 120-jährige Eiche ist, forstwirtschaftlich gesehen, kein uralter Baum, da Eichen, wie im Artikel erwähnt, bis 1000 Jahre und älter werden können. In einem nachhaltig bewirtschafteten Forst wird es Eichen aller Alterskategorien geben. Von einer gerade ausgetriebenen 1-jährigen Eichel, über mittelaltrige (40–80-jährige) Bäume bis hin zu Bäumen im Alter zwischen 100-120 Jahren, aus denen sich dann durch unsere heimische Holzindustrie die gewünschten Produkte (Parket, Möbel etc.) herstellen lassen. Diese Vorgehensweise ist also in keinem Falle“ verantwortungslos für folgende Generationen“, sondern basiert auf sehr geplantem, nachhaltigem forstwissenschaftlichem Handel. Ich wünsche mir so sehr, dass in solchen Artikeln in Zukunft die Komplexität der Abwägungen viel mehr beleuchtet wird und nicht immer nur ein Aspekt herausgegriffen wird. Lösen lässt sich diese Quadratur des Kreises nämlich nicht. Oder nur dann, wenn wir alle mehr Verzicht beim Verbrauch von Rohstoffen üben würden. Das Problem jedoch in andere Länder der Welt zu verschieben ist falsch und empfinde ich zudem als unmoralisch.
Holger Militz

„Der größte Teil der Arten in Europa würde ohne Menschen gar nicht vorkommen“, sagt der Biogeograf Carl Beierkuhnlein von der Universität Bayreuth im Zeitartikel „Wunsch und Wald“. „Der Mensch hat die Wälder aufgelichtet, Wiesen und Hecken entstehen lassen“. Genau das wird in einem Nationalpark nach dem Ende der 30-jährigen Entwicklungszeit nicht mehr möglich sein. Schwarzstorch und Wildkatze sind längst im Naturpark Egge heimisch, und das Wildnisgebiet in der Gesamtegge umfasst nicht nur 2×100 ha, sondern 1198 ha, das sind 10 % der dortigen Staatswaldfläche. Ein personalkostenträchtiger Nationalpark würde der Natur nur einen geringen Mehrwert bringen, aber die Holzwertschöpfung zerstören. Mit den 10 Mio. €, die der NP jährlich dem Steuerzahler kosten würde, ließe sich für die Natur in der Breite viel mehr erreichen.
Hubertus Fehring

„Die Zeit bringt zum Wald wieder einmal einen etwas einseitigen Artikel, der vielleicht den Vorstellungen eines waldfernen städtischen Publikums entspricht. Die Nutzung von Holz wird generell als naturzerstörend dargestellt. Keine Rede ist davon, dass das ja nicht unbedingt der Fall sein muss. In unserem rohstoffarmen Land ist eine multifunktionale Frostwirtschaft, die sowohl die Holznutzung, die Erholung der Bevölkerung als auch den Naturschutz einschließt, m.E. der vernünftige Weg. Schon die Begriffe sollen dem Leser suggerieren, dass jede Holznutzung schlecht wäre „…Abholzung in FFH-Gebieten…“ etc. Eine vorsichtige und schonende Entnahme auch einer Eiche ist doch nicht per se schlecht! Woraus sollen denn unsere Häuser und Möbel entstehen? Wäre es moralischer, bei uns immer mehr Flächen unter Schutz zu stellen, das notwendige Holz dafür aus weniger sorgfältig bewirtschafteten Wäldern aus dem Ausland zu beziehen? Nicht richtig ist z.B. auch die Behauptung, dass „asphaltierte Forststraßen“ notwendig wären, damit Forstmaschinen in den Wald fahren können. Dabei sehe ich durchaus noch weiteren Forschungsbedarf für eine noch besser den Boden schonende Holzernte. Des Weiteren ist die Diskussion, ob es besser ist, große Gebiet stillzulegen als viele kleine noch nicht völlig ausdiskutiert. Die „SLOSS“-Debatte ist offen, besser „single large“ oder „several smal“? Dazu hat erst neulich die international anerkannte Professorin PhD Lenore Fahrig wider Stellung genommen. Für Löwen benötige ich große zusammenhängende Flächen, für die bei uns wichtigen Tiere ist es aber viel besser, viele kleine Schutzgebiete auszuweisen. Eine Vernetzung ist natürlich auch da hilfreich. Also bitte in Zukunft nicht nur derart einseitige Artikel. Vielleicht könnte man auch mal die Seite der naturschonenden Waldnutzer darstellen.“
Walter Mergner

 


 

Leserbriefe zu „Why not, Leute?“ von Antonia Baum

Wie weit sind wir mit unserer Bundeswehr gekommen? Zumindest nach den Worten jugendlicher – teils wohl noch etwas pubertärer – sog. Influencer und -innen als „Explorers“: coole Truppe und coole Abenteuer — also in anderen Worten: alles dort (nur) ein schöner Abenteuerspielplatz, auf dem „man wie frau“ eine total coole (aber bitte nicht zu lange und dann nicht auch noch zu anstrengende) Zeit verbringen kann … unfassbar, nicht nur Putin dürfte sich hierüber wie über Vieles sonst noch, was in unserem Land so alles mit Befremden zu beobachten ist, jedenfalls köstlich amüsieren.
Thomas Stähler

Bin auf den Nachdenkseiten auf Ihren Artikel aufmerksam geworden: https://www.zeit.de/2024/28/bundeswehr-werbung-social-media-einblicke-berufsbild#comments. Ein großes Danke, dass Sie auf die Verschleierungstaktiken hinweisen bezüglich „Geschäft mit dem Tod“. Bitte klären Sie weiter darüber auf, wie mit kognitiver Kriegsführung unsere Jugend   „kriegstüchtig“  gemacht werden soll. „Der Mensch als Waffe“ https://www.youtube.com/watch?v=60qFKwXR5VI. Unglaublich, was sich „deutsche Politik“ wieder erlaubt und den „totalen Krieg im Atomzeitalter“ mit provoziert. Bitte unbedingt auch über Friedenstüchtigkeit wie z.B. soziale Verteidigung, gewaltfreie Aktionen, Friedenspolitik berichten.
Ute Plass

Recht herzlichen Dank für Ihren klugen und informativen Bericht „Why not?“, den ich als wichtiges Zeichen sehe, sich gegen den schleichenden Kriegswahn aufzulehnen, in der Hoffnung, dass viele Leute diesen lesen, für den Frieden aufstehen und einzustehen und nicht blindlos dem Gehorsam folgen.
Uta Darmer

 


 

Leserbriefe zu „Freilassung von Julian Assange“ von Holger Stark

Na, hoffentlich endet die Story nicht wie bei Prigoschin. Es gibt jede Menge sehr giftige Schlangen in Australiern!!!!
Klaus J. Clemens

„Freiheit ist die einzige die fehlt“ meint unter anderem der deutsche Rock Musiker Marius Müller-Westernhagen (*1948)! Ja, was hat denn Julian Assange eigentlich Schlimmes getan oder verbrochen? Für mich saß er, mehr oder weniger für nichts und wieder nichts im Knast, sogar im Hochsicherheitsknast, der „schlimme Finger“! Jetzt darf er wieder die Luft der Freiheit schnuppern, aber um das zu dürfen, musste er sich natürlich auf einen ziemlich unfairen Kuhhandel einlassen und dieser unfaire Kuhhandel, der hat es in sich! Der Genfer Schriftsteller, Philosoph und Naturforscher Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) sagte folgendes über die Freiheit des Menschen: „Der Mensch ist frei geboren und überall liegt er in Ketten!“
Klaus P. Jaworek

Herr Assange steht für all die Enthüllerinnen /er /Whistleblowerinnen/er. Ohne diese Enthüllungen könnten die Staaten dieser Welt unentdeckt ihre Kriegs- und sonstigen Verbrechen begehen. Auch wenn die Enthüllungen kriminelle Teile enthalten, so ist doch hier wichtig, das nach dem Opportunitätsprinzip vorgegangen wird, wie es bei allen Geheimdiensten dieser Welt üblich ist. Diese Personen gehören nicht strafrechtlich verfolgt, sondern sollten mehr geehrt werden, bis hin zum Friedensnobelpreis, oder den Alternativen Friedensnobelpreis. Herr Assange hat durch seine Enthüllungen dies fast mit seinem Leben bezahlt und wurde wegen angeblicher sexueller Handlungen in Schweden in Arrest gehalten. Der Staat Schweden hat, durch die jeweilige Regierung erheblich Schaden genommen. Das Strafmaß der USA im Voraus auf 172 Jahre Haft festzulegen, zeugt von dem Rachegedanken und soll weitere Personen abschrecken. Hoffentlich gelingt dies nicht und es werden weiter diese Staatsverbrechen öffentlich gemacht.
Ekkehart Staritz

 


 

Leserbriefe zu „Über eine schwarz-rot-goldene Zipfelmütze und die Gefühle für das eigene Land“ von Harald Martenstein im ZEIT Magazin

Wie fast immer eine köstliche kolumne, den bonnhöfer-essay kannte ich noch nicht, aber prof cipolla „über die kriterien der menschlichen dummheit“ (die einstein für unendlich hielt vs weltall ) ist auch sehr vergnüglich zu lesen .
torsten wessels

Fußballspielen hat wohl als Spieler kaum etwas mit persönlicher Intelligenz zu tun: es ist purer Instinkt und in der Erweiterung: die Fortsetzung des früheren miteinander Kinderspielens mit dem Ball plus des dann erwachsenen Männlichkeitsrituals mit dicker Hose als Pose – und selbst wenn einem „vorgespielt“ wird, dass hierbei die Taktik eine besondere kluge Rolle spiele, der Trainer sozusagen der maßgebliche autoritäre Taktiker wäre für die konsequente Ausrichtung des gemeinsamen Spielplans… Gleichwohl die gegnerische Mannschaft mitspielt und dabei doch auch noch mit und zu oft eine zu wesentliche Rolle einbringt… Sind es nun die herausragenden Einzelspieler mit ihrem Ego – oder doch eher eine geschlossen aufspielende Mannschaft a la Rehhagels System als Trainer… Und (in dem Zusammenhang:) wie war eigentlich der Europameister Griechenland als Sieger über all die favorisierten Fußball-Nationen damals im Jahre 2004 taktisch (danach) zu analysieren, da der Deutsche Otto Rehhagel als griechischer Nationaltrainer durch den Sieg der griechischen Nationalmannschaft als Europameister (nicht nur) in die Sportgeschichte Griechenlands sich verewigte… Seine präzise (?) Antwort auf diesen unglaublichen Erfolg mit der griechischen Mannschaft, lautete: „Die Griechen haben die Demokratie erfunden. Ich habe eine demokratische Diktatur eingeführt.“ Der Trainer der italienischen Fußballmannschaft – Luciano Spalletti – bekennt sich schuldig, sei für die „falsche“ Aufstellung verantwortlich: „Wir sind an meiner Auswahl der Mannschaft und meiner Art, sie zu führen, gescheitert, es ist nie die Schuld der Spieler. Ich verlasse das Turnier mit der Gewissheit, dass sich etwas ändern muss…“ – und das quasi „italienische Amtsblatt“ für den Fußball“ die „Gazetta dello Sport“ schäumt molto furioso stellvertretend für Millionen ItalienerInnen: „Italien verliert sein Gesicht.“ Wird Italien nun diesen Trainer auswechseln? Die Schweiz als Sieger dieser Partie am 29. Juni 2024 aber träumt von dem Titel eines Europameisters im Fußball – und jenseits der Grenzen träumen Fußball-Deutschland ebenso wie die anderen Fußball-Nationen dieses Viertelfinales vom „Endsieg“… Um es nochmals zu verdeutlichen: ein griechischer Fußballfan hatte mit seinem Einsatz von 100 Euro tatsächlich 100.000 Euro in der Fußballwette gewonnen: Die Wettchancen bestanden zu Beginn der EM bei einer Quote von 1000 zu 1 gegen einen griechischen Endsieg bei der Europameisterschaft…
Ein jetziger Fußball-Kommentator (und Fußball-Weltmeister) wie Lothar Matthäus – lässt doch offensichtlich erkennen: wie viel das Spielen mit den Füßen nur allzu selten den Kopf belasten muss, zeigt mit auf: dass die gedanklichen Kombinationen auch ohne den Ball: als Kommentator dann doch für unseren Loddar eine geistige Überforderung sind plus der NARRativen Eigentore (?) gegenüber dem Publikum… Zugleich hier doch eine massenhafte Übereinstimmung (Kopf gleich Ball) als wesentliche Voraussetzung (mit den Millionen Fußballverrückten) vorhanden sein muss und somit unser aller Loddar trefflich in dieses massenhafte Gesamtbild hineinpasst. Wortegültige Schachspieler-Allüren würden den Lothar garantiert ins Abseits drängen, sollte er je in der Lage sein wollen auch nur einen klugen analytischen Satz in die TV-Menge einwerfen zu können… Der RvM-Leserbriefschreiber mag das nicht etwa arrogant ins Fußballvolk hineinspielen, ganz im Gegenteil – dieses Spiel der Nationen (diesmal wiederum die Europameisterschaften) vergegenwärtigt doch nur allzu deutlich: dass es sich um rituelle „Ersatzkriege“ handelt, die jene ausgewählten besten Fußball-Männer aus den Lagern der verschiedenen Länder gegeneinander austragen: quasi als ob die Männer ihre nationalen „Schwanzgrößen“ ausmessen wollten… Das ist keine RvM-Vermessenheit, sondern ein Erkennen dieses Männlichkeitsrituals bis hin in die inneren und äußeren Verletzungen nicht nur derjenigen Fußballmannschaft, sondern im übertragenen Sinne in der Euphorie oder der Depression fast einer jeweiligen gesamten Nation… Zwischen Honduras und El Salvador kam es zu dem militärischen „100-Stunden-Krieg“ zwischen dem 14. und 18. Juli 1969 – nach den Qualifikationsspielen zur Weltmeisterschaft von 1970…
Und komme doch niemand damit, dass sich eine europäische Vereinigung aller Männer jemals ermöglichen könnte – das alleine schon ist zu besichtigen, wenn die anwesenden Nationalitäten versammelt in den Fußball-Arenen ihre Nationalhymnen anstimmen, tief empfunden aus sich heraus den „Kriegsgesang“ anstimmen, die handmitgeführten Kinder auf dem Spielfeld ebenso manipulativ eingestimmt: durch diese Texte und Töne (sogar mit Händchen auf dem Herzchen) ergriffen sich mit einverfügen… Eigentlich macht das dem RvM wesentliche Angst, sind dies weiterhin zukünftige extrem mögliche Emotionen aus der verfälschten Zusammengehörigkeit einer erzwungenen Staatsverblendung – und wir haben das im Krieg der Serben und Kroaten erleben müssen: hierbei gab es entsetzliche Massaker auf beiden Seiten, nurmehr durch die Vergangenheit und das Verinnerlichen von Traditionen mitbestimmt, tragischer wahnsinniger Horror des Nationalismus bis in die heutige Zeit… Warum werden denn in den Fußballstadien die verschiedenen Fußballfan-Gruppierungen voneinander getrennt, doch nur: um eine massenhafte Eskalation der Gewalt zu vermeiden… Das alleine gibt doch schon eine deutliche Erkennbarkeit über den latenten aggressiven Zustand von (uniformierten) Männern – und wehe, wenn sie aufeinander losgelassen würden zu doch solch nichtigen Anlässen wie dem Fußballspielen in einem Stadion der männlichen „Eingeschlossenheit“… Sigmund Freud erklärt das mit unserem niemals abzutrainierenden Atavismus aus dem unbewältigten Übergang in der Evolution vom Tier zum dauerhaft verbleibenden Menschentier. Wir sind sexuelle Tiere, deren Grundmuster als Lebensprallheit die Sexualität aufzeigt: Erektion, Kopulation, Orgasmus – bedrängende natürliche Unausweichlichkeiten mit allen Konsequenzen eines männlichen Konkurrenzkampfes um die jeweilige Frau, dieses begehrenswerteste Objekt unserer körperlichen Sehnsucht als Männer… Die Nation wird da als Sammeleingrenzung dieser einheitlichen Jagd der Männer nach Frauen (und Frauen nach Männern) mit einer Flagge und Nationalhymne dekoriert: sodass diese nationalen Jagden in derselben Sprache, den Ritualen und Traditionen und Mentalitäten untereinander verbleiben – möglichst keine fremden Männer als zusätzliche Konkurrenz in das Land eindringen! Und damit wird auch die natürliche Antihaltung als Problem der einheimischen Männer gegenüber den Migranten sehr deutlich miterklärbar! Auch das kann nicht geleugnet werden! Wie auch in deren Ländern die Einströmungen von fremden Männern: den sexuellen Frauenfleischmarkt im eigenen Jagdrevier wesentlich stört und durcheinanderwirbelt… Gebt das doch miteinander und gegeneinander als Männertiere naturhaft zu!
Harald Martenstein sinniert vaterstolz während der Fahrt: „Mein Sohn singt jetzt im Auto meistens die deutsche Nationalhymne, deren Text sie, samt historischem Kontext, in der Schule gelernt haben. Anlass war die Fußball-EM. Er sagte: „Man darf aber nicht die erste Strophe singen, wegen Adolf Hitler.“ Aber schauen wir uns doch die deutsche Nationalmannschaft während des Singens der Nationalhymne des dritten Verses an – und dabei ist doch auch schon oberflächlich zu erkennen: dass hierbei nur ein Absingen abläuft, sich alleine diese durchscheinende Optik nicht mit dem vorgetäuschten Verinnerlichen zu einer (deutschtümelnden) Gemeinschaftlichkeit offenbart… Warum auch – es gibt doch außer dem Geldverdienen in der Gesamtübersicht zu diesem unpatriotischen Auftritt dieser Fußball-Vertretung jenes Deutschlands: keine andere Wahrnehmung, als dass dies alles nicht zusammenpasst und nicht zusammenwächst was nicht zusammengehört… Genau das ist die Verdeutlichung des Zustandes dieses Landes und nicht etwa die Verwirklichung einer Integration der eingeforderten Buntheit einer doch politischen zwanghaften Einverordnung… Der RvM-Leserbriefschreiber erkennt diese nicht erwünschte Beschreibbarkeit sehr offensichtlich und redet nicht dem Volk nach dem Maul, sondern befindet sich mitten in den Stimmungen aus dem Volk heraus, nicht aber der Zukunft (international) zugewandt: es sind deutsche Ansichten zu undeutschen Aussichten…
Harald Martenstein umschreibt diese erratische Omnipräsenz mit seiner Definition von erlaubbarer Offenlegung: „Gegen Patriotismus und gegen diese Hymne aber habe ich, ähnlich wie einst Willy Brandt, nicht das Geringste. Sein Land muss man natürlich nicht lieben, ich jedenfalls liebe es nicht, „ganz gern mögen“ trifft es besser. Sein Land zu hassen oder zu verachten, ist, als ob man sich selbst hasst, das wäre dumm.“ Sokrates war kein Demokrat und äußerte sich dementsprechend über das Athener Volk: „Die Menge ist leider nicht fähig, das größte Übel zu bewirken – denn dann würde sie auch das größte Glück bewirken können. Aber, da sie vernunftlos sei, werden sie nur vom Zufall getrieben.“ Nochmals mitbedacht zu Martensteins Offenlegung gegenüber „seinem“ Deutschland: er tut es „ganz gern mögen“ – da kann man ihm vielleicht auch eine Curry-Wurst anbieten, die er ganz gern mögen tut… Mich machen solche importierten banalen Aussprüche eher abweisend gegenüber solcherlei persönlich bedeutungslosen Anspruchslosigkeiten, wie wenn man(n) zu einer Frau sagen würde: „Ich kann Dich ganz gern mögen! Aber natürlich muss ich Dich nicht lieben! Ich benutze Dich und lebe ja nur von (mit) Dir!“ Casanova hat das definiert: „Auch die schönste Frau hört an den Füßen auf!“ Wer Willi Brandt als Patrioten (auch postmortem) besichtigt, zu dessen SPD-Oberhoheit als Kanzler damals die deutschen Ostgebiete an Polen „verschenkt“ wurden – ohne dass das deutsche Volk in einer Volksabstimmung dazu seine maßgebliche Vorabmeinungen per Stimmzettel kundgetan hat: möge den Begriff Patriotismus gerne vom Bedeutungsinhalt erklärt bekommen können: „(begeisterte) Liebe zum Vaterland, zur vaterländischen Gesinnung.“ (Und nehmen wir doch bittesehr auch grundsätzlich das Mutterland und die mutterländische Gesinnung mit hinzu!).
Welche Bevölkerung eines Landes wird in solch einer Abtrennung von über einem Drittel des eigenen Territoriums (durch einen Politiker wie Willy Brandt sanktioniert) – diesen Mann dann als Patrioten auch noch (in solch eigenartiger Geschichtlichkeit) späterhin würdigen… Das kann man doch nur mit einem Volk veranstalten, das sich bis zur Unkenntlichkeit in seinem Nationalunbewusstsein in Sack und Asche verkrochen hat, dies fast mit einer aufoktroyierten Selbstverachtung zu verbinden wäre… Und man erinnere sich an die territorialen Teilungen Polens von 1772 sowie 1793 und 1795 durch Russland, Preußen und Österreich. Und die vierte Teilung war zwischen Hitler und Stalin ausgehandelt worden durch das geheime Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Paktes des Jahres 1939. Wie lautet das Lied „Mazurek Dabrowskiego“ – im Jahre 1797 von Jósef Wybicki gedichtet: „Jeszcze Polska nie zginela“ – „Noch ist Polen nicht verloren“ – und damalige deutsche demokratische-freiheitssehnsüchtige Polen-Enthusiasten haben sich für den polnischen Aufstand/Widerstand im November 1830 gegen das zaristische okkupierende Imperium mit allen möglichen Mitteln eingesetzt (wohl auch als Vorbild für eine eigene deutsche Revolution gegen Fürstenmacht und Ausbeutung…). Das sollte gleichfalls international nicht vergessen bleiben – wenn über Deutschland weiterhin der Bann der Vergangenheit sich (zu den jeweiligen Zeiten) ausbreiten soll(te), um jeweilige Forderungen mit einzuverfügen… Harald Martenstein holt dann den Theologen Dietrich Bonhoeffer zu Hilfe, indem er ihn zitiert: dass die Dummen gefährlicher seien als die Bösen, die ja Argumenten immerhin zugänglich seien und sich (vielleicht) überzeugen lassen. Der Dumme erkenne nicht einmal, wenn er etwas Böses tue. Die Klugen unter den Bösen wissen wenigstens, was sie tun. Im Gespräch mit einem Dummen spüre man, so Bonhoeffer, „dass man es gar nicht mit ihm selbst, mit ihm persönlich, sondern mit über ihn mächtig gewordenen Schlagworten und Parolen zu tun hat.“ Der RvM-Leserbriefschreiber verwehrt sich nicht gegen die Abmessung und Ausmessung von Dummheit und weiß sehr genau einzuschätzen: für welche Menschlichkeit gegen die Nazi-Diktatur sich Dietrich Bonhoeffer bis in den Henkers-Tod durch das Nazi-Regime, persönlich eingesetzt hat… Man möge dies trotz tiefer Mitempfindung, mitbedenken: die wissenschaftliche Lehre der Theologie ist doch schon im Begriff dieser Vereinnahmung eine Konfrontation gegen die Vernunft des menschlichen Bedenkens – und daher ist eine katholische, evangelische und jüdische Offenbarung in sich schon gegenüber diesen drei „Theologien“ ad absurdum zu betrachten und absolut wissenschaftlich unhaltbar… Also weg mit diesen Lehrstühlen bzw. diese Wahrnehmungen als Wahrheiten offenlegen und nun vom atheistischen Katheder diesen antrainierten Humbug dem jungen Volk aufzeigen. Erst dann werden WIR frei sein!
Dieserhalb gilt es zu erkennen, dass genau diese „Parolen und Schlagworte“ durch die Manipulationen der Religionen erst die Menschen zu dem gemacht haben, was sie sind und was sie in ihrer „Dummheit“ zu glauben erwarte(te)n – und sind nicht die religiösen Lügen und Betrügereien seitens dieser Machtinhaber und deren Priesterschaften dafür verantwortlich: warum die Menschheit in all den Verfolgungen, Vertreibungen, Folterungen, Elend und Not und den Vernichtungen: sich das gegenseitig angetan haben und antun… Und um es noch zu verdeutlichen: Ein Auschwitz ohne den zuvorigen und gleichzeitigen geistigen Religionsterror hätte es nicht geben können – wie auch das Judentum in seiner Religionsauffassung ebenso von einem Gottesbild sich verführen lässt, und sich dadurch als das auserwählte Volk empfindet… Nein: – zu diesen menschenmanipulierenden Religionen über alle Grenzen (der Vernunft) hinweg hin zu der Erkenntnis: dass wir uns endlich dazu bekennen müssen, dass WIR gemeinsam als Menschheit hier in diesem jeweils einen Leben als Individuen (ob geistig dumm gehalten oder gebildet aufgerüstet) keine Erwartungshaltungen zu „Paradiesen im Himmel“ mehr uns vorgaukeln lassen dürfen… Versuchen wir doch hier auf diesem einmaligen Planeten in diesen Lebenskonstellationen unseren Verstand dazu zu benutzen: dass wir diese Hirngespinste und religiösen Verdummungen endlich erkennen und nurmehr in einer gemeinsamen vernunftvollen Übersichtlichkeit: unser Menschendasein dazu benutzen, um in aller Friedlichkeit die Versuche unserer erlernbaren Annäherungen aufzufinden… Dazu bedarf es einer Weltregierung mit den Kompetenzen eines Verteilungsprinzips der allgegenwärtigen Überwindungen von Egoismus und individueller Habsucht. Vielleicht wären die „Hutterer oder die Amish“ ein Vorbild dafür: was in diesen Gemeinsamkeiten füreinander gelingen kann – entfernt von Kommunismus, Sozialismus und Kapitalismus in einer Form desjenigen irdisch-gelebten „Religiösen“: worin die Gegenwart einen vorbildhaft-bedingten „Gott“ als Wegweisung verinnerlicht, der irrational aber wegbereitend nichts anderes offeriert in der notwendigen Suggestion der gegenseitigen Verantwortung ohne geldlichen Lohn: als nur die absolute Anständigkeit in der Umsetzung von Menschlichkeit! Warum aber all diese Verklausulierungen – benutzen wir doch unseren Verstand und denken dabei an die Götter der Antike: diese sind alle auf dem Marmormüll verschrottet worden bzw. in Museen als Staubfänger der Dummheit der damaligen Menschen – überdeutlich als eigenwilliger Kulturballast besichtigbar… Und wir ließen uns einen „neuen Gott“ unterjubeln, dazu den selbsternannten Sohn dieser sogenannten himmlischen Botschaften…
Das mag sich im Text zu dem Vorangegangen letztlich widersprechen – gleichzeitig aber fällt dem RvM keine andere Mitbeteiligung ein, wo doch alle politischen Richtungen nur gegen das Menschsein sich aufzeigen – die Mächtigen mit der Macht umgehen, wie das Fußballspiel mit einem Eigentor. Harald Martenstein ängstigt sich, setzt nicht die schwarz-rot-goldene Zipfelmütze auf sein Haupt – wie es der kleine Sohn sich wünscht. In Martensteins Eitelkeit erklärt er deutsam: „Ich sollte eine schwarz-rot-goldene Zipfelmütze aufsetzen, aber Zipfelmützen lehne ich ab. Sie stehen mir nicht.“ Jetzt könnte man ja davon überzeugt sein, dass Martenstein grundsätzlich etwas gegen die deutsche Zipfelmützigkeit habe – und dadurch sich auch nicht vor dem Sohn so verdeutlicht sehen will… Andererseits schauen wir uns die Spiele in den Stadien oder im TV an – sehen, wie diese Massenmenschen der verschiedenen Nationen mit aller nationaler Begeisterung sich die Lunge aus dem Leibe brüllen, gemeinsam vorzeigen: wie unterschiedlich getrennt sie voneinander so in der Masse sich darstellen… Dahinter sieht der RvM aber auch schon die Gefahr als Maskierung eines nationalen Wahnsinns: der dann sofort ausbrechen kann, wenn ein anderes Land ein anderes Spiel ins gefährliche Spiel bringt… Dann sind diese Massen wiederum zu bewaffnen, um sich gegenseitig abzuschlachten in den jeweiligen nationalen (blutigen) Farben des Krieges… Russland und die Ukraine geben hierzu ein schreckliches Vorhandensein des Menschen-Wahnsinns auf beiden Seiten… Warum fordern die beiden Oberhäupter der russischen-und-ukrainischen orthodoxen Kirchen nicht endlich einen Friedensappell an beide Kriegsparteien, an beide Nationen! Putin spielt doch immer diesen religiösen Bekenner seiner Kirche – wo bleibt da die göttliche Eingebung? Und Selenskyj in seiner auch jüdischen Erziehung wird mit seinem Gott in Einvernehmen kommen sollen: damit beide Kriegsherren auf Erden endlich jetzt zu einer friedlichen Übereinkunft sich bereitfinden… Es wird höchste Zeit!
Harald Martenstein stellt fest: „Sein Land muss man natürlich nicht lieben, ich jedenfalls liebe es nicht, „ganz gern mögen“ trifft es besser. Sein Land zu hassen oder zu verachten, ist, als ob man sich selbst hasst, das wäre dumm.“ Und dann zum Schlusspunkt zu dieser Kolumne „über eine schwarz-rot-goldene Zipfelmütze und die Gefühle für das eigene Land“ – sein fluchtartiger, vielleicht aber auch unprätentiöser persönlicher Kommentar: Wie kann man das Land der Bonhoeffers hassen? Wie kann man das Land der Hitlers lieben? Ich schaffe beides nicht.“ Der RvM würde diese Aussage doch gerne noch erweitern wollen: Schafft die Religionen ab, lasst keine Diktatoren an die Macht, findet ein gemeinsames System der allgemeinen Menschlichkeit, bedenkt Euren kurzen Lebensaufenthalt und benehmt Euch wie Gäste auf diesem Planeten mit aller jeweiligen Gastfreundschaft: Unser Planet ist kleiner als ein Fußball in den Universen dieses Weltalls – und das sollten wir Menschen in unseren Köpfen dringlichst begreifen: und anständig miteinander die allerbesten menschenmöglichen Spielregeln einhalten! Eigentore sind dabei nur von Toren und Narren zugelassen – unter Oberaufsicht der Entdummten!
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld

Bliebe als Kompromiss nur noch die Hassliebe, in der die Liebe immerhin der Hauptbegriff ist. Sonst hieße das Wort „Liebehass“! Eine große Portion Liebe, ein Häppchen Hass! Vielleicht kann man in dieser Ambivalenz ganz zufrieden in unserem Land leben?
Ulrich Pietsch

 


 

Leserbriefe zu „Muss man es tun?“ von Sibylle Anderl

Nein man muss es nicht tun!! Geoengineering ist, wie Frau Dr. Sibylle Anderl in ihrem hervorragenden Beitrag verständlich darstellt, eine höchst risikovolle Methode, deren mögliche, negative Folgen nicht absehbar, bzw. auch nicht genügend erforscht sind. Ihre Anwendung mit dem Ziel, die Erde abzukühlen, indem man die Sonne “verdunkelt” (welche der beschriebenen Methoden auch immer gewählt werden), verbietet sich schon deshalb und wird nichts an der hohen CO2-Konzentration in der Atmosphäre ändern. Sie beeinflusst allenfalls Symptome und nicht die Ursachen! Dennoch empfiehlt es sich wohl, wie von Frank Keutsch vorgeschlagen, die hierzu fehlende Risikoforschung weiter zu betreiben!
Peter Lange

Vielen Dank für diesen erhellenden Artikel über eins der vielen Dilemmata des Klimaschutzes und seiner vielschichtigen Methoden, die teils propagiert, teils kritisiert, teils verteufelt werden, meist — mehr oder weniger — mit Recht: DAs Wesentliche schreiben Sie ja bereits zu Beginn des Artikels: „Sie (die Methoden der Sonnenverdunkelung) sind extrem riskant und entsprechend umstritten“. Leider trifft das Wort „umstritten“ auf fast alles zu, was zum Stopp oder wenigstens zur Begrenzung der Erderhitzung vorgeschlagen oder gefordert wird: Mehr Schulden oder mehr Steuern für die Investitionen, mehr Verzichte oder „Verbote“, höhere Bepreisung und damit Kosten alles fossilen, mehr Bahnfahren oder ÖPNV, Bremsung oder gar Ende von Fleischverzehr, weniger Bevölkerungswachstum im globalen Süden, mehr Windräder oder mehr CCS vor allem vor der eigenen Haustür etc. etc. Fast alles hat seine Gegner außer wenn für den Bürger scheinbar kostenlose, sichere und bequeme Vorschläge gemacht werden, solange diese nicht konkretisiert werden: „kluge Politik“, Geld „in die Hand nehmen“, „marktwirtschaftliche Lösungen“, „Anreize für klimafreundliches Verhalten“ (auf Kosten nur „des Staates“, aber keines Bürgers). Alle wissen vor allem, was sie nicht wollen, und alle behaupten ihre Methode sei die einzige niemand belastende, wahre, und erfolgversprechende, und das ohne alles ungeliebt und unerwünschte.
Die Geschichte seit dem Beweis der Gefahren und Menschengemachtheit der Erderhitzung ist voll von Verdrehungen, Beweislast-Umkehr, Wunschdenken, unwissenschaftlichen oder pseudo-wissenschaftlichen Zweifeln und Illusionen über die noch vorhandene Zeit und Überbetonung der eigenen Benachteiligungen oder globalen Machtlosigkeit und damit Unzumutbarkeit oder Sinnlosigkeit von eigenen Maßnahmen, von Verdrängung, Vermeidung, Aufschieben oder Verantwortungszuschreibung auf jeweils — nur — andere. Umgekehrt lässt es sich auch bequem zurücklehnen mit dem Argument „Es ist sowieso aussichtslos, es geht sowieso in die Hose und weder ich persönlich noch unser Land kann das noch verhindern“. Da ist es kein Wunder, dass immer mehr Befürworter von Verzweiflungslösungen auftauchen: Viel mehr Atomkraft, im großen Maßstab CCS, „Kompensation“, Rückholung von THG aus der Atmosphäre, und schließlich: Geoengineering. Oder schlicht die Hoffnung auf oder Forschung für mehr wunderkräftige Technologie und Innovationen, natürlich auch die ganz von selbst oder durch „den Staat“ ohne dass die Bürger dafür mehr zahlen oder arbeiten müssten als bisher und ohne zu beantworten, warum bei dieser erhofften Genialität des Menschen es nach Jahrzehnten des Wissens um die Gefahren diese Wundertechnologien noch nicht gibt und warum es jetzt schon Millionen von Opfer der verschiedenen Auswirkungen der Erderhitzung gibt. Die Versprechen von idealen Lösungen kommen nicht nur dem Wunschdenken, sondern auch der menschlichen Neigung zu Hybris entgegen, zu Glauben an die Machbarkeit einer besseren Welt entweder durch Wissenschaft oder durch besseres System oder durch „Revolution“. An alles wird lieber geglaubt als an (Notwendigkeit der) Umstellung der Lebensstile, der Verhaltens- und Denkweisen oder der Mitverantwortung aller, nicht nur der Regierungen und Reichen, auch der Wähler, Tarifpartner, Touristen, Konsumenten.
Auch ich sehe zumindest die Vorbereitung auf evtl. Verzweiflungsmaßnahmen inzwischen für notwendig, wobei das CCS noch die mildere Variante wäre, wenngleich die natürlich niemals eine Begründung sein dürfen mit der Bekämpfung aller Ursachen der Erderhitzung nachzulassen, und zwar in allen Ländern und mit allen möglichen Mitteln, nicht nur der bequemen, nicht nur der billigen oder gar kostenlosen, nicht nur der völlig verzichtsfreien. Aber wie Einstein mal sagte: „zwei Dinge sind unendlich: Das Universum und die menschliche Unvernunft. Beim ersteren bin ich mir nicht mehr so sicher“. Wenn er Recht hat, können wir leider gezwungen sein auf solche unvernünftigen Strategien wie solares Geoengineering zurückzugreifen. Wir können kaum genug warnen vor den Risiken und nicht nur finanziellen Kosten und wir können kaum genug hinweisen darauf, wie viele bessere, wenngleich — kurzfristig — nicht so bequeme Alternativen es gäbe, zumindest noch, aber wohl nur noch einige Jahre. Der Zeitpunkt für zumindest vorübergehendes Geoengineering wird wohl gekommen sein, wenn die selbstverstärkenden Prozesse derart stark werden, dass selbst eine Null-emissions-Menschheit die weitere Erhitzung ohne dieses nicht mehr aufhalten kann. Den Menschen der Zukunft und schon jetzt des globalen Südens kann man nur wünschen und dafür „kämpfen“, dass es doch nicht so weit kommt, dass gesellschaftliche globale Kipppunkte schneller kommen als die Klimakippunkte.
Peter Selmke

 


 

Leserbriefe zu „Die neue Aufklärung“ von Peter Neumann

Was für sinnlose Hirngespinste! Seit wann braucht Gewalt irgendwelche verborgenen, komplizierten Wege, um in die moderne oder eine andere Welt vorzudringen? Gier, Dummheit, Opportunismus, Eitelkeit, Missverständnisse, also das ganz normale, menschliche Programm reicht vollkommen aus. Punkt. Ich zweifle auch sehr, dass Martin Walser und seine Rede 1998 auch nur annähernd richtig verstanden ist. Er fragte sich zu Recht, was aus einer endindividualisierten Erinnerungskultur werden soll. Und heute erleben wir, wie man sich der Last dieser Erinnerung an den Holocaust und die deutsche Schuld an den Juden dadurch entledigt, dass man sie mit Antikolonialismus und was sonst noch so daherkommt, immer breiter aufstellt. So wird die Last ganz offiziell und hochmoralisch immer relativer, immer kleiner. Man lernt daraus. Gewalt ist nicht kompliziert. Viel schwieriger ist es, vom hohen moralischen Ross wieder runterzukommen, wenn einem nach 70-80 Jahren davon langsam der Hintern weh tut. Kann einer Alex Karl mal sagen, wieviel Zeit er schon verschwendet hat. Aber ganz liebevoll bitte!
Fred Klemm

Das ist ja wirklich eine tolle Geschichte: Palantir, sprich Alex Karp, erschafft („nicht weit weg vom Sigmund-Freud-Institut und der Frankfurter Schule) einen Algorithmus der Aggressionen, die er „in dem verborgenen Innenraum, in allen schmutzigen Ecken des privaten Lebens“ aufstöbert, „um auch irrationale Triebe unter Kontrolle zu bringen“. „Man muss den Subjekten buchstäblich auf den Leib rücken, um ihre dunklen Seelen zu überwachen“.   Endlich! Hurra! Endlich finden wir Zugang zum Unbewussten des Menschen, indem wir „vordringen in diese Mysterien mit Hilfe der Datenmengen aus dem Internet, die sich auch im Stillen, fern von der Öffentlichkeit einsammeln lassen“. Als gäbe es ein Unbewusstes der KI, das ähnlich funktioniert wie das menschliche, das individuelle ebenso wie das kollektive Unbewusste. Als lasse sich aus der Unmenge der inzwischen im Internet gesammelten Daten die streng verschlossenen Motive der Staaten (mitsamt ihren Geheimdiensten), die weltweit operierenden Konzerne, der Verbände, aber auch der einzelnen Personen, von allen also, die sich jemals in all die Diskurse der Internetplattformen eingeklickt haben, herausfiltern. Das Unbewusste als Text, der schon in den „Daten aus allen möglichen Bereichen, aus Politik, Militär und Geheimdiensten und später den sozialen Medien“ vorliegt und nur darauf wartet, von der KI entziffert zu werfen, um sich dann allen, die Zugang dazu haben, zur Verfügung zu stellen, egal zu welchen Zwecken, ob nun zum Nutzen oder zum Schaden. Eine Horrorvision!   Das einzige Problem ist allerdings, dass die Sprache, die mit Symbolen arbeitet, seien es nun Buchstaben oder Digets, gar nicht in der Lage ist, irgendeine Identität zu den Dingen herzustellen, die sie zu repräsentieren versucht und das auch nur mangelhaft. Die Welt, das Reale, bleibt uns verschlossen. Das Unbewusste ist mehr als eine Ansammlung und Speicherung von fassbaren Daten, und mögen es noch so viele sein. Das Reale lässt sich nicht (nie!) sprachlich erschließen. Die Sprache vertritt die Dinge lediglich. Und das Reale wirkt auch im unbewussten.
Gerd Schillmöller

 


 

Leserbriefe zu „Über den Linden: J’accuse!“ von Maxim Biller

Dass Narren nur auf andre Art gescheit sind, glaubte man zu wissen, aber manchmal schießen sie sich auch von hinten durchs Knie in die Brust und meinen jemand andern. Dass, wer „Ja“ denkt, auch das „Nein“ mitgedacht hat, sogar haben muss, dürfte ein ziemlicher Gemeinplatz sein und kein Grund, das als „Verrutschen der guten Absicht“ von wem auch immer herabzuqualifizieren oder es „falsch und beunruhigend“ zu finden. Oder hätte Hertha Müller das Existenzrecht Israels in Frage stellen sollen, damit es dem Herrn Biller, diesem etwas quer denkenden Dialektiker, besser geht?
B. S. Orthau

Also, Leute, wirklich gaaanz prima, wie Maxim Biller die Herta fertig macht! Wie sagt er zu ihrer Rede: Nicht nötig, danke, aber trotzdem ganz angenehm? Dazu unterstellt er ihr, sie hätte sich mit ihrer Rede vor ihm, also vor Leuten wie ihm, aufgebaut, damit man ihm nicht unterstellen kann, dass er sich jetzt schon für den Staat Israel hält. Und dann lässt er auch noch so nebenher eine kleine Gemeinheit einfließen, die der Céline von Biller und seinesgleichen abgesondert hat, um dann schließlich auch Céline als klammheimlichen Hamas-Versteher bloßzustellen? Meint er denn immer noch, Herta Müller hätte ihm unberechtigterweise damals den Nobelpreis weggeschnappt, weil das Votum der Kommission vom schwerhörigen Vorsitzenden nicht als „Biller“, sondern „Müller“ verstanden worden ist? Oder hat seine Dreistigkeit andere Gründe? Ja, ich bin der Maxim, und mal bin ich intim und mal dann ganz infam, weil ich in meinem Wahn ja gar nicht anders kann usw. usw. und die Zeit-Redaktion steht daneben und dreht Däumchen! Und dann meint er noch, dass ausgerechnet er sich unwohl fühlen müsse!
H.-H. Graubrecht

 


 

Leserbriefe zu „Hier kommen die Roboter“ von Nicolas Killian und Jakob von Lindern

In der Ausgabe Nr. 28 hat sich ein kleiner Fehler eingeschlichen. Im o.g. Artikel heißt es im dritten Absatz: „Vergangene Woche erreichte der US-Konzern einen Börsenwert von mehr als 3,3 Billionen US-Dollar (rund 3,12 Billionen Euro) …“ Es sind allerdings nur rund 3,12 Milliarden Euro.
E. Ogroske

Als Untertitel zu Ihrem Artikel „Hier kommen die Roboter“ wählen Sie: „Der Hype um künstliche Intelligenz machte den Chiphersteller Nvidia zum wertvollsten Unternehmen der Welt …“. Ich denke, Sie sind da einem Irrtum aufgesessen, der leider häufig in den Medien kolportiert wird. Nvidia ist eben kein Chiphersteller, sondern wie schon eine einfache Recherche bei Google verrät: „einer der größten Entwickler von Grafikprozessoren und Chipsätzen für Personal Computer, Server und Spielkonsolen“. Als Chipsatz bezeichnet man im Allgemeinen mehrere zusammengehörende integrierte Schaltkreise, die zusammen eine bestimmte Aufgabe erfüllen. Ich denke Sie sollten das in Ihren Darstellungen künftig beachten.
Wolf Zimmer

 


 

Leserbriefe zu „Was die Mode uns sagen will“ von Ijoma Mangold

Hermes ist nach wie vor ein unabhängiges Familienunternehmen und gehört mitnichten zu Arnaulds LVMH-Sammelsurium.
Alex Mueller

Karl Lagerfeld hatte eine Privat-Bibliothek von über 130.000 Büchern! Raus aus der Klamottenkiste? – her mit den Büchern! Ohne den Verstand und das bildende Wissen ist der Mensch letztlich nackt (im Gegenüber des Erkennens) und geistig unbekleidet! Hatte der nackte Diogenes als Philosoph die Weisheit der Welt in sich vereint? Er (als ein Kyniker) wollte wie ein Hund leben in seinem menschlichen „Fell“ – und onanierte auch öffentlich, weil er dies als eine natürliche Selbstbefriedigung ansah, zudem in der Unabhängigkeit des Benutzens von einem anderen Menschen. Auf die Frage: Woher er denn komme – kam die Antwort: „Ich bin Bürger der Welt!“ – und: „Suche nicht nach der Zukunft – lebe im Moment der Bewusstheit!“ Haben wir das Bewusstsein – all das Unnötige in das Entbehrliche zu werfen, und im übertragenen Sinne „in der Tonne“ zu leben… Und wie erkennen wir uns selbst in diesem Zusammenhang zur persönlichen Eitelkeit in: „des Kaisers neue Kleider“…Bekleiden, verkleiden, entkleiden… Wann wird das bewusste Lesen zu dieser Erlesenheit wieder zur Mode? „Früher“ lasen die deutschen Menschen in den öffentlichen Verkehrsmitteln ohne Rücksicht auf Rückschlüsse zu ihrem (womöglichen) Kopfinhalt – während der Fahrt ihre Heftchen: irgendwelche Krimis, Western, Liebesschnulzen, Arztromänchen, Adelsschmonzetten oder auch Jerry Cotton (alias Jeremias Baumwolle) und allüberall die aufgeschlagene BILD-Zeitung als Blätterwald in den Straßenbahnen und Bussen… Das Volk genierte sich nicht: öffentlich zu beweisen, dass die Verallgemeinerung eines schlichtweg einheitlichen Allgemeinzustandes an fehlender Überanstrengung des Denkapparates etwa auf die Person schließen könne – zu deutlich war man massenhaft mitten unter sich im Volk der Dichter und Denker… Niemals, aber wirklich auch nie und nimmer sah ich jemals jemanden in und während einer öffentlichen Fahrt-Beförderung die DIE ZEIT lesen – an was täts geleche habbe? Etwa an der Unhandlichkeit der auszubreitenden ZEIT-Seiten – besonders auch des Feuilletons? Oder aber bedenkenswerter an dem Inhalt abgemessen, der dann doch durch die geistreiche Abgehobenheit der Texte mindestens 98% der lesenden deutschen Bevölkerung abhielt oder gar abschreckte… Doch vom ersten Schrecken kann man sich erholen, wenn denn das erlesende Auffindbare zum Erkennbaren werden darf – allerdings: bedarf es auch einer gewissen Vorbildung und Weiterbildung als Ausrichtung in die jeweilige erneuerbare Gegenwart der Selbsterkenntnis: Knowledge is power! Und es lohnt sich allemal auch den Duden zur Hand nehmen, neben sich bereitzufinden, um durch den Dschungel der Fremdwörter sich hindurch zu manövrieren…
Denn: schon ein einziges nichtverstandenes Wort als unzugängliches-Unverständnis kann den gesamten Sinn des Textes im persönlichen Kopf durcheinanderbringen oder einem entgleiten lassen. Ein Beispiel zu der von Ijoma Mangold beschriebenen „Mailänder Fashion Week“ als textliches Wortemeer – doch wahrlich im Applaus an den Beschreibenden: dichter dran-zu-sein wäre nur noch möglich, wenn man vor Ort dann auch zu den diversen Topeinladungen mit anwesend sein könnte im ähnlichen Geiste des Verfassers… Kompliment: an den dort gewesenen Autor und seinen modischen-literarischen Überblick zu „WAS DIE MODE UNS SAGEN WILL“. Nochmals aber zu den Worteverfremdungen bzw. zu der Suche nach dem Selbstverständnis als Übersicht des „Freedom of expression!“. Klar vielleicht – es heißt wohl modeübersetzbar: „Freiheit zum Ausdrucksvollen“… Und Ijoma Mangold erweitert dies textlich souverän: „Aber eben nicht Kommunikation mit Worten, sondern mit stofflichen Zeichen, die so subtil sind, dass sie kaum zu beschreiben sind. Wenn sich eine modische Innovation auf den Begriff bringen lässt, ist sie in der Regel schon durch. Das ist ein Dilemma, denn natürlich will die Kundschaft den letzten Schrei nicht nur tragen, sondern auch darüber reden. Bei diesem Versuch stellt man fest, dass alles, was man sagt, sogleich abgelutscht klingt…“ Und der kultiviert durchaus auch gerne-subversive Ijoma Mangold hat dieses Phlegma „was gilt noch jene Mode von Gestern (- nicht aber das Geschwätz hierzu)“ genau auf den Mode-Punkt gebracht – denn davon lebt der internationale Modebazar: dass jedes Jahr neue Kreationen auf das entsprechende Publikum zukommen: das zwar im Laufe der Zeitveränderungen (dann auch wesentlich) älter wird, jedoch die Modebranche darauf keine Rücksicht nimmt und somit den Anschein zum Schein einer unveränderlichen (unverdauten) Jugendlichkeit bewahrt…: Man sieht scheinbar weiterhin so jung aus, wie frau/mann sich modisch kleidet. Leider ändert das nicht die Besichtigungen des abseits gehaltenen (modebilligen) Volkes, wenn es denn spontan im Angesicht des oftmals zeitbezogen antizyklisch Erkennbaren, hemmungslos verkündet: „Von hinten Lyzeum, von vorne Museum!“
Aber lassen wir diese (natürlichen) Protokollierungen – sie sind dennoch keinem voreingenommenen Neid gestundet, denn tatsächlich bewirkt modernste getragene Mode im wesentlichen Ältersein oder Altgewordensein dann doch eine optische Peinlichkeit der offensichtlichen Disharmonien… Ich kann als ältere Lady in teuerster Modeverkleidung mit Brillanten behangen, sicherlich bei einem (wo) möglichst jungen Lover nicht eine natürliche spontane Erektion hervorrufen, geschweige denn hervorragend herausragen lassen… Selbst in noch so überteurem Modefummel auf der „Mailänder Fashion Week“: wird sich die Trennung von Jugend und Alter nicht durch diese modebewussten Äußerlichkeiten nivellieren lassen: und somit sei der Textausschnitt des zwar im erweiterten Alter von nunmehr 53 Lebensjahren (aber doch erkennbar optisch noch altersverschontem) vorzeigbaren Ijoma Mangold, fast andächtig als vermittelbar sich „hautnah“ begeistert (auch positiv entgeistert) reinzuziehen: „Wie schon erwähnt, mein eigenes Outfit für Mailand hat mir Kopfzerbrechen bereitet. Deshalb habe ich mir kurz vorher noch im Armani-Outlet ganz hübsche Loafer mit Schnallen gekauft – was sich in Italien viel selbstverständlicher trägt als in Deutschland (da muss man schon nach Sylt fahren, um nicht aufzufallen). Weil ich dachte, dass nur deutsche Spießer Strümpfe in Loafern tragen, lief ich am ersten Messetag barfuß in meinen Neuanschaffungen umher und hatte schon bald schlimme Blasen, nur um festzustellen, dass der Wind sich gedreht hat: Strümpfe in Loafern, sogar in Sandalen gehen wieder! Auch gern Kniestrümpfe kombiniert mit Bermudas. Für Mutige können es sogar graue Nylonstrümpfe sein.“ Man kann sich aber auch eine Pfauenfeder in den Hintern stecken und nackt durch diese eitle Fashion-Week in Mailand laufen!
Voila – Ijoma Mangold beherrschte die persönliche Seins-Frage des Verkleidens zur „Fashion Week in Mailand vorher noch nicht und erklärt dies seinem ZEIT-Feuilleton-Publikum derart“: „Nachdem klar war, dass ich dieses Jahr auf die Männerschauen nach Mailand fahren würde, war meine größte Sorge: Was ziehe ich nur an? Ein Mode-Novize unter lauter Fashionistas? Wenn man aus der einen Bubble, Feuilleton, in die andere Bubble, Mode, wechselt, kennt ma ja die Codes nicht. Also rief ich den Kollegen Tillmann Prüfer an, der einst fürs ZEIT-Magazin keine Modemesse zwischen Mailand, Paris und Florenz ausgelassen hat, und bat um Amtshilfe: „Das gibt´s keine Abkürzung: Am Anfang bist du overdressed, dann verachtest du dich für deine Anbiederei und ziehst dich extra underdressed an, um dich dann erst recht lächerlich zu fühlen, aber nach ein paar Jahren triffst du deinen eigenen Stil, und alles wird gut.“ Immerhin mitbedacht – aber: des Ijoma Mangolds äußere Erscheinung bedarf doch eigentlich gar keiner Maskierung zu irgendwelchen Dresscode-Veränderungen – sieht doch gut aus, der Mann und besonders, wenn er mit seinen Rastalocken den geistigen „Literatur-Beethoven“ präsentiert; gleichwohl dann (irgendwo mal abgebildet) aber der pflegeleichte Kurzhaarschnitt ihn in die Kategorie der zu sehr „gescherten Pudel“ optisch zurückwarf…
Der RvM weiß, wir Männer sind ebenso eitel wie die Frauen – beim Ijoma Mangold bemerkt man sehr wohl, dass hier durchaus eine überstrapazierfähige Eitelkeits-Euphorie sich mit aufzeigt… Was auch die Bewertung oder Überbewertung des eigenen Geisteszustandes betrifft? Wäre ja auch schade, wenn in einem überaus gesunden Geist eine wenig optisch gut besichtigbare Person sich abtrennen ließe. „Mens sana in corpere sano.“ – um bei dieser Übertragbarkeit zu verbleiben. Ijoma Mangold versteht sicherlich diesen omnipräsenten Spaß für oder gegen die Eitelkeiten im Leben eines bunten Feuilletonisten – besonders auch wenn der ehemalige „Paradiesvogel“ Fritz J. Raddatz als Chef des ZEIT-Feuilletons den ehemaligen Herausgeber von DIE ZEIT: als Erbsenzählern und eitlen Langweiler bezeichnet hat, desweiteren als den typischen ewigen deutschen Oberleutnant. Und fortgesetzt ausplauderte: „Ich nehme ihm übel, dass er uns die Ohren vollsalbadert mit allem – wie der Euro gerettet wird und was er von Marlene Dietrich hält und wie es mit Giscard d´Estaing war und so weiter. Ich kenn nur keine Begründung von ihm, wieso er Oberleutnant in Hitlers Wehrmacht war.“ Außerdem wurde von ihm jene Gräfin Dönhoff als die doch anerkannte Grande Dame und ZEIT-Herausgeberin, eher als die „Inge Meysel des Journalismus“ apostrophiert.
So besehen mit den Augen-Blicken des (täuschbaren) Volkes -und mit der Mode des Zeitgeistes dies betrachtend: war der scheinbar akkurate Helmut Schmidt (übrigens kein Kind von Traurigkeit – und er ließ auch bei so manchen Frauen nichts anbrennen) wahrlich das Bild eines soliden Deutschen, quasi das Abziehbild seiner dies so repräsentierenden Generation… Und, um noch eine mehrgleisige Stimme von der vielseitigen, einstigen Sekretärin Heide Sommer (u.a. des Rudolf Augstein, Carl Zuckmayer, Helmut Schmidt und Fritz J. Raddatz) zu vermerken – als sie in einem Interview die Frage beantwortet, ob große Männer groß bleiben, wenn man sie aus der Nähe beobachtet…: „Erkenntnis führt nicht immer zur Selbsterkenntnis: des Fritz J. Raddatz´ Eitelkeit zum Beispiel war eine Kompensation seiner Minderwertigkeitskomplexe. Sie resultierte aus Schwäche, und das machte ihn so kränkbar. Das krasse Gegenteil war Helmut Schmidt. Dem quoll seine Selbstherrlichkeit aus den Ohren, und ob er wirklich zu kränken war, wage ich zu bezweifeln.“ Heide Sommer weiß aus den persönlichen Erzählungen, dass Fritz J. Raddatz mit rund tausend Männern und zwanzig Frauen geschlafen habe. „Ich gehöre nicht dazu!“, sagt sie. „Dabei hätte ich gerne mal mit ihm geschlafen, um ihn zu trösten und das Ewig-Weibliche spüren zu lassen.“ (Den RvM-Leserbriefschreiber wundert es immer wieder, wenn dieser sexuelle Akt, die pure Geilheit – vorab oder danach dann: als „miteinander schlafen“ verklausuliert wird. Ja wat denn nu? Ran an die Buletten oder dat Vegetarische?).
All dies hat eben auch mit einer jeweiligen Zeitmode zu tun und derartige Geschichten würzen das Zeitkolorit, macht manche Person verständlicher und holt gerne auch vom Denkmalsockel herunter ins boden(be)ständige Bewusstsein der Bevölkerung. Ijoma Mangold feiert in Mailand sicherlich nicht diese Modewelt als einen notwendigen Kult dieser Zeitepoche, zeigt nicht diese Seite des Kapitalismus als eine prächtige Motivation für dieses System auf – jedoch wird auffällig, wie wenig Kritik sich in seine ganzseitige ZEIT-Seite einschleicht, wenn überhaupt dann doch nur ganz sanft zwischen den Zeilen angedeutet… Immerhin überschreibt er einen Bericht mit dem fettgedruckten Beginn: „DER GOTTESDIENST: Die Polykrise der Welt hat nicht auf die Mailänder Laufstege durchgeschlagen, so viel kann man sagen. Bei Moschini ist die Lust am Dadaismus ungebrochen. Bei Dolce & Gabbana sieht alles nach dem talentierten Mister Ripley aus. Bei Armani entsteht der Eindruck uneinholbarer Leichtigkeit, als hätte eine laue Brise die luftigen Stoffe auf die Schultern der Männer geweht. Doch nirgends war der Gottesdienst so feierlich und die Gemeinde andächtiger als bei Miuccia Prada: Über den von Rem Kohlhaas entworfenen Laufsteg schritten die androgynen Models im Ugly Chic, bei dem die Falten des Hemds, als hätte man es eben aus dem Koffer genommen, schon in den Stoff hineingearbeitet sind… Auf die Sonnenbrillen werden in der nächsten Sommersaison antike Statuen gedruckt, sodass sich das Sichtfeld für den Träger halbiert – aber gesehen zu werden ist hier ohnehin wichtiger, als selbst sehen zu können.“
Widerspricht sich da nicht die Gegenbesichtigung in der Deutung der persönlichen Eitelkeiten vom absoluten „Sehen und Gesehen-werden“ – und seltsamer noch zu dem durchaus eigenwilligen, unwiderstehlichen ZEIT-Text von Ijoma Mangold ist dennoch seltsam verwunderlich: dass überhaupt kein Wort von den sexuellen Ausströmungen auf solch einer Männer-Moden-Woche zu lesen sei – weder Männer mit Männern, noch Frauen mit Männern und den männlichen Models miteinander: es dadurch in diesem elitären Mangold-Text leider noch nicht mal knisterte zu den sicherlich sexuellen Vorhandenheiten durch die Mode-Aufheizungen zu dieser doch mitbeteiligten Atmosphäre des körperlichen Way of Sexy-Life… Man darf somit (ohne Boulevard) eher diese „anständige“ Mangold´sche Version lesen (und sich dabei evtl. mit eigener Phantasie mehr pralles Erleben erwünschen): „Eines springt sofort ins Auge. Die Models, ob bei Prada oder bei Dolce&Gabbana, sind zu zwei Dritteln schwarz – und zwar, falls man das so sagen darf: tiefschwarz. Nicht Black American, eher Subsahara. Das Lustige (das Kulinarische) daran aber ist, dass all diese wunderschönen Männerkörper nicht wie ein Diversity-Statement wirken, sondern als sei Schwarz halt aus ästhetischen Gründen gerade die Farbe der Saison.“ Lassen wir doch die Menschen (mit mehr, viel oder etwas weniger Geld) diese Moneten in Luxus anlegen, sich entsprechend kleiden und verkleiden, z.B. den LVMH-Luxusmarken-Konzern-Inhaber Bernard Arnault jährlich um Milliarden reicher werden – denn, wie hatte es schon Oscar Wilde für sich festgestellt: „Man umgebe mich mit Luxus, auf alles Notwendige kann ich verzichten.“ (Und wenn lt. ZEIT-Mangold-Bericht: seit „Succession“ alle wissen, dass der unauffällige Kaschmirpullover 2.500 Euro kostet). Alle aber wissen auch, dass ein Lehrer in der Provinz in Indien: 15-20 Dollar im Monat „verdient“ – hochgerechnet er also rein netto-bedacht: erst nach 15 Jahren sich solch einen Pullover kaufen könnte? – ohne natürlich die Lebenserhaltungskosten dort im indischen Landleben der Kasten und der Armut, mit einkalkuliert zu haben… Somit wäre wohl diese Kaschmirpullover-Anschaffung (abzüglich aller Kosten) auf ein ganzes Leben verteilt, zu berücksichtigen! Und haltet mir dann bloß die Motten vom Leibe! Man kann das Leben auch mal so oder so sehn… – oder aber (nochmals erwähnt:) den Diogenes von Sinope (um 323 v. u.Z. verstorben) zitieren, der da ganz persönlich als Kyniker im anteilig reichen Athen wie ein Hund leben wollte: „Nicht der Mensch ist glücklich, der am meisten besitzt, sondern der, welcher am wenigsten braucht. Wer mit nichts zufrieden ist, der besitzt alles.“
In diesem anderen Oscar Wilde´schen Sinne (um ihm aber dennoch posthum einen OSCAR als Schriftsteller und Dramatiker zu verleihen – und: ohne die Tragik seines späteren Lebens nicht mit einzubeziehen) – wird durch die ZEIT-Seite des Feuilletons doch sehr vermittelbar, dass ein Ijoma Mangold keineswegs sich von dieser Scheinwelt korrumpieren lässt, obwohl das Problem bei ihm auftauchte: „Was ziehe ich an?“ – und dann wohl auch als Sein-Problem wieder abtauchen wird! Zumal in der voraussichtlichen Erkennbarkeit – dass er im ZEIT-Büro-Bubble nicht mit den Armani-Loafer dort optisch kokettieren würde: und sicherlich auch nicht mit weißen Socken zu Birkenstock-Sandalen… Was dort zählt: ist der Geist in der Birne! Hic Rhodus- hic salta! Gar nett umschrieben ist aus der Besichtigung im Palazzo Reale zu Canalis 90. Geburtstag, zu lesen: „Ungefähr auf der Höhe des Betrachters sieht man die Szene, wie ein schwungvoll durch die Luft schwebender Cherubim Adam und Eva des Paradieses verweist. Seither sind sich die Menschen ihrer Schuld schamhaft bewusst und müssen sich bedecken. Natürlich nervt das, aber wenn es nun einmal so ist, dann doch lieber das Beste daraus machen! Wenn schon Bekleidung, dann doch lieber von Canali. Aus der Notwendigkeit eine Neigung machen – so wird Pflicht Kür.“  Genauer noch: Die Kür zur Pflicht!
Ijoma Mangold sollte nochmals genauer mytho(un)logisch nachforschen, was ein Cherub nahest am Himmelsthron bewirken könnte – solch einer bittet nämlich Gott um Vergebung für die Menschen und sind beschützend für die Rechtschaffenen. Wie schon vom RvM beschrieben: Karl Lagerfeld gehörte vielleicht nicht zu den ausgesprochen „Rechtschaffenen“, war aber andererseits neben seinem Luxusleben auch ein bibliophiler Mensch mit über 130.000 Bücherbeständen in seiner Bibliothek in Paris. Ein Deutscher mit großer internationaler Ausstrahlung nicht nur für die Mode: ein Kosmopolit und ganz deutlich auch ein doch so seltener Botschafter eines anderen Deutschlands ohne Uniformität! Er schätzte ganz besonders die Zeit des 18. Jahrhunderts, die Mode jener Epoche, die Ausgefallenheit und Ausgelassenheit einer Menschengattung, die sich abgehoben fühlte von der jeweiligen anderen Wirklichkeit und somit versucht hatte: das Menschsein zu glorifizieren, zu verschönern und damit im Grandiosen die Bescheidenheit demaskierte: kurzzeitig die eigene Lebensbegrenzung an Zeit erträglichst zu gestalten – (ohne Rücksicht auf die dadurch entstehenden Verluste zu Lasten der Untertanen!). Ludwig XIV. („Roi Soleil“) soll zu seinem ersten Ankleidediener gesagt haben: „Ohne meine Verkleidungskostümierungen und ohne meine Perücke und meinen Schmuck: wäre ich nicht als der König zu erkennen, sondern nurmehr als ein Mensch!“ – Honi soit qui mal y pense!
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld

 


 

Leserbrief zu „Stadt im Sturm“ von Matthias Krupa

Dass es in Paris fast keine rechten RN-Wähler gibt, ist das Verdienst von Anne Hidalgo, der Bürgermeisterin. Sie hat die Stadt erfolgreich „Boboisiert“, also in ein großes Kreuzberg verwandelt. Die Mittelschicht wurde in die Vororte vertrieben und darf sich dort mit dem Drogenkrieg auseinandersetzen. Die radikal linke Partei LFI von Luc Mélenchon hat viele neue Wähler gewonnen, seit Marine Le Pen die Antisemiten aus ihrer Partei geworfen hat und Mélenchon immer unverhohlener Antisemitismus predigt.
Peter Pielmeier

 


 

Leserbrief zu „Tiberwahn“ von Konstantin Arnold

Wer mit offenen Augen durch die Welt oder auch nur durch Rom läuft, sieht mehr. Danke für den scharfen Blick, Herr Arnold. Auch ich habe zwischen den Jahren den Tiber erkundet dort erkundet. Es war die gleiche Strecke an den Bootshäusern vorbei. Einen Steinwurf vom Trampelpfad am Augustusmausoleum und der Ara Pacis entfernt kann man das nur erahnen. Da unten im Fluss sind sie unter sich, die exklusiven Ruderer von Rom, zusammen (haben Sie das übersehen?) mit den Obdachlosen in Ihren Zelten.
Daniel Scholz

 


 

Leserbrief zu „Zugemacht und weggeschaut“ von Nina Monecke

natürlich ist es ärgerlich, wenn in Sachsen Lokalredaktionen geschlossen werden sollen. Bedenklicher ist allerdings, dass ein Geschäftsführer des Deutschen Journalisten-Verbands der Ansicht ist, es wäre Aufgabe von Journalisten, die AfD zu bekämpfen.
Rolf Schikorr

 


 

Leserbrief zu „Sein härtester Gegner“ von Heinrich Wefing

Es ist schon seit längerem nicht zu begreifen, dass ein so großes Land wie die USA es anscheinend nicht schafft, sowohl auf demokratischer als auch republikanischer Seite einen Präsidentschaftskandidaten aufzubieten, der nicht bereits altersschwach, streckenweise oder sogar überwiegend geistig verwirrt, sondern stattdessen noch im Vollbesitz seiner körperlichen und vor allem geistigen Kräfte ist. Wenn es dann am Ende auch noch zur (Wieder-)Wahl des geistig Verwirrteren von den beiden, der zudem noch ausgeprägte menschliche Defizite und – schenkt man seinen Worten wie Taten Glauben – gar kriminelle Eigenschaften aufzuweisen scheint, kommen sollte, kann man sich leider jetzt schon ausmalen, was das für die USA, aber auch für die gesamte Welt bedeuten wird. Einen Vorgeschmack davon gab es ja bereits, zu was dieser Mann alles so fähig ist. Nun dürfte es allerdings fast schon zu spät sein, um eine Wiederholung, u.U. sogar Steigerung des mit und unter diesem erneuten Präsidentschaftskandidaten bereits vor Jahren Erlebten noch zu verhindern, wenn man derzeit jedenfalls davon ausgehen muss, dass es bei der nächsten US-Wahl durchaus zum Schlimmsten aller Fälle kommen könnte. Biden müsste in der jetzigen Situation daher erst einmal (willens sein zu) begreifen, dass sein härtester Gegner letztlich er selbst ist.
Thomas P. Stähler

 


 

Leserbrief zu „Frisch erforscht: Das Gewichtsproblem der Schwarzen Löcher“ von Sibylle Anderl

Es verwundert schon sehr, immerhin unter der Rubrik „WISSEN“, etwas zu lesen, in dem die Begriffe „Masse“ und „Gewicht“ wild durcheinandergeworfen werden. Man lernt schon im physikalischen Elementarunterricht in der Schule, dass (grob) „Masse“ eine Eigenschaft, „Gewicht“ dagegen eine Kraft ist.  Alles eigentlich ganz einfach! Weshalb wohl hüpfte Neil Armstrong auf dem Mond trotz großer Masse leicht umher? Kleines Gewicht? Welches Gewicht hat wohl das „supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße“ mit seinen „…  vier Millionen Sonnen“? Da braucht’s wohl eine andere Galaxie o.ä., die das Gewicht erzeugt! Bitte, ein wenig mehr Präzision, wenn man über Naturwissenschaftliches schreibt; keinen reißerischen Journalismus.
Hans-Jürgen Föckel 

 


 

Leserbrief zu „Die Position: Kindern kann viel früher geholfen werden“ von Regine Hauch und Ulrich Fegeler

Der obige Artikel spricht mir teilweise aus dem Herzen. Was mir dabei fehlt, ist der Kontakt von Anfang an zwischen Eltern und Babys zu anderen Eltern mit Babys wie sie z.B. in Eltern-Baby-Gruppen wie PEKiP angeboten werden. In diesem Rahmen können alle gemeinsam lernen, wie gute Kontakte zwischen Eltern und Kindern anhand von gemeinsamem Tun wie Spielen und Gesprächen sich gestalten. Diese Gruppen z.B. PEKiP gibt es seit den 1970er Jahren. Die Kinder mit einer anderen Muttersprache nehmen die deutsche Sprache schon auf. Wir haben als PEKiP-Verein schon immer diese Familien besonders im Blick. Leider wurde es von den Behörden nicht als so wichtig erachtet, dass die Gebühren erstattet wurden. Ich habe bei Sozialhilfeempfängern (so hieß es damals) manches Mal dem Sozialamt wenigstens die Hälfte der Kurskosten abringen können. Auch die Demokratiebildung, die jetzt eingeführt werden soll, hat wieder nur einen Personenkreis im Blick, die Kinder. Sie sollen von Fachleuten gebildet werden. Die Demokratiebildung fängt mit der Geburt in der Familie an, indem die Bedürfnisse aller gesehen werden und Kompromisse je nach Alter gefunden werden müssen.
Liesel Polinski

 


 

Leserbrief zu „Am Meeresufer ein Gesicht“ von Elisabeth von Thadden

Ich möchte nur betonen, dass die Aufenthalte von Herrn Foucault in Tunesien weniger der Aufarbeitung des Kolonialismus, sondern der Befriedigung seines Appetits für pubertäre Jungen diente… Dort ist es nicht strafbar, bzw. Nicht kontrolliert.
Nathalie Meinecke

 


 

Leserbrief zu „Was ich gern früher gewusst hätte“ von Bill Kaulitz im ZEIT Magazin

Mit was habe ich als Leserin so ein Interview verdient? Wer die DIEZEIT abonniert hat, rechnet in der Regel mit einem gewissen Niveau. Bill Kaulitz und seine abgehobenen Promiweisheiten wie ,,Investiere, so früh es geht in Immobilen“ gehören sicher nicht dazu. Ärgerlich! Ich muss nun von meiner Minirente aus einem Berufsleben am Krankenbett existieren, weil ich es verpasst habe, in Immobilen zu investieren! Dumm gelaufen! Die verzogenen Kaulitz-Brüder lachen sich sicher über solche Loser wie mich schief. Und ahnen überhaupt nicht, wie viel reicher systemrelevante Menschen sind. Aber uns fragt ja keiner, was wir früher gerne gewusst hätten. Vielleicht lässt sich die Rubrik ja ändern und ich muss mir nicht wöchentlich die Weisheiten von irgendwelchen C-Promis antun. Ich bin sicher, dass die meisten LeserInnen dies ebenso beurteilen.
Heike Westermann