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14. Dezember 2023 – Ausgabe 53

Leserbriefe zu „Nur noch ein Schatten“ von Bernd Ulrich

Sie haben heute früh um 07:11 Uhr bei meiner Zeitungslektüre etwas sehr Seltenes geschafft: Sie haben mich mit dem Zuversichts-Zuruf, den Sie Herrn Linnemann in den Mund legten, tatsächlich zum Lachen gebracht! Ich stellte ihn mir vor, wie er in schwerer See sich mit der einen Hand am Mast abstützt und gleichzeitig mit der anderen seinen Südwester festhält, „Zuversicht, Jungs, Zuversicht!“ rufend. Und danke für Ihre sehr kluge Analyse dieses Grundsatzprogramms, auch wenn meine Heiterkeit mit fortschreitender Lektüre bald wieder abnahm. Möge doch in den christlichen Parteien Ihr Artikel eine breite Leserschaft finden!
Bernd Fingerl

Langsam müsste doch klar werden, warum Frau Merkel Merz nicht in der Regierung haben wollte. Er ist Populist legt Feuer, ohne zu wissen wie gelöscht wird. Er kann wunderbar hetzen, anstatt konstruktiv zu argumentieren. In einer Situation wie zurzeit gehört Besonnenheit auch zur Opposition. Kein Wunder, dass Frau Weidel gerne mit ihm regieren würde.
Udo Quarz

Wo CDU drauf steht, ist noch lange nicht CDU drin. Das CDU-Grundsatzprogramm als Wundertüte enthält diesmal vor allem: Friedrich Merz (und Carsten Linnemann). Bei der Lektüre des Artikels von Bernd Ulrich sieht man regelrecht die auf Krawall gebürstete Vollmundigkeit des Fahrt aufnehmenden Merz-Linnemann-Tandems. Das Inhaltliche im Grundsatzprogrammentwurf dient vor allem dazu, als Kontrastmittel Sichtbarkeit zu erzeugen und der Vollmundigkeit eines Kanzlerkandidaten Friedrich Merz ausreichend Nahrung zu geben. Nachdem die CDU in der Merkel-Ära sich weitgehend entkernt hat, soll aus den Trümmern des Macht-Pragmatismus nun der Konservativismus neu auferstehen. Das angenommene Setting: Nach den uneingelösten Versprechen der Fortschritts-Ampel und ihrem Scheitern soll 2025 mit der CDU wieder Ordnung in Deutschland einkehren. Mag sein, dass die CDU sich zeitgeistig richtig positioniert (weltfremd ist durchaus en vogue) und auf diese Weise auch einen Teil des Wut-Potenzials aufsaugen kann, um das sich AfD und Sahra Wagenknecht streiten werden. Mag sein, dass die CDU bei der nächsten Bundestagswahl sogar deutlich stärkste Partei wird. Und dann? Die Welt wartet ungeduldig auf Fortschritt. Die Schatten werden länger.
Reinhard Koine

Die Analyse des neuen CDU-Programmentwurfs von Bernd Ulrich bringt auf den Punkt, was bereits mit der Wahl von Friedrich Merz zum Parteivorsitzenden im Januar 2022 begann: die CDU hatte gerade mit überwältigender Mehrheit den einzigen Kandidaten für den Parteivorsitz, der ein klares, an den neuen Realitäten ausgerichtetes, Zukunftsprogramm präsentierte, vom Hof gejagt: Dr. Norbert Röttgen. Anstelle von notwendigen politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen Zukunftsstrategien für Deutschland in Europa und für Deutschland in der Welt hat sich die Mehrheit der CDU für den populistischen Gegenentwurf von Röttgen entschieden. Laustärke, Polarisierung, lineare Fortschreibung der Vergangenheit in eine sich radikal verändernde Zukunft. Seitdem wird das eklatante Defizit an zukunftsadäquater politischer Programmatik wird nur noch übertroffen durch die höchst selbstgefälligen Auftritte von Merz, Linnemann, Amthor und Co. Das mögen die Herren für die Pflege ihres eigenen Egos ja brauchen, die Bürger in diesem Land brauchen dieses ständige Vortäuschen von angeblichen Gewissheiten in einer immer ungewisser werdenden Zukunft jedenfalls nicht.
Wir erleben seit Januar 2022 ein Politikverständnis mit Vorstandsattitüden aus der Vergangenheit, Top-Down-Ansagen mit fehlender inhaltlicher Substanz, wenig Mut für Offenheit, wenig Kraft für Zukunft und wenig Einsicht in die eigene intellektuelle Beschränktheit. Entschiedenheit im Auftritt first – Nachhaltigkeit von Lösungen second, Vergangenheit (Leitkultur) statt Zukunft (Rolle Deutschlands in der Welt). Trotz all dieser offensichtlichen, regelmäßig vorgeführten Defizite ist zu befürchten, dass der heutigen schlechten Regierung eine neue Regierung mit Kanzler Merz folgen wird. Jedenfalls könnte bei der nächsten Bundestagswahl Markus Söder den eigenen Kandidaten, Merz, nicht noch einmal verhindern helfen. Und dann wären 16 Jahre Merkel-CDU-Regierung vollends umsonst gewesen.
Hans-Jörg Glaß

Keiner muss die CDU mögen. Aber es ist einer renommierten Zeitung unwürdig, dass Sie Ihren Hass auf die CDU so unverblümt ausbreiten dürfen. Auch wenn es sich im Wesentlichen nur um intellektuelles Geschwafel mit wenig Substanz handelt.
Jürgen Kusstaz

Die Unterzeile und die verschwommene Silhouette der Ex-Kanzlerin lassen Schlimmes befürchten:  Hat sich der vorzügliche Journalist Bernd Ulrich wieder mal von Frau Merkel „einwickeln“ lassen?  Doch diese Sorge erfüllt sich zum Glück diesmal nicht: Nicht nur, dass die frühere CDU-Vorsitzende in diesem Artikel zum Entwurf eines neuen Parteiprogramms gar keine Rolle spielt – es handelt sich um eine brillante Analyse, ohne Sophisterei, dafür aber mit viel Ironie. Zum (absolut zutreffenden) Schlusssatz über die Bedeutung von Parteiprogrammen, nicht nur der CDU: Es gibt immerhin einige Parteiprogramme von historischer Bedeutung: das Ahlener Programm der CDU von 1947, das Godesberger Programm der SPD von 1959 und die Freiburger Thesen der FDP von 1971.
W.-R. Heilmann

Bernd Ulrich blickt wehleidig auf die Ära Merkel zurück und sieht die CDU mit weltfremder Programmatik unterwegs.  Bei aller Kritik, die eigentliche Zäsur hatte Friedrich Merz nach längerem Lavieren längst mit seiner Distanzierung von den Grünen vollzogen. Zentrales Anliegen bleibt die Migrationsfrage, die bei Ulrich als primärer Haltepunkt unter den Tisch fällt. Selbst die vorgesehene Auslagerung der Verfahren ist aber nicht mehr als ein Ausrufezeichen, weil sie nicht funktionieren kann oder allenfalls mit mehrjährigem Vorlauf. Sie ist die idealistisch konzipierte Vorstufe zu einer kompletten Remedur des Flüchtlingssystems mit weitgehender Schließung der Außengrenzen, vor der die meisten noch zurückschrecken. Sie wird umso schneller kommen, je stärker Rechtsaußen zulegt und/oder der Konflikt im Osten und andernorts für neue Flüchtlingsströme sorgt. Putin hält dabei manche Fäden in der Hand. Übrigens ist Europa bei alledem meist schon weiter und teilt schon lange nicht mehr unseren aus der Kriegsschuld erwachsenen Samariterkult mit Migranten.
Christoph Schönberger

Danke für Ihren Artikel über das Grundsatzprogramm der CDU – er war amüsant für mich zu lesen (trotz des eigentlich traurigen Inhaltes). Ich würde mich freuen, wenn die Autoren und Unterzeichner dieses Programms Ihren Artikel lesen und für ernsthafte Selbstreflexion nutzen (ich bin nicht zuversichtlich).
Ramona Grohs

Das von Herrn Ulrich sauber in seine Bestandteile zerlegte Wahlprogramm der CDU ist in der Tat ein Dokument der totalen Realitätsverweigerung. Was diese Partei allerdings für mich endgültig unwählbar macht, ist das dort postulierte „christliche Menschenbild“, dem ich mich ausdrücklich nicht anschließe. Sich in einer Zeit der multiplen Krisen allen Ernstes an eine vorzeitliche Heilslehre, mit übernatürlichen Wesen und heiligen Büchern zu klammern, halte ich für ziemlich bedenklich. Und das sehen offenbar auch sehr viele andere Bürger so, wie die stetig steigende Zahl der Kirchenaustritte belegt.
Andreas Zabel

Ich bin kein Journalist, sondern gehöre zu denen, die Ihre Texte und die Ihrer Kolleginnen und Kollegen seit fast 50 Jahren lesen. Deshalb steht es mir nicht zu, etwas zu bewerten, sondern die Wirkung zu benennen, die Ihre Texte auf mich auslösen. Aktueller Anlass dieses Leserbriefs ist Ihr Artikel. Die ziselierte Feinsinnigkeit, in der Sie analysieren, was ist, führt bei mir zu einer Klarheit in der Analyse dessen, welche Haltung und Wirkung die „Merz-Linnemann-CDU“ verkörpern und erzielen. Ich komme aus jenem katholisch geprägten Paderborn, in dem die CDU seit ihrem Bestehen immer regiert hat und somit genau jene Haltung zeigt, die auch für die Bundes-CDU typisch ist, nämlich, dass es zur Normalität gehört, dass sie an der Regierung ist und jede andere Regierung, also auch die gegenwärtige, den kollektiven Ausnahmezustand darstellt. Diese Haltung ist auch die Grundlage im Denken, dass sich durch dieses Grundsatzprogramm der CDU wie ein roter Faden zieht. Es ist die aus diesem Selbstverständnis resultierende Überheblichkeit, die immer wieder zu einer gewissen Blindheit gegenüber der Wirklichkeit führt, die auch im Grundsatzprogramm deutlich wird. Dies so klar und detailliert darzustellen und mit vielen Zitaten zu belegen, ist Ihr großartiges Verdienst, wofür ich mich nur bedanken kann. Dieser Artikel, der sich einreiht in unzählige ihrer Art in der ZEIT ist der Grund, weshalb ich nicht müde werde, sie wöchentlich zu lesen.
Elmar Rustemeyer

Grandioses Sezieren des kleinbürgerlichen Managergestus des Duos Merz/Linnemann. Und diese Realitätsverweigerer wollen uns regieren? Mein Dankeschön an Herrn Ullrich für dieses Meisterstück des politischen Journalismus.
Stefan Müller

Nun haben Friedrich Merz und sein Klassenprimus Karsten Linnemann sie wieder ausgegraben, die gute alte „deutsche Leitkultur“, die von der Kulturwissenschaft schon lange ad absurdum geführt wurde. Migranten und Flüchtlinge haben sich demnach an eine als verbindlich erklärte nationale Kultur anzupassen. Die Idee einer solchen „deutschen Identität“ erweist sich bei genauerer Betrachtung jedoch als trügerisch, denn meine Frau (aus NRW und dem Sauerland), als auch ich (Nordhesse) sind uns schon nicht einig, was für uns persönlich dazu gehört. Und wie ist das in den anderen Bundesländern? Die deutsche Sprache gehört sicherlich dazu und ihr obligatorischer Erwerb für Migranten. Natürlich ist es wichtig, dass man sich der Sprache bedienen kann, die in einem Land vorwiegend als Kommunikationsmittel notwendig ist. Aber über Unterstützungssysteme und Strukturen, wie man ausländischen Mitbürgern diese motivierend und gewinnbringend beibringen kann, darüber verliert das Grundsatzpapier der CDU offensichtlich kein Wort.
In der Politik in Bund und Ländern wird weiter dilettiert, indem man sich der Erkenntnis verwehrt, dass der Spracherwerb nur durch qualifiziertes Personal und entsprechende Bildungsinstitutionen. möglich ist. Und dass das kulturelle Erbe von Bürgern mit Migrationshintergrund wertgeschätzt werden muss, ist bei „aller Härte“ und „null Toleranz“ wohl in Vergessenheit geraten. Vielleicht hätten die Verfasser des Grundsatzprogramms besser ein paar Formulierungen von Christian Wulff auf der vorhergehenden Seite in ihr Pamphlet eingearbeitet, nämlich dass der Islam zu Deutschland gehört, weil es eben türkische Mitbewohner mit deutschem Pass gibt. Nach der Lektüre teilt man Bernd Ulrichs Einschätzung der Weltfremdheit der Verfasser in vielen Punkten, es handelt sich offensichtlich bei dem Grundsatzprogramm um – siehe Sigrid Weigel es in ihrer Studie zur Veränderung der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik – „das prekäre Erbe eines geistig-kulturellen Überlegenheitsphantasmas.“
Rainer E. Wicke

In knappen und klugen Worten werden hier die wesentlichen Elemente des Entwurfs des Grundsatzprogramms zusammengefasst, um dann auf die ihm innewohnenden Gegensätze hinzuweisen. Dies ist beispielsweise das vermeintliche „Bedürfnis nach einem Lebenstempo, das den Wähler nicht überfordert“, wobei in dieser gerade mit seinem Lebenstempo die aktuellen Krisen und Situationen erzeugt, die ihn überfordern. Desweiteren die „Alltagsvernunft“, die wiederum niemanden davon abhält, mit seinem Lebensstil der Umwelt weiterhin massiven Schaden zuzufügen und ebenjene Krisen zu befeuern. Dann die Hinwendung zu heimeligen Begriffen wie Heimat, Leitkultur, transatlantischen Freundschaft, etc., wobei das das Programm keinen realistischen Ideen aufzeigt, wie dies tatsächlich umgesetzt werden soll oder kann. Nicht zu vergessen sei – nur am Rande – der hessische Koalitionsvertrag, in dem das Gendern verboten werden soll. Ich mag mir die Reaktion nicht auszudenken, wäre so etwas von den Grünen gekommen. Wie war das noch einmal mit der Verbotspartei? Allerdings befürchte ich auf diesen Artikel nicht ausschließlich die Reaktion, die Bernd Ulrich beschreibt.
Denn es handelt sich ja nicht nur um die Widersprüche und das Ausblenden der Realität innerhalb des Programmes, sondern in bestürzender Weise auch in dem Denken eines Großteils der deutschen Bevölkerung. Es sei nur auf das Jahr der Klimarekorde bei gleichzeitigem Rekord des Rückfahrens der Unterstützung der regenerativen Ideen hingewiesen. Neben einer ersten „Schnappatmung“, die immer auf solche wahren Analysen und den „vorgehaltenen Spiegel“ erfolgt, werden sich viele wieder in ihre Wohlfühlatmosphäre im gemütlich erwärmten Wohnzimmer zurückziehen und sich auf die Bruchstücke und Begriffe berufen, die in diesem Programm, trotz aller Widersprüche, aufgelistet werden. Nämlich, das „Sichern der Natur“, die Erhaltung unsere Wohlstandes, das christliche Menschenbild, etc.: Wird schon alles. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie diesen Leserbrief oder Teil davon veröffentlichen könnten. Ich erwarte hierauf nämlich Widerspruch und halte es für immens wichtig darzustellen, dass die Meinung von Bernd Ulrich eben auch von vielen geteilt wird.
Claudia Plötner

Treffender als mit den drei Adjektiven „fragil, forsch und ein bisschen weltfremd“ lässt sich der Entwurf des CDU-Grundsatzprogramms wohl kaum charakterisieren, der im „Gestus der Entschiedenheit und Zurechtweisung“ daherkommt. Wir als CDU haben die Wahrheit gepachtet, wir sind die einzigen, die in einer Zeit multipler Krisen und tiefer Verunsicherung Sinn und Orientierung bieten, im Verbund mit den christlichen Kirchen als „gesellschaftliche(m) Stabilitätsanker“ – so der (anmaßende) Tenor der Charta. Immer wieder ist vom „Christlichen Menschenbild“ die Rede, um den eigenen – doch sehr irdischen – Vorstellungen gleichsam höhere Weihen zu verleihen. Dennoch: die zentrale christliche Botschaft wird nicht explizit erwähnt – die Nächstenliebe, die auch die Fremden, Marginalisierten und Ausgestoßenen einschließt. Ein radikaler Kurs in der Asylpolitik samt einem apodiktischen Bekenntnis zur „Leitkultur“, ist das der Wille Jesu, übersetzt in politisches Denken und Handeln im 21. Jahrhundert? Wohl kaum. Friedrich Merz und Carsten Linnemann, für ihre wirtschaftsliberalen Glaubenssätze bekannt, sind zugleich bekennende Katholiken. Ihre oberste geistliche Autorität, Papst Franziskus, hat sich nicht nur gegen die Auswirkungen freier Märkte positioniert, sondern das kapitalistische Wirtschaftssystem generell als „unerträglich“ gescholten.  Auch bezüglich der Asylpolitik redet der Papst Tacheles und warnt vor einem „Schiffbruch der Zivilisation“. Private Seenotrettung, von der Union als angeblicher „Pull-Faktor“ identifiziert, gilt dem Kirchenoberhaupt als Zeugnis praktizierter Nächstenliebe.  Wie man als Katholik diese Äußerungen ignorieren kann, just das Gegenteil propagiert und sich dabei ungeniert auf das „Christliche Menschenbild“ beruft, bleibt mir für immer ein Rätsel.
Rüdiger Paul

Ohne Wenn und Aber. Vielleicht ist das neue CDU-Programm gar nicht von Merz/Lindemann oder Linnemann/Merz sondern von der sogenannten KI. Die KI mag vieles können. Eines kann sie nicht: Zweifeln.
Ernst Eberhard Böll

Vielen Dank für die letzten beiden wortgewaltigen Artikel in der Zeit.  Es war mir ein Vergnügen. Es gibt sie noch, die belesenen Selbstdenker. Noch ist Deutschland nicht verloren.
Martin Roßbauer

Über den Artikel von B. Ulrich habe ich mich sehr gefreut: volle Zustimmung. Anlass für Grundsatzprogramme waren „Zeitenwenden“, wenn ich an „Ahlener Programm“ oder „Godesberger Programm“ denke. Sie wollten in die Zukunft führen und aus der Vergangenheit lernen. Die „programmatische Erschöpfung“ (Jan-Werner Müller) heute ist den Autoren und dem Hauptautor im Besonderen anzumerken. Dass er die Zeitenwenden ignoriert, ist das eine – zurecht kritisch kommentiert – aber, dass er auch die eigene Veränderung der CDU nicht wahrnehmen kann, ist geradezu eine politische Tragödie. Die o.g. Programme wurden von den besten und führenden Köpfen verfasst. Wo sind diese in der CDU? Warum melden die sich nicht zu Wort? Die politische Mitte kann sich nicht mehr erklären, wer und was sie ist, verstehen, worum es aktuell geht, und sucht das Heil in einer noch nicht mal überzeugenden Vergangenheit.
Jürgen Kunze

Die literarische Qualität mit ihren bemerkenswerten Sprachschöpfungen (handgefuchtelt, kurzbeinige Behauptungsarmeen usw.) und bissige Ironie (März spricht mit Gott, Linnemann mit den Jüngern) zeichnen den Beitrag Bernd Ulrichs über den CDU-Programmentwurf aus. Akribisch sucht Ulrich nach Schwächen und verlässt dabei den Pfad der Ausgewogenheit. Wichtige, vielleicht auch richtige Ansätze werden pauschal aufgespießt, alles erscheint fragwürdig oder lächerlich. Fast alles, denn manches lässt Bernd Ulrich beiseite, z. B. die Eigenverantwortung. Wie ewig gestrig und weltfremd – so könnte Herr Ulrich kommentieren. Hat die CDU noch immer nicht bemerkt, dass wir einen Staat haben, der für alles und jedes sorgt? Kennen die Herrn Heil eigentlich nicht? Oder: Arbeit wird positiv bewertet, Leistung muss sich lohnen. Bernd Ulrichs denkbare Meinung dazu: Wie rückschrittlich und weltfremd ist denn so etwas? Arbeit ist potentielle Ausbeutung, Entfremdung, Störung der Selbstentfaltung. Das zeigt doch mal wieder eindeutig, wie die Partei ihre Finanziers bauchpinselt. Oder: Sicherheit ist ein großes Bedürfnis in unserer Gesellschaft. Bernd Ulrich könnte kommentieren: Angriffe von links gibt es kaum, die Rechten spielen das hoch und die Polizei macht mit. Die ist ja selbst von rechts unterwandert. Angriffe islamischer Fundamentalisten. Nach Ulricher Art: Die CDU hat es über Jahrzehnte nicht geschafft, Muslime zu integrieren und schreit jetzt nach Sicherheit. Waren Merz und Linnemann Jahre lang im Urlaub?
Das Geld dafür hätten sie ja. Angriffe von rechts. Mögliche Worte von Bernd Ulrich: Merz wollte doch die AfD, die Brutstätte rechter Gewalt, halbieren. Er ist gescheitert. Kann man dem noch glauben? Kritiker zu sein ist leicht, aber genug der Sprüche Ulricher Art. Dass man sich gern über den Terminus Leitkultur lustig macht und als Etikett gern vermeintlich Verstaubt-konservativen oder Weltfremden an die Jacke klebt, mag ja eine beliebte Taktik sein. Dadurch wird der Sachverhalt aber nicht besser. Gott mag tot sein, aber der über 1000-jährige Einfluss der christlichen Kirchen und die daraus erwachsene Aufklärung beeinflussen nach wie vor das Leben der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Allgemeine Menschenrechte, Sozialethos, Rechtsstaatlichkeit oder Meinungsfreiheit wurden zum Teil hart erkämpft und sind zum festen Bestandteil unseres Wertekanons, unserer Kultur geworden. Sind das keine Werte, die uns leiten sollen? Was ist daran zu belächeln? Ist das weltfremd? Konservativ? Vielleicht sollte die ZEIT sich den CDU-Programmentwurf mal etwas genauer ansehen, vielleicht auch man Pro- und Contra-Stimmen zu Wort kommen lassen. Sio könnte zusätzlich zum Kommentar Herrn Ulrichs etwas mehr Objektivität entstehen.
Jürgen Bergmann

Bravo, Herr Ulrich, für diesen furiosen, sprachlich wie inhaltlich gelungenen Artikel! Das neue Grundsatzprogramm – ein aufgepeppter Aufguss der damals schon angestaubten Kohl’schen „geistig-moralischen Wende“ der frühen Achtziger. Offenbar will sich die CDU nun auch dem Häuflein der Verzagten zurechnen, die glauben, man müsse das Rad der Geschichte nur ein Stück zurückdrehen, dann wird schon wieder alles so schön wie früher, als Friedrich Merz noch ein junger Politiker war. Mein Rat an die CDU: Man schleudere dem rosaroten „You never walk alone“-Beruhigungspillchen unseres Kanzlers ein kerniges „Back to the roots!“ entgegen. Oder, als Slogan für ein künftiges Wahlplakat: „Rückwärts immer, vorwärts nimmer“. In einer Demokratie soll man sich bei Wahlen immer für das kleinere Übel entscheiden. Was aber soll man wählen, wenn es nur noch große Übel gibt?
Wolfgang Frey

In den 1920er Jahren hat sich die Weimarer Republik kaputtgespart. Das führte zu Nazi-Deutschland. Es gab einen John Maynard Keynes, der hat investive Staatsschulden empfohlen. Wenn die BRD diesen Weg nicht geht, führt das zur AfD. Überprüft alle konsumtiven Ausgaben, vom Bürgergeld bis zu allen neuen Stellen in der öffentlichen Verwaltung und entschlackt die Bürokratie, aber investiert in unsere Zukunft! Richtet unseren Staat nicht zugrunde! Sonst s.o.
Hans-Joachim Baumgart

Das neue Grundsatzprogramm der CDU / ML (Merzistisch-Linnemannistisch) hört sich so an, als wenn viele Arbeitsgruppen mit sauerländisch gesteuerte ChatGPT-Bots zwei Jahrzehnte alte Rezepte wiederkauen. Es sollte immer ein Entwurf bleiben.
Thomas Wolf-Welling

Ein veritabler Verriss für diesen Entwurf des neuen CDU- Grundsatzprogramms: Zu forsch, fragil, weltfremd? Was mögen die Beweggründe des Verfassers für diesen negativen Befund sein? Die Trauer über das Ende der Merkel- Ära, jener 16 verlorenen Schicksalsjahre in denen die ‚Politik der kleinen Schritte‘ ein gigantisches Gebirge aus unterlassenen Entscheidungen, Fehleinschätzungen und Prokrastinationen unser Land in eine tiefe Krise gestürzt hat? Forschheit, also Entschlossenheit ist für sich betrachtet doch gar nicht so schlecht, zeigt es doch zumindest einen Aufbruch aus dem derzeitigen Tal der Tränen. Es ist auch das Gegenteil von Unentschlossenheit und Herumlavieren; davon, da besteht ja wohl kaum ein Zweifel, haben wir doch derzeit genug, oder? Wünschenswert wäre, der Verfasser hätte seinem negativen Befund seine eigenen Lösungsvorschläge gegenübergestellt, sozusagen als der persönliche Gegenentwurf, aber dann bitte weiterhin mit der gebotenen Forschheit!
Michael Deil

Ich möchte mich für den scharfsinnigen Artikel von Herrn Ulrich bedanken. Er deckt in seiner klugen und geistvollen Analyse schonungslos die Schwächen des neuen Grundsatzprogramms der CDU auf, wobei bei mir stellenweise der Eindruck entstand, ob Herr Ulrich selbst weiß, was er da schreibt. Er konstatiert den Autoren des Grundsatzprogramms Weltfremdheit. Ich kann mich nicht erwehren, bei Herrn Ulrich zumindest einen Hauch von Realitätsverlust festzustellen. Er vermisst im Grundprogramm das „Wenn und aber“. Das würde für einen Führerscheinprüfling bzw. eine Führerscheinprüflingin bedeuten, dass er oder sie sich nach misslungener Prüfung, zukünftig dazu entschließt, weiter Rad zu fahren. Mir stellt sich die Frage, ob es nicht möglich gewesen wäre, anstatt Herrn Ulrich mit dem Artikel zu betrauen, einen Journalisten bzw. eine Journalistin auszuwählen, bei dem bzw. der das Ergebnis nicht schon im Vorhinein festgestanden hätte.
Karl Gerhard Emmerich

Im Gegensatz zu Bernd Ulrich halte ich es durchaus nicht für kitschig, die Natur als „Schöpfung“ zu bezeichnen. Mit vielen anderen Christinnen und Christen hierzulande bekenne ich nicht nur sonntags „Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde“. Dies ist eine Glaubenstatsache, die durch die unzähligen Wunder unseres planetaren Ökosystems hinreichend belegt wird. Wir sollten uns den klaren Blick darauf auch nicht durch unsere menschliche Schuld verstellen lassen, welche dieses wunderbar geschaffene System mehr und mehr ins Wanken bringt.
Angelika Krieser


Leserbriefe zu „Die Muslime müssen sich auch locker machen“. Gespräch mit Christian Wulff geführt von Tina Hildebrandt

Schon lange nicht mehr ein so hellsichtiges, pointiert formuliertes Interview eines Politikers gelesen, der klar Stellung bezieht: zum Antisemitismus, Islam und AfD. Christian Wulff, von der Politik, Medien und Öffentlichkeit lange gescholten, hat von seiner moralischen Haltung zum Glück nicht einen Zentimeter eingebüßt. Viele sollten sich ein Beispiel daran nehmen, dass es noch Menschen gibt, die für unsere Gesellschaft in die Bresche springen. Wer tut es denn sonst noch?
Marion Rissart

Haben Sie ganz herzlichen Dank für diesen klugen, differenzierten Artikel! Ich werde ihn an einige Freunde und Bekannte weiterleiten und ihn zu lesen empfehlen, wenn ich – wie so oft – einseitige und potenziell die Menschenwürde verletzende Aussagen in meinem Umfeld höre.
S. Riffel

„Wärst du doch in Düsseldorf geblieben, das wär’ besser für dich und für Düsseldorf am Rhein“, das singt Dorthe (Kollo) in ihrem Hit aus dem Jahr 1968. Hättest du besser deinen Mund gehalten, das wäre besser für dich und für uns alle, aber dieser Christian Wulff hat es nun mal gesagt: „Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland“ und das in seiner Funktion als Bundespräsident. Bundespräsident ist Christian Wulff längst nicht mehr, aber schon wieder lässt er es krachen: „Der Müllermilch-Chef Theo Müller lasse sich von Alice Weidel einlullen, wie einst Krupp von Hitler. Die AfD werde aus Russland unterstützt. Und sein Islam-Satz sei Realität“ Hättest du vielleicht doch besser deinen Mund halten sollen!?
Klaus P. Jaworek

Ein Bundespräsident oder ehemaliger Bundespräsident sollte in seinen Reden und Interviews einen großen Teil der Bevölkerung einbeziehen. Wenn sich Christian Wulff im Interview mit der ZEIT aber dezidiert links positioniert, halte ich dies für sehr bedenklich. Ich bin auf niemanden neidisch, kann aber nicht verstehen, dass Herr Wulff für seine kurze, erfolglos Amtszeit bis an sein Lebensende mehr als üppig alimentiert wird.
Rolf Schikorr

Ich bin höchst positiv beeindruckt von den Aussagen des Ex-Bundespräsidenten Christian Wulff in seinem Interview. Zurecht betont er, gerade die offiziellen Vertreter des Islam in Deutschland müssten „durch eine richtige Auslegung des Koran viel massiver gegen Terror und Menschenrechtsverletzungen vorgehen“. Er denkt dabei gewiss an mutige muslimische Theo- und Soziologen wie Mouhanad Khorchide und vor allem Abdel-Hakim Ourghi, die beherzt dafür eintreten, die Frühzeit des Islam aufzuklären, in der der Prophet nach der Übersiedlung nach Medina zum Staatsmann wurde und selber schon mit offener Gewalt gegen jüdische Stämme vorging, die ihm als Propheten die Anerkennung versagten. Es scheint nicht abwegig, den Hass der heutigen Hamas und ähnlicher Ausprägungen des Islam in dieser frühen Judenfeindschaft grundgelegt und verwurzelt zu sehen.
Klaus Lutterbüse

Reinhard Eros, deutscher Kinderarzt, seit 1990 bis zur Machtübergabe an die Taliban Entwicklungshelfer in Afghanistan, äußerte in einem Interview sinngemäß: wer Geschichte und Traditionen eines Landes nicht kennt und die Landessprache nicht spricht, ist blind und taub für die Probleme dieses Landes. Diese Erkenntnis bewahrheitet sich m. E. immer wieder neu. Juden und Ungläubige werden in den muslimisch dominierten Gesellschaften verachtet und herabgewürdigt. Das wird jedem Muslim von Kindesbeinen an regelmäßig immer wieder ins Bewusstsein gerückt. Wer sich hierüber kritisch äußert, gilt als Ketzer und wird durch die geistlichen Führer des Islam mit dem Tode bedroht. Deutsche Politiker vermeiden es daher, sich über den Islam im Lichte der Aufklärung zu äußern. Das ist menschlich verständlich, wird jedoch der Verantwortung eines Politikers nicht gerecht. Wer Kritik mit Feindschaft, Hass und Rassismus gleichsetzt, benutzt diese Begriffe als Totschlagargument zur Verhinderung jeglicher Debatten über diese Tatsachen. Er füttert das Krokodil in der Annahme, dass es ihn danach als letzten fressen werde (frei nach Winston Churchill über „appeaser“ (Besänftiget, Friedensstifter)). Herr Christian Wulff ist m. E. hierbei keine Ausnahme.
R. Reiger

Wenn sich alle Muslime in Deutschland ständig von den Fundamentalisten und der Haas distanzieren müssen und die Imame, das möglichst in jeder Predigt klarstellen müssen: Bedeutet das dann, dass sich auch alle Katholiken in Deutschland ständig von dem Kindesmissbrauch, an den ihnen anvertrauten Kindern distanzieren müssen und die Pfarrer und Bischöfe, das in jeder ihrer Predigten klarstellend erwähnen müssen? Bleibt gesund!
Bernhard Bohne

Man überlegt sich als ZEIT-lesender alter, weißer Mann immer, ob man zu allem noch seinen Senf dazugeben muss, der eh niemanden interessiert. Aber hier kann ich nicht anders. Ich möchte vorausschicken, dass ich Christian Wulff außerordentlich schätze und dass es eine Schande für Teile der deutschen Presse war, wie er damals aus dem Amt gemobbt wurde. Und auch dass ich – außer dem Rausflug der FDP aus dem Bundestag – nichts mehr begrüßen würde als ein Verbot der AfD. Aber mir scheint, dass der ehemalige Bundespräsident den Islam, trotz einiger Relativierungen und dem Zitat des Kontextes zu seinem berühmten Satz von damals, immer noch durch eine zu rosarote Brille sieht, womit er übrigens absolut repräsentativ für die veröffentlichte Meinung ist. Und diese ständige Weichspülung ist Teil des Problems. Es ist die Untertreibung des Jahres, wenn er sagt, dass „einige Muslime“ zu uns gekommen seien, die von Kindesbeinen an gegen Israel, gegen Juden indoktriniert wurden. Kennt er irgendein muslimisches Land, in dem Hass auf Israel bzw. auf die Juden allgemein nicht quasi Staatsräson ist, in dem die Kinder den Judenhass nicht mit der Muttermilch aufsaugen, in dem dieser Judenhass, abgeleitet aus der DNA des Koran, nicht von einer Generation zur nächsten getragen wird und entsprechend muslimische Jugendliche auch bei uns zu Zehntausenden auf die Straßen treibt, wo sie ihrem Hass auf unsere Gesellschaft freien Lauf lassen?
„Ja. Die muslimische Mehrheit muss lauter sein gegen antisemitische Äußerungen“. Diesen Satz kann ich im Lichte der Realität, bei allem Respekt, leider nur als völlig weltfremd ansehen. „Wie wissen, dass für eine erfolgreiche Integration Sprache, Arbeit und soziale Kontakte entscheidend sind“. Ja, das sind notwendige, aber eben nicht hinreichende Voraussetzungen für Integration. Den Unterschied zwischen formaler Integration und Identifikation mit unseren Werten hat Ahmad Mansour, der sich seit Jahren an diesem Milieu abarbeitet, in seinem Buch „Klartext zur Integration – gegen falsche Toleranz und Panikmache“ eindrücklich beschrieben. „Religion ist auch nur ein Merkmal, zudem Privatsache“. Leider nein: im Islam ist Religion niemals Privatsache, Staat und Religion sind eins, es darf kein Gesetz geben, das dem Koran widerspricht, der Staat setzt die Regeln des Koran mit aller Härte durch, eine Privatsphäre gibt es nicht. Insofern kann man bei dieser Religion ohne Übertreibung auch von einer totalitären Ideologie sprechen. Entsprechend wird ein gläubiger/traditioneller Moslem auch bei uns die Regeln des Islam im Zweifel immer unseren Gesetzen voranstellen. Damit sind die Grenzen der Integration bereits klar bezeichnet.
„Dagegen findet kaum Erwähnung, dass der Kapitän unserer Fußballnationalmannschaft Muslim ist“. Er erwähnt dabei aber nicht, dass dieser Kapitän beim Länderspiel gegen die Türkei von zehntausenden türkischstämmigen Fans (viele davon vermutlich mit deutscher Staatsbürgerschaft) quasi als Verräter ausgebuht und beleidigt wurde. Er habe „die Erklärung der türkischen Gemeinden in Deutschland begrüßt, die sich ganz klar an die Seite der Juden gestellt haben“. Die größten von ihnen, die DITIB-Gemeinden, kann er damit nicht gemeint haben, für deren Dienstherrn Erdogan ist die Hamas eine Befreiungsorganisation. Mein Fazit: Die Bezeichnung der Integration der Muslime in Deutschland als „Erfolgsgeschichte“ ist selbst mit dem Begriff Lebenslüge nur unzureichend beschrieben. Und Kronzeugen dafür, die wissen, wovon sie reden, gibt es zuhauf. Einige der bekanntesten: Bassam Tibi („Erfinder“ der Leitkultur, nicht F. Merz), Necla Kelek, Seyran Ateş, Hamed Abdel-Samad, Ahmad Mansour, Mouhanad Khorchide, Abdel-Hakim Ourghi, Ednan Aslan, allesamt liberale Muslime, einige davon Islamwissenschaftler an deutschen Universitäten, deshalb allesamt Morddrohungen ihrer muslimischen „Mitbürger“ ausgesetzt, deshalb allesamt zeitweise oder permanent unter Polizeischutz gestellt.
Die entscheidende Frage für mich ist, wie groß dieses integrationsresistente Milieu tatsächlich ist. Ist es wirklich nur eine eher kleine, aber dominante Minderheit oder ist das Problem sehr viel größer? Mein Bauchgefühl sagt mir leider Letzteres, ich würde mich aber gerne sofort eines Besseren belehren lassen, gäbe es seriöse Studien dazu, die eine Entwarnung erkennen ließen. Für mich gilt aber auch, dass diese oft wenig gebildeten Menschen für die Sozialisation nichts können, in die sie hineingeboren wurden. Ich betrachte sie selber als Opfer dieser Religion, die ich in wesentlichen Aspekten für unvereinbar halte mit unseren Werten und unserer Kultur.
Gebhard Boddin

Wurde unserem Altbundespräsidenten etwa wegen der Haushaltsbereinigung der Ehrensold gekürzt, den er jetzt mit Interviewhonorar aufbessern muss? In seinen Antworten spricht er über Selbstverständlichkeiten, die überall, nur nicht in Deutschland, selbstverständlich sind: „Es müssen sich alle an unsere gemeinsamen Regeln halten…“; „Das gesamte Verfahren der Einbürgerung muss geändert werden…“; „…gelingende Integration und die Verhinderung von Parallelgesellschaften…“! Doch auch auf seiner Nase sitzt fest die rosarote „wir schaffen das“-Brille! Der Islam gehört zu Deutschland – ja, der liberale, tolerante, nicht der archaische und der, der gerade lautstark und aggressiv durch unsere Straßen tobt und Davidssterne auf Türen schmiert! An dem „wieder verstärkten Antisemitismus“ sind nicht wir Einheimischen schuld, auch nicht „einige Muslime“, sondern zu viele, deren latenter Antisemitismus von islamistischen Scharfmachern geweckt wird, der bei jeder militärischen Aktion Israels ausbricht.
Viel zu viele Frauen, die aus Unterdrückerstaaten geflohen sind, tragen, kaum in der Freiheit angekommen, wieder das Symbol der Unterdrückung, das Kopftuch, das sich mutige iranische Frauen mitten in einer brutalen Theokratie heruntergerissen haben! Als Gastgeber sollten wir erwarten dürfen, dass unsere Gäste unsere Regeln und Gepflogenheiten achten und uns unverhüllt begegnen! Doch, eher als ein Kopftuchverbot wird es in Deutschland eine Kopftuchpflicht geben! Immigranten, die sich in unserem Haus einmieten, deren Miete vom Vermieter übernommen wird, müssen sich an die Hausordnung halten. Tun sie das nicht, wird ihnen gekündigt! Kriminelle, terroristische, antichristliche, antisemitische Mitbewohner haben ihr Gastrecht verwirkt und müssen unverzüglich abgeschoben werden, gerade in die Staaten, die sich mit den gleichen Untugenden schmücken! Unsere mitfühlenden Menschenrechtler brauchen nicht zu befürchten, dass sie dort in den Kerker gesteckt werden; im Gegenteil, sie dürfen ob ihres Verhaltens allgemeine Anerkennung erwarten!
Das Zauberwort „Integration“ entfaltet seine segensreiche Wirkung nur, wenn sich eine kleine Minderheit in eine große Mehrheit eingliedert. Eine Massenimmigration dagegen, die ja unvermindert anhält, verhindert sie, auch wenn sie mit der uns immanenten Hybris verbissen durchgeboxt wird! Die Schüler der vielen Immigrantenklassen tauchen wieder unter, mit oder ohne Abschluss, in den Parallelgesellschaften, die sich längst in vielen Städten etabliert haben. Doch das hat unser Altbundespräsident noch nicht bemerkt und plädiert weiter für Ihre „Verhinderung“! Hoffen wir, dass er für seine dürftigen Antworten wenigstens ein üppiges Honorar erhalten hat!
Ulrich Pietsch

Das Interview mit Altbundespräsident Wulff empfand ich als den besten und differenziertesten Beitrag, den ich in den letzten Wochen zum angegriffenen Thema zur Kenntnis nehmen konnte.
Wilfried Kunz

Ich finde es gut, dass Herr Wulff sich für die Integration der deutschen Muslime einsetzt, und ich bin überzeugt, dass die meisten Muslime friedfertig sind. Gleichwohl irrt Herr Wulff in einem zentralen Punkt, wenn er meint, dass Extremisten den Koran missbrauchen und dass man den Koran nur richtig interpretieren muss. Fakt ist vielmehr, wie in der ZEIT bereits mehrere Islamwissenschaftler dargelegt haben, dass Christen- und Judenverachtung und -unterdrückung bis hin zur Tötung bereits im Koran und im Handeln des Religionsgründers grundgelegt sind. Mohammed hat mehrere hundert Juden töten und deren Frauen und Kinder in die Sklaverei verkaufen lassen. Leider haben die meisten Muslime ein Problem damit, anzuerkennen, dass Mohammed nicht immer ethisch korrekt gehandelt hat und dass der Koran nicht wortwörtliche und unfehlbare Äußerungen Gottes enthält, sondern ein Glaubenszeugnis ist. Damit Muslime Demokratie und Menschenrechte akzeptieren können, müssen sie aufhören, den Koran und den Religionsgründer Mohammed kritiklos zu verehren und alle Aussagen Mohammeds und des Korans für zeitlos gültig zu halten.
Ulrich Willmes

Es ist vollkommen selbstverständlich, dass Muslime zu Deutschland gehören und hier ihren Platz in der Gesellschaft haben sollen. Mit dem Islam ist es etwas anderes, und es scheint so, als ob auch der Alt-Bundespräsident seine These von 2010, „Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland“, ergänzend erklärt haben möchte. Denn ist es der Islam des Herrn Erdoğan? Oder der aus Saudi-Arabien mit der zweifelsfreien Unterordnung der Frauen? Oder gar der im Iran praktizierte Islam? Gott bewahre! Und doch auch nicht der Peitschenstrafen-Islam aus der nördlichen Region Sumatras. Also welcher Islam? Etwa der, der Andersgläubige als ungläubig bezeichnet und in dem Allah aus denen, die er verflucht hat, Affen und Schweine gemacht hat (Suren 2 und 5)? Nein, denn der Islam, der zu Deutschland gehören sollte, gehört reformiert und aufgeklärt.
J. Schüürmann

Ich möchte mich für dieses sehr gelungene Interview bedanken, sowohl bei der Redakteurin Tina Hildebrandt als auch beim ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff. Gezielte Fragen, treffende Antworten, so möchte ich es zusammenfassen. Bedenklich ist, dass weite Teile der Gesellschaft das Offensichtliche, das Wulff schildert, nicht mehr sehen oder nicht mehr sehen wollen: Weder spiegeln NSU- und andere Rechtsterroristen die politische Gesinnung der meisten Bundesbürger wider noch stimmt die Gleichung, dass islamische Extremisten für die typische Haltung von Moslems stünden. Pauschalurteile jedoch helfen nie, sondern verstellen vielmehr den Blick für das Wesentliche: Unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung lässt einen breiten Raum für individuelle Freiheiten und Vielfalt. Dies zu ertragen, scheint allerdings einer zunehmenden Größenordnung von Menschen immer schwerer zu fallen, die lieber den Rattenfängern der Rechtspopulisten hinterherlaufen, die einer Volksgemeinschaft huldigen, in deren Namen schon einmal Menschheitsverbrechen begangen worden sind. Doch auch die Sympathisanten derartiger Vorstellungen müssten erkennen, wie sehr Menschen mit Migrationshintergrund seit Generationen zu unserem alltäglichen Leben gehören: Ohne sie würde unser Arbeitsmarkt, das Sozialsystem und damit das gesamte gesellschaftliches Gefüge zusammenbrechen.
Günter Pesler

«Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland» so die Worte von Bundespräsident Christian Wulff am 3. Oktober 2010. Das ist richtig. Es ist auch richtig, wenn Wulff darauf hinweist, dass Muslime wichtige Leistung für unsere Gesellschaft erbringen. Laut einer Schätzung von Statista aus dem Jahre 2023 leben in Deutschland etwa 5,5 Millionen Menschen aller muslimischen Glaubensrichtungen, was einem Anteil von etwa 6.5 % entspricht. Es wäre auch schlimm, wenn dieser Anteil nicht auch einen entsprechenden Beitrag zum Funktionieren unserer Gesellschaft leistete. Im Jahre 2010 betrug der Anteil der Muslime noch etwa 4.1%. Im Jahre 1950 betrug er etwa 0.1 %. Das heißt auch das entsprechende Wachstum gehört heute zu Deutschland. Seit 1950 sind 60 Jahren vergangen. Wie wird es in weiteren 60 Jahren sein? Auch eine solche Überlegung gehört zu Deutschland, und zwar im Interesse aller Einwohner. Man könnte sich da eine positive und eine negative Entwicklung vorstellen. Zunächst zu einer möglichen negativen Entwicklung. Die meisten Muslime stammen aus Ländern, in denen die aktuelle politische und wirtschaftliche Lage schlecht ist. Für viele war dies ein Grund zur Flucht nach Deutschland. Und für die anderen war es ein Grund, dass ein Leben in Deutschland eine Verbesserung brachte. Von der genannten politischen Lage sind und waren insbesondere auch Minderheiten betroffen.
Aber was ist der Grund für die Verschlechterung der Lage in Ländern, die einst fast Paradiese waren? Man denke an den Libanon, einst als Schweiz des Nahen Osten bezeichnet. Oder an Ländern wie Syrien, Afghanistan, Jemen, Irak aber auch Libyen oder Tunesien. Aber auch an Ägypten, Algerien und an die Türkei. Viele dieser Länder haben sich in Alptraum-Regionen verwandelt. Eine Schlüsselrolle spielt dabei das Thema Demographie. Die Stichworte dazu wären Jugendarbeitslosigkeit, Mangel an üblichen Perspektiven, Konflikte und Vertreibungen. Wenn dies ein Grund für die Flucht war, dann müssten auch die Geflüchteten daran interessiert sein, sich zu überlegen, was getan werden muss, damit sich ähnliche Entwicklungen nicht wiederholen.
Eine positive Entwicklung könnte dadurch entstehen, das gemeinsam eine Antwort gesucht und gefunden wird auf die Frage: Was ist nötig, damit die Menschheit noch lange gut fortbestehen kann? Grundlage für eine Antwort wäre auch eine Antwort auf die Frage: Warum ist es in den eben genannten Ländern schiefgelaufen? Und eine Antwort auf die Frage: Was muss getan werden, damit sich die wirtschaftliche Lage in den genannten Ländern und damit auch die politische Stabilität wieder den früheren Verhältnissen angleicht? Dabei stellt sich auch die Frage nach Vorbildern, nach Gesellschaften, denen es gelungen ist, ihr Wachstum den begrenzten Ressourcen anzupassen. Das Problem ist, dass es sich dabei fast immer um Länder handelt, deren Bewohner einen ähnlichen gemeinsamen sozialen Hintergrund haben, wo sich der Zusammenhalt gerade auch in schwierigen Situationen verstärkt. Und wo in solchen Situationen nicht im Gegenteil die Spannungen wachsen. Etwa auch durch demographische und ökonomische Gräben. Hier Lösungen zu finden wäre nicht nur von lokaler, sondern auch von globaler Notwendigkeit.
Gernot Gwehenberger

Dass der alte Satz von Herrn Wulff bezüglich der Zugehörigkeit des Islam zu Deutschland noch mal hervorgeholt wird, ist verständlich, bringt aber nicht weiter. Auch nicht die Bemerkung, dass Muslime sich locker machen sollen. Also lässt man alles so laufen wie bisher und vertraut auf Selbstregulierungen, oder ist zum Thema Muslime in Deutschland doch noch was zu sagen? Auch über den von Bassam Tibi schon vor vielen Jahren in die Diskussion eingebrachten Begriff „Euroislam“ hinaus? Ein Ansatz dafür ist die Frage, was Religion aktuell überhaupt sein könnte. Dem sollten sich alle Konfessionen und Systeme, die die Rechtfertigungen für ihr Handeln und ihre Vorgaben mit dem Hinweis auf religiöse Werte begründen, stellen – sowohl die Radikalen als auch die Liberalen. Und es gilt, zwischen Religion und Kult unterscheiden zu können. Kulte pflegen mehr oder weniger festgelegte Rituale und Symbole und halten ihre Traditionen für unveränderliche Gegebenheiten. Religionen haben im Grunde genommen den Anspruch, allen Menschen das Verständnis ihres Menschseins in jeweils geschichtlichen Situationen individuell und gesamtgesellschaftlich helfen zu können. Woraus sich im Übrigen ergibt, dass pauschaler Exklusivismus einem religiösen Verständnis unserer Existenzbedingungen widerspricht. Und religiös verbrämte Begründungen für Aggressionen gegenüber Andersgläubigen sind Zeichen dafür, dass deren Vertreter den Sinn des Religiösen leider nicht verstanden haben. Also wäre es gut, vor allen Einordnungen zu der Frage zurückzukommen, was Religion angesichts der aktuellen Weltlage denn wirklich sein könnte.
Christoph Müller-Luckwald


Leserbriefe zu „Soll die AfD verboten werden?“ Streit von Paula Piechotta und Albrecht von Lucke, moderiert von Anne Hähnig und Mark Schieritz

Als die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) am 26. Mai 1956 in Deutschland verboten wurde, war man nicht so zimperlich. Klar! Damals stand „der Feind“ links. Heute wird der Staat von rechts bedroht. Da schauen wir mal nicht so genau hin und melden höchstvorsorglich Bedenken an. Davon und von vielen anderen Fehlern der Demokraten profitiert die AfD. Wer seine Stimme nicht erhebt, macht sich mitschuldig.
Bruno Fey

Das Nichts. Beide Diskutanten übersehen, dass die „noch demokratischen“, politischen Parteien immer erkennbarer von Verunsicherungen, Hilflosigkeit und Wut ihrer Wählerklientel vor sich hergetrieben und zunehmend selber davon erfasst werden. Die sozialen Grundfesten unserer Demokratien verlieren in der Transformation zu einer Netzwerkgesellschaft an Anziehungskraft und Tragfähigkeit, denn granulare Meinungsblasen zerstören übergreifende (und integrationsfähige) Diskurse und Meinungsbildungen. Getrieben von Irrationalität nimmt das sich ausbreitende „Nichts“ (M. Ende) uns alle erschreckende Ausmaße an.
Wolfgang Klöckner

Der Überbringer schlechter Nachrichten musste das in der antiken Mythologie mit dem Leben bezahlen. Lebensader der AfD ist die Flüchtlingsmisere, die sie zynisch ausschlachtet.  Sie deshalb zu verbieten, schlägt den Sack, löst aber die Systemkrise nicht, die in den Augen einer Mehrheit fortbesteht. Ein Verbotsverfahren würde den Verdruss eher anheizen, weil damit das Gefühl der eigenen Machtlosigkeit vermittelt würde. Es würde nur ein Ventil gestopft, aber vermutlich der gegenteilige Effekt eintreten. Der Radikalisierung würde eher Vorschub geleistet, solange das zugrundeliegende Problem nicht gelöst ist. Die Aiwangers stehen schon in den Startlöchern.
Christoph Schönberger

Zu meinen Informationsquellen gehören neben Presse, TV und Radio auch die Podcasts von YouTube & Co. und da höre ich mir unter anderem auch die Argumente einer Dr. Alice Weidel, eines Dr. Alexander Gauland oder eines Tino Chrupalla an, aber irgendwie konnte ich da bisher nie rechtsradikale Äußerungen heraushören. Nun muss ich mich nach dem Lesen des Gesprächs zwischen Anne Hähnig und Mark Schieritz mit Albrecht von Lucke und Paula Piechotta, sehr wundern und abermals ernsthaft fragen, ob es evtl. sein kann, dass es doch zwei verschiedene AfDs gibt. Wer streut und verbreitet denn diese Unterstellungen oder werden diese nur als eine Art Fake New verbreitet, um die politische Konkurrenz schlecht zu machen und auf die Schnelle loszuwerden?
Klaus P. Jaworek

Natürlich hat die Grünen-Politikerin Piechotta recht, wenn sie ein Verbot der AfD fordert. Wo kämen wir denn hin, wenn eine Partei namentliche Abstimmungen im Bundestag zu Zeiten ansetzen will, wo grüne Abgeordnete Wichtigeres zu tun haben.
Rolf Schikorr

„WARUM“ wählen so viele – Menschen dieser Republik – in West und Ost die AfD ??? Diese Frage sollten sich endlich die anderen Parteien (und manche Medien) stellen und/oder Nachhilfe bei Herrn von Lucke nehmen; dieser Mann hat recht! „… Populisten sind immer auch Seismografen für die Schwächen der anderen…“
Klaus Busch

Es gibt in einigen Regionen in Deutschland bereits deutliche funktionale Störungen unserer Demokratie. Regionen, in denen das Leben immer weniger von demokratischen Überzeugungen getragen wird, wo Demokratie und Freiheit immer weiter zurückgedrängt werden. Frau Piechotta hat solche Regionen vor Augen, wenn sie sich für ein Verbot der AfD ausspricht. Abstrakt kann ich Albrecht von Lucke in seiner Argumentation gegen die jetzige Aufnahme eines Verbotsverfahrens absolut folgen. Aber diese Sicht übersieht die konkrete Not, in der die Träger demokratischer Werte und Rollen in den genannten Regionen bereits leben. Und was ist, wenn die angenommene Lösungsperspektive einer überzeugenden Arbeit von Regierung und Opposition in Berlin sich einfach nicht einstellen will. Dies ist nicht unwahrscheinlich angesichts der immer komplexer werdenden Herausforderungen, für jede denkbare Regierung und Opposition. Was muss eine Demokratie aushalten, bevor sie sich robust wehrt? Wir lernen, dass Putin nur die Sprache der Macht versteht. Wahrscheinlich gilt dies auch für seine verlängerten Arme.
Reinhard Koine

Eine Politikerin gegen einen Juristen und Politologen im Streit um die drängende Frage, ob die AfD verboten werden soll. Nach Artikel 21 im Grundgesetz ist nach Einschätzung vieler Juristen und Politiker die Begründung für ein Verbot dieser Partei gegeben. Auch die Verfassungsschutzämter in einigen Ost-Bundesländern kommen zu dem gleichen Ergebnis Der Politologe dagegen meint hier im Streitgespräch, dass die Parteien und die Wähler sich bisher zu wenig politisch mit der rechtspopulistischen Partei auseinandergesetzt haben. Recht geben muss man ihm insofern, als ausgerechnet die älteste der im Bundestag vertretenen Parteien, die SPD, hier total versagt hat. Die Sozialdemokraten, unter Hitler den dauernden Angriffen und Verleumdungen der Nazis ausgesetzt, müssten am ehesten in der Lage sein, die richtigen Worte und Strategien zu entwickeln, um den Wählern die Gefährlichkeit der AfD vor Augen zu führen.  Stattdessen politische Friedhofsruhe und opportunistisches Stillhalten -man könnte ja politisch orientierungsschwache Wähler in ihrer Unentschlossenheit durch Kritik an der AfD derartig irritieren, dass sie anstatt SPD dann doch AfD wählen. Tatsächlich verlor gerade die SPD bei den letzten Landtagswahlen Stimmen an die AfD.  Allerdings eher aus dem Grund, sich als Partei derart negativ verändert zu haben, dass ihr sozialdemokratisches Profil und antifaschistische Ausrichtung inzwischen nur noch verwaschen und profillos wirken.
Auch bei CDU/CSU, Grünen und FDP fehlen genauso eine deutliche und überzeugende Strategie, mit politischen Angriffen der AfD das Leben im politischen Alltag schwer zu machen. Die politische Wirklichkeit der Parteien in Bundestag und Landtagen im Verhältnis zu der AfD heißt leider nur Abwarten und Teetrinken. Für einen ansonsten intakten und stabilen demokratischen Staat ist das durch den Verfassungsschutz festgestellte verfassungsfeindliche Profil der AfD eine sehr ernst zu nehmende Gefahr für den Bestand der deutschen Demokratie. Der thüringische AfD-Vorsitzende Björn Höcke etwa produziert sich als Neonazi -was von der Parteiführung (kalkuliert) kritiklos hingenommen wird. Ein Wählerpotential an rechtsextremen Wählern soll ja der AfD erhalten bleiben! Typisch für die bundesdeutschen Parteien ist die Reaktion der Grünenpolitikerin bei diesem Streitgespräch. Um ihre politische Passivität gegenüber der AfD nicht aufgeben zu müssen, wäre es das bequemste für alle deutschen Parteien die AfD verbieten zu lassen. Das geht in Ordnung, befreit aber die deutschen Parteien und den deutschen Wähler nicht davor, in Zukunft eine deutliche politische Absage und Gegnerschaft gegenüber der rechtspopulistischen AfD mit Nachdruck zu verfolgen.
Klaus Reisdorf

Werden fehlende Sachkompetenz (von Herrn Dr. Habeck, Staatsekretär Dr. Graichen etc.) sowie Risiken bei der Umsetzung der Energiewende-Politik offenkundig, dann sollte jede Partei lernfähig sein: Statt „Schönschwätz“ (bspw. über „Stromspeicher noch und nöcher“: Frau Dr. Kemfert, DIW) könnten die Grünen mindestens den Wasserstoffbedarf im Wuppertal-Gutachten von Oktober 2020 für „FFF“ (Seite 15 der Textfassung) in Höhe von 20 Millionen Tonnen jährlich zur Kenntnis nehmen, ebenso drei Tage hintereinander mit „grottenschlechter“ Verfügbarkeit der erneuerbaren Stromerzeugung und diese Punkte offen diskutieren etc. Auch die Transparenz der Geldflüsse an Parteien sollte gegeben sein; aber ebenso die Verwendung von Geldflüssen von Parteien an eigene Stiftungen, bei denen auch manches „versickert“ oder „Provisionszahlungen“ in Zusammenhang mit CORONA-Maßnahmen an Politiker o.ä. Fehlende Sachkompetenz in der Regierung (Elektrizitätssystem mit wachsendem Anteil volatiler Quellen, jedoch Still-Legung konventioneller Kapazitäten), Verschweigen unbequemer Größenordnungen (20 Mill. t Wasserstoff jährlich) und Intransparenz interessanter „Parteien-Finanzierungsmodelle“ (bspw. Geldflüsse via Stiftungen, „Provisionen“) und manches mehr ergeben zuletzt selbst verschuldete Wählerverluste. Kurz: Erkennbar dürftige Sachkompetenz, dazu keine kompatiblen Konzepte und auch noch schlechte Kommunikation; stattdessen fromme Wünsche: Viele Wähler, auch jenen, die niemals AfD wählen, mögen solche Gemengelage nicht – wohin mit deren Ablehnung solcher Politik?
Wolfgang Ströbele

Nach den gemachten Erfahrungen mit den gescheiterten Versuchen, die NPD durch das Bundesverfassungsgericht verbieten zu lassen, scheint die Diskussion über das im Grundgesetz verankerte Prinzip der wehrhaften Demokratie zu einer Leerformel zu degenerieren. Ein Beispiel hierfür bilden die Aussagen von Albrecht von Lucke in der Diskussion mit Paula Piechotta zu einem möglichen AfD-Verbot. Wenn man seiner Argumentation folgt, dann hätte ein Verbot dieser Partei „verheerende Folgen“, weil damit ein hoher Bevölkerungsanteil, der heute in Ostdeutschland schon bei 32 Prozent liegt, keine Repräsentation in den Parlamenten finden und bei diesen Wählerinnen und Wählern „Trotzreaktionen“ auslösen würde. Verstörend ist schließlich sein Argument, dass man mit einem Verbot der AfD nur den Boten schlechter Nachrichten bestrafen würde. Die Lösung des Problems sieht Lucke darin, die noch ungenutzten Möglichkeiten zur Bekämpfung von Populisten und Extremisten endlich zum Einsatz zu bringen. Im gleichen Atemzuge aber verweist er auf die Schwierigkeiten dieses Unterfangens: Er nennt die wachsende Politikverdrossenheit und eine Regierung, die eine miserable Performance zeigt, sowie eine Opposition, die ihr Heil im Populismus sucht. Außerdem attestiert er dem Osten Deutschlands, dass dort die Parteiendemokratie mit ihren Volksparteien nie richtig Fuß gefasst hat. Aber all das wäre für ihn kein Grund, „die weiße Fahne zu hissen“.
Wie bei dieser Ausgangslage der gewiss notwendige Kampf gegen den politischen Extremismus gesellschaftlich kraftvoll geführt werden soll, bleibt Luckes Geheimnis. Parteiverbotsverfahren bergen die Gefahr des Scheiterns in sich. Auf diese Sorge macht Lucke zurecht aufmerksam. Hinzu kommt, dass das Bundesverfassungsgericht die Schwelle für derartige Verbote noch einmal erhöht hat. So hat der bislang verfolgte Grundsatz des präventiven Verfassungsschutzes im Rahmen des zweiten Verbotsverfahrens gegen die NPD nicht mehr den Rang eingenommen, der noch für frühere Verbotsurteile galt. Obwohl das Gericht die Verfassungsfeindlichkeit der NPD eindeutig festgestellt hat, wurde davon abgesehen, sie als verfassungswidrig einzustufen, weil sie nach Auffassung des Gerichts nicht über das Potenzial verfügt, ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch umzusetzen. Ein Blick auf die AfD lässt auch für Lucke keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie eine Bedrohung für die Demokratie darstellt. So schätzt er die Aussagen etlicher Protagonisten als zweifellos verfassungsfeindlich ein. Wenn diese Diagnose zutreffend sein sollte, dann genügt es nicht mehr, auf das Engagement der Bürgerinnen und Bürger gegen den Extremismus zu hoffen, sondern dann ist es die Aufgabe der hierfür zuständigen Verfassungsorgane zu prüfen, ob die Voraussetzungen für ein Verbotsverfahren gemäß Art. 21 Grundgesetz gegeben sind. Es kommt also darauf an, das Maß der Gefährdung für die freiheitliche demokratische Grundordnung professionell einzuschätzen und davon staatliches Handeln abhängig zu machen.
Bernd Sonnewald

Ich erachte eine solche Norm des Verbots als nicht notwendig. Die Gesellschaft ist gesund und demokratisch genug, um rassistische Entwicklungen nachhaltig zu ächten. Eher besorgt mich der demokratiegefährdende Populismus der deutschen Politik, unsere Grundrechte zu wahren. Sogar die CDU weigert sich in ihrem neuen Grundsatzprogramm, statt von einem Leitbild zu faseln, von Grundrechten und Grundpflichten zu sprechen. Ein demokratischer Staat wie der unsrige muss jenseits des Strafrechts als Meinungsfreiheit auch die schrägsten bis hin zu verfassungsfeindlich klingenden Auswüchsen akzeptieren. Ein Verbot auch von dem institutionellen Schwachsinn der AFD ist ein schwerwiegender Eingriff in das Grundrecht der Meinungsfreiheit und damit selbst demokratiefeindlich.
Jürgen Dressler

Ihren oben bezeichneten Artikel und die Diskussionen zwischen Herrn von Lucke und Frau Piechotta habe ich mit Interesse verfolgt. Warum gelingt es der AfD, besonders in den neuen Bundesländern, steigende Zustimmungswerte zu erreichen? Die hier vorgetragenen Lösungsvorschläge konnten mich nicht überzeugen. Die Lösung liegt nach meiner Ansicht auf der Hand. Es ist ein fundierter Geschichtsunterricht, der spätestens in der Mittelstufe der Gymnasien beginnen sollte und in welchem die Heranwachsenden Schritt für Schritt und verständlich unterrichtet werden müssen, was in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts versäumt und missverstanden wurde. Die Jugendlichen sollten erkennen, warum Deutschland den langsamen und zuletzt unaufhaltsamen Weg in die größte Katastrophe seiner Geschichte genommen hat. Was passierte mit einem hochgebildeten Volk, dass es einem ungebildeten Schreihals verfallen war, der nicht nur die frustrierten Weltkriegsheimkehrer, sondern auch große Teile der Intelligenz seines Volkes in seinen Bann ziehen konnte? Welcher Wahnsinn hat das deutsche Volk befallen, dass es von einem rasenden Hass auf die Juden getrieben wurde, nachdem die Angehörenden des jüdischen Volkes seit hunderten von Jahren zwar am Rand der Gesellschaft, aber meistens friedlich mit den meisten Deutschen zusammenleben konnten? Wie kam es, dass Hitler seinen Judenhass aus Österreich und in erster Linie aus dem Osten Europas mit nach Deutschland transportieren konnte?
Was ging in ihm vor, dass er glaubte, Angehöriger einer höheren Rasse zu sein, zu welcher er selbst nach seinem Aussehen keinesfalls gehörte? Wenn man den Jugendlichen Schritt für Schritt die Fehler, die damals gemacht wurden, detailliert und verständlich erklären würde, so kann ich mir kaum vorstellen, dass es junge Menschen in einem Alter gibt, in welchem die Überzeugungen noch im Entstehen sind, einem Verführer, wie es sie in der AfD leider zu geben scheint, auf den Leim gehen würden. Nicht alle Eltern von Heranwachsenden sind in der Lage, ihren Nachwuchs von einem solchen Irrweg zu überzeugen. Deshalb ist es die Aufgabe von gut informierten Lehrern, in ihrem Geschichtsunterricht das richtige Verständnis dafür zu wecken, was damals gewesen ist.
Olaf Müller

Natürlich, meine ich, soll die AFD verboten werden, überall da, wo es rechtlich möglich ist. Dort, wo sie nicht verboten ist, also als demokratisch gilt, muss sie alle demokratischen Rechte haben. Das bedeutet aber gleichzeitig: Wo sie das Recht hat zu agieren, muss sie argumentativ „gejagt“ werden. Laissez-faire, weil sie doch sonst einen Opferstatus hätte, sehe ich als Schwäche an, als Unfähigkeit, eine Entscheidung zu treffen, als Unfähigkeit, unsere Demokratie sachgerecht zu verteidigen.
Ursula Augener


Leserbriefe zu „Schutzlos“ von Luisa Hommerich et al.

Ob das Vorgehen Israels völkerrechtlich legal und verhältnismäßig ist, mag in juristischen Seminaren für erhitzte Köpfe sorgen. Am Ende bewegt die Frage, weshalb die Bruderstaaten so passiv am Spielfeldrand stehen und es bei geharnischten Verbalnoten belassen. Deren Passivität ist der eigentliche Skandal. Verständlich, dass Siri in Ägypten sich mit einem Millionenheer heimatlos Gewordener schwertäte, aber die islamische Welt des Nahen und mittleren Osten, die Petrodollars im Überfluss hat, ist insgesamt merkwürdig indifferent. Nicht der Westen trägt die Hauptverantwortung für das Desaster. Doch wird er wegen der kulturellen Nähe und legitimen Unterstützung in Mithaft für das Vorgehen Israels genommen. Ein tiefgreifender Reflex und ein spätes Erbe des Kolonialismus.
Christoph Schönberger

Die UN versucht mit allen Mitteln humanitäre Hilfe zu organisieren Und Geld zu besorgen, damit eine solche Hilfe gewährleistet werden kann. Warum, so frage ich, verweisen die UN und die Weltgemeinschaft nicht Auf die arabischen Staaten, die doch alle direkt „am Geschehen“ sind? Von denen hört man nichts, sie nehmen auch keine Flüchtlinge auf, wenn Man den Medien glauben soll. Da braut sich ein neuer Strom Flüchtlinge zusammen, die alle irgendwie Richtung Europa wollen. Inzwischen könnten Ja mal Aufrufe im Uno Sicherheitsrat Richtung arabische Welt gehen. Bitte Nehmt Flüchtlinge aus dem Gazastreifen auf. Warum geschieht das nicht?
Manfred Mengewein

Wie sind diese gegenwärtigen Gräuel möglich geworden, die der schreckliche Höhepunkt von jahrzehntelangen Spannungen und Konflikten sind. Gibt es vielleicht eine Mitschuld auf unserer Seite? Haben wir nicht einen wesentlichen Teil unserer Schuld gegenüber den Juden bei den Palästinensern abgeladen? An Polen und Russen haben wir nach dem Krieg eigenes Land abgetreten. Aber das Volk, an dem wir das schlimmste Verbrechen begangen haben, musste sich eine neue Heimat anderswo suchen. Ohne unsere Schuld hätte es die furchtbaren Konflikte in Palästina zumindest nicht in diesem Ausmaß gegeben. Eigentlich hätten wir den Juden nach den großen Verbrechen, die wir an ihnen begangen haben, Land für einen eigenen Staat in Deutschland und Österreich geben müssen. Das ist nicht geschehen, und ich weiß nicht, ob jemals jemand daran gedacht hat. Aber so wie die Dinge sich entwickelt haben, müssen dafür bis heute die Palästinenser einstehen. Natürlich können wir nicht erwarten, dass sie die Sühne für unsere Schuld demütig hinnehmen. Was das heute für uns bedeutet, ist sehr schwer zu sagen. Wir können nur helfen, wo wir können, und mit eigenem Urteil sehr vorsichtig sein.
Jürgen Schröder

Israel – Hamas – Konflikt. In vielen, wenn nicht den meisten Kommentaren und Berichten geht es sofort nur um den Überfall der Hamas und die Rechte Israels auf Verteidigung und berechtigte „Rache“. Das klingt irgendwie nach Wildwest-Manier nach „High Noon“, indem endgültig alles geklärt wird und dann herrscht Ruhe, weil einer tot und die restliche Welt gerettet ist! Ist. Wir zählen die Toten durch das an Brutalität kaum zu überbietendem, abscheulichem Massaker, das die Hamas angerichtet hat, wir zählen die die palästinensischen Opfer in der Zivilbevölkerung, die toten israelischen und palästinensischen Soldaten und Soldatinnen müssen ja nicht gezählt werden, sie sterben ja für eine gute Sache – für ihr „Mutter- und Vaterland“ wie es in kriegerischen Auseinandersetzungen immer schon war. Die Falken wissen ein Lied davon zu singen, die Tauben verzweifeln schweigend! Der Westen versucht sein „Bestes“ – immer wieder gebremst durch Russland und China im UN-Sicherheitsrat – einzelne arabische Länder tun ihr Mögliches, um die Geiseln zu befreien. Alle, die es wissen wollen, wissen dass diese Auseinandersetzung kein gutes schnelles Ende nehmen wird, weil beide Seiten in Dilemmata verstrickt sind, die Jahrzehnte, Jahrhunderte, Jahrtausende zurückliegen.
In den letzten Jahren hat Israel mit vielen, die Palästinenser gezielt provozierenden politischen Entscheidungen, den bestehenden Konflikt weiter angeheizt. Diese Fehler rechtfertigen in keiner Weise den Terrorüberfall der Hamas! Wer aber Israel für seine konfliktschürende Politik und völkerrechtsverletzende militärische Maßnahmen kritisiert ist damit noch kein Antisemit! Das seit der Staatsgründung Israels bestehende latent explosive Gemisch hat religiös und politisch, aber auch rassistische Wurzeln. Religiös sind Judentum, Christentum und Islam zwar alle monotheistische-abrahamitische Religionen allerdings mit unterschiedlichen weltlichen, politischen und rechtlichen Ansprüchen, Auslegungen, Überzeugungen und Menschenbildern. Dies gilt insbesondere für die jeweils überhöhten orthodoxen Positionen „Gottes auserwähltes Volk“ zu sein, den „Koran als religiöse und staatlich gesetzgeberische“ Quelle zu betrachten.  Je nach Bedarf werden die eigenen heiligen Schriften – Altes Testament und Koran- zur Rechtfertigung von Grausamkeiten verbogen. Das moderne Christentum ist durch das Zeitalter der Aufklärung (Kategorischer Imperativ, Kant) imprägniert, ohne dass die Verfehlungen der christlichen Kirchen von den Anfängen bis jetzt verschwiegen werden. Kant hat aus dem „Willen Gottes“ die Norm einer „Selbstverpflichtung der menschlichen Vernunft“ gemacht. Darauf sollten wir aufbauen und uns auch im aktuellen weltlichen politischen Handeln orientieren. Die bestehende brutale kriegerische Auseinandersetzung ist nicht nur mit kriegerischer Rationalität zu lösen. Dazu sind auf jeder Seite die Vorurteile und Ziele der Auseinandersetzung – „von der Auslöschung“ „bis zur Vernichtung“ – zu verfestigt und ihre Ursachen liegen zu tief, als dass nur „einfache diplomatische Bemühungen“ schnell zu einem befriedigenden Ende führen könnten. Darüber hinaus besteht die große Gefahr, dass die Toten dieser kriegerischen Auseinandersetzung, in den zukünftigen Generationen, verstärkt bei den Palästinensern, „wieder auferstehen“.
Bei dem kriegerischen Konflikt zwischen Israel und Hamas und nicht nur bei diesem, auch bei Russlands Überfall, auf die Ukraine bedarf es einer weltumspannenden Aktion, ja eines Aufstands aller friedensliebender und friedenswilliger Nationen. Nicht nur die physikalische Welt hinsichtlich des Klimas und dessen Rettung steht an einem Kipppunkt auch die staatliche politische Welt droht von autokratischen Systemen dominiert zu werden oder gar zu zerbrechen. Es gibt nur eine Institution auf der, bei all ihrer Schwäche, eine gewisse Hoffnung ruhen könnte – die Vereinten Nationen (UNO).  Dieser zwischenstaatliche Zusammenschluss von 193 Staaten und als globale internationale Organisation als ein uneingeschränkt anerkanntes Völkerrechtssubjekt. Ihre zentralen Aufgaben sind „die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit, die Durchsetzung der Menschenrechte sowie der wirtschaftliche und soziale Fortschritt aller Völker“. Der Generalsekretär der UNO, António Guterres, sollte seinen, von vielen bewusst missverstandenen Äußerungen zu Israel und Hamas zum Handeln übergehen, da der Sicherheitsrat der UNO sich für ernsthafte Friedensbemühungen nicht eignet. Er sollte ein großangelegtes Friedensprojekt eine „Weltfriedenskonferenz“ starten, auch gegen alle Widerstände einzelner Staaten. Eine Konferenz aller friedenswilligen Länder muss sich um die aktuellen Konflikte kümmern, eindämmen und neue Strategien entwickeln für sofortige Befriedungslösungen und ihrer mittel- bis langfristigen Vermeidung – Blauhelme könnten zu einem späteren Zeitpunkt eingesetzt werden. Je nach Verlauf einer solchen Initiative darf nicht verpasst werden auch die konfliktschürenden und -nutzenden Nationen, in erster Linie Russland und China hinzuzuziehen.
Die Kosten einer solchen Initiative und ihrer Durchführung dürfen keine Rolle spielen. Die Toten und die Kosten der gegenwärtigen kriegerischen Auseinandersetzungen und ihre Auswirkungen übersteigen die Kosten von Friedensbemühungen sicher um ein Vielfaches. Tote und menschliches Leid sind durch nichts aufzuwiegen. Naive Vorstellungen eines unvoreingenommenen politisch interessierten Lesers – oder eine bedenkenswerte Aufforderung?
Heinz Mechling

Diese Perspektive auf Gaza und Israel ist m. E. einseitig. Sie beschränkt sich auf das Leid der Bevölkerung in Gaza. Welchen Wert hat eine Information, die nur eine halbe Wahrheit darstellt. Sie erzeugt Stimmungen und zeigt keine möglichen Lösungen des Problems auf. Der anhaltende Beschuss der Zivilbevölkerung in Israel mit Raketen, die bestialischen Morde an 1200 Männer, Frauen Kinder und Säuglingen in Israel, der religiös begründete islamische Chauvinismus gegen die Juden und den israelischen Staat. Diese Tatsachen gehören dazu, wenn es um das Leid der Bevölkerung in Gaza und Israel geht. Ist Hamas die von der Bevölkerung in Gaza gewählte politische Führung? Was bedeutet es, wenn Mütter glücklich und stolz sind, wenn ihre Söhne im „heiligen Krieg“ getötet werden?
R. Reiger

Die derzeitige Situation im Gazastreifen erinnert mich immer wieder an jene in Deutschland gegen Ende des 2. Weltkrieges: eine Regierung, die ihre Ideologie ohne Rücksicht auf Verluste oder die eigene Zivilbevölkerung verfolgt und eine Bevölkerung, die dieser Ideologie in weiten Teilen anhängt oder sich zumindest nicht dagegen auflehnt. Wer heute die Menschen im Gazastreifen dafür verurteilt, dass sie sich nicht gegen die Hamas stellen, sollte sich daran erinnern, wie wenige Menschen es wagten, sich gegen das NS-Regime zu stellen und wie viele es aktiv befürworteten, inkl. seiner öffentlichen Aktionen gegen Juden und Jüdinnen.  Es mag Israel gelingen die physische Infrastruktur der Hamas zu vernichten und viele ihrer Kämpfer zu töten. Solange die Menschen im Gazastreifen aber keine Perspektive für eine bessere Zukunft bekommen, wird die Ideologie der Hamas weiterleben. Auch in Deutschland verschwand die NS-Ideologie nicht über Nacht aus den Köpfen und Herzen der Deutschen, sondern es dauerte Jahre und Jahrzehnte und ist immer noch nicht endgültig erreicht. Der Marschall-Plan wurde nicht aus Herzensgüte ins Leben gerufen (wie auch angesichts der Verbrechen des Dritten Reichs), sondern aus der Erkenntnis, dass ohne wirtschaftliche Hilfe zu einem normalen Leben die Saat für den nächsten Krieg bereits gelegt würde (und der aufkommende kalte Krieg half bei der Entscheidung).  Es ist also m.E. dringend notwendig, dass die internationale Gemeinschaft einen Plan entwickelt und finanziert, wie die Menschen im Gazastreifen und im Westjordanland auf Dauer gut und frei leben und auf eigenen Beinen stehen können und eine Möglichkeit sehen, zumindest ihren Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Andernfalls wird m.E. die Endlosschleife aus Angriff und Gegenangriff weiterlaufen.
Sabine Moehler

Künstliche Intelligenz für die Propaganda der Hamas in der Zeit. Das Bild, das Sie auf Seite 8 abgedruckt haben, ist kein echtes Foto. Es ist künstlich generiert. Wenn Sie solche Propagandabilder verwenden wollen, sagen Sie es bitte Ihren Lesern. Ich bin enttäuscht.  Die Komposition mit dem Christus in der Mitte ist viel zu gut gelungen. Die Männer, vermeintlich den Körper halten oder fangen sollen, stehen nicht so, dass sie das wirklich könnten. So trägt man das schwere Gewicht eines erwachsenen Mannes nicht. Der Herr mit der Baseballkappe müsste viel näher an den Christus rücken, um zu helfen. Der Junge mit dem Hoodie müsste seine rechte Hand direkt unter dem Kopf haben.  Und natürlich braucht er, wenn er wirklich tragen wollte, auch einen linken Fuß. Die Licht- und Schattenwürfe auf den Gesichtern und den Hosen der Umstehenden stimmen nicht. Man sieht auf den ersten Blick an der Schönheit der Komposition, dass da etwas nicht stimmen kann. Was soll ich von einer Zeitung halten, deren Redakteure diese Fälschung nicht erkennen?
Anke Winter

Da haben Sie also gerade noch die Kurve gekriegt, nachdem inzwischen der Rückhalt für die israelische Vorgehensweise im Gaza-Streifen mehr als bröckelt. Immerhin haben sich bereits Mehrheiten im Sicherheitsrat, in der Vollversammlung der UN und bei der Europäischen Union für einen sofortigen Waffenstillstand und für die Einhaltung humanitärer Mindestanforderung durch Israel im Gaza-Streifen ausgesprochen, während unsere Bundesregierung noch als Team Staatsräson agiert. Es kann auch nicht mehr bezweifelt werden, dass Israel bei seinen Angriffen nicht mehr die Selbstverteidigung zum Ziel hat und die Grundsätze des Völkerrechts und des Humanismus im Gaza-Streifen verletzt. Nicht zuletzt zeigt sich dies auch an dem Vorfall, bei dem drei israelische Geiseln von der israelischen Armee erschossen wurden, obschon diese deutlich eine weiße Fahne zeigten. Hier ist ja inzwischen auch bekannt, dass die dritte Geisel, die sich vor dem ersten Beschuss retten konnte, von den israelischen Soldaten aus ihrem Versteck herausgelockt wurde, um sie dann niederzuschießen. Die israelische Armee zeigt damit deutlich auf, dass ihr das Leben von Palästinensern, sie ging wohl davon aus, es mit solchen zu tun zu haben, völlig gleichgültig ist und diese auch beim Vorzeigen einer weißen Fahne erschossen werden. Der angebliche Schutz von Zivilisten bei den Angriffen auf den Gaza-Streifen zeigt sich damit als reines Lippenbekenntnis der israelischen Armee. Tatsächlich existiert dieser nicht.
Volker v. Moers

Es geht mir ausschließlich um das imposante Foto zu diesem Artikel. Schon der erste Eindruck ließ mich zweifeln, zu sehr inszeniert, zu professionell ausgeleuchtet, die Tiefenschärfe, von vorn bis ganz hinten scharf durchgezeichnet, keine Wischer trotz der scheinbaren Dynamik der vielen Akteure – ist das allein Photoshop zu verdanken? Die, wie auf alten Fotos, aufgereihten Zuschauer im Hintergrund wirken, mit der Lupe betrachtet, so ohne Verbindung zur Szenerie im Vordergrund. Die Szene selbst, der von dreien getragene Körper eines Mannes, wirkt wie ein Gemälde alter Meister aus einem ganz anderen Sujet. Könnte es sein, dass sowas mit künstlicher Intelligenz produziert wird? Mit Absicht und mit Vorsatz? Nicht nur ich bin skeptisch. Ich habe mehrere Personen darauf angesprochen, auch diese waren eher irritiert.
Peter Schröder

In der aktuellen Ausgabe werden eindringlich die Zerstörungen in Gaza geschildert. Was in der Berichterstattung überhaupt nicht mehr vorkommt:  Seit Beginn des Angriffs der Hamas auf Israel wurden bis zum 14. November 2023 über 9.500 Raketen auf Israel abgefeuert. (Statista). Wie sollen die Israelis Ihrer Meinung nach damit umgehen?
Peter Krauss


Leserbriefe zu „Ein Ja hätte genügt“ von Heinrich Wefing

Die Gesichter der drei Uni-Präsidentinnen ruhten in moralischer Gewissheit und Selbstgefälligkeit. Wo sie sind, da ist oben, da ist Moral, da ist Wissen, da ist Fortschritt, da ist Aufklärung, da ist Antirassismus, da ist absolute Antidiskriminierung. Sie sind das Licht und jeder Angriff auf sie kommt von unten, von gestern und aus dem Dunkel. Und da geschieht der 7. Oktober. Die unvorstellbare Barbarei an Juden kommt der neuen, woken Oberschicht und ihrer Welterklärung in die Quere. Was soll die Binsenweisheit, „die Meinungsfreiheit endet da, wo das Strafrecht beginnt“. Hier geht es um das verkommene Wesen des Menschen, das sich in der Macht, im Sieg, in der eigenen Vollkommenheit so zeigt, wie in dieser Anhörung. In dieser Zeitung sind viele Artikel, in denen selbstgerechte Europäer über die schlimmen Polen, selbstgerechte Demokraten über Trump und AfD urteilen und genau wissen, wie Israel Krieg führen sollte. Doch der wahre Feind sind nicht die anderen, sondern diese gruppendynamische Selbstgerechtigkeit und der Glaube, man wäre selbst auf der sicheren Seite. Da unterscheiden sich die Journalisten der ZEIT nicht von allen AfD-Mitgliedern. Es sind überall die gleichen Menschen. Moral ist als Ideologie ein Gift und im Diskurs immer eine Waffe. Moral ist etwas Gutes und Unverzichtbares als Anspruch an mich selbst. Nicht nur die drei Uni-Präsidentinnen besitzen eine Macht, der sie nicht gerecht werden, schon weit diesseits des Strafrechts.
Fred Klemm

Der latente, subtile oder auch offene Antisemitismus hat eine simple Ursache: Der wirtschaftliche Erfolg. Ergebnis einer Ausweichstrategie, die den Juden über lange Zeit Berufe beließ, die nicht im Zunftwesen verankert waren, ua Finanzwirtschaft. Und Bildung hatte stets einen hohen Stellenwert. Das wurde quasi mit der Muttermilch aufgenommen. Wer da vorne ist, hat nun im Kapitalismus die besten Aufstiegschancen. Der klassische Fall einer eingeübten Ausweichstrategie des Außenseiters. Der Preis des Erfolges ist oft Missgunst und Ablehnung.  Insgesamt das Phänomen jeder ehrgeizigen Minderheit, ohne dass es dafür ein Korrektiv gäbe. Chinesen zB sind in Staaten Ostasiens als Minderheit oft eine besonders erfolgreiche Ethnie. Deutschland trägt bei alledem ein historisches Erbe und wird den Minderheitenschutz wacker verteidigen.
Christoph Schönberger

Heinrich Wefing findet keine Antworten darauf, warum Studierende jüdischen Glaubens attackiert werden, und stellt fest, dass es wohl an Moral fehlt, wo sonst alle Minderheiten durch den verhöhnten Wokismus geschützt werden, bis es handgreiflich wird. In Deutschland gilt der §1 GG „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ und im Folgenden wird der Meinungsfreiheit Raum gegeben, womit eine chaotisch hysterische Verwechslung wie in den USA, hier undenkbar ist. Die akademische Freiheit endet genau dort ganz ohne alles Woke, Herr Wefing. Demokratien, in denen sich Universitäten durch Spenden statt durch den Staatshaushalt finanzieren, neigen zu Sprachdogmen statt zur anspruchsvollen „Rund um die Uhr Diskussion“ in einer Welt, wo die mit moralischen Werten aufgeladenen Spendenschecks schneller verloren gehen, als ein 60Mrd Steuerloch intelligent gestopft werden kann. An Universitäten sollte nicht der Streit, sondern der Diskurs erlernt werden Herr Wefing. Ihre Recherche empfinde ich als stümperhaft und ihrer Sprache, meine ich, ist fahrlässig.
Thomas Janiček

Alle drei Präsidentinnen der US-Eliteuniversitäten hätten zurücktreten müssen! Ein vermeintlich falscher Blick, eine dumme Bemerkung oder das Gefühl eines/einer Betroffenen rassistisch beleidigt oder anderweit diskriminiert zu werden reichen aus, dass Restriktionen dieser Hochschulen greifen und die „Täter“ zur Rechenschaft gezogen werden. Was für ein krasser Gegensatz, wenn Studentinnen und Studenten jüdischen Glaubens von ebendiesen Unis völlig ungeschützt bleiben und ein akademischer (linker) Mob sich ungestraft über sie hermachen darf. Hasserfüllt, keine Konsequenzen für ihr Handeln befürchtend. Es ist geradezu lachhaft und feige, wenn sich die drei Präsidentinnen nicht dazu überwinden konnten, den extremen Antisemitismus an ihren Unis klar zu verurteilen und versucht haben, sich mit irgendeinem Kontextgeschwafel zu rechtfertigen. Fakt ist, dass die Hamas eine Terrororganisation ist und mit ihrem bestialischen Massaker am 7. Oktober Israel und die israelische Bevölkerung in ungeahnter Weise angegriffen hat. Dass man die Angriffe Israels auf den Gazastreifen, bei dem wiederum unschuldige Menschen entsetzlich leiden müssen oder zu Tode kommen, durchaus kritisieren muss, steht auf einem ganz anderen Blatt. Verantwortlich dafür sind mit Sicherheit nicht die jüdischen Studierenden an den US-Universitäten. Eine Universität sollte in erster Linie ein Ort der Bildung sein, auch der menschlichen. Meinungsfreiheit und ein offener Diskurs gehören eindeutig dazu! Die drei Präsidentinnen der US- Eliteuniversitäten haben ihre Aufgabe ganz offensichtlich nicht verstanden. Ich hoffe nicht, dass sich ähnliche Tendenzen in deutschen Unis etablieren können.
Regina Stock

Heinrich Wefing schreibt in seinem sehr spannenden Bericht „Ein Ja hätte gereicht“ folgenden Satz: „Warum die Ge­fühle­ aller Minderheiten geschützt werden, junge Jüdinnen und Juden aber die volle Wucht des Hasses ihrer Gegner ertragen müssen, ist nicht zu erklären.“ Aber liegt die Erklärung nicht auf der Hand? Die anti-rassistischen Aktivisten und ihre woken Unterstützer stellen sich gemeinhin schützend vor die Unterdrückten, die sozial und ökonomisch Benachteiligten und fordern ihre Rechte ein. Und genau hierin liegt die Erklärung: Juden wird keine vergleichbare Unterdrückung zugeschrieben. Erinnern wir uns daran, was den Antisemitismus vom Rassismus unterscheidet: Es ist ein Wesensmerkmal des Antisemitismus, im jüdischen Leben (trotz jahrhundertelanger Diaspora und fortdauernder Anfeindungen) keine Benachteiligung erkennen zu können! In der Tendenz betreibt der Antisemitismus dann auch weniger eine rassistische Abwertung, die eine Art „Tiefstatus“ der Juden markieren würde. Er agiert mit einer Form von Zuschreibung bösartiger Machtkonzentration, einem bedrohlichen, fingierten „Hochstatus“ – nur so werden Juden zum Feindbild, zu einem Volk, vor dem der Rest der Welt geschützt werden muss. Und ganz unbemerkt offenbaren sich so Menschen, die sich selbst als Kämpfer für Menschenrecht und -würde verstehen, zu bloßen Akteuren eines sozio-ökonomischen Verteilungskampf, der das universelle Menschenrecht nur als Waffe für die unterdrückte Gruppe benutzt. Jenseits des Verteilungskampfes gelten Menschenrecht und -würde dann nicht mehr allzu viel. Das ist sehr bedrückend.
Mariietta Schultz

Wieso Konjunktiv? Die drei Präsidentinnen zeigen damit ihre Einstellung zum extremen Antisemitismus ganz klar und deutlich. Das ist sehr beunruhigend. Vergleichbare Tendenzen gibt es auch in Deutschland. Nicht nur an Schulen und Universitäten. Das ist die Realität.  Fatal ist, dass man bei Äußerungen schnell in die rechte Ecke gedrängt wird, verstärkt durch das Machtinstrument der Angst. Selbst beim Schreiben dieser Zeilen als Leserbrief schwingt bei mir die Angst mit. Aber das Wichtigste ist und bleibt für mich die Demokratie. Deshalb.
Anna Maier

Wie kann es sein, dass auf der Frontseite ein Artikel von Heinrich Wefing „Ein Ja hätte genügt“ ganz prominent erscheint, in dem dieser „Jagd“ auf die drei Uni-Präsidentinnen machte, weil sie auf Fragen der „konservativen Abgeordneten“ Elise Stefanik nicht mit einem „klaren Ja“ bzw. uneingeschränkten Ja antworteten auf die Frage, ob der Aufruf zum Völkermord an den Juden gegen den allgemeinen Verhaltenskodex verstoße. Im Feuilleton derselben Zeitung wäre die zutreffende Antwort der russisch-jüdischen Intellektuellen Masha Gessen zu lesen gewesen, wenn das H. Wefing zur Kenntnis genommen hätte. In diesem Interview erklärt Masha Gessen illustrativ, dass die Anhörungen der drei Feministinnen vor dem US-Kongress sie an die McCarthy-Ära erinnert, als Jagd auf vermeintliche KommunistInnen gemacht wurde. So sei das Kreuzverhör von Elise Stefanik, einer „glühenden Trump-Anhängerin“, geführt worden. Die Antworten der drei, das könne sein, sei aber abhängig vom Kontext, sei deshalb verständlich. Frau Gessen fiel also nicht in das allgemeine Geheul ein, sondern zeigte auf, wie das Ganze auch verstanden werden könne (neuer McCarthyismus). Es wäre toll, wenn H. Wefing sich das Interview noch nachträglich zur Brust nehmen würde.
Lisbeth Mattle und Ernst Frei


Leserbriefe zu „Warum sind hier alle so viel klüger?“ von Anant Agarwala

Dies ist eigentlich kein Leserbrief, sondern ein Vorschlag: Ergänzend zu dem interessanten Artikel „Warum sind hier alle klüger?“ sollte eigentlich auch das Bildungssystem in Singapur erläutert werden (vgl. z.B. Spiegel, https://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/pisa-testsieger-singapur-wie-schueler-auf-erfolg-getrimmt-werden-a-1127153.html). Dass sich im deutschen Schulsystem dringend etwas ändern muss, steht m.E. außer Frage. Aber ob das Ziel ein System wie in Singapur (oder z.B. Südkorea) sein sollte, ist schon zu hinterfragen.
Sandra Schiffel

Nicht immer ist das Gras auf der anderen Seite grüner. Die Schüler in Singapur zahlen einen hohen Preis: Enrichment-Class (=Nachhilfe) am Abend und am Wochenende sind absolut üblich – schon ab dem Kindergarten. Eigenständiges Denken, Kreativität, Individualität? Eher nein. Mein Sohn (4) hat die Rückmeldung bekommen er “hätte ja einen sehr starken Willen”. Dies war nicht positiv gemeint. Die im Artikel beschriebenen Vorteile des Bildungssystems, erleben wir jedoch auch. Da kann sich Deutschland viel abschauen!
Carolin Schenck

Das deutsche Bildungsdesaster ist für jeden, der es ein wenig von innen her kennt, seit 20, mindestens aber seit 10 Jahren absehbar. Problemanalysen, Warnungen und Mahnungen, Hilferufe aus der Praxis blieben ungehört, zumindest ohne nötige politische Konsequenzen. Notwendige Maßnahmen und Reformen scheiterten entweder am fehlenden politischen Willen, der Bildung finanzpolitisch eine deutliche Priorität zu Lasten anderer heiliger Kühe einzuräumen, oder an der ideologisch fundierten Realitätsverweigerung: Die richtige Forderung nach Chancengleichheit unterschlug und ignorierte in der Regel die Tatsachen, dass Menschen von Natur aus ungleich sind, und die so genannten bildungsfernen Schichten ihren ganz eigenen Anteil am Bildungsversagen ihres Nachwuchses haben. Diese Ignoranz verleiteten die politischen Entscheider zu kontraproduktiven Maßnahmen. Das dreigliedrige Schulsystem wurde oder sollte samt Förderschulen abgeschafft werden. Die Niveaus der Anforderungen wurden sukzessive gesenkt, um vor allem mehr Gymnasiasten „zu produzieren“. In den anderen Schulen mit unterschiedlichen Etiketten je nach Bundesland sollte keiner mehr ohne Abschluss die Schule verlassen.
Mit den Ergebnissen sind schon länger die Universitäten, Handwerksbetriebe und Unternehmen konfrontiert. Wer die Brisanz des Bildungsproblems in Deutschland erkannt hat, setzt sich für folgende Maßnahmen ein: kleinere Klassen, Doppelbesetzungen, verschiedene pädagogische und psychologische Fachkräfte an allen Schulen, Aufwertung des Lehrerberufes, eine individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülerin. Letztere setzt eine Schule voraus, die bestens dafür ausgestattet ist. Davon sind wir meilenweit entfernt. Im Grunde müsste all das Realität werden, was es in Indonesien ihrem Artikel nach bereits gibt. Sollte sich bei uns nicht ab der Kita grundlegend etwas ändern, legen wir als Gesellschaft heute die Grundlagen für die Konflikte von morgen. Die fleißigen, lernwilligen, guten, neugierigen und wissbegierigen Schülerinnen und Schüler von heute werden es uns zu Recht aufs Brot schmieren. Sie haben die bildungspolitische Suppe auszulöffeln, die konkrete Politikerinnen und Politiker uns die letzten Jahrzehnte eingebrockt haben. Nur: Diese genießen, sofern sie noch leben, alle ihre hohen Pensionen. Hier stellt sich grundsätzlich die Frage nach der Verantwortung und Verantwortlichkeit für weitreichende desaströse politische Weichenstellungen und Entwicklungen.
Bernd Schmidt

Rohstoff Bildung. Der in unserem rohstoffarmen Land bisher reichlich vorhandene Rohstoff, unser Bildungsniveau, geht allmählich zur Neige. Die neuesten Pisa-Ergebnisse lösen die gewohnten Rituale aus – Erklärungsversuche, Schuldzuweisungen, Versprechungen … nur wirklich passieren tut danach nichts. Vor dem Hintergrund einer mittlerweile ganz ordentlichen Ausstattung unserer Schulen mit digitalen Endgeräten ist nach diesem desaströsen Pisa-Ergebnis hoffentlich allen klar, dass die Segnungen der Digitalisierung unsere Kinder nicht schlauer machen – das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Auch das immer mehr an den Rand gedrängte dreigliedrige Schulsystem war offensichtlich besser als sein Ruf. Es gibt, das zeigen uns die Pisa-Sieger, zwei entscheidende Stellschrauben: Zum einen brauchen unsere Schulen endlich so viel Eigenständigkeit, dass sie ihr pädagogisches Potential vor Ort wirksam einsetzen können – kleinliche Kontroll- und Abrechnungsmechanismen über jede eingesetzte Lehrerstunde töten die Kreativität, die gute Schule ausmacht – oder drastischer ausgedrückt: Vom Wiegen wird die Sau nicht fetter.
Die zweite Stellschraube sind die Lehrkräfte. Nur wer begreift, dass Lehrkräfte nicht Fächer, sondern junge Menschen unterrichten, darf in diesem Beruf tätig sein. Unterrichten heißt vor allem auch Beziehungsarbeit leisten, heißt, sich neben der Vermittlung von Fachinhalten auch der Sorgen und Nöte anzunehmen, welche die jungen Menschen umtreibt. Damit unsere Lehrkräfte diese Haltung wirklich in ihrem Berufsalltag leben, muss sie der Arbeitgeber aber durch entsprechend geänderte Ausbildungsinhalte mit hohem Praxisanteil in sozialen Einrichtungen darauf vorbereiten und frühzeitig die Spreu vom Weizen trennen. Im Schulalltag müssen unsere Lehrkräfte dann mit den entsprechenden Ressourcen ausgestattet werden, um diese zeitintensive Beziehungsarbeit auch leisten zu können. Dazu braucht es kleinere Klassen, weniger Wochenstunden und pädagogische Assistenzkräfte.  Ja, das kostet sehr viel Geld. Gute Bildung ist teuer – aber schlechte Bildung ist noch sehr viel teurer.
Manfred Hensler

Sind Sie sicher, dass Pisa Klugheit misst, geht es nicht eher um messbare Fertigkeiten und Wissen? Ein kluger Mensch ist ein selbst denkender Mensch, der in Frage stellen kann, was ihm eingetrichtert wird. Schule war früher ein Ort der Bildung. Seit Pisa herrscht Zweckrationalität und wurde Schule zu einer Ausbildungsanstalt. Der Zweck heiligt die Mittel der Auslese. Nur dass zu viele ausgelesen werden, ist offenbar störend.  Aladin El-Mafaalani hat eine Seite weiter als Ihr Artikel beschrieben, dass Schule noch ganz andere Aufgaben hat: soziale Integration der Einwandererkinder und Nivellierung der Unterschiede in den Elternhäusern, um dem Bildungsauftrag der Schulen nachzukommen. Aber davon einmal angesehen lassen sich Singapur und Deutschland nicht vergleichen. Singapur ist ein Stadtstaat und einer der reichsten der Welt. Es ist für ihn eine Kleinigkeit, viel Geld in die Ausbildung zu stecken, denn er braucht qualifizierte Arbeitskräfte.  Unqualifizierte Arbeit muss kein Angehöriger des Staates Singapur leisten, dafür gibt es Hilfskräfte, die in den Slums zwischen Stadt und Flughafen untergebracht waren, als ich die Stadt besuchte. Wie bei den Scheichs der Emirate.
Gerd Stange

Von Singapur lernen? Alle Jahre wieder versucht das Bildungswesen in Deutschland sich nach schockhaften Erschütterungen neu zu orientieren und die Debatte richtet sich nach Vorbildern, die in vielerlei Hinsicht besser zu sein scheinen. Der Sputnik-Schock von 1957 führte zu einer völlig neuen Struktur des Bildungswesens mit einer stärkeren Ausrichtung der Wissenschaftsorientierung nach US-amerikanischem Vorbild. Die erste PISA-Welle nahm sich finnische Schulen zum Vorbild. Nun ist Singapur der Leuchtturm, welcher den Weg weisen soll. So wichtig es ist, Bildungssysteme zu reformieren und sich neuen Verhältnissen anzupassen, so notwendig wäre es auch, die Debatte zu reformieren. Diese stürzt sich auf die Leistungsschwäche in deutschen Schulen. Doch anstatt nur auf die Optimierung individueller Schülerleistungen zu schielen, sollte auch einmal diskutiert werden, warum man sich eigentlich Schulen leisten sollte. Schließlich verbringen Kinder und Jugendliche die meiste Zeit ihres Lebens in solchen Einrichtungen – und viele wissen nicht warum. Hier wäre der Bildungsplan von Singapur in der Tat ein diskutabler Wegweiser. Dieser gibt die Ziele für die Bildung im 21. Jahrhundert vor: Critical, Adaptive and Inventive Thinking; Communication, Collaboration and Information Skills; Civic, Global and Cross-Cultural Literacy. Nachzulesen beim Ministry of Education („Moulding the future of our nation“). Das kann und darf nicht einfach mittels copy & paste auf das deutsche Bildungssystem übertragen oder mittels ChatGPT assimiliert werden. Aber es könnte zu denken geben, wieder mehr über Bildungsziele und den Sinn von Bildung zu sprechen, sich daran zu orientieren und ein Bildungssystem zu gestalten, in dem solche Ziele auch tatsächlich ermöglicht werden, statt nur Rankings aufgrund von Testergebnissen zu interpretieren, welche die Realisierung von Bildungszielen gar nicht in den Blick nehmen können. Klug wäre es dabei, die Schulen von all dem Ballast zu befreien, der nicht zum Kern von Bildung gehört, und wieder aufmerksam für die core values zu werden.
Andreas Nießeler


Leserbriefe zu „Kann man Klimaschutz befehlen?“ von Xifan Yang

Ich bin sehr froh, in einer Demokratie zu leben. Doch wie schön wäre es, wenn der Bundeskanzler den Klimaschutz zur Chefsache erklären würde, wie in China der Staatspräsident. Im Übrigen gibt es beim Klimaschutz durchaus mehr Ähnlichkeiten zwischen unserer Demokratie und der chinesischen Diktatur als gedacht. Auch hier ist der Klimaschutz eher ein technologisches Projekt, gestützt auf einen unausgesprochenen Deal mit der Bevölkerung: Unantastbarkeit von Wohlstand gegen sozialen Frieden. Weder die Regierung noch die Opposition sind an einer grundlegenden Änderung des Bewusstseins interessiert, die Voraussetzung für die grüne Transformation ist. Es gibt viel Schönrederei und faktisch eher einen politischen Wettbewerb um weniger Klimaschutz. Wer mehr Klimaschutz haben möchte, weiß nicht, wen er oder sie wählen soll. Und die in Notwehr handelnde außerparlamentarische Opposition (die Klimaaktivisten) werden verniedlicht oder kriminalisiert. Dennoch: Wir sind ein Rechtsstaat. Wo Legislative und Exekutive versagen, gewinnt die Judikative an Bedeutung. Das Bundesverfassungsgericht hat die Generationengerechtigkeit und den Klimaschutz gestärkt. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg moniert die Verstöße der Bundesregierung gegen das Klimaschutzgesetz und fordert Sofortprogramme für die Sektoren Verkehr und Gebäude. Ja, in Deutschland „befehlen“ die Gerichte den Klimaschutz.
Reinhard Koine

Einen Befehl in der Bundeswehr zu verweigern, das hat erhebliche persönliche Konsequenzen. Es gibt viele gesetzliche Regeln für alle Verkehrsteilnehmer, z.B. Parkverbote oder TÜV – Pflicht. Klimaschutz – das ist ein Gebot der Vernunft an dem sich alle beteiligen sollten.  Freiheit heißt auch Verantwortung übernehmen, für mich und meine Kinder, nur so kann eine kollektive Gesellschaft friedlich zusammen leben zum Wohle aller. Klimaschutz braucht keine Befehle- nur eine Haltung von Verantwortungsbewusstsein und den unbedingten Willen zur Übernahme von Verantwortung.
Thomas Bartsch Hauschild

Diktaturen brauchen nicht Klimaschutz zu befehlen, man braucht es nur zu behaupten, und ein großer Teil der westlichen Bevölkerung sind damit befriedigt., viele fragten sich sogar warum demokratische Länder nicht imstande waren solche Werte zu erlangen. Ende der 50er Jahren, Anfang der 60er Jahren behauptete die zuständigen Stellen der UdSSR, dass sie die niedrigste Strahlenschutzwerte der Welt einhielten. Westliche Strahlenschutz-Messstellen dürften durch eigene Messungen, höchstens Zweifel dazu äußern. Nachdem die Grenzen geöffnet wurden, wurde schnell klar, dass die Werte fiktive waren. Da unabhängige Messinstitute bisher keine Erlaubnis bekommen wo sie, wie lange und was ohne Beschränkungen zu messen, dürfte man die offizielle Werde als Fake-Werte betrachten und kein Glauben schenken.
Stein-Erik Greter

Vielen Dank für Ihren Artikel. Ein Kommentar zu E-Autos: Es ist natürlich zu begrüßen, dass das E-Auto in China boomt. Allein für den Klimaschutz bringt es nichts, wenn gleichzeitig die Akkus mit Kohlestrom geladen werden müssen, weil es nicht genügend Strom aus regenerativen Quellen gibt. Das gilt natürlich auch für Deutschland. Und ein geopolitischer Kommentar: Ich hatte vor zwei Wochen in einem Leserbrief Indien in Bezug auf den Klimawandel eine düstere Zukunft prognostiziert. China droht das gleiche Schicksal. Aber im Gegensatz zur indischen Bevölkerung kann die chinesische nach Norden ausweichen. Daher bin ich gespannt, ob China von Russland in Folge des Krieges mit der Ukraine Land fordert. Mittelfristig gehe ich davon aus, dass China sich Sibirien in jedem Fall holen wird. Es wäre ein Treppenwitz der Geschichte, wenn Russland dann den Beistand der USA suchen würde.
Till Borchert

Die AfD allein mit politischen Mitteln und Überzeugungskraft zu bekämpfen, erscheint mir wie der Versuch der antiautoritären Erziehung einer autoritätshörigen Partei und ihrer Wählerschaft. Gerade in Zeiten von Krisen und Zumutungen nicht sehr erfolgversprechend. Müssen wir es tatsächlich soweit kommen lassen wie in den Niederlanden oder Italien?
Claudia Reuter

In den Dossiers der Ausgaben 52 und 53 haben Sie zu den Leitthemen „Kann man Klimaschutz kaufen?“ bzw. kann man „Kann man Klimaschutz befehlen? „die gleichen Grafiken verwendet. War das ein Versehen oder gibt es keine weiteren Informationen zu dem Thema? Im zweiten Teil gehen Sie auf die vermeintlichen Auswirkungen des Klimawandels am Colorado River ein. Diesbezüglich hätte ich z.B. gerne gelesen, um wie viel die jährlichen Niederschläge in den letzten Jahrzehnten in den Rocky Mountains tatsächlich zurück gegangen sind. Warum nehmen sie nicht zu, was besteigenden Temperaturen doch eigentlich zu erwarten ist, da wärmere Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann? Nach etwa 10 Minuten Recherche bei der Colorado State University hat man die Daten zusammen. Die mittlere maximale Temperatur lag an der Station ‘Colorado Springs Municipal‘ im 30jährigen Mittel 1991/2020 um 1,3 °F höher gegenüber 1951/1980. Die jährlichen Niederschlagsmengen haben sich im insgesamt trockenen Colorado in den letzten 100 Jahren praktisch nicht verändert. Insofern macht mich Ihre Aussage in dem Artikel „Weil auch in den Rocky Mountains die Niederschlagsmengen sinken“ stutzig, denn laut Daten des Colorado Climate Centers trifft das zumindest für den Bundesstaat Colorado nicht zu.
Ob der in der Tat rückläufige Schneefall in den Daten zum Gesamtniederschlag enthalten ist, habe ich nicht nachgelesen. Auch nicht, um wie viel die Evapotranspiration (Verdunstung) infolge des Temperaturanstiegs zugenommen hat. Beim Colorado Climate Center wollte ich nicht anrufen. Dafür bezahle ich ja schließlich das Abo der ZEIT. Da Sie diese oder eine vergleichbare Quelle nicht im Artikel genannt haben, habe ich nun meine Zweifel wie belastbar Ihre Aussagen sind. Es lohnt sich immer, mit Expert:innen gesprochen zu haben. Mit den Angaben zur Entwicklung der Niederschläge und der Verdunstung ließe sich recht schnell einordnen, was an der Wasserknappheit im Colorado River klimabedingt ist und wie viel auf die menschengemachte und nicht-klimabedingte Übernutzung der Wasserressource zurückzuführen ist (Anstieg der Bevölkerung im Flusseinzugsgebiet, Golfplätze, Swimmingpool, Bewässerung). Muten Sie Ihrer Leserschaft durchaus mehr Informationen zu und ordnen Sie komplexe Zusammenhänge ein. Wenn die Artikel zu lang werden, kann gerne bei den vielen bildbeschreibenden Details wie dem Wendekreis eines Elektrobusses, kaputten Straßenbelegen oder dem Generationenproblem des Farmers gekürzt werden. Das ist in Maßen ganz nett zu lesen, lenkt aber in der Regel vom Wesentlichen ab und bei diesem sehr wesentlichen Thema sind die relevanten Zusammenhängewichtiger und deswegen spannender.
Horst Gömann


Leserbriefe zum Titelthema „Die schlaflose Gesellschaft“ „Der Traum von siebeneinhalb Stunden von Rudy Novotny

Nach der Technischen Anleitung zum Schutz vor Lärm muss der Schalldruckpegel im Schlafzimmer auf mindestens 25 dB (A) in der Nacht zwischen 22 und 6 Uhr sinken können. Dieser Grenzwert kann vielerorts aber nicht mehr erreicht werden. Auch dann nicht, wenn unter Einräumung der Toleranz 3 dB (A) abgezogen werden. Politik und Behörden sind mit berechtigten Bürgerbeschwerden konfrontiert. Der Schlaf vieler Menschen wird unterschwellig gestört. Durch zu viel Technologie kommt es zu Schallüberlagerungen. Es wird dadurch geräuschintensiver. Leider können sich nur wenige Personen fundiert darüber beschweren. Die Politik jedoch handelt jedoch entgegengesetzt. In Planung ist eine Experimentierklausel in die TA-Lärm einzufügen. Das bedeutet Grenzwerte, nach logarithmischer Berechnung, werden angehoben. Schalldruckpegel um 30 dB (A) sind dann in Innenräumen legitim. Das ist eine erhebliche Steigerung und verschlechtert immens die Lebensqualität. Ein derartiges Experiment halte ich für gefährlich. Es ist doch klar, dass Schlafstörungen dann weiter zunehmen werden. In der Folge steigt auch der Betäubungsmittelkonsum. Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen kommen hinzu. Auch künstlich erzeugte psychiatrische und kriminelle Zustände können beim Menschen eintreten. Ich glaube nicht, dass es hier der Forschung bedarf. Die Experimentierklausel darf daher nicht kommen. Ortschaften, die Ruhe in (technologiefreien) schutzbedürftigen Räumen garantieren, sollten damit werben die gegenwärtig geltende TA-Lärm einzuhalten. Ich habe die Hoffnung, dass es diese Städte und Dörfer noch gibt. Leider werden es in der Bundesrepublik nach meinem Empfinden immer weniger.
Thorsten Mosel

Die Aussage, dass „erschöpfte NASA-Manager“ schuld am Challenger-Unglück waren, stimmt nicht! Wenn Sie den Film Oppenheimer gesehen hätten, würden Sie es wissen. Google „Challenger-Unglück“ gibt auch Auskunft: Materialfehler und Erfolgsdruck. Sorry.
W. Steininger

Wenn ich mein Leiden der Schlaflosigkeit beschreiben müsste, dann würde ich von meinem Leiden an der Trostlosigkeit und dem fehlenden Echo der Umwelt berichten. Ich bin 98 nach Rostock gezogen. Hier in unserem kleinen Garten in der Innenstadt zwitscherten Scharen von Spatzen, Meisen und Amseln jeden Morgen mit einem ohrenbetäubenden Lärm. Jetzt nach 24 Jahren: Stille. Kein Vogelgezwitscher mehr. Das gleiche in einem nahen Park. Die Stadt hat die „Kulturlandschaft aus DDR-Zeiten“ abgeräumt, viele Bäume entfernt und alles Unterholz beseitigt. Auch hier Stille anstelle von Vogelgezwitscher. Wenn ich im Sommer abends nach Hause ging, beglückt und beseelt von gutem Essen und Wein, dann hörte ich auf meinem Weg an vielen Stellen dem Gezirpe von Grillen. Auch hier heute Stille. Kein einziger Ton. Auch in der Architektur ist Stille eingekehrt: viele Neubauten in der Innenstadt sehen nicht wie Häuser aus, sondern ähneln umgedrehten Schuhkartons. Diese Trostlosigkeit bedrückt und machte meinen Schlaf unruhig und flach.
Rehberg-Pawlowski

Falls der Hinweis Sie noch nicht anderweitig erreicht hat: Im Artikel „Der Traum von siebeneinhalb Stunden“ von Rudi Novotny wird mehrfach die m.E. falsche Abkürzung für den suprachiasmatischen Nucleus (SCN) verwendet.
Salome Johannigmann

Die beschriebenen Fakten zum Thema kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Als Vertriebsingenieur in einer Maschinenbaufirma war ich viel unterwegs und ständig ‚getaktet‘. Nach einem Burnout habe ich meine Armbanduhr und meinen Wecker abgeschafft. Ich bin aufgestanden und ins Büro gefahren, wenn ich von alleine wach wurde: montags gegen 05:00, mittwochs gegen 07:00. Nur bei fixen frühen Terminen habe ich mich wecken lassen. Tatsächlich bin ich ab da kaum noch krank geworden und fühle mich glücklicher, selbst in Krisen- und Stresssituationen. Gleitende Arbeitszeit und Einfluss auf meine Termingestaltung haben dies natürlich begünstigt; auf Verständnis oder sogar Nachahmung bin ich in meinem beruflichen Umfeld aber leider nicht gestoßen. Hier ist seitens der Medizin und Politik deutlichere Aufklärung zu leisten, denn wie Sie richtig schreiben: richtiges Schlafen hat auch einen volkswirtschaftlichen Hintergrund.
Eberhard Goette


Leserbriefe zu „Wachstumsschmerzen“ von Matthias Krupa

Geht räumliche Sozialisierung auch intelligent? … Unsere akkumulierten Kohlenstoffemissionen transformieren ein lebensfreundliches Holozän in ein risikoreiches Anthropozän. Lt. IPCC-Bericht sind mehrere Hundert Millionen Menschen vom Ökozid bedroht. Das sind vermeidbare Wachstumsschmerzen, da unser selbstbestimmter Handel die Erde wandelt. Natürlich könnten wir auch eine Währungsdefinition, die mit naturwissenschaftlichen Einsichten unvereinbar sind, infrage stellen und ggf. korrigieren. Der EU-Erweiterungsdiskurs ist nur eine weitere Form vom Teile-und-Herrsche-Trick, um eigensüchtige Interessen gegenüber dem großen Ganzen zu verwirklichen!
Matthias Losert

Vielleicht sollten wir uns erlauben, dieses Wachstum etwas kritischer zu betrachten, auch wenn wir das nicht gern tun. Mir fallen da ein paar Argumente ein. Eine EU, die jetzt erweitert wird und immer noch nach demselben Prinzip verfährt, eine Stimme ein Land, dann nicht funktionieren. Hier besteht dringender Veränderungsbedarf, der nie kommen wird, weil diese Veränderung ja auch einstimmig beschlossen werden muss. Welch ein wahnsinniges Gesetz. Wenn Herr Macron für den Zutritt der kleinen Staaten sich Einsetzt, dann ist das Kalkül. Er hat dort mehr Einfluss als in Italien oder Spanien. Wir glauben Immer noch, dass wir das Nonplusultra als Staatengebilde sind. Das ist ein Irrglaube, der Leider unter Geld versteckt, Geld, das wir verteilen, obwohl wir es gar nicht haben. Die Verwaltung Der EU hat sich längst verselbstständigt, und sie ist nicht mehr aktionsfähig. Warum kommt Niemand mal auf die Idee all den neuen Kandidaten eine assoziierte Mitgliedschaft erst mal zu gewähren? Warum gleich eine Vollmitgliedschaft?   Das wäre mal eine Maßnahme, die auch Skeptiker überzeugt. Aber nun ja, wir, das Volk, haben wirklich nichts mehr zu sagen.
Manfred Mengewein

Es geht um die Europäische Union, kurz EU genannt. Der Autor schreibt die EU muss neue Mitglieder aufnehmen. Wieso muss die EU das? Da sind haufenweise Kandidaten, die drängeln um Aufnahme, vornämlich aus den Balkanstaaten. Die könnten die EU als Geldquelle ansehen für ihre eigenen Pläne, na sowas. Die Türkei will auch reingehört die überhaupt zu Europa? Aber die ist in der NATO, da kann man wohl nicht anders. Tür und Tor sind weit offen, kommen sie näher, kommen sie rein bitte. Bei so viel Öffnung sollte die EU auch Russland einladen. Dann gibt es Gasöl und Wodka und russische Staatsanleihen. Der Rubel rollt und die EU wohin? Das weiß niemand sowie jetzt auch. Dann bleibt ja alles wie immer, das ist tröstlich und lässt hoffen.
Hans-Emil Schuster 

Dem Ziel, „Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu verbreiten“, diente nicht erst die Osterweiterung der EU von 2004, sondern schon die Aufnahme von Griechenland, Spanien und Portugal in die damalige EG. Als sich in den drei abgewirtschafteten Diktaturen Demokratien durchsetzten, wollte die EG durch die Perspektive der Mitgliedschaft zu ihrer Konsolidierung beitragen. Insofern sind die Beitrittsgespräche mit der Ukraine und mit Moldau keine Präzedenzfälle im Erweiterungsdiskurs. Schon am Anfang der europäischen Einigung stand die Einsicht, dass Rechtsstaatlichkeit und soziale Sicherheit am besten verwirklicht werden können, wenn Staaten ihre Souveränität bündeln.
Jürgen Thiede

„Die Union bleibt ein Sehnsuchtsort …? Warum wohl? Nicht von Sehnsucht getrieben, sondern, um an die Futternäpfe EU zu kommen, streben diese Länder in dieselbe! Darüber muss man sich im Klaren sein! Und bedenkt man darüber hinaus, es sind alles Armenhäuser, die da rein wollen! Es wäre sicherlich interessant, zu erfahren, ob die denn alle aufgenommen werden wollten, wenn es keinen Regionalfond u. a. m. gäbe!? Und, … an sich reicht uns allen ein „Orban“! Wenn dann noch sieben, acht weitere „Orbans“ dazu kommen, werden kaum noch Entscheidungen getroffen werden können … oder man muss sich jede Zustimmung erkaufen müssen! Da kann man nur sagen, viel Vergnügen EU! Last but not least!  Wenn mehr als die Hälfte der Mitgliedstaaten einerseits Netto-Empfänger sind und dann auch noch Nachfolgestaaten der ehem. Sowjetunion und Jugoslawiens sind, haben diese, da sie oftmals dieselbe Meinung, dieselben Interessen haben, haben diese die Mehrheit!! One country, one vote! Arme EU, arme Kommission, armes Deutschland. (Vielzahler)
Dr. Wolf Günther


Leserbriefe zu „Rechnet mit allem!“ von Max Hägler

Das Projekt S21 ist sehr komplex und ebenso seine Geschichte. Deshalb sollte man Artikel dazu nur schreiben, wenn man sich genügend damit befasst hat. Zumindest folgende Fehler sind Ihnen unterlaufen: 1. Die Kosten sind nicht überraschend gestiegen, sondern die Bahn hat intern bereits 2013 mit über 11 Mrd. gerechnet (https://www.stuttgarter-zeit…) 2. Es gab und gibt keine Sonderwünsche, die das Projekt verteuert hätten, sondern Änderungen waren immer nur erforderlich, weil die Planungen der DB unzureichend waren (z.B. der Flughafenanschluss der Gäubahn oder die Wendlinger Kurven) oder weil die DB selbst neue Ideen hatte (z.B. den „Digitalen Knoten Stuttgart“). 3. Es gab keinerlei Verzögerungen durch lange Debatten. Auch während der sogenannten „Schlichtung“ liefen die Bauarbeiten weiter. 4. Es gab keinerlei Verzögerungen durch Proteste. Die Bahn hat nie einen Baustopp eingelegt, der nicht baulich bedingt gewesen wäre. 5. Auch die beliebten Zauneidechsen haben nicht für Überraschungen gesorgt. Auch, dass sie zahlreich vorhanden sind und nach Europarecht geschützt werden müssen, war von Anfang an bekannt und Teil der Planfeststellungsbeschlüsse. Also bitte nicht aus Unwissenheit (oder gar schlimmeren Motiven, die ich nicht unterstellen will) Legenden verbreiten!
Martin Poguntke

Bedauerlich, dass im Kommentar nicht die Verantwortlichen für dieses finanzielle Desaster und überflüssige Megaprojekt benannt werden. Und bedauerlich auch, dass diese nicht zur Verantwortung gezogen werden, bspw. mit einem sehr hohen Eigenanteil aus dem Privatvermögen. Eine derartige drohende Zahlung würde Politiker zukünftig vermutlich nicht mehr unnötige Großprojekte auf den Weg bringen lassen. Denn das Resultat derartiger Projekte ist eine unnötige Überlastung des Haushalts. Und mit Hinweis auf die Schuldenbremse fordern dann Politiker die entsprechende Megaprojekte befürworteten, Einsparungen in bspw. notwendiger sozialer Infrastruktur (Jugendzentren, Seniorenangebote etc.). Unverantwortlich.
Reiner Gorning

Als Quintessenz stellt Herr Hägler heraus, dass schon bei der Projektierung alle Kosten incl. Teuerungsrate offengelegt werden sollten. Aber, wenn einer sagt, das kostet eine halbe Milliarde, dann weiß jeder, dass fünf Milliarden berappt werden müssen. Wenn die Fertigstellung in drei Jahren proklamiert wird, ist allen klar, dass es zehn Jahre dauert … wenn es gutgeht. Käme jemand mit einem Projektvorschlag, der ehrliche fünf Mrd. und zehn Jahre angibt, dann wäre das Projekt tot, bevor darüber debattiert wurde. Alle rechnen hoch und wenden sich ab. Das ist nicht nur bei öffentlichen Vorhaben so, sondern in der Privatwirtschaft auch. Wer von Anfang an ehrlich kommuniziert, hat schon verloren. Eine Kultur der Ehrlichkeit kann nicht mehr etabliert werden.
Hans List

So richtig Ihr Tenor ist, der sich in der Überschrift ausdrückt, so fragwürdig ist Ihre Analyse des „Bahnhofsprojekts“ Stuttgart 21. Dieses war immer ein Investorenprojekt, um die in der Innenstadt gelegenen renditeträchtigen Grundstücke auszubeuten; die Bahn sollte dabei – dem Zeitgeist entsprechend – „gesundgeschrumpft“ werden. Der Bevölkerung wurde dieses als Fortschritt verkauft, der angeblich zu einem Schnäppchenpreis zu bekommen war. Dabei wurde getrickst und manipuliert. Nun haben sich die Zeiten geändert, und alle Versprechungen sind nicht eingetreten. Die Stuttgarter und alle Bahnreisenden werden dieses noch für Jahrzehnte ausbaden müssen. Aber sie sollen nicht allein bleiben: In Hamburg, München und Frankfurt sind ähnlich unsinnige milliardenschwere Großprojekte geplant oder schon im Bau. Diese müssen unbedingt jetzt radikal auf den Prüfstand, es sollten endlich die Lehren aus S21 gezogen werden, um für den Klimaschutz eine funktionierende und bürgerfreundliche Bahn zu ermöglichen.
Martin Schwager


Leserbriefe zu „Ich will Altersreichtum“ von Christiane von Hardenberg

Die Ausführungen von Frau von Hardenberg sprechen mir aus der Seele. Meine Partnerin und ich sind seit Jahrzenten begeisterte Aktionäre und genießen jetzt im Alter – beide sind wir weit über 80 – die mit dem erarbeiteten Vermögen verbundene Freiheit. Darüber hinaus nehmen wir durch die Beobachtung des Börsengeschehens an dem Leben in Politik und Wirtschaft teil. Ich kann nur jedem Lotto-Spieler empfehlen, auf das Jobbern umzusteigen.  Es ist garantiert lukrativer.
Volker Schlätzer

Altersreichtum? Wer will das nicht. Die Autorin Frau von Hardenberg hat schon als 14-Jährige dafür gesorgt, indem sie an der Börse investierte. Wie geht das? Ist man mit 1 Jahren schon geschäftsfähig? Und womit, von dem Taschengeld, dass ihre Eltern ihr gaben? Wie hoch war das? Na gut egal, Kleinvieh macht auch Mist. Erstaunlich, andere 14-Jährige wissen nicht mal was eine Börse ist. Na denn mal los, buy low, sell high. Aber an der Börse geht es rauf und runter. Und das Finanzamt schläft nicht. Da wird der Altersreichtum zum Alptraum.
Hans-Emil Schuster

Wieder so ein Artikel, in dem sich eine Frau ihren Frust über die Männerwelt von der Seele schreibt. Leider hat die Autorin nicht erwähnt, welche Bücher sie gelesen hat, in denen sie gefühlte hundertmal gelesen hat, sie möge doch dieses oder jenes lieber nicht kaufen. In unserer ziemlich großen Bibliothek mit ziemlich vielen Büchern über Wirtschaft und Finanzen habe ich dergleichen mit absoluter Sicherheit nirgends gelesen. Und wieso gehen Sie davon aus, dass «rosa Finanzen» abschätzig gemeint sein soll? Rosa ist nun mal die Lieblingsfarbe der Frauen und Frauen kaufen sich deswegen auch rosafarbene Autos. Deswegen wird das Auto nicht abschätzig bewertet. Und was mich betrifft, ich habe – völlig im Sinne der Frauenrechte – versucht, mit unseren Töchtern über Informatik, U-Boote, Flugzeugträger und Lokomotiven zu sprechen. Das war genauso zweck- und sinnlos, wie mit ihnen über Finanzen reden. Deswegen gibt es auch nur eine Handvoll Frauen in der Informatik und im Führerstand einer Lokomotive, keine U-Boot-Kommandantinnen und auch keine, die einen Flugzeugträger befehlen.
Andi Pfaff


Leserbriefe zu „Wie müssen sie gelitten haben!“ Protokolle: Evelyn Finger

Sie beschreiben das unendliche Leid, das die Hamas unschuldigen Menschen am 7. Oktober zugefügt hat. Die Grausamkeit und Unmenschlichkeit ist so bedrückend und in keiner Weise gerechtfertigt. Man muss sich fragen, wie es dazu kommen konnte. Dabei geht es nicht nur um die Frage, ob man durch bessere Überwachung und Ernstnehmen der Geheimdiensthinweise diesen Anschlag hätte verhindern können. Es geht auch darum, ob nicht aktuelle Politiker und religiös-fanatische Menschen in Israel einen Anteil an der Schuld dafür haben, dass es so weit kommen konnte. Der jetzige Ministerpräsident Benjamin Netanjahu trägt durch seine Politik der Stärke gegenüber den Palästinensern sicher nicht zu einer Lösung bei. Er hat keinen Plan, wie es nach der militärischen Zerschlagung der Hamas weitergehen soll. Das wird nicht funktionieren, ohne die Belange der Palästinenser zu berücksichtigen. Der einzige Ministerpräsident Israels, der das überblickt hatte, war Jitzchak Rabin – und er wurde von einem religiös-fanatischen rechtsextremen israelischen Jurastudenten 1995 ermordet, genau wegen seiner Weitsicht.
Eberhard Böhl

Vielen herzlichen Dank für den Artikel. Der Artikel ist furchtbar, aber es war wichtig, dass Sie ihn veröffentlicht haben.
Michael Scheppler

Die Protokolle der 3 Israelis (2 Frauen, 1 Mann) zu den Massakern über den 7.Oktober mit ihren schrecklichen Einzelheiten können nur näherungsweise wiedergeben, welche Hölle die Opfer erlebt bzw. nicht überlebt haben. Wer den Tätern dazu Anweisungen oder Befehle gab, egal ob die Hamas und/oder der palästinensische islamische Dschihad, trägt für immer das Kainsmal eines grauenhaften Verbrechens auf seiner Stirn. Sieht man im Juden aufgrund der abrahamitischen Verwandtschaft auch noch den Bruder des islamischen Palästinensers ist der biblische Frevel perfekt. Der religiöse Zusammenhang wird im aktuellen Konflikt mit Sicherheit von beiden Seiten verdrängt werden da sie wieder mal zu Todfeinden wurden -kann aber für eine Zukunft mit 2 Staaten doch noch Bindekräfte entfalten. Die Hoffnung stirbt, wie immer, zuletzt. Tatsache ist aber, dass seit Jahrzehnten keine Religion weltweit so sehr von der Politik missbraucht wurde wie der Islam. Warum wehren sich die geistlichen Führer, egal ob sunnitisch oder schiitisch, nicht gegen die (radikale) Politisierung einer der großen Weltreligionen? Was für eine Herabsetzung des Islam im Iran, wo jedes schändliche Politmanöver mit dem Bezug zum Glauben vermengt wird!
Und warum fehlt eine im Glauben vereinte Stimme des Islam, um die Verbrechen des 7.Oktober anzuprangern? Und warum diese dauernde Passivität der obersten Glaubenshüter gegenüber den meist autokratischen Regimen der arabischen Länder? Das die schrecklichen Ereignisse vom 7.Oktober nicht einzigartig sind wusste man seit spätestens April 2022 als das Massaker von Butscha in der Ukraine bekannt wurde. Russische Besatzer folterten, vergewaltigten und ermordeten dort über 400 Zivilisten. Die russischen Angreifer / Besatzer stritten ihre Verbrechen natürlich ab. Auch der Kriegsverbrecher Putin ist eine politisch sehr nützliche Allianz mit der Russisch-Orthodoxen Kirche eingegangen. Deren Oberhaupt Patriarch Kirill hat sich Putin ungeniert angedient und erwähnt oder verurteilt den verbrecherischen Krieg gegen die Ukraine natürlich nicht. Also hier wie dort eine unheilvolle Gemengelage zwischen Politik und Religion. Wenn die Religion ein ehrlicher Vermittler/Erklärer zwischen dem Gott der Gläubigen und ihnen selbst sein soll muss sie auf ihre unheilige Allianz mit der Politik verzichten.
Klaus Reisdorf


Leserbriefe zu „Glänzendes Geschäft“ von Nicolas Kilian

Den Hinweis, dass ein Produkt gesponsert ist, finde ich gar nicht so klein, wie Sie behaupten. Das Lustige an diesen Produkten ist allerdings, dass sie sich bei mir meist gar nicht anklicken lassen. Kann aber vielleicht auch an meinen Browsereinstellungen oder am lahmen Netz liegen. Wenn mich eines dieser Produkte tatsächlich interessiert, muss ich immer erst den Namen kopieren und in die Suchleiste einfügen. Kürzlich habe ich bei der Suche nach einem Puzzle zum ersten Mal den Hinweis gelesen, dass die Preise angeblich nicht den Bestpreisvorstellungen von Amazon entsprächen. Man konnte aber die Liste der Anbieter anklicken (an einer etwas anderen Stelle als sonst) und da wurde das Puzzle zu ganz normalen Preisen angeboten. Schon etwas merkwürdig, aber ich weiß nicht, ob das etwas mit dem zu tun hat, was Sie in Ihrem Artikel schildern. Oder hängt das mit dem zusammen, was Sie beschreiben, wonach die Händler nirgends günstiger als bei Amazon sein dürfen? Amazon ist tatsächlich sehr schnell von den Lieferzeiten her, aber ich muss nicht immer alles am nächsten Tag haben. Ob ein Buch, eine CD oder eine DVD nun einen Tag (oder von mir aus auch eine Woche) länger braucht, ist mir relativ egal. Der größte Vorteil daran ist eigentlich nur, dass man nicht mehrere Tage hintereinander nach der Post gucken muss. Aber die große Auswahl ist unschlagbar, da muss ich dem Konzernjuristen recht geben.
Thomas Manthey

Mit an Dummheit grenzender Naivität ist gesegnet, wer glaubt Amazon wäre gut für den Wettbewerb oder sonst etwas. Amazon ist ein maßlos gieriger Monopolist mit einem umweltschädlichen Geschäftsmodell, das vorsätzlich dem Einzel- insbesondere dem Fachhandel weltweit schadet.
H. Giller

Leider spart Amazon in letzter Zeit auch beim Kunden-Service. Früher war der Service unglaublich schnell und kulant, am Telefon war immer ein kompetenter Mitarbeiter, der auch Entscheidungen treffen konnte. Heute hat man als Kunde selbst in Betrugsfällen Mühe, sein Geld zurückzubekommen. Kürzlich hat ein Kunde ein Samsung Smartphone für ca. 740 € gekauft. Im Paket war aber nur eine billige Power-Bank. Auf seine Beschwerde sagte man ihm, er sollte das falsche Gerät einsenden und er bekäme das Geld zurück. Als er dann Power-Bank eingesandt hatte, erhielt er als Antwort, dass er das falsche Gerät zurückgeschickt habe und er nicht entschädigt würde. Siehe C’T Nr. 28/2023, Seite 56f.
Peter Pielmeier


Leserbriefe zu „Meine Großmutter träumte vom Zionismus“. Gespräch mit Masha Gessen geführt von Peter Neumann

Vielen Dank für Ihr Interview. Vielen Dank für die offenen Worte einer Nachdenkenden.
Michael Scheppler

Ein gelungenes Interview, das uns die Denkerin Masha Gessen näherbringt. Offensichtlich wurde es vor dem Eklat um die Verleihung des Hannah-Arendt- Preises geführt. Hierzu einige grundsätzliche Anmerkungen: Wer Nazi-Vergleiche anstellt, begibt sich IMMER auf gefährliches Glatteis – das dürfte auch eine brillante Essayistin wie Masha Gessen wissen. Die Gleichsetzung der jüdischen Ghettos im von Nazi-Deutschland besetzten Osteuropa mit der Situation in Gaza ist äußerst unklug, geradezu ein Eigentor im erbittert geführten Nahost- „Diskurs“. Damit leistet sie auch der deutschen Erinnerungskultur, fußend auf der These von der Singularität des Holocaust, einen Bärendienst. Das kostet sie Reputation und schwächt zudem all jene, die sich einem platten Schwarz-Weiß-Denken verweigern wollen. Es ist ein durchsichtiges und übles Manöver, Antisemitismus und Rassismus gegeneinander auszuspielen, wie dies derzeit allzu oft geschieht. Antisemiten sind allesamt Rassisten, daran gibt es keinen Zweifel. Aber auch Zionisten und selbst Holocaust-Überlebende können Rassisten sein – wer das offen ausspricht, ist nicht automatisch antisemitisch, schon gar nicht, wenn er selbst jüdische Wurzeln in sich trägt. Diese wichtige Erkenntnis geht leider im Lärm um das umstrittene Essay von Masha Gessen unter.
Rüdiger Paul

Peter Neumanns Fragen sowie Hinterfragungen und die komplizierten Antworten bzw. persönlichen Beantwortungen zu den verinnerlichten Verantwortungen von Masha Gessen: ergaben ein sehr weltoffenes Gespräch – wobei dieser Klartext nicht verbrämt noch zwischen den Zeilen sich verstecken wollte, wie in so vielen schriftlichen Verlautbarungen dieser Zeiten zu dem tragischen Thema zwischen dem Staatsgebilde Israel und den Palästinensern dort und in der(en) Diaspora… DIE ZEIT hat in jeder Ausgabe seit dem Hamas-Terror vom 7. Oktober: in der Wochenzeitung unterschiedlichste jüdische Kommentatoren bzw. Schriftsteller sowie Berichte/Augenzeugendarstellungen zu Wort kommen lassen – auch durchaus (selbst-)kritische Hinterfragungen zu dem Wahnsinn der dortigen gegenseitigen Verfeindungen bis hin zu diesem furchtbaren Massaker an so vielen jüdischen Menschen und im Gegenangriff dann der regionale Krieg gegen die Hamas (und anderen Organisationen) im Gazalandstreifen… Zehntausende von zivilen Opfern hat dieser Krieg bereits gefordert – und es ist kein Ende dieser schrecklichen Kampfhandlungen in Sicht, töten und ermorden sich Menschen in den Uniformen des jeweiligen befohlenen Mordens (in/zu den traditionellen tragischen Vorhandenheiten) ohne die jeweils kollektiven Besichtigungen der gemeinsamen Mitmenschlichkeiten – wie dadurch auch eine Friedensermöglichung sich kaum vorstellbar aufzeigen könnte: der gegenseitige Hass hat jetzt seinen Höhepunkt erreicht und wird durch die Fortsetzung der Kämpfe nur noch mehr Hass erbringen…
Es wird allerhöchste Zeit, dass nun die Weltmächte diese Region zur Friedlichkeit zwingen könnten, damit gleichzeitig eine für beide Seiten der Gegnerschaften akzeptable Vereinbarung für die Zukunft aufweisen und sogar anweisen plus einer von der UNO abgesicherten Demarkationslinie auf absehbare Zeitverfügbarkeit… Gleichzeitig könnte mit dieser Friedenslösung evtl. sogar die russische-ukrainische Kriegs-Konfrontation zu einem Waffenstillstand und darauffolgenden Vereinbarungen führen – somit hätten beide Kriegsparteien (wie auch der Diktator Putin) in einem derartigen jeweiligen Kriegsgeschehen die Verhandlungsmöglichkeit mit offenem Visier zur Wahrung des jeweiligen (so konzipierten) „Gesichtsverlustes“ – anders besehen: kommt ein Diktator nicht aus dieser Zwangslage heraus, kann damit sogar noch eine relative Einsicht vorzeigen: denn beide Völker in dieser engen „verwandtschaftlichen-sprachlichen-kulturellen-religiösen“ Verbindung können und dürfen nicht auf Dauer auch ihre doch sehr menschlich nahen Gemeinsamkeiten zerstören… Dieser Krieg muss dringendst in eine Befriedung bzw. Friedensbereitschaft auf beiden Seiten sich verändern, wobei wohl zum wahren Frieden erst wieder über Generationen hinweg: dann sich mit der Zeit die Wunden vernarben lassen! Wir Menschen sind in uns auch leider: aggressive Tiere – die es immer wieder zu zähmen gilt!
Wahrhaft besichtigbar: sind jedoch die Trennungen zwischen Juden und Muslimen schon durch die Religionen zudem kaum verbindend überbrückbar, von Menschenillusionen vergötterte Götter bzw. „Gott mit/gegen Gott“ sind nicht austauschbar aus den Begründungen und Beglaubigungen zu der absoluten Ausschließlichkeit des jeweils nur einen (phantasiert-vorstellbaren) Gottes… Wird die Landentnahme/Landübernahme (um es so euphemistisch zu formulieren) durch den einseitig (die Palästinenser haben die UNO-Resolution der Staatsgründung Israels von 1948 nicht anerkannt) gegründeten Staat Israel: für alle Zeiten das Problem dieser beiden Völker (und der Araber – auch als Ummah) insgesamt sein – doch sollten sich diese Konfliktseiten auch ein Deutschland vorstellen können: dass nach dem verlorenen II. Weltkrieg etwa ein Drittel seines früheren Staatsgebietes (zur Kapitulation und den Folgekonsequenzen) weggenommen bekam, und hierbei sicherlich kein Revanchismus mehr in den Köpfen und Sinnen der Mehrheit der Deutschen sich vorfindet… Auch dieser Gebietsverlust und die Vertreibung aus diesen Heimaten von über 14 Millionen Deutschen war lange Zeit das Trauma der Vertriebenen und des gesamten deutschen Volkes – unabhängig von der kollektiven Schuld an diesem Geschehen eines Hitlerschen Größenwahns und seines mörderischen Vernichtungswillens…
Der Zionismus hat bereits seine antiken Wurzeln durch die Vertreibungen der Juden ins Babylonische Exil und späterhin dann die Aufstände und Kriege gegen die römische Besatzung in Judäa (66-70) und dabei auch die Zerstörung des zweiten Jerusalemer Tempels – und der Umbenennung Judäas durch das Römische Imperium in die Provinz Syria Palaestina. Die Juden in der Diaspora sehnten sich in ihrer Verinnerlichung und biblischen Sehnsucht nach dem „gelobten Land“ (Eretz Israel) – und immer wieder kam es zu den Vertreibungen der Juden: ob aus Spanien, Portugal (des 15. Jahrhunderts) oder auch selektiv in den deutschen Landen bis ins 18. Jahrhundert hinein… Somit war es dann in der letzten Konsequenz durch den Holocaust der wahnsinnigen Nazi-Verbrechen: eine notwendige Selbstschutzfunktion, sich ein eigenes (ehemaliges) Territorium zu finden, einen jüdischen Staat (dort) aufzubauen – vorangegangen war im Sommer 1882 die Begründung der Siedlung Rischon-le-Zion durch junge jüdische Studenten in Palästina (noch unter der Besatzung der dortigen Osmanen-Türken). Der deutsch-jüdische Theo Herzl (1860-1904) mit all diesen zuvor historischen Tragiken des verfolgten Judentums, seelisch belastet, schrieb das Buch „Der Judenstaat“ und damit/darin aufgezeigt: dies als einzigen möglichen Ausweg, einen eigenen Staat zu begründen – denn selbst auch die anteilige Assimilationen der Juden in den verschiedenen Ländern: waren doch der deutlichste Beweis dafür, dass es ein Judentum in aller Freiheit des jüdischen-(religiösen) Selbstverständnisses und Selbstbewusstseins nicht geben kann, denn: Anpassung und hierbei notwendige Camouflage kann/konnte für den Fortbestand des Judentums keine verinnerlichte Lösung sein und somit stand für Herzl fest: „Der Zionismus fordert für das jüdische Volk die Schaffung einer öffentlich rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina – unserem Eretz Israel.
Masha Gessen als russisch-jüdische Intellektuelle (sie nun den Hannah Arendt-Preis „für politisches Denken“ verliehen bekam), die als 14-jährige mit den Eltern aus der Sowjetunion in die USA emigrierte (sie in DIE ZEIT antwortete: dass „der Antisemitismus zur sowjetischen Staatspolitik gehörte“) und dann mit 15 Jahren nach Tel Aviv auswanderte, antwortet auf die Frage von Peter Neumann: „Haben Sie sich nach Israel gesehnt?“ – „Wir erhielten ein Ausreisevisum für die USA. Aber ich beschloss mit 15 Jahren, nach Israel zu gehen. Ich wohnte bei der besten Freundin meines verstorbenen Großvaters in einem Vorort von Tel Aviv. Sie hatte es 1948 geschafft, nach Palästina zu gelangen, und gehörte also zu den ersten Siedlern…“ Und des Weiteren beschreibt Masha Gessen in DIE ZEIT: „Wir gingen an den Strand, und da stand ein magerer Junge in meinem Alter am Rand des Wassers, und ihre freundliche und zugewandte Art verwandelte sich auf einmal, sie verzog das Gesicht und sagte: Das sind Tiere. Ich habe lange gebraucht, um das zu verstehen. Aber nach dieser Szene am Strand habe ich es überall gesehen: Der antipalästinensische Rassismus und auch der antisephardische Rassismus, also die Diskriminierung von nordafrikanischen und vorderasiatischen Juden, waren damals schon deutlich zu erkennen. Das hat mein Bild von Israel nachhaltig verändert.“ DIE ZEIT durch Peter Neumann antwortet: „Auch Hanna Arendt gehörte zu den frühen Kritikern Israels – und ist bis heute dafür umstritten. Sie warnte schon früh davor, einen rein jüdischen Staat in Palästina zu gründen und damit die arabische Bevölkerung auszugrenzen. In einem offenen Brief, den sie mit Albert Einstein und anderen jüdischen Intellektuellen 1948 verfasste, verglich sie die israelische Freiheitspartei sogar mit den Nazis. Und man fragt sich: wie bitte?“ Masha Gessen gegenantwortet: „Viele große jüdische Denker, die den Holocaust überlebten, haben nach dem Krieg direkte Vergleiche mit den Nazis gezogen. Es war für sie wesentlicher Bestandteil des Projektes „Nie wieder“.
Masha Gessen zeigt also keine programmatische Einseitigkeit in Bezug auf das Land Israel, sieht die komplizierten Gegensätzlichkeiten auch aus der Sicht der Palästinenser – und hat dennoch oder dadurch erst im Überblick einen wesentlichen Bezug auf das politische Zukunftsbild in dieser Zeit, weist auf die mögliche Wahl des Donald Trump zum Präsidenten der USA und den Folgen auch für Europa in Bezug auf die Ukraine und Russland – wenn sie in DIE ZEIT feststellt: „Es gibt in der Ukraine die Erwartung einer gewissen Gerechtigkeit nach dem Krieg. Dazu gehören Sicherheitsgarantien aus dem Westen, die Wiedergutmachung für den von Russland verursachten Schaden und eine strafrechtliche Verfolgung der russischen Kriegsverbrecher – ein internationales Tribunal, unter welcher Schirmherrschaft dann auch immer, zustande kommt, geht mit dem Krieg im Nahen Osten gegen null. Mit dem Ende des Ukraine-Krieges wird das Fehlen jeglicher universellen Standards sichtbar werden.“  In der Verdeutlichung des Bedenkens zu diesem ZEIT-Artikel von Peter Neumann in der Befragung gegenüber Masha Gessen, wird leider nur zu konkret erkennbar: dass es in der absehbaren Zukunft keinen Frieden zwischen dem Staat Israel und den Palästinensern geben könnte, ansonsten hätte doch Masha Gessen aus ihrer intellektuellen Übersicht hierzu und hierbei wesentlichen Rat in DIE ZEIT vermitteln können – der aber blieb leider aus und nurmehr der Abschluss des Interviews lässt einem die persönlichen Gedanken weiterhin noch mehr verdunkeln, wenn Masha Gessen feststellt: „Es sind dunkle Zeiten, in denen wir leben. Und ich denke in letzter Zeit häufig daran, wie viel Glück Hanna Arendt hatte, die letzten 30 Jahre ihres Lebens nicht in solchen dunklen Zeiten zu leben. Und ich hoffe; dass ich genauso viel Glück habe. Aber dafür muss ich länger leben.“
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld


Leserbriefe zu „Es gibt keinen Plan, keine Idee für die Integration“. Gespräch mit Aladin El-Mafaalani geführt von Jeannette Otto

Mit Ihrem Interview haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Ja, es stimmt; es ging in den letzten Jahren nur immer um Masse, nie um Qualität. Als ehemaliger Schulleiter einer Haupt- und Realschule in Ganztagsform in Hamburg kann ich nur bestätigen, was Ihr Interviewpartner sagte. Unsere Schule wurde offiziell als Ganztagsschule seit 1994 geführt und zu Beginn mit 240 Lehrerstunden für den Ganztagsbereich bei knapp 500 Schülern ausstaffiert. Um in Hamburg den Ganztagsbetrieb auch an anderen Schulen in den 2000er Jahren zu ermöglichen, mussten wir bei gleicher Schülerzahl 180 Stunden wieder abgeben. Unser Integrationscurriculum ließ sich nun nicht mehr aufrechterhalten, externe Kräfte kamen hinzu, die den Kindern nachmittags ein umfangreiches Kursangebot boten, aber nicht ausreichend auf die Besonderheiten des einen oder anderen Schülers eingehen konnten. Gezielte Fördermöglichkeiten wurden nahezu komplett gestrichen. So wurden Ganztagsschulen zwar in der Fläche angeboten, pädagogische Konzepte aber total über den Haufen geworfen und Ganztagsschulen eröffnet, die eigentlich nicht diesen Namen tragen dürften. Die Verzahnung des Unterrichts vom Vormittag mit dem des Nachmittags konnte nur noch in Ausnahmefällen fortgeführt werden. Die erarbeitete Zusammenarbeit mit Vereinen und Stadtteilorganisationen war kaum noch möglich, weil nicht mehr genügend Lehrerstunden vorhanden waren. Wir müssen uns also nicht wundern, dass sich die Leistungen der Schülerschaft nicht so entwickelt haben, wie es unsere Politiker wünschen. Wann stellt man den Schulen die Mittel zur Verfügung, die sie verdienen, so dass sie nicht immer nur den Mangel verwalten müssen?
Wolfgang Deppe-Schwittay

Danke für das Interview!!! Als langjähriger Pädagoge habe ich eine dringende Bitte an DIE ZEIT… Bitte fordern Sie immer wieder die Politik auf, endlich Verantwortung für die Kinder in Kitas und Schulen zu übernehmen und endlich an die Bildung junger Menschen zu denken; sie müssen die Zukunft gestalten!!
Klaus Busch

Herr El-Mafaalani hat Recht: Die Bildungssysteme Kita und Grundschule werden ihrem Bildungsauftrag nicht gerecht und versagen häufig bei Kindern, die nicht Deutsch sprechen. Immerhin wissen Erzieherinnen, wie Sprachförderung erfolgen kann, und Lehrerinnen und Lehrer an der Grundschule, wie Lese- und Schreibkompetenzen vermittelt werden. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die als Quereinsteiger den weiterführenden Schulen zugewiesen werden, ist die Lage noch dramatischer, denn den dort tätigen Lehrkräften fehlen diese Qualifikationen. Und katastrophal ist die Situation für die Schülerinnen, die im Herkunftsland keine Schule besuchen konnten und nun damit konfrontiert sind, lesen und schreiben lernen zu müssen in einer Sprache, die sie sich erst aneignen. In vielen Fortbildungsveranstaltungen erlebe ich Lehrkräfte, die sich mit Engagement auf diese neue Herausforderung vorbereiten. Doch gibt es vielerorts weder pädagogische Konzepte, qualifizierte Lehrkräfte oder ausreichend Zeit zum Lernen. Wir erleben ein Versagen der Bildungspolitik mit fatalen Folgen für Integration, Berufstätigkeit und Partizipation.
Peter Hubertus


Leserbriefe zu „Sie shoppen so hart“ von Moritz von Uslar

Als ich als junger Sozialarbeiter Anfang der achtziger Jahre im Rahmen einer Studienfahrt in Zürich weilte, hatte ich eine andere Perspektive auf die Stadt. Damals war überall zu lesen: „Züri brinnt!“. Bei der Jugendrevolte, bei der es u.a. um die mögliche Schließung eines Jugendzentrums ging, wurde mit harten Bandagen gekämpft. Ich habe selbst erlebt, wie die Polizei eine Demo mit Rauchgas und Wasserwerfer auflöste. Ja, die Schweitzer wussten schon, wie man den Anfängen von Selbstbestimmung und Kapitalismuskritik begegnen musste. Die Superreichen von heute sind nicht mehr diskret, sondern treten auf wie Prolle, sie wollen alles kaufen, hauptsächlich anerkannt teuer! Ja, wer braucht denn diesen Dekomüll?! Ich vermute, dies sind auch Panikkäufe angesichts des augenblicklichen „Weltzustandes“. Ich rate eher zum Bau eines Safe-Raumes in den Schweitzer Alpen für die gekauften Teile. Auf jeden Fall beschreibt der Artikel ein obszönes Szenario, unberührt von der Angst und dem realen Konsumverzicht für die meisten Erdbewohner! Ich bitte darum: Die ZEIT darf schon ein wenig kritischer sein (trotz der Luxusartikel-Anzeigen).
Helmut Sauler

„Widele, wedele hinterm Städtele hält der Bettelmann Hochzeit…“ – Warum funktioniert das abnorme Ding mit dem Luxus auf hochpreisigster Höhe (mit für Normalanwesende auf diesem Planeten – zu unvorstellbaren Summen) zu den realen Vorhandenheiten – wenn z.B. beim Aldi (oder „Lidl“ oder „Netto“ usw. in Supermärkten) schon eine Flasche vom Weingutbesitzer Jauch (welch ein deliziöser Name für einen Wein) letztlich über dem Preis von 5 Euro des Normaleinkaufes: sich dieser Wein als „höherwertig“ anpreist (und wie Blei in den Regalen lag): und dann liest man im „SIE SHOPPEN SO HART“ vom Zürich-Besucher Moritz von Uslar auf der Bahnhofstraße, dass eine Flasche Wein dort auch mal 25.000 Euro kosten darf, und tatsächlich dieser Wein auch degustiert oder auch schonmal ausgesoffen wird – je nach Laune eines reichen Proleten oder fürnehmer (sogar vornehmer) Kennerschaft: der Preis spielt dabei keine Rolle vorwärts oder rückwärts: ( – und somit: als in de Hals nei…). Wahrlich ich sage Euch: in einem Rolls Royce oder Bentley sind die Depressionen des Reichseins erträglicher als in der Straßenbahn/Eisenbahn zwischen all den Menschen, die morgens zur Arbeit zu Massen mit leeren Gesichtern sich als „die Sklaven der Moderne“ abrackern, um an ihren Monatslohn zu kommen: der knapp ausreicht, damit die hohe Miete und andere Verpflichtungen und Restmöglichkeiten bezahlt werden können…
So besehen und wahrhaftig nur so mitbesichtigbar: hat Moritz von Uslar mit seinem Züricher Freund (als kenntnisreicher und bekennender Begleiter) nicht nur zwischen den Zeilen: eher doch wohl auch ironisch-un/vertraulich von diesem Luxuszirkus auf der Zürcher Bahnhofstraße, rührend „aufrührerisch“ berichtet… Und es könnte dieses Aufzeigen von Luxuswahn durchaus dazu mit aufheizen, dass in der Ansammlung von den stets vorhandenen Gegenentwürfen, es zum Revolutiönchen im Volke (nicht im Schweizerischen natürlich) zu kommen vermöge… Deutschland aber hat auch solche Prachtmeilen anzubieten – wo sich das billig gehaltene Volk die Nasen plattdrückt an den Schaufenstern der Luxuswaren, sich all den Luxus-Hokuspokus nicht und niemals leisten kann; und dann glauben diese Abgehobenen mit Kohle auch noch, dass ihnen die Welt gehört, sie sich ja alles kaufen könn(t)en, und die Menschen dazu: die doch leider so devot vor dem Reichtum niederknien, sich hierzu anbiedern und katzbuckeln, ängstlich sind vor den Besitzern ihrer Arbeitsplätze… „Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing!“ – nichts hat sich geändert seit den arroganten Adelszeiten, nurmehr aber wird nicht mehr genau erkennbar: wer letztlich die Feinde des Volkes sind: was früher eindeutig zu jener „von-und-zu“-elitären Schicht verdeutlicht wurde… Die Französische Revolution hatte mit dieser jahrtausendealten adeligen Unterdrückung (vorerst) aufgeräumt – und anderswo (auch in Deutschland) wurde plagiatorisch ebenfalls wenig effizient: Revolutiönchen gespielt… Gleichwohl erkennbar – wenn ein dressiertes und manipuliertes Volk wie das der Deutschen beim Stoppschild „Rasen betreten: Verboten!“ sich aufhalten und anhalten lässt – wird dies auch in der Zukunft keine gleichheitlicheren Veränderungen bringen…“ Friede den Palästen – Krieg den Hütten“: – Hört also bloß nicht auf den Büchner Georg!
Moritz von Uslar zählt einige Luxusprachtstraßen mit all den Luxusgeschäften auf, neben Zürichs Bahnhofstraße: „…die Pariser Champs-Élysées, die New Bond Street in London, die Via Montenapoleone in Mailand – wohlvermerkt: jene eine der bekanntesten Einkaufsstraßen Europas, ein Sinnbild für Exklusivität, Eleganz und Tradition, natürlich auch ein Zentrum der Banken…“  Nicht zu vergessen: „Singapur und Dubai. Du lieber Himmel, ja.“ Wir Lesenden entdecken nun auch in der zweiseitigen Euphorie in DIE ZEIT: den Namen der 28.500 Euro Weinflasche: ein Jahrgangs-Romanée Conti Grand Cru von 2017 (was: so jung noch ist dieser Wein und doch schon so preiswert?) – ach was solls: saufen wir ihn doch aus und legen dann noch mal eben 225.000 Fränkli für ein exclusives designtes Schuhpaar (Einzelanfertigung selbstverständlich, garantiert ohne Double) auf den Tisch bzw. zücken die Platinkarte ganz nebenbei für diese Latschen hineinverstaut in einen LV-Monogramm-Koffer in Orange – direkt weggekauft aus der Glasvitrine aus dem Schaufenster in der Bahnhofstraße in Zürich. Uhrenhändler der hochpreisigen Marken haben kein Problem: da mal auf die Schnelle Armbanduhren für über 250.000 Franken bis über eine Million Fränkli an den Mann oder die Frau zu bringen. Im Familienverbund kaufen reich(st)e Araber aus Saudi-Arabien oder den Emiraten gleichmal auch die gesamte Kollektion auf, alles einpacken und dann rein in die zwei Bentleys, die begleitend langsam nebenherfahren plus der Leibwächter gegen die Gefahren von vielleicht Schweizer Bürgern, die evtl. lange Finger bekommen wollten…
Doch das ist in dieser Schweiz kaum vorstellbar – wo doch das Finanzgeld der Welt dort immer noch gehortet wird (auch wenn das (reduzierte) Bankgeheimnis scheinbar nur noch zu Geheimverhandlungen verändert wurde: Geld spielt keine Geige – hier wird orchestriert bis in die schrillsten Töne des Reichtums… Man kann sich das eigentlich nicht vorstellen: da stehen Schlangen von fein drapierten Frauen oder Damen oder Dämchen vor den Luxus-Boutiquen, beinahe geduldig: um an ihre Luxusbeute zu kommen – und der Security-Mann öffnet nur für jeweils zwei Kundinnen die Pforten in diese Luxuswelt der Luxusweibchen… Ganz sicher aber ist sich der Leserbriefschreiber: dass die absolute Haute volée dort nicht ansteht (das diesbezügliche Sehen-und-Gesehen-werden so nicht benötigt), sie per kurzem Anruf sofort ihre Wünsche sich erfüllen lassen können! Oder die Glitzerchose wird z.B. ins Luxushotel Baur au Lac hinüber: dann persönlich vorgeführt – und bei Gefallen komplett vielleicht sogar: gelangweilt übernommen… Wie schon hinzugedeutet: Geld spielt keine Rolle! Wie sagte schon Oscar Wilde (1854-1900): „Man versehe mich mit Luxus, auf alles Notwendige kann ich verzichten.“
Endlos könnte über den Kapitalismus in Hochfrequenz getratscht werden – nichts wird sich verändern: dass die Träume (als Schäume) der dressierten und manipulierten Menschenmassen in diesem System doch dazu hintendieren: irgendwann vielleicht ebenfalls dort hochkarätig mit viel Geld dann mitspielen zu können… Und das ist schließlich der Überlebens-Trick dieses Systems: die einzelnen Menschen des Volkes glauben zu lassen: dass auch bei ihnen eines Tages das Geld in Strömen fließen wird… Es ist wie mit den Religionen im übertragenen Sinne der irdischen und himmlischen Besinnungslosigkeiten – „Everybody wants to go to heaven, but nobody wants to die…“ Somit sei Moritz von Uslar in diesem grandiosen fast (für die Wenigen realistischen) wunschlos glücklichen ZEIT-Artikel, gedankt: dass er uns zur Weihnachtszeit kurz vor der Bescherung, solche schönen-luxuriösen Verschenkmöglichkeiten angeboten hat und uns vorbereitete: endlich die Scheine locker in Zürich rauszuhauen und dem Luxus zu frönen… Welch ein luxuriöser Traum unter dem Weihnachtsbaum.
Ein Concierge, der vom Autor befragt wurde, äußert sich ohne Namensnennung(en): Originalzitat: Große Freude beim Concierge bei der Frage, ob sich mit dem Ukraine-Krieg die Zahl der Russen auf der Zürcher Bahnhofstraße merklich verringert habe: „O nein, es kämen so viele wie eh und je, sie hießen nur jetzt anders. Die Russen checken mit aserbaidschanischen Pässen ein, die Tschetschenen mit georgischen Pässen. Ein Herr Sergej Leskow heißt jetzt eben Leskovoglu.“ Weiter ein wenig Völkerkunde mit dem Insider von der Bahnhofstraße: „Die Türken seien stark im Kommen, natürlich die Chinesen, ganz stark auch eine wohlhabende Kundschaft aus Aserbaidschan (Erdöl). Unter den Gästen seien für ihn als Hotelangestellten: die Katarer am leichtesten zu nehmen – tendenziell kultiviert, höflich, unaggressiv, unprollig, respektvoll im Umgang mit Frauen („Die Ehefrau eines Katarers darf mit einem Portier reden, es dürfen Witze gemacht werden“). Die Klischee-Araber seien aus seiner Sicht natürlich die Saudis: laut, anmaßend, unwirklich reich, extrem anspruchsvoll.“ Und dann bricht sich beim Concierge doch so etwas wie ein tiefer, wahrer Weltschmerz über die Zustände auf der Bahnhofstraße Bahn – es kommt das alles trotzdem nicht ohne ein amüsiertes Lächeln: „Sie shoppen. Sie shoppen so hart. Sie shoppen wie die Verrückten!“ Eigenartig aber – Moritz von Uslar hat nichts über der reichen Deutschen luxuriösen Einkaufsgewohnheiten dort in Zurück preisgegeben. Womöglich fehlte ihm da die Traute zu dieser deutschen Haute Volaute?
Nicht nur nebenbei: Ein deutscher Bekannter des RvM-Leserbriefschreibers hatte ganz zufällig ein Konto in der Schweiz geerbt und es nicht beim Fiskus in Deutschland angemeldet. Einige Jahre später hatte ein Angestellter dieser Bank eine Diskette an das Baden-Württembergische Finanzamt verkauft – und dabei wurde er unter Hunderten von Kontoinhabern (aus Deutschland) ebenfalls an die Kandare genommen, musste alle Steuerschulden (auch die der Kontovorbesitzerin, der an ihn Vererbenden) nachbezahlen: und ist dabei letztlich verarmt… So kann es einen erwischen, wenn man in Zürich (und dort existiert diese Bank) zuvor doch noch vom Direktor gewarnt wurde: „Heben Sie ihr gesamtes Geld ab! Die Zeiten sind gefährlich geworden!“ Scheiß drauf? Pecunia non olet – der Staat schmeißt die Milliarden raus und muss sie sich irgendwoher dann doch wieder reinholen auf leisen Sohlen… Die Superreichen aber zahlen kaum Steuern (oder ist das ein Klischee?) – denn schließlich hat doch das Volk für die Reichen insgesamt aufzukommen: denn woher sonst sollte denn der Reichtum herkommen… Schließlich muss doch all dieser Luxus finanziert werden – auf Kosten der anderen „natürlich“! Somit: dennoch frohe Weihnachten fürs gemeine Volk – auch ohne auf der Bahnhofstraße in Zürich hemmungslos eingekauft zu haben! Und letztlich oder letztendlich noch das Fazit oder Resümee aus all dieser reichhaltigen Besichtigbarkeit des glänzenden Luxuslebens: „Lieber doch reich und gesund als arm und krank!“ Moritz von Uslars sehr lesenswerter Artikel bestätigt dieses Motto – und geldärmere Leute: spielt Lotto – aber ohne pars pro toto…
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld


Leserbriefe zu „Im Osten ein Licht“ von Olivia Kortas

Ist das ein Licht auf den Tannenspitzen oder gar am Ende des Tunnels. Aber hoffentlich nicht der entgegenkommende Zug. Die Vereinigung von Staaten als Europäische Union lässt sich in diesen Tagen wieder mal von Viktor Orban dem ungarischen Regierungschef auf der Nase tanzen und/oder am Nasenring durch die Arena führen. Einer von 27 blockiert die Entscheidung für eine Milliardenhilfe für die Ukraine. Mit einer einmaligen Chuzpe erpresst Orban die EU und macht seine Zustimmung von der Freigabe der eingefrorenen Mittel für sein Land abhängig. Ohne im Geringsten den Abbau der Demokratie in Ungarn umkehren zu wollen. Die letzten Wahlen in Polen könnten eine Blaupause für Ungarn sein. In Polen haben die Wähler gegen eine Aushöhlung der Demokratie durch die bisherige PiS-Partei gestimmt. Donald Tusk hat im eigenen Land viele brisante Baustellen (Sozialstaat, Migration, Abtreibung, Schulreform und Justiz, um nur die wichtigsten zu nennen). Wieviel Zeit und Kraft bleibt, um das verlorene Vertrauen in und für die EU zurückzugewinnen? Allein die Tatsache das nun in Polen eine Wiederherstellung der Demokratie in Gang kommt macht Hoffnung.
Felix Bicker

Ein seltsames Demokratieverständnis zeigt auf der Titelseite der ZEIT die Autorin Olivia Kortas: Wenn ein durch ein demokratisch gewähltes Parlament mit Mehrheit beschlossene Gesetze nicht in ihr Weltbild passt, muss die neue Mehrheit sogenannte „undemokratische“ Gesetze, Regelungen wieder ändern. Was dabei an den durch den Souverän gewählten Mehrheiten im Parlament undemokratisch gewesen sei, bleibt die Autorin schuldig. Dass jetzt durch die Wahl in Polen eine andere Regierung vom Volk gewollt ist und eine Mehrheit hat, ist eine demokratisch mögliche Änderung und im Sinne der Demokratie bei jeder Wahl möglich. Ich kann da die Kassandra-Rufe, die „endlich erlöste“ Gesellschaft nicht verstehen. Auch wenn manchen bei uns die Beschlüsse in anderen Ländern der EU nicht in ihr Weltbild passen, sind die europäischen Parlamente nicht durch Putsch oder Diktatur entstanden, sondern von freien Bürgern und Bürgerinnen gewählt worden, und die Mitglieder der Parlamente frei, eine Regierung durch Mehrheitsbeschluss zu bestimmen, ob deren Beschlüsse nun deutschen Journalisten und -innen passen oder nicht. So what?
Alois Lienhard


Leserbriefe zu „Der Teufel schießt immer auf den größten Haufen“ von Oliver Fritsch und Jonas Schulze Pals

Der Superliga-Streit ist primär ein Wirtschaftskrieg um die Abschöpfung der garantierten Profite eines künstlich aufgeblähten Marktes. Es ist egal, wer da gewinnt – auch bei einer Superliga würden sich Strukturen zur Machtsicherung bilden, die auf Dauer in die sportliche Langeweile führen. Echte Abwechslung bedarf des Aufbrechens solcher Strukturen, sodass sportlicher Erfolg nicht garantiert zusammengekauft werden kann, sondern prinzipiell jedem Verein offensteht, wenn Fleiß, Geschick, Begeisterung und eine Portion Glück zusammenkommen. Der Staat könnte dazu Amateursport und kleine Vereine mit Profiambitionen fördern und sich gleichzeitig aus TV-Verwertungen zurückziehen. Dadurch würde der Markt nicht mehr künstlich verzerrt (Zeit NR. 22/2023 ‚Tore im Abseits‘), und interessante Spiele der geerdeten Spitzenvereine wären im Pay-TV oder in der Eckkneipe zu sehen. Regionalspiele wären hochklassiger und eine attraktive Alternative, die live im kleinen Stadion erlebt werden können.
Heinrich Stüve

Gerade habe ich zum Wochenausklang die neue ZEIT aufgeschlagen. Und was lese ich da? Der Teufel schießt immer auf den größten Haufen. Sind Sie da sicher? Mit welcher Waffe? Mir ist bekannt, dass er immer auf den größten Haufen SCHEISST. Das gäbe ja auch Sinn. Sollte diese Formulierung Absicht sein, so habe ich die Ironie dabei leider nicht verstanden.
Angelika Pabel


Leserbriefe zu „Meinungsfreiheit“ von Eva Menasse

Es ist ein Skandal, dass die deutsche Politik und die deutschen Medien Kritik an Israel überwiegend pauschal als Antisemitismus brandmarken. Sie stellen sich damit gegen die erdrückende Mehrheit jüdischer Intellektueller und die Hälfte der israelischen Bevölkerung. Sie machen sich gemein mit Trumpisten und Netanjahu, schaden Israel und vertiefen die Spaltung in Deutschland.“
Friedrich Curtius

Ich bin über das Niveau dieses Artikels entsetzt. Warum? Da wird ein Bezug zum Tennisspiel hergestellt und behauptet, Niederlagen seien demütigend bzw. würden als demütigend erlebt. Warum? Es ist doch nur ein Spiel oder geht es um etwas anderes? „Die Qual der Machtlosigkeit führe zu dem Wunsch nach einer reinweißen Moral resp. zu erhöhter Verbalaggression. Wo ist da der Zusammenhang? Meinungsunterschiede führten häufig (sic) zu Kontaktabbrüchen. Warum? Da ist die Rede von „Bedingungen für eine zivilisierte Debatte“, vom „freien Wort“ etc. Es wäre der Beginn eines zivilisierten Umgangs, wenn man Menschen, die sich nicht schuldig gemacht haben können, nicht mit einem Schuldvorwurf begegnet. Da ist die Rede von „Männern dieses Schlages“. Was für eine Wortwahl. „Die Frage sei, ob man versuchen will, zu einer Lösung beizutragen“. Eine Lösung ist nur möglich, wenn man zivilisiert miteinander umgeht bzw. kommuniziert, also bestimmte Regeln einhält, d. h. vor allem, den anderen nicht herabzusetzen, selbst dann, wenn der andere damit schon angefangen hat. Alles andere führt zu (unnötigen) Verhärtungen bei allen Beteiligten.
Gerd-Rüdiger Erdmann


Leserbriefe zu „Anna Mayr entdeckt: Rätsel-Migräne“

Ihr Text ist wie für mich geschrieben. Kaum starte ich die Lektüre, denk ich: Kenn ich. Bei dem Satz „Du kommst in einen Raum…“ spüre ich einen Fluchtreflex. Schlimmer noch als Rätsel: Intelligenztests. Da bleib ich lieber gleich bei Null.
Kurt Eimers

Der Artikel von Anna Mayr ist lustig, regt aber auch zum Nachdenken an: wie wichtig ist eigentlich logisches Denken? Bekanntlich gibt es ja Aufgaben, bei denen zu viel Logik irreführend ist: Zum Beispiel die Frage: Was unterscheidet die Buchstabenfolgen: A E F H I K L M … und B C D G J O P Q …? Logik-Experten würden da vielleicht scheitern. Analphabeten würden sofort sehen: die erste Folge enthält nur Buchstaben, die gerade Linien aufweisen. Aber wie steht es mit folgender Aufgabe: „Was ist nötig, damit die Menschheit noch lange gut fortbestehen kann?». Die sibirischen Schneeeulen sind vermutlich nicht geübt in Logik. Doch es gelingt ihnen, ihre Zukunft zu sichern, indem sie die Zahl ihrer Jungen (Anzahl, Abstände) ihren Ressourcen (zu 75 % Lemminge) anpassen. Die Hauskatzen hingegen vernichten alles Getier, das ihnen vor die Krallen kommt. Sie sind auf die Nachhaltigkeit dieser Futterquelle nicht angewiesen. Ähnlich das Verhalten der Menschen, die durch den technischen Fortschritt Zugriff bekommen haben auf fossile Ressourcen. Sie sind – allerdings nur kurzfristig – nicht auf eine intakte Natur angewiesen.
Aber die Menschen habe doch ihre Intelligenz, sie können doch logisch denken. Warum klappt das nicht? Dazu ein typisches Beispiel aus der Basler Zeitung vom 12.12.2023. Ich zitiere den Anfang des Artikels: «Herr Ali und seine Kinder; Ein Mann, drei Frauen, zwanzig Buben und Mädchen und die Familie Ali hat nicht viel mehr als eine Matratze und einen Schrank.» Die Familie liefert einen Beitrag dazu, dass Nigeria bald die drittgrößte Bevölkerung der Welt haben wird. Sie liefert aber auch ein Beitrag dazu, dass der Öko-Fußabdruck Afrikas (pro Person) sinkt. Nach üblicher Lesart steigt damit die Schuld Europas am Klimawandel. Allerdings ist dies entgegen aller Logik. Gäbs weltweit ähnliche Geburtenraten wie im Westen (z.B. in Südkorea unter 1, also Halbieren der Kopfzahl beim Generationenwechsel), dann wären die Folgen des Klimawandels beherrschbar. In der weltweiten Diskussion sollte demnach, auch im Bereich der Demographie, der kategorische Imperativ nach Kant maßgeblich sein, etwa: „Handle so, dass es eine gute Zukunft gäbe, wenn alle so handelten wie du“. Das betrifft den Konsum aber auch die Demographie.
Laut dem genannten Artikel ist Alis ältestes Kind 20 Jahre alt, das jüngste 10 Monate. Nur die älteste Tochter hat einen Schulabschluss, für die anderen Kinder reicht das Schulgeld nicht. Herr Ali betrachtet seine Kinder als Gottesgeschenk, das man nicht ablehnen kann. Als er seine vierte Frau heiratete, war er noch einigermaßen wohlhabend. Es war also nicht die Armut, die ihn zwingt, viele Kinder zu haben als Altersvorsorge. Später hat Boko Hama seine Existenz als Automechaniker fast vernichtet. Das Entstehen von Boko Hama ist übrigens auch eine Folge fehlender üblicher Perspektiven wegen zu hohen Geburtenraten. Eigentlich ist es ja eine Zumutung, hohe Geburtenraten, die zu einer Vernichtung von Existenzen und zur Zerstörung von Zukunftschance und Schlimmerem führen, als Geschenke Gottes zu sehen. Die hohen Raten sind auch eine Ursache des Kriegs im Nahen Osten. Sie bewirken auch dort hohe Jugendarbeitslosigkeit und damit den Mangel an normalen Perspektiven. Ersatz bietet Tunnel- und Raketenbau. Hohe Geburtenraten sind auch eine Ursache des Klimawandels. Denn steigender Bedarf an Lebensgrundlagen führt zum gesteigerten Abholzen von Urwald, zu Überweidung, zu Überfischung etc.
Auch Greta Thunberg tut sich schwer beim logischen Denken. Bereits in ihrem „Klima-Buch“ und nicht nur beim Nahost-Krieg ignoriert sie das Thema Demographie und konzentriert sich fast ausschließlich auf das Thema Öko-Fußabdruck. Das erzeugt ein falsches Bild auf eine wichtige Ursache des Wohlstands in Europa. Diese Ursache ist der Mangel an Ressourcen, der eine Anpassung der Geburtenrate notwendig machte. (Stichworte: Klöster, Heiratsverbot für Arme und Dienstboten, vgl. das Buch «Die Technik reicht nicht». BoD 2016).
Gernot Gwehenberger


Leserbriefe zu „Womit keiner rechnet“ von Marcus Rohwetter

Bei der Leistungsbeurteilung eines Mitarbeiters die Auszeiten von Raucherpausen einzurechnen, mag kleinlich erscheinen. Dennoch verursachen die deutlich höheren Fehlzeiten der Raucher und Ex-Raucher durch Krankheiten im Vergleich zu Nichtrauchern die Betriebskosten erheblich. Die sonstigen sozialen Kosten, u.a. im Gesundheitswesen, sind dabei noch nicht berücksichtigt. Vielleicht hilft die Diskriminierung von Rauchern am Arbeitsplatz auch manchem Raucher seine Gewohnheiten zu ändern. Er würde sich damit selbst den größten Dienst erweisen.
Michael Finger

Ich glaube nicht, dass es mir an Vertrauen oder gesundem Pragmatismus fehlt, aber dass Nichtraucher gegenüber Rauchern am Arbeitsplatz schlechter gestellt werden, finde ich ein Unding! Ich habe einmal in Hannover Zeitarbeit in einem Lager gemacht und als mir auffiel, wie oft die Raucher zusätzlich Pausen machen konnten (was Sie schreiben, kommt in etwa hin: etwa drei bis fünf Pausen à fünf Minuten pro Arbeitstag), ohne dass dies moniert wurde, habe ich meine eigene Pause um EINMAL fünf Minuten pro Tag verlängert. Und es kam genauso, wie ich es erwartet hatte: Nach etwa einer Woche rief mich der Chef, der mich eh auf dem Kieker hatte, ins Büro und sprach mich darauf an, woraufhin ich ihm meine Meinung wegen der Raucherpausen geigte, woraufhin er wiederum die Belegschaft versammelte (in erster Linie natürlich nur, um mich bloßzustellen), um diese Zusatzpausen einzuschränken. Statt mich auf dem Kieker zu haben, hätte er sich lieber mal um einen der Gabelstaplerfahrer kümmern sollen (Alkohol- oder anderweitiges Drogenproblem, war wohl nach eigener Auskunft auch schon im Gefängnis), der während einer Schicht mal mit voller Absicht eines der Regale umbretterte und meinte, mich einschüchtern zu müssen, damit ich nichts ausplaudere. Aber warum hätte ich einem derartigen Chef überhaupt was erzählen sollen? Interessant wäre es natürlich auch zu erfahren, ob den Artikel ein Raucher oder ein Nichtraucher geschrieben hat. Vom Tenor her vermute ich dahinter eher einen Raucher. DIE ZEIT ist eh sehr tabak- und alkoholfreundlich (beispielsweise die regelmäßige Cocktail-Kolumne, die mir sehr missfällt). Und Ersteres ist bei einem ehemaligen Kettenraucher als Herausgeber wohl auch nicht besonders verwunderlich.
Thomas Manthey


Leserbrief zu „Wie entsteht Frieden?“ von Jörn Leonhard

Was geschieht in den Köpfen? Neurologisch ist das Verhältnis Mensch & Natur eine „Shiftingbaseline“: d. h. der Mensch passt sich unbewusst an seine Bedingungen vom Ökosystem an. Unsere akkumulierten Kohlenstoffemissionen transformieren ein lebensfreundliches Holozän in ein risikoreiches Anthropozän: das bedeutet, dass die irdische Leistung vom Ökosystem sinkt. Lt. IPCC-Berichte sind mehrere Hundert Millionen Menschen vom Ökozid bedroht. Die sinkende Leistungsfähigkeit der Natur sollte auch einen Evolutionsdruck in den Köpfen auslösen. Denkbar sind nur drei Zukunftsszenarien:
Wir lösen das Mengenrelation in der Natur logistisch.
Wir reduzieren die Art, da 1 fehlt und 3 verhindert werden soll.
Wir sterben aus, da das Ökosystem kollabiert.
Wir praktizieren zunehmend Nr. 2! … In den Köpfen passiert wenig zu 1; sondern die Gedanken kreisen ergebnislos um 2! … Um es mit Michael Angelos Bild von Gottvater und Gottsohn zu illustrieren; wir verstehen den Schöpfungsfunke zwischen dem Nichts in der Vergangenheit und dem Nichts aus der Zukunft nicht. Und haben keinerlei Interesse eine dysfunktionale Währungsdefinition naturwissenschaftlichen Einsichten anzupassen!
Matthias Losert


Leserbrief zu „Single Bells“ von Heike Buchter

Eine kleine Anmerkung zu „A very Nutty Christmas“, dort übersetzt als „Sehr nussige Weihnachten“, bedeutet aber „verrückte Weihnachten“. „Nuts“ im amerikanischen Slang bedeutet „verrückt“. Zum Beispiel „You are nuts“ meint, Du bist verrückt.
Ernst Lothar Helwig


Leserbrief zu „Wenn der Herzinfarkt politisch wird“ von Jakob Simmank

Es erschüttert mich, dass in der ZEIT fragwürdig erscheinende politische Ziele von sogenannten Experten in Zweifel gezogen werden können, ihnen aber eine Anonymität zugebilligt wird.

Dieses ist die Förderung von Verantwortungslosigkeit und Scheinheiligkeit eines sowieso schon inflationären Expertenwesens. Eine Kaste, welche ja trotzdem gerne und ungeschoren vom politisch genährten Futtertrog profitieren wollen. Sachlich betrachtet die Frage, wie ich einen anonymisierten Expertenstreit verifizieren kann.
Jürgen Dressler


Leserbrief zu „Will ich kämpfen?“ von Carlotta Wald

Militärspiele für Frauen werden kaum dazu beitragen, das erforderliche Personal für die Bundeswehr zu gewinnen. Stattdessen wäre es sinnvoll, sachlich und parteiübergreifend die Anregung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nochmals intensiv zu diskutieren, ob eine allgemeine Dienstleistungspflicht für junge Männer und Frauen nicht doch sinnvoll ist. Diese sollte in Seniorenheimen, in Kliniken, bei den Rettungsdiensten und im Umweltschutz sowie auf Wunsch auch bei der Bundeswehr abgeleistet werden können. Bei der Truppe könnte – wie zu Zeiten der allgemeinen Wehrpflicht – bei einer freiwilligen Verpflichtung auf mindestens zwei Jahre bereits vom ersten Tag an Gehalt gezahlt werden. Und wer will, könnte bei seiner Tätigkeit, zivil oder im Militär, auch länger oder auf Dauer bleiben.
Hans Rentz


Leserbrief zu „Bier und Mikrochips“ von August Modersohn

Was soll der letzte Satz? Dass ein Scheitern der Ansiedlung von Intel in Sachsen-Anhalt nicht explizit an Haseloffs Engagement gelegen haben kann? Ich kenne ihn nicht persönlich, glaube aber, dass er diese Spitze nicht verdient hat. Ist das seriöser Journalismus?
Peter Scheibl


Leserbrief zu „Kein Versteck vor den Genossen“ von Heike Buchter und Max Hägler

In dem Artikel ist ein Fehler unterlaufen: Malcolm X war nie Mitglied der Black Panthers – geschweige denn “Black-Panther-Führer“, wie im Artikel bezeichnet – sondern der Nation of Islam.
Jan Müller


Leserbrief zu „Person of the year“ von Christine Lemke-Matwey

Gefühlt war das der siebte Artikel über Taylor Swift. Jetzt dauert es sicher nicht mehr lange und es gibt bald auch Starschnitte in der Zeit. Das wäre doch nur konsequent, oder?
Ute Szameitat


Leserbrief zu „Böses Kita-Blut“ von Jens Jessen

Meines Wissens werden Kindergärtnerinnen oder ihr männliches Pendant schon sehr lange als Erzieherinnen bzw. Erzieher bezeichnet.
Sibylle Metzger


Leserbrief zu „Ziel ist es, Angst zu verbreiten“. Gespräch mit Guido Steinberg geführt von Yassin Musharbash

Der IS und Al-Kaida sind Organisationen und Netzwerke. Sie planen und unterstützen Anschläge. Die andere Gefahr geht von den Muslimen aus, die ihren Weg „ins Paradies“ im „heiligen Krieg“ für den Islam gegen die „Ungläubigen“ sehen. Leider muss ich um Leib und Leben meiner Angehörigen und anderer unbeteiligter Bürger fürchten, wenn religiöse Muslime wahllos töten, um als Märtyrer ins Paradies zu kommen. Die Toten in deutschen, belgischen und französischen Städten mahnen.
R. Reiger


Leserbrief zu „Die Position: Wer eine Schule leitet, sollte nochmal an die Uni“ von Felicitas Thiel

Völlig zu Recht kritisieren Sie die fehlende Weiterbildung für Führungs- bzw. Leitungskräfte an den Schulen.  Der grundsätzliche Fehler liegt aber bereits im Beförderungssystem im Beruf des Lehrers: Man wird befördert aufgrund von Examensnoten und durch Qualifizierung im Unterrichten, also weil man besonders gut unterrichten kann. Auf der Beförderungsstelle muss man genau das, was man besonders gut kann, weniger tun, also weniger unterrichten. Und für die neue Aufgabe ist man nicht wirklich vorbereitet. Das bedeutet, dass man durch gute Leistungen im Unterrichten genau diese Tätigkeit einschränken kann, während im Umkehrschluss alle Lehrkräfte, die nicht durch guten Unterricht auffallen, bis zum Ruhestand vollen Unterricht erteilen müssen! Welch ein Widerspruch und Fehlleitung!!  Mein Beispiel: Nach sehr gutem 2. Staatsexamen, 20 Jahren Unterrichtstätigkeit einschließlich 18 Jahren Fachleiter (Erdkunde) am Studienseminar musste ich für die Bewerbung zum Schulleiter eine Lehrprobe im Fach Erdkunde vorführen und eine Fachkonferenz leiten. Eine „Vorbereitung“ auf die Tätigkeit als Schulleiter erfolgte in 3 oder 4 Wochenseminaren während des 1. Dienstjahres.
Artur Behr


Leserbrief zu „Über Gerechtigkeitslücken“ von Harald Martenstein im ZEIT Magazin

Das Lesen der ZEIT beginnt für mich mit der Kolumne von Herrn Martenstein, denn er hat das, was seinen zahlreichen Kritikern fehlt: Eine leichte Feder, mit der er den täglichen Irrsinn treffsicher aufspießt und als solchen entlarvt, ohne entnervende Verbissenheit. Jüngstes Glanzstück sind seine Betrachtungen zu der von den Jusos beklagten Gerechtigkeitslücke (Stichwort:  60.000 € für jeden, der 18 Jahre alt wird). Die nach Schließung dieser Lücke noch unzähligen fortbestehenden Ungerechtigkeiten des an sich ungerechten Lebens ließen sich nur durch die Abschaffung des Lebens selbst beseitigen. Martenstein glaubt, dass selbst die Jusos dieses Ansinnen nicht verfolgen würden. Ob er damit richtig liegt?
Uwe Reuter


Leserbrief zu „Zauberhafte Holzköpfe“ von Angelika Dietrich in ZEIT leo, die Seite für Kinder

Gut, ganz so wackelig wie Figuren die Augsburger Puppenkiste komm ich noch nicht daher, 75 Jahre ist ja bestimmt doch ein ganz schönes und stolzes Alter. Verstaubt oder altmodisch sind und waren diese Marionetten nie. Mick Jagger ist bereits 80 Jahre alt, sein Partner Keith Richards wird es bald und beide wollen auch nicht freiwillig von der Bühne runter, das haben sie mit den Holzfigürchen der Augsburger Puppenkiste gemeinsam. Ich hoffe, dass die Augsburger und die Stones noch länger für uns dort oben auf der Bühne spielen werden!
Klaus P. Jaworek


Leserbrief zu „OHNE STROM. Spitzmaschine von Caran d‘Ache“ von Mirko Borsche im ZEIT Magazin

Die von Ihnen vorgestellte Maschine ist keineswegs eine Neuheit. Bereits in den 50er- und 60er-Jahren habe ich als Kind mit einer derartigen Maschine aus dunkelgrünem Bakelit zuhause meine Stifte gespitzt. Ich bin allerdings sich, dass er, entschuldigen Sie meine Umrechnung, keineswegs 400 DM gekostet haben wird. Diese Maschine mochte ich sehr.
Erika Simmat


Leserbrief zu „Was ich gern früher gewusst hätte“ von Keith Richards im ZEIT Magazin

Auch der Keith Richards wird langsam ein ältlicher Herr, aber auf der Bühne gibt er nach wie vor den Rocker. Einst als er unter einer Kokosnusspalme lange, wurde er von einer herabfallenden Kokosnuss am Kopf getroffen, aber auch davon hat er sich gut erholt. Die Restrampe Jagger & Richards wollen es nochmals wissen, vielleicht zum (aller)letzten Mal, aber wer weiß das schon so genau. Das Geheimnis seiner langen Ehe heißt für ihn ganz einfach: Liebe ohne Wenn und Aber! „Time is on my side“, das war für die Stones im Jahr 1964 ein Millionenseller, der aber nicht aus ihrer Feder stammt; der Songwriter war ein gewisser Jerry Ragovoy. „Du wirst zurück gerannt kommen, denn die Zeit ist auf meiner Seite“, so in etwa würde Mick Jagger singen, wenn er es auf Deutsch täte. Wie lange sie noch Zeit zum Touren haben, das kann uns nur die Zeit zeigen!
Klaus P. Jaworek


Leserbrief zu „Prüfers Töchter“ „Ich habe jetzt ein Tattoo“ von Tillmann Prüfer im ZEIT Magazin

Por Dios Lotta, Sie haben sich in Paraguay ein Tattoo stechen lassen zusammen mit Ihren Freundinnen. Also lieber ein Tattoo als Sozialdienst? Mussten Sie diesen Modetrend unbedingt mitmachen? Ich will gar nicht wissen welches Motiv oder wo die Stecherei sitzt an Ihrem Körper. Das ist Ihre Privatsache. Mich interessiert vielmehr wie groß, mehrfarbig oder im schlichten Blau-Violett. Denn eines Tages möchten Sie das Tattoo wieder weghaben. Da kommt Freude auf. Sprechen lassen ist eine Sache. Löschen eine andere. Ihr Körper ist keine Schultafel mit Kreide, wo ein Schwamm sein Werk tut. Das kann teuer werden und schmerzhaft sein und auch misslingen. Wer ein Tattoo haben will, muss leiden. Dann leiden Sie mal, mir tun Sie leid.
Hans-Emil Schuster