Jetzt bin ich also sechzig und es ist doch ein anderes Empfinden, als wenn man neunundfünfzig ist. Ich fühle mich eigentlich besser. Mein Umfeld sieht nun endlich ein, dass sie sich für mich bücken könnten, um mir Heruntergefallenes aufzuheben. Von einem Tag auf den anderen ist man ein alter Sack mit erheblichen Privilegien. Die nütze ich schamlos aus, um mit Nachdruck das zu treiben, was mich stark umtreibt.
Nach wie vor bin ich jeden Tag im Restaurant, und meine hauptsächliche Aufgabe dient der Qualitätskontrolle. Man sieht gewisse Dinge besser, wenn man nicht mit dem Kopf über der glühenden Pfanne hängt. Eine andere Segnung ist, dass ich mit fünf Stunden Schlaf prima klar komme, mein Nachbar genau so drauf ist, und sich freut, wenn ich morgens um sechs schon Trompete übe. Dann habe ich noch die Schreiberei und im Moment ist ein Buch für den Kindler Verlag in Arbeit, ein Roman mit vielen biografischen Anlehnungen und mit in der Küchenhölle wütenden Protagonisten.
Damit am freien Tag nicht der Trübsinn mich überwältigt, bin ich mit Freund Bebelaar unterwegs. Am Sonntag hatten wir in Esslingen, in den fast tausend Jahre alten Gemäuern der Sektkellerei Kessler, einen Riesenspaß, das Publikum notabene auch.
Spitzensekt gab es natürlich auch zu trinken. Mich hat das bewogen, neben dem Champagner nun auch deren Sekt (absolute Spitze) zum Aperitif glasweise anzubieten.