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Alter Sack mit Privilegien

Jetzt bin ich also sechzig und es ist doch ein anderes Empfinden, als wenn man neunundfünfzig ist. Ich fühle mich eigentlich besser. Mein Umfeld sieht nun endlich ein, dass sie sich für mich bücken könnten, um mir Heruntergefallenes aufzuheben. Von einem Tag auf den anderen ist man ein alter Sack mit erheblichen Privilegien. Die nütze ich schamlos aus, um mit Nachdruck das zu treiben, was mich stark umtreibt.
Nach wie vor bin ich jeden Tag im Restaurant, und meine hauptsächliche Aufgabe dient der Qualitätskontrolle. Man sieht gewisse Dinge besser, wenn man nicht mit dem Kopf über der glühenden Pfanne hängt. Eine andere Segnung ist, dass ich mit fünf Stunden Schlaf prima klar komme, mein Nachbar genau so drauf ist, und sich freut, wenn ich morgens um sechs schon Trompete übe. Dann habe ich noch die Schreiberei und im Moment ist ein Buch für den Kindler Verlag in Arbeit, ein Roman mit vielen biografischen Anlehnungen und mit in der Küchenhölle wütenden Protagonisten.

Damit am freien Tag nicht der Trübsinn mich überwältigt, bin ich mit Freund Bebelaar unterwegs. Am Sonntag hatten wir in Esslingen, in den fast tausend Jahre alten Gemäuern der Sektkellerei Kessler, einen Riesenspaß, das Publikum notabene auch.

Spitzensekt gab es natürlich auch zu trinken. Mich hat das bewogen, neben dem Champagner nun auch deren Sekt (absolute Spitze) zum Aperitif glasweise anzubieten.

 

Putti und Frutti im Luxushotel

Wem Gedichte zu langweilig sind, der hat noch nie eines von Peter Rühmkorf gelesen, was ich als wirkliche Bildungslücke ahnde.

Seine Tagebücher sind auch sehr lesenswert. Hier einige Gedanken zum Thema „Einrichtung“:

Jetzt Hotel „Intercontinental“ Frankfurt /M. Immer wieder zum Lachen dieses Edelpopulistische superpostmoderne Styling. Kackfarbenes Marmorgebälk als Fahrstuhleinfassung mit weißen Taubenschisseinsprengseln dekorativ verunreinigt. Das Meublement in den Suiten mit biedermeierlich verhaltenen Beschlägen, an den Wänden kolorierte Stiche mit Putti und Frutti, auf sterile Art anheimelnd.
aus: Ich habe Lust, im weiten Feld…, Wallstein Verlag

So, und ich gebe jetzt auch noch meinen Senf dazu:
Innenarchitekten, die solche Luxushotels ausstatten, sind natürlich nicht doof. Sie wissen was sie tun, und dies sicher öfter gegen ihre eigene Überzeugung. Sie kommen den Bedürfnissen und Vorstellungen der sogenannten höheren Stände nach. Früher nannte man das Großbürgertum und die Leute hatte auch eine gewisse Klasse. Heute sind das oft verpupste Kleinbürger mit viel Geld und dementsprechend opulent-kompensierenden Statussymbolen. Was natürlich nicht heißt, dass alle so sind. Nach wie vor gilt der Spruch: “Es ist schwer, ein Vermögen zu verdienen, noch schwerer ist es, dieses mit Anstand auszugeben!”

 

Jambalaya mit Wildschinken

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©Dieter Nagl/AFP/Getty Images

Vorab, um auf den Geschmack zu kommen – ein Rezept aus meinem neuen Kochbuch:

Zutaten:

200 g große Gemüsezwiebeln
3 Knoblauchzehen
1 kg Garnelen ohne Schale
50 g Butter
2 El Tomatenmark
1 Dose Schältomatenstücke 250g
1,2 l Hühnerbrühe
Salz
2 Tl Zucker
1/2-1 Tl Chilipulver
100 g Wildschwein-Speck in Scheiben
100 g Wildschinken in Scheiben
2 Rohesser/Pfefferbeißer vom Wild
400 g Möhren
100 g Reis
3 El Olivenöl
4 Hähnchenkeulen
1 Stange Lauch
3-4 Spritzer Tabasco

Zubereitung:

1. Zwiebeln und Knoblauch schälen und würfeln. Butter ein einem großen Topf schmelzen, die Zwiebeln und Knoblauchzehen darin glasig dünsten. Tomatenmark unterrühren und mit Tomatenwürfeln und Brühe auffüllen. Mit Salz, Zucker und Chilipulver würzen. Bei mittlerer Hitze offen 10 Minuten köcheln lassen. Dann den Fond durch ein Sieb gießen.

2. Speck und Schinken fein würfeln. Die Karotten schälen und ebenfalls fein würfeln. Alles zusammen mit dem Reis im Öl glasig dünsten. Die Hähnchenkeulen häuten, am Gelenk halbieren und zugeben. Mit der Hühnerbrühe aufgießen und zugedeckt bei mittlerer Hitze 25 Minuten kochen.

3. Lauch waschen, putzen und in feine Ringe schneiden. Alles zusammen mit den Garnelen und der fein geschnittenen Wurst zur Jambalaya geben. Nochmals aufkochen und kurz ziehen lassen. Mit Salz und Tabasco würzig abschmecken und servieren.

 

Wurst, Weihnachten, WEIN!

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Illustration: Nikolaus Heidelbach

Vielleicht haben Sie von den Büchern aus dem Dumont-Verlag, Wurst und Weihnachten, etwas gehört? Mit meinem Freund Wiglaf Droste zusammen schreiben wir so allerhand.

Ganz auf Weltniveau, sozusagen allerhand, bewegt sich allerdings der Dritte im Bunde. Der Maler/Zeichner Nikolaus Heidelbach ist eigentlich die Triebfeder der Bücher. Um uns beide in Schwung zu bringen reiste er gestern mit seiner Zeichenmappe an und servierte uns Kostproben. Das in Vorbereitung dräuende Buch bei Dumont hat den Titel Wein. Ganz und gar nicht wird das übliche Weingeschwafel drin stehen.

Das Bild zeigt natürlich nicht die Schaumgeborene der griechischen Mythologie sondern den Geist aus dem Glas.

 

Mit 2 Bodyguards unterwegs nach Hamburg

Sie hatten Angst ich ginge unterwegs verschütt. Links stützte mich meine psychologische Betreuerin des ARD-Buffets und rechts hielt mich der Chef des ARD-Buffets am Nasenring. Alles ging glatt, meine Gebete während des Flugs wurden erhört und wir landeten unter tosendem Beifall meinerseits. Superpilot. Trotz dichtem Nebel fand er die Landepiste. Das muss ihm erst mal einer nachmachen. In Hamburg gesellte sich noch mein Kollege vom ARD Buffet, der famose und tolle Koch Otto Koch hinzu.

Daheim sollte man die Bäume schneiden und ich treibe mich in Hamburg rum? Es musste einen besondern Grund haben und den verrate ich jetzt. Kurzum, es gibt im Buchhandel ein Buch mit DVD, das sich “Küchenkerle”nennt. Schönes Ding und es stehen viele Rezepte, Tricks und Tipps drin, die allesamt aus dem ARD-Buffet stammen. Wir waren in die Hansestadt gekommen, weil wir damit eine Goldenen DVD gewonnen hatten. Ich denke jeder zweite Haushalt hat dieses Werk im Regal stehen. Unglaublich!
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Die Schallplattenfirma Edel-Entertainement hatte uns eingeladen. Ich weiß jetzt nicht, ob diese Leute das Wörtchen “Edel” im Logo haben, weil sie edle Schallplatten oder DVD’s machen, oder weil sie ihre Akteure in edle Restaurants einladen. Jedenfalls, wir waren höchst edel im Restaurant Artisan im Schanzenviertel verklappt. Erst gab es allerdings Bündnerfleisch um ein Holzspießchen gewickelt und dann mit Schokolade überzogen. Mir stand der Angstschweiß auf der Stirn. Ich fürchte ja weder Tod noch Teufel, aber Experimentierküche macht mich fertig. Mamma mia, ich war auf alles gefasst. Die Menükarte kam und lass sich ebenso verdammt experimentell. Was dann aber kam war wirklich ganz wunderbar. Wir waren alle begeistert. Matjestartar mit Curryöl, liest sich ziemlich spacy, war aber total harmonisch und so kunstvoll abgewogen gewürzt, dass es sogar mit dem Sauvignon exzellent harmonierte. Mann, das war ein Ritt durch die Aromen, und ich gebe hier die Adresse wieder.

 

Häuptling Nr. 33 ist erschienen

Häuptling Nr. 33 kümmert sich um die Familie.

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Du meine Güte: 
Was sind Verwandte? Ungehörige Angehörige? Ist die Familie ausschließlich Kriegsschauplatz oder auch Hort des Glücks?

Dieses Heft gibt Antwort: Fanny Müller richtet Kartoffel- und Familiensalat an, auch Boni Koller und Wiglaf Droste schauen verwundert auf gut überlebte Familienfeiern zurück. Die phänomenale Kathy Lette hat Probleme mit ihrem Vater, Vincent Klink ging das nicht anders, und neben den Vätern walten die Mütter nicht minder folgenschwer. Sibylle Bergs Beitrag ist nichts für Suizid-Gefährdete und wird durch einige stabilisierende Rezepte abgefangen. F.W. Bernstein erledigt die “Neue deutsche Bratwurst“ des FAZ-Küchenbullen Jürgen Dollase, Oliver Schmitt verschleudert Präsente, und über allem schwebt die Frage, ob es nicht an Freiheitsberaub-ung grenzt, dass man sich seine Verwandten nicht aussuchen kann.

Gleich bestellen? 120 Seiten, keine Werbung, Zeichnungen vom Weltmeister Hans Traxler: 14.90 (2,00 € Porto)
redaktion@haeuptling-eigener-herd.de

 

Feine Küche 1839

Man liest sehr viel über die regionale Küche. Schaue ich mich in meinen Büchern um, die hundert Jahre vor der sogenannten Globalisierung geschrieben wurden, so waren die deutschen Regionalküchen alles andere als langweilig.

Heute denken wir über unsere Küche genauso begrenzt wie das Ausland: Sauerkraut, Schweinshaxen, Spätzle, deftig, deftig… wieder Kraut u.s.w.. Schaut man sich das Berliner Kochbuch von 1839 an, so findet man dort ein Fricassee von Tauben, Hecht mit Sardellen, Rouletten mit Farce gefüllt, oder grüne Birnen mit Schwemmklößen. Ich könnte jetzt noch eine Stunde lang Beispiele über die “karge preußische Küche” anführen, ganz zu schweigen von der Küche Süddeutschlands, die schon immer, bis zurück zu den Römern, von den Einflüssen Italiens und Frankreichs profitierte.

Was ich damit sagen will? Wir sollten uns vorsehen, die Regionalität genauso eng und doof zu sehen, wie sie im “1000 jährigen Reich” zum Eintopf zusammen gestampft wurde.
 

 

Journal Culinaire

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Heute ist das neue Journal Culinaire erschienen. Die Zeitschrift für Kultur und Wissenschaft des Essens beschäftigt sich diesmal mit dem Phänomen der Geschmacksbildung.

Man findet darin Beiträge, wie Geschmacksempfin- dungen im Hirn entstehen, die Rolle des Geruchs- sinns wird erörtert, Sinnesschulung für Kinder, ob Kochen wirklich Kunst ist, Gedanken zur Documenta und vieles mehr, findet man im Heft.

Besonders bedanke ich mich bei den Kollegen: Juan Amador, Thomas Bühner, Johannes King, bei der wundervollen Cornelia Poletto, bei Jörg Sackmann, bei Heinz Winkler und bei Kolja Kleeberg.

Nun, weiß man ja, dass ich immer wieder gegen modische Fürze und auch die Molekularküche wettere. Doch ich werde diesbezüglich oft missverstanden.

Die Kochkunst ist vielfältig und wie in der Kunst ist alles erlaubt. Alle Neuerungen bringen meinen Beruf weiter. Was sich rasant entwickelt ist nicht immer rundum von bleibendem Wert. Wichtig ist, dass es weiter geht, und dass Leute mit unterschiedlichsten Geschmacksvorstellungen auch ihren Napf finden. Die reine Lehre gibt es ohnehin nicht.

Es gibt jedoch ein entscheidendes Argument:
In jedem der vielen Kochstile gibt es Wegbereiter, große Könner und dann natürlich jede Menge Trittbrettfahrer und Plagiatpiraten. Ich bin stolz dass sich im JC Nr 4 keine solchen Kollegen breitmachen. www.edition-vincent-klink.de

 

Die Wahrheit über Weihnachten

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Weihnachtsbücher sind ja in der Regel etwas fad und oft auch verlogen. Die Wahrheit über Weihnachten kann man nun in einem Buch lesen, das im DuMont-Verlag herausgekommen ist. Der Titel – wie beim Vorgängerbuch WURST – ist schlicht:

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Aquarelle von Nikolaus Heidelbach und Texte von Wiglaf Droste und mir.

Im Buch sind jede Menge wunderbare Zeichnungen mit doppelbödiger Pointe. Wiglaf Droste (auch schon mal als schreibende Kalaschnikoff bezeichnet) ist in Hochform.

„Vincent Klink hält Geschichten und Rezepte bereit, das es grad eine Lust ist.“

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