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„The Most Quoted Man in News“

Andrew David Watson hat für die New York Times dieses wunderbare Porträt von Greg Packer produziert: Packer ist eigentlich gelernter Straßenbauarbeiter, hat aber die vergangenen zwanzig Jahre damit verbracht, bei unzähligen Veranstaltungen in der ersten Reihe zu stehen, und somit die Aufmerksamkeit der Journalisten zu erwecken. Denn wer ganz vorne steht, hat bestimmt etwas zu sagen. Und Greg Packer hat immer ein lockeres Zitat parat.

So traf Packer nicht nur zwei Päpste und vier US-Präsidenten, sondern schmuggelte sich auch zu Whitney Houstons Beerdigung und campte vor dem Apple Store als das iPhone herauskam. Das Ergebnis? Hunderte Zitate in allen möglichen Zeitungen und den inoffiziellen Titel The Most Quoted Man in News.

Heute hat es Packer immer schwieriger, nachdem die Nachrichtenagentur AP ein Memo herausgab, dass ein gewisser Greg Packer nach Möglichkeit nicht mehr zu zitieren sei. „Das ist doch auch eine Leistung“, sagt Packer. Der sieht sich nicht als Medientroll, sondern Vorteile für beide Seiten: Die Journalisten bekommen Zitate und er bekommt Erinnerungen fürs Familienalbum.

 

YouTube Music Awards: Avantgarde und Albernheit

Jason Schwartzman nach der Veranstaltung (© REUTERS/Andrew Kelly)
Jason Schwartzman nach der Veranstaltung (© REUTERS/Andrew Kelly)

Jason Schwartzman hat nicht gelogen, als er vor einigen Tagen sagte, er wüsste „nur zehn Prozent mehr“ vom Ablauf der YouTube Music Awards als die Zuschauer. Zum ersten Mal verlieh die Plattform am Sonntagabend einen Musikpreis. Live aus New York und per Stream im Internet. Mit Spike Jonze als Regisseur und Schwartzman als Moderator. Fünf Stunden Vorprogramm. Preise in sechs Kategorien. Live-Musikvideos! YouTube-Stars! Und alle so: Yeah, endlich ein Musikpreis für die digitale Generation! Doch am Ende bleiben viele Fragen offen und die Erkenntnis, dass YouTube das Genre in diesem Jahr noch nicht revolutionieren wird.

Dabei ist der Zeitpunkt eigentlich richtig: „Es ist an der Zeit, die Rolle YouTube im Musik-Ökosystem zu feiern“, sagte YouTubes Vize-Marketingdirektorin Danielle Tiedt kürzlich. Denn YouTube ist eine Macht im Musikgeschäft. Nach Analysen des Marktforschungsinstituts Nielsen hören Jugendliche bis 24 Jahre den Großteil ihrer Musik auf YouTube. Der Musikkanal Vevo alleine, an dem Google Anteile besitzt, generiert monatlich fast vier Milliarden Klicks. Und jüngst kündigte man noch an, schon bald einen eigenen Musikdienst mit einem Abo-Modell à la Spotify auf den Markt zu bringen.

Die YouTube Music Awards sind deshalb eine Chance für die Plattform, sowohl die Stellung zu festigen als auch in ein neues Gebiet vorzudringen, das in den kommenden Jahren noch wichtiger wird: Die Live-Veranstaltung. Gerade zu einer Zeit, in der mit den MTV Music Awards der mutmaßliche Platzhirsch vor allem durch die Peinlichkeiten junger Popsternchen und ewiggleicher Preisträger auffällt.

Live-Auftritte als Musikvideo

YouTube wollte es anders machen. Eigentlich. „Es wird chaotisch“, sagt Regisseur Spike Jonze schon vorher. Seine Idee war es, die Auftritte der musikalischen Gäste nicht auf einer klassischen Bühne, sondern an individuellen Sets zu filmen. Jeder Auftritt wurde somit gleichzeitig zu einem Musikvideo, ganz im Sinne YouTubes. Jedenfalls die Namen konnten sich sehen lassen: Die Britin M.I.A. performte in einem psychedelischen Lichttunnel, Eminem in düsterer Schwarzweiß-Optik, und Lady Gaga gab mit Truckerkappe und Holzfällerhemd (aber ohne Hose) am Piano eine Ballade zum Besten.

Gleich zu Beginn der Veranstaltung wechselt die Kamera zur Musik von Arcade Fire plötzlich in eine scheinbare Filmszene. Die Schauspielerin Greta Gerwig tanzt furios durch eine Wohnung und anschließend einen verschneiten Wald. Erst nach drei Minuten zoomt die Kamera heraus und die Zuschauer erkennen, dass dies alles live auf der Bühne geschieht. Die vierte Wand ist durchbrochen, der Auftritt ein frühes Highlight. Leider bleibt es fast das einzige.

Denn sobald die Moderatoren Jason Schwartzman und Reggie Watts übernehmen, kippt die Veranstaltung. Weitestgehend ohne Drehbuch soll es ablaufen. Das Ergebnis ist vor allem chaotisch, eine Anreihung von Stammeleien, von halbgaren Witzen und fragwürdiger Performancekunst. Schwartzman und Watts schnaufen mit schreienden Kleinkindern auf dem Arm ins Mikrofon, rennen durch das scheinbar wahllos umherstehende Publikum, wühlen in Torten, musizieren und verleihen fast beiläufig Preise.

YouTube-Stars nur am Rande

Ja, die gab es auch. In sechs Kategorien konnten die YouTube-Nutzer in den vergangenen Wochen abstimmen. Hier zeigte sich das vielleicht größte Problem der YouTube Music Awards: Es ging weniger um die YouTube-Stars sondern vor allem um die Künstler mit den meisten Fans. Die Nominierten in den Kategorien „Bester Künstler“, „Bestes Video“ und „Durchstarter des Jahres“ wurden nach Anzahl der Klicks und Kommentare ausgewählt. Der Rapper Tyler, the Creator, der ironischerweise selbst einen Auftritt hatte, twitterte schon vor zwei Wochen seinen Unmut heraus:

Die Gewinner hätte auch MTV nicht beliebiger aus der Retortenkiste ziehen können: Eminem, die koreanische Girlgroup Girl’s Generation und Konsens-Rapper Macklemore. Selbst in der Kategorie „YouTube Phänomen“ gewannen nicht etwa Gangnam Style oder der Harlem Shake, sondern Teeniequeen Taylor Swift.

Wo waren sie also, die „echten“ YouTube-Stars? Jene Künstler, die vor allem durch ihre Videos auf der Plattform bekannt wurden? Lediglich zwei Auftritte, nämlich von Collective Cadenza und der hüfpenden Geigenspielerin und Preisträgerin in der Kategorie „Beste Antwort“ Lindsey Stirling spendierte YouTube seinen hausgemachten Stars in 90 Minuten. Der Rest wurde im Rahmenprogramm verwurstet. Schon Stunden vor Beginn der Show streamte die Plattform Events aus London, Seoul und Rio de Janeiro mit lokalen und internationalen YouTubern. Eigentlich genau diese Art von Inhalt, die man von den YouTube Awards erwartet hätte.

Avantgarde und Albernheit

Die legen letztlich die Identitätskrise der Plattform offen: Zum einen möchte YouTube zeigen, dass es mit der Fernsehkonkurrenz mithalten kann. Dass auch die größten Namen der Musikszene auftreten und YouTube als Bestandteil der Branche sehen. Zum anderen möchte YouTube sich gerne weiterhin anarchisch präsentieren, bunter, eben anders als die alten Medien. Der Versuch, in den Music Awards beides zu verknüpfen mündete jedoch in einer Mischung aus Avantgarde und Albernheit, die auch den Zuschauern nicht entging. Gegen Ende der Ausstrahlung hatte der Livestream zwar rund 80.000 positive Bewertungen – aber auch 20.000 negative.

So wurden Erinnerungen wach an die erste Live-Veranstaltung, die YouTube vor fünf Jahren im November streamte. Bei YouTube Live standen damals die aufstrebenden, größtenteils unerfahrenen YouTuber im Mittelpunkt, die ihre eigene, chaotische wie bunte Show ablieferten. „Die Insassen betreiben die Anstalt“, frotzelte das Technikportal The Verge dieser Tage. Doch die damalige Veranstaltung enthielt mehr YouTube-Spirit als die erste Ausgabe der Music Awards. Die waren unterm Strich nichts weiter als ein weiterer Musikpreis mit den größtenteils bekannten Popkünstlern – und einem höchst anstrengenden Konzept. „I think we’re done?“, fragte Schwartzman am Ende fast unsicher in die Runde. Wenigstens das hätte ihm doch einer sagen können.

 

Netzfilm der Woche: „The Rider and the Storm“

Im Oktober 2012 traf Hurrikan Sandy auf die US-Ostküste. Besonders stark traf es Breezy Point, den südlichsten Zipfel des New Yorker Stadtteil Queens. 130 Häuser brannten am 29. Oktober vergangenen Jahres nieder. Eines davon gehörte der Familie des Stahlarbeiters und Hobby-Surfers Timmy Brennan.

Zum Jahrestag des Hurrikans Sandy erzählt The Rider and the Storm Brennans Geschichte. Die beiden Regisseure David Darg und Bryn Mooser Brennan bei den Aufräumarbeiten direkt nach der Katastrophe. Durch die verkohlten Ruinen graben sich Brennan und seine Familie zu den letzten Überbleibseln ihrer Heimat – und Timmys Surfbrett.

Dem Brett wird eine besondere Rolle zuteil: Zum einen macht es dem Protagonisten bewusst, dass das Meer vor der Haustür nicht bloß dem Vergnügen gilt, sondern eine Naturgewalt ist. Zum anderen steht es für die Verbundenheit der Bewohner dieser abgeschiedenen Enklave: Breezy Point ist eine sogenannte Kooperative, eine Art privater Gemeinde, die viele Kosten untereinander aufteilt. Und die  dafür sorgt, dass Timmy letztlich wieder seiner Leidenschaft nachgehen kann.

Leider verpasst es The Rider and the Storm, neben den eindrücklichen Aufnahmen der Zerstörung, Bilder von der heutigen Situation in Breezy Point einzufangen. Im Gegensatz zu anderen betroffenen Orten und trotz bürokratischer Schwierigkeiten hat es die Gemeinde nämlich verhältnismäßig schnell wieder auf die Beine – oder eben aufs Surfbrett – geschafft. Auch darum geht es den Produzenten des Films: Die New Yorker Plattform RYOT verknüpft Nachrichten mit Spenden- und Charity-Aktionen. Für The Rider and the Storm arbeiten sie mit der Hilfsorganisation Operation Blessing zusammen, die sich für die Hurrikanopfer einsetzt.

 

Kurzfilm: „Dia De Los Muertos“

Nach Halloween kommt der Tag der Toten, jedenfalls in Mexiko und weiteren spanischstämmigen Kulturen. Die Feierlichkeiten des Día de Muertos beginnen traditionell am 31. Oktober und enden am 2. November. In dieder Zeit wird den verstorbenen Familienangehörigen gedacht, die dem Glaube nach die Familien in diesen Tagen besuchen. Deshalb wird um sie nicht getrauert, sondern ein buntes und fröhliches Volksfest gefeiert.

Zum heutigen, mexikanischen Feiertag passt der gleichnamige animierte Kurzfilm Dia De Los Muertos, der Gewinner der Student Academy Award Goldmdaille in diesem Jahr. Eine wirklich schöne Geschichte, die den Spirit und die Bedeutung dieses Tages wunderbar vorstellt.

 

Kurzfilm: „Little Duck“

James Murphy, bekannt als Gründer und Mastermind des inzwischen beerdigten Musikprojekts LCD Soundsystem, ist unter die Filmemacher gegangen. Im Rahmen von Canons Project Imaginat10n hat er den Kurzfilm Little Duck produziert. Nutzer konnten einzelne Bilder über die Projektseite einreichen, auf deren Basis die teilnehmenden Filmemacher anschließend das Drehbuch schrieben. In dem 15-minütigen Kurzfilm geht es um einen jungen Mann, der von New York zurück in seine alte japanische Heimat reist und dort auf seinen Bruder trifft.

(via)

 

Die Aufnahmen eines Sonnensturms

Im September gab es auf der Sonne eine größere Eruption. Die daraus entstehende Protuberanz, ein fadenförmiges Gasgebilde (filament im Englischen), hatte eine Größe von schlappen 200.000 Meilen, und hat dabei die Atmosphäre der Sonne im wahrsten Sinne des Wortes durchgewirbelt. Die Nasa hat das Ereignis natürlich aufgenommen, und das Goddard Space Flight Center hat die Bilder anschließend aufbereitet. Das Video haben sie vergangene Woche auf YouTube gestellt, und viel besser könnte das auch ein 3D-Grafiker nicht hinbekommen. Beeindruckende Bilder.

 

Splatterfilm: Lee Hardcastles „Ghost Burger“

Lee Hardcastle, Meister und gleichzeitig Erfinder des Knet-Splatter-Genres, meldet sich passend zu Halloween zurück: Sein 22-minütiger Kurzfilm Ghost Burger ist der Nachfolger von T ist for Toilet, den Hardcastle vor zwei Jahren für The ABCs of Death produzierte.

Diesmal geht es um zwei Burschen, Geister und einen Burgerladen. Und natürlich um jede Menge fieser Knetmonster, Schießereien, Gedärme und was eben noch so alles zu einem echten Horrorstreifen gehört. Ghost Burger gibt es zudem auch in YouTuber eigener 3D-Vision. Ich habe gerade keine 3D-Brille zur Hand, aber vielleicht kann ja jemand mal testen, ob das funktioniert. Für alle, die ihre liebe Mühe mit britischem Englisch haben gibt es auch (englische) Untertitel.

Happy Halloween!

 

Was ist eigentlich Angst?

Morgen ist Halloween, und auch wenn der Tag hierzulande nur wenige Trick-or-Treater tatsächlich vor die Tür lockt, kann man sich dem schaurigen Geschäft online kaum entziehen. Vor allem die amerikanischen Seiten pumpen schon seit Tagen jede Menge bizarrer Kürbiskunst, Pranks, Geisterbahnen und natürlich ausgefallene Kostüme für Kind und Katze ins Netz. Und auch wenn Meme-Kostüme eigentlich total 2011 sind, sind sie teilweise immer noch witzig.

In Sachen Netzfilm stellen die Kollegen von Short of the Week in ihrer wöchentlichen Show fünf schaurig-schöne Kurzfilme auf YouTube vor. Falls es einem beim Anblick davon wirklich eiskalt den Rücken runterlaufen sollte, stellt sich gleich die nächste Frage: Was ist das eigentlich, Angst?

Passend zum Datum befasst sich der Wissenschaftskanal Bytesize Science mal mit der Chemie hinter dem uralten Angstgefühl – natürlich in Horrorfilm-Optik. Wer es etwas ausführlicher mag: Im Kanal der Unimedizin Mainz gibt es eine 45-minütige Vorlesung, die sich mit dem Thema beschäftigt.