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Pogo: Mehr als nur der Disney-Remixer

Alles begann mit Alice: Im Juli 2007 veröffentlichte der Australier Nick Bertke unter seinem Künstlernamen Pogo ein Lied auf YouTube. Alice wurde gesampelt aus den Stimmen des Disney-Films Alice im Wunderland. Das Video war ein viraler Hit. Seitdem hat sich viel getan in der Karriere von Pogo. Über die Jahre hinweg verfeinerte er seinen Stil als Remix- und Sample-Künstler. Heute hat er nicht nur über 270.000 Abonnenten auf YouTube, sondern arbeitet mit seinem eigenen Studio auch für bekannte Film- und Fernsehunternehmen. Wieso der Erfolg ohne das Netz nicht möglich gewesen wäre, erzählt er im Interview.

ZEIT ONLINE: Alice ist nun sechs Jahre alt. Was hat das Lied für Ihre Karriere bedeutet?

Nick Bertke (© Privat)
Nick Bertke aka Pogo ist ein Musik- und Videoproduzent aus Perth. (© Privat)

Nick Bertke: Etwa ein Jahr nach Alice bekam ich eine Anfrage von Disney. Sie flogen mich nach San Francisco, führten mich auf dem Pixar-Campus herum und fragten mich, ob ich nicht einen ähnlichen Song zu ihrem neuen Film Oben produzieren möchte. Vier Wochen später hatte ich Upular im Kasten. Das war der Zeitpunkt, an dem meine Karriere so richtig begann. Vorher war ich nur ein Wohnzimmer-Produzent, der zunächst Musik nur auf der PlayStation gemacht hatte. Plötzlich konnte ich mir ein Studio einrichten und bekam Aufträge von großen Filmunternehmen.

ZEIT ONLINE: Woher kommt diese Faszination für alte Disney-Filme?

Bertke: Ich hatte schon immer ein Ohr für besondere Klänge, interessante Stimmen und seltsame Töne in Filmen. Alte Disney-Produktionen wie Alice im Wunderland haben ein ganz spezielles Sounddesign, das mich emotional anspricht. Als ich begann, mit dem Computer Musik zu machen, wollte ich diese Sounds verwenden. Ein Künstler namens Akufen hat mich damals sehr inspiriert: Er hat Hunderte Schnipsel aus dem Radio zu neuen Liedern zusammengefügt. Das hat mich total umgehauen. Über ihn bin ich schließlich zu der Art von Musik gekommen, die ich bis heute produziere.

ZEIT ONLINE: Nervt es Sie eigentlich, dass Sie immer noch als „Der Typ, der die Disney-Remixe gemacht hat“ bezeichnet werden?

Bertke: Der Stempel als Remixer nervt schon etwas. Es ist ja heute nur ein kleiner Teil dessen, was ich mache. Der Großteil meiner Arbeit besteht darin, Werbung oder andere Aufträge für Unternehmen zu produzieren. Da fließen die Remixe natürlich immer wieder mit ein. Aber ich arbeite schon so lange mit bereits existierenden Filmen, dass es mich etwas langweilt. Deshalb versuche ich, vermehrt mein eigenes Material aufzunehmen. Ich bin mehr als nur der „Disney-Remixer“.

ZEIT ONLINE: Sie reisen zum Beispiel um die Welt und nehmen Videos auf.

Bertke: Ich hatte immer schon eine Schwäche für Fotografie und natürlich auch für das Filmemachen. Daraus ist vor zwei Jahren das World Remix Project entstanden. Dank einer erfolgreichen Kickstarter-Kampagne konnte ich an Orte wie Kenia, Tibet oder Südafrika reisen und dort meine eigenen Audio- und Videoaufnahmen machen. Ich wollte Sounds eingefangen, die für die jeweilige Kultur einzigartig sind und habe sie musikalisch umgesetzt.

ZEIT ONLINE: Wie findet man die wirklich interessanten Klänge?

Bertke: Man kann sich zwar vorbereiten, aber letztlich ist es Zufall. Ein gutes Beispiel ist das Video aus Tibet. Wir wanderten gerade von einem Kloster zurück, als uns ein Bauer auf unsere Kameras ansprach. Er lud uns zu sich in die Hütte ein, servierte Tee, und seine Töchter sagten für uns Kinderverse auf Bhutanisch. Wir nahmen das auf und daraus wurde anschließend die Hauptstimme des Liedes.

ZEIT ONLINE: Wie wichtig ist der visuelle Aspekt für Ihre Arbeit?

Bertke: Vor Alice hatte ich nichts mit Videos am Hut. Ich hatte den Track eine ganze Weile auf dem iPod, bevor ich noch das Video dazu produzierte. Ich hatte kaum Software und musste die Szenen von der DVD Frame für Frame aufnehmen. Erst nachdem der Clip so erfolgreich auf YouTube war, hat sich auch diese visuelle Seite meiner Arbeit entwickelt.

ZEIT ONLINE: Sie sagten mal, dass Sie sich auf YouTube schnell in die Ecke gedrängt fühlen. Was meinen Sie damit?

Bertke: Mit einem viralen Video zeigt man Unternehmen nicht nur, was man machen kann. Man zeigt vor allem, wie vielen Menschen das gefällt. Wenn potenzielle Auftraggeber die Klickzahlen sehen, sind sie schneller überzeugt. Soweit, so gut. Das Problem ist natürlich, dass sie dann genau diese Sachen wieder sehen möchten. Auch die YouTube-Kultur bedient dieses Muster: Je mehr Menschen dir folgen, desto mehr vom Gleichen erwarten sie, desto höher ist der Druck. Auch ich habe deshalb am Anfang recht viele ähnliche Sachen gemacht. Inzwischen versuche ich aber, mich mit jedem neuen Auftrag ein wenig weiterzuentwickeln. Du musst aufpassen, dass du nicht zu einem Klischee wirst.

ZEIT ONLINE: Und das klappt?

Bertke: Mein erstes eigenes Video war Gardyn 2010. Ich war davon überzeugt, dass es floppen würde, weil jeder ein neues Disney-Video erwartet hatte. Aber es war so erfolgreich, dass es im Rahmen eines YouTube-Events später sogar im Guggenheim Museum in New York gezeigt wurde. Das war vielleicht die wichtigste Lehre für mich: Produziere immer Sachen, die du vor allem selbst hören möchtest. Du bist am Ende immer noch dein eigener Kanalbetreiber und niemandem etwas schuldig.

ZEIT ONLINE: Würden Sie sich dennoch als Teil der YouTube-Kultur beschreiben?

Bertke: YouTube ist meine Hauptplattform, aber die „richtigen“ YouTuber laden fast täglich Videos hoch, bei mir ist es vielleicht eins pro Monat. Natürlich habe ich YouTube einiges zu verdanken. Es wäre unmöglich gewesen, schon finanziell, meine Arbeit ins Fernsehen oder auch auf DVD zu bekommen. Meine Zukunft sehe ich jedenfalls noch weiter in Sachen Film, vielleicht auch im Animations- und Effektbereich. Aber das und YouTube müssen sich ja nicht ausschließen.

ZEIT ONLINE: Lohnt sich YouTube denn auch finanziell für Sie?

Bertke: Die Sache ist, dass ich nicht alle meiner Videos auch vermarkten kann. Ich kann schließlich schlecht Profit machen mit Videos, die Szenen aus Disney-Filmen enthalten, ohne dass es Ärger gäbe. Es sei denn, es handelt sich um Auftragsarbeiten für Pixar oder Showtime. Allein schon deshalb muss ich meine eigenen Sachen aufnehmen. Letztlich aber ist YouTube für mich vor allem eine prima Promotionsplattform.

ZEIT ONLINE: Hatten Sie schon mal Probleme mit dem Urheberrecht?

Bertke: Erstaunlicherweise nur einmal, als ich ein Video aus Szenen von Spielbergs Film Hook veröffentlicht habe. Da hat die automatische Inhalte-Erkennung auf YouTube angeschlagen. Ich habe mich an Sony, den Rechteinhaber, gewandt und erklärt, wieso das Video unter die Fair-Use-Regel fällt. Am nächsten Tag war es dann tatsächlich wieder online. Die Amerikaner sind meiner Erfahrung nach in Sachen Fair-Use relativ offen. Hoffentlich bleiben sie es auch.

 

YouTube-Stars informieren über die Bundestagswahl

Die Erkenntnisse des TV-Duells zwischen Angela Merkel und Herausforderer Peer Steinbrück halten sich in Grenzen. Ob die 90 Minuten wirklich Nichtwähler mobilisieren oder unentschiedene Bürger für die eine oder andere Seite begeistern konnten? Das zeigt sich spätestens bei der Wahl am 22. September. Ein Ziel der etablierten Parteien dürfte auch jenseits des TV-Duells die Mobilisierung von gerade jungen Wahlberechtigten sein.

Auf diese Gruppe hat es auch die jüngst für den Grimme-Online-Award nominierte Plattform Du hast die Macht (DHDM) abgesehen, einem Projekt der Robert Bosch Stiftung und Ufa. Vor allem auf YouTube möchten die Initiatoren etwas mehr Politikbewusstsein für 14-23-jährige Menschen verbreiten.

Zehn YouTuber sitzen deshalb in einem „Beirat“, um auf Webvideotreffen Themen aus der jungen Szene zu sondieren und zu besprechen. Darüber hinaus hat DHDM in diesem Jahr erstmals den „YouTube-Kanzler“ gewählt: Fabian Nolte alias Dailyknödel, der auch beim Webvideopreis als bester Newcomer ausgezeichnet wurde, trägt zurzeit diesen symbolischen Titel.

Nolte ist es auch, der nun für DHDM auf YouTube die Wahlprogramme checkt. Seit Anfang August nimmt er sich jede Woche einem Thema an und erklärt, welche Position die Parteien jeweils einnehmen: Netzpolitik, Drogenpolitik, Familienpolitik und Direkte Demokratie gehörten bereits dazu.

Google-Hangout mit Politikern

Ein zweites Format ist für Mittwoch den 4. September angekündigt: Zum zweiten Mal wird DHDM ein „Katerfrühstück“ via Google Hangout veranstalten, in dem Zuschauer live Fragen an die Gäste stellen können. Das Thema lautet diesmal Digitale Demokratie. YouTuber Doktor Allwissend und Marie Meimberg von TRIGGER.tv sind die Moderatoren, Halina Wawzyniak von der Linksfraktion, Bernd Schlömer von den Piraten und Gerold Reichenbach von der SPD sind die Gäste. Das Ganze gibt es ab 18 Uhr auf YouTube.

(via)

 

Musikplattform Vevo kommt nach Deutschland

(© Marc Andrew Deley/Getty Images)
(© Marc Andrew Deley/Getty Images)

Die schlechte Nachricht zuerst: YouTube-Nutzer in Deutschland werden auch in Zukunft Sperr-Hinweise vor den Musikvideos der sogenannten Major-Labels sehen. Die gute Nachricht: Schon bald gibt es diese Videos wenigstens auf einer anderen Plattform. Der US-Dienst Vevo wird bis zum Jahresende auch hierzulande starten, wie das Unternehmen mitteilte. Vevo erzielte eine Vereinbarung mit der Verwertungsgesellschaft Gema.

Vevo gehört Sony und dem weltgrößten Musikkonzern Universal Music. Der kostenlose und werbefinanzierte Dienst bietet zurzeit rund 75.000 Musikvideos und ist in zwölf Ländern verfügbar. Die Nutzer werden auf Vevo in Deutschland über die Website, die Apps für Smartphones und Tablets, Apple TV und Xbox zugreifen können – nicht aber über YouTube.

Dabei ist Vevo vor allem gerade durch YouTube bekannt. Der Hauptkanal gehört nach Angaben von Social Blade mit 3,4 Millionen Abonnenten zurzeit zu den 60 erfolgreichsten auf der Plattform. Zudem haben bekannte Künstler wie Rihanna oder Lady Gaga ihre eigenen Vevo-Kanäle auf YouTube, was die Abrufe noch um ein vielfaches steigert. In den USA gehört Vevo noch vor Yahoo und Microsoft zu den größten Online-Video-Angeboten. Nach Angaben des Wall Street Journal laufen über zwei Drittel der Abrufe von Vevo in den USA über Googles Plattform.

Dass Vevo nun in Deutschland exklusiv auf seine eigene Plattform setzt, ist wohl vor allem dem Umstand geschuldet, dass sich YouTube als Mittelmann nicht mit der Gema einigen konnte was die Kosten pro abgerufenes Video anbelangt. Das Wall Street Journal berichtet außerdem, dass sich Vevo unabhängiger von YouTube machen möchte. Schließlich müssen sie die Werbeeinnahmen auf YouTube mit Google teilen.

Allerdings: Erst im Juli hat Vevo seinen Vertrag mit YouTube verlängert. Im Rahmen des Deals hat Google zusätzlich in das Unternehmen investiert. Eine Summe von 40 bis 50 Millionen US-Dollar steht im Raum, was Google rund sieben Prozent der Vevo-Anteile sichert. Im Endeffekt scheint es also, als würde Google indirekt auch von Vevo profitieren, selbst wenn dieses in Deutschland seine Inhalte nicht über YouTube verbreitet.

Wann genau Vevo in Deutschland startet, ist noch nicht bestätigt. Es scheint aber auf das Jahresende hinauszulaufen.

(mit dpa)

 

Netzfilm der Woche: „Love’s Routine“

Routine bestimmt unser Leben. Und auch wenn es niemand gern zugibt: Sie bestimmt auch unsere Beziehungen. Im Kurzfilm Love’s Routine von Shirlyn Wong dreht sich alles um Routine. Das ungleiche Paar Barry und Margie lebt seit Jahrzehnten in trauter Harmonie zusammen. Zum Abendessen gibt es Fisch und später ein Eis vor dem Fernseher. Ein gutes Leben. Bis eines Tages die Zweisamkeit abrupt endet.

Für die New Yorker Filmstudentin Wong war die Produktion Love’s Routine in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Nicht nur durfte sie während des Drehs das Gesicht des Hauptdarstellers und Hollywoodstars Willem Defoe in Position kneten. Sie fand sich auch zwei Tage lang an einem professionellen Set mit einer Crew wieder und musste dafür ausnahmsweise nichts bezahlen.

Wong gehört nämlich zu den drei Gewinnern des diesjährigen Jameson First Shot Wettbewerbs. Mit ihrem Drehbuch zu Love’s Routine konnte sie die Jury überzeugen, zu der auch Kevin Spacey gehörte. Der Schauspieler, der sich vergangene Woche für Online-Videos aussprach, spielte im vergangenen Jahr die Hauptrolle in den Kurzfilmen. In diesem Jahr übergab er diese Aufgabe an seinen Kollegen Willem Defoe und kümmerte sich stattdessen um die Betreuung des Wettbewerbs.

Alle drei Filme sind nicht zuletzt dank Willem Defoes Darbietung sehenswert. Doch Love’s Routine sticht heraus. Obwohl der Film ausschließlich in drei Räumen im Haus des Ehepaars spielt, gelingt Wong eine erstaunliche Detailgenauigkeit. Denn in Love’s Routine ist nichts, wie es zunächst scheint. Erst am Ende erkennen die Zuschauer, dass die Auflösung schon die ganze Zeit vor ihren Augen lag.

 

50 Jahre Audiokassette mit dem „Magnetist“

Die Audiokassette wird 50 Jahre alt. Viele ältere Leser kennen sie noch. Sie verstecken sich vielleicht noch in unteren Schubladen, in Handschuhfächern alter Autos oder Umzugskisten auf dem Dachboden. Erinnerungen in Mixtape-Form. Seit Philips 1963 die Compact Kassette einführte, haben uns Bandsalat und Dolby B begleitet. Aber anders als die Vinylscheibe, die sich bis heute hartnäckig unter Liebhabern und DJs hält, hat die Kassette heute wie auch ihr Nachfolger die CD einen harten Stand. Nur noch wenige Unternehmen produzieren heute Tapes, und auch die jüngeren Generationen bestaunen die Tonbänder ähnlich wie VHS-Kassetten als Relikte vergangener Zeiten.

Nicht so Micke. Der als „Magnetist“ bekannte Stockholmer lebt für Kassetten. Seine Mixtapes sind ihm heilig. Monatlich veröffentlicht er sie, stundenlang sitzt er vor dem Kassettenrekorder und nimmt sie auf, akribisch ordnet er sie nach der BPM-Zahl. Denn Micke ist nicht nur Sammler, sondern auch DJ. Regelmäßig packt er seine Lieblingstapes ein spielt sie in kleinen, privaten Clubs oder auf Partys. Nicht für den Erfolg, sondern für sich und seine Liebe zum Tape.

In diesem Sinne: Auf die nächsten 50, Micke!

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„Petrolicious“: Schöner die Klassiker nie glänzen

Afshin Behnia fährt für sein Leben gerne Auto, doch die beste Idee kam ihm beim Fernsehen. Jahrelang hat der Mann aus Kalifornien sein Hobby in TV-Sendungen zunehmend kritisch beobachtet: Prollige Tuning-Shows, langweilige Autotalks, den halbgaren US-Ableger der britischen Kultserie Top Gear, und die mit viel Tamtam angekündigte und nach nur einer Staffel wieder abgesetzte The Car Show. All das war nichts für den Vintage-Liebhaber Behnia. Also suchte er nach Alternativen und fand sich plötzlich mittendrin in der Spartenwelt von YouTube.

Seit einem halben Jahr ist Afshin Behnia selbst YouTube-Produzent. Petrolicious heißt der Kanal und das angeschlossene Online-Magazin, das er aktuell mit seiner Ehefrau Kika, dem Filmemacher Josh Clason und der Grafikdesignerin Becca Clason betreibt. Der Fokus von Petrolicious ist klar definiert: Es geht ausschließlich um Autoklassiker – und ihre Besitzer.

Ein Kanal für Klassikerfreunde

„Die Idee hat sich über Jahre hinweg entfaltet“, sagt Behnia, der zuvor in der Softwarebranche tätig war. Als seine Firma vor dem Verkauf stand, nahm er einen Teil seiner Ersparnisse und machte im Frühjahr vergangenen Jahres sein Hobby zum Beruf. Auf YouTube fand er zwar viele Inhalte und Formate, die sich um Autos drehten, aber auch sie entsprachen nicht seinen Vorstellungen. Er suchte nach einer Show, die sowohl „den Lebensstil als auch die Kultur von Klassikern angemessen feiert“.

Petrolicious versteht sich heute als Gegenstück zu Autosendungen, die mit leichtbekleideten Frauen, ölgetränkten Mechanikern und PS-Protz die Klischees des Genres bedienen. Jedes der knapp fünfminütigen Videos stellt genau ein Modell vor, das jeweils aus einem Privatbesitz stammt. Statt technischen Details und Tests gibt es Anekdoten der Besitzer, statt rasanten Aufnahmen schöne und unaufgeregte Bilder vor meist kalifornischer Szenerie. Auch die Website von Petrolicious setzt sich von anderen Automagazinen mit ihrem Vintage-Design und Typografie ab.

Ist Petrolicious also ein Automagazin für Hipster? In der Aufmachung vielleicht. Aber im Mittelpunkt stehen auch hier die Karossen: Ein Mercedes 220SE aus dem Jahr 1963 etwa, Isettas, Käfer, und Design-Ikonen wie der Lancia Stratos oder der Lamborghini Countach kamen bereits vor. Ihre Besitzer kennt Behnia aus seinem Freundeskreis oder von Klassikertreffen. Inzwischen melden sich aber immer mehr Enthusiasten von sich aus bei den Machern. Auf der Website stellt Petrolicious regelmäßig Bilder von Lesern und ihren Autos vor. Auch Liebhaber aus Deutschland meldeten sich bereits.

Autokanäle boomen auf YouTube

Einmal pro Woche erscheint ein neues Video auf Petrolicious. Mehr ist zurzeit nicht drin. Drei bis fünf Arbeitstage benötigt das Team für Dreh und Schnitt. Damit kann der Kanal natürlich nicht mit den führenden Automagazinen auf YouTube mithalten, hinter denen meist Verlage und große Produktionsfirmen stehen. Die junge, überwiegend männliche Zielgruppe ist attraktiv für Werbetreibende im Netz und hat damit einen regelrechten Boom an Autokanälen ausgelöst.

Die Auswahl ist entsprechend groß. Die führenden Kanäle Motor Trend, /Drive und Car and Driver gehören zu YouTubes Originalkanälen, die von Google mitfinanziert werden, ebenso wie Motorvision in Deutschland. Sie veröffentlichen täglich Inhalte: Tuningtipps, klassische Tests, Reportagen, Service und Infotainment. Andere haben sich spezialisiert: evoTV etwa steht ganz im Zeichen von Supercars, The Fast Lane und Autocar dagegen testen vorwiegend Fahrzeuge für Normalverdiener.

Ein jüngeres Publikum lockt das britische Fast, Furious & Funny: Hier werden Streiche mit Autos gespielt, Ferraris getuned und fahrbare Toiletten gebastelt. Unterhaltsam ist auch die Show von US-Talkshowmoderator und Autonarr Jay Leno, die es seit zwei Jahren gibt. Die Qualität der Kanäle ist längst vergleichbar mit den oft gescholtenen Autosendungen im Fernsehen.

Aber auch unabhängige Autoenthusiasten haben auf YouTube gute Chancen. Der erst 22-jährige Kyle Lindsay betreibt unter dem Namen Saabkyle04 inzwischen einen der erfolgreichsten Autokanäle auf der Plattform. Über Jahre hinweg hat er mit seinen nüchternen Autovorstellungen ein Millionenpublikum aufgebaut. Wie auch der als EricTheCarGuy bekannte Mechaniker, der in seinem Kanal Tipps zur Reparatur gibt.

Petrolicious plant weitere Formate

Noch fühlen sich Afshin Behnia und Petrolicious wohl in ihrer Nische. Knapp 54.000 Abonnenten haben sie inzwischen. Eine gute Leistung für einen Kanal, der erst seit einem halben Jahr aktiv ist und einen sehr speziellen Ansatz verfolgt.

Doch allzu lange möchte sich Behnia nicht auf den ersten Erfolgen ausruhen. Schon bald möchte er in Petrolicious ein zweites Format etablieren, das sich mit der Restauration und Pflege von Klassikern beschäftigt. „Wir wollen vor allem inspirieren“, sagt Behnia, „aber auch informieren.“

 

Airbnb dreht Vine-Film per Crowdsourcing

Ich habe an dieser Stelle schon öfters über den Social-Video-Dienst Vine (und den „Konkurrenten“ von Instagram) geschrieben. Angesichts von Memes wie Ryan Gosling und sein Müsli, wirklich fantastischen Stop-Motion-Arbeiten, innovative Werbekampagnen und regelmäßigen Zusammenschnitten der besten Vines kann man sagen, dass „Microvideo“ in diesem Jahr endgültig den Durchbruch geschafft hat.

Folglich ist es auch nur eine Frage der Zeit, bis der erste längere Film kommt, der ausschließlich aus sechssekündigen Einzelclips besteht. Die Übernachtungsplattform Airbnb hat die Chance ergriffen und mit Hollywood and Vines nun einen Wettbewerb ausgerufen, bei genau so einem Film mitzumachen.

Seit dem 22. August postet das Unternehmen auf seinem Twitteraccount mehrmals täglich Anleitungen zu Einzelszenen. Diese können die Follower dann nachstellen, per Vine aufnehmen, hochladen und per Hashtag binnen 48 Stunden zurücktwittern. So entsteht nach und nach ein Film aus den jeweils besten Einsendungen.

Das Ganze ist natürlich eine Marketingnummer für Airbnb und sollte auch genau als solche betrachtet werden. Auch klingt die Idee von einem Film über „Reise und Abenteuer“ erstmal nicht sehr spannend. Die Idee dahinter aber ist es: Auch das Projekt Star Wars Uncut hat auf ähnliche Weise die Fans zu Filmemachern gemacht. Das Ergebnis war ziemlich bunt – und sehr unterhaltsam. Zumindest dürfte Hollywood and Vines auch andere, vielleicht sogar bessere, Projekte dieser Art inspirieren.

(via)

 

Musik am Montag: „Polybius“

Als ich das folgende Video von James Houston sah, fühlte ich mich sofort an ein Cover von Radioheads Big Ideas erinnert, über das ich vor Jahren an anderer Stelle schrieb. Wie sich herausstellt, war dieser James Houston auch an Polybius beteiligt, gemeinsam mit Julian Corrie, der sich offenbar darauf spezialisiert hat, Musik aus alten Computergerätschaften wie einem C64, Segas Megadrive und mehreren Disketten- und Festplattenlaufwerken zu machen.