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Kurzfilm: „The Sound Guy“

The Sound Guy ist ein schöner, unaufgeregter Kurzfilm von Simon Reichel über einen jungen, etwas verschrobenen Mann, der mit seinem Aufnahmerekorder durch die wunderschöne deutsche Landschaft streift, und dabei auf der Suche nach dem Besonderen das ganz Offensichtliche (fast) nicht sieht.

 

„It’s Complicated“: Beziehungen im Handyzeitalter

Smartphones und Tablets, wohin das Auge blickt: In der Bahn, auf der Arbeit, abends beim Konzert und im schlimmsten Fall auch noch nachts im Bett. Auch wenn sie niemand missen möchte, geht uns die Technik bisweilen so auf den Zeiger, dass wir sogar das Offlinesein ankündigen und übertrieben feiern.

Auch die vermeintlich dauerdaddelnde junge Generation sieht die Entwicklung bisweilen skeptisch. Der YouTube-Clip I Forgot My Phone der amerikanischen Schauspielerin Charlene deGuzman hat offenbar einen Nerv getroffen: 22 Millionen Abrufe stehen nach nur drei Wochen bereits zu Buche. Der Film zeigt deGuzman in Situationen in dem an sich schöne Momente durch Smartphones ruiniert werden, menschliche Kontakte und Freundschaften nur noch aus dem Augenwinkel stattfinden. Damit können sich offenbar viele YouTube-Nutzer identifizieren. Viele erzählen ihre eigene Erfahrungen unter dem Video.

Deutlich subtiler aber mit ähnlicher Message geht es im Kurzfilm It’s Complicated von Janina Wollensak, Martin Luther und Moritz Moser zu. Der Film ist in einem Seminar an der Uni Tübingen zum Thema „Konvergenz und kultureller Wandel“ entstanden. Klingt komplizierter, als es ist: It’s Complicated erzählt die Geschichte eines jungen Paares, das sich zunächst scheinbar gut versteht, sich aber immer im Verlauf des Films immer mehr auseinanderlebt – auch weil beide ganz unterschiedliche mediale Gewohnheiten haben: Papier trifft auf E-Mail, Schreibmaschine auf Handy. Die Beziehung als Allegorie zur modernen Gesellschaft im Wandel. Schönes Detail: Die immer wiederkehrende Zigarette als Symbol der Erinnerung und – am Ende – des Neuanfangs.

 

Wenn Plattenspieler sprechen könnten…

…wüssten sie so einiges zu erzählen. Die Idee von Record ist so einfach wie genial: Aus dem Blickwinkel eines Plattenspielers (oder genauer: einer kreisenden Platte) wird gezeigt, wie unterschiedliche Menschen auf das gleiche Stück Musik reagieren. Hier ist das Behind the Scenes.

 

Hybride Kurzfilme: „Zewdu“ und „Radio Amina“

Zewdu the Street Child von Enrico Parenti beginnt wie eine Dokumentation über ein Kind auf den Straßen der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Doch nach wenigen Minuten erkennt der Zuschauer, dass es sich um eine fiktionale Geschichte handelt – jedenfalls teilweise.

Einen Hybridfilm nennt Parenti seine Arbeit. Hybrid in dem Sinne, dass die Darsteller allesamt tatsächlich „von der Straße“ stammen und ein tatsächliches gesellschaftliches Problem, in diesem Fall die zahlreichen Waisenkinder Äthiopiens, behandeln. Auf der anderen Seite ist Zewdu aber eine stilisierte Version einer persönlichen Geschichte, wie sie möglicherweise hundertfach in Äthiopien auftritt.

Zewdu erinnert an einen zweiten Kurzfilm aus dem vergangenen Jahr mit ähnlichem Ansatz. In Radio Amina von Orlando von Einsiedel geht es um die 12-jährige Amina Dibir, die in der nigerianischen Stadt Kano über einen Radiosender mit den Menschen in Kontakt tritt. Je länger der Film dauert, desto deutlicher wird die Nachricht: Aminas Durchsage ist ein Aufruf zur Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen in Nigeria. Wie auch in Zewdu, haben die Macher die Darsteller/innen direkt vor Ort ausgewählt.

Beide Filme sind sehenswert und dürfen doch diskutiert werden: Ist diese Verbindung aus Fiktion und Dokumentation in diesem Fall hilfreich? Funktioniert das Format oder lenkt die kreative Ausgestaltung der Macher von den echten Einzelschicksalen der Hobby-Darsteller ab? Hätten sie nicht doch eher einen klassisch-dokumentarischen Ansatz wählen sollen, um auf die Missstände noch deutlicher aufmerksam zu machen? Ich persönlich bin unentschlossen.

 

Kurzfilm: „Schrankmensch“

Conversation with a Cupboard Man lautet der Titel einer bekannten Kurzgeschichte von Ian McEwan aus den Siebziger Jahren. Der Berliner Student Hannes Rössler hat im Jahr 2008 gemeinsam mit „einer Gruppe von Filmenthusiasten“ die Geschichte des Schrankmenschen verfilmt. Inzwischen hat es der Film in einer überarbeiteten und gekürzten Fassung ins Netz geschafft.

Schrankmensch ist – wie auch die Kurzgeschichte – eine seltsame, eine ungemütliche Angelegenheit. Es geht um die Lebensgeschichte des namenlosen Ich-Erzählers, der mit einer alleinerziehenden, neurotischen Mutter aufwächst. Die Mutter verbietet dem Sohn, erwachsen zu werden und behandelt ihn bis zu seinem 18. Lebensjahr wie ein Kleinkind. Als aber ein neuer Partner in ihr Leben tritt, muss der Sohn plötzlich aufwachsen. Doch irritiert vom Leben außerhalb der eigenen vier Wände entschließt sich der Verstoßene, in den Wandschrank eines verlassenen Hauses zu ziehen.

Gemessen daran, dass es sich bei Schrankmensch um ein Projekt von Hobbyfilmern handelte, fängt der Kurzfilm die Thematik der Geschichte erstaunlich gut auf: Die fast schon kafkaeske Beklommenheit, die sexuellen und gewalttätigen Anspielungen innerhalb der Mutter-Kind-Beziehung und die Unfähigkeit, mit anderen Menschen zu kommunizieren machen Schrankmensch zu einer durchaus sehenswerten Adaption der Kurzgeschichte.

 

Kurzfilm: „Salt & Pepper“

Salt & Pepper von Keith Rivers kommt der Definition eines „Netzfilms“ schon sehr nahe: Der Filmemacher ist nämlich auf dem amerikanischen Kleinanzeigen-Netzwerk Craigslist zufällig auf eine Anzeige gestoßen, in der ein Mensch rund 2.000 Salz- und Pfefferstreuer verkaufen wollte. Rivers war fasziniert. Wer sammelt so viele Salzstreuer, was ist die Geschichte dahinter?

Also kontaktierte Rivers den Inserenten. Wie sich herausstellte, ist die Sammlung eine Familientradition, und die Verkäufer sind die Kinder eines älteren Ehepaars, das kürzlich in ein Seniorenheim umgezogen ist und die Sammlung deshalb aufgeben musste. Rivers bekam von der Familie eine ganze Reihe alter Homevideoaufnahmen geschenkt, und machte daraus diese wunderbare kleine Porträt, das er anschließend auf Vimeo veröffentlichte. Salt & Pepper zeigt, wie sich Themen an den unterschiedlichsten Orten finden lassen – wenn man nur die Augen offen hält.

 

Kurzfilm: „An African Race“

Und dann ist da wieder ein Kurzfilm, der nicht nur vom Thema her sondern auch in der Umsetzung fasziniert. Ben Ingham hat für An African Race im vergangenen Jahr die Tour of Rwanda begleitet, einem mehrtägigen Radrennen durch den ostafrikanischen Staat. Berühmte Teams und Fahrer bekommt man hier nicht zu Gesicht. Stattdessen fahren hier größtenteils afrikanische Rennfahrer, die anspruchsvolle Strecke durch nicht selten schwieriges Terrain wird nicht von Fans und Sponsoren, sondern vor allem von Bauern und Kindern gesäumt.

An African Race ist keine klassische Dokumentation, auch wenn er dokumentarischen Charakter hat. Es geht nicht nur um den Radsport, sondern um die Beziehung zwischen Rennfahrern und Zuschauern und den Effekt, die diese sonderbare Veranstaltung auf die verschlafenen Dörfer hat. Ingham gelingt es, sowohl die Begeisterung der Menschen als auch die Strapazen der Sportler einzufangen.

Mit zwölf Minuten Laufzeit, sehr behutsamen Schnitten, ohne Dialoge und Kommentare, und stattdessen einem durchgängigen Afrobeat-Soundtrack, der sich analog zu den Bildern immer wieder aufschaukelt und abebbt, wirkt An African Race geradezu meditativ. Ein großartiger Film.

 

Kurzfilm: „Captain T&T“

Filme aus dem karibischen Inselstaat Trinidad & Tobago sind definitiv nicht auf jedem Filmfestival der Welt anzutreffen. Schlicht zu klein ist die lokale Filmszene bei gerade einmal 1,3 Millionen Einwohnern. Dennoch hat sich Christopher Guinness mit seiner Produktionsfirma Bepperton inzwischen einen international bekannten Namen gemacht. Captain T&T heißt ihr neuester Kurzfilm. Er erzählt die Geschichte eines sechsjährigen Jungen auf der Suche nach seinen persönlichen Superkräften. Nun ja, jedenfalls so halb.

Tatsächlich ist Captain T&T nämlich eine ziemliche Tour de Force was die Erzählung und die technischen Aspekte angeht: Guinness variiert zwischen unterschiedlichsten Filmstilen, wechselt immer wieder vom Close-up in die Totale, filmt aus unüblichen Blickwinkeln und mit rasanten Kamerafahrten, und streut mittendrin sogar noch eine Trickfilm-Sequenz ein.

All das hat teils großartige Einstellungen und Bilder zur Folge. Gleichzeitig aber wirkt es an einigen Stellen etwas überambitioniert. Die Erzählung springt etwas zu schnell zwischen verschiedenen Ebenen und Zeiten. So driftet die Handlung in der Mitte etwas arg weit ab und verliert sich in Anspielungen auf häusliche Gewalt, auf Armut und Tierquälerei.

Glücklicherweise bekommt der Film zum Schluss aber noch die Kurve – und das ganz ohne Superkräfte – und endet mit einer inspirierenden, wenn auch etwas pathetischen Message: „The only thing necessary for the triumph of evil is that good men do nothing.“

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