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Arbeit und Automatisierung: „Humans Need Not Apply“

CGP Grey, der auf Reddit und durch seinen YouTube-Kanal mit aufwändigen Erklärvideos bekannt geworden ist, hat sich für seine neuste Arbeit Humans Need Not Apply mal dem Thema Automatisierung angenommen. Soll heißen: Robotern, Algorithmen und sonstigen technischen Helfern in der Arbeitswelt. Dass uns Roboter immer komplexere Aufgaben abnehmen, ist natürlich nicht neu, aber das Video lohnt sich schon aufgrund der Vielzahl an vorgestellten Projekten von Kaffeeautomaten über Flappy Bird bis hin zu automatisierter Landwirtschaft.

(via)

 

Netzfilm der Woche: „Where Do Lilacs Come From“

© Matthew Thorne
© Matthew Thorne

Einen „Abschied in Zeitlupe“ nannte der Vater des australischen Filmemachers Matthew Thorne einst die Alzheimer-Krankheit, unter der seine Großmutter litt. Thorne beschreibt diese Szene aus seiner Jugend auf der Crowdfunding-Seite seines Kurzfilms Where Do Lilacs Come From sehr genau, denn sie war es, die ihn inspiriert hatte. Im Film geht es um Michael und seinen Vater Chris, der an Demenz erkrankt ist – und der versucht, sich an seine verstorbene Ehefrau zu erinnern.

Das schwere Thema platziert Thorne in die sonnige australische Stadt Gold Coast. Where Do Lilacs Come From wechselt dabei immer wieder zwischen den Aufnahmen in Chris‘ großem, aber weitgehend verlassenen Haus – auch das eine Metapher für die Krankheit – und den befreiten Erlebnissen aus seiner Kindheit und Jugend.

Doch Thorne nutzt nicht nur klassische Rückblicke, sondern blendet die verschiedenen Zeitebenen übereinander. Plötzlich erscheinen in der Küche des Hauses alle Protagonisten an verschiedenen Punkten ihres Lebens, Erinnerungen und Homevideo-Aufnahmen überlagern sich und greifen einander auf. Dieser Effekt wirkt bisweilen verwirrend für die Zuschauer, erfüllt aber einen Zweck: Er soll den zerstreuten Erinnerungsprozess des Alzheimer-Patienten Chris widerspiegeln.

Natürlich bleibt das alles fiktiv, Thorne kann sich der Krankheit nur mit den Mitteln eines Filmemachers nähern. Doch mit nur wenig Dialog und einer umso beeindruckenderen Schauspielleistung von Joe Feeny als Chris, ist Where Do Lilacs Come From ein ebenso persönliches wie sanftes Porträt eines Abschieds.

 

Kurzfilm „Floating“

Musikvideos und Kurzfilme haben viel gemeinsam, und das liegt nicht nur an der begrenzten Länge. Beide erzählen eine Geschichte, die meist in medias res beginnt und die Zuschauer gleichzeitig nicht allzu verwirren sollte. Sie sind beide meist pointiert – und sie nutzen häufig Symbole und Allegorien. Auch Greg Jardin hat so manches Musikvideo in seinem Portfolio, was man auch seinem Kurzfilm Floating anmerkt.

Die Geschichte zweier Ballonwesen in der Großstadt, die unbeachtet von den Menschen um sie herum versuchen, sich zu treffen, funktioniert nämlich auch ohne Dialog und erzählt gleichzeitig eine symbolhafte Geschichte des Suchens, des Zerbrechens und des Findens.

 

Bitkom: 40 Millionen Deutsche streamen Videos

Für die Webvideo-Generation ist das Fernsehen nur noch eine Metapher. So lautet der schöne Titel eines aktuellen Artikels auf Venturebeat, der sich mit der veränderten Definition von Fernsehen im digitalen Zeitalter beschäftigt. Die These: „Fernsehen“ ist längst ein Sammelbegriff, der sämtlichen Videokonsum umfasst, unabhängig vom Medium oder der Größe des Bildschirms. Wenn junge Menschen sagen, sie „sehen fern“, dann kann das ebenso bedeutet, dass sie ein YouTube-Video auf ihrem Smartphone gucken.

Zudem kommt das Internet über die SmartTVs ohnehin immer häufiger auf den großen Bildschirm, die Grenzen, die lange Zeit zwischen dem Fernsehgerät im Wohnzimmer und dem Computer oder Laptop bestanden, verschwimmen. Auch wenn sich vor allem die Vordenker des Webvideos gerne vom traditionellen Fernsehen abgrenzen, könnten sie den Kampf um die Begrifflichkeit früher oder später verlieren: Bewegtbild ist Fernsehen – und auch wir sollten möglicherweise den Untertitel dieses Blogs nach fast drei Jahren noch einmal überdenken.

73 Prozent der Deutschen Internetnutzer streamen Videos

Passend dazu hat der Branchenverband Bitkom vergangene Woche neue Zahlen über die Nutzung von Online-Video in Deutschland vorgestellt: 40 Millionen Deutsche streamen der Erhebung zufolge Videos im Netz, das sind 73 Prozent aller Internetnutzer. 40 Prozent tun das mehrmals pro Woche, und wenig überraschend nutzen 53 Prozent von ihnen vor allem Videoportale wie YouTube.

Überraschender ist, dass 46 Prozent Beiträge in den Mediatheken der Fernsehsender gucken. Etwas, dass mich angesichts der Depublizierungspflicht, den chaotischen Lizenzen und bisweilen undurchsichtigen Suche doch sehr überrascht, aber das auch wieder die obige These verstärkt: Die Inhalte kennen immer seltener Grenzen zwischen den Medien.

Das größte Wachstumspotenzial gibt es bei den VoD-Angeboten: Diese nutzen laut der Bitkom-Umfrage nur 19 Prozent der deutschen Internetnutzer. Möglicherweise steigt diese Zahl in einigen Wochen, wenn Netflix seinen Dienst hierzulande startet. Und die Evolution des Fernsehens weitergeht.

bitkom-umfrage

 

Algorithmen im Alltag: „Looking Into Black Boxes“

© LIBB
© LIBB

Als Frau versuchen, im Internet die eigene Schwangerschaft zu verheimlichen, ist gar nicht so einfach. Denn dort gibt es einen hartnäckigen Gegner: Algorithmen, die unser Internetverhalten analysieren. Sagte man vor einigen Jahren schlicht, dass Computer überall um uns herum sind, ist heutzutage Algorithmus der gängige Begriff für alles, was im Alltag um uns herum Informationen verknüpft und neu ordnet.

Auch die Macher der neuen Webserie Looking Into Black Boxes haben es auf die Algorithmen abgesehen. Die erste Folge gibt es seit vergangener Woche auf YouTube, und sie führt die Zuschauer in die Notaufnahme des Unfallkrankenhauses von Berlin-Marzahn. Dort nämlich kommen wie in allen Krankenhäusern Algorithmen und Computertechnik zum Einsatz, von denen die Patienten nur am Rande mitbekommen.

„Es geht darum, besser zu verstehen, wie Software und Algorithmen die Gesellschaft, in der wir leben, verändern oder schon verändert haben“, sagt der Dokumentarfilmer Dirk Herzog von der Produktionsfirma 6sept13, der das Projekt gemeinsam mit Jan Rödger und Fiona Krakenbürger ins Leben gerufen hat. 3.000 Euro nahm das Trio im Frühjahr per Crowdfunding ein. Drei Episoden von Looking Into Black Boxes sollen daraus nun mindestens entstehen.

Die Rolle der interessierten Besucherin im Krankenhaus nimmt Krakenbürger im Verlauf der 14-minütigen Folge ein, kurze Animationen und Erzähler aus dem Off ergänzen das Format. Sie fragt die Ärzte und den Leiter der IT-Abteilung, was es mit dem Triage-System auf sich hat, wie Computer die Ärzte bei der Einweisung der Patienten unterstützen und wie die Ärzte mit Computern die mobile Visite vornehmen. Bei der Vergabe von Medikamenten etwa geben Computer gleich Tipps zur Dosierung oder warnen auf der digitalen Krankenakte vor Unverträglichkeiten mit anderen Mitteln.

Das klingt in der heutigen Zeit irgendwie logisch, doch es wirft natürlich Fragen auf: Welche Interessen haben die Entwickler und wie viel Macht die Computer und die dahinterstehenden Algorithmen? Und was wäre, wenn die Computer den Ärzten falsche Informationen liefern, die möglicherweise den Patienten schaden? Das komme nicht vor, versichern die Verantwortlichen im Krankenhaus, denn die Computer seien lediglich eine Unterstützung, die den Arzt nicht ersetzen kann. Jedenfalls noch nicht.

Looking Into Black Boxes geht es deshalb vor allem um diesen alltäglichen Blick auf die Thematik und weniger darum, tiefe Einblicke in die jeweilige Fach-IT zu erlangen, oder mit Jargon um sich zu werfen. „Der Versuch, erst mal zu verstehen, was man da gerade beobachtet. Das führt zwangsläufig zu anderen Fragen als denen von Experten“, erklärt Herzog. Das Projekt möchte zeigen, dass Algorithmen auch jenseits von Google längst unseren Alltag bestimmen. „Es ist wichtig, dass wir uns vergegenwärtigen, wie sehr Software in unserem Alltag bereits nicht mehr wegzudenken ist, auch wenn wir sie gar nicht sehen können“, sagt Krakenbürger.

Die Reaktionen auf die erste Folge sind größtenteils positiv, auch wenn einige Zuschauer sich noch etwas mehr Tiefe und Hintergrund gewünscht hätten. Das ist ein Problem, mit dem sich viele andere kurze Webvideo-Formate schwer tun. Das Team von Looking Into Black Boxes nimmt das Feedback mit in die nächsten Dreharbeiten. „Die Unterstützung motiviert uns und sie zeigt auch, dass das Angebot an Formaten, die über Software, Computer und Algorithmen möglichst niedrigschwellig informieren, noch lange nicht gesättigt ist“, sagt Krakenbürger.

 

„Apis Mellifera“: Bienen in Zeitlupe

Vor einigen Tagen erst las ich in der aktuellen Ausgabe der brandeins über die Bienenbox: Eine Art Mini-Bienenstock, den sich Städter bequem an den Balkon hängen können. Wer sich etwas einliest in die Bienenhaltung und Zucht kann sich somit sein eigenes Volk halten. Das ist wichtig, denn den Bienen geht es schlecht (Filmempfehlung dazu: More Than Honey), und in der Stadt finden sie immer besseren Lebensraum. Projekte wie die Bienenbox oder die Bienenkiste sind deshalb tolle Ideen, die ich aus Mangel eines Balkons leider nicht selbst ausprobieren kann.

Michael N. Sutton hat vor einigen Wochen ebenfalls Bekanntschaft mit Bienen gemacht – wenn auch nur mit der Kamera. Dreimal wurde er gestochen, aber das nimmt er den kleinen Tierchen nicht übel. Herausgekommen sind diese schönen Aufnahmen von apis mellifera in Zeitlupe, mit ziemlich brachialer aber irgendwie doch wieder passender Musik unterlegt. Ähnliche Bienen-Videos hier und hier, und hier noch ein kleiner Film zum Urban Beekeeping in New York.

Update 11.8.: Die Passage zum Leben der Bienen in der Stadt wurde geändert. Tatsächlich finden Bienen in Städten teilweise bessere Verhältnisse als auf dem Land, so paradox es klingen mag. Danke an @scout_bee für den Hinweis.

 

Hyperlapse: GoPro-Zeitraffer ohne Wackler

Die kleinen, robusten GoPro-Kameras auf dem Kopf oder dem Fahrradlenker gehören quasi zur Standardausstattung jedes modernen Abenteurers. Die kennen auch das Problem mit längeren Aufnahmen, etwa beim Wandern oder Bergsteigen, wenn man sie nicht erst mühsam schneiden möchte: Macht man daraus eine simple Timelapse, wackelt es so stark, dass man beim Angucken seekrank wird.

Eine Lösung für das Problem könnte ein Forschungsteam von Microsoft entwickelt haben. Johannes Kopf, Michael Cohen und Richard Szeliski haben mit Hyperlapse – so heißen auch die Timelapse-Aufnahmen mit sich bewegender Kamera – einen Algorithmus entwickelt, der aus den wackeligen Bildern eine sanfte Kamerafahrt zaubert.

Wie genau das geht, erklären sie in dem Dokument und in einem zweiten Video mit den technischen Details. Vereinfacht gesagt rekonstruiert die Software zunächst den Weg der Kamera, markiert spezielle Keyframes und setzt aus den Einzelbildern anschließend einen neuen Weg zusammen. Gleichzeitig passt die Software Details wie Weißabgleich an den Übergängen der einzelnen Bilder an, um diese möglichst nahtlos zu gestalten.

Das funktioniert in der Demo bis auf einige etwas unrunde Stellen durchaus beeindruckend, und besser als eine traditionelle Bildstabilisation. Die Microsoft-Forscher Szeliski und Knopf haben bereits an der 3D-Anwendung Photosynth mitgearbeitet, die ähnliche Funktionen bietet, um etwa begehbare Panorama-Aufnahmen zu erstellen. Hyperlapse soll es als Windows-App geben, ein genaues Datum wurde allerdings noch nicht genannt.

(via)

 

Netzfilm der Woche: „Whole“

© William Reynish
© William Reynish

Trennt man sich von einem langjährigen Partner, fühlt sich das oft so an, als fehlte auch dem Körper ein Teil. Der dänische Filmemacher William Reynish nimmt diesen Phantomschmerz in seinem animierten Kurzfilm Whole wörtlich: Die Protagonistin Mira siecht nach einer Trennung von ihrem Freund Michael vor sich hin und hat deshalb ein großes, rundes Loch in ihrem Oberkörper. Als die Aufmunterungsversuche ihrer extrovertierten Freundin Ingeborg fehlschlagen, trifft Mira zufällig einen Schamanen, der ihr erklärt, sie müsse ihr Krafttier finden, um wieder ganz zu werden.

Aus dieser Geschichte wurde einer der kreativsten Animationsfilme der jüngeren Zeit: Mit seinem ungewöhnlichen Look und der übernatürlichen Geschichte nimmt Whole die Zuschauer mit auf Miras Trip durch eine Fantasiewelt auf der Suche nach sich selbst. Mit Motion Graphics, Licht- und Schattenspielen, kreativen Figuren und optischen Illusionen ist der Film vor allem ein Fest für die Augen, doch auch die Audioeffekte und dänischen Sprecher sind auf einem hohen Niveau.

Whole entstand als Abschlussarbeit an der dänischen Filmschule. Anders als unter Animationsstudenten üblich, hat Reynish fast ausschließlich die freie Software Blender für den Film verwendet, und die Einzelteile sollen später noch unter einer Open-Source-Lizenz im Netz landen. Ein Jahr lang hat die Arbeit von der Idee bis zum fertigen Film gedauert.

In der Zeit änderte sich die Story mehrmals, wie Reynish dem Blog Render Street sagte. Inspiriert von selbsterklärten Schamanen unter seinen Nachbarn, wollte Reynish ursprünglich einen Film über das halluzinogene Getränk Ayahuasca drehen. Am Ende aber wählte er mit der Trennung ein Thema, mit dem sich die Zuschauer eher identifizieren können, und verlegte den Handlungsort aus dem Dschungel Ecuadors in eine europäische Großstadt.

Es ist genau dieser Kontrast zwischen der dunklen, unheimlichen Stadt und der farbenfrohen Fantasiewelt, der Whole so interessant macht. Und wie Alice im Wunderland, in dem ebenfalls eine junge Frau durch ein „Loch“ in die Parallelwelt gelangt, ist Reynishs Arbeit etwas abgefahren, am Ende aber auch ähnlich liebevoll gestaltet.

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