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Netzfilm der Woche: „Inseparable“

Joe und Charlie sind Zwillinge, doch ihr Leben könnte kaum unterschiedlicher sein. Joe hat Frau und Kind, er steht mitten im Leben. Charlie verbringt seine Zeit mit Trinken und Wetten, die er meist verliert. Das Schicksal bringt die Brüder wieder zusammen: Als bei Joe ein unheilbarer Hirntumor festgestellt wird, bekommt Charlie plötzlich eine zweite Chance im Leben.

Bis der Zuschauer durchschaut, dass es sich bei Joe und Charlie tatsächlich um zwei Personen handelt, braucht es einige Minuten. Langsam entfaltet sich die Story von Inseparable. Und spitzt sie zu auf ihren großartigen Hauptdarsteller: Benedict Cumberbatch, bekannt als Sherlock Holmes in der gleichnamigen TV-Serie, spielt die Doppelrolle der Zwillinge.

Wie allen guten Kurzfilmen gelingt es Inseparable, eine Geschichte, die problemlos auch einen Spielfilm füllen könnte, auf den Punkt genau zu erzählen. Erstaunlich ist, wie wenig Dialog und Schauplätze der Regisseur Nick White dafür benötigt. Keine Szene des Films, produziert britischen Studios Area 17 wirkt gezwungen oder überhastet. Alles ist fokussiert auf den Protagonisten in seiner Doppelrolle, dessen Regungen und Gesichtsausdrücke die Story fast alleine tragen. Einzig das Ende bleibt fast schon standesgemäß offen – und damit auch die Antwort auf die Frage, ob eine zweite Chance wirklich immer wünschenswert ist.

 

Information = Währung: „Exposing the Invisible“

Können Journalisten von der organisierten Kriminalität lernen? Ja, glaubt der Rumäne Paul Radu. Als einer der bekanntesten investigativen Journalisten seines Landes beschäftigt er sich mit Kriminalität und deren Aufdeckung – und hat dabei so einiges für seinen Job gelernt. Während nämlich Polizei, Behörden und oft auch Medien selten oder wenn dann nur behäbig über die Landesgrenzen hinweg zusammenarbeiten, hat das Verbrechen dieses Verfahren längst perfektioniert. Für Radu bedeutet das im Umkehrschluss: Auch Journalisten müssen kollaborativ, transparent und international in Netzwerken arbeiten. Ihre Währung ist dabei nicht Geld, sondern Informationen.

Exposing the Invisible heißt die neue Webserie des Tactical Technology Collectives, einer Non-Profit-Organisation für digitalen Aktivismus. In der ersten Folge Our Currency Is Information erzählt Paul Radu von seinen Projekten, in denen er und seine Kollegen unter anderem weltweit agierende Firmenkonglomeraten und Geldwäsche auf die Schliche gekommen sind. Neben klassischer Recherche haben sie dazu auch neue, digitale Techniken angewandt, um die Daten zu visualisieren und daraus wiederrum neue Erkenntniss zu gewinnen – Stichwort Datenjournalismus. In den nächsten Folgen sollen weitere Reporter, Hacker und Aktivisten erzählen, wie sie mit der Digitalisierung arbeiten.

 

„A Letter From Fred“

Nach Pixelmaler Hal Lasko schickt sich nun ein weiterer Neunzigjähriger an, das Netz zu erobern. Die Geschichte von Fred Stobaugh ist jedenfalls nicht minder herzerwärmend: Das Green Shoe Studio aus Peoria in Illinois hatte einen Singer/Songwriter-Contest ausgerufen, um talentierte Künstler aus der Region kennenzulernen. Das Ganze sollte über YouTube laufen. Eines Tages aber lag ein Brief von Fred in der Post: Der 96-jährige hatte vor kurzem seine Frau verloren und den Aufruf in der Zeitung gesehen.

Also hat Fred seiner verstorbenen Gattin einen Song geschrieben. Da er aber nicht singen kann, hat er den Text kurzerhand per Post verschickt. Die Verantwortlichen fanden die Aktion so toll, dass sie Fred anschließend besuchten und ihn gemeinsam mit einem professionellen Musiker (und etwas Autotune) dazu brachten, das Lied doch selbst einzusingen. A Letter From Fred erzählt diese Geschichte. Den Contest hat Fred zwar am Ende nicht gewonnen, aber auch Oh Sweet Lorraine gibt es inzwischen auf iTunes.

(via)

 

„Buzzfeed“ über das Ende des gedruckten Wortes

In Deutschland diskutiert man gerade – wieder einmal – über die Zukunft der Zeitung, und hört dabei – wieder einmal – dieselben Warnungen, Meinungen und Prognosen. Passend dazu schmeißt Buzzfeed, das Onlineportal von Jonah Peretti, das mit lustigen Listen, viralen Inhalten und Social-Media die Werbetreibenden verzückt, dem gedruckten Wort eine Abschiedsparty. Natürlich standesgemäß auf YouTube.

Wer nun glaubt, dass es sich bei dem kurzen Video um einen hämischen Abgesang auf die gesamte Printbranche handelt, irrt. Im Gegenteil, es ist eine fast schon sentimentale Hommage an das gedruckte Wort, das es auch weiterhin geben wird – aber eben im kleineren, im persönlicheren Rahmen: Print ist nicht tot, es geht nur langsam in die – wohlverdiente – Rente. Und auch für den Journalismus gibt es Hoffnung: „Good journalism, good storytelling, these are things that transcend the mode of delivery.“ Kein Wunder, dass Buzzfeed gerade investigative Journalisten sucht, um das Longform-Ressort auszubauen.

 

„Other Places“: Reiseführer durch die Pixelwelt

Von schneebedeckten Berggipfeln zum blauen Ozean, von schillernden Metropolen hin zu staubigen Wüstenlandschaften: Other Places nennt der britische Gamesjournalist Andy Kelly eine Serie von Videos auf YouTube, die er vergangene Woche ins Leben rief, und die bereits jetzt über 150.000 Abrufe hat. Hinter dem Reiseführer der besonderen Art verstecken sich ausschließlich Szenen aus Videospielen. Und das ausnahmsweise mal ganz ohne Waffen und Kämpfe, ohne Magie und Missionen.

Für Kelly ist Other Places sowohl eine Hommage an die Entwickler der Spiele als auch eine Ode an die immer wieder faszinierenden Videospielwelten. In den kurzen Videos geht es deshalb auch nicht um das Gameplay, sondern ausschließlich um Landschaften. Gänzlich kommentarlos schwebt die Kamera durch die Welt des jeweiligen Spiels. Die besinnliche Musik verleiht den Aufnahmen etwas Beruhigendes, nahezu Kitschiges – im positiven Sinne.

Zehn dieser kleinen Reisen hat Kelly bereits unternommen. Sie führen die Zuschauer in Klassiker wie Half-Life 2 und Alan Wake, aber auch in neue Welten wie die Wolkenstadt Columbia aus Bioshock Infinite und den düsteren Moloch von Dunwall aus Dishonored. Die Idee kam Kelly, als er, wie so viele Spieler, die offene Welt von Skyrim erkundet hat. Mithilfe der Entwicklerkonsole flog er durch die Welt und erlangte so ganz neue Eindrücke über die Schönheit des Spiels.

Die Welt als aktiver Teil des Spiels

Wie Kelly dem Blog Video Game Tourism erzählt, faszinieren ihn Welten, denen man nicht ansieht, dass sie nach und nach zusammengesteckt wurden. Stattdessen sollen sie den Eindruck vermitteln, dass man tatsächlich darin leben könnte.

Die Spielewelt nicht bloß als Kulisse für die Story, sondern als aktiven Teil des Spiels zu gestalten, ist immer häufiger das Ziel der Entwickler, allen voran Open-World-Games wie GTA oder Skyrim. Dabei benötigt es gar keinen Fotorealismus, wie ihn etwa die Shooter-Reihe Crysis versucht, um Videospielwelten eindringlich zu gestalten. Indietitel wie Journey oder Proteus faszinieren gerade durch ihren Minimalismus, und auch die Klötzchenwelt von Minecraft ermöglicht beeindruckende Landschaften ohne auch nur annähernd realistisch zu sein.

Other Places folgt der Tradition der In-Game-Fotografie. Bei dieser Kunstform suchen die Spieler nach möglichst interessanten, kunstvollen oder auch experimentellen Motiven innerhalb des Spiels, die per Screenshot oder auch per Kamera abgeknipst werden. Längst ist daraus eine Szene entstanden. Der Brite Duncan Harris alias deadendthrills gilt nicht nur als Pionier, sondern sammelt auf Flickr auch besonders gelungene Exemplare, ebenso wie das Sub-Reddit GamerPorn. Auch Rainer Sigl von Video Game Tourism stellt regelmäßig Arbeiten vor.

Dass sich das Konzept auch auf Bewegtbilder übertragen lässt, hat natürlich nicht nur Andy Kelly entdeckt. Die YouTube-Kanäle Polygon Fragments und National Gameographic etwa enthalten ganz ähnliche Videoserien.

Auch der irische YouTube-User Jacksepticeye hat im vergangenen Jahr eine Serie unter dem Titel The Beauty Of… veröffentlicht. Der Unterschied zu Other Places besteht darin, dass er Szenen direkt aus den Missionen genommen hat, man die Spielfigur also sieht, was zumindest etwas von den Landschaften ablenkt.

Damit Kelly das nicht passiert, hat er für Other Places so manche Tricks angewandt. Denn nicht alle Spiele lassen sich einfach mit einer freischwebenden Kamera erkunden. Bei einigen Titeln musste er dabei auf Hacks aus der Community zugreifen oder, wie im Fall von Dishonored, viele kurze Szenen zusammenschneiden. Seine Motivation und Faszination bremst das nicht. Kelly hat bereits weitere Videos geplant.

 

Killer App

Eine Killer App. Buchstäblich. Natürlich NSA Approved.

Eine Arbeit von bitteschön.tv

 

Web-Projekt zur Bundestagswahl: „Eine Stimme“

Am 22. September ist Bundestagswahl. Während der Wahlkampf in die heiße Phase geht, hören wir immer mehr Stimmen und Meinungen. Die meisten davon kommen von den Politikern. In scheinbar immer den gleichen Fernsehinterviews und von Plakaten herab erzählen sie uns, wieso ihre Partei es besser kann und deshalb die Stimme der Bürger verdient hätte.

Um Stimmen geht es auch bei Eine Stimme, einer Aktion des Projekts Grundversorgung 2.0 der Leuphana Universität Lüneburg. Seit Juli veröffentlichen die Initiatoren auf YouTube Interviews mit Musikern und Künstlern. Darin erzählen die Befragten, welche Themen sie persönlich wichtig finden, was sie von der jetzigen politischen Situation in Deutschland halten und was sie sich für die Wahl wünschen. Und zwar ohne das Parteibuch zu zücken.

Zwar sind einige Standpunkte der Befragten erwartbar, etwa wenn ein Markus Beckedahl von Netzpolitik stärkeren Datenschutz einfordert, oder Steffen Geyer von der Hanfparade sich eine neue Drogenpolitik wünscht. Bisweilen stecken in diesen kurzen Gesprächen aber auch interessante neue Aspekte und Blickpunkte. So erklärt der Punk-Musiker Rummelsnuff, wieso Politik für ihn verlogen ist, und Battle-Rapper Weekend erzählt von seinem Daytime-Job als Sozialarbeiter und bekommt dabei unter anderem auf das Betreuungsgeld zu sprechen.

Letztlich geht es Eine Stimme darum: Die digitale Generation zum Nachdenken und einen politischen Diskurs, wenn auch nur im Kleinen, anzustoßen.

 

Netzfilm der Woche: „One Rat Short“

Ratten und Filme, das ist eine ebenso schwierige Angelegenheit wie Ratten und Menschen. Die einen sehen sie als keimtragende Nagetiere, die anderen halten sie als schlaue Haustiere. Im Film sind sie gerne ein Zeichen für Schmutz und Tod, oder, wie bei Ratatouille, Erfinder und Überlebenskünstler.

Ein Jahr bevor Ratatouille den Ruf der Filmratten wieder etwas aufpolierte, erschien One Rat Short. Der animierte Kurzfilm von Alex Weil des New Yorker Studios CHRLX räumte im gleichen Jahr den Best of Show Preis auf dem renommierten SIGGRAPH Animationsfestival ab. Doch abgesehen von seinen pelzigen Protagonisten haben die beiden Filme nicht viel gemeinsam.

So verzichtet One Rat Short weitestgehend auf Anthropomorphismus: Die Ratten bleiben, nun ja, Ratten. Keine großen Kulleraugen, keine Hände, kein Dialog. Stattdessen sehen wir eine neugierige Ratte, die, von einer leeren Chipstüte angezogen, den Weg in ein High-Tech-Labor schafft. Dort trifft sie auf viele Artgenossen, die bewacht von einem HAL9000-mäßigen Roboter auf ihr schnelles Ende warten. Glück für sie, dass unser Held, wenn auch eher ungewollt, etwas dagegen hat.

Dass One Rat Short in den vergangenen Jahren immer mal wieder auftauchte und trotzdem nie wirklich den Durchbruch schaffte, ist überraschend. Nicht nur ist die Animation für die damalige Zeit exzellent, auch heute noch kann der Film mit anderen, aktuellen Animationen problemlos mithalten. Zum einen gelingt es den Machern hervorragend, den Kontrast zwischen der heruntergekommen Stadt und dem sterilen Labor einzufangen. Zum anderen gelingt One Rat Short in der kurzen Zeit mühelos der Spagat zwischen Action und Story. Deren Ende dann aber doch menschlich, allzu menschlich ist.