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Die aktuelle Lage im Irak (3)

mosulparadeVorbemerkung: Dieser Post bildet den Stand von Montag, den 16. Juni, 11 Uhr ab. Von Yassin Musharbash

Hinweise auf Massenexekutionen durch Isis

Die Hinweise, dass der Islamische Staat im Irak und Großsyrien (Isis) massenhaft irakische Soldaten exekutiert hat, verdichten sich massiv. Es geht möglicherweise um bis zu 1.700 Menschen. Seit dem Wochenende werden über teils offizielle, teils sympathisierende Twitter-Accounts Bilder verbreitet, die am Boden liegende Männer zeigen, auf welche Isis-Kämpfer schießen. Es ist naheliegend, dass es sich bei den Opfern um geflüchtete Regierungssoldaten handelt. Isis-Berichten zufolge handelt es sich um schiitische Soldaten.

Die Bilder sind signiert von der „Provinz Salaheddin“ des „Islamischen Staates“. Ihre Authentizität lässt sich nicht unabhängig beweisen, ich halte sie aber für echt. Darauf deuten Stil, Aufmachung und Bildtexte sowie die Verbreitungswege hin. Außerdem die Tatsache, dass Isis-Sympathisanten sie ausnahmslos für echt zu halten scheinen. Über Zahlen kann man trotzdem keine seriöse Aussage treffen. Die Zahl 1.700 geht zurück auf Isis-nahe Tweets vom Freitag, die aber noch nicht von Bildern begleitet gewesen waren. Aus anderen Ortschaften meldet Isis, dass viele Soldaten sich entweder ergeben hätten und nun „Reue üben“, oder geflohen seien. Auch das ist wahrscheinlich, aber im Detail im Moment nicht überprüfbar.

Wie geht der Isis-Vormarsch weiter?  

Isis-nahe und offizielle Twitter-Accounts der Organisation behaupten, zuletzt die Ortschaft Tal Afar nahe Mossul eingenommen zu haben. Andere Berichte behaupten, die Dschihadisten seien in einem Ort 15 Kilometer vor Bagdad aufgetaucht. Unabhängige Bestätigungen fehlen. Ende vergangener Woche hatte der offizielle Isis-Sprecher Adnani die Kämpfer auf die Ziele Bagdad und Kerbala eingeschworen. Aber ich halte es für möglich, dass das mehr Propaganda oder Agitation als taktische Planung ist. Die Isis-Kämpfer sind, militärisch gesprochen, vermutlich bereits „überdehnt“; in Bagdad und Kerbala würden sie ohne Zweifel auf massiven Widerstand stoßen, der ihnen zahlenmäßig überlegen sein dürfte. Der Versuch, eine dieser Städte ernsthaft einzunehmen, würde die bisherigen Erfolge aufs Spiel setzen.

Andererseits gibt es glaubwürdige Berichte in der arabischen, aber auch internationalen Presse, denen zufolge sich kleinere Gruppen des irakischen Widerstands mit Isis zusammengetan haben. Darunter sollen auch ehemalige Angehörige des Baath-Regimes von Saddam Hussein sein, also nicht gerade dschihadistische Kräfte – wohl aber Kräfte, die gegen die schiitisch dominierte Regierung des Irak sind und über militärisches Know-how verfügen. Ich kann diese Berichte nicht bestätigen und auch nicht einschätzen, wie wirksam solche Allianzen wären.

Wie viel Vermögen hat Isis?  

Am gestrigen Sonntag berichtete der Guardian, dass den irakischen Sicherheitsbehörden zwei Wochen vor der Einnahme von Mossul ein wichtiger Isis-Kurier ins Netz gegangen sei. Zwei Tage vor dem Fall der Stadt sei er zum Reden gebracht worden. Daraufhin hätten die Sicherheitskräfte 160 Memorysticks in ihren Besitz bringen können, aus denen unter anderem die Namen von Isis-Kämpfern sowie die finanziellen Verhältnisse der Terrorgruppe hervorgingen. Demnach verfügte die Organisation vor der Einnahme Mossuls über 875 Millionen US-Dollar; danach seien weitere 1,5 Milliarden (sic!) US-Dollar durch Bankraube hinzugekommen.

Dieser Betrag ist atemberaubend hoch. So hoch, dass Isis damit auf Jahre hinaus nicht nur im Irak und in Syrien alles und jeden kaufen könnte, was ihre Lage stabilisiert, sondern noch genug übrig bliebe, um an jedem Ort der Welt einen spektakulären Anschlag zu planen. Ich bin aber skeptisch. Die Quellen für die Zahlen sind irakische Sicherheitsbehörden, die erstens in der Vergangenheit keine besonders vertrauenswürdigen Informanten waren und zweitens im Moment ein akutes Interesse daran haben, Isis möglichst groß und mächtig darzustellen, um internationale Unterstützung für die Bekämpfung zu organisieren. Angeblich wurden die Informationen mit den US-Geheimdiensten geteilt. Abwarten, ob aus der Richtung irgendwelche Einschätzungen kommen werden, mit denen man mehr anfangen kann.

Und sonst?  

Twitter hat übers Wochenende eine ganze Reihe offizieller Isis-Accounts suspendiert. Noch hat die Organisation keine alternativen Adressen zur Verfügung gestellt.

Die Jordan Times berichtet, am Wochenende habe Isis in Jordanien eine Filiale eröffnet. Das ist kaum zu überprüfen, aber naheliegend. Die Organisationen, aus denen Isis hervorgegangen ist, haben mehrfach in Jordanien zugeschlagen und betrachten das Regime in dem kleinen Nachbarland des Irak als feindlich.

In Spanien gab es heute Festnahmen von angeblichen Mitgliedern einer Isis-Zelle. Laut BBC handelt es sich um acht Männer, einer von ihnen angeblich ein ehemaliger Guantanamo-Insasse. Sie sollen vorgehabt haben, Rekruten für Isis zu finden. Bereits am Wochenende wurde in Deutschland ein mutmaßlicher Dschihadist aus Frankreich festgenommen, der in Syrien gewesen sein soll. Details kenne ich noch nicht, trage sie aber gegebenenfalls nach.

 

 

Die aktuelle Lage im Irak (2)

Vorbemerkung: Dieser Text bildet den Stand von Freitag, dem 13. Juni, 15 Uhr ab. 

ISIS-FathNeue Eroberungen durch Isis

Am gestrigen Donnerstag hat die Dschihadisten-Gruppe Isis weitere Ortschaften eingenommen. Laut Al-Jazeera sind darunter sechs Dörfer nahe Baquba in der Provinz Diyala, die an den Bezirk der Hauptstadt Bagdad angrenzt. Laut BBC und Al Jazeera wurden außerdem die Orte Saadiya und Dschalaula eingenommen, ebenfalls in der Provinz Diyala gelegen. Damit ist Isis nachweislich zwischen 60 und 80 Kilometer vor Bagdad angekommen. Meldungen, dass Isis-Kämpfer über Nacht bis auf 30 Kilometer an Bagdad vorgerückt sind, sind unbestätigt.

Ansonsten sind wir jetzt in einem Stadium angekommen, wo die Berichte der Konfliktparteien sich überlagern und Unklarheiten verstärken. Ein Beispiel ist die Lage in der Stadt Tikrit. Sie wurde vorgestern offenbar von Isis eingenommen, fiel aber schon am Donnerstag zahlreichen Berichten zufolge wieder in die Hände der irakischen Regierung. Zugleich wird aber aktuell Propagandamaterial von Isis-Anhängern verbreitet, dass zum Beispiel zeigt, wie sie in Tikrit Gefangene abführen – Bilder, die also vermutlich entstanden, bevor Isis die Stadt wieder aufgab. Solche Überlagerungen werden künftig vermehrt auftreten.

Isis stellt Regeln auf

Am Donnerstag verbreitete die offizielle Isis-Pressestelle für die Provinz Ninive (Ja, so etwas gibt es) ein zweiseitiges Dokument, in dem die neuen Regeln verkündet werden, die für nunmehr unter Isis-Herrschaft lebende Iraker gelten. Das Dokument ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit authentisch, zum einen, weil es inhaltlich zu ähnlichen, früheren Proklamationen passt, zum anderen weil es über die Kanäle verbreitet wurde, die Isis nachweislich schon länger nutzt, zum dritten, weil Isis-Anhänger wie Isis-Gegner es für echt halten.

Die wichtigsten Punkte in Kürze:

  • Alle Muslime sollen fünf Mal am Tag zum Gebet in der Moschee erscheinen
  • Frauen sollen die Häuser nur in zwingenden Fällen verlassen
  • Wer erbeutetes Geld stiehlt, dem wird die Hand abgehackt
  • Versammlungen, die nicht von Isis einberufen wurden, sind verboten
  • Tabak, Alkohol und Zigaretten sind verboten
  • Regime-Angehörigen wird mitgeteilt, dass „der Weg der Reue unversperrt“ sei. Es würden demnächst Pläne vorgestellt, wie mit diesen Personen umzugehen sei.

Gefangene und Getötete

In den Gebieten, in denen Isis einmarschiert ist, gab es Tote und Gefangene. Ich habe gestern schon über Bildmaterial von offenkundigen Hinrichtungen geschrieben. Nun gibt es Videos, die wohl gestern oder vorgestern in Tikrit aufgenommen wurden. Sie zeigen Hunderte gefesselte Gefangene, die in einer langen Kolonne eine Straße entlanggeführt werden. Was genau das zu bedeuten hat, ist unklar. Mutmaßlich handelt es sich um irakische Regierungssoldaten. Isis-Anhänger behaupten, es gebe mittlerweile über 4.500 Gefangene. Diese Zahl lässt sich unmöglich verifizieren.

Wie mit den Gefangenen verfahren wird, davon gibt derweil womöglich ein Tweet eine Ahnung, der über mehrere Isis-nahe Twitter-Accounts verbreitet wurde. Demzufolge seien 1.700 festgenommene Soldaten begnadigt worden (es soll sich um Sunniten handeln), während 2.500 dieses Glück nicht hatten (angeblich waren sie Schiiten). Was mit den Letzteren geschah, ist nicht eindeutig. Einige Isis-nahe Aktivisten behaupten, sie seien exekutiert worden, aber das ist vollkommen unbestätigt. Um es ganz klar zu sagen: Die Bilder hingerichteter Soldaten, die ich bisher kenne, zeigen Einzelpersonen oder kleine Gruppen; so wenig ich Massenhinrichtungen ausschließe, so wenig Belege dafür oder Hinweise darauf jenseits unverifizierter Twitter-Meldungen habe ich bisher gefunden. Laut BBC haben die UN 17 Hinrichtungen von Zivilisten dokumentieren können.

Was kommt als Nächstes?

Ob die Isis-Kommandeure ihre Offensive mit derselben Geschwindigkeit weiterführen wollen, lässt sich im Moment (Stand Freitagvormittag) noch nicht eindeutig sagen. Laut Al Jazeera hat mindestens einer dieser Kommandeure angekündigt, man wolle Nadschaf und Kerbala angreifen – zwei den Schiiten sehr wichtige Städte, was deswegen auch ziemlich sicher zu schwersten Kämpfen führen würde. Andere Isis-Anhänger behaupten derweil, die Offensive auf Bagdad habe begonnen. Im Laufe des Tages wird die Lage vermutlich etwas klarer werden.

Der Iran hat unterdessen versichert, auf der Seite der irakischen Regierung zu stehen. Offiziell geht es nun um diplomatische Einflussmöglichkeiten. Derweil häufen sich (unbestätigte) Medienberichte, dass paramilitärische iranische Einheiten bereits im Irak eingetroffen seien.

Und sonst?

Es gibt ein interessantes Twitter-Posting eines Isis-Sympathisanten (vielleicht auch -Kämpfers?), der seiner Hoffnung Ausdruck verleiht, dass die Geiseln, die Isis genommen hat, unter anderem gegen „Abu Osama al-Almani“ ausgetauscht werden. Dabei dürfte es sich um Mohammed Mahmoud handeln, einen österreichischen Hassprediger, der sich seit Monaten in der Türkei in Haft befindet. Er war wohl auf dem Weg nach Syrien gewesen, um dort zu kämpfen. Mahmoud hat in Österreich zuvor schon eine Gefängnisstrafe wegen Terrorismus abgesessen, er ist einer der einflussreichsten deutschsprachigen Dschihadisten.

Eine letzte Bemerkung noch: Ich bin gestern gefragt worden, ob ich mehr Quellenangaben machen könnte. Wo das sich anbietet, will ich das gerne tun. Aber ich möchte an dieser Stelle nicht auf dschihadistische Internetseiten verlinken. Zum einen, weil das oft keinen Sinn macht, wenn diese Seiten passwortgeschützt sind. Zum zweiten, weil die fast alle arabischsprachig sind, der Mehrwert für die breite Leserschaft hielte sich also in engen Grenzen. Sehen Sie mir also nach, wenn ich darauf verzichte.

 

Die aktuelle Lage im Irak (1)

Dieses wird das erste von voraussichtlich einer ganzen Reihe ähnlicher Postings. Ich glaube nämlich, dass es sinnvoll ist, jeden Tag in Kürze zusammenzufassen, welche der sich überschlagenden Meldungen aus dem Irak bestätigt sind und welche nicht, welche vermutlich Gerüchte sind und welche eine Grundlage haben könnten. Von Yassin Musharbash

Was hat Isis in Mossul erbeutet?

Vor allem über Twitter verbreiten Dschihadisten Unmengen von Fotos angeblicher Beute aus der Übernahme der Stadt Mossul im Nordirak Anfang der Woche. Es ist schwer zu verifizieren, dass es sich bei den Absendern wirklich in jedem Fall um Teilnehmer an der Schlacht handelt, aber in diesem Fall lässt die schiere Menge an ähnlichen Bildern eine gezielte Desinformationskampagne unwahrscheinlich erscheinen. Ich gehe davon aus, dass zumindest das Folgende als gesichert gelten kann: Isis hat in Mossul eine größere Anzahl Militärfahrzeuge erbeutet, darunter auch Panzerfahrzeuge. Aktuelle Bilder zeigen, wie diese Fahrzeuge bewegt werden, die Dschihadisten behaupten: über die Grenze nach Syrien, um dort die Kampfanstrengungen von Isis zu unterstützen.

Immer wieder wird auf dschihadistischen Websites, aber auch in arabischsprachigen Online-Medien behauptet, Isis seien mehr als 400 Millionen US-Dollar in bar in die Hände gefallen. Es gibt ein Bild, das einen riesigen Stapel Bargeld zeigt und angeblich von der Einnahme Mossuls stammt. Aber das hat keine Beweiskraft. Tatsächlich gibt es für die Behauptung, es sei Geld in solchen Größenordnungen erbeutet worden, keinen Beleg. Es gibt angeblich eine Aussage eines irakischen Offiziellen, die das zu bestätigen scheint. Aber auch diese Aussage hat nicht die Kraft einer unabhängigen, überprüfbaren Bestätigung. Es bleibt daher einstweilen unklar, ob und wenn ja wie viel Geld Isis erbeutet hat.

Sicher ist hingegen, dass Isis in Mossul den zivilen und wohl auch einen militärischen Flughafen übernommen hat. Am Anfang wurde behauptet, dabei seien Black Hawk-Helikopter erbeutet worden. Dafür fehlt jeder Beweis. Zumal die irakische Armee (nach Aussage mehrerer Experten) über keine Black Hawks verfügt. Dschihadisten stellten aber zahlreiche Bilder von anderen Hubschraubern ins Netz. Gut möglich, dass das stimmt. Auf einer wichtigen dschihadistischen Website wurde am Donnerstagmorgen behauptet: „Wir bestätigen, dass die ersten Flugzeuge, die Isis übernommen hat, einen Testflug absolviert haben.“ Das riecht allerdings nach Propaganda. Es ist jedenfalls nicht bekannt, dass es überhaupt Piloten bei Isis gibt.

Wurden Gefangene freigelassen?

Ja. Es gibt Fotos, die freigelassene Gefangene in Mossul und an anderen Orten zeigen. Es handelt sich zumindest zum Teil offenbar um solche Gefangene, die unter Terrorverdacht standen oder wegen Terrors verurteilt wurden (was im Irak nicht immer dasselbe heißen muss wie in einem funktionierenden Rechtsstaat!). Nach Isis-Angaben sind es weit über 1.000 Gefangene, die freigelassen wurden. Das lässt sich nicht ohne Weiteres verifizieren. Aber die Angaben deuten daraufhin, dass ganze Gefängnisse geöffnet wurden. Es könnten also wirklich viele Freigelassene sein.

Wie hat die irakische Armee reagiert?

Ziemlich sicher stimmen die Berichte, nach denen die Armee zumindest in Mossul die Stadt mehr oder weniger kampflos den Dschihadisten übergeben hat. Es gibt Bilder, die ausgezogene Uniformen am Straßenrand zeigen, darüber hinaus Fotos aus übernommenen Polizei- und Armee-Checkpoints mit zurückgelassenen Dokumenten, die auf einen hastigen Rückzug deuten. Auch aus anderen Städten, vor allem Tikrit, wurde berichtet, dass die Regierungssoldaten sich zurückgezogen haben, statt zu kämpfen. Auch heute sollen wieder Soldaten desertiert sein.

Es gibt aber auch Bilder von durch Isis-Kämpfer getöteten und übel zugerichteten Regierungssoldaten, punktuell kam es also offenbar zu Kampfhandlungen – oder auch zu Morden, falls die Soldaten sich zuvor ergeben haben sollten. Die Kommentare der Dschihadisten lassen diese Möglichkeit offen, denn sie schreiben sehr deutlich darüber, dass die Soldaten aus Rache sterben mussten.

Dschihadisten behaupteten am Donnerstag, über 100 irakische Regierungssoldaten hätten sich Isis angeschlossen. Dafür fehlt aber jede unabhängige Bestätigung. Es könnte sich um Propaganda handeln.

Unbestätigt, aber nicht unwahrscheinlich sind Berichte, dass Isis am Donnerstagmittag mit einigen Kämpfern 90 Kilometer vor Bagdad stand. Am Tag zuvor waren sie in Tikrit, das 150 Kilometer von der Hauptstadt entfernt liegt. Mehrere Isis-Führer haben zudem angekündigt, es werde einen Sturm auf Bagdad geben. Aber taktisch scheint es ziemlich waghalsig, diesen Vorstoß jetzt schon zu wagen, denn Isis verfügt über nicht mehr als 10.000 Kämpfer, die mittlerweile über ein großes Gebiet verteilt sind. Um Bagdad einzunehmen, müssten sie sich zuvor wohl zusammenziehen.

Am Donnerstagmittag gab es zudem unbestätigte Medienberichte, denen zufolge die Stadt Tikrit wieder unter Regierungskontrolle steht. In der Umgebung von Samarra sei zudem die Luftwaffe gegen Isis eingesetzt worden.

Und sonst?

In der nordirakischen Stadt Kirkuk haben kurdische Sicherheitskräfte die Kontrolle über die irakische Armee übernommen; Hintergrund ist offenbar, dass sie sich bereit machen für den Fall, dass Isis die Offensive dorthin trägt. Quelle ist unter anderem die Nachrichtenagentur Reuters.

Iraker berichten über Twitter, dass Isis bislang Zivilisten verschont habe. Demgegenüber stehen allerdings Bilder und Videos, die zeigen, wie Isis-Kämpfer Menschen hinrichten. Die Dschihadisten behaupten natürlich, es handle sich dabei ausnahmslos um verurteilte Kollaborateure mit dem Regime in Bagdad (die Hinrichtungen wären trotzdem Kriegsverbrechen) oder um „Abtrünnige“ beziehungsweise „Schiiten“ (was ebenfalls Kriegsverbrechen darstellen würde).

Etwas unklar ist die Nachrichtenlage mit Blick auf die aktuellen Bemühungen der irakischen Regierung. Angeblich verhandelt sie mit schiitischen wie mit kurdischen Milizen darüber, gegen Isis zusammenzuarbeiten. Angeblich gab es aber auch eine heimliche Botschaft an Washington, dass man Luftschläge der US-Armee gegen Isis-Stellungen nicht verurteilen würde.

 

Wie gefährlich ist „Der Islamische Staat im Irak und Großsyrien“?

Seit 2006 behauptet die Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak und Großsyrien (Isis), ein Staat zu sein. Seit Anfang der Woche, als Isis-Kämpfer weite Teile der nordirakischen Metropole Mosul einnahmen, ist die aus dem Al-Kaida-Netzwerk hervorgegangene Organisation diesem Ziel einen Schritt näher gekommen. Mosul ist eine Millionenstadt, sie ist das kommerzielle Zentrum des Iraks und die wichtigste Durchgangsstation auf dem Weg nach Syrien.

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Fünf Taliban für Bowe Bergdahl

Etwas über fünf Jahre verbrachte der israelische Soldat Gilat Shalit in Geiselhaft bei der Hamas. Als er 2011 freikam, ließ die israelische Regierung im Gegenzug über 1.000 Palästinenser frei. Unter ihnen veritable Militante.

Als am Wochenende nach fast fünf Jahren in Taliban-Gefangenschaft der US-Soldat Bowe Robert Bergdahl freikam, überstellten die USA im Gegenzug fünf Taliban-Kommandeure nach Katar, die zuvor jahrelang im Gefangenenlanger Guantánamo Bay festgehalten worden waren.

1.000 und fünf: Schon diese beiden Beispiele zeigen, dass die Spannbreite enorm ist, wenn es um den Austausch von Gefangenen zwischen Konfliktparteien geht. Wenn es eine Gemeinsamkeit gibt, ist es diese: Sowohl in Israel als auch in den USA gibt es den Grundsatz, keine Soldaten in Gefangenschaft zurückzulassen.

Allerdings kann man natürlich fast genau dasselbe von Hamas und Taliban sagen. Auch sie wollen ihre Gefangenen nicht zurücklassen. Nur handeln sie spiegelverkehrt: Sie entführen Soldaten der gegnerischen Seite, um Verhandlungsmasse zu gewinnen.

Solche Deals haben schon wegen dieser Konstellation immer auch eine politische Dimension, denen nicht nur mit Fragen der juristischen Legalität beizukommen ist. Denn es gibt noch einen zweiten Grundsatz, der vor allem in den USA immer wieder betont wird: Wir verhandeln nicht mit Geiselnehmern. Außer, müsste man leise hinzufügen, wenn wir es doch tun. So wie eben im Falle Bergdahls

Wie zu erwarten, hat in den USA bereits eine Debatte darüber eingesetzt, ob die Bergdahl-Entscheidung richtig war – oder ob der Schaden größer als der Gewinn sein könnte. Die Debatte verläuft verhalten, weil niemand laut sagen möchte, er hätte an Obamas Stelle Bergdahl lieber in seinem Verließ gelassen. Aber sie wird geführt zum Beispiel über den Verweis auf die Gefährlichkeit der befreiten fünf Taliban-Kommandeure.

Hier nun wird es interessant. Der US-Senator John McCain etwa äußerte sich dahingehend, dass er „wirklich gerne wissen würde, welche genauen Schritte unternommen würden, um sicherzustellen, dass diese hinterhältigen und gewalttätigen Taliban-Extremisten nie wieder den Kampf gegen die USA oder unsere Partner aufnehmen oder in irgendeiner Weise Aktivitäten aufnehmen, die die Aussichten auf Frieden und Sicherheit in Afghanistan bedrohen können“.

Die Antwort ist einfach: Es gibt zwar Abmachungen (zum Beispiel dürfen die Freigelassenen ein Jahr lang Katar nicht verlassen); aber es wird niemals eine Garantie geben, dass diese Kommandeure nicht genau das tun werden, was McCain gerne verhindert sähe. Das weiß McCain. Das weiß natürlich auch die US-Regierung. Absolut denkbar, dass einige dieser Männer schon in wenigen Monaten in Afghanistan in den Reihen der Taliban auftauchen. Was sie dann genau tun, weiß niemand; so wie ja auch niemand weiß, welche Rolle die Taliban für sich selbst nach dem Nato-Abzug sehen. Aber niemand kann ausschließen, dass diese Männer in Zukunft an Kämpfen gegen die afghanische Regierung teilnehmen.

Diese Männer waren zum Zeitpunkt ihrer Festnahme tatsächlich wichtige Taliban-Kader. Details kann man in Dokumenten finden, auf die in diesem Beitrag bei Daily Beast verlinkt wird. Ihnen wird etwa vorgeworfen, an Massakern gegen Schiiten beteiligt gewesen zu sein. Einer von ihnen soll überdies von Al-Kaida-Chef Bin Laden persönlich gebeten worden sein, eine Attacke gegen die Nordallianz zu führen.

Andererseits waren die afghanischen Taliban nie international agierende Terroristen nach dem Muster von Al-Kaida. Sie sind ihrem Ursprung und Wesen nach eine militante islamistische afghanische Gruppe, die vor allem an Afghanistan und der Machtverteilung in dem Land interessiert ist. (Dass die Taliban gegen die USA zu Felde gezogen sind, nachdem diese in der Folge von 9/11 mit der Isaf-Koalition zusammen die Taliban von der Macht vertrieben, ändert daran nichts.) Freunde Amerikas sind die fünf freilich trotzdem nicht. Und nach Jahren in Guantánamo vermutlich noch weniger als zuvor. Trotzdem würde es zu den Taliban und ihrer Ideologie nicht passen, Anschläge gegen die USA in den USA zu planen. Die negativen Auswirkungen des Deals sind also für Afghanistan möglicherweise folgenschwerer als für die USA.

Allerdings gibt es einen weiteren Haken an dem Deal – nämlich die Tatsache, dass die USA öffentlich nachvollziehbar nachgegeben haben. Was aber würde die US-Regierung tun, wenn es sich um einen US-Soldaten handelte, den Al-Kaida festhält?

Das ist keineswegs fernliegend. Schon in den Neunzigern (sic!) haben Al-Kaida-Kader in Afghanistan diskutiert, wie man festgenommene Genossen durch Geiselnahmen freipressen könnte. Al-Kaidas Filiale auf der Arabischen Halbinsel hat entsprechende Überlegungen formuliert. Und noch aus dem Jahr 2009 kennen wir in Gerichtsverfahren bekannt gewordene Al-Kaida-Unterlagen, in denen diese Idee formuliert wird. Es gibt glaubwürdige Vermutungen, dass Al-Kaida noch vor wenigen Jahren plante, in Europa eine Massengeiselnahme zu organisieren, um dann Zivilisten hinzurichten, wenn den Forderungen nach Freilassung der eigenen Gefangenen nicht nachgegeben würde.

Der Bergdahl-Deal wird entsprechende Gedankenspiele beflügeln. Das ist eine Nebenwirkung, die die Obama-Regierung nicht schönreden können wird. Die Gefahr für US-Soldaten (und vermutlich auch für US-Zivilisten), gekidnappt zu werden, ist jedenfalls seit dem Wochenende nicht gesunken.

Einige bewerten den Bergdahl-Deal aber wegen einer noch anderen Facette nicht bloß negativ. Denn ein Handel mit den Taliban kann auch als vertrauensbildende Maßnahme gelesen werden. Schließlich haben die Taliban noch keine eindeutige Position bezogen, wie sie sich in Afghanistan nach dem Isaf-Abzug verhalten wollen – ob sie eine konstruktive oder eine rein militant-destruktive Kraft sein wollen. Der Deal ermöglicht ihnen, als Partner an Statur zu gewinnen.

Es gibt also viele Blickwinkel auf den Austausch. Die Maßstäbe zur Bewertung reichen vom Persönlichen (Was wenn es mein Sohn wäre?) über das Pragmatische (Wir haben ihn zurück!) bis zum Politischen (Ein Deal ist besser als kein Deal, mal sehen, was daraus wird). Eine einfache Antwort gibt es nicht.

 

Wollen Sie den Lauf der Welt beeinflussen? Bewerben Sie sich hier!

Ab und zu schaue ich auf die Webseiten der einschlägigen Geheimdienste dieser Welt, um zu schauen, in welchem Bereich diese gerade neues Personal suchen; das ist mitunter ganz aufschlussreich. Der britische Mi5 etwa, ein Inlandsgeheimdienst irgendwo zwischen dem deutschen Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und dem US-Ministerium für Heimatschutz, sucht derzeit Russisch-Experten, die Telefonate abhören und Dokumente übersetzen sollen („abgefangen mit Genehmigung“, steht extra dabei). Der Job ist frisch ausgeschrieben; ziemlich naheliegend daher, dass er mit der Ukraine-Krise in Verbindung steht.

Interessant ist auch, wie enthusiastisch britische und US-amerikanische Geheimdienste ihre Jobs anpreisen – vor allem im Gegensatz zu den extrem nüchternen deutschen Diensten.

Die CIA etwa, der US-Auslandsgeheimdienst, verspricht Bewerbern für den clandestine service, also den verdeckten (Außen-) Einsatz: „This is more than just a job – it’s a way of life…“. Dem Terrorismus und der Proliferation von Massenvernichtungswaffen auf der Spur, müsse man als Kandidat Eigenschaften mitbringen wie „physische und psychische Gesundheit, Energie, Intuition, street sense, und die Fähigkeit, mit Stress klarzukommen“. Außerdem sollte man mit „sich schnell entwickelnden, uneindeutigen und unstrukturierten Situationen“ fertig werden können.

Die US-Lauschbehörde NSA wirbt ebenfalls recht glamourös: „Fordere das Unbekannte heraus! Löse das Unmögliche! Und bei der NSA geht es auch noch darum, die Nation zu beschützen. Eine Karriere bei der NSA bietet dir die Gelegenheit, mit dem Besten zusammenzuarbeiten, den Lauf der Welt zu beeinflussen, und deine eigene Zukunft zu sichern. Ist es nicht an der Zeit, deine Intelligenz arbeiten zu lassen?“

Der britische Mi5 kleidet die Ausschreibung des Russisch-Jobs in regelrechte Spionage-Prosa: „Je tiefer Sie in eine Sprache eintauchen, desto mehr entdecken Sie. Eine Konversation beginnt mit Sport, dreht sich um die Ökonomie, landet bei der Politik. Und Sie sind nicht nur dabei, um zu übersetzen; und auch nicht, um zu interpretieren; Sie sind dabei, um eine Verständnistiefe beizusteuern, die uns in die Lage versetzt, die richtigen Entscheidungen zu treffen, um die nationale Sicherheit zu gewährleisten… In dieser Rolle werden Sie gefordert werden wie in keiner anderen; sie werden nicht nur ihr Russisch verfeinern, sondern noch andere Fähigkeiten erlernen, innerhalb eines unterstützenden Umfeldes, das zugleich freundlich und locker ist.“

Der deutsche Auslandsnachrichtendienst BND sucht derweil „Freiberufliche Mitarbeiter/innen mit hervorragenden Sprachfertigkeiten für die Sprachen des Maghreb, der Levante, der Sahelzone und Somali sowie für die Sprachen und Dialekte aus dem kaukasischen Raum auf Honorarbasis.“ Die Jobbeschreibung:
Aufgabenschwerpunkte – Übersetzen und Verschriften von fremdsprachlichen Sachverhalten in die deutsche Sprache.“ Dazu noch eine Ermahnung: „Bitte behandeln Sie die Bewerbung diskret.“ Das war’s auch schon.

Das BfV sucht aktuell „IT-affine Sachbearbeiter/innen“; die Ausschreibung klingt so: „Als Sachbearbeiter/in im Bereich „Zentrale Fachunterstützung“ erbringen Sie vielfältige Dienstleistungen für alle Fachaufgaben und -bereiche. Das Aufgabenspektrum erstreckt sich auf die Bearbeitung und Auswertung gesammelter Informationen, die Dokumentation von Arbeitsergebnissen sowie die Fertigung von Stellungnahmen und Berichten. Das Arbeitsumfeld ist geprägt durch abwechslungsreiche Tätigkeiten in leistungsstarken und motivierten Teams. Ständig neue Herausforderungen werden durch eine offene Kommunikationskultur, in Eigenverantwortung und Teamarbeit bewältigt.“

Da sieht man die Resopal-Schreibtische gewissermaßen vor sich. War das jetzt gemein? Ich meine nicht. Lieber solche Nachrichtendienste als CIA und NSA. (Und noch lieber welche, die von engagierteren Parlamentariern noch besser kontrolliert werden.)

 

It’s Terrorism, Stupid!

„Heil Hitler“, rief der Mann nach seiner Tat. Drei Menschen hatte er da soeben erschossen: Einen 14 Jahre alten Jungen und seinen Großvater, sowie eine bislang nicht identifizierte Frau. Der Tatort war ein jüdisches Gemeindezentrum in einem Vorort der US-Metropole Kansas City. Der Täter, Frazier Glen Miller, ist der Gründer und Anführer der Carolina Knights of the Ku Klux Klan sowie der White Patriot Party.

Es besteht also faktisch kein Zweifel daran, dass die Tat, die sich am Sonntag ereignete, antisemitisch motiviert war und von einem Rechtsextremisten und Rassisten begangen wurde. (Auch wenn, wie die New York Times berichtet, keines der drei Opfer jüdisch war; die Polizei, so das Blatt, gehe aber davon aus, dass Miller Juden töten wollte.) Trotzdem spricht kaum jemand von einem Terroranschlag. CNN, die New York Times und die Washington Post schreiben aktuell zum Beispiel von einem „Shooting“ beziehungsweise einem „Shooting Spree„.

Wieso eigentlich? Wieso ist dieser offensichtliche Anschlag (nichts deutet etwa darauf hin, dass der Attentäter die Opfer kannte) kein Terror-Anschlag? Es gibt viele Terrorismusdefinitionen, aber die meisten kombinieren zwei Elemente: Die Opfer sind Zivilisten, und die Motivation ist ideologisch und/oder politisch. Trifft das in diesem Fall nicht zu?

Morgen jährt sich zum ersten Mal der Anschlag auf den Marathonlauf in Boston, ausgeführt von zwei Brüdern tschetschenischer Herkunft und muslimischen Glaubens. In dem Fall war von Anfang an von einem Terroranschlag die Rede gewesen. Als Mohamed Merah im März 2012 in Südfrankreich insgesamt sieben Menschen ermordete, darunter neben Soldaten ebenfalls Mitglieder einer jüdischen Gemeinde, war sofort von Terrorismus die Rede gewesen.

Klar, die beiden Brüder hatten Bomben gezündet, was sonst sollte das sein als Terrorismus? Und Merah behauptete, er sei Mitglied von Al-Kaida (was sich nie erhärten ließ). Aber ich sehe trotzdem nicht, was die Tat von Kansas City anderes als Terrorismus sein sollte.

Dabei geht mir hier nicht um die juristische Einordnung, sondern um journalistische Reflexe. Denn hinter dieser Nicht-Einordnung als Terrorismus steckt ein verdecktes Muster. Während jeder islamistische Einzeltäter durch die Beschreibung als Terrorist unterschwellig in eine Art internationale Szene einsortiert wird, bleibt jemand wie Frazier Glen Miller so nämlich ein Einzeltäter, und sein Anschlag ein scheinbarer Einzelfall. Die Bostoner Bombenbauer aber waren, wenn überhaupt, nur sehr, sehr lose mit anderen Extremisten vernetzt; ihre Tat planten sie isoliert von Dritten. Natürlich stehen ihre Bomben in einem Zusammenhang mit anderen Anschlägen, die Dschihadisten anderswo ausgeübt haben – nur eben nicht in einem faktischen, sondern einem phänomenologischen.

Aber das ist doch bei dem Anschlag von Kansas City genauso, oder? Er ist mit den NSU-Morden in Deutschland nicht weniger verbunden als das Bostoner Attentat mit dem dschihadistischen Anschlag auf das US-Konsulat in Bengasi. Wenn Attentäter, die „Allahu Akbar“ schreien, während sie Menschen töten, in einen Zusammenhang gebracht werden, dann bitte auch Mörder, die „Heil Hitler“ rufen, wenn sie Juden ermorden.

Ich unterstelle niemandem böse Absicht. Ich fürchte nur, dass auch viele Journalisten nicht unbeeindruckt geblieben sind von der Tatsache, dass man seit 9/11 glauben könnte, Terrorismus sei ein exklusiv islamistisches Phänomen. Tatsächlich gibt es weltweit mehr Terroranschläge, die nicht islamistisch motiviert sind. Wenn man sie denn zählt. Und entsprechend einsortiert.


PS: In the interest of full disclosure: Dieser Blog Post ist inspiriert durch einen Tweet des norwegischen Terrorexperten Thomas Hegghammer, den ich persönlich kenne. Hier der Tweet: „@Hegghammer Convicted white supremacist massacres Jews, shouts Heil Hitler, but is still not a „terrorist“ to CNN and KS police: cnn.it/RhMmZf“

Update 17:17: Ich bin nicht allein: http://www.psychologytoday.com/blog/dangerous-minds/201404/why-isn-t-anyone-calling-terrorism

Update 21:05: In einer ersten Fassung dieses Textes hatte ich geschrieben, alle drei Opfer Müllers seien Juden. Das ist offenbar nicht richtig. Mittlerweile berichtet die New York Times, keines der drei Opfer sei jüdisch gewesen, die Polizei gehe aber davon aus, Miller habe Juden töten wollen. Ich bitte das zu entschuldigen – zu Beginn der Berichterstattung war die Nachrichtenlage noch weniger eindeutig. Aber für das Argument dieses Blog Posts ist es auch nicht entscheidend, ob die Opfer jüdisch waren oder ob Miller dachte, sie seien es.

 

Berliner Ex-Rapper in Syrien leistet Terrorgruppe den Treue-Eid

Er ist nicht der erste deutsche Dschihadist, der sich in Syrien der Terrorgruppe Islamischer Staat in Irak und Großsyrien (ISIS) angeschlossen hat – aber der bekannteste, und deshalb wichtigste: Dennis Cuspert, früher einmal als Rapper Deso Dogg (ein bisschen) berühmt, seit seiner dschihadistischen Selbstfindung als Abu Talha al-Almani fungierend.

Am Freitagabend veröffentlichte er ein sechs Minuten langes Video im Internet, in dem er dem ISIS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi, einem Iraker, die Baia’a, den offiziellen Treueid schwört. „Ich gebe meine Bai’a an den Amir Al-Muminin (Anführer der Gläubigen, YM), um ein Zeichen zu setzen, dass wir auf dem geraden Weg sind. Ich denke, es ist für mich eine Bereicherung.“

Cuspert hält sich seit Monaten in Syrien auf, im vergangenen Jahr wurde er dort schwer verwundet, ist seitdem aber offenbar wieder genesen. Von Beginn an publizierte er Bilder, Statements und kurze Videos aus dem Bürgerkriegsland, die an seiner dschihadistischen Gesinnung keinen Zweifel ließen; trotzdem war lange unklar, welcher Organisation er sich angehörig fühlt. Diese Frage ist jetzt geklärt – Abu Talha hat sich, wie zu erwarten, für die denkbar brutalste Variante entschieden, für die Schächtet, Terroristen und Kriegsverbrecher des aus der Al-Kaida-Filiale im Irak hervorgegangenen ISIS.

Das ist aus mehreren Gründen relevant. Zum einen, weil ISIS ideologisch und in der Praxis die extremste Gruppe in Syrien ist. Wo sie Einfluss haben, richten ihre Kämpfer Menschen für lächerlichste Vergehen hin, hacken angeblichen Dieben die Hände ab und zwingen Frauen unter die Vollverschleierung. Auch ihre Ziele liegen weit jenseits einer besseren oder auch nur alternativen Zukunft für die Bürger Syriens. Abu Talha selbst macht das in dem Video klar, wenn er sagt, dass er und seine Genossen den Kampf „so Gott es will“ nach Al-Kuds, also nach Jerusalem tragen werden. ISIS ist internationalistisch ausgerichtet, Syrien ist für die Kämpfer nur eine Etappe.

Zugleich ist ISIS freilich aus dem Al-Kaida-Universum ausgeschert, es gab Anfang dieses Jahres ein nicht wieder zu kittendes Zerwürfnis zwischen der ISIS-Führung, die sich selbst zu Beginn noch als Teil des Al-Kaida-Netzwerks verstand, und Aiman Al-Sawahiri, dem Al-Kaida-Chef. Seitdem kracht es immer wieder zwischen ISIS-Kämpfern und Verbänden anderer islamistischer und/oder dschihadistischer Gruppen in Syrien – zum Beispiel der Dschabhat al-Nusra, einer zweiten Gruppe, die aus dem Al-Kaida-Nexus hervorging und deutlich stärker auf Syrien konzentriert ist als ISIS und (etwas) moderater auftritt.

Abu Talha behauptet derweil, für ihn sei mit dem Treue-Eid ein „Traum wahr geworden“, er werde kämpfen, bis dereinst eine Rakete oder Kugel ihn töten werde.

Es ist davon auszugehen, dass er nicht der einzige aus Deutschland eingereiste Dschihadist ist, der beim ISIS gelandet ist. Der Verfassungsschutz geht mittlerweile von über 320 Syrien-Reisenden aus Deutschland aus; wie viele von ihnen tatsächlich an Kampfhandlungen teilnehmen, ist ungewiss, aber einige dürften es schon sein. Zuletzt verdichteten sich die Hinweise, dass die Kämpfer aus Deutschland in mehreren Gruppen organisiert sind; auch Abu Talha wird also wohl kaum ganz alleine sein.

In dem Video behauptet er, er befinde sich in Raqqa, einem Ort zwischen Aleppo und Deir ez-Zor, der als ein wichtiges ISIS-Zentrum gilt. Überprüfen lässt sich das nicht ohne Weiteres – genau so wie in dem Video auch unklar bleibt, ob ein ISIS-Repräsentant den Treue-Eid offiziell akzeptiert. Normalerweise geht das entsprechende Ritual mit einer Berührung der Hände zwischen Eid-Geber und -Empfänger einher. Abu Talha legt seine Hand in die Hand eines zweiten Mannes, dieser wird aber nicht gezeigt. Authentisch ist das Video wohl trotzdem – zumindest in dem Sinne, dass es wirklich Dennis Cuspert zeigt und seine Ansichten widerspiegelt.

Ob der Treue-Eid Auswirkungen haben wird, die über die Bürgerkriegssituation in Syrien hinausweisen, wird sich zeigen; Sicherheitsbehörden sind besorgt, dass heimkehrende Kämpfer aus Deutschland hierzulande Anschläge verüben könnten. Bislang hat ISIS nicht zu Anschlägen in Europa aufgerufen. Das könnte sich natürlich ändern; und Cusperts Eid würde ihn dann zu unbedingtem Gehorsam verpflichten.

PS: Ich beschreibe hier einen Sechs-Minuten-Auszug aus einem anscheinend insgesamt längeren Video.

 

„Erscheine fett!“

Al-Kaidas Filiale auf der Arabischen Halbinsel, im Jargon der Nachrichtendienste und Terroeforscher „AQAP“ genannt, hat in der vergangenen Nacht die mittlerweile 12. Ausgabe ihres englischsprachigen Online-Magazins „Inspire“ veröffentlicht. Das sorgt immer für ein bisschen Aufregung, denn „Inspire“ wird in der internationalen Szene der Kaida-Sympathisanten aufmerksam rezepiert. In einer ganzen Reihe von Terrorverfahren in den USA, Großbritannien und auch Deutschland ist in den letzten Jahren herausgekommen, dass die jeweiligen Verdächtigen „Inspire“ gelesen hatten; in einigen Fällen wurden auch Bomben nach Rezepten aus dem Magazin hergestellt.

„Inspire“ inspiriert also tatsächlich. Das rechtfertigt einen Blick in die aktuelle Ausgabe.

Der größte Teil der 37 Seiten besteht aus dem üblichen, eher langweiligen Material: Umständliche Ideologie-Traktate von lebenden und verstorbenen Kaida-Größen; darin steht wenig, was nicht anderswo und in ähnlichen Worten schon zu lesen stand.

Eindeutig relevanter sind hingegen die hinteren Seiten. Ein Autor, der sich „AQ Chef“ nennt und schon aus früheren Ausgaben bekannt ist, erklärt ausführlich, wie man eine Autobombe herstellen kann. „Es ist absolut simpel“, schreibt er, „dieses Rezept gibt dir die Möglichkeit, eine Autobombe selbst in einem Land mit dichtmaschiger Überwachung zu machen. Der Grund dafür ist: Die primären Zutaten sind einfach zu bekommen und sind unverdächtig.“ Auf der mitgelieferten Zutatenliste stehen Dinge wie Draht, ein Barometer, Kochgas. Ich bin kein Bombenbauer und verstehe auch wenig vom Bombenbau, deshalb kann ich nicht beurteilen, wie präzise die Anleitung ist und ob dabei eine funktionsfähige Bombe herauskommt. Aber die „Inspire“-Anleitungen der Vergangenheit waren gut genug, um die Sprengsätze explodieren zu lassen.

Auf die Anleitung selbst folgen dann zwei Seiten mit Vorschlägen für deren Einsatz – „Inspire“ hat seit jeher den Ansatz, möglichst praxisbezogen zu sein, da verwundert das nicht weiter. Schon früher hat das Blatt zum Beispiel Vorschläge für gezielte Ermordungen geliefert.

Etwas absurd ist die dann folgende Liste allerdings schon. Als sinnvolles Zeil, weil man quasi automatisch wichtiges US-Personal treffen würde, werden Restaurants in Arlington und Alexandria (wo es in der näheren Umgebung Geheimdienst-Einrichtungen gibt) sowie Bars in der M Street in Washington, DC genannt. Außerdem: „Tennis-Stadien“, zum Beispiel während der US Open.

Für die USA schlägt „Inspire“ vor, Pferderennen (in Anwesenheit der Queen!) anzugreifen. Und das Savoy-Hotel „gegen zehn Uhr abends“, wenn Geschäftskeute und hochrangige Ziele sich dort versammelten: „Ein perfekter Ort für deine Autobombe“.

Auch Frankreich steht im Fokus: Der Louvre, die Urlauber in der Dordogne (Briten und Franzosen gleichzeitig!) sowie die Militärparade am 14. Juli werden genannt. Deutschland taucht nicht auf.

Wie ist das alles zu werten?

Sagen wir so: Das Benennen von Terroranschlagszielen dient natürlich zuvorderst der Verunsicherung. Al-Kaida denkt hier außerdem um die Ecke: Verunsicherung bedeutet zum Beispiel unter Umständen versträkte Schutzmaßnahmen, was wiederum Kosten verursacht, was wiederum die westlichen Volkswirtschaften in Mitleidenschaft zieht. Diese Argumentation kennen wir auch aus anderen Kaida-Anleitungen: Alles, was dem Feind Kosten verursacht, ist schon mal gut.

Andererseits weiß Al-Kaida und wissen die „Inspire“-Macher, dass Drohungen, aus denen nie etwas wird, irgendwann ihren Schrecken verlieren. Deswegen lautet ihr Kalkül, dass sich schon der eine oder andere finden wird, der etwas davon umzusetzen versucht. „Inspire“ ist in dieser Hinsicht auch sehr deutlich und ruft die Leser auf, selbst tätig zu werden, auch ohne vorher Verbindung aufzunehmen: Du musst kein Mitglied sein!

Tatsächlich hat es in den vergangenen Jahren mehrere erfolgte und versuchte Anschläge gegeben, bei denen es genau so ablief, auch wenn nicht immer klar ist, dass die Attentäter dabei „Inspire“ im Hinterkopf hatten: Zwei Männer töteten in London auf offener Straße einen britischen Soldaten. Zwei Brüder zündeten Sprengsätze beim Boston-Marathon. Vier deutsche Islamisten werden verdächtigt, Pro-NRW-Politiker getötet haben zu wollen.

Die Liste der gewünschten Ziele bedeutet also nicht, dass entsprechende Anschläge bereits in der Planung sind. AQAP lässt seine Sympathisanten lediglich wissen, welche Art von Anschlägen das Terrornetzwerk für wünschenswert erachtet – und liefert neben Motivation die technische und operative Anleitung (Verkleide dich! Erscheine fett!) gleich mit. „Terror by remote control“ nennen das einige Forscher, „Terror durch Fernsteuerung“. Wobei „Steuerung“ nicht das ganz treffende Wort ist, es geht ja eben nicht darum, eine Zelle zu steuern, sondern sie zu „inspirieren“. Der Rest ist dann ihr selbst überlassen.

Diese Vorgehensweise Al-Kaidas ist natürlich eher ein Zeichen der eigenen (operativen) Schwäche als der Stärke. Aber aus Sicht der Terroristen funktioniert das neue Rezept ganz gut. Auch die Al-Kaida-Zentrale in Pakistan hat bereits in Videos zum „individuellen Dschihad“ auf der Grundlage der Selbstrekrutierung aufgerufen.

„Inspire“ wird auch dieses Mal zahlreiche Leser finden, auch diese Ausgabe wird in Zukunft bei Terrorverdächtigen auf dem Rechner gefunden werden, das ist schon jetzt so gut wie sicher.

 

Das Wörterboarding des Innenministeriums

Dies ist eine kleine Geschichte über: eine Panne, eine ehrenwerte parlamentarische Praxis, die deutsche Sprache und Politik. Und zwar in genau dieser Reihenfolge.

Die Panne, um die es geht, ereignete sich im November 2013 auf dem Flughafen Köln/Bonn, von wo aus eine Frau in die Türkei reisen wollte, die 50 (leere) Magazine für das Sturmgewehr AK47 bei sich führte. Dieses besondere Gepäck fiel bei der Kontrolle auf. Aber die Frau wurde weder festgehalten, noch wurden die Magazine sichergestellt. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) berichtete zuerst über den Fall.

Der hätte natürlich nicht passieren dürfen, denn diese Art Gepäck fällt unter die einschlägigen Exportverbote, wenn man keine spezielle Genehmigung hat. Hinzu kam, dass die betreffende Frau die Mutter zweier polizeibekannter radikaler Islamisten ist, die sich wiederum in Syrien aufhalten. Es lag also nicht gerade fern, dass die Magazine etwas mit dem bewaffneten Kampf in Syrien zu tun haben könnten. Und wegen des Syrien-Embargos hätte die Ladung dorthin erst recht nicht geschafft werden dürfen. Trotzdem gelang es laut FAS derselben Dame, im Dezember auf demselben Wege noch einmal 187 Magazine außer Landes zu bringen.

Aber Pannen kommen vor. In diesem Fall handelte es sich dem Vernehmen nach um menschliches Versagen: eine Fehleinschätzung der Rechtslage. Mittlerweile läuft gegen die Dame ein Ermittlungsverfahren beim Generalbundesanwalt.

Dem Bundestagsabgeordneten Hans Christian Ströbele (Grüne), und jetzt kommen wir zu einer ehrenwerten parlamentarischen Praxis, ließ diese Meldung keine Ruhe. Er stellte daher eine mündliche Frage an die Bundesregierung. Er wollte wissen, wie die Bundesregierung es bewerte, dass die Dame weiterreisen durfte. Er wollte ferner wissen, ob diese „Duldung bzw. Unterstützung der Reisetätigkeit und des Waffentransports von möglichen V-Personen und deren Angehörigen“ gegen eine gemeinsame Linie aller Bundesländer verstoße, der zufolge mutmaßliche Dschihadisten auf dem Weg zu Kampfeinsätzen im Ausland eigentlich aufgehalten werden sollen.

„Von möglichen V-Personen und deren Angehörigen“: Ströbeles Frage zielte nicht nur auf eine mögliche Panne am Flughafen, vielmehr sollte sie die Bundesregierung dazu bewegen, sich darüber zu äußern, ob für „V-Personen“ von deutschen Geheimdiensten oder „deren Angehörige“ Sonderregeln gelten – ob also beispielsweise deren Ausreisen nicht unterbunden werden.

Interessante Konstruktion. Denn antwortet die Bundesregierung: „Ja, dann gelten jeweils eigene Regeln“, hätte Ströbele sie dazu gebracht, etwas offenzulegen, was sie sicher nicht offenlegen will. Und jeder würde außerdem sofort vermuten, dass die Dame und/oder ihre Söhne solche V-Personen sind.

So weit, so klar. Jetzt kommen wir zur deutschen Sprache. Beziehungsweise zur Antwort der Bundesregierung. Schön wäre es, die Bundesregierung würde sich bei der Beantwortung solcher Fragen an der gesprochenen Sprache orientieren. Tut sie aber leider nicht. Tatsächlich ist die Antwort eher ein Fall von Wörterboarding. Sie müssen jetzt stark sein.

Die Bundesregierung, hier vertreten durch den Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Günter Krings, führt in der Antwort an Ströbele zunächst aus, dass sie leider keine weiterreichenden Informationen geben könne, da „der geschilderte Vorgang“ Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens sei. In mehr Worten: „Eine Auskunft hierzu könnte weitergehende Ermittlungsmaßnahmen erschweren oder gar vereiteln, weshalb aus dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit folgt, dass das betroffene Interesse der Allgemeinheit an der Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und Strafverfolgung hier Vorrang vor dem Informationsinteresse hat.“

Die Bundesregierung sagt also erst einmal gar nichts zum von Ströbele aufgemachten V-Mann-Fass; das war freilich zu erwarten. Wenig ist heikler als das Geschäft der Dienste mit Informanten, da wird in aller Regel weder bestätigt, noch dementiert. (Ich vermute allerdings, nach einigen Telefonaten „in Sicherheitskreisen“, die ich heute geführt habe, dass in diesem Fall niemand eine V-Person war.)

Danach allerdings kommt die Regierung auf die Panne zu sprechen. Oder besser gesagt: Staatssekretär Krings versucht, eine Panne als Panne zu beschreiben, ohne das Wort Panne zu benutzen. Ich gehe das mal Satz für Satz durch – und versuche, zu übersetzen:

„Unabhängig hiervon wurde der Sachverhalt unter rechtlichen wie tatsächlichen Gesichtspunkten nachbereitet.“

Wir haben noch mal über den Fall gesprochen.

„Bei Würdigung der heute vorliegenden und zusammengeführten Erkenntnisse ist festzuhalten, dass sowohl die Sicherstellung der mitgeführten Gegenstände, als auch die Untersagung der Ausreise rechtlich möglich ist.“

Uns ist dann klar geworden, dass man in so einem Fall das dubiose Gepäck sicherstellen darf. Auch die Weiterreise darf man in so einem Fall verhindern.

„Dieses Ergebnis resultiert aus dem heutigen Erkenntnisumfang, der zum damaligen Zeitpunkt nicht vollumfänglich vorlag.“

Hinterher ist man eben immer schlauer.

„Es bleibt festzuhalten, dass die Ausfuhr entsprechender Teile ohne Genehmigung verboten ist. Was die Ausfuhr entsprechender Gegenstände nach Syrien angeht, gilt ein generelles Ausfuhrverbot. Umfang und Art der Maßnahmen richten sich nach den konkreten Gesamtumständen des Einzelfalls.“

Aber natürlich wissen wir schon, dass man so etwas nicht ohne Genehmigung ausführen darf, schon gar nicht nach Syrien, da gilt ja zusätzlich noch das Embargo. Was man dann genau unternimmt, kommt aber immer auf den Einzelfall an.

„Bei vollumfänglichem Vorliegen aller Erkenntnisse wären neben der Ausreiseverhinderung die Sicherstellung der relevanten Gegenstände sowie die Einleitung eines Strafverfahrens in Betracht zu ziehen gewesen.“

Eigentlich hätten die Kontrolleure am Flughafen das wissen müssen. Sie hätten die Magazine sicherstellen und eine Ausreiseverhinderung sowie die Einleitung eines Strafverfahrens prüfen müssen.

113 Wörter um zu sagen: Hätte nicht passieren dürfen, war eine Panne, die Kollegen am Flughafen haben die gesetzlichen Bestimmungen falsch ausgelegt. Mir wäre ein Innenministerium lieber, das Fehler, die in seinem Zuständigkeitsbereich passiert sind, in klaren Worten eingesteht.

Jetzt noch ein Wort zur Politik. Eine der Hilfskünste der Politik ist nämlich die Rhetorik. Und im Gegensatz zum BMI beherrscht Ströbele diese Kunst:

„Aus der Antwort der Bundesregierung schließe ich, dass die Bundespolizei tatsächlich Dutzende von Kalaschnikow-Magazinen von den Grenzbehörden nur fest- statt sicherstellte. Das ist weder mit der Rechtslage zu vereinbaren noch aus womöglich geheimdienstlichen Gründen zu rechtfertigen. Offenbar billigt die Bundesregierung, dass geheimdienstliche Interessen Vorrang haben vor einer Gefahrenabwehr für die öffentliche Sicherheit in Deutschland und international. Wenn die Bundesregierung beklagt, wie viel deutsche Islamisten zum Kämpfen in Kriegsgebiete ausreisen, muss sie sie aufhalten statt „gute Reise“ zu wünschen.“

Was lässt sich daraus lernen? Wer keine klaren Antworten gibt, muss damit rechnen, dass der Fragesteller das zu seinem Vorteil nutzt.